Kapitalmarkt-perspektiven 2021 Die Welt mit und nach Corona.
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Kapitalmarkt- perspektiven 2021 Die Welt mit und nach Corona. In der Region – Für die Region
Kreissparkasse Köln • Kapitalmarktperspektiven 2021 Sehr geehrte Leserinnen und Leser unserer Kapitalmarktperspektiven 2021, nicht wenige Menschen würden den Satz unterstreichen, dass das Corona-Jahr 2020 ein „annus horribilis“ war – ein schreckliches Jahr. Welche Lehren lassen sich aus dieser schlimmsten Gesundheitskrise seit 100 Jahren ziehen? Börsen- technisch ist es für uns vor allem Demut! Demut vor der Zukunft. Wie viele Ge- wissheiten sind Anfang 2020 verbreitet worden, die sich von heute auf morgen als Makulatur herausstellten. Wer Anfang 2020 prognostiziert hätte, dass eine Gesundheitskrise epischen Ausmaßes die Welt heimsucht und die Weltwirtschaft in die schwerste Rezes- sion der Nachkriegsgeschichte stürzt, der hätte mit Sicherheit Allzeithochs an der US-Börse inmitten der Pandemie ausgeschlossen. Doch wie wir heute wis- sen, folgte auf den rasend schnellen Corona-Crash die ebenso schnelle Börsen- erholung. Die zügigen und großvolumigen Überbrückungshilfen von Staaten und Notenbanken sowie die beschleunigte Entwicklung von Impfstoffen machte es möglich. Wenn es so kommt, wie derzeit vielfach prognostiziert wird, dürfen wir uns auf ein Stück mehr Normalität im Jahr 2021 freuen. Die Kapitalmärkte schauen be- reits über die Pandemie hinweg und sehen eine hohe Wahrscheinlichkeit für deren Abklingen im Verlauf dieses Jahres. Wir teilen diese Sichtweise und schauen mit einem gewissen Grad an Zuversicht auf das Jahr 2021. Der Titel unseres Jahresausblicks lautet deshalb: „Die Welt mit und nach Corona.“ In der ersten Jahreshälfte erwarten wir noch viel „mit“ und in der zweiten Jahreshälfte dürfte das „nach“ immer stärker in unseren Alltag zurückkehren. So haben wir auch das Bildmotiv für unseren diesjährigen Ausblick gewählt. Bleiben wir acht- sam, halten Abstand und hoffen, wie unser Gesundheitsminister, dass die ge- startete Impfkampagne zum bedeutenden Meilenstein auf dem Weg aus der Pandemie wird. Im Anschluss dürfen wir uns an den Alltagsfreuden und der so- zialen Interaktion erfreuen, die wir im letzten Jahr so schmerzlich vermisst ha- ben. Gemeinsam sind wir allem gewachsen und freuen uns darauf, nicht nur mit regionaler Verbundenheit, sondern auch in Nähe und von Mensch zu Mensch für Sie, unsere Kundinnen und Kunden, tätig sein zu können. Über das Börsenjahr 2021 wird in seltener Einmütigkeit geschrieben, dass die Pandemie langsam ihren eisernen Griff um die Wirtschaft lockert. Die Konjunk- tur werde sich deshalb mit hohen Wachstumsraten erholen und mit ihr die Un- ternehmen sowie ihre Gewinnverfassung. Geld- und Fiskalpolitik bleiben ext- rem expansiv ausgerichtet, da eine Wirtschaft auf dem Pfad der Erholung noch nicht bedeutet, dass sich die Wirtschaft von dem Schock auch vollumfänglich erholt hat und bereits mit weniger Unterstützung auskommt. Per saldo also ein gutes Umfeld für die chancenreicheren Anlageklassen. Nur weil es das vorherr- schende Denken ist, bedeutet das nicht, dass es anders kommen muss als ge- dacht. Das Bild ist stimmig und für die kurze Frist gut umschrieben. Dennoch: Bei aller Zuversicht zeichnet sich schon heute ab, dass das Umfeld für die Kapitalanlage über Jahre hinaus anspruchsvoll und herausfordernd bleibt. Augenmaß und ein sorgfältiges Abwägen von Chancen und Risiken – das ist es, was Ihre Vermögensanlage verdient. Dazu bekennen wir uns und hoffen, dass Sie uns auch zukünftig Ihr Vertrauen schenken. Ihnen und Ihren Familien wünschen wir ein glückliches und gesundes neues Jahr. Herzliche Grüße Ihr Research-Team der Kreissparkasse Köln 1
