Irreguläre Migration und freiwillige Rückkehr - Ansätze und Herausforderungen der Informationsvermittlung - European ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Irreguläre Migration und freiwillige Rückkehr – Ansätze und Herausforderungen der Informationsvermittlung Fokus-Studie der deutschen nationalen Kontaktstelle für das Europäische Migrationsnetzwerk (EMN) Working Paper 65 Janne Grote Kofinanziert durch die Europäische Union
Irreguläre Migration und freiwillige Rückkehr – Ansätze und Herausforderungen der Informationsvermittlung Fokus-Studie der deutschen nationalen Kontaktstelle für das Europäische Migrationsnetzwerk (EMN) Janne Grote Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2015
4 Zusammenfassung Zusammenfassung Rückkehrunterstützende und rückkehrerzwingende Die Akteurslandschaft im Bereich der freiwilligen Maßnahmen machen in Bezug auf irregulär aufhälti- Rückkehr und der Informationsvermittlung zeichnet ge Drittstaatsangehörige einen zentralen Bestandteil sich bundesweit durch eine hohe Diversität aus. Neben deutscher und europäischer Asyl- und Migrations- der Unterscheidung von staatlichen und nicht-staat- steuerungspolitik aus, wobei die freiwillige Rückkehr lichen Akteuren lässt sich nach dem Handlungsradius grundsätzlich Vorrang vor der zwangsweisen Rück- der Akteure (international, bundesweit, landesweit, führung hat. Jüngsten Schätzungen zufolge lebten kommunal) sowie der Zielgruppe des Beratungs- und 2014 zwischen 180.000 und 520.000 untergetauchte Informationsangebots unterscheiden. So finden sich Drittstaatsangehörige bzw. Drittstaatsangehörige ohne einerseits Vernetzungs- und Austauschplattformen, in bisherigen Behördenkontakt in Deutschland. Darüber deren Rahmen keine unmittelbare Rückkehrberatung hinaus waren zum Stichtag 31. Dezember 2014 insge- für Rückkehrwillige oder Ausreisepflichtige geleistet samt 142.281 ausreisepflichtige Drittstaatsangehörige wird, sondern Informationen für Beratungsstellen gemeldet, wovon 110.472 Personen über eine Duldung aufbereitet werden. Auf der anderen Seite finden sich verfügten. Akteure, die entweder generelle Rückkehrberatung oder innerhalb eines gesonderten Rückkehrpro- Im Jahr 2014 reisten 13.574 Personen über das Bund- gramms oder Reintegrationsprojekts spezifische Bera- Länder-Rückkehrprogramm REAG/GARP freiwillig tung und Informationsvermittlung leisten. aus, wovon Dreiviertel Drittstaatsangehörige ohne regulären Aufenthaltstitel waren. 12.844 Personen wurden im selben Jahr zwangsweise rückgeführt und Informationsvermittlungskanäle, entweder ab- oder zurückgeschoben. Darüber hinaus Erscheinungsbild und Zugänglichkeit ist für die vergangenen Jahre von einer weiteren hohen vierstelligen Zahl an Personen auszugehen, die jährlich Die Informationsvermittlung und Rückkehrberatung unabhängig von REAG/GARP freiwillig mit Unterstüt- finden über unterschiedliche Kanäle statt. Persönli- zungsleistungen der Länder und Kommunen in ihre che Beratung, Webseiten sowie Flyer und Broschüren Herkunftsländer zurückgekehrt oder in Drittstaaten stellen die verbreitetsten Vermittlungskanäle dar, aber ausgereist sind. Daneben sind noch jene Personen zu auch Poster, Jahresberichte, Vorträge auf Veranstaltun- nennen, die ohne jede Unterstützungsleistung oder gen sowie Öffentlichkeitsarbeit in Form von Presse- Zwangsmaßnahme freiwillig ausreisen. mitteilungen, Interviews sowie Anzeigen gehören zu den gängigeren Formen der Informationsvermittlung. Die Sprachenvielfalt fällt höchst unterschiedlich aus. Rahmenbedingungen und Akteure der Webseiten stehen oftmals nur in Deutsch, teilweise Rückkehrberatung und Informations- auf Englisch und nur selten in weiteren Sprachen zur vermittlung Verfügung. Projektflyer werden von einzelnen Akteu- ren in bis zu zwölf Sprachen übersetzt und verteilt. Die Insgesamt bleiben die bundes- und landesrechtlichen persönliche Beratung wird in Deutsch und oftmals in Vorgaben für die freiwillige Rückkehr(beratung) und einer bzw. mehreren weiteren Sprachen ermöglicht, Informationsvermittlung recht allgemein und lassen wobei einzelne Beratungsstellen in Metropolen ihre den an der freiwilligen Rückkehr beteiligten Akteuren Rückkehrberatung auch in bis zu 16 Sprachen anbie- einen breiten Gestaltungsspielraum. Ein Rechtsan- ten können. In der Regel haben Beratungsstellen an spruch auf Rückkehrunterstützung bei freiwilliger mehreren Tagen für mehrere Stunden geöffnet. Für Rückkehr besteht nicht. Bundeseinheitliche Richt- mittellose Personen ist die persönliche Beratung in oder Leitlinien etwa zu den zu vermittelnden Inhalten aller Regel kostenfrei. in der Rückkehrberatung oder dem Zeitpunkt der Informationsvermittlung liegen nicht vor.
