Integrierte Gesundheitsberichterstattung - Dr. Günter Tempel Gesundheitsamt Bremen

Die Seite wird erstellt Matthias Becker
 
WEITER LESEN
Integrierte Gesundheitsberichterstattung - Dr. Günter Tempel Gesundheitsamt Bremen
Integrierte
  Gesundheitsberichterstattung

Dr. Günter Tempel
Gesundheitsamt Bremen

23. November 2016
Parow
Johann Peter Frank:
Akademische Rede vom Volkselend als der
   Mutter der Krankheiten (Pavia 1790)
• Gesundheit und Krankheit sind sozial determiniert
• Frank sah in den ärmlichen Lebensverhältnissen
  (Wohnen, Arbeiten) und den damit verbundenen
  hygienischen Zuständen die primäre Ursache für
  Krankheiten der Bevölkerung

                                                      2
Soziale Ungleichheit und Gesundheit
           (Mielck A (2005))

                                      3
Sozialstatus und Gesundheitszustand

  Verglichen mit statushöheren Bevölkerungsgruppen
  haben Menschen mit niedrigem Sozialstatus

  ►    eine (deutlich) geringere Lebenserwartung
  ►    häufiger chronische Krankheiten (Ausnahme: Allergien) und
  ►    sind häufiger im Alltag durch Krankheiten dauerhaft
       eingeschränkt.
  Entsprechend schlechter schätzen sie ihren Gesundheitszustand ein.

                                                                       4
Mittlere Lebenserwartung nach
Geschlecht und Einkommensklasse
(aus: Robert Koch-Institut, GBE kompakt 2/2014)

                           85,3
         90
                                                          80,9
                  76,9
         80
                                                  70,1
         70

         60

         50
 Alter

                                                                 Armut

         40                                                      Wohlstand

         30

         20

         10

         0
                     Frauen                          Männer

                                                                             5
Lebensjahre in gutem/sehr gutem Gesundheitszustand
(aus: Robert Koch-Institut, GBE kompakt 2/2014)

         80
                              71                          71,1
         70
                  60,8                            56,8
         60

         50
 Alter

                                                                 Armut
         40                                                      Wohlstand

         30

         20

         10

         0
                     Frauen                          Männer

                                                                             6
Sozialstatus und gesundheitliche Risikofaktoren

  Menschen mit niedrigem Sozialstatus

  ►   sind häufiger übergewichtig oder adipös,
  ►   sind zwar weniger sportlich aktiv,
  ►   dafür aber im Alltag häufiger körperlich aktiver
      (am Arbeitsplatz?),
  ►   weisen höhere Raucheranteile auf,

  ►   haben aber einen insgesamt weniger problematischen
      Alkoholkonsum als Menschen mit höherem Sozialstatus

                                                            7
Alkoholrisikokonsum nach Geschlecht und Sozialstatus
(aus: Hapke U, v.d.Lippe E, Gaertner B (2013))

        50
                                                    43,2
        45
                                                           41,2
        40                                 37,3

        35
                              30,5
        30                                                        niedriger Sozialstatus
                      26,3
 in %

        25                                                        mittlerer Sozialstatus

              18,5                                                hoher Sozialstatus
        20

        15

        10

        5

        0
                     Frauen                       Männer

                                                                                           8
„Alle möglichen Übel werden auf
das Haupt der Armen gehäuft. Ist
die Bevölkerung der Stadt über-
haupt schon zu dicht, so werden sie
erst recht auf einen kleinen Raum
zusammengedrängt. Nicht damit
zufrieden, die Atmosphäre in der
Stadt verdorben zu haben, sperrt
man sie dutzendweise in ein
einziges Zimmer, so dass die Luft,
die sie nachts atmen, vollends zum
Ersticken wird. Man gibt ihnen
feuchte Wohnungen, Kellerlöcher,
die von unten, oder Dachkammern,
die von oben nicht wasserdicht
sind. Man baut ihre Häuser so, dass
die dumpfige Luft nicht abziehen
kann".
Aus: Friedrich Engels (1845): Die Lage der
arbeitenden Klasse in England.
Bild: Hamburger Gängeviertel um 1900
(www.germanhistorydocs.ghi-dc.org)
                                             9
Sozialstatus und Wohnbedingungen

• Menschen mit niedrigem Sozialstatus wohnen deutlich
  schlechter:

