IFM-HINTERGRUNDPAPIER - GEWERBLICHE EXISTENZGRÜNDUNGEN UND UNTERNEHMENS-AUFGABEN IN 2020

Die Seite wird erstellt Hendrik Sauter
 
WEITER LESEN
IfM-Hintergrundpapier

Gewerbliche Existenzgründungen und Unternehmens-
aufgaben in 2020

Rosemarie Kay und Peter Kranzusch
Herausgeber
Institut für Mittelstandsforschung Bonn
Maximilianstr. 20, 53111 Bonn
Telefon +49/(0)228 / 72997 - 0
Telefax +49/(0)228 / 72997 - 34

Autoren
Rosemarie Kay
Peter Kranzusch

ISSN 2747-6936 (Print)
ISSN 2747-6944 (Online)

Bonn, 18. März 2021
1

Inhaltsverzeichnis
1   Einleitung                                                  2

2   Anzahl der Existenzgründungen wie der Liquidationen
    gesunken                                                    3

3   Die monatliche Entwicklung 2020: Starker Einbruch im
    Frühjahr                                                    4

4   Deutlicher Anstieg der Nebenerwerbsgründungen               5

5   Weniger Gründungen in fast allen Wirtschaftszweigen         8

6   Ein- und Ausreisebeschränkungen weitere Ursache der
    rückläufigen Existenzgründungen und Liquidationen          10

7   Die Pandemie hat die Gründungsaktivitäten von Frauen und
    Männern gleichermaßen eingeschränkt                        13

8   Ausblick: Zunahme der Gründungen und Liquidationen in
    2021?                                                      13

Literatur                                                      16
2

1   Einleitung

2020 war ein außergewöhnliches Jahr für die Wirtschaft. Branchenkrisen (u.a.
in der Automobilindustrie, im Maschinenbau und im stationären Einzelhandel),
die Coronavirus-Pandemie und das Auseinanderbrechen von durch Freihandel
geprägten Wirtschaftsräumen (z.B. Brexit) haben die Rahmenbedingungen für
eine wirtschaftliche Betätigung verändert. Dies gilt auch für die Gründung eines
Unternehmens oder generell die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit. Eine
nicht unerhebliche Rolle für Gründungsaktivitäten im Handwerk spielt überdies
die Wiedereinführung der Meisterpflicht in einigen Gewerken zum Jahresbe-
ginn.

Pandemiebedingt wurden in Deutschland im März 2020 weitreichende Regelun-
gen erlassen, die bis in den Mai hinein die wirtschaftliche Tätigkeit erheblich
einschränkten. Nach einer Zeit der Lockerungen griffen derartige Beschränkun-
gen ab November erneut, wenngleich weniger hart und zunächst in weniger
Branchen als im Frühjahr. Infolge der Lockdowns ist die Wirtschaftsleistung in
Deutschland im Jahr 2020 um 4,9 % zurückgegangen (vgl. Statistisches Bun-
desamt 2021a). Das ist weniger als im Frühjahr erwartet wurde, insbesondere
weil ab dem Sommer in vielen Wirtschaftszweigen eine Erholung einsetzte. All
dies hatte auch Auswirkungen auf das Gründungs- und Liquidationsgeschehen.

Aufgrund der Einschränkungen wäre zu erwarten gewesen, dass die Anzahl der
Gründungen sinkt und die der Unternehmen, die geschlossen werden müssen,
steigt (vgl. Welter et al 2020; Günterberg et al. 2020). Allerdings flankierte die
Wirtschaftspolitik die Krise und suchte so das Überleben der Unternehmen zu
sichern. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie sich das Existenz-
gründungs- und Liquidationsgeschehen im Jahr 2020 tatsächlich entwickelte.
Zur Beantwortung dieser Frage ziehen wir Daten zu den Existenzgründungen
und Liquidationen im Gewerbe heran, auf das im Jahr 2019 72,5 % aller Exis-
tenzgründungen entfielen. 1

1   Zu den Gründungen in den Freien Berufen liegen erste Schätzungen vor. Diese deuten
    darauf hin, dass die Gründungsaktivitäten in den Freien Berufen weniger stark zurückge-
    gangen sind als die im gewerblichen Bereich. Angaben zu freiberuflichen Existenzgrün-
    dungen in 2020 werden im April auf den Statistikseiten des IfM Bonn veröffentlicht.
3