Zusammenfassung 5 können. In der Herkunftsgemeinde kann es hingegen Herausforderungen der Informations- dazu kommen, dass unter richterlicher Anordnung vermittlung und aktuelle Entwicklung und im Rahmen enger gesetzlicher Voraussetzungen eine zwangsweise Rückführung mit vorheriger Inhaft- Neben einer fehlenden dauerhaften finanziellen Si- nahme durchgeführt wird. cherheit vieler Rückkehrberatungsstellen und -pro- jekte werden von Akteuren der Rückkehrberatung Situationsspezifisch variieren der Grad der Informiert- und Informationsvermittlung insbesondere regional- heit, die Erfahrungswerte bei der Umsetzung von spezifische, statusspezifische und situationsspezifische unterstützter freiwilliger Rückkehr, die Sensibilität Herausforderungen benannt. Eine regionalspezifische für die Lebens- und Rückkehrumstände im Einzelfall Herausforderung ergibt sich beispielsweise aus einem sowie die Kooperationsbereitschaft der am Rückkehr- teils starken Ungleichgewicht der Dichte an staatli- prozess beteiligten Akteure mitunter stark. Sie werden chen und nicht-staatlichen Rückkehrberatungsstellen auch von der Beratungsstellendichte und Trägerhete- in Deutschland. Während u. a. in Baden-Württemberg, rogenität mitbeeinflusst. Bayern, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Rhein- land-Pfalz eine flächendeckende Rückkehrberatung verschiedener Akteure weitgehend gesichert ist, fehlen Aktuelle Entwicklungen hingegen in einzelnen Bundesländern insbesondere nicht-staatliche Beratungsstellen. Vor allem für Unter- Im Bereich geplanter bzw. der sich bereits im Ent- getauchte und Drittstaatsangehörige ohne bisherigen wicklungs- und Aushandlungsprozess befindenden Behördenkontakt sind nicht-staatliche Akteure in Änderungen im Bereich der unterstützten freiwilligen der Rückkehrberatung und Informationsvermittlung Rückkehr, die auch die Informationsvermittlung für jedoch von besonderer Bedeutung. Ihnen wird in der (irregulär aufhältige) Drittstaatsangehörige berühren, Regel ein Vertrauensvorschuss entgegengebracht, da lassen sich zwei wesentliche Entwicklungen ausma- nicht-staatliche Akteure Anonymität zusichern kön- chen. Zunächst ist die Arbeit der Bund-Länder-Koor- nen, die Beratung ergebnisoffen erfolgt und auch die dinierungsstelle ‚Integriertes Rückkehrmanagement’ Möglichkeit einer Nichtrückkehr Berücksichtigung zu nennen, die Konzepte erarbeitet, um einzelne Maß- findet. Die Beratung staatlicher Stellen ist hingegen nahmen im Bereich der Rückkehr (freiwillige Rück- auf die Erfüllung der bestehenden Ausreisepflicht kehr, Reintegration und zwangsweise Rückführung) gerichtet. stärker miteinander zu verbinden sowie einheitliche Standards und Handlungsanleitungen insbesondere Statusspezifische Herausforderungen bei der unter- für die freiwillige Rückkehr und Reintegration zu stützten freiwilligen Rückkehr ergeben sich sowohl schaffen. Des Weiteren ist eine Entwicklung hin zu ei- bei registrierten Ausreisepflichtigen als auch bei un- ner verstärkten Vernetzung und Institutionalisierung tergetauchten Drittstaatsangehörigen. Im ersteren des Informationsaustauschs staatlicher und nicht- Fall (z. B. bei Geduldeten) werden Herausforderungen staatlicher Akteure im Feld der freiwilligen Rückkehr durch eine kurze Ausreisefrist sowie die oftmals ein- auf allen relevanten Ebenen zu verzeichnen. geschränkte Freiwilligkeit der Rückkehr genannt. Bei Letzteren erweist sich die Frage der regionalen und behördlichen Zuständigkeit als Problem. Unterge- tauchte Drittstaatsangehörige müssen im Falle einer unterstützten freiwilligen Rückkehr grundsätzlich zu der Ausländerbehörde zurück, wo sie vor ihrem Unter- tauchen zuletzt gemeldet waren, es sei denn, das Bun- desland, in dem der Aufgriff oder die freiwillige Mel- dung erfolgte, erklärt sich bereit, die Organisation der Rückkehr zu übernehmen – inkl. der Unterstützungs- leistungen. Einer solchen Übernahme wird jedoch nicht immer zugestimmt, obwohl die Behörden eine unterstützte freiwillige Rückkehr hätten ermöglichen
Inhaltsübersicht 7 Inhaltsübersicht Zusammenfassung 4 1 Einleitung 11 2 Irreguläre Migration und Rückkehr 14 3 Rechtlicher Rahmen der freiwilligen Rückkehr und der Informationsvermittlung 22 4 Gesamtgesellschaftlicher Ansatz der Informations- vermittlung über freiwillige Rückkehr 28 5 Informationsvermittlung am Beispiel der ‚Integrierten Rückkehrplanung Vietnam‘ (Berlin) 54 6 Herausforderungen der Informationsvermittlung und Rückkehrberatung 57 7 Schlussfolgerungen 62 Anhang 64 Literaturverzeichnis 73 Abkürzungsverzeichnis 83 Tabellenverzeichnis 86 Publikationen des Forschungszentrums Migration, Integration und Asyl 87
8 Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung 4 1 Einleitung 11 2 Irreguläre Migration und Rückkehr 2.1 Definition irregulärer Migration 14 14 2.2 Umfang irregulärer Migration 15 2.2.1 Irregulär aufhältige Drittstaatsangehörige (ohne bisherigen Behörden- kontakt und Untergetauchte) 16 2.2.2 Ausreisepflichtige Drittstaatsangehörige 18 2.3 Freiwillige Rückkehr und zwangsweise Rückführung 18 2.3.1 Umfang freiwilliger Rückkehr unter REAG/GARP 19 2.3.2 Umfang zwangsweiser Rückführungen (Ab- und Zurückschiebungen) 21 3 Rechtlicher Rahmen der freiwilligen Rückkehr und der Informationsvermittlung 22 3.1 Bundesrechtliche Vorgaben 22 3.2 Landesrechtliche Vorgaben 24 3.3 Vorgaben des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds 25 4 Gesamtgesellschaftlicher Ansatz der Informations- vermittlung über freiwillige Rückkehr 28 4.1 Akteure der Informationsvermittlung 29 4.1.1 Vernetzungs- und Austauschplattformen 30 4.1.2 Rückkehrberatungsstellen 34 4.1.3 Rückkehr- und Reintegrationsprojekte 40 4.1.4 Finanzierung der Rückkehrberatung und Reintegrationsprojekte 44 4.2 Informationskanäle der Akteure 45 4.3 Zugänglichkeit und Erscheinungsbild der bereitgestellten Informationen 48 4.3.1 Sprachenvielfalt 48
Inhaltsverzeichnis 9 4.3.2 Visuelles Erscheinungsbild 49 4.3.3 Platzierung der Informationsmaterialien 50 4.3.4 Erreichbarkeit der Online-Angebote 50 4.3.5 Zugänglichkeit von Beratungsstellen und -hotlines sowie ihre Kosten 51 4.3.6 Anonymitätszusicherung 51 4.4 Inhalte der Informationskanäle 51 5 Informationsvermittlung am Beispiel der ‚Integrierten Rückkehrplanung Vietnam‘ (Berlin) 54 6 Herausforderungen der Informationsvermittlung und Rückkehrberatung 57 6.1 Regionalspezifische Herausforderungen 57 6.2 Statusspezifische Herausforderungen 58 6.3 Situationsspezifische Herausforderungen 59 6.4 Finanzielle Herausforderung und Planungsunsicherheit der Projektarbeit 61 6.5 Lehren und Ausblick 61 7 Schlussfolgerungen 62 Anhang 64 Anzahl der zurückgekehrten Drittstaatsangehörigen (2010-2014) 64 Dokumentation der verwendeten Quellen und Daten 66 BAMF-Merkblatt für abgelehnte Asylsuchende zur freiwilligen Rückkehrförderung 67 Akteure der freiwilligen Rückkehr: Webseiten, Flyer und Berichte 69 Anzeige und Artikel zum Reintegrationsprojekt "Integrierte Rückkehrplanung Vietnam" 72 Literaturverzeichnis 73 Abkürzungsverzeichnis 83 Tabellenverzeichnis 86 Publikationen des Forschungszentrums Migration, Integration und Asyl 87
