IM REICH DER REICHEN - Mark van Huisseling
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Sind Leute mit sehr grossen Vermögen anders als du und ich – oder haben sie einfach bloss mehr Geld? Von Mark van Huisseling Bilder Pierluigi Macor 23
F. Scott Fitzgerald soll gesagt haben: «Die Reichen sind anders selbst bewohnte Liegenschaft. Das Anlagevermögen ist eine als du und ich.» Ernest Hemingway soll erwidert haben: «Ja, sie konservative Grösse, wie man sie von Schweizern als Massstab haben mehr Geld.» Fitzgerald, der den Roman «Der grosse erwartet. In Amerika wird beim Small Talk, wie viel einer Gatsby» geschrieben hat, verkaufte seine Bücher zu Lebzeiten «wert ist», oft das abzuziehende Fremdkapital unterschlagen, nicht sehr gut und war entsprechend einkommensschwach; He- etwa die Hypothekarschulden. Wenn jemand ein Hochhaus mingway dagegen stammte aus einer berühmten Familie und besitzt, das 20 Millionen Dollar gekostet hat, sagt das noch war einer der Bestseller seiner Zeit. Kommt die Rede auf reiche nicht viel über sein Nettovermögen aus – die Liegenschaft Menschen, sind die Erwartungen hoch. Da scheint egal zu sein, könnte mit 22 Millionen belastet sein oder der aktuelle Markt- ob es um einen Unternehmer geht, der mit Fleiss, Hartnäckig- wert bei 18 Millionen liegen … keit und Glück aus einer Geschäftsidee ein Vermögen gemacht hat. Oder um jemanden, der in die richtige Familie geboren Ab 100 Millionen: ein Superreicher wurde. Man erwartet ein glanzvolles Bild, wenn es Gelegenheit Es käme wahrscheinlich nur wenigen Leuten in den Sinn, alle gibt, durchs Schlüsselloch in den Salon der Reichen zu blicken 330 000 Anlagevermögensmillionäre aus der Studie von 2011 Für diesen Artikel habe ich einige Reiche und Superreiche als reich zu bezeichnen. Denn eine Million reicht längst nicht, befragt, um herauszufinden, wer recht hat – Hemingway oder um all die Besitztümer zu kaufen und zu unterhalten, die man Fitzgerald. Nicht alle waren geneigt, sich auf meine Fragen mit dem Lebensstil der Reichen und Berühmten verbindet – einzulassen. Eine sehr vermögende Bekannte schrieb: «Du Villa, Sportwagen, Boot et cetera. Für Mäder zählt dazu, wer magst es mir nachsehen, aber das Thema ‹Reich sein› gehört mindestens 30 Millionen Franken besitzt. Wer 100 Millionen nun wirklich nicht zum Kern meines Engagements.» Andere oder mehr hat, ist ein Superreicher. Um Letztere kümmert sich dagegen sind sich bewusst, dass Reichtum eben doch zum das Wirtschaftsmagazin «Bilanz», das immer im Dezember Kern ihres «Engagements» oder ihrer Persönlichkeit gehört. eine Ausgabe mit den 300 Reichsten beziehungsweise Super- Die Milliardärin Renata Jacobs – Witwe von Klaus J. Jacobs, be- reichsten der Schweiz herausgibt. Gegen Ende des vergange- kannt durch Jacobs-Kaffee – erwiderte auf die Frage, was sie nen Jahres besassen diese zusammen 595 Milliarden Franken, angetrieben habe, reich zu werden: «Wohlstand gibt Sicher- 6 Milliarden mehr als 2014 und so viel wie noch nie, seit die Re- heit. Wer das bestreitet, sagt nicht die Wahrheit oder macht daktion diese Erhebung macht. sich zumindest etwas vor. Darum habe ich als junger Mensch Vermögen sind schwer zu erfassen, das weiss jeder, der auch nach Materiellem gestrebt – und durch meine Verbin- eines hat – auch wenns bloss ein kleines ist. Man kann sich mit dung mit