Kurzfassung zur Studie "Muslimisches Leben in Deutschland 2020" - Studie im Auftrag der Deutschen Islam Konferenz - BAMF
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Deutsche Islam Konferenz Kurzfassung zur Studie „Muslimisches Leben in Deutschland 2020“ Studie im Auftrag der Deutschen Islam Konferenz Katrin Pfündel / Anja Stichs / Kerstin Tanis Forschung Forschungszentrum Migration, Integration und Asyl
2 Kurzfassung zur Studie „Muslimisches Leben in Deutschland 2020“ Zielsetzung, Vorgehensweise und Zielgruppen der Studie MLD 2020 Die Studie „Muslimisches Leben in Deutschland 2020 (MLD 2020)“ wurde vom Forschungszentrum Migration, Integration und Asyl des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF-FZ) im Auftrag der Deutschen Islam Konferenz (DIK) durchgeführt. Zentrale Ziele der Studie waren die Berechnung der Zahl der muslimischen Religionsangehörigen mit Migrationshintergrund aus 23 muslimisch geprägten Herkunftsländern sowie die Beschreibung ihrer Struktur, Analyse ihrer Religiosität, religiösen Alltagspraxis sowie verschiedener Aspekte der Integration und von Ver- änderungen im Zeitverlauf, Einordnung der Befunde durch den Vergleich mit Personen anderer Religionszugehörigkeiten aus den glei- chen Herkunftsländern sowie mit Personen ohne Migrationshintergrund. Die bundesweite Repräsentativbefragung wurde zwischen Juli 2019 und März 2020 auf Basis eines standardi- sierten Fragebogens durchgeführt. Um der Vielfalt des muslimischen Lebens in Deutschland gerecht zu werden, wurden Menschen mit Migrationshintergrund aus der Türkei sowie 22 weiteren muslimisch geprägten Herkunfts- ländern aus dem Mittleren und Nahen Osten, Nordafrika sowie Südosteuropa im Alter ab 16 Jahren berücksich- tigt. Bei der Auswahl der Länder wurde zugleich darauf geachtet, dass die bezüglich der Personenzahl relevanten Herkunftsländer muslimischer Religionsangehöriger enthalten sind. Datenquellen für den vorliegenden Forschungsbericht Für die Analysen liegen Angaben aus insgesamt 4.538 Interviews mit Personen aus muslimisch geprägten Her- kunftsländern vor. Zu Vergleichszwecken wurden außerdem Interviews mit 582 Personen ohne Migrationshin- tergrund geführt. MLD 2020 ist damit aktuell die größte bundesweit repräsentative Studie über muslimisches Leben in Deutschland. In den Interviews wurden Daten zu allen in den Haushalten lebenden Personen erhoben. Hierdurch konnten so- zialstrukturelle Angaben, darunter insbesondere die Religionszugehörigkeit auch von Kindern und Jugendlichen im Alter von unter 16 Jahren, ermittelt werden. Diese Daten über insgesamt 14.354 befragte und in den Haus- halten lebende Personen mit Migrationshintergrund bilden die Grundlage für die Hochrechnung über die An- zahl der muslimischen Religionsangehörigen aus muslimisch geprägten Herkunftsländern in Deutschland (soge- nannter Haushaltsdatensatz). Die Vollversion des Forschungsberichts mit einer umfassenden Darstellung der Ergebnisse ist abrufbar unter: http://www.bamf.de/fb38-mld2020.
Kurzfassung zur Studie „Muslimisches Leben in Deutschland 2020“ 3 1 Zentrale Ergebnisse auf Basis aller in den erreichten Haushalten lebenden Personen einschließlich der Kinder und Jugendlichen im Alter von unter 16 Jahren In Deutschland leben zwischen 5,3 und 5,6 Mil- befragten Personen ohne Migrationshintergrund gibt lionen muslimische Religionsangehörige mit keine an, muslimisch zu sein. Migrationshintergrund aus einem muslimisch geprägten Herkunftsland Betrachtet man die Entwicklung der muslimischen Be- Die Daten der MLD-Studie 2020 zeigen: Die Zahl der völkerungsgruppe in Deutschland im Zeitverlauf, so in Deutschland lebenden muslimischen Religionsange- zeigt sich, dass Zahl und Anteil zugenommen haben. hörigen (einschließlich alevitischer Religionsangehöri- Aus einer früheren Hochrechnung des Forschungszen- ger) mit Migrationshintergrund aus einem muslimisch trums des BAMF geht hervor, dass am 31. Dezember geprägten Herkunftsland 2019 umfasst zwischen 2015 zwischen 4,4 und 4,7 Millionen muslimische Re- 5,3 Millionen und 5,6 Millionen Personen. Nach den ligionsangehörige in Deutschland lebten. Ihr Anteil an Ergebnissen des Mikrozensus (MZ) hatte Deutsch- den damals 82,2 Millionen Einwohnerinnen und Ein- land im Jahr 2019 insgesamt 83,1 Millionen Einwoh- wohnern in Deutschland lag zwischen 5,4 % und 5,7 %. nerinnen und Einwohner. Damit liegt der Anteil der Demnach ist die Zahl der muslimischen Religionsan- muslimischen Religionsangehörigen mit Migrations- gehörigen zwischen 2015 und 2019 um 0,9 Millionen hintergrund an der Gesamtbevölkerung im Jahr 2019 Personen und ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung in zwischen 6,4 % und 6,7 % (Abbildung 1). Die Zahl der Deutschland um rund einen Prozentpunkt gestiegen. muslimischen Religionsangehörigen ohne Migrations- hintergrund (dies sind vor allem zum Islam konver- Die Zusammensetzung der muslimischen Bevöl- tierte Menschen) konnte aufgrund ihrer im Verhältnis kerung ist im Hinblick auf die Herkunftsländer zur Gesamtbevölkerung geringen Zahl nicht bestimmt vielfältiger geworden – eine deutliche Mehrheit werden. Von