  ► geringere Wohnflächen/Überbelegung
  ► baulich minderwertiger Wohnraum
  ► Belastungen durch verkehrsreiche Straßen
       und Industrieanlagen
• Daraus ergeben sich höhere Expositionen gegenüber
  Schadstoffen der Außenluft und gegenüber Lärm. Zudem gibt
  es mehr Probleme mit Feuchtigkeit in Wohnräumen.
• Bei der Schadstoffbelastung des Innenraums ist das Bild
  eher uneinheitlich (s. Umweltbundesamt 2010)

                                                              10
Wohnung an einer stark/extrem befahrenen
Durchgangstraße nach Sozialstatus
(aus: Laußmann D et al. (2013))

        30               28,3

        25
                                  21,8

        20
                                                Unterschicht
 in %

                                         14,8
        15                                      Mittelschicht
                                                Oberschicht

        10

        5

        0

                                                                11
Wohnungsmängel: Undichtes Dach, Fäulnis in
Fensterrahmen oder Fußböden, Feuchtigkeit in Wänden,
Fußböden oder Fundament
(aus: Leben in Europa 2005, Ergebnisse für Deutschland)

        25
                                              22               22

        20

        15
                   13
 in %

        10

        5

        0
                Insgesamt               Alleinerziehende   Arbeitslose

                                                                         12
Schimmel in Wohnräumen nach Bevölkerungsgruppen
(Daten: KiGGS, Welle 1. Eigene Auswertungen)

        12
                10,5
        10

                                                             7,8
        8
 in %

        6
                                    4,4
        4                                                                           3,5

        2

        0
             Zuwanderer   autochthone Bevölkerung   niedriger Sozialstatus   hoher Sozialstatus

                                                                                                  13
Sozialstatus und arbeitsbezogene
Gesundheitsgefahren
Menschen mit niedrigem Sozialstatus sind deutlich häufiger
Gesundheitsgefahren am Arbeitsplatz ausgesetzt.

• Im Vergleich zu Hochschulabsolventen haben Personen ohne
  abgeschlossene Berufsausbildung ein deutlich höheres Risiko für
  einen vorzeitigen krankheits- oder unfallbedingten Renteneintritt.
• Arbeiter berichten wesentlich häufiger von Gesundheitsgefahren am
  Arbeitsplatz als Angestellte, Beamte und Selbstständige.
• Personen mit niedrigen Bildungsabschlüssen schätzen ihre Arbeit
  häufiger als gesundheitsgefährdend ein als Personen
  mit hohen Bildungsabschlüssen.

                                                                       14
Wahrnehmung einer arbeitsplatzbezogenen
Gesundheitsgefährdung, Altersgruppe 45-64 Jahre
(aus: Robert Koch-Institut, Faktenblatt GEDA 2012)

        35

                                             30,3
        30   28,2
                                                      26,1
        25
                      21
        20                                                           niedrige Bildung
 in %

                             17,2
                                                                     mittlere Bildung
        15                                                    13,2
                                                                     hohe Bildung
        10

        5

        0
                    Frauen                           Männer

                                                                                        15
Ein Basiskonzept integrierter Gesundheitsberichterstattung:
Die Sozialraumanalyse

• In den 1920er Jahren wurde an der Universität von Chicago die
  Sozialökologie als stadtsoziologische Theorie entwickelt
  („Chicago-Schule“).
• Ausgangsthese: In der räumlichen Struktur der Stadt spiegelt sich die
  soziale Struktur der Gesellschaft wider.
• Städte untergliedern sich Gebiete, die in sozio-demografischer und
  funktionaler Hinsicht relativ homogen sind. Häufig sind diese „natural
  areas“ durch Eisenbahnstrecken, Straßen, Wasserläufe und ähnliche
  Barrieren voneinander getrennt.
• Ein zentraler Begriff der Sozialökologie ist „Segregation“.

                                                                           16
Was ist Segregation?

• Die Tatsache, dass sich ethnische und soziale Gruppen in bestimmten
  Stadtgebieten konzentrieren, bezeichnet die Stadtsoziologie als
  Segregation.
• Ursachen für Segregation sind der eingeschränkte Zugang zum
  Wohnungsmarkt (Kaufkraft, Diskriminierung), die Zuweisungspraxis
  der Sozialbehörden (Belegungsrechte) und Wohnpräferenzen
  unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen.
• Segregation lässt sich nicht eindeutig bewerten: Es gibt freiwillige
  und unfreiwillige Segregation, funktionelle und strukturelle
  Segregation.
• Seit den 1980er Jahren verschärfen sich in deutschen Städten
  Segregationserscheinungen („Spaltung der Stadt“).

