IFM-HINTERGRUNDPAPIER - GEWERBLICHE EXISTENZGRÜNDUNGEN UND UNTERNEHMENS-AUFGABEN IN 2020
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IfM-Hintergrundpapier Gewerbliche Existenzgründungen und Unternehmens- aufgaben in 2020 Rosemarie Kay und Peter Kranzusch
Herausgeber Institut für Mittelstandsforschung Bonn Maximilianstr. 20, 53111 Bonn Telefon +49/(0)228 / 72997 - 0 Telefax +49/(0)228 / 72997 - 34 Autoren Rosemarie Kay Peter Kranzusch ISSN 2747-6936 (Print) ISSN 2747-6944 (Online) Bonn, 18. März 2021
1 Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 2 2 Anzahl der Existenzgründungen wie der Liquidationen gesunken 3 3 Die monatliche Entwicklung 2020: Starker Einbruch im Frühjahr 4 4 Deutlicher Anstieg der Nebenerwerbsgründungen 5 5 Weniger Gründungen in fast allen Wirtschaftszweigen 8 6 Ein- und Ausreisebeschränkungen weitere Ursache der rückläufigen Existenzgründungen und Liquidationen 10 7 Die Pandemie hat die Gründungsaktivitäten von Frauen und Männern gleichermaßen eingeschränkt 13 8 Ausblick: Zunahme der Gründungen und Liquidationen in 2021? 13 Literatur 16
2 1 Einleitung 2020 war ein außergewöhnliches Jahr für die Wirtschaft. Branchenkrisen (u.a. in der Automobilindustrie, im Maschinenbau und im stationären Einzelhandel), die Coronavirus-Pandemie und das Auseinanderbrechen von durch Freihandel geprägten Wirtschaftsräumen (z.B. Brexit) haben die Rahmenbedingungen für eine wirtschaftliche Betätigung verändert. Dies gilt auch für die Gründung eines Unternehmens oder generell die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit. Eine nicht unerhebliche Rolle für Gründungsaktivitäten im Handwerk spielt überdies die Wiedereinführung der Meisterpflicht in einigen Gewerken zum Jahresbe- ginn. Pandemiebedingt wurden in Deutschland im März 2020 weitreichende Regelun- gen erlassen, die bis in den Mai hinein die wirtschaftliche Tätigkeit erheblich einschränkten. Nach einer Zeit der Lockerungen griffen derartige Beschränkun- gen ab November erneut, wenngleich weniger hart und zunächst in weniger Branchen als im Frühjahr. Infolge der Lockdowns ist die Wirtschaftsleistung in Deutschland im Jahr 2020 um 4,9 % zurückgegangen (vgl. Statistisches Bun- desamt 2021a). Das ist weniger als im Frühjahr erwartet wurde, insbesondere weil ab dem Sommer in vielen Wirtschaftszweigen eine Erholung einsetzte. All dies hatte auch Auswirkungen auf das Gründungs- und Liquidationsgeschehen. Aufgrund der Einschränkungen wäre zu erwarten gewesen, dass die Anzahl der Gründungen sinkt und die der Unternehmen, die geschlossen werden müssen, steigt (vgl. Welter et al 2020; Günterberg et al. 2020). Allerdings flankierte die Wirtschaftspolitik die Krise und suchte so das Überleben der Unternehmen zu sichern. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie sich das Existenz- gründungs- und Liquidationsgeschehen im Jahr 2020 tatsächlich entwickelte. Zur Beantwortung dieser Frage ziehen wir Daten zu den Existenzgründungen und Liquidationen im Gewerbe heran, auf das im Jahr 2019 72,5 % aller Exis- tenzgründungen entfielen. 1 1 Zu den Gründungen in den Freien Berufen liegen erste Schätzungen vor. Diese deuten darauf hin, dass die Gründungsaktivitäten in den Freien Berufen weniger stark zurückge- gangen sind als die im gewerblichen Bereich. Angaben zu freiberuflichen Existenzgrün- dungen in 2020 werden im April auf den Statistikseiten des IfM Bonn veröffentlicht.
