DER WEG IN DIE GIGABIT GESELL-SCHAFT - WIE NETZAUSBAU ZUKÜNFTIGE INNOVATIONEN SICHERT - Vodafone Institute

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DER WEG
IN DIE
GIGABIT
GESELL-
SCHAFT
WIE NETZAUSBAU ZUKÜNFTIGE
INNOVATIONEN SICHERT
Eine Studie der IW Consult GmbH
unter Mitwirkung des Economica Instituts für Wirtschaftsforschung und
des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI

im Auftrag des Vodafone Instituts für Gesellschaft und Kommunikation
Inhalt
Gigabit für den Pioniergeist 3
Kernergebnisse 4
Wo stehen wir? 6
Warum sollten wir aktiver werden? 24
Wo geht die R­ eise hin? 35
Was sind die Anforderungen an eine Gigabit-Gesellschaft? 70
Impressum 83
GIGABIT-GESELLSCHAFT

Gigabit für den
Pioniergeist
Grußwort von
Hannes Ametsreiter

Der Countdown läuft. Die Gigabit-Gesellschaft kommt.
Die Frage ist nur noch: Wann und wo zuerst? Bereits jetzt
liefern sich Städte wie Stockholm, London, Tokyo oder
Seoul einen Wettlauf um den inoffiziellen Titel der „ersten
5G-Stadt“.

  Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass
Zukunftstechnologien den Austausch von gewaltigen
Datenmengen erfordern werden: Seien es per Cloud
                                                              Dr. Hannes Ametsreiter,
verbundene, rasend schnell lernende Roboter, hochkom-
                                                              CEO Vodafone Deutschland,
plexe Fertigungsprozesse oder opulente Virtual-Reality-       Mitglied im Executive Committee
Spiele. Hier liegen für die Wirtschaft und damit auch für     der Vodafone Group

die Gesell­schaft enorme Potenziale.

  Den Einfluss von verbesserten Netzen auf die Ökono-
mie eines Landes in Zahlen zu fassen, ist ein zentrales
Anliegen dieser Studie – und damit ein wirklich neuer           Deutschland braucht schnelle Netze. Diese sind nur
Ansatz. Den Machern ist es gelungen, Formeln für das          möglich durch einen zukunftsorientierten Technologiemix
Einhergehen von Breitbandausbau und Anstieg des               aus Glasfaser und Koaxialkabel. Dafür muss auch die
Brutto­inlands­produktes zu identifizieren. Zudem zeigt       Politik die entsprechenden Grundlagen legen. Ein Gigabit-
sich, dass 17 Zukunftstechnologien mit weit überdurch-        Netz sind wir schließlich nicht nur der Innovationslust
schnittlichen Zahlen an Patentanmeldungen für die             unserer Forscher, sondern auch kommenden Generatio-
Gigabit-Gesellschaft eine ganz zentrale Rolle spielen         nen schuldig.
werden.
                                                                Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.
  Deutsche Forscher und Unternehmer haben auf dem
Gebiet der Gigabit-Innovationen in den vergangenen Jah-         Ihr Hannes Ametsreiter
ren einmal mehr viel Pioniergeist bewiesen. Umso unver-
ständlicher, dass die momentanen Netzgeschwindigkei-
ten in Deutschland im internationalen Vergleich allenfalls
Durchschnitt sind und man ernsthaft über Investitionen in
das limitierte Vectoring nachdenkt, ohne gleichzeitig die
Infrastruktur für eine Gigabit-Zukunft zu schaffen. Europä-
ische Nachbarstaaten und Asien setzen bereits voll auf
Glasfaser – und Deutschland diskutiert noch über Kupfer.
Das darf nicht der Anspruch einer führenden Industrie­
nation sein.

                                                                                                                      3
GIGABIT-GESELLSCHAFT

Kernergebnisse
Der Datenhunger wächst – aber Deutschland ist                  `` Umgerechnet bedeutet dies, dass eine Erhöhung der
bei der Breitbandversorgung nur Mittelmaß                      derzeitigen Geschwindigkeit in Deutschland um 1 Prozent
                                                               zu einer Erhöhung des BIP um knapp 2 Milliarden Euro
`` Digitalisierung ist ein globaler Wachstumstreiber. Welt-    führen würde.
weit wird bis 2019 ein Anstieg des Datenvolumens auf
51.794 GB/s (Gigabyte pro Sekunde) prognostiziert – das        `` Gerade weil Deutschland beim Glasfaserausbau noch
ist mehr als dreimal so viel wie heute. Wettbewerber wie       am Anfang steht, sind bei derartigen Investitionen beson-
Südkorea, Schweden oder Portugal haben die Zeichen             ders große Vorteile zu erwarten.
der Zeit erkannt und investieren verstärkt in den Ausbau
von Glasfasernetzen.                                           Mit Gigabit-Netzen und Schlüsseltechnologien
                                                               auf dem Weg in die smarte Welt
`` Deutschland belegte Ende 2014 bei der Geschwindig-
keit seiner Breitbandanschlüsse mit 12,9 Mbit/s einen          `` Vernetzung, Mobilität, Alterung, Individualisierung und
Platz im Mittelfeld, während Spitzenreiter Südkorea            Sicherheit bestimmen als zentrale Themen die Zukunft der
26,7 Mbit/s erreichte.                                         Gigabit-Gesellschaft. In den hierdurch emporwachsenden
                                                               Anwendungsmärkten Smart Consuming, Smart Mobility,
`` Zukunftssichere reine Glasfaseranschlüsse sind in           Smart Energy, Smart Health, Smart Industry und Smart
Deutschland kaum vorhanden: Nur 1,3 Prozent aller An-          Administration liegen Chancen, aber auch Herausforde-
schlüsse basieren auf FTTB/H – in Südkorea sind es fast        rungen, die nur durch entsprechende Schlüsseltechnolo-
70 Prozent. Dieser Abdeckungsgrad wird zwar in Europa          gien bewältigt werden können.
nicht erreicht, dennoch weisen Länder wie Schweden
(46 Prozent), Norwegen (31 Prozent) und Portugal               `` Im Rahmen der Studie wurden durch Experteninterviews
(24 Prozent) deutlich höhere Glasfaseranteile an den           und Desk-Research insgesamt 17 Schlüsseltechnologien
Breitbandanschlüssen auf als Deutschland.                      für die Gigabit-Gesellschaft identifiziert: Zu diesen gehö-
                                                               ren z. B. Kartendienste, Virtual Reality, Cloud-Anwendun-
`` Die geringe Verbreitung von Glasfaseranschlüssen in         gen, digitale Signaturen, Mensch-Maschinen-Schnittstel-
Deutschland kann in absehbarer Zeit zu einem erheb­            len oder der Bereich der holografischen Visualisierung.
lichen Standortnachteil für die hiesige Wirtschaft werden.
Ende 2015 verfügten lediglich 59 Prozent der Unterneh-         `` Die Patentanalyse hat gezeigt: In diesen 17 Schlüssel-
men über Breitbandanschlüsse mit mindestens 50 Mbit/s;         technologien wurden zwischen 2006 und 2015 weltweit
in ländlichen Regionen waren es sogar nur 29 Prozent.          insgesamt 470.000 Patentfamilien veröffentlicht. Dies
                                                               entspricht einer Erhöhung der Patentaktivität in den
Investitionen in die Qualität der                              Gigabit-Schlüsseltechnologien um 54 Prozent; im selben
Breitbandversorgung lohnen sich                                Zeitraum erhöhte sich die weltweite Patentdynamik über
                                                               alle Technologiebereiche um lediglich 11 Prozent.
`` Investitionen in die Verbesserung der Qualität der Breit-
bandnetze und die Erhöhung der Glasfaseranschlüsse             `` Deutschland ist in diesen Bereichen bereits Mitte der
haben positive volkswirtschaftliche Effekte: Wenn die          1990er Jahre patentaktiv gewesen und erreichte dort im
­Anzahl der Glasfaseranschlüsse um 1 Prozent steigt,           Vergleich zum Rest der Welt bereits sehr früh eine hohe
 erhöht sich das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,02 bis        Technologiereife. Die hohe Wachstumsdynamik in den
 0,04 Prozent – für Deutschland hätte dies einen BIP-          Technologiefeldern impliziert zugleich wachsende Anfor-
 Zuwachs zwischen 600 Millionen und 1,2 Milliarden Euro        derungen an die Breitbandinfrastruktur in einer smarter
 zur Folge.                                                    werdenden Welt. Die Patentanalysen zeigen weiterhin:
                                                               Schlüsseltechnologien zielen oftmals zunächst auf private
`` Auch die Leistungsfähigkeit der Breitbandnetze kor-         Nutzergruppen. Von hier aus verbreiten sich die Schlüs-
reliert positiv und statistisch hochsignifikant mit dem        seltechnologien dann in weitere Märkte.
Wirtschaftswachstum: Im Durchschnitt der betrachteten
Länder geht eine Erhöhung der Durchschnittsgeschwin-           `` Diese Anforderungen fallen in den einzelnen Anwen-
digkeit um 1 Prozent mit einer Steigerung des BIP von          dungsmärkten jedoch recht unterschiedlich aus: Im
0,07 Prozent einher.                                           Bereich Smart Consuming führt die zunehmende Nutzung