Prognosespiegel Kreissparkasse Köln • Kapitalmarktperspektiven 2021 Kapitalmarktperspektiven 2021 auf einen Blick Prognoseübersicht Jahresendstandprognose 2021 Konsens Durch- Höchste Niedrigste KSK 31.12.20 schnitt Schätzung Schätzung 1) Leitzinsen EZB 0,00% 0,00% 0,00% 0,00% 0,00% Fed (obere Grenze) 0,25% 0,25% 0,75% 0,25% 0,25% Staatsanleihen 10J1) Deutschland -0,58% -0,33% -0,12% -0,57% -0,50 bis -0,25% USA 0,91% 1,24% 2,00% 0,75% 1,00 - 1,50% Wechselkurse1) USD/EUR 1,2271 1,24 1,30 1,14 1,22 - 1,27 JPY/EUR 126,49 127 138 116 125 - 135 CHF/EUR 1,0802 1,10 1,18 1,07 1,10 - 1,15 Aktienmärkte2) DAX 13.719 14.500 16.000 13.080 14.250 - 14.750 Euro Stoxx 50 3.553 3.800 4.500 3.401 3.600 - 3.850 S&P500 3.756 3.900 5.000 3.000 3.800 - 4.000 1) Quelle für die Konsensprognosen: Bloomberg, Stand: 31.12.2020 2) Quelle für die Konsensprognosen: Refinitiv, Stand: 24.11.2020 Redaktionelle und rechtliche Hinweise Autoren Rückblick: Dustin Richter Konjunktur, Zinsen, Währungen: Prof. Dr. Carsten Wesselmann, Heiko Zülch Aktienmärkte: Michael Kahler, Heiko Zülch Rohstoffe: Heiko Zülch Vermögensstrukturierung: Rolf Saßen Wichtiger Hinweis: Alle hier veröffentlichten Angaben erfolgen unverbindlich und stellen weder eine Anlageberatung noch eine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf irgendeines Wertpapieres dar. Die Angaben dienen ausschließ- lich zur Information, die Ihnen eine selbständige Anlageentscheidung erleichtern soll. Meinungsaussagen oder Empfehlungen können für den einzelnen Investor nicht anleger- oder objektgerecht sein. Bitte spre- chen Sie daher vor einer Auftragserteilung mit Ihrem Anlageberater, soweit nicht auf eine Beratung ver- zichtet wird (s direkt Brokerage). Die Informationen basieren auf Quellen, die wir für zuverlässig halten. Dennoch kann keine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Inhalts übernommen werden. We- der diese Veröffentlichung noch ihr Inhalt bzw. eine Kopie dieser Veröffentlichung dürfen ohne die vorhe- rige ausdrückliche Erlaubnis der Kreissparkasse Köln auf irgendeine Weise verändert oder an Dritte ver- teilt oder übermittelt werden. Änderungen zu den Informationen und Meinungsaussagen bleiben jeder- zeit und ohne vorherige Ankündigung vorbehalten. In einigen ausländischen Rechtsordnungen ist die Verbreitung dieser Information unter Umständen ge- setzlichen Restriktionen unterworfen. Personen, in deren Besitz dieses Dokument/diese Information ge- langt, sind verpflichtet, sich diesbezüglich zu informieren und solche Einschränkungen zu beachten. Einen ausführlichen Hinweis auf interne organisatorische und regulative Vorkehrungen zur Prävention und Behandlung von Interessenkonflikten in der Kreissparkasse Köln können sie unter https://www.ksk- koeln.de/de/home/privatkunden/wertpapiere-und-boerse.html einsehen. Sofern nicht anders vermerkt, ist als Quelle für die statistischen Daten, Tabellen und Grafiken der Da- tenanbieter Refinitiv Datastream zu nennen. 2