2   Anzahl der Existenzgründungen wie der Liquidationen gesunken

Die Fluktuation in der gewerblichen Wirtschaft hat in 2020 erheblich abgenom-
men. So ist sowohl die Anzahl der Existenzgründungen als auch die der Unter-
nehmensliquidationen 2 gesunken, die der Existenzgründungen um 11,7 % und
die der Unternehmensliquidationen um 18,9 %. Da die Anzahl der Liquidationen
stärker als die der Existenzgründungen sank, war der gewerbliche Existenz-
gründungssaldo mit rund 11.000 zum ersten Mal seit 2011 wieder positiv (vgl.
Abbildung 1). Der Bestand an gewerblichen Unternehmen ist damit gewachsen.

Abbildung 1:         Existenzgründungen, Liquidationen und deren Saldo nach Grün-
                     dungsarten 2019 und 2020

        Existenzgründungen                      Liquidationen                             Saldo

                                            275.600
      265.700
                         234.600             24.600
       30.100                                                  223.640
                           28.100                              21.000

       147.600                               182.900
                          121.800
                                                               144.100

                                                                                                   11.000
                                                                                -9.900
       88.010              84.644                                                5.500               7.100
                                             68.100            58.500
                                                                                 19.900              26.100
                                                                                -35.400             -22.300

        2019               2020               2019              2020             2019                 2020

                 Übernahme/-gabe durch Erbfolge, Kauf, Pacht             Insgesamt
                 Kleingewerbe
                 Betrieb einer Hauptniederlassung
                                                                                          © IfM Bonn 21 982002 09

Quelle: Statistik der gewerblichen Existenzgründungen und Liquidationen des IfM Bonn (Ba-
        sis: Gewerbeanzeigenstatistik des Statistischen Bundesamtes Wiesbaden, ohne De-
        zemberwerte für Sachsen).

Der positive Saldo geht – wie in den Vorjahren – auf Gründungen und Aufgaben
von Unternehmen mit einer größeren wirtschaftlichen Bedeutung (sog. Betriebe
von Hauptniederlassungen) sowie auf Übernahmen bzw. Übergaben durch

2   Unternehmensliquidationen können freiwillig erfolgen oder durch administrative Auflagen,
    wie z.B. bei Verstößen gegen Hygienevorschriften oder die im Insolvenzrecht vorgesehene
    Pflicht zur Auflösung von Kapitalgesellschaften, erzwungen werden. Tatsächlich geht nur
    ein kleiner Anteil der Liquidationen mit einem Insolvenzverfahren einher.
4

Erbfolge, Kauf und Pacht zurück. Im Kleingewerbe beobachten wir weiterhin ein
Abschmelzen des Unternehmensbestandes, wenn auch weniger stark als im
Jahr 2019.

3    Die monatliche Entwicklung 2020: Starker Einbruch im Frühjahr

Welchen Einfluss die Lockdowns auf die Fluktuation hatten, kann mit einer mo-
natlichen Betrachtung der Fluktuationszahlen ermittelt werden. So zeigt sich so-
wohl bei Existenzgründungen als auch bei Liquidationen, dass nur die Früh-
jahrsmonate durch einen starken Einbruch geprägt waren. Bereits ab Juni lag
die Anzahl der Gründungen wieder in etwa auf dem oder leicht unter dem Ni-
veau der Vorjahre. Die Anzahl der Unternehmensaufgaben verharrte hingegen
in allen Folgemonaten deutlicher unter dem Niveau der Vorjahre (vgl. Abbildun-
gen 2 und 3).

Abbildung 2:           Monatliche Anzahl der gewerblichen Existenzgründungen, 2016-
                       2020

     35.000

     30.000

     25.000

     20.000

     15.000

     10.000

      5.000

           0
                JAN      FEB     MÄR     APR      MAI    JUN     JUL    AUG   SEP    OKT   NOV      DEZ

                                     2016        2017     2018         2019   2020

    Ohne Freie Berufe. Ohne Dezemberwerte für Sachsen.
                                                                                       © IfM Bonn 21 982002 01

Quelle: Statistik der gewerblichen Existenzgründungen und Liquidationen des IfM Bonn (Ba-
        sis: Gewerbeanzeigenstatistik des Statistischen Bundesamtes Wiesbaden).
5

Abbildung 3:    Monatliche Anzahl der gewerblichen Liquidationen, 2016-2020

Quelle: Statistik der gewerblichen Existenzgründungen und Liquidationen des IfM Bonn (Ba-
        sis: Gewerbeanzeigenstatistik des Statistischen Bundesamtes Wiesbaden).