4
GIGABIT-GESELLSCHAFT

von Videodiensten zu deutlich steigenden Anforderungen        trie, Latenz und Stabilität steigen. Echtzeitanwendungen
an die Netzinfrastruktur. Während Streamingangebote           in Bereichen des autonomen Fahrens, Smart Grid oder
vor allem beim Datendownload eine hohe Bandbreite             bei webbasierten Geschäftsmodellen sind nur einige Bei-
benötigen, erfordert der Einsatz von Video-Services bei       spiele, die nach FTTB/H und 5G verlangen.
Messenger-Diensten und sozialen Medien zusätzlich auch
eine symmetrische Datenverbindung.                            `` Die Entwicklung hin zu Gigabit-Netzen ist nicht zuletzt
                                                              durch einen immensen Anstieg des zu verarbeitenden
`` Der Markt für Smart Mobility, wie etwa das autonome        Datenvolumens getrieben, der sich weiter fortsetzen wird.
Fahren, ist vor allem auf geringe Latenzen und eine           Deswegen wäre mit dem Erreichen des Ausbauziels der
stabile Internetverbindung angewiesen. Hier ruhen die         Bundesregierung im Jahr 2018 von mindestens 50 Mbit/s
Hoffnungen vor allem auf den neuen Möglichkeiten, die         in der Fläche in Deutschland allenfalls ein Etappenziel
das 5G-Netz mit sich bringen wird. Auch im Bereich Smart      erreicht. Auf diesem Niveau eine Ruhepause einzulegen,
Energy ist zu erwarten, dass die Datenvolumen zukünf-         käme im internationalen digitalen Standortwettbewerb
tig überschaubar bleiben. Sollten aber beispielsweise         einem Rückschritt gleich.
Selbstversorger-Communities zukünftig ihren Strom in
einem Smart Grid „sharen“, dann sind auch hier zur Kraft-     `` Eine zukunftsfähige Breitbandausbaustrategie sollte
werks- und Netzsteuerung sehr geringe Latenzen und            sich daher zumindest mittelfristig an den Bedürfnissen
eine hochstabile Netzanbindung zwingend notwendig.            der Power-User im Business-Bereich orientieren und die
                                                              Netze nach deren Bedürfnissen auslegen. Denn gerade
`` Im deutschen Gesundheitswesen werden bildgebende           von dieser Avantgarde der Unternehmen gehen die ent-
Verfahren und Bildverarbeitung zu einem Anstieg des           scheidenden Innovationsimpulse zur Entwicklung digitaler
übertragenen Datenvolumens und der Bandbreiten-               Geschäftsmodelle und zur digitalen Transformation der
nachfrage führen. Hier wird die Dynamik aber vor allem        Wirtschaft aus.
durch strikte gesetzliche Regulierungen ausgebremst, die
Wettbewerb und damit innovative Gesundheitsdienstleis-        `` Die Unternehmen werden nur dann in vernetzte Echt-
tungen weitgehend verhindert.                                 zeitgeschäftsmodelle investieren, wenn sie sich sicher
                                                              sein können, dass die Netze in der notwendigen Leis-
`` Im Bereich Smart Industry (Industrie 4.0) werden derzeit   tungsfähigkeit und Dichte vorhanden sind. Erst das Ange-
vor allem 3D-Druck und Virtual-Reality-Anwendungen            bot an Gigabit-Netzen befeuert auf der Anwendungsseite
erprobt, die aber nur moderate Anforderungen an die           eine steigende Nachfrage. Damit hat der Gigabit-Netzauf-
Netze stellen. Sollten die Netze der Zukunft aber eine        bau auch eine marktschaffende Funktion.
extrem hohe Stabilität und geringe Latenzen aufweisen,
dann wird hier die Produktionssteuerung über Cloud-           `` Die Erschließung ländlicher Regionen mit Gigabit-Ver-
Anwen­dun­gen denkbar. Dies würde die etablierten Wert-       bindungen stellt hierbei eine echte Herausforderung dar.
schöpfungsketten revolutionieren, ist aber mit den derzeit    Sie wird nicht alleine durch technische Ertüchtigungen
verfügbaren Netzen noch Zukunftsmusik.                        der vorhandenen Infrastruktur gelingen können. Gerade
                                                              auf dem Land werden Sendeanlagen für Mobilfunk sowie
Die Gigabit-Gesellschaft braucht qualitativ                   Tiefbaumaßnahmen mit der Verlegung von Leitungen
­hochwertige Breitbandnetze                                   notwendig sein – diese Leitungen werden aus Glasfaser
                                                              bestehen.
`` Eine digitale Wirtschaft – und am Ende auch wesent­
liche Teile der Gigabit-Gesellschaft – ist eine Netz-         `` Eine leistungsfähige Breitbandinfrastruktur ist für eine
werkökonomie. Datenaustausch, Kommunikation und               Gigabit-Gesellschaft eine notwendige, aber für einen
Interaktion entlang der gesamten Wertschöpfungskette          erfolgreichen Weg dorthin noch lange keine hinreichende
sind ihre Kennzeichen. Die Potenziale können nur dann         Bedingung. Hinzukommen müssen geeignete Rahmen-
erschlossen werden, wenn möglichst alle Unternehmen           bedingungen in Politik, Staat und Gesellschaft, welche
und Haushalte an dieses Netz angeschlossen sind.              die digitale Transformation ermöglichen, erleichtern und
                                                              flankieren.
`` Die qualitativen Anforderungen an die Breitbandinfra-
struktur der Zukunft in puncto Geschwindigkeit, Symme-

                                                                                                                         5
GIGABIT-GESELLSCHAFT

Wo stehen wir?
Die Digitalisierung hat die Welt im rasanten Tempo
erobert. Sie durchdringt immer schneller und tiefer
unsere Lebenswelten. Startpunkt der in dieser Studie
unternommenen Reise zur Gigabit-Gesellschaft ist eine
Standort­bestimmung. Sie beginnt mit Fragen: Wo stehen
wir gegenwärtig in der Digitalisierung, was ist der Status
quo? Hinzu gesellen sich schnell weitere Fragen: Was
ist überhaupt Digitalisierung? Wie groß ist das hierbei zu
verarbeitende Datenvolumen und woher kommt dieser

                                                             Potenzial
Datenhunger überhaupt? Was muss getan werden, um
ihn zu stillen? Bei der Beantwortung dieser Fragen richtet
sich der Blick nicht nur auf Deutschland, sondern auf
einen breiteren Länderkanon. Dadurch kann die Situation
in Deutschland leichter eingeordnet werden.                  Das wirtschaftliche Potenzial der
                                                             Digi­talisierung der deutschen Wirt-
                                                             schaft wird auf 154 Milliarden Euro
                                                             ­geschätzt – das wäre ein Zuwachs des

    Deutschland                                               Bruttoinlandsprodukts (BIP) pro Jahr
                                                              von etwa 1 Prozent.

    steht international bei der

                                                             Anstieg
    Versorgung mit Breitband im
    Mittelfeld – und bei der mit
    Glasfaser im Tabellen­keller.

    Glasfaser-
                                                             des weltweiten Datenvolumens
                                                             1992: 0,0012 GB/s
                                                             (GB/s = Gigabyte pro Sekunde)

    ausbau
                                                             2014: 16.144 GB/s
                                                             Prognose 2019: 51.794 GB/s

    Geht in Deutschland der Glasfaser-
    ausbau im Tempo der letzten beiden
    Jahre weiter, dauert es noch über
    40 Jahre bis zu einer flächendecken-
    den ­Versorgung.

6
GIGABIT-GESELLSCHAFT

Digitalisierung verändert                                               die zugleich hochautomatisiert sind. Neben klassischen
                                                                        robotergestützten Produktionsprozessen gehören hierzu
­Wirtschaft und Gesellschaft                                            auch die physischen Infrastruktureinrichtungen in der
                                                                        Telekommunikation.