Klaus sind mir auf einen Schlag alle materiellen Sor- Leichtigkeit arm oder reich rechnen, wenn es um, sagen wir, gen genommen worden. Aber natürlich war dies nicht der An- Häuser, Kundenbeziehungen oder Kunstwerke geht. In der trieb für unsere Liebe.» Schweiz rechnen sich Reiche in der Regel arm, obwohl es auch Bevor wir nun mehr Reiche für sich selbst sprechen lassen, hier, und auf der «Bilanz»-Liste, Leute geben dürfte, die es eine Auslegeordnung, was unter «Reichtum» überhaupt zu mögen, mit mehr eingetragen zu sein, als sie haben. Mit ande- verstehen ist. Die Schweiz ist, gemessen an den meisten Krite- ren Worten: Die absoluten Beträge, die in solchen Verzeichnis- rien, ein sehr reiches Land. Auf der letztjährigen Liste von sen stehen, sind mehr oder weniger zutreffend. «Forbes» bei- «Forbes», einer amerikanischen Wirtschaftszeitschrift, be- spielsweise schätzte 2010 das Vermögen des Ikea-Gründers legt sie Platz drei der Kategorie «durchschnittliches Pro-Kopf- Ingvar Kamprad, der seinerzeit bei Lausanne lebte, auf 23 Mil- Vermögen», was für die Erhebung des Reichtums der in einem liarden Dollar. In «Bilanz» wurde er damals mit 36 Milliarden Land niedergelassenen Menschen wohl die aussagekräftigste Franken geführt. Zutreffender ist die Vermögensveränderung, Grösse ist. Reicher sind nur die Zwergstaaten Monaco und die man solchen Verzeichnissen auch entnehmen kann: Viktor Liechtenstein. Zudem generiert die Schweiz, wo bloss ein Pro- Vekselberg hat vergangenes Jahr bewertungsmässig 3 Milliar- mille der Weltbevölkerung lebt, über ein Prozent des gesam- den Franken verloren – wegen sinkender Rohstoffpreise. Ob ten weltweiten Sozialprodukts. Dies bedeutet, dass in unse- dagegen das Vermögen des Russen mit Steuersitz in der rem Land überproportional viele Waren und Dienstleistungen Schweiz zurzeit tatsächlich 5 bis 6 Milliarden Franken beträgt, hergestellt und erbracht werden. wie in «Bilanz» steht, dürfte vermutlich nicht mal er selbst ge- Im Jahr 2011 publizierte Ueli Mäder, Professor für Soziolo- nau wissen. gie der Universität Basel, die Studie «Wie Reiche denken und Dass bisher nur von reichen Männern die Rede war, ist lenken». Damals verfügten in der Schweiz 330 000 Haushal- kein Zufall – Reichtum ist mehrheitlich männlich. Eine Unter- te über ein Anlagevermögen von einer Million Franken oder suchung der UBS und des Beratungsunternehmens PwC von mehr. 85 Prozent der Bevölkerung wiesen dagegen ein Netto- 2014 erfasste 1347 Menschen mit einem Vermögen von über vermögen von weniger als 100 000 Franken aus. Diese 85 Pro- 1000 Millionen Dollar. Davon waren 1202 oder 89 Prozent DA S M AGA Z I N 2 7/2016 zent besassen zusammen nur 6 Prozent sämtlicher Vermögen. Männer – alte Männer. Denn mehr Männer sind Chefs von Bekanntlich hat die Ungleichheit der Verteilung in den vergan- Unternehmen oder stehen grossen Familien vor als Frauen. genen Jahren sogar noch zugenommen, wie auf der Webseite Und da die Mehrheit der Reichen durch Erbschaft reich wurde www.reichtum-in-der-Schweiz.ch dokumentiert ist. (in der Schweiz über die Hälfte ) kommen sie erst spät im Le- Unter Anlagevermögen versteht man, was jemand hat, ben an die grossen Vermögen. Immerhin, die 145 Frauen ent- wenn man vom Besitz die Schulden abzieht plus die allenfalls sprechen einer Steigerung von 600 Prozent in zwanzig Jahren. 24