4   Deutlicher Anstieg der Nebenerwerbsgründungen

Entgegen dem Trend bei den Existenzgründungen ist die Anzahl der gewerbli-
chen Nebenerwerbsgründungen in 2020 gestiegen. Zwar nimmt die Anzahl der
Nebenerwerbsgründungen seit Jahren zu, der Trend verstärkte sich jedoch im
Jahr 2020. Die Anzahl der gewerblichen Nebenerwerbsgründungen ist um
9,9 % auf 290.000 gestiegen und überschreitet damit die der gewerblichen Exis-
tenzgründungen deutlich. Da die Anzahl der der Nebenerwerbsaufgaben um
6,8 % sank (auf 177.00), lag auch hier der Saldo mit 113.000 im positiven Be-
reich und damit um den Faktor 1,5 über dem des Vorjahrs (vgl. Abbildung 4).
Der Bestand an gewerblichen Nebenerwerbsunternehmen hat sich folglich er-
heblich ausgeweitet.
6

Abbildung 4:          Gewerblichen Nebenerwerbsgründungen, -aufgaben und Saldo
                      2016-2020

                                                                                      290
                                                                 264
    250                   249                 251

                                   185              193                190
          182                                                                               177

                                                                                                   113

                 68                                                           74
                                         64                58

          2016                  2017                2018               2019                 2020

                  Nebenerwerbsgründungen            Nebenerwerbsaufgaben           Saldo

                                                                                                   in 1.000
 - Rundungsdifferenzen möglich -
                                                                                   © IfM Bonn 21 982002 12

Quelle: Statistik der gewerblichen Existenzgründungen und Liquidationen des IfM Bonn (Ba-
        sis: Gewerbeanzeigenstatistik des Statistischen Bundesamtes Wiesbaden, ohne De-
        zemberwerte für Sachsen).

Ähnlich wie bei den gewerblichen Existenzgründungen ist die Anzahl der ge-
werblichen Nebenerwerbsgründungen und -aufgaben im März und April unter
das Niveau der Vorjahre gesunken (vgl. Abbildungen 5 und 6). Ab Mai wurde
das Vorjahresniveau bei den Gründungen stetig deutlich überschritten. Im Fall
der Nebenerwerbsaufgaben liegen die Monatswerte ab Juni auf dem Niveau der
Vorjahre: Der erneute Lockdown ab November scheint keinen besonderen Ein-
fluss auf die Nebenerwerbsgründungen und -aufgaben ausgeübt zu haben.
7

Abbildung 5:          Monatliche Anzahl der gewerblichen Nebenerwerbsgründungen,
                      2016-2020

    35.000

    30.000

    25.000

    20.000

    15.000

    10.000

     5.000

          0
               JAN      FEB     MÄR     APR      MAI    JUN     JUL    AUG   SEP    OKT   NOV      DEZ

                                    2016        2017     2018         2019   2020
   Ohne Freie Berufe. Ohne Dezemberwerte für Sachsen.
                                                                                      © IfM Bonn 21 982002 02

Abbildung 6:          Monatliche Anzahl der gewerblichen Nebenerwerbsaufgaben,
                      2016-2020

    35.000

    30.000

    25.000

    20.000

    15.000

    10.000

     5.000

          0
               JAN      FEB     MÄR     APR      MAI    JUN     JUL    AUG   SEP    OKT   NOV      DEZ

                                    2016        2017     2018         2019   2020
   Ohne Freie Berufe. Ohne Dezemberwerte für Sachsen.
                                                                                      © IfM Bonn 21 982002 04
Quelle: Statistik für gewerbliche Existenzgründungen und Liquidationen des IfM Bonn (Basis:
        Gewerbeanzeigenstatistik des StBA Wiesbaden).
8

5     Weniger Gründungen in fast allen Wirtschaftszweigen

Wie schon in 2019 fanden die meisten Existenzgründungen 2020 im Bauge-
werbe und im Handel statt. Allerdings tauschten die beiden Wirtschaftszweige
ihre Rangplätze (vgl. Abbildung 7). An dritter Stelle folgt das Gastgewerbe. Ab-
gesehen von den Rangverschiebungen im Handel und Baugewerbe hat sich die
Wirtschaftszweigstruktur der Gründungen in 2020 nicht grundlegend verändert.