Einleitung 11 1 Einleitung Im Jahr 2001 skizzierte die vom damaligen Bundes- Die unterstützte freiwillige Rückkehr gilt im Ver- innenminister Otto Schily berufene Unabhängige hältnis zur zwangsweisen Rückführung dabei als die Kommission ‚Zuwanderung‘ die Herausforderung humanere und im Vergleich zur Abschiebungspraxis einer konsistenten Zuwanderungs- und Asylpolitik. kostensparendere Form der Rückkehr (Schmidt-Fink So heißt es im Abschlussbericht: „Es ist unabdingbar, 2009: 9). Einzelne staatliche Akteure befürworten die dass Ausländer, die sich nicht mehr in Deutschland unterstützte freiwillige Rückkehr gegenüber dem aufhalten dürfen, auch tatsächlich in ihr Heimatland Verbleib in Deutschland auch mit dem Argument, dass oder in einen Drittstaat ausreisen – allein schon um im Fall von arbeitslos gewordenen Drittstaatsangehö- die Zuwanderung steuern und Zuwanderungspolitik rigen1 eine unterstützte Ausreise auch eine Entlastung glaubwürdig gestalten zu können. […] Ebenso ver- der Sozialkassen bedeute (Landeshauptstadt München lieren sämtliche Maßnahmen des Gesetzgebers, der 2015: 4; Landkreis Böblingen 2010: 1). Die freiwillige Gerichte und Behörden, die Verfahren zu beschleu- Rückkehr wird deshalb mitunter auch als „Königsweg“ nigen, ihren Sinn, wenn der Feststellung der Ausrei- der Rückkehrpolitik (Schneider/Kreienbrink 2010: 61; sepflicht keine Ausreise nachfolgt“ (UKZU 2001: 150). Praschma 2006: 8) oder „Paradebeispiel humanitärer Rückkehrunterstützende und rückkehrerzwingende Asylpolitik“ (MIFKJF 2015: 9) beschrieben. Maßnahmen machen daher einen wesentlichen Be- standteil deutscher und auch europäischer Asyl- und Andererseits wird auch Kritik an der freiwilligen Migrationssteuerungspolitik aus, wobei die Praxis der Rückkehr geübt, die sich sowohl auf die ‚Freiwillig- Rückkehrunterstützung bis in die späten 1970er Jahre keit‘ als auch auf das Konzept der ‚Rückkehr‘ bezieht: zurückreicht, als der Fokus jedoch noch verstärkt auf „Das Spektrum der Positionen reicht dabei von der Arbeitsmigranten und arbeitslos gewordenen Einge- Ansicht, dass Freiwilligkeit nur vorliege, wenn es auch wanderten lag (Schmidt-Fink 2007). eine Bleibeoption gebe, über die Position, dass ein Ausländer freiwillig und sogar mit einer Förderung Auch die gegenwärtige Bundesregierung sieht in angesichts der Alternative einer zwangsweisen Rück- ihrem Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2013 eine führung ausreisen kann, bis hin zu der Vorstellung, „konsequente Rückführung nicht schutzbedürftiger dass Freiwilligkeit nur die Abwesenheit von körperli- Menschen“ vor, für die es eine „abgestimmte Strategie“ cher Gewalt im Rahmen einer Rückführung bedeute“ zu entwickeln gelte (CDU/CSU/SPD 2013: 109). Zu (Black/Gent 2006: 19, nach Schneider/Kreienbrink einem solchen strategischen Ansatz der Rückkehr- 2010: 21; Tietze 2008: 76; Paul/Sebastian 2005: 85ff.). politik sind der Bundesregierung zufolge sowohl die freiwillige Rückkehr, Reintegrationsmaßnahmen als auch zwangsweise Rückführungen zu zählen, die in 1 „Drittstaatsangehöriger“ bezeichnet laut Art. 2 des Schen- einem „Integrierten Rückkehrmanagement“ gebündelt gener Grenzkodex (SGK) jede Person, die nicht Unions- werden sollen (Deutscher Bundestag 2014a: 2). Im Jahr bürger im Sinne des Art. 17 Abs. 1 des Vertrags ist und 2014 wurde hierfür die ‚Bund-Länder-Koordinierungs- die nicht unter Artikel 2 Nr. 5 zu den „Personen, die das Gemeinschaftsrecht auf freien Personenverkehr genie- stelle Integriertes Rückkehrmanagement‘ (BLK IRM) ßen“, zählt (VO (EG) Nr. 562/2006). Entsprechend zählen unter Moderation des Bundesamts für Migration auch „Drittstaatsangehörige, die Familienangehörige und Flüchtlinge (BAMF) eingerichtet, die eine solche eines sein Recht auf freien Personenverkehr ausübenden Unionsbürgers sind, die unter die Richtlinie 2004/38/EG Strategie zur Förderung, Durchsetzung und Verknüp- des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April fung von (unterstützter) freiwilliger Rückkehr sowie 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Famili- zwangsweiser Rückführung insbesondere auch von enangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaa- ten frei zu bewegen und aufzuhalten, fallen“ (Artikel 2 Nr. irregulär aufhältigen Drittstaatsangehörigen erarbei- 5 VO (EG) Nr. 562/2006), nach dieser Definition nicht als ten soll. Drittstaatsangehörige.
12 Einleitung Darüber hinaus wird von einigen auch der Begriff der ge vermitteln. Dabei wird in einem ersten Schritt ein ‚Rückkehr‘ kritisiert, da ein Teil der im Rahmen der Überblick zum Umfang und zur Struktur der Popula- freiwilligen Rückkehr ausreisenden Kinder nicht ‚zu- tion der irregulär aufhältigen Drittstaatsangehörigen rückkehre’, sondern in das Herkunftsland der Eltern sowie der freiwilligen und zwangsweisen Ausreisen in ausreise, während sie selbst in Deutschland geboren Deutschland gegeben (Kapitel 2). Anschließend werden sind (Dünnwald 2010: 2). Die Kritik an der freiwilli- die rechtlichen Rahmenbedingungen zur freiwilligen gen Rückkehr hatte in der Praxis auch zur Folge, dass Rückkehr im Allgemeinen sowie der Informationsver- lange Zeit insbesondere Nichtregierungsorganisatio- mittlung für irregulär aufhältige Drittstaatsangehö- nen die Unterstützung der unterstützten freiwilligen rige und der daran beteiligten Akteure im Speziellen Rückkehr grundsätzlich ablehnten. Mittlerweile hat beschrieben (Kapitel 3). Darauf folgt in Kapitel 4 eine diesbezüglich jedoch bei zahlreichen nicht-staatlichen Dokumentation und Analyse gängiger Informati- Akteuren ein Einstellungswandel bzw. eine Differen- onsvermittlungsstrategien, wobei folgende Kriterien zierung der Perspektive auf das Modell der freiwilligen berücksichtigt wurden: die beteiligten Akteure und Rückkehr stattgefunden. Zahlreiche Nichtregierungs- ihre Rolle bei der Informationsvermittlung, die von organisationen und insbesondere Träger der freien diesen Akteuren verwendeten Vermittlungskanäle und Wohlfahrtspflege beteiligen sich mittlerweile z. B. aktiv Medien, die Zugänglichkeit und das Erscheinungsbild an der Rückkehrberatung oder auch im Rahmen ei- der Informationsaufbereitung sowie die darüber ver- gener Reintegrationsprojekte. Die AWO Bremerhaven mittelten Inhalte. fasst den Einstellungswandel wie folgt zusammen: Die wenigen bundesweiten und landesweiten Vorga- „Waren die Anfangsjahre vom Anspruch gezeich- ben für die Ausgestaltung von freiwilligen Rückkehr- net, die freiwillige Rückkehr und humanitäre projekten sowie die sich auf den unterschiedlichen Reintegration überhaupt zum akzeptierten Ar- regionalen Ebenen innerhalb dieses Politikfelds beitsansatz in der Flüchtlingshilfe zu entwickeln, ausdifferenzierte Akteurs- und Projektlandschaft so werden die kommenden Jahre insbesondere machten es notwendig, sich die Akteure und Projekte dadurch bestimmt sein, der freiwilligen Rückkehr im Einzelnen anzusehen, um verlässliche und verall- Vorrang vor Zwangsmaßnahmen, also Verhaftung gemeinerbare Aussagen über die Praxis und die Stra- und Abschiebung einzuräumen“ (AWO 2015). tegien der Informationsvermittlung in Deutschland treffen zu können. Es war dabei nicht möglich, eine Die Unterstützung einer freiwilligen Rückkehr kann in Vollerhebung aller staatlichen und nicht-staatlichen vielerlei Form erfolgen, etwa durch Rückkehrberatung, Beratungsstellen und Projekte im Bereich der freiwil- Beschaffung von nötigen Reisedokumenten, Übernah- ligen Rückkehr durchzuführen. Insbesondere lokale me der Transportkosten, Gewährung von finanziellen Projekte auf Gemeinde- und Bezirksebene konnten Reisebeihilfen, Starthilfen und Unterstützung bei der nur exemplarisch berücksichtigt werden. Staatliche Wohnungssuche im Herkunftsland, Sicherstellung und nicht-staatliche internationale Kooperationspro- medizinischer Versorgung im Zielland, bis hin zu um- jekte unter deutscher Beteiligung werden hingegen fassenden Reintegrationsmaßnahmen in Form von weitestgehend erschöpfend betrachtet, ebenso wie die Schulungen vor der Ausreise, der Startfinanzierung meisten bundesweit ausgerichteten sowie zahlreiche eines kleinen Gewerbes sowie der Begleitung des Rein- überregionale und landesspezifische Projekte. Insge- tegrationsprozesses durch lokale Unterstützungsnetz- samt wurden 50 Rückkehrberatungsstellen, -projekte werke über einen längeren Zeitraum hinweg. und -vernetzungsplattformen aus dem gesamten Bun- desgebiet in die Analyse einbezogen. Die Vielzahl der Rückkehrprojekte und Akteure im Bereich der freiwil- Gegenstand und Ziel der Studie ligen Rückkehr machte es zudem notwendig, die Ana- lyse zur Informationsvermittlung in erster Linie auf Im Fokus dieser Studie steht die Frage, welche Akteu- solche Informationen zu konzentrieren, die öffentlich re über welche Vermittlungskanäle in welcher Form zugänglich waren, wozu die Webseiten der Akteure welche Informationen über freiwillige Rückkehrmög- und Rückkehrförderprojekte zählten, aber auch die da- lichkeiten an irregulär aufhältige Drittstaatsangehöri- rüber hinaus zur Verfügung stehenden Informationen,