Kreissparkasse Köln • Kapitalmarktperspektiven 2021 Rückblick 2020 A. Rückblick 2020 – Kapitalmärkte 2020: „Ein Jahr zum Vergessen?“ oder „…endlich ist es vorüber!“ In diesem Gut, dass das Jahr rum ist oder einem ähnlichen Sinne blicken viele von uns auf das abgeschlossene Jahr – Corona hatte unser Le- zurück und hoffen auf das Jahr 2021, das im Grunde genommen nur besser wer- ben fest im Griff den kann. Dafür verantwortlich war das Corona-Virus. Die Pandemie hatte unser Leben fest im Griff. Ausgehend von der chinesischen Provinzstadt Wuhan ver- breitete sich das Virus über die Welt: Harte Lockdowns in den meisten Regionen waren die Folge der größten Gesundheitskrise der neueren Geschichte. Die Hoffnungen, das Virusgeschehen nicht nur über die Sommermonate, sondern dauerhaft einzugrenzen, wurden ab Herbst jäh zerschlagen. Trotz aller Bemü- hungen wurde nicht nur hierzulande ein zweiter Lockdown unausweichlich, um der Ausbreitung Einhalt zu gebieten. Licht am Ende des Tunnels erzeugten die Impfstoffe, mit denen schon in der zweiten Dezemberhälfte begonnen wurde, die ersten Menschen zu immunisieren. Abseits von Corona fand auf der Weltbühne im abgelaufenen Jahr u. a. noch der Biden sticht Trump im US- US-Präsidentschaftswahlkampf statt. Das Auszählen der Wählerstimmen blieb Wahlkampf aus – Im lange Zeit spannend, bis sich schlussendlich Joe Biden den Eintrag in die Ge- Brexit-Gerangel kommt es an Heiligabend (doch schichtsbücher sicherte. Darüber hinaus war über das ganze Jahr hinweg der noch) zu einem „Deal“ Brexit ein Dauerbegleiter. Kurz vor der Jahreswende einigte man sich schließ- lich doch noch an Heiligabend auf ein gemeinsames Handelsabkommen. Der Corona-Einbruch ist am Aktienmarkt nicht zu übersehen – Die anschlie- ßende Erholungsbewe- gung jedoch ebenso we- nig Wie haben sich diese Themen auf die Entwicklung an den Kapitalmärkten nie- Die Kapitalmärkte prä- dergeschlagen? Kurz und knapp: Wir hatten zwischenzeitlich mit deutlich sentierten sich robust schlimmeren Auswirkungen gerechnet. Es erstaunt sogar im ersten Moment ein wenig, dass sich Aktien – trotz der pandemiebedingten Unsicherheiten und der harten wirtschaftlichen Einschnitte – insgesamt solide entwickeln konnten. Ganz so glatt bzw. reibungslos lief es aber unterjährig nicht – der Dax verlor ab Dax und Weltindex been- Ende Februar 2020 vom Hoch zum Tief in der Spitze knapp 40 % auf bis zu 8.256 den das Jahr trotz Pande- Punkte. Ähnlich zügig war jedoch die anschließende Erholungsbewegung, so- mie im Plus – Am Devisen- markt drehte der Trend zu dass bereits im Juli wieder Niveaus über der Marke von 13.000 Punkten erreicht Ungunsten des US-Dollar wurden. Dieses Niveau konnte zum Jahresende hin sogar noch ausgebaut wer- den, womit in Summe ein Plus von 3,6 % auf Jahressicht zu Buche steht. Der Index der führenden Unternehmen im Euroraum (Euro Stoxx 50) schaffte es mit 3
