Wie Phönix aus der Asche? Die Wiederbelebung der Berufsausbildung in Großbritannien

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Howard F. Gospel*

Wie Phönix aus der Asche?
Die Wiederbelebung der Berufsausbildung in Großbritannien**

     In den vergangenen Jahren haben eine Reihe von Ländern den Versuch unter-
nommen, ein System wieder einzuführen, das die Berufsausbildung an ein Beschäfti-
gungsverhältnis koppelt. Großbritannien ist hierfür eines der jüngsten Beispiele: die
Moderne Ausbildung (Modern Apprenticeship) forcierte das Beschäftigungsverhältnis
als Instrument zur Entwicklung von beruflichen Fähigkeiten. Dieser Artikel untersucht
nun das Konzept und die praktische Umsetzung dieses Programms bis zum heutigen
Tag. Obwohl einige optimistische Schlußfolgerungen gezogen werden können, ist die
Quantität und die Qualität der Ausbildung im Rahmen dieser Initiative eher kritisch zu
betrachten. Die Moderne Ausbildung wird als die wahrscheinlich letzte Möglichkeit an-
gesehen, die an ein Beschäftigungsverhältnis gekoppelte betriebliche Erstausbildung
wiederaufleben zu lassen.

      In recent years attempts have been made to revive apprenticeship training in a
number of countries. Britain is one of the latest examples: here a major attempt has
been made to revive the employment-based route to skill formation in the form of the
so-called Modern Apprenticeship. This article examines the design and operation
of this programme to date. While some optimistic conclusions are drawn, there are
worries in terms of the quantity and quality of training under the initiative. The Modern
Apprenticeship is seen as being probably the last opportunity in Britain to revive the
employment-based route to initial training.

______________________________________________________________________
*     Professor Dr. Howard Gospel, Jg. 1946. Management Centre, King´s College, London, und
      Centre for Economic Performance, London School of Economics. Arbeitsgebiete: Indus-
      trielle Beziehungen, Human Resource Management und Berufsausbildung..
      Ich möchte dem Centre for Economic Performance an der London School of Economics für
      die finanzielle Unterstützung dieses Projektes danken und besonders Steve Bradley, der mir
      bei den Statistiken in Abbildung 1 behilflich war.
**    Artikel eingegangen: 9.1.98 / revidierte Fassung eingegangen und akzeptiert: 13.5.98.
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      Vergleichbare Versuche, die Berufsausbildung auf nationaler und lokaler Ebene
wiederzubeleben, haben in den letzten Jahren in einer ganzen Reihe von Ländern, wie
Frankreich, Spanien, Italien und den USA stattgefunden. Dies ist jeweils durch ver-
schiedene Faktoren beeinflußt worden. So wuchs in allen Ländern die Überzeugung,
daß die Entwicklung von beruflichen Fähigkeiten einen signifikanten Einfluß auf die
nationale wirtschaftliche Leistung hatte. In einigen Ländern kam die Besorgnis wegen
der Jugendarbeitslosigkeit und des gestörten Verhältnisses zu Bildung, Ausbildung und
Arbeit hinzu. In allen industrialisierten Gesellschaften ändert sich zwar der Bedarf an
neuen Fähigkeiten, daneben haben die Fähigkeiten der mittleren Qualifikationsstufe (in-
termediate skills), die traditionell häufig durch eine Berufsausbildung erworben wurden,
jedoch nicht an Bedeutung verloren. Vielmehr gab es ein beträchtliches Interesse an
dem deutschen System der Berufsausbildung, welches – zu recht oder nicht, das sei da-
hingestellt – für viele Beobachter Modellcharakter hat. Die Versuche, das System der
Berufsausbildung wiederzubeleben, waren jedoch in den seltensten Fällen erfolgreich.
(Organisation for Economic Co-operation and Development 1994; Finegold 1993).
      In Großbritannien war die Lehre traditionell die gebräuchlichste formale Methode,
gewerbliche Arbeiter auszubilden. Ebenso diente sie als zentrales Instrument, um Fä-
higkeiten der mittleren Qualifikationsstufe zu entwickeln. Seit den späten sechziger Jah-
ren und während der siebziger Jahre hat die Bedeutung der Berufsausbildung jedoch
abgenommen (siehe Abbildung 1). In den achtziger Jahren haben die Unternehmen ge-
nerell wenig unternommen, um dieses System zu erhalten. Gleichzeitig stand die dama-
lige konservative Regierung einer Ausbildungsform, die die Gewerkschaften unterstütz-
ten, sehr mißtrauisch gegenüber. Seit den frühen achtziger Jahren spitzte sich die Dis-
kussion zu, ob und inwieweit Großbritannien hinter seinen Hauptkonkurrenten bei der
Förderung beruflicher Fähigkeiten, vor allem auf der mittleren Qualifikationsebene, zu-
rückbleibe. Durch eine bedeutende Änderung ihres Parteiprogramms im Herbst 1993
führte die konservative Regierung die sogenannte Moderne Berufsausbildung ein. Diese
ist seitdem ein wichtiger Bestandteil des Bildungsprogramms der Labour Regierung.
Britische und auch ausländische Unternehmen, die in Großbritannien operieren, müssen
dies nun als eine Chance, aber auch als eine Einschränkung ihrer Ausbildungsgrundsät-
ze und -praktiken erkennen.

1.   Der Hintergrund
      Während der sechziger und siebziger Jahre wurden Versuche unternommen, das
britische Ausbildungssystem zu reformieren und zu erweitern. Das Gesetz zur gewerbli-
chen Ausbildung 1964 (Industrial Training Act), die damit verbundene dreiseitig besetz-
te Ausbildungskammer1 (Industrial Training Board) und auch das gesetzlich verankerte
Subventionssystem unterstützten das Ausbildungssystem, indem sie eine Aufteilung der
Kosten zwischen den Arbeitgebern anstrebten (Senker 1992). In einigen Branchen, wie
zum Beispiel im Maschinenbau und in der chemischen Industrie, wurde die Ausbildung
dahingehend reformiert, daß modulare Ausbildungsmethoden entwickelt, der Umfang

1
     In den Ausbildungskammern waren sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer und der
     Staat vertreten.
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der Ausbildung außerhalb des Arbeitsplatzes erhöht und neue Normen eingeführt wur-
den, die ein „Zeitabsitzen“ (time serving) verhindern sollten. In verschiedenen Bran-
chen, aber auch innerhalb einzelner Branchen, verlief die Entwicklung sehr unterschied-
lich. Zudem war der Versuch, die Lehre auch auf neue Berufe auszudehnen, weitgehend
erfolglos. Rückblickend ist wohl zu sagen, daß hier eine Chance verpaßt und das britische
System der Berufsausbildung damit nicht so grundlegend reformiert wurde, wie es in
Deutschland der Fall war.2 Zur damaligen Zeit war das Berufsausbildungssystem in Groß-
britannien zusätzlich anderen tiefgreifenden Veränderungen ausgesetzt.
Abb. 1: Auszubildende als prozentualer Anteil an der Beschäftigung im weiterverarbeitenden
        Gewerbe, im Maschinenbau, im Baugewerbe und im Dienstleistungssektor

— . — Baugewerbe, …… Maschinenbau, —— weiterverarbeitende Gewerbe, - - - - Dienstleistungen
Quelle: Zahlen des Department for Employment von 1964-90, Zahlen des Labour Force Survey
von 1979-96. Der Maschinenbau umfaßt Metallerzeugung und -verarbeitung, Maschinenbau und
die Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen. Im verarbeitenden Gewerbe sind der Ma-
schinenbau und andere verarbeitende Gewerbe zusammengefaßt. Der Dienstleistungsektor setzt
sich aus dem Transportwesen mit zugehöriger Logistik, dem Gastgewerbe, dem öffentlichen Per-
sonennahverkehr, dem Kredit- und Versicherungsgewerbe und der öffentlichen Verwaltung zu-
sammen.

