Historische Masken Kindermuseen Experimentelle Archäologie und Regionalgeschichte - Pfahlbauten ...

Die Seite wird erstellt Melina Sauer
 
WEITER LESEN
Historische Masken Kindermuseen Experimentelle Archäologie und Regionalgeschichte - Pfahlbauten ...
Plattform · 28/29 · 2019–20

                                                                                  JAHRBUCH 28/29 · 2019–20

                              Historische Masken
                              Kindermuseen
                              Experimentelle Archäologie und Regionalgeschichte
Historische Masken Kindermuseen Experimentelle Archäologie und Regionalgeschichte - Pfahlbauten ...
Inhalt

                                                                                        Zur Geschichte der Masken                     Aus der studentischen Werkstatt                Ausflugstipps
Masken                                       Das Pfrunger Ried
                                                                                         4	P. Walter:                                110 S.-T. Blenk:                               	147 H. Hermansdorfer, A. Janas:
Von der Fasnacht bis zur magisch             Bislang vernachlässigte Landschaften            Teil I: Urgeschichtliche Masken          		Ausgewählte Kindermuseen in                       Der Archäopark Vogelherd in
religiösen Abwehr von Dämonen.               in der archäologischen Forschung neu       23	M. Baumhauer:                                   Deutschland                                    Niederstotzingen
                                             betrachtet.                                     Teil II: Masken und ihre Verwendung      	112 R. Andrews:                              148	H. Napierala:
                                   Seite 4                                                   in mittelalterlicher Zeit                      Kindermuseen in Dänemark                       Campus Galli – der St. Galler Kloster­
                                                                            Seite 44    29	C. Erol:                                 115 M. Held:                                         plan wird als Mittelalterbaustelle
                                                                                             Teil III: Masken der Neuzeit             		 Kindermuseen in Großbritannien                    erlebbar
                                                                                                                                        117 B. M. Foth:                                151 P. Walter:
                                                                                        Methoden der Archäologie                      		 Außerschulische Lernorte                    		 Die Schussenquelle bei
                                                                                        	32 V. Edelstein:                            120 K. Puster:                                 		 Bad Schussenried
                                                                                        		 Genetik, Epigenetik und Proteomik          		 Die Kinder-Uni und ihre Ansätze
                                                                                                                                      125 M. Rapp:                                   		 Aus dem Museum
                                                                                        Aus der Region                                		Zwischen freiem Lernen, Insekten­            		 G. Schöbel:
                                                                                        	39 W. Graf v. u. zu Bodman:                       gewusel und glücklichen Kindern          153	Projekt „Archäologie der Zukunft –
                                                                                              Bodman am Bodensee                                                                            Direktvermittlung Wissen“ 2017-2020
                                                                                         44	G. Schöbel:                              Aktuelles aus der Archäologie                  155 ”Sharing Heritage“ im Pfahlbau­
                                                                                              Das Pfrunger Ried – Das Forschungs-     127 R. Ebersbach, E. Marinova-Wolff,                  museum Unteruhldingen
                                                                                              institut für Vor- und Frühgeschichte    		A. G. Heiss:                                157 	Projektförderung aus dem „Sofort­
                                                                                              am Pfahlbaumuseum Unteruhldingen                6.000 Jahre altes Gerstenmalz aus             hilfeprogramm Heimatmuseen“
                                                                                              im Pfrunger Ried und in Oberschwa-              Hornstaad – Bioarchäologischer Nach-          durch den Deutschen Verband
                                                                                              ben zwischen 1949 und 1982                      weis für das älteste Bier in Europa?          für Archäologie e.V.
                                                                                          81	M. Jochim:                              	133	U. Leuzinger, L. Enderli,               158	Der Erweiterungsbau des Pfahlbau-
                                                                                              Steinzeit hat Zukunft!                          B. Möckli, H. Brem:                           museums Unteruhldingen im
                                                                                              Gedanken zur Urgeschichte der                   Graben im Welterbe                            Masterplan „Weltkulturerbe
                                                                                              Mikroregion Pfrunger Ried                       vor laufender Kamera                          Pfahlbauten“ – Stand der Planungen
                                                                                        	87	G. Schöbel:                             136 J. Reinhard, D. Freund, A. Meier:                2021
                                                                                              Unteruhldingen und die Eisenbahn         		Hügeli“ allerorten? Steinberge im
                                                                                                                                              nördlichen Zugersee, Kanton Zug,       160 Vereinsnachrichten
                                                                                        Experimentelle Archäologie                            Schweiz
                                             Außerschulische Lernorte                   	92 	R. Laschimke, M. Burger, P. Walter:     	140 R. Keller:
                                                                                               Wie kommt das Loch in die Kupferaxt?         	Ein neu entdeckter römischer
                                             Vermittlungsmöglichkeiten im Museum -
                                                                                           96 H. Gieß, A. Scherrer:                           Gutshof in Aufkirch hoch über dem
                                             Best Practice Beispiele.
                                                                                        		 Honig, Wachs und Propolis                          Überlinger See
                                                                                        100	P. Walter:
                                                                              Seite 4
                                                                                               Der Rohstoff Bienenwachs und seine
Wie kommt das Loch ins Beil?                                                                   Nutzung von der Altsteinzeit bis zum
                                                                                                                                                                                     Honig, Wachs und Propolis
                                                                                               Ende der Bronzezeit
Alte Gusstechnik im Experiment.
                                                                                        	106 M. Klek:                                                                               Hohle Baumstämme und Klotzbeuten
                                                                                               Fette und Erden – Neolithische                                                       – was die prähistorische Biene für den
                                   Seite 4
                                                                                                Gerb-Szenarien unter Einsatz                                                         Menschen bedeutete.
                                                                                                mineralischer Zusatzstoffe
                                                                                                                                                                                                                        Seite 96

Plattform 2                                                                                                                                                                                                         Plattform 3
Historische Masken Kindermuseen Experimentelle Archäologie und Regionalgeschichte - Pfahlbauten ...
Pfrunger Ried · 1949 – 1982

Das Pfrunger Ried
Das Forschungsinstitut für Vor- und Frühgeschichte
am Pfahlbaumuseum Unteruhldingen
im Pfrunger Ried und in Oberschwaben
zwischen 1949 und 1982
von Gunter Schöbel

                                                                                                                                             Abb. 01 · Bodo Frohwein (*1904 – † 1960).      Abb. 02 · Gerta Schneider (*1908 – † 1999).         Abb. 03 · Heinz Dürr (*1893 – † 1976).