Einleitung 13 wie z. B. Flyer, Broschüren und Jahres- und Tätigkeits- wicklung und Struktur der irregulären Bevölkerung berichte.2 Des Weiteren konnten einige Hintergrund- in Deutschland angefertigt (Vogel/Aßner 2011). Die interviews mit einer Auswahl relevanter Akteure im Angaben zur freiwilligen Rückkehr wurden von IOM Feld der freiwilligen Rückkehr geführt werden, wobei Deutschland bereitgestellt. Angaben zu zwangsweisen der Schwerpunkt auf staatlichen bzw. im Auftrag staat- Rückführungen entstammen Bundestagsdrucksachen. licher Akteure handelnder Expertinnen und Experten Weitere Daten konnten aus dem Ausländerzentralre- lag. Es konnte aber auch mit Mitarbeitenden aus Be- gister (AZR) abgefragt sowie den Veröffentlichungen ratungsstellen von Wohlfahrtsverbänden gesprochen anderer Akteure entnommen werden. werden. Zudem wurden die Ergebnisse aus bestehen- den Studien im Bereich der freiwilligen Rückkehr und irregulären Migration als weitere Informationsquellen herangezogen. In Kapitel 5 wird exemplarisch die Informationsver- mittlungsstrategie des Berliner Reintegrationsprojekts ‚Integrierte Rückkehrplanung Vietnam‘ im zeitlichen Verlauf seit seiner Gründung 2012 beschrieben. Zum Schluss werden einige zentrale Herausforderungen der Informationsvermittlung benannt (Kapitel 6). Die vorliegende Studie soll zu einem besseren Ver- ständnis der Praxis der Informationsvermittlung über Rückkehrfördermöglichkeiten – insbesondere mit Blick auf irregulär Aufhältige – beitragen. Die Studie wurde im Rahmen des Europäischen Migrations- netzwerkes (EMN) erstellt, sie wird von allen teilneh- menden Mitgliedstaaten sowie Norwegen parallel angefertigt und am Ende in einem vergleichenden Synthesebericht aufbereitet. Verwendete Quellen Die in dieser Studie aufbereiteten Daten zur Anzahl der irregulär aufhältigen sowie freiwillig und zwangs- weise ausgereisten Drittstaatsangehörigen entstam- men mehreren Quellen. Schätzungen zum Umfang der irregulär aufhältigen Drittstaatsangehörigen in Deutschland wurden dankenswerterweise von Dita Vogel von der Universität Bremen zur Verfügung ge- stellt. Sie ist Netzwerkpartnerin der deutschen natio- nalen Kontaktstelle des EMN und hatte bereits in den Jahren 2011 und 2012 (zusammen mit Manuel Aßner) eine Expertise für das EMN zum Umfang, der Ent- 2 Ich bedanke mich bei Anna Blumenthal für die umfang- reiche Recherchearbeit im Rahmen ihres Praktikums im Forschungszentrum des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge.
14 Irreguläre Migration und Rückkehr 2 Irreguläre Migration und Rückkehr Die individuellen Gründe für einen illegalen Auf- Die EU-Rückführungsrichtlinie (2008/115/EG)3 defi- enthalt sind vielfältig: „Sie können eine Zeitlang niert „illegalen Aufenthalt“ beispielsweise als „die An- legal in Deutschland gelebt haben, aber dann ihren wesenheit von Drittstaatsangehörigen, die nicht oder Aufenthaltsstatus als Ehegatte, Au pair, Studierende nicht mehr die Einreisevoraussetzungen nach Artikel 5 oder Beschäftigte verlieren und trotzdem bleiben. Sie des Schengener Grenzkodex oder andere Vorausset- können als Touristen legal eingereist sein und eine zungen für die Einreise in einen Mitgliedstaat oder den Beschäftigung gefunden haben, die ihnen ein Leben in dortigen Aufenthalt erfüllen, im Hoheitsgebiet dieses der Illegalität ermöglicht. Sie können illegal eingereist Mitgliedstaats“ (Artikel 3 Nummer 2). In dieser Studie sein und dann entweder sofort oder nach einem ge- wird gemäß der Studienspezifikationen des Europäi- scheiterten Asylantrag in Deutschland bleiben“ (Vogel schen Migrationsnetzwerks wiederum zwischen zwei 2015). Zudem ist Migration im Allgemeinen und irre- Bevölkerungsgruppen irregulär aufhältiger Drittstaats- guläre Migration im Besonderen altersselektiv. Jüngere angehöriger unterschieden: solchen, die im Behörden- Personen – insbesondere wenn sie noch keine eigenen kontakt stehen und solchen, die nicht im Behörden- Kinder haben – tendieren eher zu einem Aufenthalts- kontakt stehen, wobei innerhalb Letzterer wiederum ortswechsel. Da mit einem irregulären Aufenthalt zwei Gruppen differenziert werden können, so dass mehr Risiken einhergehen und jüngere Personen eher letztlich drei Gruppen irregulär aufhältiger Drittstaats- bereit sind, diese Risiken in Kauf zu nehmen, dürfte angehöriger unterschieden werden können: der Anteil jüngerer Migranten an der irregulär aufhäl- tigen Bevölkerung noch höher sein (Kovacheva 2010: Irregulär aufhältige Drittstaatsangehörige, de- 7f.). Darüber hinaus und entgegen der landläufigen ren Aufenthaltsstatus und -ort den Behörden Meinung, wonach irreguläre Migration in erster Linie bekannt ist und die im Kontakt mit den Be- ein männliches Phänomen ist, beschreibt Vogel, dass hörden stehen (registrierte Ausreisepflichtige). Männer innerhalb der Gruppe nur leicht überpro- Diese Personengruppe umfasst u. a. abgelehnte portional vertreten sind (Bickmeyer 2015). Der Anteil Asylsuchende, die mit einer Duldung in Deutsch- ist stark von den jeweiligen Arbeitsmarktsektoren land leben, prinzipiell ausreisepflichtig sind, de- abhängig, in denen irregulär Aufhältige eine Beschäf- ren Abschiebung allerdings aus rechtlichen oder tigung finden. Diese können an sich wiederum stark tatsächlichen Gründen vorübergehend ausgesetzt geschlechtsselektiv sein, wodurch auch der Anteil der wurde (§ 60a AufenthG) und die einer aufent- in dem jeweiligen Sektor arbeitenden irregulär be- haltsräumlichen Beschränkung mit fester Mel- schäftigten Migranten geschlechterselektiv sein dürfte. deadresse unterliegen. Auch Menschen, die eine So arbeiten Frauen häufig in der Kinderbetreuung, der Ausreiseaufforderung nach Ablauf ihres Visums Altenpflege, als Reinigungskräfte oder in der Sexindus- in Kombination mit Meldeauflagen als Alternati- trie, wohingegen Männer z. B. häufiger im Baugewerbe ve zur Abschiebungshaft angeordnet bekommen tätig sind (Kovacheva 2010: 8f.). haben, aber noch gegen die Entscheidung klagen oder sich noch innerhalb der gesetzten Ausreise- frist befinden, fallen in diese Personengruppe. 2.1 Definition irregulärer Migration Die unterschiedlichen Gründe für einen irregulären Aufenthalt weisen bereits daraufhin, dass sich irregulär 3 Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame aufhältige Drittstaatsangehörige in unterschiedliche Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rück- Bevölkerungs- und Statusgruppen unterteilen lassen. führung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger.