den im Rahmen der MLD-Studie 2020 gehört der sunnitischen Glaubensrichtung an. Insgesamt 2,5 Millionen der muslimischen Religi- onsangehörigen stammen aus der Türkei. Ihr Anteil Abbildung 1: Anteil der muslimischen Religionsangehö- an der Gesamtzahl der Musliminnen und Muslime rigen mit Migrationshintergrund aus mus- in Deutschland beträgt 45 % (mittlerer Wert, Abbil- limisch geprägten Herkunftsländern an der dung 2). Türkeistämmige bilden unter den muslimi- Gesamtbevölkerung in Deutschland im Jahr 2019 in Prozent (mittlerer Wert) schen Religionsangehörigen in Deutschland 2019 damit weiterhin die mit deutlichem Abstand größte Herkunftsgruppe. Bevölkerung in Deutschland 2019 Rund 55 % der muslimischen Religionsangehörigen Ingesamt 83,1 Millionen stammen aus verschiedenen anderen Herkunftsregio- nen. Fast 1,5 Millionen Menschen oder 27 % kommen Davon muslimisch: circa 5,5 Millionen hierbei aus einem arabischsprachigen Land im Nahen oder 6,6 % Osten (19 %) oder Nordafrika (8 %). Dominierendes Herkunftsland unter den arabischsprachigen Mus- liminnen und Muslimen ist Syrien mit rund 729.000 Personen. Aus südosteuropäischen Herkunftsländern stammen 19 % der Musliminnen und Muslime. Etwa 9 % der muslimischen Religionsangehörigen haben Quellen: MZ 2019 sowie Hochrechnung auf Basis von MLD 2020, Datensatz mit allen Haushaltsangehörigen, ungewichtet. einen Migrationshintergrund aus einem nicht arabisch- Hinweis: Alevitinnen und Aleviten sind in der Gruppe der muslimi- sprachigen Land im Mittleren Osten. schen Religionsangehörigen mit enthalten.
4 Kurzfassung zur Studie „Muslimisches Leben in Deutschland 2020“ Abbildung 2: Muslimische Religionsangehörige mit Migrationshintergrund aus muslimisch geprägten Herkunftsländern nach Herkunftsregion in den Jahren 2008, 2015 und 2020 in Prozent (mittlerer Wert) 100% 6,4 10,6 8,8 8,3 80% 7,0 18,0 19,2 13,8 6,1 7,6 60% 12,0 19,2 40% 64,4 53,2 20% 45,1 0% 2008* 2015* 2019 Mittlerer Osten (mit Iran) Naher Osten Nordafrika Südosteuropa Türkei Quelle: Hochrechnungen des BAMF-FZ für 2008, 2015 und 2019. *2008 und 2015: Hier ohne muslimische Religionsangehörige aus Zentralasien/GUS sowie dem südlichen Afrika. Insgesamt wird deutlich, dass die Musliminnen und Muslimische Religionsangehörige bilden eine Muslime in Deutschland im Hinblick auf ihre regionale relativ junge Bevölkerungsgruppe; fast die Hälf- Herkunft eine vielfältige Gruppe bilden. Betrachtet te hat die deutsche Staatsangehörigkeit man die Entwicklung im Zeitverlauf zeigt sich darüber 21 % der muslimischen Religionsangehörigen sind hinaus, dass die Pluralität in den letzten Jahren zuge- Kinder oder Jugendliche im Alter von unter 15 Jah- nommen hat (Abbildung 2). Der Anteil der muslimi- ren. Weitere 22 % sind zwischen 15 und 24 Jahre alt, schen Religionsangehörigen in Deutschland mit türki- befinden sich also in einer Lebensphase, in der viele schem Migrationshintergrund hat seit 2008 zugunsten Menschen ihre berufliche Ausbildung noch nicht ab- der Personen aus allen anderen Herkunftsregionen ab- geschlossen haben oder am Anfang ihres beruflichen genommen. Türkeistämmige stellen nicht mehr – wie Werdegangs stehen. Nur 5 % sind älter als 64 Jahre, noch 2015 – die absolute Mehrheit unter den Musli- nähern sich also dem Rentenalter an oder haben die- minnen und Muslime. ses bereits erreicht. Bei der Gesamtbevölkerung ist der Anteil der über 64-Jährigen mit 21 % mehr als viermal Im Hinblick auf die vertretenen Glaubensrichtungen so hoch. Insgesamt betrachtet handelt es sich bei der kann festgehalten werden, dass eine deutliche Mehr- muslimischen Bevölkerung in Deutschland damit um heit sunnitisch ist (74 %). Weltweit wird der Anteil der eine sehr junge Gruppe. sunnitischen Glaubensangehörigen auf 85 % geschätzt. Mit 8 % gehört ein relativ großer Anteil der muslimi- Ein wichtiges Ergebnis im Hinblick auf die Sozialstruk- schen Religionsangehörigen dem Alevitentum an, fast tur ist zudem, dass fast die Hälfte der Musliminnen alle haben einen türkischen Migrationshintergrund. und Muslime in Deutschland deutsche Staatsangehö- 4 % der Musliminnen und Muslime in Deutschland rige sind (47 %). Bei Kindern und Jugendlichen im Alter sind schiitisch. Ahmadis sowie sonstige Glaubensrich- von unter 18 Jahren sind es sogar 68 %. Dabei zeigen tungen stellen einen Anteil von je einem Prozent. 12 % sich zwischen den Angehörigen verschiedener Her- der muslimischen Religionsangehörigen konnten oder kunftsregionen deutliche Unterschiede. Sie sind auf wollten keine Angabe zur Glaubensrichtung machen der einen Seite auf die Zuwanderungsgeschichte, auf und haben mit „weiß nicht“ geantwortet oder die An- der anderen Seite auf die Voraussetzungen für eine gabe verweigert. Einbürgerung zurückzuführen. Musliminnen und Mus- lime, die aus Nordafrika stammen, sind mit einem An- teil von 63 % überproportional häufig deutsche Staats- angehörige. Besonders niedrig ist der Anteil deutscher Staatsangehöriger unter muslimischen Personen aus dem Nahen Osten (16 %), einer Herkunftsregion, aus der vor allem in den letzten Jahren vermehrt Men- schen nach Deutschland zugewandert sind.