Die Ausgangssituation                         sein und das Freilichtmuseum in der             Rente, Wahlrecht und auch das Recht,           Leiter Hans Reinerth. Sie konzentrier­         Badischen Forst vermittelte eine Holz­              „sehr gut“ zu überstehen, als „Minderbelas­
                                              neuen Bundesrepublik Deutschland wieder         einen Kraftwagen zu fahren, waren auf fünf     te sich mithilfe der noch verfügbaren          schenkung für Bauholz und Pfähle durch              teter mit 2 Jahren Bewährungsfrist“, und
Die Währungsreform in der Trizone 1948,
                                              auf demokratische Fundamente wie in den         Jahre ausgesetzt worden. Nach §52 Alliier­     Mitarbeiter und der Vereinsmitglieder          den Markgrafen von Baden. Bücher für                wünschte seinem ehemaligen Chef, wie
den drei westlichen Besatzungszonen in
                                              Anfangsjahren gestellt werden (Schöbel          tengesetz hatten seine Fachkollegen aus        aus der Region zunächst auf das Frei­          die Bibliothek wurden neu angeschafft.              auch den anderen Kollegen in Württem­
Deutschland, traf das Regionalmuseum am
                                              1997, 32 f.). Ein stark gestiegener Besucher­   Freiburg und Tübingen bei den Militärbe­       lichtmuseum. Die Hausplattformen der           Karl Wiehler aus Unteruhldingen überließ            berg und Baden, eine „günstige Entbrau­
Bodensee hart. Die Einführung der D-Mark
                                              strom im Sommer 1949 mit bereits wieder         hörden 1948 erreicht, dass alle seine priva­   Pfahlbauten wurden instandgesetzt, alle        dem Freilichtmuseum Unteruhldingen die              nung“ und Wiedereinsetzung.
im Juni sollte die Wirtschaft stabilisieren
                                              50.200 Besuchern ermöglichte dringend           ten wissenschaftlichen Unterlagen, Bücher      Räume neu gestrichen. Seilermeister Ritz       von ihm und seinem Sohn am Wohnplatz
und zu einem neuen Wachstum führen, so                                                                                                                                                                                                          Dies hatten die meisten Archäologen
                                              notwendige Reparaturen der Dörfer und           und Ausgrabungsgeräte beschlagnahmt            lieferte Juteseile, dreifach locker gedreht,   33a der Mittleren Steinzeit in Uhldingen
die Idee. Die Währungsumstellung führte                                                                                                                                                                                                         in Baden und Württemberg zu diesem
                                              Neueinrichtungen. Der Wiederaufbau der          wurden. Sie lagerten zu dieser Zeit noch       ein Zentimeter dick, für Dachdeckungen         aufgelesenen Stücke: 84 Stück für 86,60
aber zunächst zu gravierenden Einschnit­                                                                                                                                                                                                        Zeitpunkt mit gegenseitiger Unterstützung
                                              Modellwerkstatt zur Renovierung und             in 16 Holzkisten versiegelt in Bad Buchau      und Holzverbindungen. Magnesit für die         DM. Nur fünf Jahre nach Kriegsende durfte
ten. Alle in den ersten Nachkriegsjahren                                                                                                                                                                                                        bereits wieder erreicht – ein Großteil des
                                              Einrichtung der Häuser war in Planung,          am Federsee. Der West- und Süddeutsche         Lehmwände, Steinkeulen, Streitäxte,            der Verein wieder erste Verträge mit Muse­
im Freilichtmuseum erarbeiteten Geldre­                                                                                                                                                                                                         archäologischen Personals in Deutschland
                                              erste Überlegungen zur Wiederaufnahme           Altertumsverband hatte ihn zudem im Juni       Henkelkrüge und eine Töpferdrehscheibe         umsangestellten abschließen, wie mit Dr.
serven waren auf einen Schlag verloren.                                                                                                                                                                                                         mit ehemaliger Partei- oder Parteigliede­
                                              der Forschungen der Vorkriegsjahre am           1949 aufgrund einer „tendenziösen Vorge­       (Abb. 01) kamen auf Rechnung vom ehe­          Gerta Schneider, jetzt als wissenschaft­
Die Löhne der Angestellten konnten im                                                                                                                                                                                                           rungszugehörigkeit konnte nach Abschluss
                                              Bodensee und in den Mooren Oberschwa­           schichtswissenschaft“, die er im NS-Staat      maligen Modellschreiner Bodo Frohwein          liche Assistentin, mit Gertrudis Heilig
Winter 1948/49 nicht gezahlt werden. Da                                                                                                                                                                                                         der verpflichtenden Entnazifizierungsver­
                                              bens waren in Gang gesetzt.                     betrieben habe, auf einer Arbeitstagung        in das Museum. Bertha Knoblauch aus            zur Abhaltung von Führungen, Hans März
Friedrich Sulger, der Sohn des Museums­                                                                                                                                                                                                         fahren ordentlich im öffentlichen Dienst
                                                                                              in Regensburg aus der archäologischen          Unteruhldingen fertigte Pfeilbogen für die     als Kassierer sowie Leo Rimsberger für
gründers Georg Sulger, zum 29. April 1949     Der Berliner Professor Hans Reinerth                                                                                                                                                              eingestellt werden. Wolfgang Kimmig,
                                                                                              Wissenschaft ausgeschlossen (Schöbel           Steinzeit. Frohwein lieferte darüber hinaus    Zimmermanns- und Schreinerarbeiten.
den Vorsitz des Pfahlbauvereins abgab,        unterschrieb zum 31. Dezember 1950 einen                                                                                                                                                          NSDAP- und SA-Mitglied (Staatsarchiv
                                                                                              1997, 45 f.). Dies kam faktisch einem von      Feuersteingeräte und Vogellampen für
übernahm Landrat i.R. Dr. Maier aus           neuen Vertrag als wissenschaftlicher                                                                                                                                                              Freiburg, D 180/2 Nr. 194378, Entnazifizie­
                                                                                              Fachkollegen verhängten Berufsverbot           den Verkauf. Bronzen der Kunstgießerei         Die „Entnazifizierung“ als Voraussetzung
Überlingen als stellvertretender Vorsitzen­   Leiter. Der Verein erkannte seine Urhe­                                                                                                                                                           rungsakte 1948, 1980 [Umfang: 6 Seiten] D
                                                                                              gleich. Dieses Verdikt hatte bis zu seinem     Vinzenz Hörner aus Schwäbisch Gmünd            für den Wiederbeginn
der die Leitung. Am 30. April 1950 wählten    berschaft an den Gebäuden der Freilicht­                                                                                                                                                          180/2 Nr. 215019, Entnazifizierungsakte von
                                                                                              Tod im Jahre 1990 Bestand. Die Zeichen         wie Nadeln, Rasiermesser, Bronzeschalen,
ihn die 54 anwesenden Mitglieder auf der      anlage an und vergütete sie fortan mit                                                                                                        Ehemalige Mitarbeiter meldeten sich                 Wolfgang Kimmig „V. O. 165 108“, Fehr 2006,
                                                                                              standen damit wenig günstig für eine           Schwerter und Ambosse nach Vorbild des
ersten ordentlichen Generalversammlung        16 Prozent der Museumseinnahmen. Er                                                                                                           auf der Suche nach Arbeit. Heinz Dürr,              553) war bereits 1946 am Urgeschichtlichen
                                                                                              Wiederaufnahme der wissenschaftlichen          Pfahlbaus Zürich-Wollishofen konnten
des Pfahlbauvereins nach dem Krieg zum        durfte sich nach außen zunächst aufgrund                                                                                                      Lichtbildner, Fotograf (Abb. 03), Zeichner,         Institut in Freiburg und als Denkmalpfleger
                                                                                              Forschungen im Museum, einer privaten          wiederbestellt werden.
Vorsitzenden. Hans Reinerth, der Leiter       seines ersten NS-Säuberungsverfahrens                                                                                                         Sammler, enger Vertrauter Hans Reinerths            in Südbaden tätig. Kurt Bittel, gleichfalls
                                                                                              Institution, die vorher durch Ausgrabungen
des Museums von 1938–1945, kündigte eine      und seiner Verurteilung als „Schuldiger des                                                    Manches war durch die zeitweise Bewoh­         aus Tübingen und Berlin, hatte die ersten           NSDAP-Mitglied und während der Kriegs­
                                                                                              wie auch den Aufkauf oder die Überlassung
Neufassung der Vereinssatzung an, deren       NS-Regimes“ 1949 in Freiburg (Entnazifizie­                                                    nung der Anlage durch marokkanische            Nachkriegsjahre 1945 bis 1949 zurück­               jahre Assistent von Martin Schede am DAI
                                                                                              von Sammlungen seine Museumsaufgaben
Grundlage die Satzung aus dem Jahre 1926      rungsverfahren, Archiv Pfahlbaumuseum)                                                         Truppenteile der französischen Besat­          gezogen auf Bauernhöfen in Bayern und               Istanbul, übernahm am Tübinger Institut
                                                                                              in Unteruhldingen erfüllt hatte.
bilden sollte. Die letzte aus dem Jahr 1935   nicht öffentlich betätigen (Schöbel 1997,                                                      zungsarmee nach Kriegsende und durch           Oberschwaben als Landwirtschaftshelfer              vertretungsweise die Leitung. Er kam
müsse „…den Zeitverhältnissen angepasst       44 f.). Wegen der auferlegten Sühne­            Der Neubeginn war nicht leicht, verlangte      Plünderungen verloren gegangen. Hier           gearbeitet und wartete Anfang 1950 noch             durch Spruch vom 17.6.1949 in die Gruppe
werden“. Dadurch sollte die Gleichschal­      maßnahmen war es ihm ebenfalls nicht            aber nach den Statuten des Pfahlbauver­        war Gerta Schneider (Abb. 02) als Muse­        auf die Entscheidung in seinem politischen          der formal gering Belasteten. Gustav Riek,
tung aller Museumsvereine im NS-Staat,        erlaubt, ein öffentliches Amt zu bekleiden,     eins wissenschaftliche Expertise. Diese        umsleiterin der ersten Nachkriegsjahre         Säuberungsverfahren in Freiburg (Schöbel            Ordinarius am Tübinger Institut bis 1945,
so auch die des Vereins für Pfahlbau- und     Reden zu halten, Bücher zu schreiben,           kam, nachdem der Bodenseegeschichts­           für die Wiederbeschaffung verantwortlich.      2011, 92 f., 114 f.; Schöbel 2015a, 23 Anm. 100).   als SS-Offizier, Schulungsleiter und dritter
Heimatkunde e.V., die im Jahr 1938 vollzo­    Mitglied einer politischen Partei oder          verein, das Land und die Gemeinde eine         Handwerker aus dem Ort renovierten die         Am 26. März 1950 berichtete er dem neuen            Kommandant im Konzentrationslager Hin­
gen wurde, der Vergangenheit angehören,       einer beruflichen Vereinigung zu sein.          Übernahme des Museums abgelehnt hatten,        Holzwände der Häuser. Vorstandsmitglied        Museumsleiter davon, dass er es jetzt               zert an der Luxemburger Grenze eingesetzt,
die französische Besatzung Geschichte         Alle gesetzlichen Ansprüche auf Pension,        vom alten und neuen wissenschaftlichen         Forstrat Friedrich Meiss vom Großherzoglich    geschafft habe, die Entnazifizierung mit            erhielt 1948 die Einstufung als Mitläufer.

Plattform 44                                                                                                                                                                                                                                                                  Plattform 45
Historische Masken Kindermuseen Experimentelle Archäologie und Regionalgeschichte - Pfahlbauten ...
Pfrunger Ried · 1949 – 1982