Die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft gilt              `` Smart Products: Das sind physische Produkte, die über
heute als der Megatrend, der alles verändert und mit                     Sensoren eine Beobachtung und Steuerung beim Kun-
einem disruptiven Strukturwandel verbunden ist. Jeder                    den in ihrer Nutzungsphase zulassen. Hersteller und
spricht über die Digitalisierung, aber auch fast jeder ver-              Kunden bleiben damit über den gesamten Produktle-
steht hierunter etwas anderes. Sehr allgemein wird unter                 benszyklus miteinander verbunden. Das eröffnet für
Digitalisierung die Sammlung, Verdichtung, Analyse, Wei-                 Dienstleistungen ganz neue Möglichkeiten.
terverarbeitung und Weitergabe von Daten durch Com-
puter verstanden. So richtig das ist, so wenig hilfreich ist          `` Smart Operations: Bei dieser wirklich neuen Dimension
diese Definition für eine Abschätzung der ökonomischen                   der Digitalisierung geht es darum, physische Prozesse
Bedeutung der Digitalisierung oder eine Vermessung der                   virtuell als sogenannte digitale Schatten abzubilden,
digitalen Wirtschaft. Die Digitalisierung hat verschiedene               um dadurch Planungs- und Steuerungsprozesse zu
Dimensionen und kann nur aus diesen spezifischen Blick-                  optimieren. Hierfür kommen alle Tools, Systematiken
winkeln verstanden werden. Auf der Ebene der Leistungs­                  und modernen Analysetechniken zum Einsatz, die
erstellung ist zwischen der Prozess- und Produktebene                    umfangreiche Datenmengen im Umfeld der Logistik-
sowie zwischen der physischen und virtuellen Welt zu                     und Produktionssysteme auswerten. So können Unter­
unterscheiden (vgl. Abbildung).                                          nehmen mithilfe von Algorithmen mögliche Ausfälle
                                                                         von Maschinen voraussagen und Logistiker die Routen
`` Smart Factory: Dazu zählen Infrastrukturen, Anlagen                   ihrer Transportfahrzeuge auf Basis von Verkehrs- und
   und Maschinen, die über datengestützte Technologien                   Bedarfsdaten in Echtzeit anpassen.
   oder cyberphysische Systeme gesteuert werden und

Dimensionen der Digitalisierung
                 Physisch                          Virtuell

                Smart Factory                 Smart Operations
            Vernetzte Produktion            Virtualisierte Prozesse
Prozess-   (Infrastruktur, Anlagen             und Steuerungen
ebene         und Maschinen)                (Software und Daten-
                                                                                                                   Digitale Geschäftsmodelle
                                                                                          Vernetzte Gesellschaft

                                                management)
                                                                       Vernetzte Kunden

                                                                                                                         Smart Markets/

                                   Vernetzung

              Smart Products                  Smart Services
            Vernetzte Produkte               Datenbasierte und
Produkt-     auf der Hersteller-                 vernetzte
ebene         Kunden-Ebene                    Dienstleistungen
            (Komponenten und                (Apps und Analysen)
                 Endgeräte)
                                                                                                                                               Quelle: IW Consult

                Zulieferer aus nicht digitalisierten Bereichen

                                                                                                                                                                          7
GIGABIT-GESELLSCHAFT

`` Smart Services: Darunter sind alle datenbasierten

                                                                  Losgröße 1
   Dienstleistungen zu verstehen, bei denen das Endpro-
   dukt selbst als Datei dargestellt werden kann oder über
   datenbasierte Geschäftsmodelle ein Mehrwert erwirt-
   schaftet wird. Online-Shops gehören genauso dazu wie
   Apps oder Streaming-Dienste.                                   ist möglich – und dazu steuert sich
                                                                  das Bauteil auch noch selbstständig
  Jeden dieser Bausteine gibt es für sich genommen                durch die Produktion.
schon lange. Das Neue an der Digitalisierung ist aber,
dass diese Bausteine untereinander – im Unternehmen,

                                                                  Der digitale
zwischen Unternehmen, aber auch zwischen Unterneh-
men und Kunden – vernetzt sind. Dadurch eröffnet die
Digitalisierung einen Raum bisher ungeahnter Möglich­

                                                                  Barista
keiten: Sie bringt neue Geschäftsmodelle hervor, Pro-
zesse werden grundlegend umgestaltet, die Art und
Weise, wie sich Unternehmen organisieren, produzieren
und kommunizieren, wird sich ebenso verändern wie die
Arbeitswelt. Diese Konnektivität eröffnet große Potenziale
für Effizienzgewinne sowie für neue Märkte und Produkte.
                                                                  macht den Kaffee per Fingertipp –
Deshalb gehören zur Digitalisierung auch das Internet             ganz nach individueller Vorliebe
der Dinge, die Machine-to-Machine-Kommunikation oder              des Kunden.
Cloud Computing.

  Die Kunden sind in diese Wertschöpfungsnetzwerke
ebenso wie die Gesellschaft (Nichtkunden) eingebunden,
weil der Austausch über Social-Media-Kanäle Rückwirkun-        teil trägt einen Chip, der sagt, was aus ihm werden soll
gen auf die Produkte und Prozesse auf der Unter­nehmens­       und zu welcher Maschine es als Nächstes geht. All diese
ebene haben. Darüber hinaus werden die Interaktionen           Informationen müssen in Echtzeit verarbeitet und bewertet
zwischen Unternehmen und zwischen Unternehmen und              werden, damit die Smart Factory problemlos funktioniert.
Kunden durch das Auftreten von Plattformen komplett
umgestaltet, denn sie verändern Marktstrukturen und die           Smart Products sind Waren, Maschinen oder Anlagen,
Struktur der Wirtschaft im Ganzen.                             die über das Internet vernetzt bleiben, auch nachdem sie
                                                               die Fabrik verlassen haben. So kann ein Aufzughersteller
   Die Vernetzung von Produkten und Prozessen sowie die        einem Unternehmen anbieten, die Lifte in einem Hoch-
Verbindung von physischer und virtueller Welt machen den       haus auf Energieeffizienz zu trimmen. Je nachdem, ob
Kern der Digitalisierung aus. Deswegen sind die Enabler-       die U-Bahn nebenan gerade einen Schwung Besucher
Funktion von Telekommunikationsinfrastrukturen und die         ausspuckt oder nicht, setzen sich unterschiedlich viele
daran anknüpfenden Dienstleistungen für das Gelingen der       Aufzüge in Bewegung. Smarte Produkte bieten einen Zu-
digitalen Transformation auch so wichtig. Denn eine digita-    satznutzen zum reinen Produktnutzen, und dieser kommt
lisierte Wirtschaft ist datenbasiert und auf einen schnellen   durch Datensammlung zustande. Diese Daten können
und effizienten Datenaustausch angewiesen.                     dann ausgewertet werden oder befähigen das Produkt,
                                                               autonom Aktionen auszuführen. Auch durch die externe
  In der Smart Factory wird eine immense Datenmenge            Steuerung über eine App wird ein Produkt smart: Kaffee-
von Maschinen verarbeitet, die entscheiden müssen, was         maschinen mit dazugehörigen Apps machen das manu-
zu tun ist. Hunderte Sensoren und Chips nehmen hierzu          elle Auswählen des gewünschten Programms überflüssig.
Messwerte für Tausende unterschiedlicher Teile auf.            Stattdessen wird die gewünschte Menge per Smartphone
In Zukunft werden Kleinserien oder sogar Einzelstücke in       oder Tablet gewählt. Kühlschränke speichern Nutzerpro-
die Produktion eingebracht wie Massenware. Jedes Bau-          file und lösen selbstständig Einkäufe aus.

8
GIGABIT-GESELLSCHAFT

  Smart Operations verbinden alle internen und externen                       mittlungsdienst für Fahrdienste Uber gibt Privatleuten die
Wertschöpfungspartner vom Lieferanten bis zum Kunden.                         Möglichkeit, als Taxifahrer Geld zu verdienen, und vermit-
Dadurch entsteht ein Netzwerk zur unternehmensüber-                           telt Fahrten über eine App oder Webseite.1
greifenden Planung und Steuerung des gesamten Pro-
duktlebenszyklus. Innerhalb des Unternehmens werden                              In der Industrie eröffnet das zunehmende Verschmelzen
Vertrieb, Produktentwicklung und ‑planung, Produktion,                        virtueller Welten mit der realen Fertigung im Zusammen-
Aftersales und Rechnungswesen miteinander vernetzt.                           spiel mit Vernetzung und Cloud Computing völlig neue
Alle Entitäten werden nicht nur digital erfasst, sondern                      Möglichkeiten. Beispielsweise lassen sich aus Prozess-
müssen auch miteinander vernetzt sein, damit sie über                         und Produktionsdaten künftige Entwicklungen errechnen
Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT)                            und passgenaue Empfehlungen ableiten. Neben Verfüg-
und Algorithmen in einer virtuellen Welt gesteuert werden                     barkeits-, Performance- und Qualitätssteigerungen rücken
können. Hierdurch wird im Unternehmen die Sichtbarkeit                        auch die Verbesserung der Energieeffizienz und die
dessen, was datengestützt abgebildet wird, erhöht.                            Senkung der Kosten in den Fokus.

  Smart Services sind ein Einfallstor für digitale Geschäfts-                   Die Interaktion zwischen Unternehmen, Kunden und Ge-
modelle, die bestehende Wertschöpfungsketten aufbre-                          sellschaft in den Wertschöpfungsnetzwerken ist Voraus-
chen und ihren Wertschöpfungsfokus auf der Datenerhe-                         setzung für die Entstehung digitaler Märkte in der Gigabit-
bung und ‑analyse haben. Einige Branchen haben ihre                           Gesellschaft. In dieser Studie werden die Bereiche Smart
Geschäftsmodelle bereits stark verändert, andere sind                         Consuming, Smart Mobility, Smart Energy, Smart Health,
mittendrin. So verändert die Digitalisierung beispielsweise                   Smart Industry und Smart Administration im Vordergrund
die Machtstrukturen in der Taxibranche. Der Online-Ver-                       stehen.