Rückblick 2020 Kreissparkasse Köln • Kapitalmarktperspektiven 2021 -3,2 % nicht in positives Terrain, wohingegen der Weltindex in Euro gerechnet sogar um 6,1 % anstieg. Das Segment der Schwellenländer brachte ebenfalls ein positives Vorzeichen mit über die Ziellinie. Hier legte der entsprechende In- dex auf Euro-Basis um gut 8 % zu. Am Devisenmarkt wendete sich das Blatt zu Ungunsten des US-Dollar. Der Euro legte von ca. 1,12 US-Dollar je Euro auf zu- letzt knapp 1,23 US-Dollar zu. Auch gegenüber anderen wichtigen Währungen verzeichnete der Dollar im Jahresverlauf Einbußen. Jahresbilanz 2020 Prozentuale Wertentwicklung in Euro Dt. Aktien 3,6% (DAX) Europ. Aktien -3,2% (Euro Stoxx 50) Int. Aktien 6,1% (MSCI Welt) Dt. Bundesanleihen 1,2% (Rex-Performance-Index) Int. Staatsanleihen 1,0% (Citigroup-Welt-Staatsanleihen-Index) Europ. Unternehmensanleihen 2,7% (iboxx Corporates) Goldpreis (je Feinunze) 13,9% Ölpreis (je Fass der Sorte Brent) -28,4% Gold profitierte vom Sta- Blicken wir abschließend noch auf die Anlageklasse Rohstoffe: Gold setzte den tus als sicherer Hafen und Aufwärtstrend des Vorjahres fort und konnte nach ansehnlichen +20,9 % im setzte den Aufwärtstrend Jahr 2019 um weitere 13,9 % im Jahr 2020 gen Norden steigen. Es hat sich da- des letzten Jahres fort – Öl war erstmals unter null mit einmal mehr gezeigt, dass sich eine Beimischung von Gold in der langfristig zu haben ausgerichteten Vermögensstruktur auszahlt. Eine letzte Schlagzeile hat bei Börsianern unterjährig zu einem Augenreiben geführt: Der Terminpreis von US- Leichtöl (WTI) notierte zeitweise unter null, weil sich die Ölförderländer zu- nächst nicht auf eine Förderbeschränkung einigen konnten und dazu die virus- bedingte Nachfrageeinschränkung ein erhebliches Überangebot verursachte – ein Novum in der Geschichte des „schwarzen Goldes“. B. Der Blick nach vorn I. Das große Bild Konsensprognosen1) 2017 2018 2019 2020 2021 *) BIP-Wachstum Deutschland 2,9 1,3 0,6 -5,5 3,8 Euroraum 2,7 1,9 1,3 -7,3 4,7 USA 2,3 3,0 2,2 -3,7 3,8 Japan 1,7 0,6 0,3 -5,5 2,5 *) Inflation Deutschland 1,5 1,7 1,5 0,5 1,5 Euroraum 1,5 1,8 1,2 0,3 0,9 USA 2,1 2,4 1,8 1,2 2,0 Japan 0,2 0,9 0,8 0,0 0,0 1) *) Quelle: Consensus Economics Veränderung ggü. Vj. 4
Kreissparkasse Köln • Kapitalmarktperspektiven 2021 Das große Bild Ein bisschen Normalität … Dieser Wunsch stand wohl bei vielen Bürgerinnen Die Nachrichten von der und Bürgern ganz oben auf dem Weihnachtswunschzettel, verbunden mit der Impffront wecken Hoff- Hoffnung, dass das Corona-Virus das Alltagsgeschehen zukünftig weniger do- nungen auf ein Stückchen Normalität im Jahresver- miniert. Die Nachrichten von der Impfstofffront wecken berechtigte Hoffnun- lauf 2021 gen, dass wir uns im weiteren Jahresverlauf zumindest ein Stück in Richtung Normalität bewegen. Aber man darf sich keiner Illusion hingeben: Von heute auf morgen wird die Pandemie nicht verschwinden. Wir werden noch einige Zeit mit dem Virus leben müssen. AHA – Abstand wahren, auf Hygiene achten und – da wo es eng wird – eine Alltagsmaske tragen wird uns vorerst weiter begleiten. Das Wirtschaftsgeschehen wird demnach auch 2021 über weite Teile von der Ungeachtet dessen dürfte Pandemie geprägt sein. Bis ins Frühjahr hinein sollten weiterhin Lockdowns in das Virus über weite Teile unterschiedlicher Ausprägung in verschiedenen Teilen der Welt das wirtschaft- des Jahres 2021 für die Wirtschaft prägend blei- liche Leben dämpfen. Die weitere Entwicklung der Wirtschaft im Jahresverlauf ben 2021 hängt maßgeblich davon ab, wann und wie die einzelnen Länder nach der Stilllegung von Teilen des öffentlichen Lebens aus den Lockdown-Maßnahmen wieder herauskommen, ohne dass sich die Pandemie erneut ausbreitet. Gelingt eine nachhaltige Eindämmung der Infektionszahlen und können die Lockdown- Regelungen zeitnah wieder aufgegeben