Er wurde als Hochschullehrer 1949 seines       berichtete. Dürr besaß somit fünf Jahre           ab 1941 (Margarethe Neuss an Goessler                1953 erfolgte ein weiterer Vorstoß zur         Frankfurt mit, dass Reinerth in die Liste der   der Universitätskasse Tübingen oder durch
Amtes enthoben und 1956 wieder an der          nach Kriegsende wieder sein so dringend           08.11.1949). Bittbriefe von Moritz Vierfelder,       Entlastung mit folgender Begründung:           Hochschullehrer zur Wiederverwendung            Dienststellen der NSDAP. Es folgten die
Universität Tübingen eingestellt. Friedrich    benötigtes fotografisches Handwerkszeug.          dem jüdischen, ehemaligen Schriftführer              „… Die Verfälschung der Wissenschaft, die      aufgenommen worden sei. Wilhelm Schlei­         Belege zur Finanzierung der Altgrabungen
Garscha, Bodendenkmalpfleger in Baden          Mit der Ausrüstung und der Einrichtung            des Buchauer Altertumsvereins, erreichten            Politisierung der Wissenschaft reiche als      ermacher, gerade bei der RGK nach seinem        und die Abrechnungen.
und im besetzten Elsass, erreichte 1949        eines Fotolabors entstanden Bilder für            in dieser Sache die Ministerien in Stuttgart         Grund nicht. Es ginge nicht an, einzelne       Säuberungsverfahren wiedereingesetzt,
                                                                                                                                                                                                                                                     Die Anknüpfungen an die Feuchtbodenfor­
die Einstufung als „Mitläufer“ (Generallan­    Postkarten des Museums zum Verkauf.               und Siegbert Einstein in Buchau (11.02.1947,         Wissenschaftler für die Politisierung einer    forderte umgehend Carl Weickert, den
                                                                                                                                                                                                                                                     schungen der Vorkriegsjahre waren nicht
desarchiv Karlsruhe Entnazifizierungsakte      Mit der zurückgewonnenen Ausrüstung               26.06.1948, 28.03.1953), den letzten dort            Wissenschaft verantwortlich zu machen.         kommissarischen Präsidenten des Deut­
                                                                                                                                                                                                                                                     nur in Südwestdeutschland schwierig. Die
465 h Nr.7139; Sammelakte 465 c Nr. 110).      stand darüber hinaus den Überlegungen zur         verbliebenen jüdischen Mitbürger. Die                Jedes Regime der Welt hat es in Anspruch       schen Archäologischen Institutes (DAI) in
                                                                                                                                                                                                                                                     Römisch-Germanische Kommission in
Adolf Rieth, SA Mitglied, Schüler Reinerths    Wiederaufnahme der Feldforschungen und            Freigabe der gesperrten wissenschaftli­              genommen, Ergebnisse und Erkenntnisse          Berlin, auf, beim Bundesinnenministerium
                                                                                                                                                                                                                                                     Frankfurt wie auch das Deutsche Archäo­
(Staatsarchiv Freiburg, C 25/8 Nr. 1152        Dokumentationen im Rahmen von Feldbe­             chen Materialien, aber auch die Hilfe bei            von Wissenschaft und Forschung auf             gegen die Wiederverwendung Reinerths
                                                                                                                                                                                                                                                     logische Institut unternahmen länderüber­
Personalakte des Badischen Kultusminis­        gehungen am Bodensee und in Oberschwa­            einer Rehabilitierung Hans Reinerths zur             allen Lebens- und Wissensgebieten zur          Schritte zu unternehmen. Dieser richtete
                                                                                                                                                                                                                                                     greifend Anstrengungen, um den ehema­
teriums von Adolf Rieth, 1941–1946, ca. 75     ben nichts mehr im Wege. Sie sollten              Wiederanstellung im Staatsdienst war das             Untermauerung politischer Argumente            mehrere Schreiben seitens der Fachver­
                                                                                                                                                                                                                                                     ligen Berliner Professor an der Ausübung
Seiten; Spruchkammerakte Sigmaringen           an die systematischen Uferbegehungen              gemeinsame Ziel.                                     auszuwerten.“ Zum 7. August 1953 begann        tretung an den Bundesinnenminister. Das
                                                                                                                                                                                                                                                     archäologischer Tätigkeiten zu hindern.
Wü 13 T Nr. 2414/071; Nachlass Rieth Pfahl­    1929/30, die Dürr am Bodensee in Unteruhl­                                                             die Wiederaufnahme des Verfahrens              Justizministerium Baden-Württemberg
                                                                                                 Vereinsvorsitzender Maier (Abb. 04) und                                                                                                             Anträge bei der Deutschen Forschungsge­
baumuseum Unteruhldingen) hatte 1944           dingen, Seefelden, Maurach, Bodman, aber                                                               Reinerth. Begründung durch das Justizmi­       teilte Rieth in Tübingen am 26. Januar 1954
                                                                                                 der neue Museumsleiter kümmerten sich                                                                                                               meinschaft auf Beihilfe zur abschließen­
habilitiert und war für eine Dozentur am       auch in Oberschwaben und am Lindenhof                                                                  nisterium Baden-Württemberg: Man habe          auf Anfrage mit, dass die Entscheidung der
                                                                                                 mit Anwälten, bald auch im Rahmen des                                                                                                               den Bearbeitung der Mittleren Steinzeit
Institut für Germanische Vorgeschichte an      bei Pfrungen begonnen und über die Hans                                                                den Belastungsunterlagen mehr Gewicht          Spruchkammer Freiburg aufgehoben wur­
                                                                                                 2. Landesgesetzes zur Vereinfachung der                                                                                                             am Federsee für insgesamt 94 Fundplätze
der Reichsuniversität Straßburg vorgese­       Reinerth publiziert hatte (Reinerth 1930,                                                              als den Entlastungsunterlagen gegeben.         de und die Entscheidung vom 19.09.1953 im
                                                                                                 politischen Säuberung vom September                                                                                                                 über jeweils 6000 DM vom 18.03.1956 und
hen. Er leitete 1945–1953 die Denkmalpflege    Abb. 1; Taf.7.8 – Reinerth 1953), anknüpfen.                                                           Die Behandlung der Entlastungsunterlagen       Einklang mit der badischen Landesverord­
                                                                                                 1951, um die Aufhebung der persönlichen                                                                                                             vom 14.04.1959 wurden ohne Begründung
in Württemberg-Hohenzollern in Tübingen                                                                                                               ließe jedoch die gleiche Sorgfalt vermis­      nung über die Befreiung vom Nationalso­
                                               Die Altuferlinien und Geländekanten der           Beschränkungen, die für einen vollen                                                                                                                abgelehnt. Auch hatte Wolfgang Dietrich
und war 1948 als nicht belastet eingestuft                                                                                                            sen. Am 4. September 1953 erfolgte die         zialismus und Militarismus und somit in
                                               Steinzeit wurden erneut regelmäßig zur            Einsatz des neuen und alten Leiters im                                                                                                              Asmus, Direktor der Urgeschichtsabtei­
worden. Hartwig Zürn, der Nachfolger                                                                                                                  Benachrichtigung über die Verfahrensein­       Anwendung der Direktive 38 des Alliierten
                                               Erkundung der Wohnplätze abgesucht. Doch          Rahmen der anstehenden Aufgaben nötig                                                                                                               lung am Landesmuseum Hannover und
Oscar Parets in der Denkmalpflege Stutt­                                                                                                              stellung, das politische Säuberungsverfah­     Kontrollrates rechtswirksam sei. Wolfgang
                                               was noch fehlte, waren die alten Unterlagen       waren. Ende des Jahres 1951 wurde mit der                                                                                                           Landesarchäologe in Niedersachsen,
gart und späterer Landesdenkmalpfleger                                                                                                                ren gemäß §9 des Landesgesetzes über die       Kimmig schlug Gerhard Bersu am 23.
                                               zu den mittelsteinzeitlichen Fundstel­            Aufhebung des öffentlichen Sprech- und                                                                                                              Gerhard Bersu in Frankfurt am 24.02.1956
Baden-Württembergs, war NSDAP-Mitglied                                                                                                                Vereinfachung der politischen Säuberung        Februar 1954 aus Tübingen vor, dass man
                                               lenkartierungen wie auch die Originalfunde        Betätigungsverbotes die erste Lockerung                                                                                                             informiert, dass Reinerth versuche, wieder
und wurde nach seiner Rückkehr aus län­                                                                                                               vom 26.05.1950 betreffend, rechtswirksam       nun Reinerth wirklich nur noch als Hoch­
                                               aus der Vorkriegszeit. Sie befanden sich          für den Schuldigen erreicht. Am 11. Februar                                                                                                         wegen neuer Dümmerprojekte Fuß zu
gerer polnischer Kriegsgefangenschaft und                                                                                                             ab dem 19. September 1953. Die Begrün­         schullehrer verhindern könne. Auch ein
                                               weiter entweder in den beschlagnahm­                                                                                                                                                                  fassen. Am Dümmer See hatten in den
Zwangsarbeit in Bergwerken am 15.03.1949                                                                                                              dung auf fünf Seiten lautete: Reinerth habe    Prozess des Kultusministeriums Stuttgart
                                               ten oder den zu Kriegsende verlagerten                                                                                                                                                                Jahren 1938–1941 zunächst Lehrgrabungen
als Mitläufer eingestuft. Das Gesetz über                                                                                                             seine Überzeugung nicht der NS-Ideologie       wegen der beschlagnahmten, in Buchau
                                               Beständen in Buchau, Friesack, Freiburg                                                                                                                                                               des Berliner Instituts, dann Ausgrabun­
die Vereinfachung der Verfahren oder auch                                                                                                             preisgegeben. Er habe im Gegenteil die         gelagerten Kisten mit wissenschaftlichem
                                               oder Luzern/Schweiz (ausführlich zur                                                                                                                                                                  gen unter der Regie des Reichsbundes
Entnazifizierungsschlussgesetz trat im                                                                                                                fantastische Germanen-Lehre im Stabe           Inhalt schien ihm erfolgversprechend. Ein
                                               Verlagerung der Kisteninventare aus Berlin                                                                                                                                                            für Vorgeschichte unter der Leitung von
April 1951 in Kraft und fand mit Ausnahme                                                                                                             Himmlers bekämpft. Er sei nicht mehr in        solcher könnte z. B. über Tageszeitungen
                                               zuletzt: Schöbel 2015a, 36 f.) oder aber galten                                                                                                                                                       Reinerth mit Studentinnen und Studenten
der Gruppen 1 (Hauptschuldige) und 2                                                                                                                  der Gruppe der Schuldigen zu führen. Die       gegen Reinerth lanciert werden. Rieth
                                               aufgrund von „Sicherungsmaßnahmen“ der                                                                                                                                                                stattgefunden (Schöbel 2015a, 22–23).
(Belastete/Schuldige) Anwendung.                                                                                                                      Vorwürfe seien ausgeräumt und die Ent­         stellte in einem Schreiben an Bersu vom
                                               Freiburger Denkmalpflege als verschollen.                                                                                                                                                             Gerhard Bersu schrieb am 26.3.1956 an
                                                                                                                                                      scheidung unanfechtbar. Sein Ausschluss        24. Februar 1954 fest: „… der Urteilsspruch
Heinz Dürr war im Frühjahr 1950 nach                                                                                                                                                                                                                 Boehringer, den Präsidenten des Archäo­
                                               Heinz Dürr setzte sich bei Prof. Gamma in                                                              aus der NSDAP noch im März 1945 durch          bedeutet die rechtliche Rehabilitierung
Zürich eingeladen worden, um zwischen                                                                                                                                                                                                                logischen Institutes in Berlin. Dieser war
                                               Luzern für die Rückgabe der dort verwahr­                                                              das Oberste Parteigericht wegen „Juden­        Reinerths gegen den einmütigen Protest
dem 9. und 14. August einen Vortrag zur                                                                                                                                                                                                              von März 1940 bis April 1943 als Kulturat­
                                               ten Unterlagen ein. Ehemalige Schülerin­                                                               freundschaft zu den Buchauer Juden und         der deutschen Vorgeschichtsforscher.“
Vorgeschichte zu halten. Zur Vorbereitung                                                                                                                                                                                                            taché an der deutschen Gesandtschaft in
                                               nen des Seminars Reinerths versuchten                                                                  der Verunglimpfung alter Kämpfer“ wurde        Eilends gingen Erklärungen in der Sache
bat er in Unteruhldingen um seine durch                                                                                                                                                                                                              Athen tätig gewesen. Bersu: „Reinerth will
                                               dies mit Eingaben an der Berliner Univer­                                                              dabei nicht thematisiert. Seine Einstufung     dagegen von Heinz Dürr, Bad Cannstatt,
die französischen Militärbehörden in Salem                                                                                                                                                                                                           in Niedersachsen wieder archäologisch
                                               sität über Wilhelm Unverzagt und bei Peter                                                             als „Schuldiger“ wurde aufgehoben.             Morris (Moritz) Vierfelder, Youngstown/
1946 beschlagnahmte Fotoausrüstung, ins­                                                                                                                                                                                                             tätig werden … Bitte Kulturministerin über
                                               Goessler (Entnazifizierungsakte Staatsar­                                                                                                             Ohio, Josef Zimmermann, Bad-Buchau,
besondere die Leica Nr. 99957 mit Objektiv                                                                                                            Dies führte zu einem Sturm der Entrüstung                                                      Reinerth informieren.“
                                               chiv Sigmaringen Wü 13 T 2 Nr. 2091/160),                                                                                                             Karl Bertsch, Ravensburg, an das Museum
Leitz Elmar 3,5. Diese hatte Fotografenmeis­                                                                                                          unter den Fachkollegen. Am 17.10.1953 teilte
                                               dem ehemaligen Leiter der Denkmalpflege           Abb. 04 · Landrat i.R. Dr. Maier (*1886 – † 1962).                                                  und nach Stuttgart. Die Rechnungen für
ter Siegfried Lauterwasser aus Überlingen                                                                                                             Adolf Rieth von der Denkmalpflege aus
                                               in Stuttgart und verantwortlichen Vertreter       Mitgliederversammlung 1954. Links neben                                                             die Grabungen im Federseemoor seien von
kurz zuvor von den französischen Behörden                                                                                                             Tübingen Gerhard Bersu von der Römisch-
                                               der Archäologie an der Tübinger Universität       ihm sitzend Dr. Karl Bertsch.                                                                       Reinerth bezahlt worden und nicht von
für das Museum „loseisen“ können, wie er                                                                                                              Germanischen Kommission (RGK) in