      Vor dem Hintergrund der steigenden Jugendarbeitslosigkeit führte die Regierung
eine Reihe von Programmen ein, um die Berufsausbildung zu fördern. Das wichtigste
dieser neu eingeführten Programme war das der Jugendausbildung (Youth Training)
von 1983. Innerhalb dieses Programms wurde den Auszubildenden eine staatliche Un-
terstützung gezahlt, in einem Beschäftigungsverhältnis standen sie jedoch in der Regel
nicht. Die Initiative der Jugendausbildung mag rückblickend dazu geführt haben, daß

2
      1969 reformierte und erweiterte das Berufsbildungsgesetz in Westdeutschland die nationale
      Rahmengebung und zielte darauf ab, die Ausbildungsstandards zu erhöhen.
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viele, die unter normalen Umständen keine Lehre absolviert hätten, an einer formalen
Ausbildung teilnahmen. Das Programm war aber besonders darauf ausgerichtet, die Ju-
gendarbeitslosigkeit zu lindern, so daß ein Großteil der Ausbildung auf geringem Ni-
veau stattfand. Dies brachte bei jungen Leuten und Arbeitgebern den staatlichen Pro-
grammen einen schlechten Ruf ein. Einige Firmen, die zuvor Ausbildungsplätze ange-
boten hatten, ersetzten diese durch die für die Firmen günstigeren Arbeitsplätze des Ju-
gendausbildungsprogramms. Andere Firmen hingegen benutzten die Jugendausbildung
als Selektionsverfahren, indem sie ausgewählte Auszubildende nach einer gewissen Zeit
als normale Auszubildende übernahmen. Bis in die späten achtziger Jahre waren schät-
zungsweise zwei Drittel der Auszubildenden im ersten Jahr im Jugendausbildungspro-
gramm beschäftigt (Payne 1995: 78). Das Konzept der Jugendausbildung förderte somit
einerseits die Berufsausbildung durch die Subventionen des Staates, untergrub sie aber
andererseits durch die angebotene staatliche Alternative.
     Die konservative Regierung führte ab 1979 eine ganze Reihe von Initiativen ein,
die nach den Prinzipien der freien Marktwirtschaft operierten und die einen tiefgreifen-
den, wenn auch manchmal gegenläufigen Effekt auf das System der Berufsbildung und
-ausbildung ausübten. Bezüglich der Bildung versuchte die Regierung zum einen die
berufliche Ausrichtung der Schulen anzuregen, was aber nur eine eingeschränkte Aus-
wirkung hatte. Zum anderen versuchte sie, die Rate derjenigen zu erhöhen, die weiter
zur Schule gehen. Dies führte zu einem beträchtlichen Anstieg der Teilnahmeraten (sie-
he Abbildung 2) (Green/Steedman 1996). Auf dem Gebiet der Berufsausbildung wurden
die meisten der dreiseitig besetzten Ausbildungskammern aufgelöst und die Mehrzahl
der Subventionsregelungen aufgehoben und durch ein, von Arbeitgebern geleitetes,
freiwilliges System der Räte für Berufsausbildung (Training and Enterprise Councils)
ersetzt. Diese Räte setzten sich aus Mitgliedern der Arbeitgeber der Privatwirtschaft auf
lokaler Ebene zusammen, die mit der Koordination der Ausbildung und der Einführung
der staatlichen Programme beauftragt waren. Auf der sektoralen Ebene wurden die frü-
her vom Management und den Gewerkschaften gemeinsam geleiteten Ausbildungs-
kammern (training boards) durch gewerbliche Ausbildungsorganisationen (Industrial
Training Organisations) ersetzt, die wiederum größtenteils von den Arbeitgebern domi-
niert wurden. Im Zusammenhang mit Laisser-faire-Ideen wurden mehrere Maßnahmen
eingeführt, um die Bezahlung und die sonstigen Vergütungen der jungen Leute zu kür-
zen. Weiterhin wurden Privatanbieter von Ausbildungsprogrammen gefördert, und den
jungen Leuten wurden Ausbildungsgutscheine gewährt, die dann auf dem Markt gegen
eine staatlich genehmigte Ausbildung eingetauscht werden sollten. In einer bedeutenden
Reform des Qualifikationssystems wurde ab 1986 ein neues System eines Klassifikati-
onsschemas der nationalen beruflichen Qualifikationen (National Vocational Qualifica-
tions) eingeführt. Hieraus entwickelte sich ein Rahmen von Standards, der auf den so-
genannten „Kompetenzen“ basierte, d.h. solchen Fähigkeiten Arbeitsaufgaben auszu-
führen, die eine Arbeitskraft im Rahmen ihrer praktischen Arbeit nachweisen kann. Es
war beabsichtigt, damit ein nationales und rationalisiertes System zu entwickeln, das die
Qualifikationen transparent und übertragbar macht und sie einem fünfstufigen Ranking
(die erste Ebene ist Einstiegsebene, die fünfte Ebene ist der höchste Abschluß) zuordnet
(Jessup 1990; Beaumont 1995). Kritiker beurteilen die Auswirkungen dieser neuen
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Qualifikationen auf die Qualität der Ausbildung als größtenteils negativ und sprechen
der Auswirkung auf die Quantität der Ausbildung einen eher kleinen Effekt zu (Smit-
hers 1993; Robinson 1996). Es wurde dann ein zusätzliches Set an Qualifikationen ein-
geführt: die allgemeinen nationalen Berufsqualifikationen (General National Vocational
Qualifications), um für diejenigen, die weiterhin zur Schule gehen, eine berufliche Al-
ternative zum traditionellen Abitur (A–levels) zu bieten.3
     Zu dieser Zeit war die Anzahl der Ausbildungsplätze, die in späten sechziger Jah-
ren zu sinken begann, weiterhin rückläufig. Wie in Abbildung 1 erkennbar, waren die
drastischsten Rückgänge der Ausbildungsplätze in den späten sechziger und den frühen
siebziger Jahren sowie Mitte der achtziger und neunziger Jahre zu verzeichnen. Abbil-
dung 2 zeigt, daß sich die Teilnehmer an der weiterführenden Bildung und den staatli-
chen Programmen aus einem größeren Anteil aus jüngeren Leuten zusammensetzten.
Abb. 2: Bildungs- und Arbeitsmarkttätigkeiten der männlichen und weiblichen 16-18-Jährigen
        in Großbritannien von 1979-96

—— Beschäftigte, - - - - in weiterführender Bildung, …… arbeitslos,
— . —in der Jugendausbildung beschäftigt, —o— Auszubildende
Quelle: Education Statistics for the UK (verschiedene Ausgaben) und Labour Force Survey für die
Auszubildendenzahlen.