   Aus den „Orten der Ausgegrenzten“ werden „ausgrenzende Orte“.

                                                                         17
Stadt der Armen, Stadt der Reichen

                                     18
Zwei weitere Begriffe

• Gentrification: Sozialer Umstrukturierungsprozess in vormals
  sanierungsbedürftigen, zumeist innenstadtnah gelegenen
  Wohnvierteln. Durch den Zuzug kaufkräftiger Haushalte werden
  einkommensschwache Haushalte nach und nach verdrängt. In der
  Folge kommt es immer wieder zu Konflikten zwischen den (ärmeren)
  alten und den (reicheren) neuen Bewohnern.
  Beispiele: Schanzenviertel (Hamburg), Prenzlauer Berg (Berlin)
• Ghetto: Als Ghetto bezeichnet man ein Wohngebiet, in dem fast
  ausschließlich Angehörige einer (ethnischen) Gruppe leben. Diese
  Gruppe lebt zwangsweise im Ghetto und wird von der
  Mehrheitsgesellschaft ausgegrenzt.

                                                                     19
Die Auswirkungen sozialer Polarisierung. Zur Entwicklung
der Lebenserwartung und Sterblichkeit in ausgewählten
Bremer Wohngebieten
(Gesundheitsbericht, Gesundheitsamt Bremen 2006)

• Ausgangsthese: Soziale Polarisierung führt zu wachsender sozialer
  Ungleichheit in der Lebenserwartung bzw. Sterblichkeit.
• Methode: Vergleich der am meisten segregierten Wohngebiete
  (bürgerliche Viertel, Arbeiterviertel und Großsiedlungen),
  Beobachtungszeitraum von 1970 bis 2003.

   Die amtlichen Mortalitätsstatistiken enthalten keine Informationen über den
   sozialen Status der Verstorbenen. Als Proxydaten/Stellvertreterdaten lassen sich
   kleinräumig aufbereitete Mortalitätsdaten der amtlichen Statistik verwenden.

                                                                                      20
Ausgangslage
• Ab dem Ende der 1990er Jahre nahmen Armutslagen
  deutlich zu und verfestigten sich.
• Im Zuge dieser Entwicklung stieg das Risiko, sozial
  abzusteigen. Inwieweit signifikante Teile der Mittelschicht
  armutsgefährdet sind, wird kontrovers diskutiert.
• Die Verschärfung gesellschaftlicher Gegensätze spiegelt
  sich in wachsender sozialer Segregation in den Städten
  wider.
• Soziale Segregation birgt die Gefahr dauerhafter
  Ausgrenzung ökonomisch und sozial deprivierter
  Bevölkerungsgruppen.
                                                                21
Methodischer Ansatz

• Kleinräumige Analyse epidemiologischer und
  sozialstatistischer Daten für die Stadt Bremen.
• Vergleich der am meisten segregierten Wohngebiete:
  bürgerliche Viertel, Arbeiterviertel und Großsiedlungen.
• Langer Beobachtungszeitraum (1970 - 2003)
• Darstellung des Zusammenhangs zwischen
  sozialräumlichen Entwicklungen und der
  Entwicklung der mittleren Lebenserwartung/der Mortalität.

                                                              22
Definition der Untersuchungseinheiten
•   Bürgerliche Viertel
    Ortsteile mit den
    - höchsten Anteilen Hochschulabsolventen an der Wohnbevölkerung,
    - höchsten Anteilen Selbstständiger an der Erwerbsbevölkerung,
    - niedrigsten Arbeiteranteilen an der Erwerbsbevölkerung,
    - niedrigsten Arbeiter- und Angestelltenanteilen an der im produktiven Gewerbe
      beschäftigten Erwerbsbevölkerung (gemäß der Volkzählung von 1970)
•   Arbeiterviertel
    Ortsteile, in denen
    - ein relevanter Teil der Bremer Arbeiterschaft lebte (mindestens 2%),
    - Arbeiter mindestens 50% der Erwerbsbevölkerung ausmachten
      (gemäß der Volkzählung von 1970)
•   Großsiedlungen
    Ortsteile am Stadtrand, in denen mindestens die Hälfte der Wohnfläche auf
    Wohnblöcke mit (zumeist öffentlich geförderten) Mietwohnungen entfällt

