HuSten, Fieber und hohe VerluSte im Flatdeck - vivet ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Praxisfall des MOnats Um Influenzainfektionen im Flatdeck wirksam zu bekämpfen, müssen vor allem die Infektionsketten unterbrochen werden. Husten, Fieber und hohe Verluste im Flatdeck In einem Aufzuchtbetrieb traten über längere Zeit Atemwegsprobleme bei den Ferkeln auf. Als Primärerreger erwies sich das Influenzavirus, das mithilfe der Impfung und spezieller Management maßnahmen gestoppt wurde. 38 Schwein Dezember 2020
Praxisfall des Monats D ie Situation wurde für Landwirt Schulte (Name geändert) unhaltbar. In seiner Ferkelaufzucht traten über fast ein Jahr wiederholt Atemwegsinfektio- nen auf, die von Hirnhaut- und Gelenkin- fektionen begleitet wurden. Der Schweine- halter sah sich gezwungen, immer wieder antibiotisch gegen diese Erkrankungen vorzugehen. Mehrere Tiergruppen mussten sogar wiederholt behandelt werden. Mit einem Behandlungsindex von 74,24 befand sich der Betrieb im obersten Feld des vierten Quartils. Trotz zeitintensiver Tierbetreuung und zahlreicher Einzeltierbehandlungen stieg die Verlustrate im Flatdeck auf über 5 Prozent an. 41 °C Fieber nach dem Einstallen Landwirt Schulte bewirtschaftet 1.600 Fer- kelaufzuchtplätze und wird 14-tägig mit 350 bis bis 400 Absetzern beliefert. In zehn Abteilen unterschiedlicher Größe halten sich phasenweise bis zu vier Altersgruppen auf. Zwar werden die Abteile zum Ende der Aufzuchtperiode komplett geräumt, gerei- nigt und desinfiziert. Jedoch müssen im- mer wieder einzelne leichtgewichtige Tiere zur nächstjüngeren Gruppe zurückgestallt werden. Dann war das Problem da: Etwa eine Woche nach dem Einstallen begannen die Ferkel zu husten und zeigten dabei bis zu 41 °C Fieber mit einer verstärkten Bauchat- mung. Die sich häufig anschließenden Ge- lenk- und Hirnhautentzündungen konnten per Sektion einer Streptokokkeninfektion zugeordnet werden. Influenza- und PRRS-Nachweis In der Diagnostik ließ sich anhand von Speichelproben (Oral fluids), die mittels Kaustricken von frisch erkrankten Tieren gewonnen wurden, ein Influenza-A-Virus vom Subtyp H1N1 (aviärer Typ) bestimmen. Auf den Punkt Außerdem wurde diese schwerwiegende In- Atemwegsprobleme in einem fektion zeitgleich durch eine PRRSV-Infek- Flatdeck waren in erster Linie tion begleitet. auf Influenza zurückzuführen. Somit wurde der Atemwegskomplex Teil des Sanierungsplans war maßgeblich durch zwei virale Leitinfektio- neben der Impfung der Sauen ein nen beeinflusst, die wiederum das Immun- strenges Hygienekonzept. system der Tiere überforderten. Bakterielle Sekundärinfektionen und vereinzelt auch Damit gelang es, die Infektions das porzine Circovirus (PCV2) wurden so- ketten zu unterbrechen und das Foto: vivet Problem zu lösen. mit maßgeblich getriggert. Hinzu kam: Alle Impfungen, die die Ferkeln kurz vor der Er- krankung erhielten – gegen Mykoplasmen, Schwein Dezember 2020