     Es gab eine Reihe von Gründen für den Rückgang von Ausbildungsplätzen. Auf
der Angebotsseite war man der Auffassung, daß junge Leute in Großbritannien weniger

3
      Es wurde die Meinung vertreten, daß diese Alternative schon in Form von verschiedenen
      traditionellen Institutionen wie der Städte und Stände (City and Guilds) oder Geschäfts- und
      Technologiebildungszentren (Business and Technology Education Council) existierte, wel-
      che auch zur Zufriedenheit zu funktionieren schienen.
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gewillt seien, eine Lehre zu beginnen, da sie es vorzogen, in der Vollzeit-Schulbildung
(full-time education) zu bleiben. Dies scheint mit dem großen Rückgang an Auszubil-
denden in den frühen neunziger Jahre zu korrelieren, jedoch gibt es keine klaren An-
haltspunkte dafür, daß Ausbildungen seit den späten sechziger Jahren weniger attraktiv
wurden. Auch ist es nicht der Fall, daß alle jungen Leute die Schule fortsetzen oder zur
Universität gehen wollen. Die Arbeitgeber vertraten die Meinung, daß der Rückgang
der traditionellen Gewerbe und der technische Fortschritt die Nachfrage nach Auszubil-
denden einschränkte. Offensichtlich sind einige Gewerbe, wie zum Beispiel das der
Drucker, eingegangen oder haben an Bedeutung verloren. Die Abnahme der Auszubil-
dendenzahlen ist jedoch auch im Verhältnis zur Beschäftigung in jedem Sektor immer
noch deutlich. Die Gewerkschaften sind der Meinung, daß durch die Einschränkung des
gewerkschaftlichen Einflusses und des Verbreitungsgrades der Tarifvertragsverhand-
lungen eine Stütze der Berufsausbildung beseitigt wurde. Diese Erklärung klingt zwar
plausibel, ist aber auch etwas problematisch, da der Rückgang an Ausbildungsplätzen in
Großbritannien nicht stark mit dem Rückgang des gewerkschaftlichen Einflusses korre-
liert. Gewerkschaften mögen bei der Frage der Ausbildungsorganisation eine wichtige
Rolle spielen, im allgemeinen haben sie jedoch ein zu geringes Mitspracherecht, um
Ausbildungsplätze schaffen oder erhalten zu können. Von der Arbeitgeberseite wurde
das überzeugendere Argument vorgebracht, daß die Firmen seit den späten sechziger
Jahren aus verschieden Gründen weniger gewillt waren, neue Auszubildende aufzu-
nehmen. Durch die gestiegenen Auszubildendenlöhne und -gehälter, die verlängerten
Ausbildungszeiten und die kürzere effektive und produktive Arbeitszeit stiegen die
Kosten eines Ausbildungsplatzes (Ryan 1993).
      Der fehlgeschlagene Versuch, das System grundlegend zu reformieren, ließ die
Ausbildung als Form der Berufsvorbereitung für die Arbeitgeber vor dem Hintergrund
des wachsenden technischen Wandels und des Konkurrenzdruckes immer unattraktiver
werden. Im Zusammenhang mit gestiegenen Unsicherheiten auf dem Absatzmarkt und
erhöhten Arbeitslosigkeitsraten seit den siebziger Jahren entschieden sich viele Firmen
für die kurzfristige Variante, nicht selbst auszubilden. Sie strebten danach, ihre Arbeits-
kräfte vom externen Arbeitsmarkt zu rekrutieren. Nur in den Fällen, in denen die Aus-
bildung von jungen Leuten unvermeidbar war, schlossen einige Arbeitgeber informelle
Betriebsvereinbarungen ab, während sich andere den staatlich finanzierten Programmen
des Jugendausbildung zuwandten. Somit wurde sowohl das Engagement der Arbeitge-
ber geschwächt als auch das breite Angebot an Ausbildungsplätzen eingeschränkt.
Schließlich ist noch hinzuzufügen, daß die Regierung seit den frühen achtziger Jahren
die Berufsausbildung mißbilligte und ihre Unterstützung einstellte. Verschiedenste Re-
gierungsberichte der frühen achtziger Jahre stellten als Nachteile der Ausbildung die
Assoziation mit den Gewerkschaften, das „Absitzen“ von Zeit und die einschränkenden
Verfahrensweisen auf dem Arbeitsmarkt (restrictive labour practices) heraus (Central
Policy Review Staff 1980; Manpower Services Commission 1981). Die Kräfte der frei-
en Marktwirtschaft, die Betriebsvereinbarungen von Firmen und staatliche Interventio-
nen haben somit das heikle Gleichgewicht gestört, von dem branchenspezifische Aus-
bildungsplätze abhängig zu sein scheinen.
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     Vor diesem Hintergrund kündigte die konservative Regierung 1993 eine Revision
ihrer Einstellung zur Berufsausbildung an und gab durch eine wichtige Initiative den
Startschuß für das Programm der Modernen Ausbildung.

2.    Das Konzept der Modernen Ausbildung
      Die Moderne Ausbildung wurde konzipiert, um sowohl traditionelle als auch neue
Elemente zu vereinen. Auf den traditionellen Ausbildungen basierend, machte das Kon-
zept eine schriftliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Auszubildendem zur
Auflage, worin die gegenseitigen Rechte und Pflichten spezifiziert wurden. Dieser Ver-
trag sollte die Ausbildung, die Qualifikationen und die Verpflichtung zum Abschluß der
Ausbildung gewährleisten.4 Die Vereinbarung an sich stellte eine gegenseitige und lang-
fristige Verpflichtung dar, die Ausbildungsblöcke entsprechend umfangreich zu gestal-
ten und die Verfahren, Phasen und Ergebnisse der Ausbildung festzulegen. Der Vertrag
mußte jeweils von dem lokalem Rat für Ausbildung in Firmen unterschrieben werden,
mit der Erwartung, daß im Falle einer Firmenauflösung des Arbeitgebers ein alternati-
ver Ausbildungsplatz gefunden würde. Eine logische Folge dieses vom Arbeitgeber
dominierten Vertrages war der Arbeitnehmerstatus der Auszubildenden während der
Ausbildung. Hierin wurde ein Weg gesehen, den Arbeitgeber zu verpflichten, und
gleichzeitig diente es als Mittel, um junge Leute anzuwerben. Von entscheidender Be-
deutung war, daß die Auszubildenden keine staatliche Unterstützung erhielten, sondern
von ihrem Arbeitgeber ein Gehalt beziehen sollten.
      Jede Moderne Ausbildung war einem sektoralem Rahmen zugeordnet, der auf dem
nationalen Klassifikationsschema basierte. Für die Befürworter des Programms stellte
der Trend weg vom reinen „Zeitabsitzen“ und hin zum Erlangen von konkreten Fähig-
keiten einen ausschlaggebenden und effektiven Weg dar, Zeitverschwendung zu ver-
meiden und Ergebnisse von hoher Qualität zu garantieren. Obwohl kein spezifischer
zeitlicher Rahmen festgelegt wurde, ging man davon aus, daß die durchschnittliche
Ausbildungszeit drei Jahre betragen würde. Innerhalb des Rahmens der nationalen be-
ruflichen Ausbildung sollte eine Ausbildung mit der dritten Ebene abgeschlossen wer-
den, die im akademischen System dem Erreichen von zwei A–levels5 entsprach. Es
wurde auch der Vorschlag gemacht, einige Ausbildungsplätze einer höheren Ebene
dann zuzuordnen, wenn sie technische, aufsichtsführende und leitende Fähigkeiten ver-
mittelten. In der weiteren Ausarbeitung des Konzeptes wurden zu dem Ziel der aufga-
benspezifischen Fähigkeiten des Systems der nationalen beruflichen Qualifikationen
noch Schlüsselqualifikationen wie Rechnen, Kommunikation, Informationstechnolo-
gien, das Problemlöseverhalten und persönliche Fertigkeiten wie Gruppenarbeit hinzu-
gefügt. Diese Qualifikationsangebote strebten eine breite Grundbildung für den Auszu-
bildenden an.

