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Kanzlerin der Krisen                Titelthema

Kanzlerin der Krisen ­Angela Merkel hat die
deutsche Außenpolitik stärker verändert
als viele vermuten. Die Bundesrepublik
kümmert sich zumindest ­regional aktiver
um Krisenvermittlung.
Von Andreas Rinke

D
        ie 16-jährige Kanzlerschaft von An-    kulationen über eine mögliche Wahl zur
        gela Merkel wird eher mit Krisen und   UN-Generalsekretärin auslösten. Man
        Einschnitten wie dem Ausstieg aus      kann die Bilanz ihrer Amtszeit aber auch
der Atomenergie sowie der Finanz-, Flücht-     an ihrer Haltung in den großen außen­
lings- und Corona-Krise verbunden als mit      politischen Krisen ihrer Amtszeit messen.
der Außenpolitik. Aber der Eindruck trügt.
Seit Merkels Amtsantritt 2005 hat sich die     Die außenpolitischen Achsen
Rolle Deutschlands in der Welt erheblich       Als Merkel ihr Amt antrat, war sie bereits
verändert. Vom reinen Mitläufer amerika-       mit außenpolitischem Denken vertraut.
nischer und westlicher Außenpolitik hat        Als stellvertretende Regierungssprecherin
die Bundesrepublik ein eigenständigeres        der DDR sammelte sie frühzeitig Einblicke
Profil entwickelt – was schon angesichts       etwa in die Zwei-plus-Vier-Verhandlungen
der angestrebten europäischen und trans­       mit den Alliierten und war bei der Unter-
atlantischen Einbindung nie ohne Wi-           zeichnung des Vertrags am 12. September
derspruch war. Überwölbende Linie für          1990 in Moskau anwesend. Als Umweltmi-
die Kanzlerschaft Merkels ist dabei, dass      nisterin hatte sie Erfahrungen mit ameri-
Deutschland auf der diplomatischen Bühne       kanischen und chinesischen Diplomaten
von einer passiven zu einer aktiveren Rolle    in der Klimapolitik gesammelt. Und im
übergegangen ist – oft notgedrungen, weil      Kabinett von Helmut Kohl hatte sie haut-
sich die Welt um Deutschland und die EU        nah dessen Umgang mit außenpolitischen
herum dramatisch verändert hat.                Themen und Verbündeten miterlebt – was
   Man kann die Bilanz der Kanzlerin an        sie vor europapolitischen Irrwegen wie
Einladungen und großen Reden messen,           Gerhard Schröders Versuch bewahrte,
die sie etwa in der Knesset und im US-Kon-     in der Europapolitik statt mit Paris eine    Dr. Andreas Rinke
gress halten durfte. Dies sind Symbole für     engere Absprache mit London zu suchen.       ist Chefkorrespon-
                                                                                            dent der Nach-
das Maß an internationaler Anerkennung,           Merkel hat immer wieder sehr deut-        richtenagentur
die sich Merkel erarbeitete und die Spe-       lich gemacht, was ihre festen Grund-         Reuters in Berlin.

