"Jetzt erst recht" oder neuer Druck? Wissenschafts- und Hochschulfinanzierung in Folge von Corona - Bibliothek ...

 
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Angela Borgwardt

                          „Jetzt erst recht“ oder neuer Druck?
                     Wissenschafts- und Hochschulfinanzierung
                                           in Folge von Corona
       NETZWERK
        WISSENSCHAFT
 Eine Stunde  für die Wissenschaft Paper No. 1
 Online-Diskussion der Friedrich-Ebert-Stiftung am 16. März 2021

 Die Corona-Pandemie hat die enorme gesellschafts-         Pandemie und der Maßnahmen zur Abmilderung ihrer
 politische Bedeutung von Wissenschaft vor Augen           Folgekosten ist aber auch schon jetzt absehbar, dass
 geführt. Ohne den Beitrag der Wissenschaft könnte         der Druck auf die Haushalte und deren Konsolidierung
 die Pandemie nicht bekämpft werden, wären die Rück-       zunimmt. Es ist längst nicht ausgemacht, dass Wissen-
 kehr in eine halbwegs bekannte Normalität und eine        schaft und Hochschulen davon verschont bleiben.
 Erholung des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen      Das vorliegende Paper fasst die Ergebnisse einer Online-
 Lebens undenkbar.                                         Diskussion der Friedrich-Ebert-Stiftung zusammen.
 Investitionen in die Wissenschaft sind daher immer        Abschließend wird ein Dreiklang aus Argumenten,
 auch Investitionen in die Zukunft. Sie können dazu bei-   Aufgaben und Instrumenten für eine auskömmliche
 tragen, zukünftige Krisen zu verhindern oder effektiv     Wissenschafts- und Hochschulfinanzierung in und
 und schnell auf sie zu reagieren. In Folge der Corona-    nach der Krise empfohlen.

Aktuelle Situation und                                     Profilbildungen und Kooperationen im Wissenschafts-
                                                           system gestärkt und international sichtbarer werden.
Herausforderungen                                          Durch den Pakt für Forschung und Innovation (PFI)
                                                           erhalten die großen außeruniversitären Forschungsein-
In den vergangenen Jahren haben Bund und Länder            richtungen und die Deutsche Forschungsgemeinschaft
ihre Investitionen in Wissenschaft, Forschung und          (DFG) finanzielle Planungssicherheit durch kontinuier-
Hochschulen Schritt für Schritt erhöht – basierend auf     liche Etatsteigerungen von 3 Prozent, unter anderem
der Erkenntnis, dass dieser Bereich für die Zukunfts-      um die Vernetzung im Wissenschaftssystem, die inter-
fähigkeit der Gesellschaft von zentraler Bedeutung         nationale Zusammenarbeit und den Transfer zwischen
ist. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung            Wissenschaft und Wirtschaft voranzutreiben. Diese
sind stetig gestiegen: Ihr Anteil am Bruttoinlandspro-     drei – zahlenmäßig größten – Bund-Länder-Vereinba-
dukt (BIP) liegt derzeit bei 3,2 Prozent und übertrifft    rungen sollen eine verlässliche Finanzierung gewähr-
somit das gesetzte 3 Prozent-Ziel der EU-Wachstums-        leisten und entscheidend dazu beitragen, das gesamte
strategie „Europa 2020“.1 Im Juni 2019 wurden drei         Wissenschaftssystem zukunftsfähig aufzustellen.