Irreguläre Migration und Rückkehr 15 Irregulär aufhältige Drittstaatsangehörige, die Behördenkontakt eines Verbrechens schuldig nicht im Kontakt mit den Behörden stehen. gemacht haben und mit Kriminalität in Ver- zz Irregulär aufhältige Drittstaatsangehörige, bindung gebracht werden (zur Begriffskritik die vormals im Behördenkontakt standen, u. a. Neue Deutsche Medienmacher 2014: 20f.; deren Aufenthaltsort jedoch nicht mehr Schneider 2012b: 20; Breyer 2011: 25; Ange- bekannt ist (Untergetauchte). Diese Perso- nendt 2007: 10f.; Schönwälder et al. 2004: 6). nengruppe umfasst u. a. Asylsuchende, die im Aufgrund der Kritik findet die Bezeichnung Zuge der Erstverteilung auf die zuständigen „Illegale“ immer seltener Verwendung.4 Erstaufnahmeeinrichtungen untergetaucht sind, abgelehnte Asylantragsteller, die nach Sofern zwischen irregulär aufhältigen Untergetauch- Zustellung des negativen Bescheids unter- ten und irregulär aufhältigen Personen ohne bisheri- getaucht sind, legal Eingereiste, deren Visum gen Behördenkontakt unterschieden werden soll, wird abgelaufen (Visa-Overstayer) und deren in dieser Studie für Erstere die Bezeichnung ‚Unterge- Aufenthaltsort den Behörden unbekannt ist, tauchte’ bzw. ‚untergetauchte Drittstaatsangehörige‘ sowie weitere unerlaubt aufhältige Migran- und für Letztere die Bezeichnung ‚Drittstaatsangehö- ten, beispielsweise Personen, die sich einer rige ohne bisherigen Behördenkontakt‘ verwendet. Die Alternative zur Abschiebungshaft entzogen Bezeichnung ‚irregulär Aufhältige’ meint im Folgenden haben und untergetaucht sind. alle drei genannten Bevölkerungs- und Statusgruppen. zz Irregulär aufhältige Drittstaatsangehörige, Dabei gilt, dass – wann immer möglich – zwischen deren Aufenthalt den Behörden zu keinem den drei irregulär aufhältigen Bevölkerungsgruppen Zeitpunkt bekannt war (Personen ohne unterschieden wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn bisherigen Behördenkontakt). Diese Perso- Aussagen zu Untergetauchten und Drittstaatsange- nengruppe umfasst all jene, die ohne gültige hörigen ohne bisherigen Behördenkontakt gemacht Papiere nach Deutschland eingewandert sind werden können. oder geschleust wurden, ohne ihren Aufent- halt bei den Behörden anzumelden oder je mit ihnen in Kontakt zu kommen (z. B. in 2.2 Umfang irregulärer Migration einer Polizeikontrolle). Auch unfreiwillig oder unter falschen Versprechungen im Rahmen Verlässliche Angaben zum Umfang der irregulär auf- von Menschenhandel eingeschleuste und von hältigen Bevölkerung in Deutschland liegen nicht vor. Zwangsprostitution ausgebeutete Personen, Es liegt in der Natur der Sache, dass Behörden keine deren Aufenthalt den Behörden nicht be- oder keine genauen Informationen zu jenen Personen kannt ist, werden unter diese Personengruppe vorliegen, die noch nie im Behördenkontakt standen gefasst. Für diese Personengruppe existiert oder untergetaucht sind. Angaben zu irregulär Auf- eine Vielzahl an Bezeichnungen. Zu den hältigen sind daher auf Schätz- und Hochrechnungen gängigeren gehören „Papierlose“ (Huschke angewiesen, die sich beispielsweise auf die Anzahl 2013), „Undokumentierte“ (Angenendt 2007: aufgegriffener straffällig gewordener irregulärer Mig- 10), „Klandestine“ (Vogel 2015), „Menschen ranten im Verhältnis zu übrigen Aufgriffen beziehen. ohne Papiere“ bzw. „Menschen ohne Aufent- Bei Untergetauchten wird in der Regel zwar das Un- haltsstatus“ (Anderson 2011: 173; Bommes/ tertauchen selbst dokumentiert (im Einzelfall durch Wilmes 2007), „Illegalisierte“ (Fleischer 2007; die Ausländerbehörden und zentral im Ausländerzen- Schreiber 2007) oder „Sans Papier“ (Mylius et tralregister), jedoch kann nicht verlässlich bestimmt al. 2011). Darüber hinaus findet die Bezeich- werden, ob die Person mit Absicht und auf Dauer nung „Illegale“ bzw. „illegale Einwanderung“ innerhalb Deutschlands untergetaucht ist oder ob breite Verwendung, wobei die Bezeichnung sie sich beispielsweise bei ihrem Fortzug ins Ausland insbesondere dann kritisiert wird, wenn sie nicht abgemeldet hat und nicht mehr in Deutschland sich auf die Menschen selbst und nicht den Akt der Einwanderung bzw. den unerlaubten Aufenthalt bezieht. Kritisiert wird insbe- 4 Im Jahr 2013 kündigte eine der größten Nachrichten- agenturen der Welt, Associated Press (AP), an, künftig in sondere die herabwürdigende Konnotation, ihrer Berichterstattung auf den Begriff „illegale Migran- wonach sich die Menschen ohne bisherigen ten“ zu verzichten (Monroy 2013).