Abbildung 7:             Gewerbliche Existenzgründungen 2019 und 2020 nach Wirt-
                         schaftsabschnitten

                                                             1.253
                     Land-, Forstwirtschaft, Fischerei       1.322
     Verarbeit. Gewerbe, Bergbau, Energie, Entsorg.                       10.942
                                                                         10.268
                                         Baugewerbe                                                                    49.194
                                                                                                           37.588
                                                                                                                      48.126
           Handel; Instandhaltung/Reparatur von Kfz                                                                 45.995
                                 Verkehr und Lagerei                     11.112
                                                                         10.942
                                        Gastgewerbe                                                      34.968
                                                                                                27.780
                       Information u. Kommunikation                  8.926
                                                                     8.749
                  Finanz- und Versicherungsdienste                    9.417
                                                                       9.932
                     Grundstücks-, Wohnungswesen                      9.315
                                                                      9.382
                     (Freiberufliche), wiss., techn. DL                               21.783
                                                                                     20.216
                                                                                            26.221
                            Sonst. wirtschaftliche DL                                   22.940
                                                                3.739
                            Erziehung und Unterricht            3.520
                      Gesundheits- und Sozialwesen              3.556
                                                                 4.312
                   Kunst, Unterhaltung und Erholung              9.937
                                                                3.440
                                                                                        7.163                            2019
                Sonstig. personenbezogene Dienste                                  18.228
                                                                                                                         2020
    Ohne Automatenaufsteller und Reisegewerbe. Ohne Freie Berufe.
                                                                                                         © IfM Bonn 21 982002 10

Quelle: Statistik der gewerblichen Existenzgründungen und Liquidationen des IfM Bonn (Ba-
        sis: Gewerbeanzeigenstatistik des StBA Wiesbaden, ohne Dezemberwerte für Sach-
        sen).

In nahezu allen Wirtschaftsabschnitten ist die Anzahl der Gründungen zurück-
gegangen (vgl. Abbildung 8). Am größten ist der Rückgang im Baugewerbe, was
insofern überrascht, als der Umsatz im Baugewerbe 2020 im Vergleich zu 2019
gestiegen ist (vgl. Statistisches Bundesamt 2021b und c). Eine Differenzierung
nach Bauhaupt- und Ausbaugewerbe macht deutlich, dass vor allem die Grün-
dungen im Bereich “Vorbereitende Baustellenarbeiten, Bauinstallation und
sonstiges Ausbaugewerbe“ abgenommen haben und weniger im Hoch- oder
Tiefbau. In den erstgenannten Wirtschaftszweig fallen die Gewerke Fliesen-,
Platten- und Mosaikleger, Estrich- und Parkettleger sowie Betonstein- und Ter-
razzohersteller, vier der zwölf Gewerke, für die Anfang 2020 die Meisterpflicht
9

wieder eingeführt wurde. Die Novellierung der Handwerksordnung dürfte dem-
nach hauptursächlich für die Abnahme der Gründungsaktivitäten im Bauge-
werbe sein (vgl. auch Thomä et al. 2021). Aufgrund der Pandemie fällt der Rück-
gang erwartungsgemäß im Gastgewerbe, im Bereich Kunst, Unterhaltung und
Erholung sowie bei den sonstigen personenbezogenen Dienstleistungen beson-
ders stark aus. Erwartungsgemäß, weil hier die erlassenen Kontaktbeschrän-
kungen eine Geschäftstätigkeit be- oder sogar verhindert haben. In vier Wirt-
schaftsabschnitten ist die Anzahl der Existenzgründungen allerdings gestiegen:
am stärksten im Gesundheits- und Sozialwesen. Auch im Bereich der Finanz-
dienstleistungen nahmen vergleichsweise mehr Personen eine selbstständige
Tätigkeit auf, was nach Angaben von Branchenexperten u.a. auf einem Umbau
der Vertriebsorganisation im Versicherungsbereich und dem Personalabbau im
Bankgewerbe beruht.