Bund-Länder-Pakte (2021–2030) geschlossen, um den
Wissenschafts- und Innovationsstandort Deutschland              Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken
im internationalen Wettbewerb zu stärken und beste-
henden Problematiken im System entgegenzuwirken:
                                                           Exzellenzstrategie
Der Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken
(ZuSL) zielt auf eine nachhaltige Qualitätssteigerung
in den Hochschulen und eine Absenkung der hohen                 Pakt für Forschung und Innovation
Befristungsquote unter den Beschäftigten. Im Rahmen
der Exzellenzstrategie sollen die deutschen Univer-
sitäten durch eine Förderung von Spitzenforschung,
Eine Stunde für die Wissenschaft Paper No. 1 Wissenschafts- und Hochschulfinanzierung in Folge von Corona     Seite 02 /6

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Die staatlichen Hochschulen werden zu knapp 90 Pro-             finanzielle Beiträge zur Haushaltskonsolidierung leis-
zent aus öffentlichen Mitteln finanziert. Davon                 ten muss.
stammt der überwiegende Teil von den Ländern (ca.
75 Prozent), die als Träger die Grundfinanzierung               Es erscheint daher notwendig, frühzeitig und offensiv
der Hochschulen sicherstellen. Der Bund beteiligt               die zentrale Bedeutung von Hochschulen und Wis-
sich zu ca. 15 Prozent an der Finanzierung von For-             senschaft für die Gesellschaft zu betonen und mit der
schungsprojekten, über Sonderprogramme sowie so-                Leistungsfähigkeit des Wissenschaftssystems zu-
genannte Forschungsbauten, ca. 10 Prozent fließen               gleich die Resilienz und die Zukunftsperspektiven der
aus privaten Quellen. 2 Da es für die Länder angesichts         Gesellschaft zu stärken.
knapper Haushalte immer schwieriger wurde, für eine
ausreichende Grundfinanzierung der Hochschulen zu
sorgen, wurde der Bund zu einem immer wichtigeren               Gesellschaftliche Bedeutung
Faktor in der Hochschulfinanzierung.                            von Wissenschaft und
An welchen Zielen sollte sich ein zukunftsfähiges
                                                                Hochschulen – Argumente
Wissenschaftssystem orientieren? Vor dem Hinter-                für die Debatte
grund der Covid-19-Krise hat der Wissenschaftsrat im
Januar 2021 in einem Positionspapier empfohlen, dass            Für Dr. Ernst Dieter Rossmann, MdB und Vorsitzender
sich das künftige Wissenschaftssystem nicht allein an           des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technik-
der Förderung von Effizienz und Wettbewerbsfähig-               folgenabschätzung im Deutschen Bundestag, ist es
keit, sondern am Leitbegriff der Resilienz ausrich-             daher notwendig, offensiv zu argumentieren und klar
ten sollte: „Resilienz im Sinne der Fähigkeit, Krisen           zu vermitteln, dass finanzielle Investitionen in Wissen-
zu antizipieren und sich auf sie vorzubereiten, sie zu          schaft, Forschung und Hochschulen präventive Inve-
bewältigen und gestärkt aus ihnen hervorzugehen.“ 3             stitionen sind. Denn hier entstehen neue Erkenntnisse,
Die Gesellschaft sollte – insbesondere in Krisenzeiten          um gesellschaftliche Transformationsprozesse verste-
– schnell auf wichtige Erkenntnisse verschiedener               hen, erklären, kritisch reflektieren und bearbeiten zu
Disziplinen zurückgreifen, Lösungen für Herausfor-              können. Nach Rossmann wird sich Politik künftig ver-
derungen finden und sich weiterent-wickeln können.              stärkt an einer globalen Wertestrategie ausrichten:
Eine entscheidende Rolle spiele dabei eine auskömm-             Terminale Werte wie Gerechtigkeit, Gleichheit, Sou-
liche und verlässliche Finanzierung des gesamten                veränität oder Nachhaltigkeit definieren die Ziele, die
Wissenschaftssystems. Nur dann könne sich Wissen-               erreicht werden sollen, während instrumentelle Werte
schaft in Freiheit und Pluralismus entfalten und ihre           wie Konkurrenz, Kooperation, Solidarität und Wettbe-
Verantwortung für eine vielfältige und demokratisch             werbsfähigkeit verdeutlichen, wie diese Ziele erreicht