Praxisfall des MOnats PCV2 und PRRS –, schlugen fehl oder wirk- ten nur teilweise. Der Krankheitsverlauf innerhalb der Gruppe war extrem schleppend und er- streckte sich über die gesamte Aufzuchtpha- se bis in die ersten Wochen der Mast hinein. Dabei erkrankten nicht alle Tiere zeitgleich, wie man es von früheren Influenzaverläufen kannte, sondern immer nur Teilgruppen, die nicht einmal einen direkten Kontakt zuein- ander benötigten. Aufgrund der Abfolge der klinischen Symptome und der Laborbefunde wurde schnell klar, dass die Influenza als die Primärerkrankung einzustufen war, die alle folgenden Infektionen anbahnte. Sauen gegen Influenza geimpft Um das Virus zu bekämpfen, wurden als erste Maßnahme die Sauen im Ferkelliefer- Als nachteilig erwies sich die Anordnung der Verladerampe unterhalb des Giebelfensters, von wo die betrieb bestandsweise zweimal im Abstand Zuluft in den Zentralgang geleitet wird. Mit Virus beladene Aerosole können so in den Stall gelangen. von drei Wochen gegen Influenza geimpft. Zum Einsatz kamen die Vakzinen „Respiporc flu 3“ und „Respiporc flu pan H1N1“. Dem Virusfund entsprechend hätte die Impfung gen haben nämlich gezeigt, dass diese bei sind die Ferkel ab der achten Lebenswoche mit dem Dreifachimpfstoff Flu 3 zwar ge- jungen Ferkeln in Folge der langanhalten- wieder voll empfänglich. Damit bliebe in reicht. Der Ferkelerzeuger strebte aber einen den maternalen Immunität (bis zu sieben jedem Fall eine mindestens zweiwöchige zusätzlichen Schutz für seine Sauenherde Wochen) nach einer Feldinfektion oder Immunitätslücke, in der die Tiere nach einer gegen den pandemischen Viustyp H1N1 Impfung unwirksam ist. Zwar können die Infektion erkranken. pdm an. Im Vorbericht gab es Hinweise, Ferkel bereits sehr früh, sprich vor dem Ab- dass bereits im Sauenbestand Erkrankungen setzen, erstmals geimpft werden. Die Auf- Infektionswege ermittelt aufgetreten waren, die vermutlich auf das frischungsimpfung ist jedoch erst im Alter Außerdem ist zu bedenken, dass eine Imp- gefundene Influenzavirus beruhten. von etwa acht Wochen möglich. Der Schutz fung nur vor einer Erkrankung, jedoch nicht Eine Impfung der Ferkel gegen Influenza beginnt erst zwei Wochen später. vor einer Infektion schützt. Auch wenn die kam nicht in Betracht. Wissenschaftliche Bei einer reproduktionsorientierten Dynamik des Erregers, mit der er sich ver- Untersuchungen sowie eigene Erfahrun- Impfung der Sauen in der Hochträchtigkeit mehrt und verbreitet, durch den maternalen Influenza: Infektketten unterbrechen Infektionen mit dem Influenzavirus führen weltweit zu erheblichen rend die Impfung bei Sauen und Mastschweinen sehr häufig erfolg wirtschaftlichen Schäden in den Schweinebeständen. Mittlerweile reich ist, glückt diese bei Aufzuchtferkeln meist nicht. Grund dafür sind die durch Influenza ausgelösten bakteriellen Sekundärinfek ist die langanhaltende maternale Immunität (sieben Wochen). So tionen der häufigste Grund für antibiotische Behandlungen in der mit bleibt hier nur die Möglichkeit, Infektketten zu unterbrechen, Ferkelaufzucht und Mast. In Europa werden bislang ausschließlich die von einer Impfung der Muttersauen in der Hochträchtigkeit be Influenza-A-Stämme in Schweinebeständen gefunden. Dabei wird gleitet werden muss. mittlerweile zwischen pandemischen und aviären (von Vögel stam Eine besondere Rolle spielen dabei die Treib- und Luftwege, die menden) Typen differenziert. Während aviäre Typen sich nur von möglichst getrennt w erden sollten. Gelingt das nicht einwandfrei, Fotos: vivet, Franz Lappe Schwein