                                                                                             IP • Mai/Juni 2021   | 47
Titelthema               Gestalter gesucht

                          achsen in der Außenpolitik waren: eine            Von Anfang an reiste Merkel als Kanz-
                          klare transatlantische Orientierung, die      lerin viel. Von Anfang an ärgerte es sie,
                          stabile Einbindung in eine immer tiefer       wenn ihr aus parteipolitischen Motiven
                          integrierte EU sowie das für sie unver-       eine „Politik der roten Teppiche“ (SPD)
                          rückbare Bekenntnis zur Verantwortung         oder eine Vernachlässigung der Innenpo-
                          Deutschlands für Israel. Daneben prägt sie    litik vorgeworfen wurde. Ironische Über-
                          die Überzeugung, dass eigentlich fast alle    schriften wie „Blitzbesuch in Deutsch-
                          grundlegenden Probleme in dieser Welt         land“ wurmten sie schon im Jahr 2007.
                          nur in multilateraler Zusammenarbeit ge-      Eigentlich hat Merkel immer das Gefühl,
                          löst werden können – und nur die aller-       als Kanzlerin eines stärker international
                          wenigsten militärisch. Merkel war zudem       geforderten Deutschlands nicht genug
                          von Anfang an von einer fortschreitenden      im Ausland präsent sein zu können – sie
                          Globalisierung überzeugt, die auch im In-     telefoniert sehr intensiv mit ausländi-
                          teresse der Exportnation Deutschland ist.     schen Kollegen, oft ohne dass dies in der
                          Sie sieht Außenpolitik in engem Zusam-        Öffentlichkeit bekannt wird. Vor allem in
                          menhang mit Entwicklungshilfe und wirt-       der Finanz- und Euro-Krise hatte sie die
                          schaftlicher Zusammenarbeit; Diplomatie       Erfahrung gemacht, welche hohen Erwar-
                          hat sich auch mit dem Kampf etwa gegen        tungen internationale Akteure mit dem
                          Klimawandel, Fluchtursachen und für           wirtschaftlich stärksten EU-Land und ihr
                          Rechtsstaatlichkeit zu beschäftigen. Feste    als Kanzlerin verbanden.
                          Bestandteile ihrer Auslandsreisen waren
                          deshalb Treffen mit Frauengruppen und         Korrektur und Kontinuität (2005 – 2012)
                          der Zivilgesellschaft – neben der Türöff-     Merkels erste außenpolitische Kanzle-
                          ner-Funktion für die deutsche Wirtschaft.     rinnenjahre waren geprägt davon, eine
                                                                        neue Balance zu finden: Die CDU-Che-
                                                                        fin wollte sich von ihrem SPD-Vorgänger
                             Die deutsche Enthaltung                    Schröder absetzen, aber gleichzeitig ent-
                                zum Libyen-Einsatz                      scheidende Linien der deutschen Außen-
                                                                        politik seit Helmut Kohl fortsetzen. Bes-
                             war der erste markante                     tes Beispiel dafür sind die Beziehungen
                                                                        zu Russland. Merkel bekannte sich nach
                              ­Einschnitt ihrer Politik                 der Bundestagswahl 2005 sehr schnell
                                                                        zur Gaspipeline Nord Stream 1, die noch
                             Zudem machte sich Merkel nie Illusio-      unter Schröder verabredet worden war.
                          nen, dass eine regionale Mittelmacht wie      Zugleich beendete Merkel jedoch Schrö-
                          Deutschland bei allem Ansehen letztlich       ders „­Buddy“-Politik mit dem russischen
                          nur im Geleitzug der westlichen und vor       Präsidenten Wladimir Putin. Gegenüber
                          allem europäischen Politik fahren und de-     dem kommunistischen China markierte
                          ren Kurs nur punktuell beeinflussen kann.     sie eine deutliche Position, indem sie den
                          „Die Welt zu verstehen ... und zu wissen,     Dalai Lama 2007 im Kanzleramt empfing –
                          wo die Politik eingreifen und mit wem sie     was Merkel aber nicht davon abhielt, spä-
                          zusammenarbeiten kann und muss, um et-        ter wegen der wachsenden Bedeutung des
                          was zu erreichen – das ist eine Aufgabe, an   Landes fast jährlich nach China zu reisen.
                          der ich immer weiterarbeite“, beschrieb sie      Als der damalige deutsche UN-Bot-
                          deshalb ihre außenpolitische Einstellung.     schafter Peter Wittig im Sicherheitsrat am

48 | IP • Mai/Juni 2021
Kanzlerin der Krisen                       Titelthema

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2007 empfing Bundeskanzlerin Angela Merkel den Dalai Lama im Kanzleramt und markierte damit eine deutliche Position. Das hielt
sie aber später nicht davon ab, wegen der wachsenden Bedeutung Chinas beinahe jährlich in die Volksrepublik zu reisen.