verfasste Gesellschaft wahrnehmen.                              werden können. In beiden Wertebereichen sieht Ross-
                                                                mann Wissenschaft, Forschung und Hochschulen als
     Positionspapier des Wissenschaftsrats                      Impulsgebende im Zentrum, was mit einem verän-
     zur Covid-19-Krise                                         derten Selbstverständnis im politischen Handeln ein-
                                                                hergeht: „Der Exportweltmeister Deutschland, der sich
                                                                bisher vor allem auf Produkte konzentriert hat, sollte
So sehr gerade die Corona-Pandemie und ihre Folgen              in Zukunft auch ein Erkenntnis-Exporteur werden und
zeigen, wie wichtig Wissenschaft und Hochschulen                an dieser Stelle eine gemeinsame globale Zukunfts-
und ihre auskömmliche Finanzierung sind, ist den-               verantwortung wahrnehmen“, meinte Rossmann. Aus
noch nicht ausgeschlossen, dass paradoxerweise auch             seiner Sicht wäre es wichtig, den Begriff der „rentier-
diese Bereiche von möglichen Einsparungen in Folge              lichen Investition“ mit Wissenschaft, Hochschule und
der Corona-Krise betroffen sein könnten. Die enor-              Forschung eng zu verknüpfen und dabei die ökono-
men öffentlichen Ausgaben zur Bekämpfung der                    mische, sozialpolitische und moralische Hebelwirkung
Pandemie-Folgen machen insbesondere dann sehr                   dieser Investition zu betonen.
unmittelbar Anstrengungen zur Haushaltskonsoli-
dierung notwendig, wenn die sog. Schuldenbremse                 Nach den Ergebnissen des Wissenschaftsbarometers
(Neuverschuldungsgebot) unverändert fortgelten und              2020 ist in Zeiten der Corona-Pandemie das Vertrau-
Anwendung finden sollte. In einigen Bundesländern               en der Bevölkerung in die Wissenschaft deutlich an-
gibt es schon deutliche Signale, dass der Hochschul-            gestiegen. 4 Hier stellt sich die Frage, ob in Finanzie-
und Wissenschaftsbereich wie andere Politikfelder               rungsfragen an diese große Reputation angeschlossen
auch unter dem Paradigma der Schuldenbremse                     werden kann.
Eine Stunde für die Wissenschaft Paper No. 1 Wissenschafts- und Hochschulfinanzierung in Folge von Corona      Seite 03/6

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     Wissenschaftsbarometer 2020,
     Corona Spezial
                                                                Was können Politik und Hoch-
                                                                schulen tun?
Rossmann meinte, die Krise könne durchaus zur Ar-               Um Finanzierungs- und Handlungsspielräume der Län-
gumentationshilfe werden, da die Menschen durch die             der zu erhalten, plädierte von Blumenthal angesichts
Pandemie gelernt hätten, politisches Handeln nicht              der Pandemie für ein Aussetzen der Schuldenbremse.
mehr nur unter dem engen (nationalen) Blickwinkel               Die Berücksichtigung außerordentlicher Notlagen sei
des Exportweltmeisters zu sehen, sondern den Blick              auf Bundes- und Landesebene als Ausnahme vorgese-
zu weiten. Es sei deutlich geworden, dass Deutschland           hen. Angesichts der enormen Auswirkungen der Pan-
Teil einer Weltgemeinschaft ist und globale Verant-             demie, die sich noch auf das gesamte Jahr 2021 erstre-
wortung in vielen Politikfeldern übernehmen muss.               cken und in das Jahr 2022 reichen werden, sollten die
Beispiele wie die Impfstoffentwicklung und -vertei-             Länder unbedingt von dieser Möglichkeit Gebrauch
lung hätten eine neue Perspektive auf Wissenschaft              machen. Nur dann könnten strukturell negative Fol-
und Forschung eröffnet.                                         gen im Bereich von Hochschule und Wissenschaft ver-
                                                                hindert werden, die kurz-, mittel- und langfristig sehr
Die positive Wahrnehmung von Wissenschaft in der                negative Folgen für die Gesellschaft haben würden.
