Junger Meister - Fokussieren Maryam Laura Moazedi - Mariane Ibrahim Gallery
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Nr. 33/27. 11. 2020 Fokussieren Schönreden Maryam Laura Moazedi #BlackLivesMatter im Gespräch über und Reaktionen der Diversität und Design. Kosmetikbranche. Schaufenster Junger Meister Kunstwelt-Shootingstar, Wahlwiener und Gastdesigner bei Dior: Amoako Boafo.
„Die Türen „GREEN BERET“. Das Porträt war Ausgangspunkt der Zusammen- arbeit mit Dior. öffnen sich“ Das Efeuhemd ist Teil der Sommer- kollektion. D as Vierzigfache des Schätzwerts – also Der ghanaische Künstler Amoako Boafo erobert nach einem Studium an der über 880.000 Dollar statt um die 40.000 – erzielte das Kunstwerk „The Bildenden in Wien die gesamte Kunstwelt mit seinen markanten Porträts. Die Lemon Bathing Suit“ bei einer Phillips- Auktion im Februar dieses Jahres: Dieser nächste Männerkollektion von Dior trägt ebenfalls Spuren seiner Arbeit. Sensationserfolg ist symptomatisch für den tatsächlich Text: Daniel Kalt Porträts: Nolis Anderson kometenhaften Aufstieg des ghanaischen und Wahlwie- ner Künstlers Amoako Boafo, den die Branchenplatt- form Artnet zuletzt als den aktuell „größten Star des Kunstmarkts“ feierte. Schon bei der Art Basel Miami Beach im Dezember 2019 wurde Boafo als nicht mehr ganz geheimer Geheimtipp gehandelt, der im Mittel- punkt des Interesses der Miami-In-Crowd stand. Dass er fast zeitgleich den international etwas weniger bekann- ten Strabag Art Award in Wien zuge- sprochen bekam und ebenfalls 2019 ein Kunststudium an der Akademie der bildenden Künste abgeschlossen hatte, stand da wohl weniger hoch im Dinnerparty-Smalltalkkurs als die kraftvolle, eigenwillige Energie seiner Porträts von Menschen aus Afrika und der afrikanischen Diaspora. „The Dias- pora Series“ war denn auch eine jener Werkserien, für die er von der Stra- bag-Jury ausgezeichnet wurde und in der Amoako Boafo Menschen porträ- tiert, die er persönlich kennt oder ins- pirierend findet. „Ich male Menschen aus der Community mit schönen Geschichten und kreativen Ambitionen“, so Boafo zum „STAND BY ME“. er schon 2007 ein Kunststudium abgeschlossen, das, „Schaufenster“ über seine Motivsuche. Im Herbst zeigte wenngleich auf hohem technischen Niveau, ihn wenig Die Zeit, als Amoako Boafo in Wien unkompliziert zu die einflussreiche dazu anhielt, einen persönlichen Stil zu entwickeln. Galeristin Marine erreichen war, ist fürs Erste vorbei. Das hängt zum „Mein Studium in Wien gab mir dann die Flexibilität zu Ibrahim in einen mit dem Covid-19-Lockdown zusammen; Boafo experimentieren. Dabei habe ich auch gesehen, wie viel Chicago verbrachte den Frühling in Accra: „Ghana war weniger Freude es mir bereitet, kunsthistorische Referenzen in Arbeiten von schwer getroffen von der Pandemie, darum war es auch Amoako Boafo. meine eigene Praxis einzuarbeiten.“ eine positivere Erfahrung, diese Phase dort zu verbrin- Ein Charakteristikum von Boafos Bildern ist die für Haut- gen.“ Zum anderen schirmen seine Galerien in Chicago partien angewandte Fingermaltechnik, die er beinahe und Los Angeles den 36-jährigen derzeit gegen allzu per Zufall entwickelte. Die Genese lässt sich auf YouTube Fotos: „Green Beret“, Ausstellungsansicht court. of Mariane Ibrahim. viele Anfragen ab. Traten früher noch Interessenten quasi in Echtzeit miterleben: Als Boafo 2017 im Video zu unkompliziert via Instagram heran, werden derartige dem Song „Michelangelo“ der Wiener Jazz- und Hip-Hop- Vorstöße nun gefiltert – fraglos auch, um nach dem Band Sketches on Duality einen Gastauftritt absolvierte, Erfolg am