17. März 2011 seine Hand hob, um die Ent-            etwa mit dem britischen Premierminister
haltung Deutschlands zum militärischen               David Cameron und US-Präsident Barack
Einsatz in Libyen anzuzeigen, war dies der           Obama zuvor klar gemacht, dass sich
erste markante Einschnitt im außenpoliti-            Deutschland keineswegs aus der westli-
schen Handeln der Bundeskanzlerin. 2003              chen Gemeinschaft verabschieden würde.
hatte sich die damalige Oppositionsfüh-              Zum anderen zeigte die Entwicklung der
rerin im Irak-Krieg noch auf die Seite der           Folgejahre aus Sicht der Kanzlerin, dass
US-Regierung und gegen Bundeskanzler                 ihre Einwände gegen die Militärinterven-
Schröder gestellt. Aber nun verweigerte              tion nicht abwegig waren. Denn diese
Deutschland nicht nur den USA, sondern               Intervention des Westens beschleunigte
auch den europäischen Partnern Frank-                zwar das Ende des Machthabers Gaddafi,
reich und Großbritannien die Gefolg­                 stürzte Libyen aber in ein Dauerchaos.
schaft. Ein Aufschrei der außenpolitischen              Libyen gilt seither als Failed State,
und transatlantischen Community war die              vom Zusammenbruch jeder staatlichen
Folge, die Warnungen vor einem neuen                 Ordnung profitierten Schleuser und is-
deutschen Sonderweg häuften sich.                    lamistische Terrorgruppen. Der Waffen-
    Aber die Warnungen vor einer deut-               schmuggel aus dem einst reichen Land
schen Isolation erwiesen sich als falsch.            nach Süden befeuerte die Instabilität in
Zum einen hatte Merkel in Gesprächen                 der Sahel-Zone. Merkels Lehre aus dem

                                                                                                             IP • Mai/Juni 2021   | 49
Titelthema               Gestalter gesucht

                          Jahr 2011 war, dass man nicht unbedingt               Noch deutlicher wurde Deutschlands
                          auf die engsten Verbündeten und deren              neue, aktivere Rolle im russisch-ukrai-
                          sicherheitspolitische Rezepte vertrauen            nischen Konflikt nach dem EU-Assozi-
                          kann, wenn man Stabilität in der unmit-            ierungsvertrag mit der Ukraine 2013. Die
                          telbaren Nachbarschaft der EU anstrebt.            militärische Unterstützung Moskaus für
                                                                             die ostukrainischen Separatisten sowie
                          Neue Außenpolitik (2013 – 2016)                    die russische Annexion der ukrainischen
                          Die Folgewirkungen des Libyen-Debakels             Halbinsel Krim sah Merkel als Tabubruch
                          trieben Merkel in eine aktivere Außenpoli-         in der europäischen Nachkriegsgeschich-
                          tik etwa in Afrika. Sie willigte ein, Frank-       te, weil in Europa erstmals nach 1945
                          reich bei der Stabilisierung der ehemali-          wieder Grenzen mit militärischer Gewalt
                          gen Kolonie Mali auch mit der Bundeswehr           verschoben wurden. Zusammen mit dem
                          zu helfen – aber um den Preis, dass die            französischen Präsidenten François Hol-
                          UN-Vetomacht Frankreich ihrerseits ihre            lande und den Außenministern beider
                          Afrika-Politik europäisierte.                      Länder versuchte sie, einen großflächigen
                             Die Bundesregierung verstärkte in der           Krieg an der Ostgrenze der EU zu verhin-
                          Migrationskrise ihr diplomatisches und             dern. Und sie bat US-Präsident Obama
                          entwicklungspolitisches Engagement in              ausdrücklich um Zurückhaltung bei den
                          Niger und anderen afrikanischen Staa-              Vermittlungsversuchen. Mit dem Ab-
                          ten. Dabei machte sie die Erfahrung, dass          schluss des Minsker Friedensabkommens
                          Deutschland mit seiner fehlenden kolo-             2014 übernahm die Bundesregierung erst-
                          nialen Vergangenheit in der Region als             mals selbständig die Verantwortung für
                          Partner besonders begrüßt wurde.                   eine Konfliktlösung.

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                          Russlands Annexion der Krim 2014 war für Merkel ein Tabubruch. Mit dem Minsker Friedensabkommen
                          übernahm die Bundesregierung erstmals selbstständig Verantwortung für eine Konfliktlösung.