Abbildung 8:           Entwicklung der gewerblichen Existenzgründungen 2020 gegen-
                       über 2019 nach Wirtschaftsabschnitten

                                                           Insgesamt -11,7
    Land-, Forstwirtschaft, Fischerei                                                  5,5
          Verarbeit. Gew. Bergbau,
                 Energie, Entsorg.                                -6,2
                       Baugewerbe       -23,6
            Handel; Instandhaltung/                                  -4,4
                Reparatur von Kfz
               Verkehr und Lagerei                                        -1,5
                       Gastgewerbe          -20,6
      Information u. Kommunikation                                        -2,0
     Finanz-, Versicherungsdienste                                                     5,5
    Grundstücks-,Wohnungswesen                                                   0,7

   (Freiberufliche), wiss., techn. DL                             -7,2
           Sonst. wirtschaftliche DL                    -12,5

               Erziehung, Unterricht                               -5,9
        Gesundheits-, Sozialwesen                                                                            21,3
     Kunst, Unterhaltung, Erholung              -19,7
    Sonstig. personenbezogene DL             -20,2
                                                                                                               in %
  Ohne Automatenaufsteller und Reisegewerbe. Ohne Freie Berufe.
                                                                                             © IfM Bonn 21 982002 11

Quelle: Statistik der gewerblichen Existenzgründungen und Liquidationen des IfM Bonn (Ba-
        sis: Gewerbeanzeigenstatistik des StBA Wiesbaden, ohne Dezemberwerte für Sach-
        sen).
10

6   Ein- und Ausreisebeschränkungen weitere Ursache der rückläufigen
    Existenzgründungen und Liquidationen

Im Frühjahr und zum Jahresende 2020 wurde die Einreise von ausländischen
Staatsangehörigen nach Deutschland erheblich eingeschränkt. Auch andere
Länder beschränkten die Ein- und Ausreise. Dies ist für das Gründungsgesche-
hen insofern von Bedeutung, als manche Gründer und Gründerinnen ihren stän-
digen Wohnsitz nicht in Deutschland haben und für die Anmeldung und Aus-
übung ihrer selbstständigen Tätigkeit nach Deutschland einreisen müssen. Im
Falle einer unterjährigen bzw. saisonal ausgeübten Tätigkeit (z.B. im Bauge-
werbe, im Tourismus oder in der Pflege) kehren die Selbstständigen in ihre Hei-
matländer zurück. Grenzschließungen könnten sich daher negativ auf das Grün-
dungs- wie auch Liquidationsgeschehen ausgewirkt haben. Ein Indiz hierfür ist,
dass die Anzahl der Existenzgründungen von Einzelunternehmen 3 ausländi-
scher Staatsangehöriger 2020 um 18,9 % und damit stärker als die deutscher
Staatsangehöriger (12,4 %) im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen ist (vgl.
Abbildung 9).

Diese Diskrepanz ist noch stärker bei den Liquidationen von Einzelunterneh-
men. Im Vergleich zum Vorjahr wurden 2020 24,7 % weniger Einzelunterneh-
men von ausländischen Staatsangehörigen abgemeldet. Bei Selbstständigen
deutscher Staatsangehörigkeit betrug der Rückgang nur 16,7 % (vgl. Abbil-
dung 10).

3   Für Personen- und Kapitalgesellschaften liegen keine Angaben zur Nationalität der Grün-
    denden in der Fachserie der Gewerbeanzeigenstatistik vor.
11

Abbildung 9:        Existenzgründungen von gewerblichen               Einzelunternehmen
                    2020/2019 nach Staatsangehörigkeit

        deutsch                                             111.120               -12,4 %
                                                       97.380
   nicht-deutsch                                 82.390                           -18,9 %
                                           66.850
       darunter

                      4.850
      bulgarisch      3.990
                     2.130
      griechisch     1.600
                      3.410
      italienisch    2.670
                            18.100
       polnisch            14.300
                          12.330
     rumänisch          8.590
        türkisch         10.580
                        8.670
                     1.400                                                 2019
      ungarisch
                     1.090                                                 2020
  vietnamesisch      2.100
                     1.610

                                                                       © IfM Bonn 21 982002 13

Abbildung 10: Liquidationen von gewerblichen Einzelunternehmen 2020/2019
              nach Staatsangehörigkeit

        deutsch                                                            151.348 -16,7 %
                                                                 126.010
   nicht-deutsch                                 76.416                              -24,7 %
                                        57.570
        davon