Kurzfassung zur Studie „Muslimisches Leben in Deutschland 2020“ 5 2 Zentrale Ergebnisse auf Basis der befragten Personen im Alter ab 16 Jahren Deutliche Unterschiede nach Herkunftsregionen viele Aspekte der Integration davon beeinflusst wer- im Hinblick auf Zuwanderungsgeneration und den, ob Menschen mit Migrationshintergrund selbst Aufenthaltsdauer nach Deutschland zugewandert oder in Deutschland Die Mehrzahl der muslimischen Religionsangehöri- geboren sind. Dieses Ergebnis ist daher ein wichtiger gen mit Migrationshintergrund aus einem muslimisch Befund, um Unterschiede zwischen den Herkunfts- geprägten Herkunftsland im Alter ab 16 Jahren gehört gruppen zu erklären. der ersten Zuwanderungsgeneration an, d.h. sie sind selbst zugewandert (69 %). Es gibt allerdings Unter- Neben der Generationenzugehörigkeit ist für den In- schiede nach Herkunftsregionen: Bei Musliminnen und tegrationsprozess die Aufenthaltsdauer in Deutsch- Muslimen mit türkischem Migrationshintergrund be- land wichtig. Die Analysen zeigen, dass muslimische trägt der Anteil der selbst zugewanderten Personen Religionsangehörige der ersten Generation aus der 54 %, bei Personen aus dem Nahen Osten sind es 95 % Türkei seit durchschnittlich 32,1 Jahren in Deutschland (Abbildung 3). leben, selbst zugewanderte Musliminnen und Mus- lime aus dem Nahen Osten seit durchschnittlich 6,4 Zwischen Personen verschiedener Religionen sind die Jahren. Dieser Befund weist in die gleiche Richtung Unterschiede hinsichtlich der Generationenzugehö- wie die Verteilung nach Zuwanderungsgenerationen: rigkeit relativ gering ausgeprägt, wenn gleichzeitig die Die Türkei verbindet eine sehr lange Einwanderungs- regionale Herkunft berücksichtigt wird. Mit anderen geschichte mit Deutschland. Viele Menschen aus dem Worten: Türkeistämmige weisen unabhängig von ihrer Nahen Osten sind hingegen erst kürzlich als Geflüch- Religionszugehörigkeit einen im Vergleich mit den an- tete nach Deutschland gekommen und befinden sich deren Gruppen relativ hohen Anteil an in Deutsch- noch mitten im Integrationsprozess. land Geborenen auf. Personen aus dem Nahen Osten im Alter ab 16 Jahren sind hingegen fast immer im Ausland geboren. Aus der Forschung ist bekannt, dass Abbildung 3: Muslimische Religionsangehörige mit Migrationshintergrund aus muslimisch geprägten Herkunftsländern nach Herkunftsregion und Zuwanderungsgeneration (in Prozent) Mittlerer Osten 87,9 12,1 Naher Osten 94,9 5,1 Nordafrika 77,9 22,1 Südosteuropa 78,3 21,7 Türkei 54,4 45,6 Insgesamt 69,1 30,9 0% 20% 40% 60% 80% 100% Erste Generation Nachfolgegenerationen Quelle: MLD 2020, Datensatz der Befragten im Alter ab 16 Jahren, gewichtet. Ungewichtete Fallzahl: 3.472.