Ein paar Angaben zu mir, wenn auch nicht zu meinem Anlage- der auch solche, die im Reichtum schwimmen und dennoch, vermögen: Ich habe in den vergangenen zehn Jahren viele Rei- um es höflich zu formulieren, mühsame Zeitgenossen sind.» che und einige Superreiche kennengelernt, mehrheitlich soci- Aber natürlich gebe es auch beeindruckende, sympathische al, da ich eine Kolumne schrieb, für die es mein Ziel war, den Reiche. Schliesslich Frage fünf, nach Verlust- und Statusangst: besten und wichtigsten gesellschaftlichen Anlass der Woche «Die politisch korrekte Antwort lautet wohl: Nein, ich könnte zu besuchen. Ich habe mich in Zürich und St. Moritz, in Süd- auch ohne meine Güter ein glückliches Leben führen. Aber das frankreich, auf Ibiza und auf Booten aufgehalten, in Monte stimmt nicht – zumindest für mich. Jeder, der etwas hat, lebt Carlo, Paris, London sowie New York. Ich war an Galadiners mit der Angst, es zu verlieren.» Statusangst dagegen kenne sie für den guten Zweck oder an privaten Abendessen, an Auto- nicht: «Ich darf auf einige treue, zuverlässige Freundinnen und Pferderennen, Coutureschauen und Kunstmesseeröff- und Freunde zählen. Das ist wichtig im Leben.» nungen, an Bällen, Ballettaufführungen, Opernpremieren und Filmfestivals. Kurz, ich war dabei, wenn Reiche sich trafen und Gewisse Freiheiten dank des Geldes (sich) feierten. Es handelte sich dabei um Selfmade-Reiche, In Zeitungen und Zeitschriften kommen die Namen Walter Erben oder Ex-Frauen vermögender Männer, von allen ein und Irina Beller oft vor, wenn auch nicht auf der «Bilanz»-Lis- paar. Ohne dass ich dazugehörte. te. Die Fragen gingen an ihn, einen Bau- und Immobilien- Für diesen Artikel habe ich, wie angekündigt, einigen mir unternehmer; die Antworten kamen von ihr, einer berühmt persönlich bekannten Reichen und Superreichen Fragen ge- sein wollenden Buchautorin, die ihm beim Berühmtwerden stellt. Die Fragen waren: geholfen hat. «Ich merke es immer noch nicht, reich ist eben «Wann hast du gemerkt, dass du reich bist?» Jean-Claude Biver, an die 200 Millionen Vermögen: «Seit ich fast 70 Prozent Steuern zahle.» — Wann hast du gemerkt, dass du reich bist? nie reich genug.» («Wann hast du gemerkt, dass du reich — Was trieb dich an, reich zu werden? bist?», war die Frage.) Dann: «Was trieb dich an, reich zu wer- — Reiche seien anders als du und ich, soll Fitzgerald gesagt ha- den?» – «Es geht um Anerkennung, und Geld ist Anerken- ben. Ja, sie haben mehr Geld, soll Hemingway erwidert ha- nung.» – «Was ist das Beste am Reichsein? Was das Schlechtes- ben. Wie siehst du das? te?» – «Das Beste: Macht. Das Schlechteste: Ich persönlich — Was ist das Beste am Reichsein? Was das Schlechteste? kenne keine Situation, die durch Geld verschlechtert wurde.» — Hast du Verlust- oder Statusangst? – Und: «Hast du Verlust- oder Statusangst?» – «Nein.» Jean-Claude Biver hat sein Vermögen von 150 bis 200 Mil- «Reich – und dankbar – habe ich mich bei der Geburt meiner lionen selbst erarbeitet. Dem 66-jährigen Unternehmer gehör- vier gesunden Kinder gefühlt», schrieb Renata Jacobs. Das te die Uhrenmarke Hublot, jetzt ist der aus Luxemburg stam- Vermögen ihrer Familie wird von «Bilanz» auf 7 bis 8 Milliar- mende Schweizer Leiter des Uhrengeschäfts des französischen den Franken geschätzt (es kommt von mittlerweile verkauften Luxusgüterkonzerns