4
      Indirekt schien dies weiterhin eine Verpflichtung der Arbeitgeber anzudeuten, den Auszu-
      bildenden nach erfolgreichem Abschluß behilflich zu sein, einen festen Job zu finden.
5
      Erworben werden die A-levels an den weiterführenden Zweigen der allgemeinen Schulen
      (Sixth Form Colleges) oder an speziellen Colleges (Sixth Form College, College of Further
      Education). In der Regel werden ca. 3 bis 4 A-levels studiert.
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     Die Schlüsselqualifikationen scheinen identisch mit denen der allgemeinen natio-
nalen beruflichen Qualifikationen. Der theoretische Ausbildungsteil sollte durch eine
weiterführende Bildungsinstitution (educational colleges) oder durch Privatanbieter an
bestimmten Wochentagen oder im Blocksystem angeboten werden. Es wurde weiterhin
angestrebt, durch die Ausbildung eine Grundlage für das Wechseln zwischen verschie-
denen Ausbildungszweigen zu bieten und ein Aufsteigen in der Hierarchie der nationa-
len beruflichen Qualifikationen zu ermöglichen. Ebenso sollte gewährleistet werden,
daß ein späterer Wechsel zur Hochschule möglich wäre. Somit war es Ziel der Moder-
nen Ausbildung, in Anlehnung an die alte Form der Berufsausbildung, allgemeine Fä-
higkeiten zu vermitteln, die auf dem berufsfachlichen Arbeitsmarkt angewendet werden
können. Im Gegensatz zu den traditionellen Berufsausbildungen war es ein Kennzei-
chen der Modernen Ausbildung, eine breite Bildungsgrundlage zu legen und den Wech-
sel zwischen den verschieden Berufszweigen zu ermöglichen.
     Man erwartete, daß die Auszubildenden im ersten Lehrjahr zwischen sechzehn und
siebzehn Jahren alt sein würden. In den folgenden Jahren wurde dann eine sogenannte
verkürzte Moderne Ausbildung (Accelerated Modern Apprenticeship) für die Achtzehn-
bis Neunzehnjährigen eingeführt, die schon die Ebene der allgemeinen nationalen beruf-
lichen Qualifikationen oder das Abitur erreicht hatten. Von diesen Auszubildenden
wurde erwartet, daß sie die dritte Ebene der Berufsausbildung in achtzehn Monaten er-
reichen können. Somit konnten sowohl die Auszubildenden der Modernen Ausbildung
in den universitären Bildungsweg einsteigen als auch umgekehrt Schüler aus der weiter-
führenden Schulbildung in das Ausbildungsprogramm wechseln. Das Streben nach grö-
ßerer Flexibilität wurde durch die aufkommende Vorstellung, daß das britischen System
alternative aber miteinander verbundene Wege in der Berufsausbildung anbieten sollte,
unterstützt (Department for Trade and Industry (DTI) 1994). Ursprüngliches Ziel war
es, die Moderne Ausbildung in einem großen Spektrum von Branchen anzubieten und
den Verbreitungsgrad über die Branchen hinaus auszudehnen, die traditionell Ausbil-
dungsmöglichkeiten anboten, wie z.B. der Maschinenbau und die Baubranche. In dieser
Hinsicht versuchte die Initiative, die Berufsausbildung in Anlehnung an das breiter aus-
gelegte deutsche System zu gestalten. Zusätzlich sollte das Programm der Berufsausbil-
dung Frauen und ethnischen Gruppen bessere Chancen bieten. Diese hatten oft schlech-
tere Zugangsmöglichkeiten zu Ausbildungsplätzen und haben aus diesem Grunde auch
häufig keine Ausbildungen absolviert.
     Ein grundlegendes Ziel der Ausbildungsinitiative war es, den Arbeitgebern einen
Eigentümerstatus zu vermitteln, der wie bereits in den vorhergegangenen Reformen der
konservativen Regierung als die Übertragung von Führung und Kontrolle über die Aus-
zubildenden verstanden werden kann. Dies wurde als notwendig erachtet, um das Enga-
gement der Unternehmen zu fördern und um zu verhindern, daß das Programm nur als
ein weiteres staatliches Förderprogramm für Arbeitslose angesehen würde. Aus diesem
Grund hatten die von Arbeitgebern geleiteten Ausbildungskammern die Aufgabe, den
Rahmen des Ausbildungsprogramms zu entwerfen. Im weiteren Verlauf sollten dann die
ebenfalls von Arbeitgeberseite geleiteten Räte für Berufsausbildung die Realisierung
auf der lokalen Ebene vornehmen. Weiterführenden beruflichen Bildungsinstitutionen
(vocational education colleges), traditionellen Zertifizierungsgremien und vor allem den
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Gewerkschaften wurde eine weniger bedeutende Rolle zugeschrieben. Innerhalb des na-
tionalen Rahmens der Berufsausbildung konnten die einzelnen Arbeitgeber die innerbe-
triebliche Ausbildung ihren firmenspezifischen Bedingungen anpassen. Von entschei-
dender Bedeutung war hierbei, daß der Arbeitgeber den Ausbildungslohn bezahlte und
einen Teil der Ausbildungskosten übernahm.
      Schließlich wurde bekanntgegeben, daß – obwohl der Hauptteil der Kosten von
den Firmen getragen werden mußte – staatliche Fonds verfügbar gemacht würden, um
die Entwicklung des Programms zu finanzieren und um so zu den Kosten der außerbe-
trieblichen Ausbildung beizutragen. Zum ersten Mal wurde somit das wichtige Prinzip
der staatlichen Unterstützung für eine Teilzeit-Schulbildung (part-time education) und
Ausbildung der beschäftigten jungen Leute eingeführt. Einen wesentlichen Teil des
Konzeptes stellte die Finanzierung der Ausbildungen durch neue Ausbildungsgutschei-
ne für Jugendliche (Youth Credits) dar. Man glaubte, daß diese auf dem Markt aus-
tauschbaren Gutscheine die Motivation der jungen Leute verstärke, eine Ausbildung zu
machen, und die Bereitschaft der Arbeitgeber fördere, Auszubildende aufzunehmen.
Das Geld sollte durch die Räte für Berufsausbildung verwaltet werden, die die jeweilige
Höhe der Unterstützung mit dem Arbeitgeber vereinbaren mußten, um lokale Flexibili-
tät zu gewährleisten.