50 | IP • Mai/Juni 2021
Kanzlerin der Krisen                Titelthema

   Seit 2014 sieht Merkel Putin noch kri-         Das Flüchtlingsabkommen
tischer und war zur Verblüffung gerade
amerikanischer Beobachter bereit zu                zwischen der EU und der
EU-Sanktionen gegen Russland, die auch
die deutsche Wirtschaft trafen. „Wir sagen,
                                                  Türkei zeigt: Merkel strebt
das ist Fortschritt, dass wir im 21. Jahrhun-       Win-win-Situationen an
dert in Europa Konflikte nicht militärisch
lösen. Nur muss man sich fragen, was tut
man dann? Einfach Schwamm drüber?               Flüchtlings­k rise. Sie versuchte, einen
Was haben wir an Mitteln? Man kann              humanitären Anspruch mit dem Ziel zu
nicht einfach zur Tagesordnung überge-          kombinieren, den Flüchtlingsstrom gen
hen“, begründete sie dies mit Blick auf die     Deutschland und Nordeuropa zu stoppen.
Annexion der Krim.                              Die CDU-Chefin wurde deshalb treibende
   Ganz neu war diese Bereitschaft zu           Kraft hinter dem Flüchtlingsabkommen
einer Sanktionspolitik nicht. Schon 2010        zwischen der EU und der Türkei, für des-
erklärte sie in Bezug auf das iranische         sen Erhalt und Weiterentwicklung sie bis
Atomprogramm: „Die Frage ist immer:             heute arbeitet. Das Abkommen ist mit
Was kostet uns das Nichthandeln?“ Dieser        der finanziellen Hilfe für die Versorgung
doppelte Ansatz – zunächst eine Verstän-        der syrischen Flüchtlinge in der Türkei
digung und internationale Abkommen zu           ein P
                                                    ­ aradebeispiel für Merkels außen-
suchen, im Notfall aber auch zu Sanktio-        politischen Ansatz: Sie strebt Win-win-­
nen im EU-Rahmen bereit zu sein – prägt         Situationen an. Anders als beim Ukrai-
ihre Amtszeit bis heute. Sie warnte Firmen,     ne-Konflikt mit deutsch-französischem
nicht zu kurzfristig zu denken: „Gerade         Verhandlungsansatz setzt Merkel in der
den Stimmen in der deutschen Wirtschaft,        Migrationspolitik bis heute darauf, dass
die zweifeln, ob es richtig ist, Sanktionen     möglichst die EU die zentrale Rolle spielt.
zu verhängen, kann ich immer wieder nur
sagen, dass auch wirtschaftlicher Erfolg        Multilateralismus gegen aufkommen-
abhängig ist von verlässlichen politischen      den Nationalismus (seit 2016)
Rahmenbedingungen.“ Wenn Merkel al-             Der Ausgang der US-Wahl 2016 mach-
lerdings davon überzeugt ist, dass ein          te deutlich, dass eine Mittelmacht wie
Projekt wie die Nord Stream 2-Gaspipe-          Deutschland trotz aller wirtschaftlichen
line zentrale deutsche Interessen berührt,      Stärke nur in einem international von
sorgt sie dafür, dass diese nicht unter         Großmächten gesetzten Rahmen agieren
EU-Sanktionen fallen.                           kann. Der Sieg Donald Trumps änderte die
   2015 demonstrierte Merkel erneut die         internationale Großwetterlage ebenso wie
Bereitschaft, angesichts einer Großkrise in     der zunehmend autoritäre Kurs von Putin
der unmittelbaren Nachbarschaft der EU          in Russland und die immer härtere innen-
aktiv zu werden: Mit wachsender Frustra-        und außenpolitische Politik des 2013 ins
tion beobachtete die Kanzlerin von Berlin       Amt gekommenen chinesischen Präsiden-
aus, dass die EU-Partner und die Kom-           ten Xi Jinping.
mission zunächst die Größe des Flücht-              Plötzlich wurde Merkel in der New
lingsstroms nach Europa unterschätzten.         York Times als Anführerin der liberalen
Innenpolitisch getrieben, wurde Merkel          westlichen Welt beschrieben. ­Tatsächlich
immer stärker zur zentralen Figur in der        ­m achte die Kanzlerin in der ­A mtszeit