                                                                              1   http://www.zdnet.de/88244688/umsatzzahlen-von-uber-
                                                                                  durchgesickert/ [Stand: 2016-05-20]; http://www.manager-

Marktentwicklung UBER
                                                                                  magazin.de/unternehmen/it/uber-verhandelt-ueber-milliarden-
                                                                                  kredit-a-1035115.html [Stand: 2016-05-20]

Angaben in Milliarden US-$

                                                     Marktwert

    Buchungsvolumen

               10,84

  2,91
                             26,0                        50,0
   2014          2015         2016                        2015
                            Prognose

2015 war Uber in über 50 Ländern und mehr als 200 Städten vertreten.
Quellen: http://www.zdnet.de/88244688/umsatzzahlen-von-uber-durchgesickert/
[Stand: 2016-05-20]; http://www.manager-magazin.de/unternehmen/it/uber-
verhandelt-ueber-milliarden-kredit-a-1035115.html [Stand: 2016-05-20]

                                                                                                                                                9
GIGABIT-GESELLSCHAFT

Entwicklung des Daten­                                                    Internetnutzer
volumens – kaum stillbarer                                                in Millionen
Datenhunger
                                                                                                 1990        1997        2002        2007         2014
Die zunehmende weltweite Digitalisierung und die damit                     Deutschland             0,1           5,5      40,3        61,8         69,8
einhergehende universelle Vernetzung von Menschen und
                                                                           EU                      0,3          24,9    172,3        301,4        396,7
Maschinen haben zu einem exponentiellen Anstieg des
übertragenen Datenvolumens geführt. Nach Angaben von                       Welt                    2,6      120,5       664,3     1.372,1      2.953,9
Cisco stieg das weltweite Datenvolumen von 100 Giga­
                                                                          Quellen: Weltbank, 2016, World Development Indicators; eigene Berechnungen
byte pro Tag im Jahr 1992 auf 16.144 Gigabyte pro
Sekunde im Jahr 2014 an. Ein Ende dieses Trends ist in
den kommenden Jahren nicht abzusehen. Vielmehr wird                         Dabei hat sich sowohl die absolute Anzahl der Internet-
erwartet, dass sich bis 2019 das weltweite Datenvolumen                   nutzer als auch das Datenvolumen pro Nutzer deutlich
mehr als verdreifachen wird.                                              erhöht. Nach Angaben der Weltbank nutzten im Jahr
                                                                          1990 rund 2,6 Millionen Menschen einen Internetzugang.
  Das liegt auch daran, dass die über das Internet                        2014 hat sich die Zahl der weltweiten Nutzer auf fast drei
übertragenen Inhalte einen immer höheren Datenumfang                      Milliarden Menschen erhöht. Damit sind rund 40 Prozent
besitzen. Während zur Übertragung einer Textnachricht                     der weltweiten Bevölkerung online. In Deutschland sind
nur wenige Kilobyte an Daten anfallen, benötigt ein Full-                 aktuell mit 70 Millionen Menschen rund 86 Prozent der
HD-Video oft mehrere Gigabyte an Datenvolumen. 2014                       Bevölkerung online. 1990 waren es nur 100.000 Personen.
entfielen rund zwei Drittel des weltweit übertragenen                     In der gesamten EU waren im Jahr 2014 rund vier von fünf
Datenvolumens auf Videoanwendungen.2                                      Europäern online.3

2    Cisco Systems, 2015, Visual Networking Index [Stand: 2016-05-23]     3   Weltbank, 2016, World Development Indicators [Stand: 2016-05-23]

Anstieg des weltweiten Datenvolumens
        0,0012 GB/s          0,0278 GB/s           100 GB/s             2.000 GB/s                   16.144 GB/s                    51.794 GB/s
       (100 GB/Tag)        (100 GB/Stunde)

              Darstellung ist um das
              1.000-Fache vergrößert

          1992                    1997                 2002               2007                           2014                           2019
                                                                                                                                     (Prognose)

Quelle: Cisco Systems, 2015, Visual Networking Index

10
GIGABIT-GESELLSCHAFT

Digitalisierung – ein neuer                                         schöpfung im Netz selbst erzeugt. Infolgedessen ist die
                                                                    Vernetzung von Unternehmen, Konsumenten und Gesell-
Raum der Möglichkeiten                                              schaft von überragender Bedeutung.

                                                                      Obwohl Unternehmen, Politik und Gesellschaft die
Digitalisierung ist ein Positiv-Thema: 60 Prozent der               Möglichkeiten der Digitalisierung erkennen, stehen in
Dienstleistungsunternehmen in Deutschland schätzen                  der Praxis noch keine Messkonzepte bereit, welche die
den Einfluss der Digitalisierung auf ihren Unternehmens-            Gesamtheit der vier Dimensionen der Digitalisierung
erfolg als hoch ein. Die Unternehmen der gewerblichen               einschließen. Bei der Vermessung der Potenziale oder
Wirtschaft haben die Zeichen der Zeit erkannt: Von ihnen            des Entwicklungsstands werden bisher nur Teilaspekte
investierten im Jahr 2015 immerhin 25 Prozent mehr als              verwendet:
10 Prozent ihres Gesamtumsatzes in die Digitalisierung;
2020 sollen es schon 37 Prozent der Unternehmen sein.               `` In einem Branchenkonzept werden die traditionellen
                                                                       IKT-Bereiche und die Internetwirtschaft zur digitalen
  Mobile Computing, Transaktionsdienste im Internet,                   Wirtschaft zusammengefasst.
IT-Sicherheit, Cloud-Dienste, Big Data, Indus­trie 4.0,
Smart Services oder 3D-Druck sind international wichtige            `` In generischen Modellen wird über den Einsatz von
Wachstumsfelder der Digitalisierung in den nächsten fünf               Computern, Softwarelösungen, digital-affinen Techno-
Jahren.4 In diesen Bereichen wird ein Großteil der Wert-               logien oder daten- und internetgestützten Dienstleis-
                                                                       tungen der Digitalisierungsgrad von Unternehmen oder
                                                                       Branchen bestimmt. Bei volkswirtschaftlichen Verglei-
4   BMWi, 2015, Monitoring-Report Wirtschaft DIGITAL 2015, Berlin
                                                                       chen kommen noch die Güte der Breitbandinfrastruktur
                                                                       und bestimmte Rahmenbedingungen hinzu. Die Ergeb-

     Zwei Drittel
                                                                       nisse hängen dann stark von der Auswahl und Gewich-
                                                                       tung der verwendeten Indikatoren ab.

                                                                    `` In Prognosemodellen werden auf Basis von Fallstudien
     der Unternehmen wollen mit                                        die beobachtbaren Effizienzgewinne oder Wachstums-
     Industrie 4.0 ihre Effizienz und                                  chancen in neuen Märkten auf die branchen- oder
     ­Umsätze erhöhen.5                                                gesamtwirtliche Ebene hochgerechnet.

                                                                    Die Branchensicht

     80 Prozent
                                                                    Die digitale Wirtschaft wird üblicherweise als IKT-Bran-
                                                                    chen plus Internetwirtschaft definiert. Im Jahr 2014 erwirt-
                                                                    schaftete das Herzstück – die deutsche IKT-Branche –
                                                                    einen Umsatz in Höhe von 221 Milliarden Euro und eine
     der Unternehmen halten die Digita­                             Bruttowertschöpfung von 93 Milliarden Euro. In insgesamt
     lisierung insgesamt für bedeutsam.                             92.000 Unternehmen finden 1,05 Millionen Menschen
                                                                    ihren Arbeitsplatz. Hinzugerechnet werden muss aber die
                                                                    Internetwirtschaft, die in Deutschland Umsätze von mehr
                                                                    als 100 Milliarden Euro beisteuert. Der Pro-Kopf-Umsatz

     88 Prozent
                                                                    ist mit 1.266 Euro deutlich geringer als in Spitzenländern
                                                                    wie Südkorea (2.221 Euro), dem Vereinigten Königreich
                                                                    (2.194 Euro) oder den USA (2.027 Euro).7 Die Dynamik
                                                                    kommt aus der Internetwirtschaft, denn Analysen der
     der Unternehmen sind mit dem
     ­erreichten Stand der Digitalisierung
                                                                        IW Consult / FIR, 2015, Industrie 4.0-Readiness, Köln
      zufrieden.6
                                                                    5
                                                                    6   BMWi, 2015
                                                                    7   BMWi, 2015

                                                                                                                                  11
GIGABIT-GESELLSCHAFT

Die Verbreitung von ausgewählten
IKT-Tools und ‑Aktivitäten in Unternehmen, 2014
in Prozent

100
                                                                                                                                           █ höchste
                                                                                                                                             Verbreitung
    80                                                                                                                                     █ mittlere
                                                                                                                                             Verbreitung

    60                                                                                                                                     █ geringste
                                                                                                                                             Verbreitung
                                                                                                                                           █     1. Quartil
    40
                                                                                                                                           █ █   Durchschnitt
                                                                                                                                                 3. Quartil
    20
                                                                                                                                           █