                                                                                     23
Quartierstypen
   bürgerliche Viertel
   Arbeiterviertel
   Großsiedlungen

                         24
Empirische Basis und Indikatoren

• Sozialindikatoren
   - Einwohner nach deutscher und ausländischer Wohnbevölkerung
   - Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte
   - Arbeitslose
   - Sozialhilfeempfänger (HLU)
   - Schüler am Wohnort nach Schulart
   - Wahlbeteiligung
• Epidemiologische Daten
  - Mittlere Lebenserwartung (10-Jahres-Durchschnitt)
   - Gesamtmortalität
   - Vorzeitige Sterblichkeit (Sterbefälle im Alter bis 64 Jahre)
   - Vermeidbare Todesfälle (gemäß Indikatorenkatalog GBE der Länder)
   - Säuglingssterblichkeit

                                                                        25
Die Entwicklung in den bürgerlichen Vierteln

• Die Einwohnerzahl nahm um 4,7% zu (1970-2002).
• Die deutsche Bevölkerung blieb konstant, der Anteil ausländischer
  Staatsbürger stieg von 1,8% (1970) auf 6,1% (2002).
• Die Zahl sozialversicherungspflichtig Beschäftigter stieg um 9,4%
  (1970-2002).
• Unterdurchschnittliche Arbeitslosigkeit, geringer Anteil
  Sozialhilfeempfänger an der Wohnbevölkerung (2002: 2,3%).
• Zwei Drittel der Schüler der 7.-10. Klassenstufe besuchten ein
  Gymnasium (2002). Der Anteil ausländischer Schüler lag bei 4,9%.
• Deutlich über dem Durchschnitt liegende Wahlbeteiligung.

                                                                      26
Die Entwicklung in den Arbeitervierteln
• Die Einwohnerzahl sank um –14,5% (1970-2002).
• Die deutsche Bevölkerung nahm um –26,2% ab, der Anteil aus-
  ländischer Staatsbürger stieg von 4% (1970) auf 17,2% (2002).
• Die Zahl sozialversicherungspflichtig Beschäftigter schrumpfte um -
  33,7% (1970-2002).
• Hohe Arbeitslosigkeit, der Anteil Sozialhilfeempfänger an der
  Wohnbevölkerung betrug 11,1% (2002).
• Jeder vierte Schüler der 7.-10. Klassenstufe besuchte eine
  Hauptschule (2002). Der Anteil ausländischer Schüler lag bei 19,1%.
• Rückläufige, weit unter dem Durchschnitt liegende Wahlbeteiligung.

                                                                        27
Die Entwicklung in den Großsiedlungen
• Die Einwohnerzahl sank um –9,5% (1970-2002).
• Die deutsche Bevölkerung nahm um –25,6% ab, der Anteil
  ausländischer Staatsbürger stieg von 0,9% (1970) auf 18,4% (2002).
• Die Zahl sozialversicherungspflichtig Beschäftigter schrumpfte um
  -31,3% (1970-2002).
• Hohe Arbeitslosigkeit, der Anteil Sozialhilfeempfänger an der
  Wohnbevölkerung lag bei 14,5% (2002).
• Jeder fünfte Schüler der 7.-10. Klassenstufe besuchte eine
  Hauptschule (2002). Der Anteil ausländischer Schüler lag bei 23,6%.
• Ebenfalls rückläufige und unterdurchschnittliche Wahlbeteiligung.

                                                                        28
Entwicklung der Lebenserwartung - Jungen
(1979 – 2003)

Die mittlere Lebenserwartung
eines neugeborenen Jungen
stieg

•   in den bürgerlichen Vierteln um
    6,9 Jahre von 71 auf 77,9 Jahre
•   in den Arbeitervierteln um
    5,4 Jahre von 67,1 auf 72,5 Jahre
•   in den Großsiedlungen um
    4 Jahre von 69,1 auf 73,1 Jahre

                                           29
Entwicklung der Lebenserwartung - Mädchen
(1979 – 2003)

Die mittlere Lebenserwartung
eines neugeborenen
Mädchen stieg

•   in den bürgerlichen Vierteln um
    6 Jahre von 77,5 auf 83,5 Jahre
•   in den Arbeitervierteln um
    5,4 Jahre von 74,2 auf 79,6 Jahre
•   in den Großsiedlungen um
    4,9 Jahre von 76 auf 80,9 Jahre