3.    Die Moderne Ausbildung in der Praxis
      Mehr als siebzig Bereiche, und damit der Großteil der britischen Industrie und des
Handels, haben bis heute das Programm der Modernen Ausbildung eingeführt oder be-
finden sich zumindest in der Entwicklungsphase. In einigen Branchen, wie der des Ma-
schinenbaus und der Elektroinstallation, konnte das Ausbildungsprogramm auf der
Grundlage einer schon länger existierenden Vereinbarung eingeführt werden. Andere
Bereiche hingegen, wie der des Einzelhandels, der Informationstechnologie und der
kaufmännische Bereich mußten sich der weitaus schwierigeren Aufgabe stellen, die
Rahmenbedingungen völlig neu auf der Basis von existierenden, nicht festgelegten Qua-
lifikationen oder auf der Basis von alten Vereinbarungen der Jugendausbildung zu kon-
zipieren. Zu Beginn des Jahres 1996 wurde die verkürzte Moderne Berufsausbildung in
das Hauptprogramm integriert. Es wurde befürchtet, daß ein gekürztes Programm und
die Tatsache, daß die Auszubildenden älter als ursprünglich angestrebt waren, die
Glaubwürdigkeit der Initiative untergraben würden (Ernest & Young: Dezember 1995).
      Es ist unklar, mit welchen Beträgen die Regierung das Programm finanziell unter-
stützte und in welcher Höhe Ausbildungssubventionen an die Firmen gezahlt wurden.
1994 wurde angekündigt, daß mehr als 1,35 Mrd. Pfund über die nächsten drei Jahre
verfügbar gemacht werden würden, um die Rahmenbedingungen zu schaffen und die
Ausbildungsgutscheine für Jugendliche für die außerbetriebliche Ausbildung zu gewäh-
ren. Diese Summe wurde jedoch teilweise durch Kürzung der Mittel für andere Pro-
gramme, wie zum Beispiel das der Jugendausbildung, und eine bloße Umverteilung der
finanziellen Unterstützung von anderen Programmen auf die Moderne Ausbildung auf-
gebracht. Bezüglich der Arbeitgebersubventionen wurden die Entscheidungsbefugnisse
auf die Räte für Berufsbildung übertragen, wodurch die einzelnen Beträge abhängig
vom jeweiligen Rat und der Berufsgruppe variieren. Das Ministerium für Arbeit und
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Bildung (Department for Education and Employment) setzt Zielgrößen für die Räte fest.
Diese wiederum entscheiden dann, mit welchen Beträgen sie die jeweiligen Programme
unterstützen. Sie haben somit einen gewissen Spielraum bei ihren Entscheidungen. Sie
können beispielsweise die eher schwer zu besetzenden Ausbildungsplätze im Maschi-
nenbau oder in der Informationstechnologie subventionieren, oder sie unterstützen die
ohnehin beliebten Ausbildungsplätze im Friseurhandwerk oder im Einzelhandel. Ar-
beitgeber scheinen in diesem Entscheidungsprozeß nur geringfügige Einflußmöglichkei-
ten ausüben zu können. Im Durchschnitt deckt die staatliche Unterstützung – auf einen
Ausbildungsplatz bezogen – ca. 6.000 Pfund der durchschnittlichen Gesamtkosten von
25.000 Pfund einer dreijährigen Ausbildung ab.6 Dieser Betrag ist ungefähr doppelt so
hoch wie die Subventionen, die für die Jugendausbildung gezahlt wurden. Wie wir wei-
ter unten sehen werden, mag dies immer noch unzureichend sein, um Arbeitgeber aus
den Sektoren anzuziehen, in denen die Kosten der außerbetrieblichen Ausbildung be-
sonders hoch sind.
      Wegen des zweifelhaften Rufs der staatlichen Programme und der wachsenden
Präferenz für den Weg der schulischen Bildung wurde anfänglich befürchtet, daß die
jungen Leute nicht ausreichend Interesse an dieser Form der Ausbildung hätten. In der
Praxis war es jedoch in den meisten Fällen recht einfach, Jugendliche anzuwerben, und
der durchschnittliche Grad an schulischer Vorbildung der Auszubildenden im ersten
Lehrjahr war hoch. Viele dieser Auszubildenden wären sonst weiterhin zur Schule ge-
gangen oder hätten die universitäre Laufbahn eingeschlagen. Ein beträchtlicher Anteil
an Auszubildenden der Jugendausbildung wechselte jedoch in die Moderne Ausbildung,
so daß im Endeffekt 40% der Auszubildenden in der Modernen Ausbildung aus der Ju-
gendausbildung kamen. Wenn die Zahl der Ausbildungsplätze künftig gesteigert und
gleichzeitig die Qualität konstant gehalten werden soll, müssen mehr Auszubildende mit
höheren schulischen Qualifikationen eingestellt oder die Qualifikationen der aus der Ju-
gendausbildung stammenden Leute aufgewertet werden. Das durchschnittliche An-
fangsalter der Modernen Auszubildenden (Modern Apprentices) liegt über siebzehn
Jahren, was den Wunsch der Arbeitgeber nach hohen Bildungsstandards widerspiegelt.
Die Ziele der Chancengleichheit scheinen unglücklicherweise nicht erfüllt worden zu
sein, da nur 3% der Auszubildenden aus ethnischen Minderheiten stammen und nur
39% Frauen sind, die sich zudem noch in den traditionellen Frauenberufen konzentrie-
ren.7
      Bezüglich ihres Status ist zu sagen, daß 95% in einem Beschäftigungsverhältnis
stehen. Ausnahmen sind hauptsächlich in der Kinderpflege, im kaufmännischen Bereich
und in der Baukonstruktion (engineering construction) zu finden. Die Höhe der Bezah-
lung variiert zwischen dem minimalen Zuschuß für Jugendausbildung von 29,50 Pfund
und einem maximalen Betrag von 165 Pfund pro Woche, den einige Auszubildenden im
Maschinenbau beziehen, wobei die durchschnittliche Bezahlung bei 76 Pfund pro Wo-

6
     Financial Times, 24. März 1997
7
     Die Zahlen sind der Datenbank des Ressorts für Moderne Ausbildung entnommen.
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che liegt.8 Marsden und Ryan (1995) argumentierten in diesem Zusammenhang, daß die
Modernen Auszubildenden als Anreizfunktion für die Arbeitgeber keinen Beschäfti-
gungsstatus haben und nur einen geringen Lohn beziehen sollten, wie es in Deutschland
üblich ist. Aufgrund der Erfahrungen, die in Großbritannien mit der Jugendausbildung
gemacht wurden, scheint es jedoch notwendig, den Beschäftigungsstatus beizubehalten,
um Auszubildende anzuziehen und im Programm zu halten.
     Aus verschiedenen Umfragen geht hervor, daß der fehlende Beschäftigungsstatus
eine große Unzufriedenheit unter den Auszubildenden hervorrief (Unwin/Wellington
1996). In Bezug auf das Arbeitsentgelt schlugen Marsden und Ryan (1995) vor, einen
Betrag festzulegen, der irgendwo zwischen der geringen Unterstützung der Jugendaus-
bildung und der höheren Entlohnung von bis zu über 100 Pfund die Woche liegt, die in
einigen traditionellen Ausbildungen gezahlt wird. Unter diesen Umständen scheint eine
durchschnittliche Bezahlung, mit Ausnahme einiger höherer Löhne in Branchen wie der
des Maschinenbaus, der richtige Weg zu sein.
     In mehr als 75% der Firmen gibt es formale Vereinbarungen über Ausbildungsplä-
ne, die die Phasen, den außerbetrieblichen Teil und die Ergebnisse der Ausbildung fest-
setzen (Ernst & Young: Oktober 1995). In wenigen Fällen, wie zum Beispiel in einigen
Chemieunternehmen, findet das erste Lehrjahr ausschließlich in einer weiterführenden
Bildungsinstitution statt. In diesen Fällen ist der mangelnde Bezug zum Arbeitsplatz ei-
ne Enttäuschung für die betroffenen jungen Leute (Unwin/Wellington 1996). Leider ist
es noch nicht möglich abzuschätzen, welcher Prozentsatz derjenigen, die eine Be-
rufsausbildung abschließen, einen festen Arbeitsplatz entweder in ihrem Ausbildungs-
betrieb oder bei einem anderen Arbeitgeber finden. Dies wird sicherlich ein bedeutender
Test des langfristigen Erfolges des Programms sein.9
     Aus wissenschaftlichen Untersuchungen konnte die eindeutige Schlußfolgerung
gezogen werden, daß mehr als zwei Drittel der ausbildenden Arbeitgeber ihre Bereit-
schaft erklärten, verstärkt Moderne Auszubildende aufzunehmen und das Programm
anderen Firmen weiterzuempfehlen. Die Auszubildenden scheinen darüber hinaus mit
ihrem Ausbildungsprogramm sehr zufrieden zu sein (Ernst & Young: Oktober 1995). Es
bleibt jedoch erforderlich, diese überwiegend positiven staatlichen Untersuchungser-
gebnisse zu hinterfragen und die quantitativen und qualitativen Ergebnisse detaillierter
zu betrachten.
     Vom quantitativen Standpunkt aus gesehen wurde angestrebt, daß sich jährlich
zwischen 60.000 und 70.000 Moderne Auszubildende qualifizieren. Als klares Ziel wa-
ren zwischen 150.000 und 200.000 Moderne Auszubildende vorgesehen (DTI 1994;
Bayliss 1994: 24). Als weiteres Ziel sollte – auf der Basis von 1992-93 – die Zahl der
jungen Leute, die an staatlich geförderter Berufsausbildung teilnehmen und die dritte