    0
          Breitband      Webseite        E-Käufe         Soziale    ERP           E-Verkäufe      Supply Chain          RFID
                                                        Netzwerke                                 Management
                                                                                                     (SCM)

Quelle: OECD, 2015, OECD Digital Economy Outlook 2015

OECD zeigen, dass von 2007 bis 2013 der IKT-Sektor
nicht mehr als Ganzes zum Wirtschaftswachstum beige-
                                                                          IW-Digitalisierungsindex
tragen hat, sondern nur noch die Bereiche Software und
                                                                          Index von 0 (keine Digitalisierung)
IT-Services.8
                                                                          bis 100 (hohe Digitalisierung)
Generische Messkonzepte

Eine Vielzahl von Studien, die in eher generischen Verfah-                                                                                               59
ren Indikatoren zur Beschreibung des Status quos nutzen,
zeigen vor allem eines: In vielen Bereichen steht die Digi-                DE

talisierung erst am Anfang. Zwei Fünftel der Unternehmen
in der OECD nutzen elektronische Beschaffungssysteme,                                                                                   47
nur ein Drittel setzt ERP-Systeme ein und weniger als
12 Prozent verwenden RFID-Technologien.9

  Generische Ansätze werden auch zur Positionsbestim-
mung ganzer Volkswirtschaften verwendet. Exemplarisch
dafür sind die Digitalisierungsindizes des Monitoring-
Reports, des World Economic Forums (WEF), der EU oder                                                                           41
des IW Köln. Allen ist gemeinsam, dass Deutschland nur                    Welt
einen Platz im Mittelfeld belegt und insbesondere Süd-
korea den Spitzenplatz einnimmt. Allerdings nehmen die                                                            30                                 █ 2015
Digitalisierungsgrade weltweit zu.                                                                                                                   █ 2012

8    OECD, 2015, OECD Digital Economy Outlook 2015,
     OECD Publishing, Paris                                                      Quellen: WEF, 2015, Networked Readiness Index; IW Köln, 2016, Wohlstand
9    OECD, 2015                                                                  in der digitalisierten Welt, Erster IW-Strukturbericht; eigene Berechnungen

12
GIGABIT-GESELLSCHAFT

Prognosen und Potenzialschätzungen

Analysten von Roland Berger10 sehen in der Digitalisie-
rung bis 2025 kumuliert ein Wertschöpfungspotenzial von
1,25 Billionen Euro in der europäischen Industrie – das
                                                                                      Potenzial
entspricht einer Steigerung der industriellen Bruttowert-                             Das wirtschaftliche Potenzial der
schöpfung um 20 bis 30 Prozent. In einer Metastudie des                               Digitalisierung der deutschen Wirt-
Bundeswirtschaftsministeriums gehen Schätzungen von                                   schaft wird auf 154 Milliarden Euro
­einem Wachstumspotenzial in Höhe von rund 153,5 Milli-                               in den nächsten fünf Jahren ge-
 arden Euro in den nächsten fünf Jahren durch den Einsatz                             schätzt – das wäre ein BIP-Zuwachs
 von Industrie 4.0 in Deutschland aus.11 Die Boston Consul-                           pro Jahr von etwa 1 Prozent.14
 ting Group (BCG) erwartet einen Beschäftigungszuwachs
 von 6 Prozent für die nächsten zehn Jahre;12 das Institut
 der deutschen Wirtschaft Köln sieht durch die Digitalisie-
 rung zumindest keine negativen Beschäftigungseffekte.13                          Die Implementierung von Industrie-4.0-Konzepten steht
                                                                                am Anfang. Fast 90 Prozent der Industrieunternehmen
Digitalisierung kein Selbstläufer                                               sind Neulinge ohne einschlägige Erfahrungen. Etwa 9 Pro-
                                                                                zent sind Einsteiger, die die ersten Schritte unternommen
Die Digitalisierung der Wirtschaft ist sicherlich kein Selbst-                  haben. Erst ein Prozent gehören zu den Pionieren, die
läufer. Die Potenziale sind noch lange nicht gehoben und                        zumindest Industrie 4.0-Konzepte implementiert haben.15
das internationale Rennen um die Märkte ist noch nicht                          Wie es weitergeht, ist offen. Gerade Arbeitsmarktforscher
entschieden. Die Unternehmen haben einen Strukturwan-                           warnen, dass mit der Digitalisierung auch große Umwäl-
del mit erheblichem disruptiven Potenzial zu bewältigen.                        zungen entstehen, die auch mit möglichen Arbeitsplatz-
                                                                                verlusten verbunden sein könnten. Eine aktuelle Studie
                                                                                der OECD schätzt, dass jeder zehnte Arbeitsplatz in der
10   Roland Berger, 2015, Die digitale Transformation der Industrie,
     München                                                                    OECD durch Automatisierung gefährdet ist – in Deutsch-
11   Wischmann et al., 2015, Volks- und betriebswirtschaftliche Fakto-
     ren für den Standort Deutschland, Berlin
12   BCG, 2015, Industry 4.0: The future of Productivity and Growth in
     Manufacturing Industries
13   IW Köln, 2015, Beschäftigungseffekte der Digitalisierung, in:              14   BMWi, 2015
     IW-Trends, Heft 3/2015, S. 77–94                                           15   IW Consult / FIR, 2015

Wachstum der Totalen Faktorproduktivität
1990 = 100
130                                                                                                                                    █   Deutschland

125
                                                                                                                                       █   Welt

120

115

110

105

100

 95
        1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014

Quellen: Conference Board, 2015, The Conference Board Total Economy Database; eigene Berechnungen

                                                                                                                                                    13
GIGABIT-GESELLSCHAFT

land sind es 12 Prozent.16 Eine Studie des Instituts für
Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) stützt diesen
                                                                          Breitband – Wegbereiter für
Befund.17                                                                 das Gigabit-Zeitalter
  Einige Ökonomen hegen Zweifel, ob die Digitalisierung
der Wirtschaft bereits positive Effekte zeigt oder in Zukunft             Die erwarteten Entwicklungen der Gigabit-Gesellschaft
überhaupt haben wird. Der amerikanische Ökonom R       ­ obert            werden eine moderne und leistungsfähige Netzinfrastruk-
Gordon – ein profilierter Wachstumsskeptiker – sieht in                   tur erfordern. Nur mit qualitätsgesicherten Hoch­geschwin­
der Zukunft weltweit kein wirkliches Produktivitätswachs-                 dig­keits­netzen werden die erheblichen Potenziale und
tum mehr. Der technische Fortschritt habe seinen Zenit                    Wettbewerbsvorteile, die der digitale Wandel für Unter-
überschritten, auch von den Digitalisierungstechnologien                  nehmen, Privatpersonen und den öffentlichen Sektor mit
sei kein neuer Schub zu erwarten.18 Zumindest die letzten                 sich bringt, ausgeschöpft und der Wirtschaftsstandort
Jahre geben Gordon recht. Weltweit ist das Produktivitäts-                Deutschland gestärkt werden können.
wachstum gefallen. Zwischen 1990 und 2011 ist weltweit
die Totale Faktorproduktivität jedes Jahr um 0,8 Prozent                    Die Bundesregierung hat die Bedeutung von Netzen
gestiegen – seit 2011 ist die Wachstumsrate negativ.19                    mit hohen Leistungen erkannt und sich das Ziel gesetzt,
                                                                          bis 2018 alle deutschen Haushalte mit Datenraten von
  Unternehmen, Wissenschaft und Politik müssen vor                        mindestens 50 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) zu versor-
dem beschriebenen Hintergrund entscheiden, wie sie                        gen. Dafür wurde eine entsprechende Förderrichtlinie
die Fakten einschätzen. Weltweit scheinen die Optimis-                    beschlossen, die 2,7 Milliarden Euro für den Ausbau
ten deutlich in der Mehrheit zu sein. In allen relevanten                 zur Verfügung stellt. Rund die Hälfte der Fördersumme
Industrieländern wird über Digitalisierungsstrategien                     (1,4 Milliarden Euro) stammt aus Haushaltsmitteln. Weitere
nachgedacht. Viele Unternehmen, Wissenschaftler und                       1,3 Milliarden Euro kommen aus der Versteigerung von
Start-ups entwickeln gerade mit Hochdruck neue digitale                   Funkfrequenzen für mobiles Breitband durch die Bundes-
Geschäftsmodelle. Das zeigt die Verschiebung der For-                     netzagentur.
schungsschwerpunkte, wie sie beispielsweise durch die
Entwicklung der Patentanmeldungen gemessen werden                           Auch die EU hat sich zum Ziel gesetzt, Breitband zu
kann. So ist die Zahl der Patente im Bereich der digita-                  fördern, und hat in der Digitalen Agenda folgende Ziele
len Technologien weltweit zwischen 2006 und 2015 um                       bis zum Jahr 2020 definiert:
54 Prozent gestiegen – das liegt weit über dem Durch-
schnitt von 11 Prozent (vgl. Kapitel 3).                                  `` In allen europäischen Haushalten soll es schnelles Inter-
                                                                             net mit Datenraten von mindestens 30 Mbit/s geben.