                                            30
Altersstandardisierte vorzeitige Sterblichkeit
Männer (1970-2003)

Zwischen 1970 und 2003 sank
die vorzeitige Sterblichkeit

•   in den bürgerlichen Vierteln um
    -50,8% von 495,2 auf 243,6 pro
    100.000 Einwohner
•   in den Arbeitervierteln um
    -29,4% von 680,2 auf 480 pro
    100.000 Einwohner
•   in den Großsiedlungen um
    -15,2% 560,4 auf 475,4 pro
    100.000 Einwohner

                                                 31
Altersstandardisierte vorzeitige Sterblichkeit
Frauen (1970-2003)

Zwischen 1970 und 2003 sank
die vorzeitige Sterblichkeit

•   in den bürgerlichen Vierteln um
    -50,5 % von 279,9 auf 138,6 pro
    100.000 Einwohner
•   in den Arbeitervierteln um
    -37,5% von 379,4 auf 237 pro
    100.000 Einwohner
•   in den Großsiedlungen um
    -14,4% von 285,3 auf 244,3 pro
    100.000 Einwohner

                                                 32
Altersstandardisierte vermeidbare Sterblichkeit
Männer (1970-2003)

Zwischen 1970 und 2003 sank
die vermeidbare Sterblichkeit

•   in den bürgerlichen Vierteln um
    -56,5% von 164,1 auf 71,4 pro
    100.000 Einwohner
•   in den Arbeitervierteln um
    -31,8 von 225,2 auf 153,6 pro
    100.000 Einwohner
•   in den Großsiedlungen um
    -20,5 von 167,6 auf 133,3 pro
    100.000 Einwohner

                                                  33
Altersstandardisierte vermeidbare Sterblichkeit
Frauen (1970-2003)

Zwischen 1970 und 2003 sank
die vermeidbare Sterblichkeit

•   in den bürgerlichen Vierteln um
    -26,1% von 65,3 auf 48,1 pro
    100.000 Einwohner
•   in den Arbeitervierteln um
    -22,9% von 106,6 auf 82,2 pro
    100.000 Einwohner
•   in den Großsiedlungen um
    -5,5% von 77,6 auf 73,4 pro
    100.000 Einwohner

                                                  34
Sterblichkeit durch bösartige Neubildungen
der Luftröhre, Bronchien, Lunge
Männer, 15-64 Jahre.
Altersstandardisierte mittlere Jahresraten pro 100.000 Einwohner

50
45
40
35
30
                                                                   Bremen (Stadt)
25
                                                                   Großsiedlungen
20
15
10
 5
 0
      70-74    75-79   80-84   85-89    90-94   95-99   00-03

                                                                                    35
Säuglingssterblichkeit
(gestorbene unter einjährige Kinder pro 1.000 Lebendgeburten)

25

20

15
                                                                Bremen (Stadt)
                                                                Großsiedlungen
10

 5

 0
      70-74    75-79   80-84   85-89   90-94   95-99   00-04

                                                                                 36
Resümee (1)
Ausweitung der sozialräumlichen Disparitäten

• Im Beobachtungszeitraum hat sich in der Stadt Bremen
  die soziale Segregation verschärft.
• Parallel nahmen zwischen privilegierten und
  benachteiligten Wohnvierteln die Unterschiede in der
  Lebenserwartung und Sterblichkeit zu.
• Mögliche Erklärungen:
  ►   Die Lebensverhältnisse sozialer Unterschichten haben
      sich verschlechtert,
      und/oder
  ►   in bestimmten Stadtvierteln konzentrieren sich
      Bevölkerungsgruppen mit hohen Gesundheitsrisiken.

                                                             37
Entwicklung der Segregation in der Stadt Bremen
Indikator: Kinderarmut
(0 = Gleichverteilung, 100 = vollständige Entmischung. Daten: Monitoring Soziale Stadtentwicklung, Bremen)

40

                                                                                    35       35,4     35,6
35                                                                        34,1
                                                      32,9      33,4
                         31,8                32
                30,4                31
      29,6
30

25

20

15

10

 5

 0
      2005     2006      2007      2008     2009      2010     2011      2012      2013     2014      2015