Sekundärmarkt die Kontrolle über die Ver- wollte er nicht vor laufender Kamera seine Maltechnik kaufssituation zu behalten. zeigen und entschied sich für eine Farbimprovisation mit bloßen Händen. Dieses haptische und ebenso Maltechnik im Hip-Hop-Video. Als Künstler, die ihn spontane wie immersive Erlebnis entpuppte sich als UNTERWEGS. Amoako maßgeblich beeinflusst haben, nennt Amoako Boafo Schlüsselmoment. „Mit Pinseln konnte ich kontrolliert Boafo in den Räumen seiner Galerievertretung in etwa Maria Lassnig und Egon Schiele. Der Umgang mit und präzise arbeiten; in der Situation musste ich aller- Chicago, wo er für das starken Farben, ein charakteristisch figurativer Stil, die dings kreativ werden und mit Werkzeugen arbeiten, die „Schaufenster“ fotogra- markante Körperhaltung der Porträtierten: Das trägt die Kontrolle zugunsten größeren Ausdrucks aufgeben. Der fiert wurde. Spuren seiner Wiener Zeit, denn Boafo kam 2014 in die Kontrollverlust beim Malen mit Fingern gibt meiner Stadt, um an der Bildenden zu studieren. In Ghana hatte Arbeit mehr Freiheit und flüssigen Charakter“, sagt er. → 12 Schaufenster Schaufenster 13
LEINWAND. Teile der Dior-Man- „Ich male Menschen aus der Community mit Sommerkollektion 2021 entstanden schönen Geschichten und kreativen Ambitionen.“ als Kooperation von Designer Kim Jones und Amoako Boafo. → Seine in den letzten Jahren entstandene Serie von Por- Instagram auf ihn aufmerksam. Erst durch sein Zutun, träts aus der afrikanischen Diaspora ist eine Auseinan- so Boafo, wurde er für die internationale Kunstszene dersetzung mit seiner eigenen „Blackness“, aber auch relevant. mit seiner Position im Wiener Kunstbetrieb, die er so Dass es in den letzten Jahren mehr Aufmerksamkeit und umreißt: „Ich war meist der einzige schwarze Mann – Unterstützung für schwarze Künstlerinnen und Künstler niemand außerhalb meiner unmittelbaren Community gegeben hat, bestätigt Amoako Boafo: „Die Türen öffnen hatte denselben kulturellen Hintergrund. Besonders am sich langsam, was für künftige schwarze Künstler leich- Anfang meiner Wiener Zeit hatte ich ständig das Gefühl, ter macht, ganz natürlich ihren Platz zu finden.“ Das darauf achten zu müssen, welchen Eindruck ich auf betreffe die institutionelle Ebene ebenso wie den Kunst- andere machte, was sich wie Fremdkontrolle anfühlte.“ markt, wo das Interesse zuletzt spürbar zunahm. Die In dieser Situation seien es „Black Lives Matter“-Proteste im andere Menschen mit Wurzeln in Sommer 2020 nach dem Tod von der afrikanischen Diaspora gewe- George Floyd durch Polizeigewalt sen, die ihm Rückhalt bieten in Minneapolis verfolgte Boafo in konnten und das Gefühl gaben, Ghana: „Ich fand die #BLM-Bewe- sich nicht in einer Einzelsituation gung inspirierend und wichtig. als Individuum und als Künstler Was die Kunstwelt betrifft, so zu befinden. „Sie haben verstan- denke ich, dass viele Sammler und den, wie wichtig meine Arbeit Institutionen auch dadurch noch- war, und mich unterstützt. So mals darauf aufmerksam werden, habe ich mit den Menschen, die dass die Arbeit von schwarzen mich im Atelier besuchten, eine Künstlern vielfach unterrepräsen- Community aufgebaut. Als tiert ist.“ Er hofft, dass in dieser Grundlage für meine Porträts lie- Situation neue Dynamiken entste- ßen viele sich von mir fotografie- hen, die dieses Manko beheben Kunsttransfer für Dior ren.