Plattform 46                                                                                                                                                                                                                                                                    Plattform 47
Historische Masken Kindermuseen Experimentelle Archäologie und Regionalgeschichte - Pfahlbauten ...
Pfrunger Ried · 1949 – 1982

Zu einer Abschlusspublikation der               Heinz Dürr wurde im Februar 1954 in Un­        Wem gehörten die wissenschaftlichen Un­                                                   Der „Neustart“ am Bodensee                  und das Regierungspräsidium Freiburg
Ausgrabungen kam es, obwohl von                 teruhldingen als Lichtbildner eingestellt.     terlagen der Ausgrabungen und Sondagen                                                    und in Oberschwaben                         bremste anfänglich. Ein größeres Mu-
Unteruhldingen aus beabsichtigt, nicht          Am 2. März 1954 erging die Nachricht durch     Hans Reinerths von 1919 bis 1944? Gehörten                                                in den 1950er Jahren                        seumsgebäude würde das Landschaftsbild
(zuletzt Heumüller/Briel/Schoon 2017, 12 f.).   die Staatliche Vermögenskontrolle an           sie dem NS-Staat, in deren Rechtsnach­                                                                                                am Ufer beeinträchtigen, hieß es. Doch 1953
                                                                                                                                                                                         Die Errichtung einer Modellwerkstatt für
Dies lag aber nicht an den Erstausgräbern       Reinerth, dass die Sperre gemäß Alliierten­    folge sich die Bundesrepublik Deutschland                                                                                             ergab eine Revision direkt im Ministerium
                                                                                                                                                                                         das Museum und eines „Alamannischen
um Reinerth, sondern an der fehlenden           gesetz Nr. 52 aufgehoben sei. Das Inventar     stellte, waren sie Eigentum eines ehe­                                                                                                eine Bauerlaubnis. Noch zum 100-jährigen
                                                                                                                                                                                         Bauernhofes“ zur Unterbringung von
Unterstützung der archäologischen               der Buchauer Kisten konnte ausgehändigt        maligen Wissenschaftlers der Universität                                                                                              Jubiläum der Pfahlbauforschung an den
                                                                                                                                                                                         Arbeitsräumen auf dem Bahngelände
Gemeinschaft in der Nachkriegszeit für          werden. Am 10. März 1954 beantwortete das      Berlin, eines Privatdozenten aus Tübingen                                                                                             Seen und Mooren 1954 konnte ein neues
                                                                                                                                                                                         im Anschluss an das Freilichtmuseum
diese Wissenschaftlergruppe. Die Nach­          Justizministerium Baden-Württemberg            oder gehörten sie den Vereinen oder Pri­                                                                                              Forschungsinstitut des Vereins für Pfahl­
                                                                                                                                                                                         waren schon 1949 vorgesehen. Im Winter
bearbeiter der Fundstellen verzichteten         ein Schreiben Gerhard Bersus von der RGK       vatpersonen, welche die Untersuchungen       Abb. 05 · Verschlussakten VD im Landesamt                                                bau- und Heimatkunde e.V. eröffnet werden
                                                                                                                                                                                         1951/52 sollte begonnen werden. Doch
bei den abgebildeten und verwendeten            folgendermaßen: „… Eine Wiederaufnahme         mit Spenden oder ehrenamtlich noch vor       für Denkmalpflege Stuttgart.                                                             (Reinerth 1955a) (Abb. 06/07).
                                                                                                                                                                                         die Bausparkassen zögerten mit der
Zeichnungen, Fotografien und Planun­            des Verfahrens ist nicht mehr möglich,         der Abfassung eines ersten Landesdenk­
                                                                                                                                                                                         Finanzierungszusage, die Bundesbahn als     In seinem ersten öffentlichen Vortrag nach
terlagen durchgängig bis heute auf die          da die Spruchkammer ihre Tätigkeit mit         malschutzgesetze finanziert und vertrag­     Die Auseinandersetzungen mit der
                                                                                                                                                                                         Grundbesitzer wollte kein zusätzliches      dem Krieg auf der 26. ordentlichen Mitglie­
Nennung von Urhebern und Autoren, ein           dem 31.10.1953 eingestellt hat und daher       lich vereinbart hatten? Und wem gehörten     Person Hans Reinerths begründeten ein
                                                                                                                                                                                         Gelände für die neuen Museumspläne zu       derversammlung am 16.05.1954 referierte
in der Wissenschaft unüblicher Vorgang          ein Wiederholungsverfahren nicht mehr          die Wissenschaftsdokumentationen vor         angespanntes Verhältnis des Museums
                                                                                                                                                                                         Verfügung stellen. 1952 kam es daher zur    der wissenschaftliche Leiter über das
(Kossian 2007, Strobel 2000, 62-160). Dabei     angeordnet werden kann“. Ein Zeitungs­         1933? Darum wurde über 50 Jahre lang im      zur Universität Tübingen wie auch zum
                                                                                                                                                                                         Idee, das bestehende Museumsgebäude         Thema „Die Aufgabe der Vorgeschichtsfor­
hatte etwa der an der Münchner Fotoschu­        artikel in den Stuttgarter Nachrichten         Rahmen eines Stellvertreterkrieges, vor      Landesamt für Denkmalpflege in Baden-
                                                                                                                                                                                         von 1934 durch ein Forschungsinstitut für   schung im Bodenseeraum“. Zur Einrich­
le ausgebildete Fotograf Dürr mittels der       mit der Schlagzeile „Frühgeschichte in         dem Hintergrund der Exkulpierung der         Württemberg bis zu seinem Tod im Jahre
                                                                                                                                                                                         Vor- und Frühgeschichte aufzustocken,       tung des Forschungsinstituts gehörte ein
Senkrechtfotografie den Flächenbefund für       Kisten. Der Rechtsstreit mit Prof. Reinerth“   gesamten deutschen archäologischen           1990 und erklärten die isolierte Entwick­
                                                                                                                                                                                         um Labore einzurichten und das Personal     Fotolabor, das Heinz Dürr einrichtete. Eine
die damalige Zeit hervorragend dokumen­         thematisierte den weiteren Anspruch der        Wissenschaft gegenüber einem „Haupt­         lung des Forschungsinstitutes in Unter­
                                                                                                                                                                                         endlich ordnungsgemäß in Arbeitsräumen      Fachbibliothek, ein Zeichenraum und ein
tiert und Dr. Gerta Schneider zusammen          Forschung auf die Kisteninventare zum          schuldigen“ im Fach und konkret zur Ver­     uhldingen. Die gerichtlichen Entwicklun­
                                                                                                                                                                                         unterbringen zu können. Eine Nichtgeneh­    Labor für die Pollenanalyse ergänzten die
mit den Studierenden aus Berlin das             11. März 1954, wie von Wolfgang Kimmig         hinderung der Person Hans Reinerths, in      gen waren in vielen Vorstandssitzungen
                                                                                                                                                                                         migung durch das Landratsamt Überlingen     Ausstattung. Für 1956 konnte im Jahres­
Fundgut exzellent gezeichnet, fotografiert      vorgeschlagen.                                 einem öffentlichen Amt gestritten (zuletzt   und Mitgliederversammlungen Thema,
                                                                                                                                                                                                                                     bericht festgehalten werden, dass das
und katalogisiert.                                                                             zusammenfassend zur Nachkriegssitua­         führten zur mehrfachen Verlagerung
                                                Einen Tag vorher, am 10. März 1954, waren                                                                                                                                            Forschungsinstitut gerade seine Unter­
                                                                                               tion Eickhoff/Schlegelmilch 2020). Noch      von Ausgrabungsakten, um sie vor einer
Es hat den Anschein, dass die Namen aller       die wissenschaftlichen Unterlagen und                                                                                                                                                suchungen in den mittelsteinzeitlichen
                                                                                               in einer jüngst veröffentlichten Arbeit      drohenden Beschlagnahme zu schützen.
Mitarbeiter aufgrund der politischen Ver­       Arbeitsutensilien nach mehr als fünf                                                                                                                                                 Fundstellen fortgesetzt habe.
                                                                                               wirken auch nicht belegbare Anschuldi­       Sie kosteten den Verein viel Energie und
fehlungen der Leitung nach 1945 in allen        Jahren freigegeben und nach Unteruhl­
                                                                                               gungen nach (Grunwald 2020, 264). So hat     füllten Aktenordner um Aktenordner,
Berichterstattungen getilgt sein sollten.       dingen gebracht worden (Schöbel 2015a,
                                                                                               der Berliner Professor nachweislich nie      die heute noch in den hierzu relevanten
Die Altuntersuchungen werden bis heute          41 f.). Dies war aber noch nicht das Ende
                                                                                               jüdische Mitarbeiter entlassen – hier­       Archiven von Berlin, Frankfurt, Stuttgart,                                               Abb. 06 · Das Forschungsinstitut 1953
methodisch als schlecht bewertet, ohne          der Auseinandersetzungen in der „causa
                                                                                               für gibt es ausreichend Belege. Ebenso       Freiburg, Tübingen und Unteruhldingen,                                                   (links).
einen nachvollziehbaren Vergleich zu ge­        Reinerth“. Prozesse zur Wiederherausgabe,
                                                                                               kann nicht ausschließlich er mit seinem      zum Teil immer noch als Verschlussakten                                                  Abb. 07 · Nach dem Umbau 1954 (unten).
ben. Dies ist 80 Jahre später anhand eines      Beleidigungsklagen, Anzeigen, anwaltliche
                                                                                               Seminar für die Ausgrabungseinsätze oder     (Abb. 05) gekennzeichnet, viele Belege der
neuen Quellenstandes zu überdenken. Es          Auseinandersetzungen des Vereins mit
                                                                                               die Beschlagnahmungen von Kulturgü­          größten wissenschaftlichen, politischen
ist ein grober Mangel an Differenzierungs­      wissenschaftlichen Kollegen aus Kons­
                                                                                               tern der deutschen Archäologie während       und persönlichen Auseinandersetzung der
leistung zwischen den siedlungsarchäo­          tanz und Tübingen mit Unterstützung der
                                                                                               des Zweiten Weltkrieges verantwortlich       Nachkriegsjahre im Fach Urgeschichte
logisch großartigen Arbeiten für die erste      Verbände und Landesinstitutionen folgten.
                                                                                               gemacht werden. Die Reduktion auf das        enthalten. Sie begründen nachvollziehbar
Hälfte der 20. Jahrhunderts einerseits und      Die „Kistensache“ war Gegenstand von
                                                                                               „Problem Reinerth“ in der westdeutschen      das Entstehen eines Nachkriegsnarrativs
der Nachbetrachtung der archäologischen         angedrohten Zwangsvollstreckungsmaß­
                                                                                               Prähistorie ließ vielmehr bis heute trotz    einer schuldigen und einer unschuldigen
Forscherpersönlichkeiten andererseits.          nahmen der Universität zur Erlangung
                                                                                               aller Bemühungen nur eine oberflächliche     Wissenschaft, führten zu Berufsverboten.
Archäologische Funde können nichts              der Inhalte wie Fotoplatten, Manuskripte,
                                                                                               Nachschau zu. Dies betrifft die Denkmal­     Sie sind für zukünftige Bearbeitungen
für ihre Ausgräber. Darüber hinaus sind         Funde, noch bis in die 1970er Jahre hinein.
                                                                                               pflege und die Länderverwaltungen sowie      einzusehen und unter zeitgeschichtlicher
wissenschaftliche Leistung und eine Kritik
                                                                                               die Römisch-Germanische Kommission           Fragestellung als Primärdokumente ein
an den handelnden Personen getrennt
                                                                                               und das Deutsche Archäologische Institut     wahrer Quellenschatz.
zu betrachten.
                                                                                               als Abteilungen des Reichsinnenministeri­
                                                                                               ums (Grunwald 2020, 285).