zu Schwein verbreiten, können pandemische Typen auch sollten in Peressigsäure (Wofasteril + Alcapur) getränkte Türvor den Menschen infizieren. In den meisten Fällen infizieren sich die hänge während des Umtriebs zum Einsatz kommen. Verschärfte Schweine dann durch den erkrankten Tierbetreuer. Hygieneregeln für das betreuende Personal und das Vermeiden ei In Deutschland sind zwei Impfstoffe zugelassen. Die Auswahl rich nes Zurückstallens während der Sanierungsphase verstehen sich tet sich nach dem isolierten Feldtyp (pandemisch oder aviär). Wäh von selbst. 40 Schwein Dezember 2020
Praxisfall des Monats Schutz abgeschwächt wird, bleibt anfangs Wochen, wodurch ein Zurückstallen von Verladerampe angrenzenden Bereich un- immer ein Virusreservoir im Bestand. Um es Ferkeln vorübergehend vermieden werden tergebracht. erfolgreich zu bekämpfen, muss eine Infek- konnte. Verkaufsreife Tiere wurden auch Die separierten infizierten Ferkel wurden tion in der ungeschützten späten Aufzucht- leichter als sonst umgehend verkauft. Die nicht wie gewohnt über die Rampe unter- phase verhindert werden. Dazu sind als Ers- verbliebenen zwei Gruppen verbrachte man halb der Zuluftöffnung verladen, sondern tes mögliche Infektionswege zu ermitteln. in einen separaten Stalltrakt. verließen den Stall über eine seitliche Tür Die größte Schwachstelle im Betrieb Gleichzeitig wurden der Zentralgang in Richtung Osten. Die Tür, die den Zen Schulte war das regelmäßige Zurückstallen durch eine verschließbare Tür getrennt und tralgang teilte, wurde während der Umtrie- der leichten Ferkel in der Abverkaufsphase. ein Außenfenster im Gang für die Belüf- be nicht geöffnet. Zudem vereinten sich der Luft- und Trieb- tung geöffnet. Somit war der ursprünglich Für beide Stallbereiche galt jeweils ei- weg. So wurde die Zuluft über ein Giebel- gemeinsame Luftweg unterbrochen. Alle gene Stallkleidung und es gab für jeden fenster in den Zentralgang geleitet, von dem nachfolgenden Gruppen wurden im zur Bereich eigene Gerätschaften (Schaufeln, sie über eine Türganglüftung in die Abteile Besen, Treibbretter, Spritzen etc.). Im tägli- gelangte. chen Arbeitsablauf wurde erst der Bereich Die Folge: Wurden infizierte Ferkel zum mit den jüngeren Ferkeln und erst danach Verkauf über den Zentralgang getrieben, der Bereich mit den älteren Ferkeln betreten gelangten gleichzeitig mit Virus beladene (dem Alter nach aufsteigend). Aerosole über die Lüftung in die bislang Der Erfolg dieser Maßnahmen ließ nicht gesunden Abteile. Nachteilig war auch die lange auf sich warten. Nach dem Abverkauf Anordnung der Verladerampe unterhalb des der separierten Gruppen war die Infekti- Giebelfensters. onskette offensichtlich gebrochen. Die wie- derkehrenden Atemwegsinfektionen traten Erfolgreich Saniert nicht mehr auf. Zeitgleich reduzierten sich Nachdem alle möglichen Infektionswege Dr. Franz Lappe die Begleiterkrankungen erheblich. Nur noch analysiert und identifiziert waren, wurde vivet Schweinegesundheit Geseke wenige Tiere mussten antibiotisch behandelt ein Sanierungsplan erstellt. Erste Maß- franz.lappe@vivet-schweine.de werden und die Tierverluste im Flatdeck ver- nahme war ein Einstallungsstop für vier ringerten sich auf 2 Prozent. (br) ●
Sie können auch lesen