6 Kurzfassung zur Studie „Muslimisches Leben in Deutschland 2020“ Zwischen Personen mit und ohne Migrationshin- Menschen mit Migrationshintergrund aus mus- tergrund zeigen sich deutliche Unterschiede im limisch geprägten Herkunftsländern sind stark Hinblick auf die familiäre Situation gläubig – unabhängig von ihrer Religionszugehö- Personen mit Migrationshintergrund aus muslimisch rigkeit geprägten Herkunftsländern leben fast doppelt so In Deutschland lebende Menschen mit Migrationshin- häufig in einem Haushalt mit Kindern als Personen tergrund aus den in der MLD-Studie 2020 berücksich- ohne Migrationshintergrund (46 % zu 24 %). Auch die tigten muslimisch geprägten Herkunftsländern sind durchschnittliche Haushaltsgröße und Anzahl der im deutlich religiöser als Personen ohne Migrationshin- Haushalt lebenden Kinder sind höher. Eine Erklärung tergrund. Von den Personen, die aus einem dieser Län- hierfür ist in der unterschiedlichen Altersstruktur zu der stammen, geben 82 % an, stark oder eher gläubig finden: Personen ohne Migrationshintergrund sind im zu sein (Abbildung 5). Dies gilt weitgehend unabhän- Durchschnitt 12 Jahre älter als Personen mit Migrati- gig von ihrer Religionszugehörigkeit, also sowohl für onshintergrund, so dass erwachsene Kinder teilweise muslimische Religionsangehörige als auch für Perso- nicht mehr im gemeinsamen Haushalt leben. Leben nen, die christlich sind oder einer anderen Religion an- Kinder im Haushalt, ist die dominierende Wohnform in gehören. Bei Christinnen und Christen ohne Migrati- beiden Gruppen die klassische Kernfamilie, also zwei onshintergrund sind es 55 %. Der Unterschied zu den in einer Partnerschaft lebende Elternteile sowie ein Personen mit Migrationshintergrund beträgt demnach oder mehrere Kinder. Alleinerziehende sind sowohl bei 27 Prozentpunkte. Zusammengenommen deuten diese Personen mit als auch ohne Migrationshintergrund re- Befunde darauf hin, dass weniger die Religionszuge- lativ selten. hörigkeit als die Herkunft einer Person Einfluss auf die Gläubigkeit hat. Differenziert man bei Personen mit Migrationshinter- grund aus muslimisch geprägten Herkunftsländern Innerhalb der muslimischen Bevölkerungsgruppe be- nach Religionszugehörigkeit wird deutlich, dass mus- stehen dabei deutliche Unterschiede nach Herkunfts- limische Religionsangehörige tendenziell in größe- region: Den höchsten Anteil stark oder eher gläubi- ren Haushalten leben (Abbildung 4). Die Unterschiede ger Personen weisen muslimische Religionsangehörige zu Personen, die einer sonstigen Religion angehören, auf, die aus Nordafrika stammen (94 %). Musliminnen fallen hierbei eher gering aus. So beträgt die durch- und Muslime mit Migrationshintergrund aus Südost- schnittliche Haushaltsgröße bei muslimischen Religi- europa sowie der Türkei sind tendenziell weniger reli- onsangehörigen 3,6 Personen, bei Personen mit einer giös als muslimische Religionsangehörige aus anderen anderen Religionszugehörigkeit sind es 3,3 Personen. Ländern. Mit 75 % bzw. 79 % bilden stark oder eher Vor allem die Haushalte von Personen aus muslimisch gläubige Personen jedoch auch in diesen beiden Grup- geprägten Herkunftsländern ohne Religionszugehörig- pen noch immer die deutliche Mehrheit. keit sind mit durchschnittlich 2,8 Personen kleiner. Abbildung 4: Durchschnittliche Haushaltsgröße und Kinderzahl der Personen mit Migrationshintergrund aus muslimisch geprägten Herkunftsländern nach Religionszugehörigkeit (in Personen) 1,1 Muslimische Religion 3,6 0,8 Christliche/Andere Religion 3,3 0,6 Keine Religion 2,8 1,0 Insgesamt 3,5 0,0 1,0 2,0 3,0 4,0 Durchschnittliche Kinderzahl Durchschnittliche Haushaltsgröße Quelle: MLD 2020, Datensatz der Befragten im Alter ab 16 Jahren, gewichtet. Ungewichtete Fallzahl: 4.538.
Kurzfassung zur Studie „Muslimisches Leben in Deutschland 2020“ 7 Abbildung 5: Gläubigkeit nach Migrationshintergrund und Religionszugehörigkeit (in Prozent) Muslimische Religion 28,7 52,8 13,3 5,3 Migrationshintergrund Personen mit Christliche/Andere Religion 34,2 47,5 12,4 5,8 Insgesamt 29,3 52,3 13,2 5,3 hintergrund Migrations- Personen ohne Christliche Religion 13,7 41,4 32,9 11,9 0% 20% 40% 60% 80% 100% Stark gläubig Eher gläubig Eher nicht gläubig Gar nicht gläubig Quelle: MLD 2020, Datensatz der Befragten im Alter ab 16 Jahren, gewichtet. Ungewichtete Fallzahl: 4.282. Hinweis: Personen mit Migrationshintergrund beziehen sich ausschließlich auf Personen mit Migrationshintergrund aus muslimisch geprägten Herkunftsländern. Musliminnen sind etwas gläubiger als männliche Mus- der regelmäßig praktizierenden Glaubensangehörigen lime. Dieser Unterschied zwischen den Geschlechtern gegenüber den gar nicht praktizierenden. ist nicht nur bei muslimischen Personen zu beobach- ten, sondern auch bei anderen Religionsangehörigen Eine Ausnahme bildet der Besuch religiöser Veranstal- aus den in der vorliegenden Studie berücksichtigten tungen. Der Anteil der Musliminnen und Muslime, die Herkunftsländern sowie bei Personen ohne Migrati- mindestens einmal in der Woche eine Moschee oder onshintergrund. Einen weiteren Einflussfaktor stellt ein Cem-Haus aufsuchen, ist mit 24 % relativ gering. die Generationszugehörigkeit dar. In Deutschland Ge- 35 % der Befragten geben an, niemals an einer religi- borene erweisen sich als tendenziell weniger gläubig ösen Veranstaltung teilzunehmen. Eine Ursache für als Selbstzugewanderte. den geringen Anteil an Personen, die regelmäßig einen Gottesdienst besuchen, ist, dass die Teilnahme am ge- Die praktische Ausübung der Religiosität ist für meinschaftlichen Freitagsgebet nach vorherrschen- viele muslimische Religionsangehörige ein fester der Auffassung nur für Männer eine religiöse Pflicht Bestandteil ihres Lebens darstellt. Auch setzt die Teilnahme ein entsprechendes Die Religion hat nicht nur im subjektiven Empfinden Angebot vor Ort voraus. vieler muslimischer Religionsangehöriger eine hohe Bedeutung, sondern auch im praktischen Alltag: Re- ligiöse Regeln und Praktiken werden vielfach einge- halten und in das alltägliche Leben integriert (Ab- bildung 6). Dies betrifft insbesondere Getränke- und Speisevorschriften. 70 % der Musliminnen und Mus- lime bejahen uneingeschränkt, diese einzuhalten (ohne Befragte, die diese teilweise einhalten). Zwei Drittel geben an, religiöse Feste zu begehen (66 %, ohne Be- fragte, die diese teilweise begehen). Der Anteil täg- lich betender Personen ist dagegen mit 39 % sehr viel niedriger. Gleichzeitig gibt es aber auch nicht wenige Musliminnen und Muslime, die äußern, die jeweilige religiöse Regel nicht zu beachten. So gibt beispiels- weise jede vierte muslimische Person an, niemals zu beten. Ebenso viele fasten nicht. Insgesamt überwie- gen jedoch in fast allen erfragten Bereichen die Anteile
8 Kurzfassung zur Studie „Muslimisches Leben in Deutschland 2020“ Abbildung 6: Anteil regelmäßig sowie gar nicht praktizierender muslimischer Religionsangehöriger in Bezug auf verschie- dene Bereiche der religiösen Alltagspraxis (in Prozent) 100% 80% 60% 69,5 66,3 56,1 40% 38,6 35,2 20% 24,6 24,3 23,5 15,0 17,8 0% Beten täglich Begehung religiöser Feste Einhaltung von Einhaltung religöser Besuch religiöser Getränke- und Fastenvorschriften Veranstaltungen Speisevorschriften mind. 1x pro Woche Ja Nein/nie Quelle: MLD 2020, Datensatz der Befragten im Alter ab 16 Jahren, gewichtet. Ungewichtete Fallzahl: 3.372. Hinweis: Muslimische Personen beziehen sich ausschließlich auf Personen mit Migrationshintergrund aus muslimisch geprägten Herkunftslän- dern. Der Anteil der Personen, die die entsprechenden Praktiken nur teilweise einhalten oder seltener ausüben, wird hier nicht ausgewiesen. Die Mehrheit der muslimischen Frauen trägt Gründe zu nennen. Der von den Frauen, die ein Kopf- kein Kopftuch tuch tragen, mit deutlichem Abstand am häufigsten Weniger als jede dritte Muslimin trägt ein Kopftuch genannte Grund ist die religiöse Pflicht (89 %). Erwar- (Abbildung 7). Ob ein Kopftuch getragen wird, hängt tungen im Familien- und/oder Bekanntenkreis werden stark vom Alter ab. Von den Mädchen im Kindergar- jeweils von weniger als 5 % als Grund für das Tragen ten- oder Grundschulalter (bis 10 Jahre) sind es we- des Kopftuchs geäußert. Musliminnen, die kein Kopf- niger als ein Prozent. Mit Eintritt der Pubertät erhöht tuch tragen, geben ebenfalls mehrheitlich eigenmo- sich der Anteil. tivierte Gründe an. Sie finden es zur Ausübung des Glaubens nicht nötig (77 %) oder haben keine Lust, Die muslimischen Frauen im Alter ab 16 Jahren, die ihren Kopf zu bedecken (56 %). Mehr als ein Drittel be- selbst interviewt wurden, wurden auch nach Gründen fürchtet aber auch Nachteile durch das Tragen eines gefragt, warum sie ein Kopftuch tragen bzw. warum Kopftuchs (35 %). sie dies nicht tun. Hierbei war es möglich mehrere Abbildung 7: Anteil der Musliminnen mit Migrationshintergrund aus muslimisch geprägten Herkunftsländern, die ein Kopftuch tragen, nach Altersgruppen (in Prozent) 0-10 Jahre 0,9 11-15 Jahre 11,5 16-25 Jahre 26,0 26-45 Jahre 40,4 46-65 Jahre 42,0 66 Jahre und älter 61,9 Insgesamt 30,5 0% 20% 40% 60% 80% 100% Quelle: MLD 2020, Datensatz mit allen Haushaltsangehörigen, gewichtet. Ungewichtete Fallzahl: 4.996.
Kurzfassung zur Studie „Muslimisches Leben in Deutschland 2020“ 9 Mehr als ein Drittel der muslimischen Religi- nen, die auf die eigene Herkunftsgruppe bzw. Glau- onsangehörigen im Alter ab 16 Jahren fühlt sich bensrichtung ausgerichtet sind. durch mindestens einen islamischen Verband in Deutschland ganz oder teilweise vertreten. 38 % der muslimischen Personen geben an, dass sie Mangelnde Vertretung liegt hauptsächlich am sich von mindestens einem der berücksichtigten Ver- mangelnden Bekanntheitsgrad bände in Deutschland ganz oder teilweise vertreten Im Rahmen der Studie wurden der Bekanntheits- und fühlen (Abbildung 8). 