3 2 Anzahl der Existenzgründungen wie der Liquidationen gesunken Die Fluktuation in der gewerblichen Wirtschaft hat in 2020 erheblich abgenom- men. So ist sowohl die Anzahl der Existenzgründungen als auch die der Unter- nehmensliquidationen 2 gesunken, die der Existenzgründungen um 11,7 % und die der Unternehmensliquidationen um 18,9 %. Da die Anzahl der Liquidationen stärker als die der Existenzgründungen sank, war der gewerbliche Existenz- gründungssaldo mit rund 11.000 zum ersten Mal seit 2011 wieder positiv (vgl. Abbildung 1). Der Bestand an gewerblichen Unternehmen ist damit gewachsen. Abbildung 1: Existenzgründungen, Liquidationen und deren Saldo nach Grün- dungsarten 2019 und 2020 Existenzgründungen Liquidationen Saldo 275.600 265.700 234.600 24.600 30.100 223.640 28.100 21.000 147.600 182.900 121.800 144.100 11.000 -9.900 88.010 84.644 5.500 7.100 68.100 58.500 19.900 26.100 -35.400 -22.300 2019 2020 2019 2020 2019 2020 Übernahme/-gabe durch Erbfolge, Kauf, Pacht Insgesamt Kleingewerbe Betrieb einer Hauptniederlassung © IfM Bonn 21 982002 09 Quelle: Statistik der gewerblichen Existenzgründungen und Liquidationen des IfM Bonn (Ba- sis: Gewerbeanzeigenstatistik des Statistischen Bundesamtes Wiesbaden, ohne De- zemberwerte für Sachsen). Der positive Saldo geht – wie in den Vorjahren – auf Gründungen und Aufgaben von Unternehmen mit einer größeren wirtschaftlichen Bedeutung (sog. Betriebe von Hauptniederlassungen) sowie auf Übernahmen bzw. Übergaben durch 2 Unternehmensliquidationen können freiwillig erfolgen oder durch administrative Auflagen, wie z.B. bei Verstößen gegen Hygienevorschriften oder die im Insolvenzrecht vorgesehene Pflicht zur Auflösung von Kapitalgesellschaften, erzwungen werden. Tatsächlich geht nur ein kleiner Anteil der Liquidationen mit einem Insolvenzverfahren einher.
4 Erbfolge, Kauf und Pacht zurück. Im Kleingewerbe beobachten wir weiterhin ein Abschmelzen des Unternehmensbestandes, wenn auch weniger stark als im Jahr 2019. 3 Die monatliche Entwicklung 2020: Starker Einbruch im Frühjahr Welchen Einfluss die Lockdowns auf die Fluktuation hatten, kann mit einer mo- natlichen Betrachtung der Fluktuationszahlen ermittelt werden. So zeigt sich so- wohl bei Existenzgründungen als auch bei Liquidationen, dass nur die Früh- jahrsmonate durch einen starken Einbruch geprägt waren. Bereits ab Juni lag die Anzahl der Gründungen wieder in etwa auf dem oder leicht unter dem Ni- veau der Vorjahre. Die Anzahl der Unternehmensaufgaben verharrte hingegen in allen Folgemonaten deutlicher unter dem Niveau der Vorjahre (vgl. Abbildun- gen 2 und 3). Abbildung 2: Monatliche Anzahl der gewerblichen Existenzgründungen, 2016- 2020 35.000 30.000 25.000 20.000 15.000 10.000 5.000 0 JAN FEB MÄR APR MAI JUN JUL AUG SEP OKT NOV DEZ 2016 2017 2018 2019 2020 Ohne Freie Berufe. Ohne Dezemberwerte für Sachsen. © IfM Bonn 21 982002 01 Quelle: Statistik der gewerblichen Existenzgründungen und Liquidationen des IfM Bonn (Ba- sis: Gewerbeanzeigenstatistik des Statistischen Bundesamtes Wiesbaden).