                      4.615
      bulgarisch      3.209
                     2.257
      griechisch     1.677
                      3.481
      italienisch    2.737
                             19.999
       polnisch            14.772
                         10.981
     rumänisch          7.454
        türkisch         9.911
                        7.385
                     1.443                                                 2019
      ungarisch
                     1.000                                                 2020
         andere                23.729
                             19.336

                                                                       © IfM Bonn 21 982002 14

Quelle: Statistik der gewerblichen Existenzgründungen und Liquidationen des IfM Bonn (Ba-
        sis: Gewerbeanzeigenstatistik des StBA, ohne Dezemberwerte für Sachsen).
12

Der Ausländeranteil an allen Existenzgründern und -gründerinnen von Einzel-
unternehmen ist 2020 leicht gesunken (vgl. Abbildung 11). Zwar ist davon aus-
zugehen, dass die negativen Auswirkungen der Ein- und Ausreisebeschränkun-
gen auf die Gründungsaktivitäten von ausländischen Staatsangehörigen eher
vorübergehender Natur sind und nicht dauerhaft senkend auf den Ausländeran-
teil an den Existenzgründungen wirken. Anders dürften aber die Auswirkungen
der Wiedereinführung der Meisterpflicht in den vier oben genannten Baugewer-
ken zu beurteilen sein. Auf das Ausbaugewerbe entfällt ein hoher Anteil der
Gründungen von ausländischen Staatsangehörigen. Wenn ihnen dort dauerhaft
der Schritt in die Selbstständigkeit erschwert wird, ist denkbar, dass der Auslän-
deranteil an den Existenzgründungen in den nächsten Jahren noch weiter sin-
ken wird. Zumal für einige der Herkunftsländer selbst eine anhaltend hohe Nach-
frage im Baubereich erwartet wird, so z.B. in Polen, Tschechien und Ungarn
(vgl. Dorffmeister 2021), und sich daher auch Arbeitsmöglichkeiten außerhalb
Deutschlands entwickeln. Bei den Nebenerwerbsgründungen stagniert der Aus-
länderanteil, womöglich weil die beiden genannten Sondereffekte – Stichworte:
Grenzschließungen und Wiedereinführung der Meisterpflicht – für diese Grün-
dungsform von geringerer Bedeutung sind.
Abbildung 11: Ausländeranteil an den gewerblichen Existenz- und Nebener-
              werbsgründungen von Einzelunternehmen in Deutschland 2010
              bis 2020

                                                                                     in %
   50                         46,5
                      44,8           43,9   44,0
                                                   42,5   42,9   43,3     42,6
                                                                                    40,7
               38,5
   40
        34,4

   30

   20

   10                                                     12,6   13,1     13,5      13,5
                              11,0   11,2   11,7   12,0
                9,9   10,4
         8,6
    0
        2010   2011   2012   2013    2014   2015   2016   2017   2018    2019      2020

                         Existenzgründung          Nebenerwerbsgründung
                                                                     © IfM Bonn 21 982002 15

Quelle: IfM Bonn (Basis: Gewerbeanzeigenstatistik des StBA, ohne Dez.-Werte für Sachsen).
13

7    Die Pandemie hat die Gründungsaktivitäten von Frauen und Männern
     gleichermaßen eingeschränkt

Da Frauen nach wie vor häufiger und in größerem Ausmaß für die Kinderbe-
treuung zuständig sind, war befürchtet worden, dass diese stärker von den Fol-
gen der Pandemie – hier: eingeschränkte Kinderbetreuung – negativ betroffen
sein würden. Im Hinblick auf die Gründungsaktivitäten von Frauen lässt sich je-
doch feststellen, dass diese nicht stärker eingebrochen sind als die von Män-
nern. Dies lässt sich am Frauenanteil an den Existenzgründungen und an den
Nebenerwerbsgründungen ablesen, die sich beide in 2020 nicht nennenswert
gegenüber den Vorjahren verändert haben (vgl. Abbildung 12).