LVMH. Auf die Frage, wann er gemerkt Adecco-Anteilen und der 70-Prozent-Beteiligung an Barry habe, dass er reich ist, antwortete er: «Seit ich – alles inbegriffen Callebaut, dem weltgrössten Schokoladenhersteller); sie wird – fast 70 Prozent Steuern zahle.» Weiter sagt er, ihn habe nichts als «Clan-Chefin» bezeichnet, seit ihr Mann Klaus Jacobs ge- angetrieben, reich zu werden, ausser seiner Leidenschaft, Tag storben ist. «Man mag einwenden», schrieb sie weiter, «so und Nacht zu arbeiten und immer sein Bestes zu geben. «Man könne nur jemand argumentieren, der keine materiellen Sor- hat dank Geld gewisse Freiheiten, das finde ich positiv. Negativ gen kennt.» ist, dass andere Menschen mehr das Geld sehen und schätzen Auf die Frage, ob Reiche anders seien, sagte sie, Charakter als die Person dahinter.» Verlustängste? «Nein, denn ich bin be- habe nichts mit Reichtum zu tun. «Ich kenne grossartige Men- scheiden geblieben, habe immer noch dieselben Freunde und schen, die jeden Franken zweimal umdrehen müssen. Und lei- denselben Lebensstil – ich kümmere mich nicht um Status.» 25
Vorurteil Nr. 2: So weit drei Reiche in ihren eigenen Als ich kurz vor elf Uhr vormittags aufs Golf ist nur Worten. Meine Erfahrung ist, dass es Wesensmerkmale gibt, die Reiche und Superreiche öfter aufweisen als Leute Boot wollte, sagte der Skipper, Madame sei nicht da und ich nicht willkommen. Ich wies darauf hin, dass die Crew gera- für grosse ! wie du und ich: Sie sind ungeduldiger. de Kissen auf Deck brachte, Madame Sie haben ein stärker ausgeprägtes An- also bald kommen werde und wir in fünf spruchsdenken. Vor allem aber sind sie Minuten ein Rendezvous hätten. Er er- hauptbeschäftigt mit: Geld. widerte, die Kissen würden jeden Mor- > Da kugelt sich Mit Zeit geizen gen auf Deck gebracht, es könnte sein, dass Madame unvorhergesehen komme Max (6) vor Lachen! «Das Einzige, von dem alle gleich viel – dann müsse alles bereit sein. Bloss mit haben, ist Zeit» - solche und ähnliche der Zeit anderer Leute nehme sie es Kalendersprüche enthalten viel Wahres. nicht so genau. Er hatte recht, Mouna Allerdings werden Reiche älter, weil sie kam kurz vor Mitternacht, hatte dann medizinisch besser versorgt sind, zu- aber alle Zeit der Welt, weil sie nachts dem oft gesünder und weniger riskant schlecht schläft. leben (von Superreichen, die das Weltall Vor drei Jahren fuhr ich nach Gstaad, erobern wollen, abgesehen). Mit ihrer um Harvey Weinstein, einen New Yorker Zeit geizen sie dennoch: Ich habe einen Filmunternehmer, zu treffen. Ein Freund, der verabschiedet sich in dem Freund, der mit ihm Geschäfte machte, Augenblick, in dem er ein Flugzeug be- wollte uns zusammenbringen. Als ich tritt. Als Businessclass-Reisender ist er wie gewünscht und angekündigt vor Mr. vor mir wieder draussen, und am Aus- Weinstein stand, sprang er vom Sofa, gang warten zu müssen scheint ihm un- verzog das Gesicht und sagte: «Whoa, vorstellbar. Eine wohlhabende Freundin have your people call my people.» Da- verbringt einen Teil des Jahres in Lon- nach durfte ich mich entfernen. Weil don; wenn ich dort bin, treffen wir uns man einen wie ihn nicht einfach so in der zum Tee. Schaffe ich es nicht on time, «Palace»-Halle anspricht. Der «Pulp weil das Flugzeug Verspätung oder die Fiction»-Produzent soll damals gerade U-Bahn eine Panne hat, fällt das Treffen