8
      Die höchste durchschnittliche Bezahlung gab es im Maschinenbau mit 88 Pfund und in der
      chemischen Industrie mit 83 Pfund. Der niedrigste Durchschnitt wurde in der Verwaltung
      mit 45 Pfund und in der Kinderpflege mit 41 Pfund die Woche bezahlt (Ernst & Young, Fe-
      bruar 1995: 18).
9
      Zumindest kurzfristig gesehen sollte mit einer hohen Prozentzahl zu rechnen sein, da die
      Moderne Ausbildung zu Zeiten eines wirtschaftlichen Aufschwungs eingeführt wurde.
Gospel. Wie Phönix aus der Asche? (ZfP 4/98)                                              413

Ebene der nationalen beruflichen Qualifikationen erreichen, bis Ende der neunziger Jah-
re verdreifacht werden.10 Während das Hauptziel des Programms darin lag, fortgeschrit-
tene berufliche Fähigkeiten auszubilden, gab es andere, ehrgeizigere Absichten, techni-
sches und unternehmerisches Wissen und Kenntnisse von Führung zu vermitteln.
     Tatsächlich ist den Zahlen der Tabelle 1 ein eher bescheidenes Resultat zu entneh-
men. Bis zum Juli 1997 begannen in England und Wales insgesamt 114.833 junge Leute
eine Moderne Ausbildung. Die Zielvorstellungen sind somit nicht erreicht worden, ob-
wohl die Zahlen der Auszubildenden zunahmen. Wird nun daneben die Rate an Ausbil-
dungsabbrüchen von 15% in Betracht gezogen, so wird es bis über die Jahrhundertwen-
de hinaus dauern, bis die Zielvorgabe erreicht ist. Bezüglich Abbildung 1 ist zu sagen,
daß die Einführung der Modernen Ausbildung nicht den Rückgang der Auszubilden-
denzahlen aufhalten konnte. Wie schon zuvor erwähnt, stammt ein wesentlicher Anteil
der Modernen Auszubildenden aus dem Programm der Jugendausbildung. Dies zeigt
sich nach Einführung des neuen Programms an dem schrumpfenden Anteil der Sechs-
zehn- bis Achtzehnjährigen in der Jugendausbildung.11 Durch eine Differenzierung nach
Bereichen werden weitere Probleme sichtbar. Über 40% der Modernen Auszubildenden
sind in den traditionellen Zweigen beschäftigt: 13,4% im Maschinenbau, 13,2% im
Baugewerbe und in der Elektrobranche, 7,7% bei der Instandhaltung und Wartung von
Kraftfahrzeugen und 7,3% im Friseurgewerbe. Die größten, nicht-traditionellen Berei-
che sind der kaufmännische Bereich mit 14,6% der Auszubildenden, der Einzelhandel
mit 10,5%, das Gesundheits- und Sozialwesen und die Kinderpflege mit zusammen
8,9% und das Gastgewerbe mit 7,4%. Eher enttäuschend sind die Gebiete der Informa-
tionstechnologie die 2,0% der Auszubildenden beschäftigen, die Chemie- und damit
verbundene Industrien mit 0,6%, Textil und Bekleidung mit 0,3% und Telekommunika-
tion ebenso mit 0,3%, obwohl einige dieser Branchen behaupten würden, daß ihre Pro-
gramme noch sehr neu sind.12

10
     Als Basis wurden hierbei die sieben% der Auszubildenden genommen, die auf der dritten
     oder vierten Qualifikationsebene der Jugendausbildung abschlossen (Robinson 1996: 19).
11
     Die Anzahl der Auszubildenden in der Altersgruppe fiel laut den Bildungsstatistiken (Edu-
     cation Statistics) des Ministeriums für Arbeit und Bildung um ein Prozent (1996: 44). Es
     muß vielleicht zu Gute gehalten werden, daß eine Abbruchrate von sechzehn Prozent besser
     als die Abbruchrate der traditionellen Ausbildungen mit 20 zu 25% ist, und die Rate der
     Ausbildungsabbrecher in der Jugendausbildung noch höher ist (Payne 1995: 51-52).
12
     In der Anlaufphase der Ausbildung gab es einige überraschende geographische Verteilun-
     gen. In Kent waren nämlich 63% der Auszubildenden im Friseurgewerbe beschäftigt, wäh-
     rend es im gleichen Gewerbe in Essex keine Auszubildenden gab; in Tyneside waren 47%
     der Auszubildenden im Einzelhandel tätig wohingegen die benachbarte Gegend Teeside nur
     7% im Einzelhandel ausbildete (Observer, 16. Juni 1996, unveröffentlichtes Material des
     Ministeriums für Arbeit und Bildung zitierend). Es ist nicht klar, inwieweit diese Unter-
     schiede weiter fortbestanden.
414                                                  Gospel. Wie Phönix aus der Asche? (ZfP 4/98)

Tab. 1. Gesamtzahl der Anfänger einer Modernen Berufsausbildung in England bis Ende Juli
        1997

                                               Anfängerzahlen                 in Prozent
Buchhaltung                                         2770                           2.4
Landwirtschaft                                      1026                           0.9
Luftfahrt                                            213                           0.2
Bus und Reisebus                                     211                           0.2
Kaufmännischer Bereich                             16791                          14.6
Chemische Industrie                                  650                           0.6
Baugewerbe                                         10491                           9.1
Elektroinstallation                                 4649                           4.1
Elektrobranche                                       196                           0.2
Maschinenbau                                       15359                          13.4
Stahlgewerbe                                         157                           0.1
Friseurgewerbe                                      8376                           7.3
Immobilienmakler                                     501                           0.4
Gesundheits- und Sozialwesen und                   10099                           8.9
Kinderpflege
Gastgewerbe                                          8442                           7.4
Informationstechnologien                             2296                           2.0
Herstellen von Kraftwagen und Kraft-                 8899                           7.7
wagenteilen
Speditionsbranche                                     249                          0.2
Druckgewerbe                                         1103                          1.0
Herstellen von Möbeln                                 304                          0.3
Einzelhandel                                        12099                         10.5
Reisebranche                                         2123                          1.8
Textil und Bekleidung                                 156                           0.3
Sport und Erholung                                   1168                          1.0
Weitere Branchen                                     6505                          5.7
Gesamtzahl der Ausbildungsanfänger                 114833                          100
(69 Branchen)

Quelle: Ministerium für Arbeit und Bildung. Der Maschinenbau umfaßt die Verarbeitung, den
Schiffbau und die Dienstleistung im Sinne von Ingenieurtätigkeiten; das Baugewerbe umfaßt die
Bauindustrie, Baukonstruktion, Installation von Rohren und Leitungen, Heizung und Belüftung.
Gospel. Wie Phönix aus der Asche? (ZfP 4/98)                                         415