Bevölkerung kann nach Ansicht von Prof. Dr. Julia
von Blumenthal, Präsidentin der Europa-Universität              Darüber hinaus sollten nach Rossmann im Hinblick
Viadrina Frankfurt (Oder), auch als ein Ausdruck der            auf eine zukunftsfähige Finanzierung strukturelle
stärkeren Vernetzung von Wissenschaft und Gesell-               Veränderungen im Wissenschaftssystem umgesetzt
schaft gesehen werden. In den letzten Jahren hätten             werden, die eine auskömmliche Finanzierung von
sich die Hochschulen zunehmend in ihr Umfeld geöff-             Hochschulen voraussetzen:
net und seien zu wichtigen Pfeilern der Gesellschaft
geworden, deren Wirkung in viele Bereiche hinein-
reicht: Neben Bildung und Weiterbildung spielten der
                                                                •   Im Zuge der Öffnung der Hochschulen und der Mo-
                                                                    dernisierung der Lehre sollte die Digitalisierung der
gesellschaftliche Transfer („Third Mission“) und Wis-               Hochschulen vorangetrieben werden, etwa durch
senschaftskommunikation eine immer größere Rolle.                   eine Digitalisierungspauschale oder ein Sonderpro-
Von Blumenthal machte darauf aufmerksam, dass die                   gramm. Diese politischen Maßnahmen sollten so-
Hochschulen die Folgen der Pandemie relativ gut be-                 wohl in die nationale als auch in die europäische
wältigt haben und sich schnell auf die neuen Anfor-                 Gesamtdigitalisierungstrategie eingebettet sein.
derungen einstellen konnten. Diese Resilienzfähigkeit
sei ein Grund mehr, diesen Bereich zu stabilisieren.
Ungeachtet der Leistungsfähigkeit der Hochschulen
                                                                •   Die Hochschulen sollten sich der zunehmenden
                                                                    Diversität ihrer Studierenden und der beruflichen
in Krisenzeiten sei jedoch absehbar, dass die Finan-                Bildung und Weiterbildung stärker öffnen. Der ter-
zierungsdiskussionen sehr schwer werden, da die Län-                tiäre und der quartäre Bereich sollten integriert
der ihre Einnahmesituation nicht in relevantem Maße                 werden, indem Kompetenzzentren für wissenschafts-
durch die eigene Gestaltung von Steuern beeinflussen                geleitete Aus- und Weiterbildung aufgebaut werden.
könnten. Vielmehr müssten sie in Zusammenwirken
mit dem Bund bei der Steuergesetzgebung dafür sor-
gen, dass Einnahmen und Ausgaben so in Deckung
                                                                •   Um Exzellenz in der Spitze und der Breite zu beför-
                                                                    dern, sollte eine Erweiterung der Exzellenzstrategie
gebracht werden, dass sie weiterhin ihre Aufgaben                   auf andere Zielgruppen und Formate angestrebt
erfüllen können. Bei Haushaltskürzungen bliebe den                  werden, z.B. durch eine Förderung exzellenter For-
Ländern nur die Möglichkeit, die verfügbaren bzw.                   schungsbereiche in kleineren Hochschulen oder
verbleibenden Mittel zwischen verschiedenen, gesell-                Hochschulen für Angewandte Wissenschaften mit
schaftlich relevanten Aufgabenbereichen zu verteilen,               starker Forschungsorientierung.
wozu auch Hochschulen zählten.