                                                                                                             38
Resümee (2)
Männer als Verlierer des Strukturwandels der Wirtschaft?
• Die sozialen Unterschiede in der Lebenserwartung und Sterblichkeit
  vergrößerten sich vor allem unter den Männern.
• Eine Erklärung: Männer haben ein höheres soziales Abstiegsrisiko.
   ►    Der Beschäftigungsrückgang im produzierenden Sektor
        (1991-2015: -24,2%) betrifft vor allem Männer.
        Vom Beschäftigungszuwachs im Dienstleistungssektor
        (1991-2015: +34,1%) profitierten vor allem Frauen.
   ►    Zwischen 1991 und 2015 ging die Zahl der erwerbstätigen Männer um
        1,8% zurück, die Zahl der erwerbstätigen Frauen stieg um 20,7%.
        Die Zahl der erwerbslosen Männer stieg um 21%, die Zahl erwerbsloser
        Frauen sank um 17,7%.
        (Quelle: Statistisches Bundesamt (2016), Fachserie 1 Reihe 4.1.1.)
   ►    Unter den westdeutschen Männern hat die Aufwärts-, aber auch die
        Abwärtsmobilität zugenommen. Unter den westdeutschen Frauen stieg
        die Aufwärtsmobilität, die Abwärtsmobilität nahm ab.
   ►    Männer stehen sozial akzeptierte Alternativen zur Erwerbsarbeit
        kaum zur Verfügung. Sie tragen daher ein relativ hohes Risiko
        gesellschaftlich zu scheitern, oft mit massiven gesundheitlichen
        Folgen.
                                                                               39
Gefährdete Kindheit. Auswirkungen sozialer Ungleichheit
auf die Entwicklungschancen von Kindern in Bremen
(Gesundheitsbericht, Gesundheitsamt Bremen 2007)

• Beschreibung der gesundheitlichen Situation Bremer Kinder
  und Jugendlicher, u.a. durch Analyse von Daten aus den
  Schuleingangsuntersuchungen der Jahre 1998-2005.
• Gegenläufige Trends in Bremer Wohngebieten mit hohem
  Sozialstatus und niedrigem Sozialstatus

                                                              40
Anteil der Kinder mit alleinerziehenden Elternteilen
(Daten: Schuleingangsuntersuchungen Gesundheitsamt Bremen)

30

                                                 24,2
25

         19,3          19,4        19,2
20

                15,4                                         Stadt Bremen
15
                                                             statushohe Viertel
                                          10,8               statusniedrige Viertel
10

5

0
                1998                      2005

                                                                                      41
Anteil übergewichtiger Kinder
(Daten: Schuleingangsuntersuchungen Gesundheitsamt Bremen)

16
                                                    14,3
14
                          11,6
12
       10,5                      11,1

10
                 8,8
                                           7,9             Stadt Bremen
8
                                                           statushohe Viertel
                                                           statusniedrige Viertel
6

4

2

0
              1998-2001                 2002-2005

                                                                                    42
Anteil der Kinder mit niedrigem Geburtsgewicht
(< 2.500 Gr., in Deutschland geborene Kinder mit deutscher Staatsangehörig-
keit. Daten: Schuleingangsuntersuchungen Gesundheitsamt Bremen)

9
                                                       8,1
8
                                     6,9
7        6,3
                           6,2                6,1
6
                  5,3
5                                                            Stadt Bremen
                                                             statushohe Viertel
4
                                                             statusniedrige Viertel
3

2

1

0
               1998-2001                   2002-2005

                                                                                      43
Literaturhinweise (Auswahl)
• Robert Koch-Institut (Hg.): GBE kompakt
       Gesundheitliche Ungleichheit im höheren Lebensalter (1/2016)
       Gesund aufwachsen – welche Bedeutung kommt dem
        sozialen Status zu? (1/2015)
       Soziale Unterschiede in der Mortalität und Lebenserwartung (2/2014)
       Arbeitslosigkeit, prekäre Beschäftigung und Gesundheit (1/2012)
       Armut und Gesundheit (5/2010)
• Bundeszentrale für politische Bildung (Hg.):
  Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ)
       Mitte (APuZ 49/2014)
       Armut in Deutschland (APuZ 51-52/2010)
       Arbeitslosigkeit: Psychosoziale Folgen (APuZ 40-41/2008)
       Abstieg – Prekariät – Ausgrenzung (APuZ 33-34/2008)
       Gesundheit und soziale Ungleichheit (APuZ 42/2007)

                                                                              44
Kontakt

Dr. Günter Tempel
Gesundheitsamt Bremen
Horner Straße 60-70, 28203 Bremen
Tel. (0421) 361-15 92 1
guenter.tempel@gesundheitsamt.bremen.de
www.gesundheitsamt.bremen.de

                                          45
Sie können auch lesen