“ Um eine Anlaufstelle für und eine neue Konstellation vor- diese künsterisch-kreative Com- bereiten. „Manche haben #BLM Ausgangspunkt der Kooperation, zu der Dior-Men- munity mit vergleichbarem Hin- aber leider als Gelegenheit gese- Designer Kim Jones Amoako Boafo einlud, war das Por- tergrund und etwa auch für hen, Profit auf dem Rücken trät „Green Beret“, auf dem der Porträtierte ein Hemd mit queere Positionen zu bieten, schwarzer Künstler zu machen, feinem Efeumuster trägt. Boafo, der selbst gern starke gründete Amoako Boafo mit wobei sie die Bedeutung und Rele- Farben trägt und in der Ausstellung „Detoxing Mascu- Sunanda Mesquita, Abiona Esther vanz eines Werks zu ignorieren linity“ stereotype Männlichkeitsbilder dekonstruierte, er- Ojo, Jaqueline Ejiji und Sushila bereit sind“, merkt er aber kritisch findet in seinen Bildern oft eigene Outfits für die darge- Mesquita die Kulturinitiative „We an. stellten Personen. „Kim Jones und das Dior-Team haben Dey“, die bislang über 50 Veran- Durch seine neu erlangte Promi- meine Porträts ins echte Leben zurückgeführt, indem sie staltungen ausrichtete und dieses nenz, das Engagement für die die Muster und Strukturen auf Kleidung übertrugen.“ Engagement in den kommenden Sichtbarkeit der afrikanischen Dia- Noch ehe die Zusammenarbeit besiegelt wurde, trafen Jahren fortsetzen will. spora in seinen Porträts und Boafo und Jones während der Art Basel Miami Beach im durch Initiativen wie „We Dey“ Dezember 2019 aufeinander – auf Vermittlung des Rubell- Protest mit Folgen. Anders etwa kann Amoako Boafo maßgeblich Ehepaars, das Boafo mit seiner Stiftung zu einer Residen- als die britische Malerin Lynette die Stimmung in der Kunstwelt cy eingeladen hatte. Er habe sich sofort zu Boafos Arbeit Yiadom-Boakye, ebenfalls Toch- mitbeeinflussen. Mit einem in hingezogen gefühlt, sagt Kim Jones in einem Presse- ter ghanaischer Eltern, die Boafo Accra geplanten Kunstzentrum, Statement: „Ich fühlte mich von der Intensität dieser als eine der von ihm bewunderten Künstlerinnen nennt das mit der Unterstützung des Modehauses Dior reali- Porträts gleich angesprochen – die Kraft der Bewegung, und die Porträts von durchwegs fiktiven Subjekten siert werden soll, macht er sich auch um die Szene in die Auswahl der Farben, viele Aspekte seiner Arbeit und malt – deren Persönlichkeit und Biografie sie beim Ghana verdient. Während kulturelle Aktivitäten 2020 seiner Art, die Dinge zu sehen, berühren mich“, so Jones. Kunstschaffen also mitimaginiert –, braucht Amoako ruhen oder verschoben werden mussten, gelten größere „Mode ist für mich ein Ausdrucksmittel“, bemerkt Amoako Boafo unmittelbare Bezugspunkte. „Auch wenn ich die Museumsauftritte Boafos als gesichert. Die Fortsetzung Boafo, „und ich finde, Mode kann die Persönlichkeit eines Dargestellten nicht selbst kenne, ist eine echte Verbin- seines Aufstiegs in der Kunstwelt nach dem schaumge- Menschen auf eine andere Ebene heben, indem sie ihr Fotos: Jackie Nickerson. dung mit ihnen für mich unabdingbar“, sagt er. bremsten Pandemiejahr ist damit so gut wie besiegelt; neue Wirklichkeit verleiht, eine neue Form oder Norm.“ Mit Soziale Medien spielen in seiner Arbeit ebenfalls eine dass Amoako Boafo in den kommenden Jahren zu den Unterstützung von Dior soll in Accra ein Zentrum für Kunst Rolle: Einerseits stößt er hier immer wieder auf Perso- einflussreichsten und bekanntesten Gegenwartskünst- und eine Residency entstehen: „Noch ist es zu früh, um nen, die er möglicherweise porträtieren wird; anderer- lern zählen wird, ist damit ebenfalls mehr als wahr- über Details zu sprechen“, so Boafo. „Das Ziel ist aber, seits wurde 2018 US-Künstler Kehinde Wiley dank scheinlich. ! Kunst und Kulturschaffen in Accra zu fördern.“ 14 Schaufenster Schaufenster 15
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