16 Irreguläre Migration und Rückkehr aufhältig ist. Gesicherte Angaben können hingegen einer Steigerung von circa 13-17 Prozent zum Vorjahr zum Umfang der Ausreisepflichtigen sowie der unter- (2013: 160.000-443.000 Personen). Dabei ist nach lang- stützten freiwilligen Rückkehr sowie zwangsweisen jährigem Rückgang seit 2010 wieder von einer konti- Rückführung gegeben werden. nuierlich steigenden Anzahl Untergetauchter sowie Drittstaatsangehöriger ohne bisherigen Behördenkon- Eine qualifizierte und methodologisch nachvollzieh- takt auszugehen (vgl. Tabelle 1). bare Schätzung über den Umfang der in Deutschland irregulär aufhältigen Drittstaatsangehörigen wird Während zu irregulär aufhältigen Drittstaatsange- seit einigen Jahren durch das CLANDESTINO-Projekt hörigen ohne bisherigen Behördenkontakt keine ge- vorgenommen (Vogel/Kovacheva 2008). Die Schät- sonderten Angaben gemacht werden können, finden zungen lassen allerdings keine Unterscheidung zwi- sich zu untergetauchten Drittstaatsangehörigen zwei schen untergetauchten Personen und solchen ohne Datenquellen, die für eine Annäherung herangezo- bisherigen Behördenkontakt zu (Vogel 2015; Vogel/ gen werden können: Die im Ausländerzentralregister Aßner 2011). So können sie in ihren Berechnungen (AZR) gespeicherten ‚Fortzüge nach unbekannt‘ sowie nicht bestimmen, „ob die verborgene Existenz durch die sog. Reiseschwund-Statistik im Rahmen der Erst- eine illegale Einreise, den Verbleib nach Ablauf eines verteilung von Asylbegehrenden (EASY) auf Erstauf- regulären Aufenthaltstitels (Overstayer), ein Untertau- nahmeeinrichtungen. Im AZR werden Fortzüge nach chen nach einem negativen Bescheid über ein weiteres unbekannt aller in Deutschland aufhältigen ausländi- Aufenthaltsrecht oder den Entzug eines Aufenthalts- schen Staatsangehörigen gespeichert – also Personen, rechts zustande kommt“ (Vogel/Aßner 2011: 6). Mit deren Aufenthalt ab einem bestimmten Zeitpunkt den Bestimmtheit nicht erfasst sind hingegen registrierte Behörden nicht mehr bekannt und eine Kontaktauf- Ausreisepflichtige. nahme gescheitert ist. Darunter fallen auch Personen, die ihrer Pflicht zur Ausreise freiwillig nachgekommen sind, jedoch die von der lokalen Ausländerbehörde 2.2.1 Irregulär aufhältige Drittstaatsange ausgestellte Grenzübertrittsbescheinigung (GÜB) hörige (ohne bisherigen Behörden- beim bzw. nach dem Grenzübertritt nicht eingereicht kontakt und Untergetauchte) haben oder sich noch innerhalb des Schengenraumes außerhalb Deutschlands aufhalten. Der zuständigen Nach Schätzungen von Vogel befanden sich 2014 Ausländerbehörde fehlt folglich die Mitteilung über zwischen 180.000 und 520.000 irregulär aufhältige die vollzogene Ausreise, obwohl die Person tatsächlich Drittstaatsangehörige in Deutschland.5 Dies entspricht ausgereist ist. Dies betrifft nicht allein Drittstaatsange- hörige mit aufenthaltsrechtlich prekärem Status, son- dern auch nach unbekannt Fortgezogene mit gesicher- 5 Die Schätzung beruht auf folgender Berechnung: „Aus tem Status (z. B. mit Niederlassungserlaubnis). Aus den der PKS [Polizeiliche Kriminalstatistik] werden die Daten Daten des AZR geht nicht hervor, ob die Personen, die zu den Tatverdächtigen mit Status ‚illegal‘ zu deutschen (Obergrenze) oder nicht-deutschen, regulären Tatver- einen Aufenthaltstitel besaßen und nach unbekannt dächtigen (Untergrenze) ins Verhältnis gesetzt und durch fortgezogen sind, kurz vor einem Entzug oder Aus- einfache Multiplikation mit der entsprechenden Bevöl- laufen ihres Aufenthaltstitels standen, so dass keine kerungsgruppe die irreguläre Bevölkerung geschätzt (A/B x D = C) (Diakonisches Werk Hamburg 2009: 62ff.). Die Aussage getroffen werden kann, ob ein bevorstehender zentrale Annahme für die Schätzung der Obergrenze ist Verlust des Aufenthaltstitels zum Untertauchen oder hierbei, dass irreguläre Migranten im Verhältnis zu Deut- Fortzug ohne Abmeldung geführt hat. Daher erschien schen in der PKS überrepräsentiert sind. Dies wird auf strukturelle Unterschiede zurückgeführt, die eine höhere es sinnvoll, die Daten gesondert aufzubereiten: für alle Kriminalität und/oder eine höhere Wahrscheinlichkeit, Statusgruppen, inkl. derer mit gesichertem Aufent- von der Polizei kontrolliert zu werden, implizieren: Ge- haltsstatus, und ausschließlich für Personen mit pre- ringere Anteile von alten Menschen und kleinen Kindern, höhere Anteile irregulärer Migranten in Städten, höhere kärem Aufenthalt – hier jene ohne Aufenthaltsrecht Anteile von Menschen, die vom Mehrheitsstereotyp der oder mit Aufenthaltsgestattung. Aber auch bei Letz- deutschen Bevölkerung abweichen. Diese strukturellen Unterschiede sind gegenüber der ausländischen Bevölke- rung geringer ausgeprägt. Hier wird davon ausgegangen, dass verhaltensbedingte Faktoren dazu führen, dass Migranten Polizeikontakt und Kriminalität meiden, klandestine Irreguläre unter den Tatverdächtigen im Ver- weil sie bei jeder Straftat zusätzlich mit der Sanktion der gleich zur Bevölkerung unterrepräsentiert sind. Qualitati- Ausweisung und Abschiebung konfrontiert sein können“ ve Studien weisen darauf hin, dass klandestine irreguläre (Vogel/Aßner 2011: 17).