                                                                          `` Die Hälfte der europäischen Haushalte soll mit An-
16   http://www.welt.de/wirtschaft/article155468431/Diese-                   schlüssen ausgestattet sein, die eine Übertragungs­
     Arbeitnehmer-haben-kuenftig-noch-gute-Chancen.html                      geschwindigkeit von mindestens 100 Mbit/s ermög­
     [Stand: 2016-05-28]
17   IAB, 2015, Industrie 4.0 und die Folgen für Arbeitsmarkt und Wirt-      lichen.
     schaft, IAB-Forschungsbericht, Nr. 08/2015, Nürnberg
18   Gordon, Robert J., 2015, Secular Stagnation, in: American Econo-       Die von der Europäischen Kommission definierten Regu-
     mic Review, 105. Jg., Nr. 5, S. 54–59                                larien bilden die Grundlage für den geförderten Breitband­
19   Conference Board, 2015, The Conference Board Total Economy           ausbau in Europa. Demzufolge soll in Übereinstimmung mit
     Database [Stand: 2016-05-22]
                                                                          der „Digitalen Agenda für Europa“ die Verbesserung der
                                                                          Breitbandversorgung auch in Regionen erreicht werden,
                                                                          die nicht über den Markt erschließbar sind.

                                                                          Kabelgebundene Technologien
                                                                          zur Breitbandübertragung

                                                                          Wurde der Zugang zum World Wide Web vor 25 Jah-
                                                                          ren noch fast ausschließlich über für einfache Telefon­

14
GIGABIT-GESELLSCHAFT

gespräche ausgelegte Kupferkabel realisiert, gibt es

                                                                                        Übertragungs-
heute verschiedene deutlich leistungsfähigere Übertra-
gungstechnologien im Festnetz und Mobilfunk. Vor allem

                                                                                        technologien
sogenannte Next Generation Access (NGA)-Anschlüsse
mit einer Downloadrate von mindestens 30 Mbit/s garan-

                                                                                        ­Festnetz
tieren die Mindestvoraussetzung für die Nutzung vieler
heute verfügbarer digitaler Angebote, wie etwa hoch­
auflösender Videos.
                                                                                        Kupferhybride (FTTC)
  Um diese Herausforderungen in der Breitbandübertra-
gung meistern zu können, stehen Technologien zur Verfü-                                 `` Ersetzen vorhandener Kupfernetze durch
gung, die mit unterschiedlicher Distanz der Glasfaserkabel                              Glasfaserkabel bis zu einem zentralen Verteiler-
zum Endkunden arbeiten. Leistungsfähigere Brücken-                                      punkt (Kabelverzweiger)
technologien wie FTTC überbrücken nur eine geringe
                                                                                        Koaxialhybride (HFC)
Leitungsstrecke zum Endkunden mit bereits in der Ver-
gangenheit verlegten Leitungen. Daneben gibt es hybride                                 `` Ersetzen vorhandener Koaxial­kabel durch
Technologien wie Glasfaser-Koaxialnetze (HFC), die auch                                 Glasfaserkabel bis zu einem zentralen Verteiler-
längerfristig Übertragungsgeschwindigkeiten vergleich-                                  punkt (DOCSIS Hub)
bar zu reinen Glasfasernetzen ermöglichen. Nur wenn die
gesamte Strecke der Datenübertragung zum Kunden über
                                                                                        Glasfaserkabel (FTTB/H)
Glasfaserkabel erfolgt, spricht man von einem Glasfaser-                                `` Reine Glasfaserleitung bis in den Keller
anschluss (FTTB/H).                                                                     (FTTB) oder in die Wohnung (FTTH) des Kunden

Übertragungstechnologien Festnetz
█ Glasfaserleitung      █ Kupferleitung     █ Koaxialkabel                                                     Bandbreite bei maximaler Entfernung zum Haushalt

  FTTC (VDSL2)                    KVz                                                                                                        50 Mbit/s 1.000 Meter

  FTTC (Vectoring)                KVz                                                                                                       100 Mbit/s 1.000 Meter

  FTTC (G.fast)                                                                                                                  KVz        500 Mbit/s    250 Meter

                                                                                                                                 GF
  HFC (DOCSIS 3.1)                                                                                                               Hub        > 10 Gbit/s

  FTTB/H                                                                                                                                    > 10 Gbit/s

Quellen: Europäische Kommission, 2016a, Comparison of Technologies; Elektronik Kompendium, 2016, Breitbandtechnik; Darstellung IW Consult
FTTC = Fiber-to-the-curb; HFC = Hybrid-Fibre-Coax-Netz; FTTB/H = Fibre-to-the-building/home; KVz = Kabelverzweiger

                                                                                                                                                                  15
GIGABIT-GESELLSCHAFT

  Die Glasfaserhybriden haben den Vorteil, dass schnell
kostengünstige, leistungsfähige Breitbandanschlüsse für
                                                              Maximale Übertragungs­
die Kunden bereitgestellt werden können. Je leistungs­        geschwindigkeiten Mobilfunk
fähiger ein Anschluss sein soll, desto näher muss aber
auch hier das Glasfaserkabel an den Kunden geführt
werden. Vor allem Anschlüsse auf Kupferbasis (VDSL2,                                            10
Vectoring, G.fast) stoßen hier an ihre Grenzen. Lediglich                                      Gbit/s
hybride Glasfaser-Koaxial-Systeme sind weitgehend län-
genunabhängig.

   FTTB/H-Anschlüsse haben hohe Investitionskosten und                            600
                                                                      21,6
damit auch höhere Preise für die Kunden. Dafür erhält                            Mbit/s
                                                                     Mbit/s
der Nutzer den leistungsfähigsten Anschluss, mit dem
                                                                      UMTS          4G            5G
auch der Bedarf zukünftiger Anwendungen problemlos
garantiert werden kann. Ein Glasfaseranschluss besitzt        Quelle: Elektronik Kompendium, 2016, http://www.elektronik-kompendium.de/sites/
zudem sowohl beim Download als auch beim Hochladen            kom/1301051.htm [Stand: 2016-05-20]
optimale Eigenschaften – hier haben Hybride deutliche
Nachteile. Auch bei der Verzögerungszeit der Datenüber-
tragung und der Widerstandsfähigkeit der Kabel besitzt        mo­bile Echtzeitanwendungen benötigen aber eine ge-
Glasfaser klare Vorteile. Diese technischen Möglichkeiten     ringe Reaktionsgeschwindigkeit, um optimal funktionieren
sind noch lange nicht in Märkte übersetzt. So erreichen       zu kön­nen. Zur mobilen Datenübertragung müssen die
erst 7,5 Prozent der Breitbandanschlüsse in Deutschland       Mobil­funkanbieter nicht nur entsprechende Sendestatio-
Bandbreiten über 100 Mbit/s.20 Höhere Leistungen wer-         nen instal­lieren und mit Glasfasern an das Backbone-Netz
den bisher nur in Einzelfällen realisiert.                    anschließen, sondern sie müssen auch die Nutzungsrechte
                                                              für die Frequenzblöcke von den staatlichen ­Netzagenturen
Drahtlose Technologien zur Breitbandübertragung               erwerben. Ende Mai 2016 hat die Europäische Union in
                                                              ­einem Vorentscheid die zukünftige Nutzung der Frequenzen
Besonders im Mobilfunk hat sich die Menge der übertra-         im Bereich von 470 bis 790 Megahertz (MHz) verabschie-
genen Daten in den letzten Jahren dramatisch erhöht.           det. Demnach sollen die Frequenzen aus dem sogenann-
Durch die stark steigende Nutzung von Smartphones              ten UHF-Band (Ultra High Frequency) bis 2020 in Europa
und die damit verbundenen Möglichkeiten der mobilen            freigegeben werden. Ein großer Frequenzbereich ist dabei
Nutzung verschiedenster Anwendungen sind die Anforde-          für die ausschließliche Mobilfunknutzung vorgesehen,
rungen an die Mobilfunknetze stark gestiegen und werden        was auch Grundlage für den Mobilfunk der Zukunft (5G)
auch in den nächsten Jahren weiter rasant zunehmen.            wichtig ist.

   Klassische Mobilfunknetze wie das GSM oder UMTS-              Die Erreichung einer maximalen Übertragungsrate mit
Netz können die erwarteten Datenraten nicht bewältigen.       LTE und kommenden modernen Mobilfunktechnologien
Nur 4G-LTE-Netze heute und geplante 5G-Netze in Zukunft       ist nur möglich, wenn mehrere Frequenzblöcke kombiniert
bieten die hierfür nötigen Bandbreiten. In Deutschland sol-   werden. LTE erreicht laut Spezifikation pro 20-MHz-Band
len bis Ende 2016 mittels LTE-Advanced maximale Über-         rechnerisch eine Übertragungsrate von über 300 MBit/s.
tragungsraten von bis zu 500 Mbit/s ermöglicht werden.        Nur durch die Kombination verschiedener Frequenz­
                                                              bänder sind so Datenraten von etwa 600 Mbit/s möglich.21
  Mobilfunknetze der fünften Generation besitzen eine La­     Da in Deutschland und anderen Ländern verschiedene
tenz – also die Antwortgeschwindigkeit der Gegenstelle bei    Mobilfunkanbieter um die freien Frequenzen konkurrieren,
der Datenübertragung – von einer bis zehn Millisekun­den.     stellt die Verfügbarkeit von ausreichend für den Mobilfunk
LTE-Anschlüsse weisen im Normalfall mit 40 bis 50 Milli­      freigegebenen Frequenzbändern ein wichtiges Kriterium
sekunden eine deutlich höhere Latenzzeit auf. Gerade          für die Bereitstellung leistungsfähiger Mobilfunknetze dar.