superreich gewesen sein, mittlerweile dahin. Egal, ob ich sie über meine Ver- steckt er laut «New York Times» in fi- spätung auf dem Laufenden gehalten nanzieller Not. haben und sie für den Rest des Tags kei- Online Wettbewerb nen Eintrag in der Agenda hat. Warten Man ist sein eigener Pass SWISS-Gutscheine und kommt nicht infrage. Ein anderes Mal war ich im Gefolge Wla- Edelweiss-Flug nach «Brauchen Sie einen Assistenten mit dislaw Doronins, eines russischen Im- Rio zu gewinnen ausgeprägter Anspruchshaltung und mobilienunternehmers, an der Art Ba- schlechten Manieren? Stellen Sie eine sel. Als wir die sogenannte «Art Collec- Tochter oder einen Sohn aus reichem tors Lounge» betreten wollten, fragte Ferienkurse für Kinder und Haus ein», schreibt Richard Kirshen- ein Sicherheitsmitarbeiter Doronin nach baum, Kolumnist der Boulevardzeitung seinem VIP-Pass, den er zwar bestimmt Jugendliche! «The New York Observer» und Autor dabei hatte, aber nicht zeigen wollte. Sport, Spass und Spiel. von «Isn’t that rich? Life among the 1 Wozu ist man Oligarch und, seinerzeit, Natürlich bei einem Golfclub percent». Naomi Campbells Boyfriend? Einer Be- Diese Eigenschaften sind allerdings gleiterin gelang es, dem Sicherheitsmit- ganz in Ihrer Nähe! nicht jungen Superreichen vorbehalten. arbeiter ihren Pass zu zeigen, der für Einmal war ich in Monte Carlo, um zwei gültig war, bevor Doronin, ein pas- Jetzt mitmachen – und bei Mouna Ayoub zu treffen; Zeitschriften- sionierter Bodybuilder, den Mann auf unserem grossen Wettbewerb berichten zufolge ist die mittelalte Liba- andere Art davon hätte überzeugen tolle Preise gewinnen! nesin eine der reichsten Frauen der müssen, dass er Zutritt zur Lounge hatte. Welt. Sie ist die Exfrau eines Geschäfts- Die vier Themen im Leben reicher www.magicgolf.ch freunds eines ehemaligen saudischen Leute, die am meisten Bedeutung haben Wettbewerb ohne Kaufpflicht, Teilnahmebedingungen siehe www.magicgolf.ch Königs. Wir waren verabredet auf der und am meisten Zeit einnehmen, sind, «Phocea», einer 75 Meter langen Vier- in aufsteigender Reihenfolge: Hausper- mast-Regattajacht, die sie Bernard Ta- sonal, Gesundheit, Immobilienpreise pie abgekauft hat. und Reichtum. Also eigentlich drei The- 1066 Epalinges, T 021 785 70 00, www.golfsuisse.ch
men. Bei Immobilienpreisen und Reich- Auch Reiche wollen nicht immer unter tum geht es um dasselbe – Geld. Beim sich sein, obwohl man das meinen könn- Personal ist man sich rasch einig, Haus- te. Manchmal scheint es ihnen ange- hälter, Köche, Fahrer et cetera können nehm, eben nicht mit ihresgleichen Zeit und leisten wenig, sind unzuverlässig zu verbringen. Ich war einmal an einem und nehmen dafür zu viel Lohn («Hast kleinen Dinner einer Milliardärin in du gehört, das Paar, das für Kiki arbeite- ihrem grossen Haus auf Ibiza. Es war te, ging zurück auf die Philippinen. Aus- eine lustige Runde, doch die Strahlkraft gerechnet vor Weihnachten! Sie haben der Gäste blieb unter der Vorstellung, die so viel verdient, dass sie sich ein Haus man hat, wenn eine so reiche Person ein- leisten können»). Mit anderen Worten: lädt. Gegen Ende des Abends nahm sie Es sind ähnliche Sätze, die man hört, den Anruf einer Freundin entgegen. Im wenn Leute ohne derartiges Vermögen Gespräch ging es darum, dass die Freun- über ihre Putzfrau klagen. din, die zur gleichen