Plattform 48                                                                                                                                                                                                                                                     Plattform 49
Historische Masken Kindermuseen Experimentelle Archäologie und Regionalgeschichte - Pfahlbauten ...
Pfrunger Ried · 1949 – 1982

                                                                                                Der Beginn im Pfrunger Ried
                                                                                                mit Unterstützung der Moorbotanik
                                                                                                1952 hatte Dürr seinen Notizen zufolge
                                                                                                mit Untersuchungen im Pfrunger Ried
                                                                                                begonnen, insbesondere am Lindenhof
                                                                                                an den Stationen Pfr 1–3 (Abb. 10). Am offen
                                                                                                einsehbaren Torfstich (Abb. 11),
                                                                                                300 Meter westlich der Fundstelle 3,
                                                                                                konnte er die Fundschicht der Mittelstein­
                                                                                                zeit zweifelsfrei im gelben Schwemmsand
                                                                                                110 Zentimeter unter der Oberfläche fest­
                                                                                                stellen. Am Lindenhof lag sie stellenweise
                                                                                                nur wenige Zentimeter unter der Grasnar­       Abb. 10 · Fundpunkte Lindenhof.
                                                                                                be. Teilweise waren die Funde bereits aus­
                                                                                                gepflügt und ließen sich nach Umbruch der
                                                                                                Wiesen im Herbst gut absammeln. Nach
                                                                                                seinen Pollenanalysen befand sich diese
                                                                                                Schicht im „Haselgipfel nach Bertsch“, also
Diese Untersuchungen betrafen Fundstellen        Abb. 08 · Feuersteinartefakte Mesolithikum
                                                                                                zweifelsfrei im Mesolithikum (Abb. 12).
am Bodensee, aber auch in Oberschwaben.          Vorsee.
Heinz Dürr hatte sich schon im Oktober                                                          Seine quantitativen Blütenstaubunter-
1951 und im Februar 1952 nach einem              aus Feuerstein für das Freilichtmuseum         suchungen stellte Dürr nach Probenent­
Besuch bei Karl Bertsch, dem Altmeister          schlägt. Im März/April 1952 begann Dürr        nahmen an verschiedenen Stellen im Süd­
der Moorforschung in Oberschwaben, um            mit der Aufnahme und Zeichnung der Funde       westen an. Das Schussental, der Illmen­
den Vorsee bei Altshausen gekümmert und          des Bodenseemesolithikums. Diese Objekte       see, die steinzeitliche Siedlung Ehrenstein
„neue Mittelsteinzeit“ festgestellt (Dürr an     zu fotografieren, sei ungleich schwerer als    bei Ulm (16.2.1953 Dürr an Reinerth), aber
Reinerth 02.10.1951; zur Vita von Karl Bertsch   sie zu zeichnen, teilte er mit, da die Bear­
siehe Herwanger 2014). Bertsch sei noch          beitungsspuren der Feuersteine auf den         Abb. 09 · Mesolithische Fundpunkte             Abb. 11 · Torfstich beim Lindenhof.
ganz rüstig und er habe ihm alle seine           Bildern nicht immer gut zu erkennen seien.     am Königseggsee.
Neuerscheinungen geschenkt, berichtete er.
                                                                                                                                               auch ein Feuchtgebiet bei Deisendorf am
Drei Plätze mit Tardenois Spitzen, interes­
                                                                                                                                               Bodensee sind mit kurzen Pollensequen­
santen Sticheln und schönen Bohrern habe
                                                                                                                                               zen nach Baumarten ausgezählt im Archiv
er gefunden. Er zeichnete diese und schickte
                                                                                                                                               des Museums erhalten geblieben (Abb.
ein Paket mit der neuesten Literatur und
                                                                                                                                               13). Der „Eichenmischwaldgipfel“ (EMW)
Lichtbildern des Museums nach Unteruhl­
                                                                                                                                               kennzeichnete die jüngere Steinzeit, der
dingen (Abb. 08). Weitere mesolithische
                                                                                                                                               „Buchengipfel“ die Bronzezeit. Die Methode
Wohnplätze am Königseggsee bei Hoßkirch,                                                                                                                                                    Abb. ↑ 12 · Pollendiagramm Lindenhof.   Abb. ↓ 13 · Pollendiagramm Ehrenstein.
                                                                                                                                               konnte durch systematische Probenent­
so die Fundstelle K1, folgten (Abb. 09).
                                                                                                                                               nahmen verfeinert werden. Datierungen
Nach diesen Erfolgen sollte er auf Wunsch                                                                                                      von Fundschichten vollzogen sich vor der
der Leitung die Forschungen in der Mit­                                                                                                        Anwendung der Dendrochronologie noch
telsteinzeit auch am Bodensee fortsetzen                                                                                                       botanisch. Die Entnahme eines Pollenpro­
und den Beitritt in den Pfahlbauverein                                                                                                         fils vom westlichen Ende des Königsegg-/
vollziehen. Seine neuen Dias waren bei der                                                                                                     Hoßkirchersees, 600 Meter SSW der Kirche,
Mitgliederversammlung sehr gut ange­                                                                                                           ist für den Oktober 1953 belegt. Im Novem­
kommen. Weiter war es der Wunsch des                                                                                                           ber des gleichen Jahres schloss sich ein
Vereins, dass er Pfeil- und Lanzenspitzen                                                                                                      „mesolithisches Pollenprofil“ vom Vorsee

Plattform 50                                                                                                                                                                                                                                                   Plattform 51
Historische Masken Kindermuseen Experimentelle Archäologie und Regionalgeschichte - Pfahlbauten ...
Pfrunger Ried · 1949 – 1982

                                                                                                                                         bei Wolpertswende an. Das Ziel war eine
                                                                                                                                         Erfassung der Seen- und Landschaftsge­
                                                                                                                                         schichte im Raum Bodensee-Oberschwa­
                                                                                                                                         ben mithilfe von Aufschlüssen, Bohrungen
                                                                                                                                         und der Pollenanalyse.
                                                                                                                                         Grundlage der Erhebungen waren die
                                                                                                                                         Arbeiten von Karl Bertsch (Abb. 14) aus
                                                                                                                                         Ravensburg, der als Pionier der Forschung
                                                                                                                                         (Liese-Kleiber 1984, 81 f.) die botanischen
                                                                                                                                         Analysen der Federseeausgrabungen Hans
                                                                                                                                         Reinerths und des Urgeschichtlichen
                                                                                                                                         Forschungsinstitutes in Tübingen in den
                                                                                                                                         1920er und 1930er Jahren ausgeführt hatte
                                                                                                                                         (Bertsch, K. 1927, 1931, 1932) (Abb. 15). Allein
                                                                                                                                         70 Profile hatte er im Federsee angelegt.
                                                                                                                                         Grundlegend für Württemberg war hierbei
                                                                                                                                         das erste vollständige Pollendiagramm im
                                                                                                                                         Reichermoos bei Waldburg, Lkr. Ravensburg,
                                                                                                                                         gewesen (Bertsch, K. 1924, 1925), aus dem
                                                                                                                                         heraus er die Klimageschichte historisch
Abb. 14 · Karl Bertsch (*1878 – † 1965, mit Hut) und Heinz Dürr bei der Pollenpofilentnahme                                                                                                 Abb. 16 · Bohrungen 1935 Pfrunger Ried.           Abb. 17 · Luftbild Pfrunger-Burgweiler Ried.
                                                                                                                                         beschrieb. Sein Ziel war die zeitliche
im Taubried, 1927.
                                                                                                                                         Einordnung der Kulturgeschichte in die Um­
                                                                                                                                                                                            Für das Pfrunger Ried in Oberschwaben war         10,5 Kilometer Länge und 3,5 Kilometer          und Quellmooren aus und leitet in das
                                                                                                                                         weltgeschichte. So bearbeitete er 1926 die
                                                                                                                     Blütenstaubpollen