                                                              21   http://www.elektronik-kompendium.de/sites/kom/1301051.htm
20   Bundesnetzagentur, 2016, Jahresbericht 2015, Bonn             [Stand: 2016-05-20]

16
GIGABIT-GESELLSCHAFT

Einsatz von Technologien –

                                                                                 In 44 Prozent
in Deutschland dominiert das Kupferkabel

Es gibt eine Vielzahl an Technologien auf dem Markt, die
den Ausbau der Breitbandinfrastruktur ermöglichen und
die eine zuverlässige Breitbandversorgung gewährleisten.                         der europäischen Haushalte ist das
                                                                                 Kabelnetz verfügbar.22
  In Deutschland ist die kupferbasierte DSL-Technologie
am weitesten verbreitet – 78 Prozent der Breitband­
anschlüsse werden hierüber realisiert. In vielen EU-
Mitgliedsstaaten sieht es ähnlich aus – auch hier erfolgt
der Großteil der Breitbandanschlüsse über DSL (69 Pro-                           Die Kabelnetzbetreiber
zent). Einige Mitgliedsstaaten setzen jedoch schon heute
                                                                                 sind ein wichtiger Akteur in der
konsequenter auf Glasfaserkabel. Über das Kabelnetz
laufen in Deutschland etwa 6,6 Millionen und damit etwa
                                                                                 ­europäischen digitalen Landschaft –
ein Fünftel der Breitbandanschlüsse – dies entspricht dem
                                                                                  45 Prozent der NGA-Anschlüsse
europäischen Durchschnitt. Weniger stark verbreitet sind
                                                                                  werden über Kabel realisiert.23
hingegen Breitbandanschlüsse via Glasfaser (FTTB/H);
hier liegt Deutschland unter dem EU-weiten Durchschnitt.
Die Dominanz von DSL-Anschlüssen ist in erster Linie auf
die weit ausgebaute Kupferinfrastruktur in Deutschland                     sich der Technologiemix dort etwas anders gestaltet. So
zurückzuführen. Mithilfe von Vectoring lassen sich auf                     dominieren beispielsweise in vielen mittel- und osteuro-
Grundlage dieser Struktur im begrenzten Umfang Steige-                     päischen Ländern wie Bulgarien (42 Prozent), Rumänien
rungen bei der Übertragungsgeschwindigkeit erreichen.                      (54 Prozent), Lettland und Litauen (je 60 Prozent) Glas­
                                                                           faser­anschlüsse. Auch Schweden (46 Prozent), Norwegen
  In einigen anderen europäischen Ländern ist die Kupfer­
infrastruktur hingegen nur mäßig ausgebaut. Neue Fest-                     22   Europäische Kommission, 2016b, EU Broadband Indicators
netzanschlüsse werden in diesen Ländern mit modernen                            July 2015 [Stand: 2016-05-20]
Technologien – Glasfaser – realisiert. Das führt dazu, dass                23   Europäische Kommission, 2016b

Breitband-Anschlüsse                                                       NGA-Anschlüsse
nach Technologien, Juli 2015, in Prozent                                   nach Technologie, EU, Juli 2015, in Prozent

    1                                      3
                               9                                                45
  27,6
                21
                              19

                                                                                           29

                                               █ Andere
                                               █ FTTB/H                                                  14
                                               █ Kabel
                                                                                                                      11
                78            69                                                                                                     1
                                               █ DSL
                 DE           EU                                                Kabel      VDSL         FTTH          FTTB        Andere

Quelle: Europäische Kommission, 2016b, EU Broadband Indicators July 2015   Quelle: Europäische Kommission, 2016b, EU Broadband Indicators July 2015

                                                                                                                                                      17
GIGABIT-GESELLSCHAFT

                                                                                                               Digitale Schnecke oder High-Speed-Nation –

                                          63 Prozent
                                                                                                               wie es um die Netzabdeckung in Deutschland steht

                                                                                                               Deutschland hat in den letzten Jahren beim Breitbandaus-
                                                                                                               bau deutlich aufgeholt. NGA-Anschlüsse, also Anschlüsse
                                          der Anschlüsse mit ≥ 50 Mbit/s                                       mit Geschwindigkeiten von mindestens 30 Mbit/s, standen
                                          ­können über das Kabelnetz                                           Ende 2015 insgesamt 79 Prozent der Haushalte zur Verfü-
                                           ­erfolgen.24                                                        gung. Hochgeschwindigkeitsnetze mit einer vertraglichen
                                                                                                               Bandbreite von bis zu 50 Mbit/s waren immerhin für 70 Pro-
                                                                                                               zent und damit rund 28 Millionen Haushalte verfügbar.27
                                                                                                               Vor vier Jahren war die Verfügbarkeit der Anschlüsse mit
         (31 Prozent) und Portugal (24 Prozent) haben einen höhe-                                              mindestens 50 Mbit/s deutlich geringer (48,2 Prozent).28
         ren Glasfaseranteil an den Breitbandanschlüssen.
                                                                                                                 Während die Breitbandversorgung in den meisten Bal-
           Trotz des relativ geringen Anteils an allen Breitband-                                              lungsgebieten bereits relativ gut ist, ist es um die Abde-
         anschlüssen hat das Kabel derzeit den größten Anteil                                                  ckungsgrade im ländlichen Raum – also in Gemeinden mit
         bei der NGA-Abdeckung in Europa: Im EU-Durchschnitt                                                   einer Bevölkerungsdichte unter 100 Einwohner/km² – eher
         werden 45 Prozent der NGA-Anschlüsse über Kabel                                                       schlecht bestellt. Dabei liegen gerade für den länd­lichen
         realisiert.25                                                                                         Raum hohe Potenziale in der Nutzung innovativer Gigabit-
                                                                                                               Anwendungen. Beispielsweise können E-Health- und
           Auch in der Bandbreitenklasse ≥ 50 Mbit/s überwiegt                                                 E-Learning-Angebote bestehende Erreichbarkeitsdefizite
         die Breitbandverfügbarkeit mittels Kabelnetz deutlich.                                                verringern und so zu einer Aufwertung regionaler Räume
         Hingegen liegt bei geringeren Bandbreiten (≥ 1 Mbit/s und                                             führen. Insbesondere Industrie- und Gewerbegebiete im
         ≥ 16 Mbit/s) die DSL/VDSL-Verfügbarkeit über der Kabel-                                               ländlichen Raum würden von einer besseren Versorgung
         netzverfügbarkeit.26                                                                                  stark profitieren.

         24                           TÜV Rheinland, 2016, Bericht zum Breitbandatlas Ende 2015, Berlin
         25                           Europäische Kommission, 2016b                                            27   TÜV Rheinland, 2016
         26                           TÜV Rheinland, 2016                                                      28   TÜV Rheinland, 2012, Bericht zum Breitbandatlas Ende 2011, Berlin

    Breitbandverfügbarkeit für ausgewählte Techniken

                                                                                                                                                                  █ DSL/VDSL
                                          96,8
Verfügbarkeit, in Prozent der Haushalte

                                                                                                                                                                  █ Kabel
                                                                                                                                                                  █ FTTB/H
                                                                                       76,4
                                                    63,6                                           63,6                                                    63,3

                                                                                                                                             26,5
                                                                 6,7                                                  6,7                                                 6,7

                                                   ≥ 1 Mbit/s                                    ≥ 16 Mbit/s                                             ≥ 50 Mbit/s

        Bandbreitenklasse
                                                                                                          Quelle: TÜV Rheinland, 2016, Bericht zum Breitbandatlas Ende 2015, Berlin

         18
GIGABIT-GESELLSCHAFT

  Nur für 6,7 Prozent der rund 40 Millionen deutschen

                                                                                   Wenn der
Haushalte sind Glasfasernetze bis in den Keller (FTTB)
oder bis in die einzelne Wohnung (FTTH) verfügbar. Diese
Zahl hat sich in den letzten zwei Jahren leicht erhöht:
Ende 2013 waren Glasfaseranschlüsse bis zum Gebäude
für rund 4,5 Prozent der deutschen Haushalte verfüg-                               Glasfaserausbau mit der Ausbau-
bar. In ländlichen Regionen ist die Verfügbarkeit dieser                           geschwindigkeit der letzten beiden
Anschlüsse deutlich geringer (1,6 Prozent). Dabei sind                             Jahre fortgeführt wird, dauert es
gerade Glasfasernetze, die in jeden Haushalt oder jedes                            bis 2057, bis Deutschland flächen­
Gebäude reichen, für die zukünftig anfallenden Gigabit-                            deckend versorgt ist.
Geschwindigkeiten notwendig. Deutschland fährt bei
dem Ausbau von Glasfasernetzen bisher jedoch noch mit