5 Abbildung 3: Monatliche Anzahl der gewerblichen Liquidationen, 2016-2020 Quelle: Statistik der gewerblichen Existenzgründungen und Liquidationen des IfM Bonn (Ba- sis: Gewerbeanzeigenstatistik des Statistischen Bundesamtes Wiesbaden). 4 Deutlicher Anstieg der Nebenerwerbsgründungen Entgegen dem Trend bei den Existenzgründungen ist die Anzahl der gewerbli- chen Nebenerwerbsgründungen in 2020 gestiegen. Zwar nimmt die Anzahl der Nebenerwerbsgründungen seit Jahren zu, der Trend verstärkte sich jedoch im Jahr 2020. Die Anzahl der gewerblichen Nebenerwerbsgründungen ist um 9,9 % auf 290.000 gestiegen und überschreitet damit die der gewerblichen Exis- tenzgründungen deutlich. Da die Anzahl der der Nebenerwerbsaufgaben um 6,8 % sank (auf 177.00), lag auch hier der Saldo mit 113.000 im positiven Be- reich und damit um den Faktor 1,5 über dem des Vorjahrs (vgl. Abbildung 4). Der Bestand an gewerblichen Nebenerwerbsunternehmen hat sich folglich er- heblich ausgeweitet.
6 Abbildung 4: Gewerblichen Nebenerwerbsgründungen, -aufgaben und Saldo 2016-2020 290 264 250 249 251 185 193 190 182 177 113 68 74 64 58 2016 2017 2018 2019 2020 Nebenerwerbsgründungen Nebenerwerbsaufgaben Saldo in 1.000 - Rundungsdifferenzen möglich - © IfM Bonn 21 982002 12 Quelle: Statistik der gewerblichen Existenzgründungen und Liquidationen des IfM Bonn (Ba- sis: Gewerbeanzeigenstatistik des Statistischen Bundesamtes Wiesbaden, ohne De- zemberwerte für Sachsen). Ähnlich wie bei den gewerblichen Existenzgründungen ist die Anzahl der ge- werblichen Nebenerwerbsgründungen und -aufgaben im März und April unter das Niveau der Vorjahre gesunken (vgl. Abbildungen 5 und 6). Ab Mai wurde das Vorjahresniveau bei den Gründungen stetig deutlich überschritten. Im Fall der Nebenerwerbsaufgaben liegen die Monatswerte ab Juni auf dem Niveau der Vorjahre: Der erneute Lockdown ab November scheint keinen besonderen Ein- fluss auf die Nebenerwerbsgründungen und -aufgaben ausgeübt zu haben.
7 Abbildung 5: Monatliche Anzahl der gewerblichen Nebenerwerbsgründungen, 2016-2020 35.000 30.000 25.000 20.000 15.000 10.000 5.000 0 JAN FEB MÄR APR MAI JUN JUL AUG SEP OKT NOV DEZ 2016 2017 2018 2019 2020 Ohne Freie Berufe. Ohne Dezemberwerte für Sachsen. © IfM Bonn 21 982002 02 Abbildung 6: Monatliche Anzahl der gewerblichen Nebenerwerbsaufgaben, 2016-2020 35.000 30.000 25.000 20.000 15.000 10.000 5.000 0 JAN FEB MÄR APR MAI JUN JUL AUG SEP OKT NOV DEZ 2016 2017 2018 2019 2020 Ohne Freie Berufe. Ohne Dezemberwerte für Sachsen. © IfM Bonn 21 982002 04 Quelle: Statistik für gewerbliche Existenzgründungen und Liquidationen des IfM Bonn (Basis: Gewerbeanzeigenstatistik des StBA Wiesbaden).