werden, deutet sich für die Weltwirt- schaft ab dem späten Frühjahr ein dynamischer Aufholprozess an, der mindes- tens über das gesamte Jahr 2021 anhält. Dessen ungeachtet werden die Pandemie und deren Folgen das Wirtschaftsge- Die Corona-Pandemie hat schehen in Teilen nachhaltig beeinflussen. Unternehmen, aber auch die Gesell- zu erheblichen strukturel- schaft und Politik sollten im Zuge der aktuellen Corona-Krise die Vor- und Nach- len Veränderungen ge- führt, die das gesell- teile internationaler Wertschöpfungsketten sowie die Grenzen der Digitalisie- schaftliche und wirt- rung neu durchdenken. Eine stärkere Diversifizierung der Wertschöpfungsket- schaftliche Leben nach- ten könnte die Folge sein. Zudem dürfte darüber nachgedacht werden, ob Teile haltig beeinflussen wer- der Lieferketten, die in der Vergangenheit ausgelagert wurden, wieder zurück den in das Heimatland geholt werden, sei es aus einer geänderten wirtschaftlichen Logik heraus oder aufgrund staatlicher Interventionen. Auffällig ist auch, dass sich Unternehmen rund um den Globus mit dem Voranschreiten der Digitalisie- rung zunehmend von Sachvermögen wie Fabriken, Maschinen aber auch Büro- und Verkaufsflächen getrennt haben, durch die sie sich in der Historie oft defi- niert hatten. Die Investitionen fokussieren sich zunehmend auf „gesichtslose“ immaterielle Vermögensgegenstände wie geistiges Eigentum, Daten, Algorith- men, Online-Plattformen usw. Mit in diese Richtung wirken die Verhaltens- und Präferenzänderungen der Verbraucher im Zuge der Corona-Krise. So hat die COVID-19-Pandemie z. B. zu einem signifikanten Anstieg der Online-Käufe ge- führt und es ist davon auszugehen, dass die damit einhergehenden veränder- ten Konsum- und Mobilitätsmuster zumindest teilweise dauerhafter Natur sind. Trotz aller negativer Effekte der Pandemie bietet die Krise aber auch Chancen Die Digitalwirtschaft geht für innovative und flexible Unternehmen sowie Haushalte. Sie wirkt als Be- als Profiteur aus der Krise schleuniger der Digitalisierung. Die digitale Transformation hat einen Turbo- hervor gang eingelegt und vollzieht sich schneller als jemals zuvor. Angefangen beim E-Commerce und Online-Shopping bis hin zum Thema virtueller Arbeitsplatz (Stichworte Homeoffice, Flexible Working usw.) sowie Videokonferenzen zeigt sich, dass die Digitalwirtschaft als „Gewinner“ aus der Krise hervorgehen dürfte, da die digitalen Technologien zu einer noch drängenderen Notwendigkeit ge- worden sind. In diesen Reigen sollten sich die Bereiche Künstliche Intelligenz und Industrie 4.0 sowie Medizintechnik nahtlos einfügen. 5
Das große Bild Kreissparkasse Köln • Kapitalmarktperspektiven 2021 Corona lässt Staatsschul- Doch nicht nur die Verhaltensmuster der privaten Wirtschaftssubjekte haben den auf globaler Ebene sich verändert, auch die staatlichen Instanzen legen einen in der Nachkriegsge- explodieren schichte nahezu einmaligen Aktionismus an den Tag und intervenieren massiv in das Wirtschaftsgeschehen und nehmen so verstärkt Einfluss auf das aktuelle, aber auch künftige Wirtschaftsumfeld. Fiskalpolitische Stimuli, staatliche Ga- rantien und Bürgschaften zur Abfederung der Pandemie-Folgen lassen weltweit die öffentlichen Haushalte aus dem Ruder laufen. In fast allen Staaten der Welt explodieren die Schuldenstände. Doch die Verschuldung steigt nicht nur im öf- fentlichen, sondern