                                                                                   59 Prozent
angezogener Handbremse. Reine Glasfaseranschlüsse
sind nur in geringer Anzahl vorhanden, vielerorts wird auf
Brückentechnologien gesetzt.29

Gewerbliche Breitbandverfügbarkeit
                                                                                   der deutschen Unternehmen
Unabhängig von Lage und Größe der Firmen ergibt sich                               ­ver­fügen über Breitbandanschlüsse
eine gewerbliche Breitbandverfügbarkeit in Deutschland                              mit ≥ 50 Mbit/s. 31
für die Bandbreitenklasse ≥ 50 Mbit/s von rund 59 Pro-
zent. Ebenso weisen große Firmen eine vergleichsweise
bessere Verfügbarkeit auf als kleine Firmen. Die Verfüg-
barkeit ist aber von der Größe der Gemeinde abhängig.
                                                                             Verfügbarkeit von ≥ 50 Mbit/s
So ist der Anteil der Unternehmen, die über Anschlüsse
                                                                             an Gewerbe­standorten in Deutschland nach Prägung, in Prozent
                                                                                                          Große        Mittlere       Kleine
                                                                                                Alle
29   TÜV Rheinland, 2016                                                                              Unter­nehmen* Unter­nehmen Unter­nehmen
                                                                                               Unter­
                                                                                                      (rund 100–500 (rund 6–100     (rund 1–5
                                                                                              nehmen
                                                                                                       Beschäftigte) Beschäftigte) Beschäftigte)
                                                                             Deutschland          59            68                63                58
Versorgungsgrade der                                                         Städtisch            82            69                79                83
Haushalte in Deutschland                                                     Halbstädtisch        57            48                53                57
                                                                             Ländlich             29            27                28                29
Ende 2015 mit ≥ 50 Mbit/s, in Prozent
                                                                             Quelle: TÜV Rheinland, 2016, Bericht zum Breitbandatlas Ende 2015, Berlin
                                                                             * Größendefinitionen nach TÜV-Rheinland, 2016
               85,8

     70,1                                                                    in der Bandbreitenklasse ≥ 50 Mbit/s verfügen, in länd-
                                                                             lich geprägten Gebieten halb so hoch wie im deutschen
                           58,4
                                                                             Durchschnitt. In städtischen Regionen ist die Verfügbar-
                                                                             keit dafür höher.30 Da gerade in den ländlichen Regionen
                                                                             in Deutschland viele leistungsfähige Industrieunterneh-
                                         28,3                                men und „Hidden Champions“ ansässig sind, ist die
                                                    Quelle: TÜV Rheinland,
                                                    2016, Bericht zum
                                                                             Versorgung dieser Räume mit hohen Bandbreitenklassen
                                                    Breitbandatlas           entscheidend für ihre Wettbewerbsfähigkeit.
                                                    Ende 2015, Berlin
Deutsch-     Städtischer    Halb-      Ländlicher
  land          Raum     städtischer     Raum
                                                                             30   TÜV Rheinland, 2016
                            Raum                                             31   TÜV Rheinland, 2016

                                                                                                                                                         19
GIGABIT-GESELLSCHAFT

Deutschland positioniert sich im internationalen
­Wettbewerb im Mittelfeld
                                                                                  Andere Länder sind
                                                                                  schneller unterwegs
Aktuelle Zahlen der Europäischen Kommission zeigen,
dass Deutschland in den vergangenen Jahren beim                                    Durchschnittliche Verbindungsgeschwindigkeit
Breitbandausbau deutlich aufgeholt hat: Die Zahl der                               (in Mbit/s)
Breitbandanschlüsse mit mindestens 30 und 100 Mbit/s je
                                                                                    1     Südkorea                                                          26,7
1.000 Einwohner sind seit 2010 gestiegen. Im Vergleich
zu anderen europäischen Ländern schneidet Deutschland                               2     Schweden                                                          19,1
hier aber allenfalls durchschnittlich ab. Andere Länder wie
                                                                                    3     Norwegen                                                          18,8
Schweden oder die Niederlande sind hier deutlich vorn.32
                                                                                    4     Japan                                                             17,4
   Auch im weltweiten Vergleich der Ausstattung mit Hoch-                           5     Niederlande                                                       17,0
leistungsnetzen ist Deutschland nur Mittelmaß: Zwar hat
sich die Durchschnittsgeschwindigkeit im Festnetz in den                                  …
vergangenen fünf Jahren auf aktuell 12,9 Mbit/s fast ver-                          12     Deutschland                                                       12,9
dreifacht, Deutschland liegt aber weiterhin weit hinter den
Spitzenreitern aus Asien, vielen europäischen Nachbarn                            Quelle: Akamai, 2016, State of the Internet Q4 2015 Report

und den nordamerikanischen Staaten – insgesamt reicht
es nur für Rang 12.33

32   Europäische Kommission, 2016c, EU Digital Agenda Scorecard
     Key Indicators [Stand: 2016-05-20]
33   Akamai, 2016, State of the Internet Q4 2015 Report

Breitbandanschlüsse
je 1.000 Einwohner, in Prozent

100                                                                                                                                            Anschlüsse
                                                                                                                                               mit min. 30 Mbit/s
                                                                                                                                               █   EU
 80
                                                                                                                                               █   DE

 60

 40
                                                                                                                                               Anschlüsse
                                                                                                                                               mit min. 100 Mbit/s
 20                                                                                                                                            █   EU
                                                                                                                                               █   DE

     0
         12/2010     6/2011      12/2011       6/2012       12/2012      6/2013         12/2013      6/2014       12/2014       6/2015

Quellen: Europäische Kommission, 2016c, EU Digital Agenda Scorecard Key Indicators; eigene Berechnungen

20
GIGABIT-GESELLSCHAFT

Glasfaser – Deutschland hinkt hinterher                                           pene­tration ist dort immer noch mehr als sechsmal höher
                                                                                  als in Deutschland.34
Größeren Nachholbedarf hat Deutschland bei der Anbin-
dung mit Glasfaseranschlüssen. Laut der International                               Auch die Daten der OECD zu den Anteilen der Glas-
Telecommunication Union (ITU) belief sich die Glasfaser­                          faseranschlüsse an allen aktiven Breitbandanschlüssen
penetration in Deutschland auf rund 4,2 Glas­faser­                               bestätigen den Aufholbedarf Deutschlands im internatio­
anschlüsse pro 1.000 Einwohner. Damit landet Deutsch-                             nalen Vergleich. Nur 1,3 Prozent der aktiven Breitband-
land auf Rang 28 von 31 Ländern. Nur in Irland, Belgien                           anschlüsse entfallen hierzulande auf reine Glasfaserver-
und Griechenland ist die Glasfaser­penetration noch                               bindungen (Stand: Juni 2015). Andere Länder setzen
geringer. Spitzenreiter ist Südkorea mit 263,6 Glasfaser­                         hingegen schon heute erfolgreich verstärkt auf reine
anschlüssen je 1.000 Einwohner. Auch in vielen deut-                              Glasfaserinfrastruktur zur Datenübertragung. So bestehen
schen Nachbarländern ist die Glasfaserpenetration deut-                           in den vier Ländern mit der höchsten real gemessenen
lich höher. Die USA liegen mit 27,7 Glas­faser­anschlüssen                        Übertragungsrate mindestens 31 Prozent aller Breitband-
je 1.000 Einwohner zwar im Mittelfeld, aber die Glas­faser­                       anschlüsse aus reinen Glasfaserkabeln. Beim internatio-
                                                                                  nalen Spitzenreiter Japan sind es mehr als 70 Prozent.35

                                                                                  34   ITU, 2015, World Telecommunication / ICT Indicators Database
                                                                                       [Stand: 2016-05-20]
                                                                                  35   OECD, 2016, OECD Broadband Statistics [Stand: 2016-05-20]

Glasfaseranschlüsse
Anschlüsse (FTTB/H), je 1.000 Einwohner

 263,6

              199,6
                            149,0
                                            114,3
                                                         95,2           89,9      89,1
                                                                                                73,1                   4,2
Südkorea        Japan      Schweden        Norwegen      Estland       Dänemark   Island       Finnland             Deutschland

Quelle: ITU, 2016, World Telecommunication / ICT Indicators Database

Anteil Glasfaser an Breitbandanschlüssen
in Prozent

 72,6          69,4

                             46,0
                                            33,1         31,1
                                                                        26,3      25,9          24,1
                                                                                                                       1,3          17,9
  Japan       Südkorea     Schweden         Estland    Norwegen        Slowakei   Island       Portugal             Deutschland     OECD-
                                                                                                                                  Durchschnitt

Quelle: OECD, 2016, Broadband Statistics

                                                                                                                                                      21
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