8 5 Weniger Gründungen in fast allen Wirtschaftszweigen Wie schon in 2019 fanden die meisten Existenzgründungen 2020 im Bauge- werbe und im Handel statt. Allerdings tauschten die beiden Wirtschaftszweige ihre Rangplätze (vgl. Abbildung 7). An dritter Stelle folgt das Gastgewerbe. Ab- gesehen von den Rangverschiebungen im Handel und Baugewerbe hat sich die Wirtschaftszweigstruktur der Gründungen in 2020 nicht grundlegend verändert. Abbildung 7: Gewerbliche Existenzgründungen 2019 und 2020 nach Wirt- schaftsabschnitten 1.253 Land-, Forstwirtschaft, Fischerei 1.322 Verarbeit. Gewerbe, Bergbau, Energie, Entsorg. 10.942 10.268 Baugewerbe 49.194 37.588 48.126 Handel; Instandhaltung/Reparatur von Kfz 45.995 Verkehr und Lagerei 11.112 10.942 Gastgewerbe 34.968 27.780 Information u. Kommunikation 8.926 8.749 Finanz- und Versicherungsdienste 9.417 9.932 Grundstücks-, Wohnungswesen 9.315 9.382 (Freiberufliche), wiss., techn. DL 21.783 20.216 26.221 Sonst. wirtschaftliche DL 22.940 3.739 Erziehung und Unterricht 3.520 Gesundheits- und Sozialwesen 3.556 4.312 Kunst, Unterhaltung und Erholung 9.937 3.440 7.163 2019 Sonstig. personenbezogene Dienste 18.228 2020 Ohne Automatenaufsteller und Reisegewerbe. Ohne Freie Berufe. © IfM Bonn 21 982002 10 Quelle: Statistik der gewerblichen Existenzgründungen und Liquidationen des IfM Bonn (Ba- sis: Gewerbeanzeigenstatistik des StBA Wiesbaden, ohne Dezemberwerte für Sach- sen). In nahezu allen Wirtschaftsabschnitten ist die Anzahl der Gründungen zurück- gegangen (vgl. Abbildung 8). Am größten ist der Rückgang im Baugewerbe, was insofern überrascht, als der Umsatz im Baugewerbe 2020 im Vergleich zu 2019 gestiegen ist (vgl. Statistisches Bundesamt 2021b und c). Eine Differenzierung nach Bauhaupt- und Ausbaugewerbe macht deutlich, dass vor allem die Grün- dungen im Bereich “Vorbereitende Baustellenarbeiten, Bauinstallation und sonstiges Ausbaugewerbe“ abgenommen haben und weniger im Hoch- oder Tiefbau. In den erstgenannten Wirtschaftszweig fallen die Gewerke Fliesen-, Platten- und Mosaikleger, Estrich- und Parkettleger sowie Betonstein- und Ter- razzohersteller, vier der zwölf Gewerke, für die Anfang 2020 die Meisterpflicht
9 wieder eingeführt wurde. Die Novellierung der Handwerksordnung dürfte dem- nach hauptursächlich für die Abnahme der Gründungsaktivitäten im Bauge- werbe sein (vgl. auch Thomä et al. 2021). Aufgrund der Pandemie fällt der Rück- gang erwartungsgemäß im Gastgewerbe, im Bereich Kunst, Unterhaltung und Erholung sowie bei den sonstigen personenbezogenen Dienstleistungen beson- ders stark aus. Erwartungsgemäß, weil hier die erlassenen Kontaktbeschrän- kungen eine Geschäftstätigkeit be- oder sogar verhindert haben. In vier Wirt- schaftsabschnitten ist die Anzahl der Existenzgründungen allerdings gestiegen: am stärksten im Gesundheits- und Sozialwesen. Auch im Bereich der Finanz- dienstleistungen nahmen vergleichsweise mehr Personen eine selbstständige Tätigkeit auf, was nach Angaben von Branchenexperten u.a. auf einem Umbau der Vertriebsorganisation im Versicherungsbereich und dem Personalabbau im Bankgewerbe beruht. Abbildung 8: Entwicklung der gewerblichen Existenzgründungen 2020 gegen- über 2019 nach Wirtschaftsabschnitten Insgesamt -11,7 Land-, Forstwirtschaft, Fischerei 5,5 Verarbeit. Gew. Bergbau, Energie, Entsorg. -6,2 Baugewerbe -23,6 Handel; Instandhaltung/ -4,4 Reparatur von Kfz Verkehr und Lagerei -1,5 Gastgewerbe -20,6 Information u. Kommunikation -2,0 Finanz-, Versicherungsdienste 5,5 Grundstücks-,Wohnungswesen 0,7 (Freiberufliche), wiss., techn. DL -7,2 Sonst. wirtschaftliche DL -12,5 Erziehung, Unterricht -5,9 Gesundheits-, Sozialwesen 21,3 Kunst, Unterhaltung, Erholung -19,7 Sonstig. personenbezogene DL -20,2 in % Ohne Automatenaufsteller und Reisegewerbe. Ohne Freie Berufe. © IfM Bonn 21 982002 11 Quelle: Statistik der gewerblichen Existenzgründungen und Liquidationen des IfM Bonn (Ba- sis: Gewerbeanzeigenstatistik des StBA Wiesbaden, ohne Dezemberwerte für Sach- sen).