      Manche Firmen haben das Konzept der Modernen Ausbildung benutzt, um wieder
in die Ausbildung einzusteigen, anderen Firmen gab es den Anstoß zum ersten Mal aus-
zubilden. Viele Unternehmen haben jedoch lediglich Ausbildungsplätze, die sie sowieso
finanziert hätten oder die in den ersten zwei Lehrjahren durch das Programm der Ju-
gendausbildung unterstützt worden wären, durch Moderne Ausbildungsplätze ersetzt.
Führende Firmen in der Maschinenbaubranche, wie zum Beispiel Rolls Royce, British
Aerospace, Rover und Ford, haben möglichst viele bestehende Ausbildungsplätze nach
Programmen wie der Modernen Ausbildung umbenannt. In ähnlicher Weise haben Ar-
beitgeber der Baubranche, die ihre Ausbildungsplätze in den ersten zwei Jahren über die
Jugendausbildung finanzierten, nun zur Modernen Ausbildung gewechselt. Somit be-
steht die berechtigte Sorge, daß eine zwar unbekannte, aber vermutlich bedeutende Zahl
an Ausbildungen dieser Natur ist. Zur Jahrhundertwende werden Auszubildende aus al-
len Programmen zusammengefaßt wahrscheinlich nur 10% der Altersgruppe der Sechs-
zehn- bis Achtzehnjährigen ausmachen. Im Endeffekt bedeutet dies, daß sich die Auszu-
bildendenzahlen auf der Basis von 1992-93 wenig oder auch gar nicht gesteigert haben.
      Bezüglich der erreichten Qualifikationen können einige vorsichtige Schlußfolge-
rungen gezogen werden. In der Vergangenheit erreichten manche Auszubildende der
traditionellen Ausbildung nur die zweite Ebene der nationalen beruflichen Qualifikatio-
nen, und nur 11% derjenigen, die eine Jugendausbildung abschlossen, erreichten die
dritte Ebene (Robinson 1996: 19). Zudem zeigte die erste Umfrage unter Arbeitgebern,
daß 58% der ausbildenden Unternehmen die Auszubildenden nicht für die dritte Ebene
oder ihr Äquivalent ausbildeten (Ernst &Young, Oktober 1995). Das Konzept der Mo-
dernen Ausbildung kann somit einerseits dazu beitragen, das Qualifikationsniveau zu
heben und dem Ausbildungsprogramm neue Schlüsselqualifikationen zuzufügen. Wenn
man jedoch die oben abgebildeten Zahlen in Betracht zieht, ist andererseits unwahr-
scheinlich, daß es gelingt, die Anzahl der Auszubildenden, die die dritte Qualifikations-
stufe abgeschlossen haben, bis zur Jahrhundertwende zu verdreifachen. Noch unwahr-
scheinlicher ist es, daß die Moderne Ausbildung eine durchschlagende Auswirkung auf
die technischen Qualifikationen und Führungsfähigkeiten der vierten Ebene hat.
      In Bezug auf die qualitativen Aspekte können ebenfalls verschiedene Schlußfolge-
rungen gezogen werden. Für die konservative Regierung stellte die Moderne Ausbil-
dung zweifellos einen bedeutenden Ansatz zur Qualitätssteigerung und eine Wiederein-
führung des „Goldstandards“ für eine Ausbildung am Arbeitsplatz in Großbritannien
dar (DE, Employment Gazette, April 1994: 99). Diese Sichtweise teilt auch die neue
Labour Regierung.
      Sicherlich ist es als positiv zu bewerten, daß das neue Ausbildungskonzept bei den
jungen Leuten offensichtlich großes Ansehen genießt und daß die Bildungsstandards
der Ausbildungsanfänger auch als gut befunden wurden. Durch die Einführung der Mo-
dernen Ausbildung im Zusammenhang mit den nationalen beruflichen Qualifikationen
haben einige Bereiche die Gelegenheit bekommen, ihre Ausbildungsinhalte noch einmal
zu überdenken. Für manchen Sektoren hieß dies, an bestehende Grundlagen anzuknüp-
fen. In der chemischen Industrie beispielsweise wurde in den achtziger Jahren eine Be-
rufsausbildung mit konkreten Zielsetzungen, mit der Vermittlung breitgefächerter Fä-
higkeiten sowie einer größeren Integration von weiterführender Bildung eingeführt. Im
416                                                  Gospel. Wie Phönix aus der Asche? (ZfP 4/98)

Touristikbereich wurden schon Anfang der neunziger Jahre neue Vereinbarungen ge-
troffen. In anderen Branchen hingegen wurde erst durch die Einführung der Modernen
Ausbildung die Ausbildung verbessert und erweitert. Für die Informationstechnologien
und den Einzelhandel zum Beispiel wurden neue Rahmenbedingungen entwickelt. Zu-
sätzlich mag die Betonung der standardisierten Programme zu größerer Transparenz
und Übertragbarkeit geführt haben. In dieser Hinsicht ist die Moderne Ausbildung dem
Versuch überlegen, die Ausbildung auf informelle Weise betriebsintern zu verbessern,
da auf diesem Weg die Ausbildung nicht zertifizierbar und schwierig zu übertragen ist
und zu einer Verschwendung von Fähigkeiten führen könnte (Marsden 1995). Gegen-
über den traditionellen Ausbildungen, bei denen Schwierigkeitsstufen und Ergebnisse
erheblich variierten, stellt der neue Ansatz ebenfalls eine Verbesserung dar, obwohl
auch die Moderne Ausbildung, wie sich herausstellen wird, beträchtliche Schwankun-
gen zuläßt. Die Moderne Ausbildung mag sich auch auf die Weise positiv auswirken,
daß sie eine Grundlage und ein Sprungbrett zur weiteren Bildung darstellt. Beispiels-
weise wird das Konzept im Einzelhandel von manchen großen Supermärkten als Auf-
stiegsweg zu Management-Positionen genutzt (Industrial Relations Service, Juni/Juli
1995). Bei Rover bietet die Moderne Ausbildung die Möglichkeit, zwischen handwerk-
lichen, technischen und Schülerprogrammen zu wechseln, was innerhalb der traditionel-
len Ausbildungen nicht möglich war (Huddleston 1996).13
      Doch wird das neue Ausbildungssystem auch hinsichtlich der Ausbildungsqualität
kritisiert. Die Kritik bezieht sich konkret auf den Rahmen der nationalen beruflichen
Qualifikationen, die Qualität der Ausbilder und Prüfer und das Finanzierungssystem.
Erstens wurde behauptet, daß das nationale Klassifikationssystem den Schwerpunkt viel
mehr darauf legt, daß die Auszubildenden zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimm-
tes Aufgabenpaket auszuführen vermögen, als daß sie größere Kenntnis des Branchen-
hintergrundes und dessen allgemeineren theoretischen Zusammenhangs erlangen
(Smithers 1993; Senker 1996; Wolf 1994). Das zweite Argument besagt, daß eine nati-
onale Rahmengebung der Kompetenzen nicht die verschiedenen Zusammenhänge, aus
denen heraus die Aufgaben gelöst werden, berücksichtigen kann, ohne sich abstrakter
und komplexer zu gestalten. Dies wiederum läßt das Ausbildungsgerüst immer weniger
transparent für das Management erscheinen, das dann sein Vertrauen in das Programm
verliert. Drittens gibt es Probleme mit dem Unterricht und der Beurteilung und somit
Probleme, die Qualität im jetzigen System zu gewährleisten. In der Vielzahl der briti-
schen Firmen gibt es nicht die Gruppe der erfahrenen Ausbilder und Meister, die zum
Beispiel eine Schlüsselfunktion im deutschen System einnehmen. Es ist viertens anzu-
merken, daß das Prüfen der Auszubildenden häufig von der Bewertung der Arbeitspro-
ben abhängt, die hauptsächlich von internen Prüfern abgenommen werden. Diese Prüfer
können trotz ihrer Zertifizierung und der Gebundenheit an Standards, die die jeweiligen
Ausbildungsorganisationen festsetzen, nicht qualifiziert genug sein, die Schlüsselquali-
fikationen zu bewerten. Zudem mögen sie geneigt sein, ihre eigenen Auszubildenden