                                                                                              IP • Mai/Juni 2021   | 51
Titelthema               Gestalter gesucht

                          Trumps klar, dass sie ihre Ideale einer      Denn auch wenn sich Deutschland mög-
                          multilateralen Welt nicht kampflos auf-      licherweise schneller hätte bedienen kön-
                          geben würde; aber sie geriet wie andere      nen – die Kanzlerin sah die reale Gefahr
                          multilateral denkende Regierungschefs        eines Auseinanderfallens der EU. Die Emo-
                          in die Defensive. Deutschland schmiedete     tionalität, mit der auch in Deutschland
                          durch Außenminister Heiko Maas an einer      plötzlich ein „Germany and EU First“ bei
                          „Allianz für den Multilateralismus“ mit      der Impfstoffversorgung eingefordert wur-
                          mehreren Dutzend anderen Staaten, die        de, zeigt die Sprengkraft des Themas. Zum
                          weder die überkommene Dominanz der           Ende ihrer Amtszeit wirkte Merkel über-
                          Siegermächte des Zweiten Weltkriegs im       zeugter als zu Beginn, dass die Einbettung
                          UN-Sicherheitsrat akzeptieren noch zwi-      in die EU im deutschen Interesse liegt.
                          schen der aufziehenden Konfrontation der
                          Supermächte USA und China zerrieben          Dauerbaustelle Bundeswehr
                          werden wollen.                               Allerdings macht gerade das Thema Li­
                                                                       byen deutlich, wo die Achillesferse und
                                                                       die Grenzen der deutschen Außenpolitik
                            Ihr Pochen auf Soft Power                  nach 16 Jahren Merkel liegen. Denn nicht
                           gründete aber auch auf der                  immer entsprang ihr Pochen auf den Ein-
                                                                       satz von Soft Power nur reiner Überzeu-
                            militärischen Machtlosig-                  gung – es lag auch an der militärischen
                                                                       Machtlosigkeit Deutschlands und der EU
                                keit Deutschlands                      sowie an dem Druck wechselnder Koali-
                                                                       tionspartner, die Auslandseinsätze sehr
                             Zwei Beispiele aus den Jahren 2020 und    kritisch sehen. Die fehlenden Fähigkeiten
                          2021 zeigen, dass Merkel an ihrem Ansatz     der Bundeswehr sind Merkels Ansicht
                          einer möglichst multilateralen Konflikt­     nach ein ernsthaftes Problem; seit der Um-
                          lösung festhält: Zum einen richtete die      wandlung von einer Wehrpflicht- in eine
                          Bundesregierung die Libyen-Konferenz im      Berufsarmee und dem Wandel von einer
                          Januar 2020 in Berlin aus, um die Kriegs-    Landesverteidigungs- in eine Interventi-
                          parteien an einen Tisch zu bringen – zu      onsarmee und wieder zurück gleicht sie ei-
                          denen nun auch Russland und die Türkei       ner Dauerbaustelle. Gegen Ende der Amts-
                          gehörten. Das barg das Risiko des Schei-     zeit Merkels haben sich dagegen Russland
                          terns, erleichterte aber nach Einschätzung   und die Türkei ­M ilitärstützpunkte auch
                          der Bundesregierung, dass die libyschen      vor der Südgrenze der EU gesichert.
                          Kriegsparteien 2021 den Weg der Bildung          Immerhin sind Deutschlands Verteidi­
                          einer Einheitsregierung gingen (siehe        gungsausgaben auch auf Merkels Druck
                          auch den Kommentar auf S. 53 ff.). Ein       hin seit 2014 kontinuierlich gestiegen.
                          Nebeneffekt: Die lange schwelende Kon-       Die Entsendung einer Fregatte nach Süd-
                          kurrenz zwischen Italien und Frankreich      ostasien zeigt zusammen mit den Indo-
                          um Einfluss in Libyen wurde zumindest        Pazifik-Leit­l inien der Bundesregierung
                          kanalisiert – damit eine gemeinsame eu-      zudem, dass sich die deutsche Politik im
                          ropäische Position entstehen kann.           Geleitzug mit anderen westlichen Part-
                             Zum anderen pochte Merkel Mitte 2020      nern langsam, aber sicher auf die neue
                          in der Corona-Krise darauf, die Impfstoff-   Weltlage mit einem zunehmend auch mi-
                          bestellung in die Hände der EU zu geben.     litärisch offensiveren China einstellt.

52 | IP • Mai/Juni 2021
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