10 6 Ein- und Ausreisebeschränkungen weitere Ursache der rückläufigen Existenzgründungen und Liquidationen Im Frühjahr und zum Jahresende 2020 wurde die Einreise von ausländischen Staatsangehörigen nach Deutschland erheblich eingeschränkt. Auch andere Länder beschränkten die Ein- und Ausreise. Dies ist für das Gründungsgesche- hen insofern von Bedeutung, als manche Gründer und Gründerinnen ihren stän- digen Wohnsitz nicht in Deutschland haben und für die Anmeldung und Aus- übung ihrer selbstständigen Tätigkeit nach Deutschland einreisen müssen. Im Falle einer unterjährigen bzw. saisonal ausgeübten Tätigkeit (z.B. im Bauge- werbe, im Tourismus oder in der Pflege) kehren die Selbstständigen in ihre Hei- matländer zurück. Grenzschließungen könnten sich daher negativ auf das Grün- dungs- wie auch Liquidationsgeschehen ausgewirkt haben. Ein Indiz hierfür ist, dass die Anzahl der Existenzgründungen von Einzelunternehmen 3 ausländi- scher Staatsangehöriger 2020 um 18,9 % und damit stärker als die deutscher Staatsangehöriger (12,4 %) im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen ist (vgl. Abbildung 9). Diese Diskrepanz ist noch stärker bei den Liquidationen von Einzelunterneh- men. Im Vergleich zum Vorjahr wurden 2020 24,7 % weniger Einzelunterneh- men von ausländischen Staatsangehörigen abgemeldet. Bei Selbstständigen deutscher Staatsangehörigkeit betrug der Rückgang nur 16,7 % (vgl. Abbil- dung 10). 3 Für Personen- und Kapitalgesellschaften liegen keine Angaben zur Nationalität der Grün- denden in der Fachserie der Gewerbeanzeigenstatistik vor.
11 Abbildung 9: Existenzgründungen von gewerblichen Einzelunternehmen 2020/2019 nach Staatsangehörigkeit deutsch 111.120 -12,4 % 97.380 nicht-deutsch 82.390 -18,9 % 66.850 darunter 4.850 bulgarisch 3.990 2.130 griechisch 1.600 3.410 italienisch 2.670 18.100 polnisch 14.300 12.330 rumänisch 8.590 türkisch 10.580 8.670 1.400 2019 ungarisch 1.090 2020 vietnamesisch 2.100 1.610 © IfM Bonn 21 982002 13 Abbildung 10: Liquidationen von gewerblichen Einzelunternehmen 2020/2019 nach Staatsangehörigkeit deutsch 151.348 -16,7 % 126.010 nicht-deutsch 76.416 -24,7 % 57.570 davon 4.615 bulgarisch 3.209 2.257 griechisch 1.677 3.481 italienisch 2.737 19.999 polnisch 14.772 10.981 rumänisch 7.454 türkisch 9.911 7.385 1.443 2019 ungarisch 1.000 2020 andere 23.729 19.336 © IfM Bonn 21 982002 14 Quelle: Statistik der gewerblichen Existenzgründungen und Liquidationen des IfM Bonn (Ba- sis: Gewerbeanzeigenstatistik des StBA, ohne Dezemberwerte für Sachsen).