20 % verneinen eine ganz oder Vertretungsgrad von sieben Verbänden, die im Koordi- teilweise Vertretung. Vor allem unter Musliminnen und nationsrat der Muslime (KRM)1 organisiert sind sowie Muslimen, die aus der Türkei stammen, ist der Ver- von sechs weiteren Verbänden2 erfragt. Den höchs- tretungsgrad hoch: 40 % sehen ihre Interessen durch ten Bekanntheitsgrad weisen die drei türkisch ge- mindestens einen Verband vollständig und weitere prägten Verbände Alevitische Gemeinde Deutschland 18 % zumindest teilweise gewahrt. Hier spiegelt sich (AABF; 32 %), Islamische Gemeinschaft Millî Görüş e.V wider, dass diese schon lange in Deutschland ansäs- (IGMG; 33 %) und Türkisch-Islamische Union der An- sige Herkunftsgruppe eine breit gefächerte, auf un- stalt für Religion e.V. (DITIB; 42 %) auf. Insbesondere terschiedliche Bedürfnisse zugeschnittene religiöse muslimischen Religionsangehörigen mit türkischem Infrastruktur aufgebaut hat. Bei muslimischen Reli- Migrationshintergrund sind diese Verbände bekannt. gionsangehörigen aus anderen Herkunftsländern ist Vertiefende Analysen zeigen, dass Musliminnen und der Vertretungsgrad sehr viel niedriger. Die niedrigere Muslime generell vor allem diejenigen Verbände ken- Akzeptanz ist in den meisten Fällen allerdings keiner expliziten Ablehnung geschuldet. Vielmehr sind den 1 Berücksichtigt wurden folgende Verbände: Islamische Gemein- Betreffenden die genannten Verbände oftmals nicht schaft Millî Görüş e.V. (IGMG), Islamrat für die Bundesrepublik bekannt. Am seltensten sehen sich muslimische Reli- Deutschland e.V. (IRD), Türkisch-Islamische Union der Anstalt gionsangehörige aus dem Nahen Osten repräsentiert für Religion e.V. (DITIB), Union der Islamisch-Albanischen Zen- tren in Deutschland e.V. (UIAZD), Verband der Islamischen Kul- (8 %). Fast 80 % der Personen aus dieser durch Neu- turzentren e.V. (VIKZ), Zentralrat der Marokkaner in Deutsch- zuwanderung geprägten Gruppe geben an, keinen der land e.V. (ZRMD) sowie Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V. (ZMD). genannten Verbände zu kennen. 2 Es handelt sich um folgende Verbände: Ahmadiyya Muslim Jamaat (AMJ), Alevitische Gemeinde Deutschland (AABF), Bünd- Differenziert man nach Glaubensrichtung zeigt sich, nis Malikitische Gemeinde Deutschland e.V. (BMG), Islamische dass es vor allem den Verbänden kleinerer Konfes- Gemeinschaft der Bosniaken in Deutschland - Zentralrat e.V. (IGBD), Islamische Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden sionen gelingt, ihre Zielgruppe auf sich zu vereinen. e.V. (IGS) sowie Liberal-Islamischer Bund e.V. (LIB). Die Ahmadiyya Muslim Jamaat (AMJ) wird von 81 % Abbildung 8: Ganz oder teilweise Vertretung durch mindestens einen islamischen Verband unter muslimischen Religions- angehörigen nach Herkunftsregion (in Prozent) Mittlerer Osten 16,8 6,9 19,6 52,0 4,6 Naher Osten 3,9 3,9 9,8 79,2 3,2 Nordafrika 14,2 8,7 18,0 56,2 3,0 Südosteuropa 9,8 7,2 19,9 56,7 6,5 Türkei 39,8 17,6 22,4 15,2 5,0 Insgesamt 25,7 12,3 19,5 37,8 4,8 0% 20% 40% 60% 80% 100% Vertretungsgrad durch die Verbände Mindestens ein Verband ganz Mindestens ein Verband teilweise Keine Vertretung Kein Verband bekannt Keine Angabe/Weiß nicht Quelle: MLD 2020, Datensatz der Befragten im Alter ab 16 Jahren, gewichtet. Ungewichtete Fallzahl: 3.472 (nur muslimische Religions angehörige). Hinweis: Muslimische Personen beziehen sich ausschließlich auf Personen mit Migrationshintergrund aus muslimisch geprägten Herkunftslän- dern.
10 Kurzfassung zur Studie „Muslimisches Leben in Deutschland 2020“ der Angehörigen dieser Glaubensrichtung ganz oder Die selbst eingeschätzten Deutschsprachkenntnisse teilweise anerkannt. Von der AABF sehen sich 47 % muslimischer Personen und Angehöriger anderer Re- der Alevitinnen und Aleviten repräsentiert. Ein ähnli- ligionen mit Migrationshintergrund aus muslimisch ches Bild zeigt sich, wenn man bei den großen her- geprägten Herkunftsländern unterscheiden sich kaum kunftslandbezogenen Verbänden ausschließlich den – sofern die jeweilige Herkunftsregion berücksichtigt Vertretungsgrad unter ihrer eigentlichen Zielgruppe wird. Dieses Ergebnis deckt sich mit den Ergebnissen betrachtet. So fühlt sich mehr als die Hälfte der türk- der MLD-Studie 2008. eistämmigen sunnitischen Glaubensangehörigen ganz oder teilweise durch die DITIB vertreten (52 %) und Das schulische Bildungsniveau von Personen mit Mi- mehr als ein Viertel durch die IGMG (27 %). Von den grationshintergrund aus muslimisch geprägten Her- bosnischen Sunnitinnen und Sunniten geben 31 % an, kunftsländern ist unabhängig von der Zuwandererge- dass sie sich durch die IGBD ganz oder teilweise reprä- neration tendenziell schlechter als das von Personen sentiert sehen. ohne Migrationshintergrund. Sie haben häufiger kei- nen Schulabschluss, gleichzeitig ist der Anteil derjeni- Deutschkenntnisse und Bildungsabschlüsse gen mit Hochschulreife niedriger. Berücksichtigt man werden stark von migrationsbiographischen bei den Personen mit Migrationshintergrund außer- Indikatoren beeinflusst dem die Religionszugehörigkeit, zeigen sich zwischen Der überwiegende Teil der muslimischen Religions- muslimischen Religionsangehörigen sowie Personen, angehörigen attestiert sich selbst gute oder sehr gute die einer anderen Religion angehören, kaum Unter- Deutschkenntnisse (79 %). Unter den muslimischen schiede (Abbildung 9). Personen, die keiner Religion Personen, die in Deutschland geboren sind, schätzen angehören, weisen dagegen ein höheres schulisches annähernd alle Personen ihre Sprachkenntnisse als Bildungsniveau auf. sehr gut ein (93 %). Die nach Herkunftsregion diffe- renzierten