auch im Privatsektor. Das Institute of International Finance (IIF) hat berechnet, dass der weltweite Schuldenstand in den ersten drei Quar- talen 2020 in Folge kreditfinanzierter Ausgaben von Regierungen und privaten Wirtschaftssubjekten als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie um 15 Bio. auf 272 Bio. US-Dollar gestiegen ist. Nach Schätzungen des Institutes wird die Ver- schuldung im Schlussquartal um weitere 5 Bio. US-Dollar auf dann 277 Bio. US- Dollar steigen. Dies korrespondiert mit einer Verschuldungsquote der Weltwirt- schaft von rund 365 % des globalen BIP, ein noch nie dagewesener Rekordwert. Weltweite Verschuldung In US-Dollar (linke Skala) In % des BIP (rechte Sakla) in Bio. US-Dollar (li. Sk.) in % des BIP (re. Sk.) Quelle: IIF, BIZ, IWF Das Risiko einer globalen Es besteht erhebliche Unsicherheit darüber, wie die Weltwirtschaft in Zukunft Finanz- bzw. Schulden- diesen Schuldenberg abbauen kann, ohne dass dies erhebliche nachteilige Aus- krise steigt wirkungen auf die Wirtschaftstätigkeit hat. Unternehmen dürften auf die stark gestiegene Verschuldung mit Einsparungen bei Investitionen und Personalkos- ten reagieren. Ein solcher Entschuldungsprozess kann sich über Jahre hinzie- hen und dürfte mit einem weiteren Rückgang des Trendwachstums einherge- hen. Einige Staats- und Regierungschefs dürften auf eine sogenannte „finanzi- elle Repression“ hoffen. Hierbei drücken die Zentralbanken mittels einer stark expansiven Geldpolitik den Nominalzins unter die Inflationsrate. Oder anders ausgedrückt: Das nominale BIP-Wachstum ist höher als der Nominalzins, so- dass die Regierung ohne größere Anstrengung aus den Schulden „herauswach- sen“ kann. Diese Entschuldungsoption betrieben zwischen 1945 und 1980 viele Länder mit großem Erfolg. Den USA und Großbritannien gelang es mittels einer solchen finanziellen Repression bspw. in der Nachkriegszeit bis Mitte der 1970er ihre Schulden pro Jahr um bis zu drei bzw. vier Prozentpunkte vom BIP zu senken. Geringe Inflation, niedri- Damals waren aber auch die Inflationsraten wesentlich höher als heute. Viele ges Trendwachstum und strukturelle Faktoren lassen jedoch erwarten, dass in nächster Zeit die Inflation Liberalisierung der glo- auch weiterhin eher gering ausfällt. Ferner schlossen damals Kapitalverkehrs- balen Finanzmärkte er- schwert den Weg der fi- kontrollen und weitere Regulierungen Auslandsinvestments oft aus. Seit der nanziellen Repression Liberalisierung der globalen Finanzmärkte entfällt damit ein wichtiger Erfolgs- zum Schuldenabbau faktor für diese Strategie. Zudem bleibt zu berücksichtigen, dass es sich bei die- ser Politik um eine verdeckte Vermögens-Umverteilung vom Gläubiger hin zum 6
Kreissparkasse Köln • Kapitalmarktperspektiven 2021 Das große Bild Staat handelt. Ein wichtiger Erfolgsfaktor für diese Politik war, dass die Wirt- schaft in der Nachkriegszeit kräftig wuchs, sodass viele Bürgerinnen und Bür- gern diese Strategie eher als Dämpfung des Vermögenszuwachses empfanden denn als spürbare Enteignung. Die demografische Entwicklung, die in Teilen zu beobachtende Zombifizierung der Wirtschaft (für eine nähere Erläuterung sei auf unsere Publikation „Das große Bild – Die Geister, die ich rief“ verwiesen) lassen jedoch erwarten, dass das Trendwachstum in nächster Zeit eher gering bleibt, wenn nicht sogar weiter sinkt. Die