12 Der Ausländeranteil an allen Existenzgründern und -gründerinnen von Einzel- unternehmen ist 2020 leicht gesunken (vgl. Abbildung 11). Zwar ist davon aus- zugehen, dass die negativen Auswirkungen der Ein- und Ausreisebeschränkun- gen auf die Gründungsaktivitäten von ausländischen Staatsangehörigen eher vorübergehender Natur sind und nicht dauerhaft senkend auf den Ausländeran- teil an den Existenzgründungen wirken. Anders dürften aber die Auswirkungen der Wiedereinführung der Meisterpflicht in den vier oben genannten Baugewer- ken zu beurteilen sein. Auf das Ausbaugewerbe entfällt ein hoher Anteil der Gründungen von ausländischen Staatsangehörigen. Wenn ihnen dort dauerhaft der Schritt in die Selbstständigkeit erschwert wird, ist denkbar, dass der Auslän- deranteil an den Existenzgründungen in den nächsten Jahren noch weiter sin- ken wird. Zumal für einige der Herkunftsländer selbst eine anhaltend hohe Nach- frage im Baubereich erwartet wird, so z.B. in Polen, Tschechien und Ungarn (vgl. Dorffmeister 2021), und sich daher auch Arbeitsmöglichkeiten außerhalb Deutschlands entwickeln. Bei den Nebenerwerbsgründungen stagniert der Aus- länderanteil, womöglich weil die beiden genannten Sondereffekte – Stichworte: Grenzschließungen und Wiedereinführung der Meisterpflicht – für diese Grün- dungsform von geringerer Bedeutung sind. Abbildung 11: Ausländeranteil an den gewerblichen Existenz- und Nebener- werbsgründungen von Einzelunternehmen in Deutschland 2010 bis 2020 in % 50 46,5 44,8 43,9 44,0 42,5 42,9 43,3 42,6 40,7 38,5 40 34,4 30 20 10 12,6 13,1 13,5 13,5 11,0 11,2 11,7 12,0 9,9 10,4 8,6 0 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Existenzgründung Nebenerwerbsgründung © IfM Bonn 21 982002 15 Quelle: IfM Bonn (Basis: Gewerbeanzeigenstatistik des StBA, ohne Dez.-Werte für Sachsen).
13 7 Die Pandemie hat die Gründungsaktivitäten von Frauen und Männern gleichermaßen eingeschränkt Da Frauen nach wie vor häufiger und in größerem Ausmaß für die Kinderbe- treuung zuständig sind, war befürchtet worden, dass diese stärker von den Fol- gen der Pandemie – hier: eingeschränkte Kinderbetreuung – negativ betroffen sein würden. Im Hinblick auf die Gründungsaktivitäten von Frauen lässt sich je- doch feststellen, dass diese nicht stärker eingebrochen sind als die von Män- nern. Dies lässt sich am Frauenanteil an den Existenzgründungen und an den Nebenerwerbsgründungen ablesen, die sich beide in 2020 nicht nennenswert gegenüber den Vorjahren verändert haben (vgl. Abbildung 12). Abbildung 12: Frauenanteil an den gewerblichen Existenz- und Nebenerwerbs- gründungen in Deutschland 2010 bis 2020 in % 50 42,7 43,3 43,0 42,7 42,1 41,3 41,8 41,2 40,9 39,2 40,3 40 30 30,9 30,3 30,1 29,5 28,5 28,5 28,7 29,1 29,3 28,8 29,3 20 10 0 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Existenzgründung Nebenerwerbsgründung © IfM Bonn 21 982002 16 Quelle: Statistik der gewerblichen Existenzgründungen und Liquidationen des IfM Bonn (Ba- sis: Gewerbeanzeigenstatistik des StBA Wiesbaden, ohne Dezemberwerte für Sach- sen). 8 Ausblick: Zunahme der Gründungen und Liquidationen in 2021? Das Gründungsgeschehen war 2020 zwar weniger lebhaft als im Vorjahr, gleichwohl hat sich eine Vielzahl von Gründerinnen und Gründern nicht von ih- ren/seinen Gründungsplänen abbringen lassen. Gründungsentscheidungen werden meist über längere Zeit vorbereitet (vgl. Bijedić et al. 2020; Kranzusch