                                                                •   Hochschulen und außeruniversitäre Forschungsein-
                                                                    richtungen sollten räumlich, personell, infrastruk-
                                                                    turell und inhaltlich stärker zusammenwachsen
                                                                    und gemeinsame Hochschul- und Forschungscam-
                                                                    pusse bilden. Zur Umsetzung könnten Anregungen
                                                                    bereits existierender Modelle aufgenommen wer-
                                                                    den (z.B. Adlershorst, KIT, Charité), die nicht auf
Eine Stunde für die Wissenschaft Paper No. 1 Wissenschafts- und Hochschulfinanzierung in Folge von Corona    Seite 04/6

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    Konkurrenz, sondern auf Kooperation und gegen-              EU sollte im Rahmen der Lissabon-Strategie 2000 bis
    seitiger Unterstützung beruhen. Hierfür sollte ein          2010 „zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten
    neues investives Programm aufgelegt werden.                 wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt“ werden,
                                                                das Nachfolgeprogramm „Europa 2020“ zielte auf
•   Sinnvoll wären unterstützende Programme zur
    Förderung des Transfers von wissenschaftlichen Er-
                                                                „intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachs-
                                                                tum“. 5 Dafür sollten die EU-Mitgliedstaaten ihre
    kenntnissen in Gesellschaft und Wirtschaft sowie            Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) auf
    eine Stärkung der Forschungsorientierung der Hoch-          3 Prozent des BIPs steigern. Während in einigen Staa-
    schulen für Angewandte Wissenschaften (HAWs).               ten eine starke Dynamik in Gang gesetzt wurde und die
                                                                F&E-Ausgaben deutlich erhöht wurden, fielen andere
•   Die Potenziale internationaler Studierender für die
    Wissenschaft in Deutschland und Europa sollten bes-
                                                                Länder zurück oder sind inzwischen weit abgehängt
                                                                (weniger als 1 Prozent des BIPs). Nach Rossmann müs-
    ser erschlossen werden, z.B. durch eine Erweiterung         sen dringend Wege gefunden werden, leistungsschwä-
    des Bildungsförderprogramms Erasmus+ nach Afrika.           chere europäische Länder bei der F&E-Finanzierung
                                                                zu unterstützen und die Konvergenz innerhalb der EU
In der Diskussion mit dem Online-Publikum wurden                voranzutreiben, um den innovativen Zusammenhalt
weitere Maßnahmen benannt:                                      und damit letztlich auch den sozialen Zusammenhalt
                                                                in Europa nicht zu gefährden.
Stärkung der Wissenschaftskommunikation: Der Wiss-
Komm-Prozess der Bundesregierung muss erfolgreich
abgeschlossen werden. Darüber hinaus wären weitere
                                                                Dreiklang für eine auskömm-
Sonderprogramme für Wissenschaftskommunikation                  liche Wissenschafts- und
gerade wegen der Erfahrungen mit der Pandemie und               Hochschulfinanzierung in und
ihren Auswirkungen auf die Gesellschaft wichtig. Ne-
ben einzelnen „scientific influencern“ im öffentlichen          nach der Krise
Raum sollte die Wissenschaftskommunikation in den
Hochschul- und Forschungsinstitutionen ausgebaut                1.) Argumente: Gerade die Corona-Pandemie hat die
und professionalisiert werden.                                  fundamentale Bedeutung von Wissenschaft, For-
                                                                schung und Hochschulen für die Gesellschaft deutlich
Finanzielle Beteiligung des Bundes: Die beschlossene            gemacht. Mittelkürzungen in diesen Bereichen würden
Akademisierung der Gesundheitsfachberufe und die                gravierende negative Folgen für Gesellschaft und Wirt-
notwendige Reform der Medizinstudiengänge kosten                schaft nach sich ziehen. Es sollte daher in Politik und
erhebliche Mittel, die die Hochschulen bzw. die Län-            Öffentlichkeit offensiv kommuniziert werden, dass
der nicht alleine aufbringen können. Hier müsste der            Investitionen in Wissenschaft, Hochschule und For-
Bund finanzielle Unterstützung geben.                           schung „rentierliche Investitionen“ sind, die sich für
                                                                die Gesamtgesellschaft auf vielfältige Weise auszahlen.