Abb. 15 · Federsee Pollenanalyse von Karl Bertsch.                                                                                                                                          seinem Sohn Franz Bertsch, der botanisch          Breite in einer vom Rheintalgletscher vor       oberschwäbische Hügelland zwischen dem
                                                                                                                                         Pflanzenreste der neolithischen Siedlung
                                                                                                                                                                                            betrachtet in seine Fußstapfen trat, zwi­         über 17.000 Jahren ausgehobelten Mulde          mächtigen Molasseklotz des Höchsten
 Tiefe (in cm)

                                                                                                                                         Riedschachen bei Schussenried und die
                                                                                                         Weißbuche

                                                                                                                     abgezählte

                                                                                                                                                                                            schen 1931 und 1935 eine erste umfassende         zwischen den Endmoränen der Würm-               mit einer Höhe von 838 m ü. NN und der
                                                                                                                                         der bronzezeitlichen Wasserburg Buchau,
                                                                                                                                                                                            Bestandsaufnahme geglückt. Er hatte in            Eiszeit. Im Süden durch die innere und im       Seenplatte von Illmensee, Ruschweiler
                                  Weide

                                                                                                 Buche
                                                                                Fichte
                         Kiefer

                                                                                         Tanne
                                          Hasel

                                                  Eiche

                                                                 Linde
                 Birke

                                                          Ulme

                                                                                                                                         1932 die der Pfahlbauten von Sipplingen und
                                                                         Erle

                                                                                                                                                                                            sieben Bohrlinien 26 Bohrungen zwischen           Norden durch die äußere Jungendmoräne           See und Volzer See über; ein Grenzland, ein
                                                                                                                                         Wollmatingen-Langenrain und hatte die
     40            5       3               11       6       1             14       7       4     48           1          150                                                                Ostrach im Norden und Wilhelmsdorf im             der letzten Eiszeit begrenzt, entwässert        interessanter Kontaktraum aus kulturge­
                                                                                                                                         vegetationskundlichen Grundlagen des Fe­
     50           10       8               11       5              1     10       5        5     45                       154                                                               Süden bis zu sechs Meter Tiefe von Hand           das an der europäischen Wasserschei­            schichtlicher Sicht, ein ideales Untersu­
                                                                                                                                         dersees, Oberschwabens, der Schwäbischen
      75           5       6        3      15       7                     11      3        5     44           1          150                                                                ausgeführt (Abb. 16), von denen er neun           de gelegene Gebiet heute nach Süden             chungsgebiet am ehemals drittgrößten See
                                                                                                                                         Alb und des Bodensees aus vor- und früh­
     87            7       3               19      10       1      1      17      3        3     35           1          150                                                                pollenanalytisch genauer untersuchte, um          Richtung Bodensee über die Rotach nach          in Südwestdeutschland (Abb. 17).
                                                                                                                                         geschichtlicher Sicht zusammengefasst.
  100              7       3              23        7       1             17      2        1     39           1          153                                                                die Verlandungsgeschichte des ehemaligen          Friedrichshafen und nach Norden über
                                                                                                                                         Die Klima-, Floren- und Waldgeschichte, die                                                                                                          Mit Karl Bertsch war Hans Reinerth
                                                                                                                                                                                            Sees und die Geschichte des Moores ergrün­        die Ostrach zur oberen Donau bei Hun­
  120              3       9               18       5      2       6      15      5        1     36                      100             Entwicklung der Kulturpflanzen waren seine                                                                                                           bereits Ende 1952 (17.11.1952) wieder in
                                                                                                                                                                                            den zu können (Bertsch, F. 1935, 199 Abb. 6; er   dersingen, gegenüber der Heuneburg. Das
  130              9       5               11       8              4      18      5        4     36                       170            wissenschaftliche Profession. Er veröffent­                                                                                                          Kontakt getreten, um ihn um Hilfe bei der
                                                                                                                                                                                            untersuchte auch 1941 die botanischen Reste       Gelände wird ostwärts durch die überall
  140             19       5         1     15       5      2        1    10       4        4     34                       170            lichte Handbücher zur Bestimmung von                                                                                                                 Rückgabe der beschlagnahmten Kisten,
                                                                                                                                                                                            von Velestino/GR). Dabei entstanden auf           sichtbare Anhöhe der Rinkenburg mit einer
  160              9        7              18      16      2        1     17      3         1    28           1          160             Früchten und Samen oder zur Pollenanalyse                                                                                                            aber auch um einen Beitrag zur Pflanzen-
                                                                                                                                                                                            vorbildliche Weise Niederschlagsmessungen         Höhe von 727 m ü. NN überragt. Die Mitte
  180             16       8         1     17      13      3       2      13      3         1    22           1          150             in der Reihe der praktischen Vorgeschichts­                                                                                                          und Klimageschichte des Bodenseeraums
                                                                                                                                                                                            des jährlichen Pollenregens in der Region,        zeigt die Überreste von ehemaligen Torf­
 200               8      14               12      18      9       8      9       5        4      13                     100
                                                                                                                                         forschung des Reichsbundes für Deutsche                                                                                                              zu bitten. Er teilte ihm das Ende seines
                                                                                                                                                                                            Evaluationen zu Nah- und Ferntransporten          stichen, Moorwäldern, Hochmoorflächen
                                                                                                                                         Vorgeschichte (Bertsch, K. 1941, 1942). Vom                                                                                                          Schreibverbotes mit. Mitte 1953 lieh er
 220               9       8              25      20       8       7      6       9        2       6                     100                                                                von Pollen bis in eine Entfernung von zehn        und Wiesen im heutigen Naturschutzgebiet
                                                                                                                                         Weltkriegsende bis zur Währungsreform                                                                                                                sich vom Altmeister und inzwischen 75
 240              12      15               19     23       9       6      9        4        1      2                     100                                                                Kilometern und auch eine Beschreibung der         Pfrunger-Burgweilerried (Bericht Stiftung
                                                                                                                                         1949 hatte er als gelernter Realschullehrer                                                                                                          Jahre alten Forscher Torfbohrer aus, um
 260              10       11              21     26       6       9       5      8         1       1                     194                                                               See- und Verlandungssedimente.                    Naturschutz Pfrunger-Burgweiler Ried 2015,
                                                                                                                                         allgemeinverständliche Botanik-Lehrbücher                                                                                                            mit Bohr- und Pollenprofilen zu beginnen.
 290              21      69                3       2       1      2               2                                      110                                                                                                                 Rolf Bosch, Ann-Kathrin Wenzler, Riedlin­
                                                                                                                                         im Otto Maier Verlag in Ravensburg veröf­          Demnach füllten die Ablagerungen des                                                              Bertsch untersuchte Proben von Mainau-
 300             25       75                                                                                             100                                                                                                                  gen, 88 S.). Der westliche Teil zeichnet sich
                                                                                                                                         fentlicht (Bertsch, K. 1947, 1948, 1949, 1950),    Pfrunger Ursees ein Becken von etwa                                                               Egg, Litzelstetten 3, vom Schussensee
 320             33                                                                                         %                12
                                                                                                                                                                                                                                              durch das Vorhandensein von Streuwiesen
                                                                                                                                         welche großen Absatz fanden.

Plattform 52                                                                                                                                                                                                                                                                                                              Plattform 53
Historische Masken Kindermuseen Experimentelle Archäologie und Regionalgeschichte - Pfahlbauten ...
Pfrunger Ried · 1949 – 1982