Irreguläre Migration und Rückkehr 17 Tabelle 1: Irregulär aufhältige Drittstaatsangehörige in Deutschland (Untergetauchte und Personen ohne bisherigen Behörden- kontakt; Schätzungen für 2010-2014) 2010 2011 2012 2013 2014 Irregulär aufhältige Drittstaatsangehörige 136.000- 139.000- 151.000- 160.000- 180.000- (Untergetauchte und Personen ohne bisherigen 337.000 381.000 414.000 443.000 520.000 Behördenkontakt) Quelle: Vogel 2015; Vogel/Aßner 2011. teren kann bei einem Fortzug nach unbekannt nicht allerdings nicht alleine durch das Wiederauftauchen sicher gesagt werden, ob sich eine Person bewusst der nach unbekannt Verzogenen aus den Vorjahren zu und auf Dauer in die Illegalität begeben hat oder z. B. erklären, sondern auch auf die gestiegene Anzahl an ohne behördliche Abmeldung ins (europäische) Aus- Asylsuchenden und damit Personen mit Aufenthalts- land verzogen ist. Die Angaben lassen daher nur sehr gestattung6 zurückzuführen sein. eingeschränkt Aussagen zu dauerhaft in Deutschland lebenden untergetauchten Personen zu. Neben den Angaben des AZR finden sich spezifische Angaben zu untergetauchten Asylsuchenden in der Darüber hinaus gilt bei den Angaben zu beachten, dass vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ge- es sich um Drittstaatsangehörige handelt, die im jewei- führten ‚Reiseschwund-Statistik’. Die Statistik erfasst ligen Jahr (2010-2014) als nach unbekannt fortgezogen diejenigen Asylsuchenden, die im Zuge ihrer Erstver- gemeldet wurden und es am Stichtag 30. April 2015 teilung7 auf der für sie zuständigen Erstaufnahme- immer noch waren. Sofern eine Person 2010 als nach einrichtung der Länder nicht vorsprechen. Bei der unbekannt fortgezogen gemeldet wurde und 2013 Interpretation der Daten ist wie schon bei den AZR- behördlich wieder in Erscheinung trat, gilt diese Per- Daten zu berücksichtigen, dass die Angaben letztlich son nicht mehr als unbekannt verzogen. Trendanga- „keinen Rückschluss auf die sich dauerhaft irregulär ben über mehrere Jahre sind daher nur eingeschränkt in Deutschland aufhältigen Personen zu[lassen], da für möglich, da es in der Natur der Sache liegt, dass über einen Teil der untergetauchten Personen gelten dürfte, mehrere Jahre hinweg die Wahrscheinlichkeit steigt, dass Deutschland als Transitland zur Weiterreise in dass eine Person behördlich wieder in Erscheinung einen anderen EU-Mitgliedstaat dient und sie nach tritt und der Speichervermerk im AZR geändert wird. einem Erstaufgriff in Deutschland die Phase der EASY- Verteilung nutzen, um zu ihrem eigentlichen Zielstaat Wenn man davon ausgeht, dass der Anteil der Un- zu gelangen“ (BAMF/EMN 2015). Ein anderer Teil der tergetauchten an allen unbekannt Verzogenen gleich Untergetauchten dürfte wiederum in Deutschland bleibt, dann weisen die Daten einen Anstieg auf und die Angaben für die Jahre 2010-2014 zeigen denn auch ein entsprechendes Bild (vgl. Tabelle 2): Nachdem die 6 „Das BAMF erteilt Asylantragstellenden, die sich noch im Anzahl der nach unbekannt Verzogenen von 2010 Asylverfahren befinden, eine Aufenthaltsgestattung. Die- se berechtigt sie bis zum Abschluss des Asylverfahrens, auf 2011 zunächst leicht zurückging, steigt die Anzahl das heißt bis zur Entscheidung über den Asylantrag, in seither kontinuierlich an. So waren am 30. April 2015 Deutschland zu leben und unter bestimmten Bedingun- aus dem Jahr 2014 noch 29.438 Drittstaatsangehörige gen zu arbeiten“ (BAMF 2015f: 2). mit vormals prekärem Aufenthaltsstatus als nach un- 7 Die Erstverteilung auf die Bundesländer erfolgt entlang des ‚Königsteiner Schlüssels’ und mithilfe des IT-Ver- bekannt verzogen gemeldet (49.465 Drittstaatsange- teilsystems EASY – Erstverteilung von Asylbegehrenden hörige insgesamt). Der hohe Anstieg zum Vorjahr wird (BAMF 2015c: 14). Tabelle 2: Anzahl der nach unbekannt Verzogenen als Indikator für untergetauchte Drittstaatsangehörige (2010-2014) 2010 2011 2012 2013 2014 Fortzug nach unbekannt von Drittstaatsangehörigen (alle Aufenthaltssta- 27.722 24.728 27.476 30.974 49.465 tus; ohne Abschiebungen, Zurückschiebungen und Zurückweisungen) Fortzug nach unbekannt von Drittstaatsangehörigen (nur Personen mit Aufenthaltsgestattung oder ohne Aufenthaltsrecht; ohne Abschiebungen, 12.019 11.838 14.356 16.602 29.438 Zurückschiebungen und Zurückweisungen) Quelle: AZR, Stichtag 30.04.2015.
18 Irreguläre Migration und Rückkehr Tabelle 3: Im Zuge der Erstverteilung untergetauchte Asylsuchende (2010-2014) 2010 2011 2012 2013 2014 EASY-Verteilentscheidungen (insgesamt) 42.260 47.297 68.282 118.853 238.676 Personen, die der Verteilentscheidung nicht 2.595 2.689 4.175 4.897 17.470 nachkamen (Reiseschwund) Anteil in % 6,1 5,7 6,1 4,1 7,3 Quellen: BAMF/EMN 2014; BAMF 2011: 1; 2013b: 5. verbleiben und sich unter Inkaufnahme eines Le- reisepflichtige Drittstaatsangehörige in Deutschland bens in der Illegalität insbesondere in die Großstädte (§§ 57ff. AufenthG), wovon 110.472 Personen über eine Deutschlands begeben, in denen größere Communi- Duldung verfügten – also ein Abschiebungshindernis ties ihres Herkunftslandes leben und wo sie auf beste- vorlag (vgl. Tabelle 4). Im Vergleich zum Vorjahr stieg hende soziale Strukturen zurückgreifen können, die die Zahl der ausreisepflichtigen Drittstaatsangehöri- für ein Leben in der Illegalität besonders wichtig sind gen 2014 insgesamt um knapp 19 % und die Zahl der (Schneider 2012b: 96). Geduldeten um 21 % an. Der Zuwachs ist unmittelbar auf den hohen Anstieg der Asylbewerberzahlen – ins- Im Jahr 2014 kamen 17.470 von 238.676 Personen besondere in den letzten zwei Jahren – zurückzufüh- der Entscheidung nicht nach, sich zu der Erstaufnah- ren. So kam es auch bei den registrierten Ausreise- meeinrichtung des zugewiesenen Bundeslandes zu pflichtigen im Jahresvergleich 2012 und 2013 zu einer begeben. Im Vergleich zum Vorjahr verdoppelten sich Steigerung um sieben Prozent insgesamt bzw. acht damit die EASY-Verteilentscheidungen, während sich Prozent bei den Geduldeten, während in den vorheri- die Anzahl der untergetauchten Personen mehr als gen Jahren die Zahl recht konstant zwischen 110.538 verdreifachte (vgl. Tabelle 3). und 112.615 Drittstaatsangehörigen insgesamt bzw. zwischen 84.147 und 86.598 Geduldeten lag. Der hohe Anstieg steht dabei in direktem Zusammen- hang mit einer an sich stark gestiegenen Anzahl an Asylsuchenden im Jahr 2014 gegenüber dem Vorjahr, 2.3 Freiwillige Rückkehr und zwangs- so dass über die Jahre auch der Anteil der Unterge- weise Rückführung tauchten mit Ausnahme von 2013 (4,1 %) annähernd ähnlich bei 6-7 % bleibt (2014: 7,3 %). Die freiwillige Rückkehr genießt grundsätzlich Vor- rang vor einer zwangsweisen Rückführung. Dieser Vorrang ist sowohl in nationalem Recht (§ 58 Abs. 1 2.2.2 Ausreisepflichtige Drittstaatsangehörige AufenthG) als auch in den Erwägungsgründen und in Artikel 7 der EU-Rückführungsrichtlinie verankert: Anders als bei der Schätzung zum Umfang der irregu- lären Bevölkerung oder den in Hinsicht auf ihre Aus- „Besteht keine Veranlassung zu der Annahme, sagekraft mit Vorsicht zu interpretierenden Angaben dass das Rückkehrverfahren dadurch gefährdet zum Umfang der untergetauchten Drittstaatsangehö- wird, ist die freiwillige Rückkehr der Rück- rigen liegen im AZR sichere Angaben zu registrierten führung vorzuziehen, wobei eine Frist für die und noch aufhältigen ausreisepflichtigen Drittstaats- freiwillige Ausreise gesetzt werden sollte. Eine angehörigen vor. Demzufolge befanden sich zum Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise Stichtag 31. Dezember 2014 insgesamt 142.281 aus- sollte vorgesehen werden, wenn dies aufgrund Tabelle 4: Ausreisepflichtige Drittstaatsangehörige mit und ohne Duldung (2010-2014) 2010 2011 2012 2013 2014 Ausreisepflichtige Drittstaatsangehörige nach 112.615 110.538 111.558 119.636 142.281 §§ 57 ff. AufenthG (davon mit Duldung) (86.598) (86.524) (84.147) (91.271) (110.472) Quelle: AZR, Stichtag jeweils 31. Dezember.