13
      Ein weiterer positiver Aspekt war das sogenannte Modell für alle Altersgruppen (all-age
      model), das im Maschinenbau konstruiert wurde, um die Rahmengebung für Wiederausbil-
      dung und eine Weiterbildung für ältere Arbeitnehmer zu nutzen.
Gospel. Wie Phönix aus der Asche? (ZfP 4/98)                                       417

durchzubringen. Die Resultate der Ausbildung könnten aus diesem Grund von Unter-
nehmen zu Unternehmen variieren. Deshalb besteht die Gefahr, daß die im alten System
vorhandenen Probleme der Konsistenz und der Transparenz weiter fortbestehen. Ab-
schließend ist auch noch das Finanzierungssystem als problematisch einzuschätzen. Die
Finanzierung der außerbetrieblichen Ausbildung ist an Ergebnisse gekoppelt, d.h., daß
Ausbilder nur dann bezahlt werden, wenn ihre Auszubildenden auch die erforderlichen
Kompetenzen erlangt haben. Hier wird ein Anreiz geschaffen, Kandidaten trotz unzu-
länglicher Kenntnisse bestehen zu lassen.
      Vor dem Hintergrund dieser Kritik haben Regierung und Arbeitgeber Änderungen
und Anpassungen vorgenommen. In dem Versuch, die allgemeine Bildungsbasis der
Modernen Ausbildung zu vergrößern, wurden sogenannte Schlüsselqualifikationen ein-
geführt, die eine breitere theoretische Grundlage und ein breiteres Verständnis gewähr-
leisten sollten. Es gibt allerdings große Unterschiede in der Art und Weise, wie die
Schlüsselqualifikationen vermittelt werden, und ob diese zertifiziert werden. Die Ar-
beitgeber sind weiterhin über den Umfang und die Finanzierung dieser Komponente be-
sorgt. Durch rigoroses externes Testen wurden verspätete Versuche gemacht, das Ab-
prüfen der nationalen beruflichen Qualifikationen und der Schlüsselqualifikationen zu
vereinfachen und somit zu verbessern. Konfrontiert mit inhaltlichen Defiziten ihrer
Ausbildung, haben Firmen sich dem Rahmen der Modernen Ausbildung auf verschie-
dene Weise angepaßt, um ihre Ausbildung praxisbezogener und in manchen Fällen auch
anspruchsvoller zu gestalten. Die Firma Ford stellt beispielsweise in ihrer Ausbildung
umfassendere inhaltliche Anforderungen, die bestimmte Standards und breitgefächerte
Fähigkeiten garantieren soll. Im Gegensatz zu den meisten Firmen hat Ford auch sein
für vier Jahre konzipiertes Ausbildungsprogramm und die Übernahmegarantie bei er-
folgreichem Abschluß beibehalten. In einer Reihe von Branchen wie dem Maschinen-
bau, der chemischen Industrie und der Instandhaltung von Bussen wurde die Vermitt-
lung der traditionellen neben der Vermittlung der nationalen beruflichen Qualifikatio-
nen aufrechterhalten. Hierdurch sollte gewährleistet werden, daß die Fähigkeiten und
Kenntnisse der Auszubildenden ausreichend breit sind.14 Die Elektroinstallation bestand
auf ihren traditionellen Qualifikationen und ihren eigenen Prüfungskriterien.
      In anderen Fällen mögen sich die Anpassungen an die Rahmenvorgaben weniger
positiv auswirken und sich durch verminderte Variabilität und sinkende Transparenz
auszeichnen. Das System der nationalen beruflichen Qualifikationen ist zum Beispiel im
Gastgewerbe dahingehend vereinfacht worden, daß die Arbeitgeber das Programm ihren
individuellen Anforderungen anpassen können. Große Firmen tendieren tatsächlich da-
zu, dies durchzuführen (Personnel Today, 14.3.1995; Training, Oktober 95: 4).

4.   Fazit
     Das Konzept der Modernen Ausbildung ist ein bedeutender Versuch, die berufliche
Ausbildung zur Erlangung von fortgeschrittenen beruflichen Fähigkeiten eng an die An-
forderungen des Arbeitsmarktes zu knüpfen. Es stellt darüber hinaus auch einen Ver-
such dar, das System der dualen Erfahrung am Arbeitsplatz und der außerbetrieblichen

14
     Siehe Anmerkung 1.
418                                               Gospel. Wie Phönix aus der Asche? (ZfP 4/98)

Bildung auf neue Gebiete des Arbeitsmarktes auszudehnen. Das Grundkonzept der Mo-
dernen Ausbildung beruht sowohl auf dem traditionellen britischen System als auch auf
dem deutschen System der Berufsausbildung, und es ist durch einige größtenteils neue
Ideen und Praktiken beeinflußt worden.
      Allgemein gesehen hat die Erlangung von Fähigkeiten der mittleren Qualifikati-
onsstufe über den Weg der Berufsausbildung bestimmte Vorteile gegenüber eines auf
Firmen-, Staats- oder Schulbasis beruhenden Weges. Im Vergleich zu diesen bietet die
Berufsausbildung einerseits die Aussicht auf eine breitgefächerte Ausbildung und ande-
rerseits größere Transparenz über die gelernten Fähigkeiten. Hierdurch wiederum mö-
gen sich die Fähigkeiten der Wirtschaft besser zuordnen und eine Verschwendung von
Fertigkeiten im Falle eines Arbeitsplatzwechsels vermeiden lassen. Die Versorgung
über den internen Arbeitsmarkt kann die Firmen tatsächlich dazu anregen, mehr in die
Qualifikation ihrer Arbeitnehmer zu investieren, da die Ergebnisse der Ausbildung mit
weniger Risiko verbunden sind und die Ausbildung der Arbeitnehmer in die firmenspe-
zifische Personalplanung integriert werden kann (Sako 1991). Diese internen Systeme
schließen aber definitionsgemäß die potentiellen externen Arbeitnehmer aus und können
zu größtenteils firmenspezifisch vermittelten Fähigkeiten führen. Wenn diese internen
Arbeitsmärkte so unterschiedlich verbreitet sind wie in Großbritannien, kommt es zu ei-
ner punktuellen Konzentration hochqualifizierter Arbeitnehmer in einer Wirtschaft von
ansonsten weniger qualifizierten Arbeitnehmer. Insgesamt wird somit das Niveau der
Ausbildung wohl nicht verbessert (Marsden/Ryan 1991; Gospel 1992: 156-158).
      Wegen der höheren Teilnehmerraten (fast zwei Drittel der Sechzehn- bis Acht-
zehnjährigen befinden sich in der Vollzeitbildung und ein Drittel geht weiterführend zur
Universität) wird teilweise die Meinung vertreten, daß Großbritannien schon den staat-
lich geprägten Weg zur beruflichen Bildung eingeschlagen habe (Green/Steedman
1996; Soskice 1993). Zudem kann argumentiert werden, daß der schulische bzw. uni-
versitäre Weg die Aussicht auf gleiche Zugangsbedingungen, bessere langfristige natio-
nale Koordination und eine breitere Ausbildung in mathematischen, sprachlichen und
Computerkenntnissen verspricht.
      Der Standpunkt jedoch, daß Großbritannien weiter diesen Weg nehmen sollte und
daß Schul- und Universitätsabsolventen die fortgeschrittenen beruflichen Fähigkeiten
leisten sollen, kann durch eine Reihe von Gegenargumenten entkräftet werden. Erstens
strebt ein beträchtlicher Teil der Jugendlichen den schulischen Weg der Berufsausbil-
dung gar nicht an. Diese Gruppe muß in den Fähigkeiten der mittleren Qualifikations-
stufe ausgebildet werden, die für eine erfolgreiche moderne Volkswirtschaft von essen-
tieller Bedeutung sind. Britische Schulen und Universitäten sind zweitens ungenügend
mit Lehrpersonal und Möglichkeiten ausgestattet, um solche Fertigkeiten zu vermitteln,
und die Auszubildenden können auf dem schulischen Weg keine notwendigen berufli-
chen Erfahrungen sammeln. Drittens wird durch diesen Ansatz die Ausbildungsverant-
wortung zu weit vom Arbeitsplatz entfernt und in die Hände der Regierung gelegt, die
einerseits andere Zielvorstellungen vertritt und andererseits von Ressourcen abhängig
sein könnte, die das Ausbildungsprogramm komplizierter machen.
      Der Ausbildungsweg über den Arbeitsmarkt, den die moderne Ausbildung wieder-
zubeleben und auszudehnen versucht, bietet einige Vorteile. Investitionen der Arbeitge-
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