14 2005). Relativ kurzfristig wirkende Ereignisse können dann zwar die Umsetzung dieser Pläne verzögern, aber selten völlig verhindern (vgl. auch Metzger 2021). Insofern liegt die Entwicklung des gewerblichen Gründungsgeschehens im Jahr 2020 im Rahmen des Erwartbaren. Überraschend ist hingegen der starke Rück- gang der Anzahl der Liquidationen, selbst wenn bedacht wird, dass die Corona- Hilfsmaßnahmen darauf gerichtet waren, Schließungen von Unternehmen auf- grund der erlassenen Einschränkungen der wirtschaftlichen Betätigung mög- lichst zu verhindern. Was immer sich im Einzelnen dahinter verbirgt: In 2020 sind deutlich weniger Unternehmen als in den Vorjahren geschlossen worden. Da ein Ende der pandemiebedingten Einschränkungen weiterhin nicht absehbar ist, fällt eine Einschätzung des zu erwartenden Gründungs- und Liquidationsge- schehens im Jahr 2021 schwer. Manches spricht dafür, dass sich zu Jahresbe- ginn zunächst die Muster des Vorjahres fortsetzen werden. Da wir jedoch von einem niedrigeren Vorjahresniveau starten, erwarten wir einen deutlich geringe- ren Rückgang bei den Existenzgründungen gegenüber dem Vorjahr. Sobald sich ein dauerhaftes Ende der Einschränkungen abzeichnet, dürften die Grün- dungsaktivitäten zunehmen, insbesondere in den stark von den Einschränkun- gen betroffenen Branchen, möglicherweise schon ab dem Frühsommer. Die Krise eröffnet neue Geschäftsmöglichkeiten, auch getrieben durch Informations- und Kommunikationstechnologien. Und Krisen haben in der Vergangenheit Gründungsprozesse beschleunigt (vgl. Herrmann et al. 2020). Zudem dürften vom Arbeitsmarkt Impulse auf das Gründungsgeschehen ausgehen – Stichwort: Gründungen wegen (drohender) Arbeitslosigkeit. Aus Sicht des IfM Bonn sind die vom Arbeitsmarkt ausgehenden Effekte jedoch nicht als groß einzuschät- zen. Nicht zuletzt könnte das vergleichsweise günstige Wirtschaftsumfeld aus- ländische Investoren zu Ansiedlungen bzw. Startup-Gründungen in Deutsch- land veranlassen. Weitaus unklarer ist die Lage im Hinblick auf das Liquidationsgeschehen. Hie- rauf haben die im Zuge der Coronavirus-Pandemie vorgenommenen wirt- schaftspolitischen Eingriffe stärker eingewirkt als auf das Gründungsgesche- hen 4 und offenbar dazu geführt, dass auch Unternehmen fortgeführt wurden, denen die Zukunftsfähigkeit fehlt und die unter normalen Umständen geschlos- sen worden wären. Wie lange diese Stützungseffekte noch anhalten und wann es dann doch zu einer größeren Marktbereinigung kommen wird, ist schwer 4 So richteten sich die Corona-Hilfen zunächst überwiegend an Bestandsunternehmen und nicht an neugegründete Unternehmen.