Irreguläre Migration und Rückkehr 19 der besonderen Umstände eines Einzelfalls als in Anspruch nehmen: irregulär Aufhältige, Asylantrag- erforderlich erachtet wird. Zur Förderung der steller, Drittstaatsangehörige im Dublin-Verfahren, freiwilligen Rückkehr sollten die Mitgliedstaaten Personen, denen ein Aufenthalt aus völkerrechtlichen, eine verstärkte Rückkehrhilfe und -beratung ge- humanitären oder politischen Gründen gewährt währen und die einschlägigen vom Europäischen wurde, abgelehnte Asylsuchende, Opfer von Zwangs- Rückkehrfonds gebotenen Finanzierungsmög- prostitution oder Menschenhandel sowie weitere lichkeiten optimal nutzen“ (Nr. 10 RL 2008/115/ ausländische Staatsbürger, sofern diese nach § 1 EG). AsylbLG leistungsberechtigt sind (IOM 2015b: 1; BAMF 2015a: 4). Seit Bestehen des Programms sind mehr als Das zahlenmäßig umfangreichste Rückkehrförder- 570.000 Personen mit Unterstützung von REAG/GARP programm in Deutschland ist das Bund-Länder- freiwillig ausgereist (IOM 2015c: 13). Programm REAG/GARP8. „Über die Komponente REAG (Reintegration and Emigration Programme for Asylum-Seekers in Germany) leistet das Programm 2.3.1 Umfang freiwilliger Rückkehr unter Transportkosten und pauschalierte Reisebeihilfen; die REAG/GARP Komponente GARP (Government Assisted Repatria- tion Programme) bietet Starthilfen zur Reintegration Die nachfolgenden Angaben zur freiwilligen Rück- für Personen aus Staaten, die für Deutschland migrati- kehr beziehen sich ausschließlich auf die im Rahmen onspolitisch besonders bedeutsam sind. Die Höhe der von REAG/GARP ausgereisten Personen. Freiwillig Starthilfen ist abhängig vom Herkunftsland“ (Schnei- Rückkehrende, die ohne REAG/GARP-Leistungen über der/Kreienbrink 2010: 13). REAG besteht bereits seit ein alternatives Rückkehrprojekt ausgereist sind, sind 1979 und wurde im Jahr 1989 um das Programm GARP nicht erfasst.10 Bei der Frage nach der Anzahl irregulär ergänzt. Es wird von der Internationalen Organisation aufhältiger Drittstaatsangehöriger, die freiwillig mit für Migration (IOM) im Auftrag des Bundesministeri- ums des Innern (BMI) und den zuständigen Ministe- rien der Bundesländer, die das Programm gemeinsam visumfreie Einreise in das Bundesgebiet möglich ist und steuern, durchgeführt. Im Rahmen des Programms deren Staatsangehörige nach dem Beginn der jeweiligen werden insbesondere Transportkosten, finanzielle Visumfreiheit nach Deutschland eingereist sind (IOM 2014: 1). „Dies gilt insbesondere für Staatsangehörige aus Reisebeihilfen sowie finanzielle Starthilfen zur Reinte- der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien, gration finanziert (s. zur Leistungshöhe im Einzelnen Montenegro und Serbien (Visumfreiheit seit 19.12.2009) Anhang 3; IOM 2015b). Darüber hinaus werden im sowie Bosnien und Herzegowina und Albanien (Visum- freiheit seit 15.12.2010) – vWEB-Staaten (visafreie Länder Rahmen des Programms antragübermittelnde Stellen, des Westlichen Balkans)“ (IOM 2014: 1). Im Frühjahr 2015 d. h. Behörden und Nichtregierungsorganisationen, die beschlossen zudem Bund und Länder, dass auch bei koso- Anträge zur Förderung freiwilliger Rückkehr gemein- varischen Staatsangehörigen, die nach dem 31.12.2014 nach Deutschland eingereist sind, ausschließlich die sam mit potenziellen freiwilligen Rückkehrenden stel- Transportkosten bewilligt werden, während Reisebeihilfe len, beraten. Leistungen aus diesem Programm kön- und Starthilfe entfallen (BAMF 2015a: 4). Ausgenommen nen mit Ausnahme von Staatsangehörigen bestimmter von diesen Vorgaben sind Opfer von Menschenhandel, die im Rahmen des REAG/GARP-Programms auch dann Herkunftsländer9 die folgenden Bevölkerungsgruppen unterstützt werden können, wenn sie aus Mitgliedstaaten der EU oder visafreien EU-Drittstaaten kommen. Des Weiteren kann eine Person nur einmal durch das REAG/ GARP-Programm gefördert werden. 8 Neben REAG/GARP existieren eine Vielzahl weiterer 10 Allerdings handelt es sich bei zahlreichen Rückkehr- staatlicher sowie nicht-staatlicher Rückkehrförderpro- programmen und Reintegrationsprojekten um mischfi- gramme und Reintegrationsprojekte auf europäischer, nanzierte Programme, die für einen Teil der Rückkehrer Bundes-, Landes- sowie kommunaler Ebene. Sie bieten wiederum Reisekosten über REAG/GARP beantragen, teils über REAG/GARP hinausgehende Fördermöglich- während darüber hinausgehende Leistungen anderweitig keiten, die beispielsweise auf die Bedarfe bestimmter finanziert werden (z. B. Reintegrationsleistungen, Qua- (schutzbedürftiger) Personengruppen oder auf besondere lifizierungsmaßnahmen etc.). Somit erfassen die REAG/ zielstaatsbezogene Bedingungen zugeschnitten sind (vgl. GARP-Statistiken auch einen Teil jener Personen, die mit Übersicht der Akteure in Kap. 4.1 und zur Finanzierung Unterstützung weiterer Förderprogramme ausreisen. Kap. 4.1.4). Nichtsdestotrotz werden im Rahmen zahlreicher Rück- 9 Ausschließlich die Reisekosten, jedoch keine Starthilfe kehrprogramme explizit auch solche Personen gefördert, oder zusätzliche Reisebeihilfe erhalten Staatsangehö- die nicht über REAG/GARP unterstützt werden können rige aus „sicheren Drittstaaten“ sowie europäischen und in den Statistiken nicht auftauchen (Regierungsprä- Drittstaaten, d. h. Nicht-EU-Staaten, aus denen eine sidium Karlsruhe 2013: 4).
Sie können auch lesen