Bedeutung der europäischen                                      2.) Aufgaben: Konkrete und wachsende Aufgaben des
                                                                Wissenschafts- und Hochschulbereichs zeigen, wieso
Förderprogramme                                                 es zusätzliche und nicht weniger Mittel braucht: Dies
                                                                betrifft zum Beispiel die Wissenschaftskommunika-
Angesprochen wurde auch die Bedeutung europä-                   tion, die Digitalisierung, den Transfer wissenschaft-
ischer Förderprogramme für die Finanzierung von                 licher Erkenntnisse oder die Öffnung von Hochschu-
Wissenschaft, Forschung und Hochschulen. Hier zeigt             len für die Weiterbildung.
sich unter deutscher Ratspräsidentschaft ein geteil-
ter Erfolg. Im Bereich Forschung (Horizont Europa,              3.) Instrumente: Die Politik sollte in den kommenden
2021–2027) wären mehr Fördermittel und höhere                   Jahren im Bereich der Hochschulen und der Wissen-
Aufwüchse notwendig gewesen. Im Bereich Bildung                 schaft wie auch grundsätzlich einen Vorrang für Zu-
konnten beim Erasmus+-Programm deutliche Förder-                kunftsinvestitionen einräumen statt auf das Primat der
zuwächse erreicht werden und die ersten Europa-Uni-             Schuldentilgung zu setzen. Konkret sollte deshalb von
versitäten haben als europäische Kooperationsnetz-              der Möglichkeit Gebrauch gemacht werden, die Schul-
werke ihre Arbeit aufgenommen. Rossmann verwies                 denbremse des Bundes und der Länder mindestens in
jedoch auf das Problem mangelnder Konvergenz in                 der aktuellen Notsituation und der darauf folgenden
den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union: Die                Bewältigung der Corona-Krise auszusetzen.
Eine Stunde für die Wissenschaft Paper No. 1 Wissenschafts- und Hochschulfinanzierung in Folge von Corona                    Seite 05/6

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Fussnoten
1    Vorläufige Berechnungen des Statistischen Bundesamts für                https://www.wissenschaftsrat.de/download/2021/8834-21.pdf?__
     das Jahr 2019. Vgl. Destatis, 23.2.2021, https://www.destatis.de/       blob=publicationFile&v=15 (20.3.2021).
     DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bildung-Forschung-Kultur/For-         4   Vgl. Wissenschaftsbarometer 2020, Corona Spezial, https://www.
     schung-Entwicklung/_inhalt.html (22.3.2021).                            wissenschaft-im-dialog.de/fileadmin/user_upload/Projekte/Wis-
2    Hochschulrektorenkonferenz: Hochschulfinanzierung, https://             senschaftsbarometer/Dokumente_20/2020_WiD-Wissenschaftsba-
     www.hrk.de/themen/hochschulsystem/hochschulfinanzierung/                rometer_Corona_Spezial_Ergebnispraesentation.pdf (23.3.2021).
     (28.3.2021).                                                        5   Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung: Lissabon-Strategie,
3    Impulse aus der Covid-19-Krise für die Weiterentwicklung                https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/das-europalexikon/
     des Wissenschaftssystems in Deutschland, Januar 2021, S. 65,            177114/lissabon-strategie (24.3.2021).
Eine Stunde für die Wissenschaft Paper No. 1 Wissenschafts- und Hochschulfinanzierung in Folge von Corona    Seite 06/6

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DIE AutorIN dieser Publikation                                  Netzwerk Wissenschaft
Dr. Angela Borgwardt ist Politikwissenschaftlerin und           Das Netzwerk Wissenschaft behandelt aktuelle wis-
Germanistin und arbeitet als freie wissenschaftliche            senschafts- und hochschulpolitische Fragestellungen
Publizistin und Redakteurin in Berlin.                          in Form von Konferenzen und Publikationen. Ziel
                                                                der Aktivitäten ist es, zur Herstellung von Bildungs-
                                                                gerechtigkeit im Hochschulwesen, zur zukünftigen
                                                                Gestaltung des deutschen Hochschulsystems und
Impressum                                                       zum Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in fort-
                                                                schrittliche Politik beizutragen.
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