                                                 Bertsch war jedoch mit dieser Analyse           Aber auch die junge Generation meldete
                                                 nicht einverstanden, weil Groschopf einen       sich. Nachdem der Sohn von Karl Bertsch,
                                                 seiner Ansicht nach unrichtigen Vergleich       Franz, gleichfalls Botaniker, 1944 im Krieg
                                                 mit seinen Federseediagrammen und               gefallen war, trat sein Enkel Andreas
                                                 den jungsteinzeitlichen Siedlungen von          Bertsch, Student in Göttingen am Geobo­
                                                 Aichbühl und Schussenried-Riedschachen          tanischen Institut, 1956 in die Fußstapfen
                                                 vorgenommen hatte. Deshalb stellte er           des Großvaters und fragte in Unteruhl­
                                                 dies nachfolgend vor allem hinsichtlich         dingen an, ob er nicht zusammen mit
                                                 der ersten Nachweise von Buchen in der          Reinerth bei Niedrigwasser in Hornstaad
                                                 Jungsteinzeit richtig (Bertsch 1955c).          am Untersee eine Pollenanalyse vorneh­
                                                                                                 men könnte (29.10.1956). Dabei sollte man
                                                 Dennoch weckten die erstmalige Be­
                                                                                                 sich am Verfahren orientieren, das von
                                                 rücksichtigung von Nichtbaumpollen
                                                                                                 Troels-Smith im Wauwiler Moos oder am
                                                 und weitergehende Überlegungen zum
                                                                                                 Burgäschisee vorgenommen wurde, und
                                                 Einsatz der neuen Radiocarbonmethode
                                                                                                 auch eine C14-Bestimmung anschließen
                                                 zu Datierungszwecken das Interesse
                                                                                                 (Troels-Smith 1954). Mit Verweis auf die
                                                 der beiden Forscher. Auf der Grundlage
                                                                                                 über Jahrzehnte fruchtbare Zusammen­
                                                 der alten Methode entstanden weitere
                                                                                                 arbeit mit dem Großvater nahm Hans
                                                 pollen- und großrest-analytische Betrach­
                                                                                                 Reinerth gerne an, obwohl er den bisheri­
Abb. 18 · Oscar Paret (*1889 – † 1972) auf der   tungen zur „Insellage der bronzezeitlichen                                                     Abb. 19 · Sondage Illmensee. Andreas             Abb. 20 · Der Lambretta-Motorroller          Abb. 21 · Henauhof bei Bad-Buchau,
                                                                                                 gen Ergebnissen der Radiocarbonmethode
Ausgrabung Ehrenstein, 1954.                     Wasserburg Buchau“ und zum „Altstein­                                                          Bertsch (rechts) mit Dachnowsky Bohrer.          als Ausgrabungsfahrzeug.                     eine Fundstelle des Paläolithikums,
                                                                                                 zunächst sehr reserviert gegenüberstand
                                                 zeitlichen Rentierlager an der Schussen­                                                                                                                                                     Mesolithikums und Neolithikums.
                                                                                                 (30.10.1956). Diese Haltung teilte auch Karl
und von der Schussenquelle. Die neuen            quelle“. Getreide- und Samenfunde aus der
                                                                                                 Bertsch hinsichtlich der Erstversuche an
Ausgrabungen in der Jungsteinzeitsiedlung        jungsteinzeitlichen Siedlung Hornstaad                                                         Im Jahr 1957, als Karl Bertsch 80 Jahre alt      Während Karl Bertsch, dem langsam das        1921–1980). Unteruhldingen erhielt auf
                                                                                                 der Schussenquelle für das Paläolithikum,
Blaustein-Ehrenstein bei Ulm durch Oscar         am Bodensee wurden mit Blick auf die                                                           wurde, promovierte sein Enkel Andreas bei        Augenlicht schwand, noch mit Aufträgen       seine Anfrage hin keine Antwort. Die durch
                                                                                                 die Prof. Woldstedt aus Bonn angeregt
Paret (Abb. 18), den Stuttgarter Denkmal­        Neuausstattung des Unteruhldinger Muse­                                                        Franz Firbas, Pollenanalytiker und Paläobo­      zum Wauwiler Moos, zum Illmensee             Sondagen des Institutes angesammelten
                                                                                                 hatte (06.02.1958) und die aufgrund neuer
pfleger, kritisierten beide heftig (Bertsch      ums einer Bestimmung zugeführt. Für die                                                        taniker in Göttingen (https://de.wikipedia.      und zum Allgäu betraut wurde (30.01.59–      Pollenprofile mussten aus diesem Grund
                                                                                                 Datierungsansätze kritisch als Fehldatie­
an Reinerth vom 6.Mai 1955; hierzu auch          Vereinszeitschrift „Vorzeit am Bodensee“                                                       org/wiki/Franz_Firbas) und half in den           31.07.1962), suchte Hans Reinerth für das    in den nächsten Jahren durch saisonal
                                                                                                 rungen gegenüber der bislang praktizierten
Schürch 2019), da dort im Gegensatz zum          entstanden in rascher Folge Publikationen                                                      Semesterferien am Bodensee und in                Pfahlbaugebiet und für moorgeologische       angestellte Kräfte weiter konventionell
                                                                                                 indirekten pollenanalytischen Zeitveranke­
Federsee kein Hausgrundriss vollständig          (Korrespondenz Bertsch 21.11.54, 18.05.55,                                                     Oberschwaben mit. Seine Abschlussarbeit          Untersuchungen in Oberösterreich ab 1961     analysiert und aufgelistet werden. Manche
                                                                                                 rung der Sedimente angesehen wurden.
erfasst werden konnte und die Ausgra­            16.11.55). Die kleine deutsche Walnuss                                                         widmete sich der spätglazialen Vegetati­         einen Analytiker für bereits entnommene      liegen jedoch bis heute im Originalzustand
bungstechnik mangelhaft sei. Für diesen          mit Belegen seit der Steinzeit am Boden­        Karl Bertsch bestimmte Kulturpflanzen­         onsgeschichte Südwestdeutschlands un­            Proben und wandte sich an den betreu­        verpackt im Archiv. Insgesamt sind es über
Fundpunkt im Blautal dokumentierte               see und in Schweizer Pfahlbauten, die           reste einer Sondage 1956 aus Hornstaad         ter der besonderen Berücksichtigung der          enden Professor von Andreas Bertsch,         450 Einzelproben von 21 Fundstellen. Für die
Bertsch erstmals die Einwanderung                ersten Kulturpflaumen der Pfahlbauer,           am Untersee durch Heinz Dürr und               Nichtbaumpollen und bezog späteiszeit­           an Franz Firbas in Göttingen (17.11.61).     Untersuchungen war ein Labor zur Aufberei­
der Buche in Südwestdeutschland zur              Mannagras und Windenknöterich als               erstellte eine Pflanzenliste mit 95 Prozent    liche Sequenzen des Illmensees und des           Dieser war während des Krieges an der        tung der Proben und Analyse im neuen For­
Jungsteinzeit nach den von Heinz Dürr 1953       Sammelpflanzen in Ulm-Ehrenstein: Die           Zwergweizen (heute Hartweizen triticum         westlichen Bodensees mit ein (Abb. 19),          NS-Vorzeigeuniversität in Straßburg tätig    schungsinstitut eingerichtet. Karl Bertsch
erstellten Pollenprofilen in einem Bericht       Expertisen ließen aufhorchen und lieferten      durum) im Getreidespektrum (27.05.1956).       nicht aber die kulturgeschichtlich jüngeren      gewesen und zuvor in Stuttgart-Hohen­        starb im 87. Lebensjahr am 24. Oktober 1965
für die Deutsche Botanischen Gesellschaft        neue Forschungsansätze, wenn sich auch          Andreas Bertsch beriet bei der Herstellung     Perioden (Bertsch A. 1961, bes. Abb. 1, 245.).   heim. Im Denkmalamt Straßburg und an         in Ravensburg (Reinerth 1965, 44).
(Bd. 68) im Juli 1955. Dürr hatte nach seiner    manche Interpretationen – wie etwa              von Zinkkästen für die Probenentnahmen         Die Unterstützung des Unteruhldinger             der Universität Straßburg hatte sich auch
                                                                                                                                                                                                                                              Nach der Freigabe der wissenschaftlichen
Analyse eine Siedlung auf festen Seggen­         bei Birne, Walnuss, Pflaume – bislang           und beschaffte Sondengestänge sowie            Forschungsinstitutes erwähnte er nicht.          Adolf Rieth kurze Zeit aufgehalten. Firbas
                                                                                                                                                                                                                                              Kisten im Frühjahr 1954 startete eine
wiesen und eine mächtige Schwemm­                nicht weiter bestätigen ließen. Bertsch         Dachnowsky-Bohrer aus seinem Institut.                                                          arbeitete am Standardwerk der Botanik,
                                                                                                                                                                                                                                              intensive Untersuchungstätigkeit im
schichtüberlagerung zum Ende festgestellt        publizierte trotz seines inzwischen hohen       Kulturschichten am Bach bei Espasingen                                                          dem Hochschullehrbuch „Strasburger“, mit
                                                                                                                                                                                                                                              Gelände. Mit dem Motorroller (Abb. 20)
(Dürr an Reinerth vom 16.02.1953). Alle          Alters regelmäßig zum vorgeschichtlichen        (Bo42) für das Mesolithikum am Bodensee                                                         und entwickelte das grundlegende Werk
                                                                                                                                                                                                                                              wurde das Federseegebiet bei Bad Schus­
warteten sie gespannt auf die Ergebnisse         Thema (Bertsch, K. 1950, 1952, 1953a–b, 1954,   und Pollenanalysen am Bohrpunkt 5 am                                                            zur allgemeinen Waldgeschichte 1949
                                                                                                                                                                                                                                              senried, am Henauhof bei Bad Buchau
der abschließenden Pollenanalyse durch           1955a–f, 1956, 1958, 1961, 1962a–c).            Illmensee für die Spätbronzezeit wurden                                                         zur spät- und nacheiszeitlichen Vegeta­
                                                                                                                                                                                                                                              (Abb. 21) und das Pfrunger Ried beim
den Geologen Paul Groschopf für die Sied­                                                        bei Sondagen entnommen (Korrespondenz                                                           tionsgeschichte (Möhler 2020, 284 u. 512.
                                                                                                                                                                                                                                              Lindenhof aufgesucht.
lung Ehrenstein bei Ulm (Groschopf 1955).                                                        12.11.1957–06.08.1958).                                                                         Nachlass Rieth Archiv Unteruhldingen,

Plattform 54                                                                                                                                                                                                                                                              Plattform 55
Historische Masken Kindermuseen Experimentelle Archäologie und Regionalgeschichte - Pfahlbauten ...
Pfrunger Ried · 1949 – 1982