Zeit in ihrem gros- sen Haus ein kleines Dinner veranstalte- Gerade drei Gesprächsthemen te, wissen wollte, wer bei der Milliardä- Beim Thema Gesundheit geht es, abge- rin am Tisch sass. Keine der beiden sehen von den Schönheitsoperationen, nannte Namen. Nicht aus Zurückhaltung häufig darum, dass ein meist älterer den Gästen gegenüber, sondern weil Mann erkrankt ist oder eine meist jünge- sich mit den Namen kein Eindruck re Frau zu viel respektive zu wenig Ge- schinden liess. «Nein, bei mir war auch wicht verloren hat. niemand …», sagte die Milliardärin Immobilienpreise und Reichtum: schliesslich. «Über Geld spricht man nicht, man hat Kurz zuvor hatte ich in «Vanity Fair» es», sagt der sogenannte Volksmund. einen Artikel über den Schauspieler Bloss, woher will der das wissen? Das George Hamilton gelesen. Darin erin- Volk hat ja kein Geld. Ich erlebe es so: nerte er sich an einen Silvesterabend in Wer kein Geld hat, spricht viel darüber. Rom Anfang der 1960er-Jahre und wie Wer viel Geld hat, spricht mehr darüber. er einen Anruf von Elizabeth Taylor er- Gesprächseinstieg ist oft ein Liegen- hielt. Sie drehte in der Stadt und fragte, schaftsverkauf («Hast du gehört, Chris- ob er den Abend mit ihr und einigen tian hat die Finca auf Mallorca für fünf Freunden verbringen wolle. Hamilton, Millionen verkauft »). Was fast genauso ein B-Schauspieler, war mehr als ge- oft zu Missstimmung führt. Weil einer schmeichelt und erzählte ebenso be- der Anwesenden seine Finca auf Mallor- rührt wie begeistert von jenem Abend. ca vor einem Jahr für nur vier Millionen Interessant dabei: Die anderen Gäste ka- verkauft hat. Oder noch nicht verkauft, men alle aus Elizabeth Taylors Gefolge – da er sechs Millionen dafür bezahlt hat ihr Coiffeur, ihre Hair-und-Make-up- und also sieben will. Aber nicht nur, Frau, ihre Masseuse et cetera. Selbst auf wenns um Immobilienhändel geht, führt dem Höhepunkt ihrer Berühmtheit, das Thema Geld unter Reichen zu Mei- Ausstrahlung und Einkommensstärke nungsverschiedenheiten: «Ich mach kein gefiel es der Schauspielerin offensicht- Private Banking im Freundeskreis», sagt lich, der einzige Star in ihrer Römer Ho- ein guter Bekannter, der aus eigener telsuite zu sein. Kraft reich geworden ist. «Gebe ich einen Halten wir also fest: Vermutlich hat- Tipp, der sich später als richtig erweist, te der reiche Hemingway recht, nicht der regt sich bestimmt einer auf, weil er mei- arme Fitzgerald. Die Reichen haben nen Rat nicht angenommen hat. Und mehr Geld, aber davon abgesehen gilt wenn ich falschliege, regt sich bestimmt die Normalverteilung – ein paar wenige einer auf, weil er ihn angenommen hat – fallen auf oder ab, doch die überwiegen- In 14 Tagen DA S M AGA Z I N 2 7/2016 eine Lose-lose-Situation.» Auch wolle de Mehrheit verhält sich durchschnitt- niemand hören, was er wirklich über Ka- lich, ist unauffällig, nicht herausragend. pitalanlagen denkt. Stattdessen wün- Vor allem aber sind sie hauptbeschäftigt schen die Gesprächspartner eine Bestäti- gung ihrer Anlagestrategie, vor allem mit: Geld. um die Welt. wenn diese underperformt. Lesen macht mehr aus Ihren Ferien. M A R K VA N H U I S SEL I NG ist freier Journalist in Zürich; redaktion@dasmagazin.ch Der Fotograf PI ER LU IGI M AC OR lebt in Zürich; www.pierluigimacor.com
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