Auswertungen zeigen zudem, dass weni- Innerhalb der Gruppe der muslimischen Religionsan- ger gute Deutschkenntnisse vor allem auf eine kurze gehörigen zeigen sich Unterschiede nach Herkunftsre- Aufenthaltsdauer zurückzuführen sind. So stufen gion. Personen aus dem Mittleren Osten, einer Region, muslimische Personen aus dem Nahen und Mittleren die stark durch Fluchtmigration geprägt ist, haben Osten, die durchschnittlich die kürzeste Aufenthalts- oftmals (noch) keinen schulischen Bildungsabschluss dauer aufweisen, ihre Deutschkenntnisse tendenziell (27 %). Vornehmlich bei jüngeren selbst Zugewander- schlechter ein. ten lässt sich dies dadurch erklären, dass Bildungsbio- Abbildung 9: Höchster Schulabschluss nach Migrationshintergrund und Religion (in Prozent) 100% 80% 36,0 37,0 38,1 54,1 52,7 49,6 51,5 60% 21,5 20,0 21,6 40% 23,2 27,0 34,3 29,8 26,7 25,5 25,1 20% 13,1 17,4 16,2 15,8 17,5 15,3 14,2 9,6 0% Muslimisch Christlich/Andere Keine Religion Insgesamt Christlich Keine Religion Insgesamt Personen mit Migrationshintergrund Personen ohne Migrationshintergrund Kein Schulabschluss Pflichtschulabschluss Weiterführender Schulabschluss Hochschulreife Quelle: MLD 2020, Datensatz der Befragten im Alter ab 16 Jahren, gewichtet. Ungewichtete Fallzahl: 4.763. Hinweis: Schülerinnen und Schüler wurden aus den Analysen ausgeschlossen. Werte unter 3 % werden nicht ausgewiesen. Personen mit Migra- tionshintergrund beziehen sich ausschließlich auf Personen mit Migrationshintergrund aus muslimisch geprägten Herkunftsländern.
Kurzfassung zur Studie „Muslimisches Leben in Deutschland 2020“ 11 graphien aufgrund der Flucht unterbrochen werden kunftsregionen mit kurzer Einwanderungsgeschichte mussten. und einem hohen Anteil an Neuzugewanderten der Fall ist. Auch in Bezug auf in Deutschland erworbene beruf- liche Bildungsabschlüsse lässt sich bei Personen mit Personen mit Migrationshintergrund aus musli- Migrationshintergrund aus muslimisch geprägten Her- misch geprägten Herkunftsländern sind anteilig kunftsländern ein Nachholbedarf erkennen.3 Unabhän- seltener erwerbstätig als Personen ohne Migra- gig von der Religionszugehörigkeit haben sie deut- tionshintergrund lich seltener eine Berufsausbildung oder ein Studium Während der Anteil der Erwerbstätigen in der Alters- in Deutschland absolviert als Personen ohne Migrati- gruppe der 16- bis 64-Jährigen bei Personen mit Mig- onshintergrund (59 % zu 9 %). Dies gilt insbesondere rationshintergrund aus muslimisch geprägten Her- für selbst Zugewanderte. Rund drei von vier Personen kunftsländern 53 % beträgt, sind es bei Personen ohne haben keinen entsprechenden Abschluss (Abbildung Migrationshintergrund 72 %. Beim Vergleich der Er- 10). Angehörige der Nachfolgegenerationen können werbstätigkeit nach Religionszugehörigkeit wird deut- hingegen zum überwiegenden Teil einen in Deutsch- lich, dass Personen, die keiner Religion angehören, land erworbenen Berufsausbildungs- oder Studienab- unabhängig vom Migrationshintergrund die höchste schluss vorweisen. Die Religionszugehörigkeit wirkt Erwerbstätigenquote erreichen. Zwischen muslimi- sich innerhalb der Gruppe der in Deutschland Gebore- schen Religionsangehörigen sowie Angehörigen einer nen mit Migrationshintergrund kaum aus. Der starke christlichen oder anderen Religion aus den entspre- Einfluss der Migrationsgeschichte auf die berufliche chenden Herkunftsländern bestehen insgesamt kaum Bildung zeigt sich auch, wenn man die Herkunftsgrup- Unterschiede. pen miteinander vergleicht. Bei Herkunftsgruppen, die eine lange Einwanderungsgeschichte und damit einen Sowohl bei Personen mit als auch ohne Migrations- hohen Anteil an Angehörigen der Nachfolgegenerati- hintergrund sind Männer häufiger erwerbstätig als onen aufweisen, haben deutlich mehr Personen eine Frauen (Abbildung 11). Bei Personen aus muslimisch berufliche Ausbildung oder ein Studium in Deutsch- geprägten Herkunftsländern sind die Geschlechtsun- land absolviert als dies bei Angehörigen aus Her- terschiede allerdings größer: Unter den Personen mit Migrationshintergrund weisen muslimische Frauen 3 Im Ausland erworbene Abschlüsse sind hier nicht berücksichtigt, die niedrigste Erwerbsquote auf (41 %). Eine Erklärung da sie oftmals nicht formal anerkannt sind. hierfür ist, dass sie überproportional häufig in Haus- Abbildung 10: Berufliche Ausbildung in Deutschland von Personen mit Migrationshintergrund aus muslimisch geprägten Herkunftsländern nach Zuwanderungsgeneration und Religion (in Prozent) Muslimisch 74,6 3,9 15,7 4,5 Erste Generation Christlich/Andere 71,9 6,3 14,6 6,0 Keine Religion 55,5 22,8 5,2 14,3 Insgesamt 72,4 4,0 16,3 5,7 Muslimisch 21,8 20,6 41,1 4,8 11,7 Nachfolgegenerationen Christlich/Andere 16,7 18,7 42,1 20,2 Keine Religion 17,9 22,5 32,3 27,1 Insgesamt 21,0 20,7 40,1 4,1 14,0 0% 20% 40% 60% 80% 100% Keine Berufsausbildung In Berufsausbildung Berufsausbildung Meister/Techniker Hochschulabschluss Quelle: MLD 2020, Datensatz der Befragten im Alter ab 16 Jahren, gewichtet. Ungewichtete Fallzahl: 4.230. Hinweis: Hinweis: Schülerinnen und Schüler wurden aus den Analysen ausgeschlossen. Werte unter 3 % werden nicht ausgewiesen.