                                                                                                Günther Krahe, der sich in dieser Zeit in      Die Krise und ein weiterer Neubeginn
                                                                                                einer Tübinger Dissertation bei Wolfgang       im Pfahlbauverein
                                                                                                Kimmig mit der Vorgeschichte Oberschwa­
                                                                                                                                               Ab 1958 wurde seitens des ausgeschiedenen
                                                                                                bens südlich der Donau auseinandersetzte,
                                                                                                                                               Mitarbeiters mit dem Verein ein Arbeitsge­
                                                                                                berichtete an den Privatsammler und
                                                                                                                                               richtsprozess in Radolfzell geführt, der mit
                                                                                                Zahnarzt Forschner nach Biberach über ein
                                                                                                                                               einem Vergleich endete. Dieser legte unter
                                                                                                Zusammentreffen mit dem Lichtbildner.
                                                                                                                                               anderem den Verbleib der fotografischen
                                                                                                „Dürr war da, schimpfte über seinen Chef
                                                                                                                                               und wissenschaftlichen Leistungen beim
                                                                                                Reinerth, der ihm nur 260 DM zahle und
                                                                                                                                               ehemaligen Arbeitgeber fest. Infolge einer
                                                                                                sagte, er suche eine neue Stelle. Er trägt
                                                                                                                                               Anzeige beim Finanzamt Überlingen durch
                                                                                                uns auf der Karte die mesolithischen
                                                                                                                                               Unbekannt 1959 rutschte der Verein in
                                                                                                Fundplätze ein“ (Aus Forschnerbriefe Nr.
                                                                                                                                               die Krise. Eine Betriebsprüfung hatte eine
                                                                                                398, 30.10.1956. Archiv Museum Biberach).
                                                                                                                                               Steuernachzahlung von 65.000 DM für die
                                                                                                Krahe schickte dem Biberacher Zahnarzt
                                                                                                                                               vergangenen Jahre ergeben. Der erste Vor­
                                                                                                Kartenauszüge auf topografischer Karte
                                                                                                                                               sitzende Dr. Maier und der zweite Vorsitzen­
                                                                                                1:25.000 mit den Einträgen nach Dürrs
                                                                                                                                               de Fritz Sulger traten Anfang 1960 zurück,
                                                                                                Angabe (Aus Forschnerbrief Nr. 399: Dazu
Abb. 22 · Taucher in Unteruhldingen 1956.      Abb. 23 · Fundstelle 2 am Lindenhof (n. Dürr).                                                  wodurch Forstdirektor Meiss aus Salem
                                                                                                auch Nr. 354, 790, Museum Biberach)
                                                                                                                                               kommissarisch die Leitung übernahm. Laut
                                                                                                (Krahe 1958). Dabei hielt Krahe die meisten
                                                                                                                                               Begründung war die Ursache der Nach­
Im Sommer 1954 fanden erste Tauchun­           Main und dort maßgeblich an der Entste­          Fundpunkte nicht für Siedlungen oder
                                                                                                                                               zahlung der Vergütungsvertrag von Prof.
tersuchungen durch Sporttaucher in Un­         hung eines geologischen Wörterbuches             andauernde Wohnplätze, sondern für                                                            (Schöbel 1995a, 31, Abb. 17). Nachdem die          Abb. 24 · Die Krise der Pfahlbauten 1960
                                                                                                                                               Reinerth und der Unzulässigkeit desselben
teruhldingen (Abb. 22) statt. Die Ergebnisse   beteiligt. Wie ein Großteil der Schülerin­       Lagerplätze (04.04.1957 und frdl. Mitteilung                                                  Vorgaben der Behörden erfüllt waren, wur­          in der Presse.
                                                                                                                                               gegenüber dem Vereinsrecht.
konnten auf der zweiten Bundestagung           nen und Schüler des Seminars Reinerth            Günther Krahe 28.09.2020).                                                                    de die Steuernachzahlung fast vollständig
des Verbandes Deutscher Sporttaucher           konnte sie in der Archäologie nicht mehr                                                        Eilends wurden der Vertrag und auch die        erlassen (Schwäbische Zeitung 13.12.60).
                                                                                                Die Ergebnisse der mehrjährigen Son­                                                                                                             offenen Brief des Vereins an den ehema­
in Kassel am 21./22.05.1955 durch den Grün­    Fuß fassen. Der Ausschluss der „Schule                                                          Vereinssatzung geändert, um die Gemein­        Mit über 108.000 Besuchern erreichte das
                                                                                                dagen von 1955–1958 erschienen nicht                                                                                                             ligen Angestellten und an alle Mitglieder
dungsvorsitzenden Hans Reinerth unter          Reinerth“ war in der Forschung im Nach­                                                         nützigkeit nicht zu gefährden. Überregional    Pfahlbaumuseum 1960 ein Rekordergebnis.
                                                                                                wie erwartet in der Zeitschrift „Vorzeit am                                                                                                      aufgrund der schädigenden Auslassungen
dem Titel „Der Sporttaucher im Dienste         kriegsdeutschland für etwa zwei Dutzend                                                         gab es dennoch Schlagzeilen: „Der Kuckuck
                                                                                                Bodensee“ in Unteruhldingen, sondern                                                          1961 schickte der langjährige Vertraute            und einer durch ihn initiierten Anzeige
der Wissenschaft“ vorgestellt werden           Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler                                                        bedroht das Pfahlbaudorf“ (Stuttgarter
                                                                                                bei der „Konkurrenz“, in den „Fundberich­                                                     und Fotograf Heinz Dürr „Denkschriften             beim Finanzamt gegen das Museum und
(Reinerth 1955b; Schöbel 2015b). Für die re­   eine fest beschlossene Sache.                                                                   Zeitung vom 21.02.1960) (Abb. 24); „Finanz­
                                                                                                ten aus Schwaben“ des Denkmalamtes                                                            zu Hans Reinerth“ an 200 ihm bekannte              seinen Leiter im Jahre 1958 (Korrespon­
daktionelle Arbeit an der Vereinszeitschrift                                                                                                   amt fordert Steuernachzahlung“ (Gäu­
                                               Heinz Dürr fuhr regelmäßig mit Bahn und          Tübingen, Neue Folge 16, Tafel 8. Während                                                     Wissenschaftler und Institutionen in               denz Reinerth/Dürr und Dürr/Graf Vojkffy
„Vorzeit“ war 1951–1956 die wissenschaftli­                                                                                                    bote, 23.02.60); „Das Pfahlbaumuseum in
                                               Bus nach Wilhelmsdorf und Pfrungen in            die Wohnplätze 1 und 3 nur jeweils wenige                                                     Deutschland und der Schweiz, in denen              1958–1962). Fotograf Dürr trat zum Februar
che Assistentin Reinerths, Gerta Schneider,                                                                                                    Finanznöten“ (Stuttgarter Zeitung 23.02.60);
                                               das Ried, sammelte im Frühjahr 1956 und          Funde erbracht hätten, so Dürr in den                                                         er seinen ehemaligen Vorgesetzten der              1961 eine Stelle als freier Mitarbeiter und
verantwortlich. Sie hatte als Nichte des                                                                                                       „Pfahlbauverein in der Krise“ (Schwäbi­
                                               im November noch die mesolithischen              Unterlagen des Amtes, seien es für den                                                        Fälschung von Ausgrabungsergebnissen,              Restaurator bei der Landesdenkmalpflege
Tübinger Professors R. R. Schmid ab 1919 an                                                                                                    sche Zeitung 23.02.60); „Pfahlbaudorf auf
                                               Fundpunkte 1–4 ab und kartierte. 1957 im         Fundplatz 2 rund 1.500 Stücke, wobei er                                                       des unehrenhaften Verhaltens und der               in Stuttgart an. Diese hatte er bis ins hohe
den Ausgrabungen im Moor teilgenommen                                                                                                          weichem finanziellen Boden“ (Süddeutsche
                                               August fertigte er von Lindenhof, Wohn­          alleine etwa 100–200 Tardenois-Dreiecke                                                       Steuerhinterziehung bezichtigte. Damit             Alter von 81 im Jahre 1974 aufgrund seiner
und ab 1929 als rechte Hand Reinerths alle                                                                                                     Zeitung 24.02.60); „Verein für Pfahlbau- und
                                               platz 4 und 2 (Abb. 23) Lagezeichnungen          und Spitzen, aus Jurahornstein gearbeitet,                                                    folgte er den Klagepunkten, die in verschie­       besonderen Fähigkeiten als Restaurator
seine Forschungen und Publikationsarbei­                                                                                                       Heimatkunde vor einer Krise“ (Südkurier
                                               an und nahm Fundstreuungen auf. Sein             gefunden habe. 407 Fundstücke waren                                                           denen Prozessen gegen seinen ehemaligen            und Fotograf und mit besonderer Für­
ten in Tübingen und Berlin begleitet. Ihr                                                                                                      22.02.60). Und sogar in der New Yorker
                                               Anstellungsvertrag in Unteruhldingen war         der Lage nach eingemessen, Fundverbleib                                                       Dienstherrn zwischen 1930 und 1952 an der          sprache seines neuen Vorgesetzten, des
oblag auch die Museumsleitung vor Ort in                                                                                                       Staatszeitung und im Herald, der Staats­
                                               1956 letztmalig bis zum Erreichen seiner         Unteruhldingen. Nach seinen Angaben                                                           Universität Tübingen oder dem Obersten             Landesdenkmalpflegers Hartwig Zürn, inne.
den Pfahlbauten während der Kriegszeit                                                                                                         zeitung für Auslandsdeutsche, erschien
                                               Altersgrenze im Jahre 1958 verlängert            seien am ehemaligen Siedlungsplatz an                                                         Parteigericht in München und im Rahmen             Am 07.04.1965 hatte Dürr noch einen Antrag
und in den Nachkriegsjahren bis 1949.                                                                                                          noch die Schlagzeile „Pfahlbautenmuseum
                                               worden. Im Spätsommer 1957 kam es zwi­           der Spitze einer ehemaligen Halbinsel oder                                                    der Entnazifizierungsprozesse immer                auf vollständige Ablieferung seiner Foto­
Sie verließ Unteruhldingen 1956 und war                                                                                                        in Geldnöten“ (New York 04.04.1960). Dies
                                               schen dem Lichtbildner und seinem Chef           Insel Hüttengrundrisse in Dilluviallehm                                                       wieder vorgebracht worden waren (Schöbel           platten aus seinen Ausgrabungen der Jahre
anschließend bis 1972 wissenschaftliche                                                                                                        erinnerte entfernt an eine Pressekampa­
                                               aufgrund privater und wirtschaftlicher           und eine gut erhaltene Kulturschicht an                                                       2013, 54 f.; 2002, 349 f.). Der Ausschluss Dürrs   1926–1937 im Dienst des Urgeschichtlichen
Mitarbeiterin und Bibliothekarin am Insti­                                                                                                     gne, die im Pfahlbaustreit 1942/1943 gegen
                                               Auseinandersetzungen zum Bruch, worauf           dem heute mit Torf bedeckten ehemaligen                                                       aus dem Pfahlbauverein durch den neuen             Forschungsinstitutes, gelagert in Unteruhl­
tut für angewandte Geodäsie in Frankfurt/                                                                                                      die Existenz von Bodensee-Pfahldörfern ge­
                                               eine Kündigung zum Jahresende erfolgte           Seeufer zu erwarten.                                                                          Vorsitzenden Dr. Paul zum 12.04.1963 war           dingen, an das Kultusministerium Baden-
                                                                                                                                               nerell schon einmal Aufsehen erregt hatte
                                               (27.12.1957 Reinerth an Dürr).                                                                                                                 die Folge. Dieser vollzog sich nach einem          Württemberg gerichtet (Akten LAD S).

Plattform 56                                                                                                                                                                                                                                                                 Plattform 57
Historische Masken Kindermuseen Experimentelle Archäologie und Regionalgeschichte - Pfahlbauten ...
Sie können auch lesen