Abbildung 12: Frauenanteil an den gewerblichen Existenz- und Nebenerwerbs-
              gründungen in Deutschland 2010 bis 2020

                                                                                     in %
    50
                       42,7   43,3   43,0   42,7   42,1
                41,3                                      41,8   41,2     40,9
         39,2                                                                       40,3
    40

    30
         30,9   30,3                                                                30,1
                       29,5   28,5   28,5   28,7   29,1   29,3   28,8     29,3

    20

    10

     0
         2010   2011   2012   2013   2014   2015   2016   2017   2018    2019      2020

                         Existenzgründung          Nebenerwerbsgründung
                                                                     © IfM Bonn 21 982002 16

Quelle: Statistik der gewerblichen Existenzgründungen und Liquidationen des IfM Bonn (Ba-
        sis: Gewerbeanzeigenstatistik des StBA Wiesbaden, ohne Dezemberwerte für Sach-
        sen).

8    Ausblick: Zunahme der Gründungen und Liquidationen in 2021?

Das Gründungsgeschehen war 2020 zwar weniger lebhaft als im Vorjahr,
gleichwohl hat sich eine Vielzahl von Gründerinnen und Gründern nicht von ih-
ren/seinen Gründungsplänen abbringen lassen. Gründungsentscheidungen
werden meist über längere Zeit vorbereitet (vgl. Bijedić et al. 2020; Kranzusch
14

2005). Relativ kurzfristig wirkende Ereignisse können dann zwar die Umsetzung
dieser Pläne verzögern, aber selten völlig verhindern (vgl. auch Metzger 2021).
Insofern liegt die Entwicklung des gewerblichen Gründungsgeschehens im Jahr
2020 im Rahmen des Erwartbaren. Überraschend ist hingegen der starke Rück-
gang der Anzahl der Liquidationen, selbst wenn bedacht wird, dass die Corona-
Hilfsmaßnahmen darauf gerichtet waren, Schließungen von Unternehmen auf-
grund der erlassenen Einschränkungen der wirtschaftlichen Betätigung mög-
lichst zu verhindern. Was immer sich im Einzelnen dahinter verbirgt: In 2020
sind deutlich weniger Unternehmen als in den Vorjahren geschlossen worden.

Da ein Ende der pandemiebedingten Einschränkungen weiterhin nicht absehbar
ist, fällt eine Einschätzung des zu erwartenden Gründungs- und Liquidationsge-
schehens im Jahr 2021 schwer. Manches spricht dafür, dass sich zu Jahresbe-
ginn zunächst die Muster des Vorjahres fortsetzen werden. Da wir jedoch von
einem niedrigeren Vorjahresniveau starten, erwarten wir einen deutlich geringe-
ren Rückgang bei den Existenzgründungen gegenüber dem Vorjahr. Sobald
sich ein dauerhaftes Ende der Einschränkungen abzeichnet, dürften die Grün-
dungsaktivitäten zunehmen, insbesondere in den stark von den Einschränkun-
gen betroffenen Branchen, möglicherweise schon ab dem Frühsommer. Die
Krise eröffnet neue Geschäftsmöglichkeiten, auch getrieben durch Informations-
und Kommunikationstechnologien. Und Krisen haben in der Vergangenheit
Gründungsprozesse beschleunigt (vgl. Herrmann et al. 2020). Zudem dürften
vom Arbeitsmarkt Impulse auf das Gründungsgeschehen ausgehen – Stichwort:
Gründungen wegen (drohender) Arbeitslosigkeit. Aus Sicht des IfM Bonn sind
die vom Arbeitsmarkt ausgehenden Effekte jedoch nicht als groß einzuschät-
zen. Nicht zuletzt könnte das vergleichsweise günstige Wirtschaftsumfeld aus-
ländische Investoren zu Ansiedlungen bzw. Startup-Gründungen in Deutsch-
land veranlassen.

Weitaus unklarer ist die Lage im Hinblick auf das Liquidationsgeschehen. Hie-
rauf haben die im Zuge der Coronavirus-Pandemie vorgenommenen wirt-
schaftspolitischen Eingriffe stärker eingewirkt als auf das Gründungsgesche-
hen 4 und offenbar dazu geführt, dass auch Unternehmen fortgeführt wurden,
denen die Zukunftsfähigkeit fehlt und die unter normalen Umständen geschlos-
sen worden wären. Wie lange diese Stützungseffekte noch anhalten und wann
es dann doch zu einer größeren Marktbereinigung kommen wird, ist schwer

4   So richteten sich die Corona-Hilfen zunächst überwiegend an Bestandsunternehmen und
    nicht an neugegründete Unternehmen.
15

absehbar. Angesichts der in manchen Branchen mittlerweile schon sehr lange
geltenden Einschränkungen könnte es sein, dass die Anzahl der Liquidationen
bereits im ersten Halbjahr 2021 deutlicher steigt und wieder das Niveau der
Jahre vor 2020 erreicht, vielleicht setzt diese Entwicklung aber auch erst im
zweiten Halbjahr ein.

Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht im März 2020 hat sicherlich zum
Rückgang der Anzahl der Unternehmensschließungen beigetragen, allerdings
in einem sehr geringen Umfang. Dies wird klar, wenn man sich vor Augen führt,
dass nicht einmal jede zehnte Unternehmensschließung mit einer Insolvenz en-
det. Dies bedeutet auch, dass ein wieder Wirksamwerden der Insolvenzantrags-
pflicht keinen nennenswerten Schub bei den Unternehmensliquidationen auslö-
sen wird.
16

Literatur

Bijedić, T.; Löher, J.; Nielen, S.; Schlömer-Laufen, N.; Herrmann, A.M.; Zim-
mermann, M. (2020): Von der Idee bis zum Gewinn – eine empirische Analyse
der Entwicklungsprozesse von Neugründungen, in: IfM Bonn, IfM-Materialien
Nr. 281, Bonn.

Dorffmeister, L. (2021): Europäische Bauwirtschaft bleibt bis 2021 auf Expan-
sionskurs - Ausgewählte Ergebnisse der EUROCONSTRUCT- Winterkonfe-
renz 2018, ifo Schnelldienst 2 / 2021 74. Jg., Ifo München.

Günterberg, B.; Kay, R.; Kranzusch, P. (2020): Gewerbliche Existenzgründun-
gen und Unternehmensaufgaben im 1. Halbjahr 2020 – Auswirkungen der
Coronavirus-Pandemie, in: IfM Bonn: IfM-Hintergrundpapier, Bonn.

Herrmann, A.; Löher, J.; Bijedić, T.; Nielen, S.; Schlömer-Laufen, N. (2020):
Gründungsprozesse und der Einfluss von Krisen; in: Welter, F.; Block, J.
(Hrsg.): Unternehmertum im Fokus, Ausgabe 02/20, Bonn.

Kranzusch, P. (2005): Die Besucher von Gründungsmessen - Ergebnisse aus
Besucherbefragungen der Gründungsmessen in Berlin, Dresden und Essen,
in: IfM Bonn (Hrsg.): Jahrbuch zur Mittelstandsforschung 1/2005, Schriften zur
Mittelstandsforschung Nr. 108 NF, Wiesbaden, S. 1-46.

Metzger, G. (2021): „Junge“ Selbstständige: branchenbedingt trifft Corona-
Krise Frauen härter als Männer, in: KfW Research: Fokus Volkswirtschaft Nr.
324, Frankfurt am Main.

Statistisches Bundesamt (2021a): Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen:
Wichtige gesamtwirtschaftliche Größen in Milliarden Euro, Veränderungsrate
des Bruttoinlandsprodukts (BIP), https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirt-
schaft/Volkswirtschaftliche-Gesamtrechnungen-Inlandsprodukt/Tabellen/in-
landsprodukt-gesamtwirtschaft.html, abgerufen am 11.3.2021.

Statistisches Bundesamt (2021b): Presse: Umsatz im Bauhauptgewerbe im
Jahr 2020: +4,9 % zum Jahr 2019, Pressemitteilung Nr. 112 vom 10. März
2021, Wiesbaden.

Statistisches Bundesamt (2021c): Konjunkturindikatoren: Beschäftigte und
Umsatz im Ausbaugewerbe, https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirt-
schaft/Konjunkturindikatoren/Baugewerbe/pgw810.html, abgerufen am
11.3.2021.

Thomä, J.; Haverkamp, K.; Pröger, T.; Rust, P. (2021): Das (unterschätzte)
Potenzial von Handwerksrollendaten für die Gründungs- und Mittelstandsfor-
schung, in: Förderkreis Gründungsforschung e.V. und IfM Bonn.
17

Welter, F.; Wolter, H.-J., Kranzusch, P. (2020): Vorläufige Einschätzungen des
IfM Bonn zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronaviruspandemie auf
den Mittelstand, IfM-Hintergrundpapier, Bonn.
Sie können auch lesen