12 Kurzfassung zur Studie „Muslimisches Leben in Deutschland 2020“ Abbildung 11: Anteil der Erwerbstätigen unter 16- bis 64-jährigen Personen nach Migrationshintergrund, Religion und Geschlecht (in Prozent) 100% 80% 76,5 75,5 77,4 76,9 60% 67,8 63,3 64,6 61,1 61,0 56,5 49,4 51,1 40% 41,2 42,8 20% 0% Muslimisch Christlich/Andere Keine Religion Insgesamt Christlich Keine Religion Insgesamt Personen mit Migrationshintergrund Personen ohne Migrationshintergrund Frauen Männer Quelle: MLD 2020, Datensatz der Befragten im Alter ab 16 Jahren, gewichtet. Ungewichtete Fallzahl: 4.697. Hinweis: Personen mit Migrationshintergrund beziehen sich ausschließlich auf Personen mit Migrationshintergrund aus muslimisch geprägten Herkunftsländern. halten mit einem oder mehreren Kindern leben. Hinzu Der Einfluss der Religion auf die Integration kommt, dass relativ viele muslimische Frauen – insbe- wird in Bezug auf Menschen aus muslimisch ge- sondere der ersten Generation – über keinen berufli- prägten Herkunftsländern häufig überschätzt chen Ausbildungsabschluss verfügen. Im Zusammen- Es lässt sich festhalten, dass die jeweilige Religionszu- spiel wirken sich diese beiden Faktoren negativ auf die gehörigkeit bei Personen mit Migrationshintergrund Optionen und Chancen von Frauen bei der Arbeitssu- aus muslimisch geprägten Herkunftsländern in Bezug che aus. auf die betrachteten Aspekte der Integration keinen oder nur einen geringen Einfluss hat. Unterschiede be- Unter muslimischen Personen ist keine ethni- stehen vor allem zwischen Personen, die einer Reli- sche Abgrenzung feststellbar, viele fühlen sich gion angehören und der relativ kleinen Gruppe von aus mit Deutschland stark verbunden muslimisch geprägten Ländern zugewanderten Per- Soziale Integration stellt eine Basis für den gesell- sonen ohne Religionszugehörigkeit. Letztere sind an- schaftlichen Zusammenhalt dar. Eine wichtige Gele- teilig häufiger in Deutschland geboren, schätzen ihre genheitsstruktur für das Zusammentreffen von Men- Deutschsprachkenntnisse tendenziell besser ein, ver- schen sind Vereine. Der Großteil der Musliminnen und fügen häufiger über einen hohen Bildungsabschluss Muslime, der eine Vereinsmitgliedschaft besitzt, hat und weisen eine höhere Erwerbsquote auf. Insgesamt diese in einem deutschen Verein. Auch die Häufigkeit lassen sich die teilweise nach Religionszugehörigkeit der Alltagskontakte zu Personen deutscher Herkunft beobachteten Unterschiede von Personen aus musli- ist hoch. Zudem zeigen muslimische Religionsange- misch geprägten Herkunftsländern vor allem auf mi- hörige mit weniger sozialen Kontakten einen starken grationsspezifische Einflussfaktoren zurückführen, so Wunsch zu häufigeren Kontakten zu Personen ohne etwa auf Generationenzugehörigkeit, Aufenthaltsdauer Migrationshintergrund. Eine explizite Abgrenzungs- oder Migrationsgründe. tendenz kann – wie bereits in der MLD-Studie 2008 – nicht festgestellt werden. Muslimische Religionsangehörige fühlen sich stärker mit Deutschland verbunden als Personen ohne Mig- rationshintergrund. Dies gilt gleichermaßen für selbst Zugewanderte als auch für in Deutschland Geborene. Die Unterschiede zu Personen mit Migrationshinter- grund aus muslimisch geprägten Herkunftsländern, die einer anderen oder keiner Religion angehören, sind gering.
Impressum Herausgeber: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Forschungszentrum Migration, Integration und Asyl 90461 Nürnberg Verfasst von: Katrin Pfündel | Referat FI - Internationale Migration und Migrationssteuerung Dr. Anja Stichs | Referat FII - Integration und gesellschaftlicher Zusammenhalt Dr. Kerstin Tanis | Referat FII - Integration und gesellschaftlicher Zusammenhalt Stand: 04/2021 Druck: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Gestaltung: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Bildnachweis: Titelbild: iStock-funky-data Zitat: Pfündel, Katrin/ Stichs, Anja/ Tanis, Kerstin (2021): Kurzfassung zur Studie „Muslimisches Leben in Deutsch- land 2020“. Forschungszentrum des Bundesamtes, Nürnberg: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Diese Publikation wird vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Rahmen seiner Öffentlichkeitsarbeit herausgegeben. Die Publikation wird kostenlos abgegeben und ist nicht zum Verkauf bestimmt. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlwerbern oder Wahlhelfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Bundestags-, Landtags- und Kommunalwahlen sowie für Wahlen zum Europä- ischen Parlament. Besuchen Sie uns auf: http://www.bamf.de/forschung www.facebook.com/bamf.socialmedia @BAMF_Dialog
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