15 absehbar. Angesichts der in manchen Branchen mittlerweile schon sehr lange geltenden Einschränkungen könnte es sein, dass die Anzahl der Liquidationen bereits im ersten Halbjahr 2021 deutlicher steigt und wieder das Niveau der Jahre vor 2020 erreicht, vielleicht setzt diese Entwicklung aber auch erst im zweiten Halbjahr ein. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht im März 2020 hat sicherlich zum Rückgang der Anzahl der Unternehmensschließungen beigetragen, allerdings in einem sehr geringen Umfang. Dies wird klar, wenn man sich vor Augen führt, dass nicht einmal jede zehnte Unternehmensschließung mit einer Insolvenz en- det. Dies bedeutet auch, dass ein wieder Wirksamwerden der Insolvenzantrags- pflicht keinen nennenswerten Schub bei den Unternehmensliquidationen auslö- sen wird.
16 Literatur Bijedić, T.; Löher, J.; Nielen, S.; Schlömer-Laufen, N.; Herrmann, A.M.; Zim- mermann, M. (2020): Von der Idee bis zum Gewinn – eine empirische Analyse der Entwicklungsprozesse von Neugründungen, in: IfM Bonn, IfM-Materialien Nr. 281, Bonn. Dorffmeister, L. (2021): Europäische Bauwirtschaft bleibt bis 2021 auf Expan- sionskurs - Ausgewählte Ergebnisse der EUROCONSTRUCT- Winterkonfe- renz 2018, ifo Schnelldienst 2 / 2021 74. Jg., Ifo München. Günterberg, B.; Kay, R.; Kranzusch, P. (2020): Gewerbliche Existenzgründun- gen und Unternehmensaufgaben im 1. Halbjahr 2020 – Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie, in: IfM Bonn: IfM-Hintergrundpapier, Bonn. Herrmann, A.; Löher, J.; Bijedić, T.; Nielen, S.; Schlömer-Laufen, N. (2020): Gründungsprozesse und der Einfluss von Krisen; in: Welter, F.; Block, J. (Hrsg.): Unternehmertum im Fokus, Ausgabe 02/20, Bonn. Kranzusch, P. (2005): Die Besucher von Gründungsmessen - Ergebnisse aus Besucherbefragungen der Gründungsmessen in Berlin, Dresden und Essen, in: IfM Bonn (Hrsg.): Jahrbuch zur Mittelstandsforschung 1/2005, Schriften zur Mittelstandsforschung Nr. 108 NF, Wiesbaden, S. 1-46. Metzger, G. (2021): „Junge“ Selbstständige: branchenbedingt trifft Corona- Krise Frauen härter als Männer, in: KfW Research: Fokus Volkswirtschaft Nr. 324, Frankfurt am Main. Statistisches Bundesamt (2021a): Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen: Wichtige gesamtwirtschaftliche Größen in Milliarden Euro, Veränderungsrate des Bruttoinlandsprodukts (BIP), https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirt- schaft/Volkswirtschaftliche-Gesamtrechnungen-Inlandsprodukt/Tabellen/in- landsprodukt-gesamtwirtschaft.html, abgerufen am 11.3.2021. Statistisches Bundesamt (2021b): Presse: Umsatz im Bauhauptgewerbe im Jahr 2020: +4,9 % zum Jahr 2019, Pressemitteilung Nr. 112 vom 10. März 2021, Wiesbaden. Statistisches Bundesamt (2021c): Konjunkturindikatoren: Beschäftigte und Umsatz im Ausbaugewerbe, https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirt- schaft/Konjunkturindikatoren/Baugewerbe/pgw810.html, abgerufen am 11.3.2021. Thomä, J.; Haverkamp, K.; Pröger, T.; Rust, P. (2021): Das (unterschätzte) Potenzial von Handwerksrollendaten für die Gründungs- und Mittelstandsfor- schung, in: Förderkreis Gründungsforschung e.V. und IfM Bonn.
17 Welter, F.; Wolter, H.-J., Kranzusch, P. (2020): Vorläufige Einschätzungen des IfM Bonn zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronaviruspandemie auf den Mittelstand, IfM-Hintergrundpapier, Bonn.
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