Akzeptanz einer solchen Politik, die sich oft über Jahrzehnte hinzieht, dürfte von Seiten der Bevölkerung daher dau- erhaft kaum gegeben sein. Staatsverschuldung der G20-Staaten (in % des BIP) 180 160 Finanzielle Repression zur Lösung des Staatsschuldenproblems 140 120 100 80 60 40 20 0 1800 1815 1830 1845 1860 1875 1890 1905 1920 1935 1950 1965 1980 1995 2010 Quelle: Internationaler Währungsfonds Austeritätsmaßnahmen in der Form, dass die Staaten ihre Ausgaben senken Die Gefahr einer Schul- und/oder die Steuern erhöhen, scheinen im aktuellen politischen Umfeld, in denkrise wächst, den dem die politische Mitte auf globaler Ebene zunehmend erodiert und der ex- 2021er-Ausblick sollte dieses Thema jedoch treme rechte und linke Flügel Stimmenzuwächse verzeichnen, ebenfalls wenig nicht überlagern wahrscheinlich. Wir gehen daher davon aus, dass das Thema „Zahlungsausfall“ zumindest in der längeren Frist an Bedeutung gewinnt. Nicht ohne Grund war- nen Organisationen wie der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Welt- bank bereits seit einiger Zeit vor einer Schuldenkrise. Den 2021er-Ausblick sollte dieses Thema jedoch nicht überlagern. Es sollte erst in den nächsten Jah- ren an Bedeutung gewinnen. II. Konjunktur 1. Industrieländer Bei den zuvor genannten Aspekten handelt es sich eher um langfristig wir- Weiterer Verlauf der kende, strukturelle Faktoren. Wenden wir uns im Folgenden den kurzfristig aus- Corona-Infektionswelle gerichteten Konjunkturperspektiven für das Jahr 2021 zu. Wie bereits ange- entscheidet über Entwick- lung der Weltwirtschaft merkt, gehen wir in unserem Basisszenario davon aus, dass wir im Jahresverlauf 2021 dank eines Abklingens der Virusbelastungen schrittweise zu mehr Norma- lität zurückkehren. In diesem Umfeld dürfte auf globaler Ebene ab dem späteren Frühjahr ein dynamischer Aufholprozess einsetzen, der mindestens über das gesamte Jahr 2021 anhält. 2021 sollte das globale Wirtschaftswachstum rund 5,5 % betragen, nach einem Einbruch des BIP um vermutlich etwas weniger als 4 % im vergangenen Jahr. 7
Konjunktur Kreissparkasse Köln • Kapitalmarktperspektiven 2021 Industrieländer Pandemie setzt der US- Dabei dürfte die Wirtschaftsentwicklung in den etablierten Volkswirtschaften Wirtschaft im Winterhalb- recht ähnlich verlaufen. Aussichten auf ein echtes V nach dem tiefen Einbruch jahr zu in der ersten Jahreshälfte 2020 sehen wir in keinem der großen Industrieländer. In den USA spricht vor allem der Pandemieverlauf für eine eher verhaltene Ent- wicklung der Wirtschaft in der ersten Jahreshälfte 2021. Die US-Volkswirtschaft sieht sich bereits seit einiger Zeit mit einem dynamischen Anstieg der Infekti- onszahlen konfrontiert, dem man – nicht zuletzt aufgrund der Übergangsphase zum neuen Präsidenten – bislang recht verhalten begegnet ist. So zeigt man sich aktuell bemüht, Restriktionen zur Eindämmung der Pandemie, die mit ei- ner Einschränkung der wirtschaftlichen Freiheit einhergehen, zu vermeiden. Die neue Regierung unter Präsident Joe Biden, die am 20. Januar ihr Amt aufnimmt, wird zunächst vor der Herkulesaufgabe stehen, die Corona-Krise in den Griff zu bekommen. Dazu gehört es nicht nur, die Amerikaner von den erforderlichen Schutzmaßnahmen, sondern auch von der Notwendigkeit der Impfung zu über- zeugen. US-Wirtschaftspolitik Positive Impulse dürften von Seiten der US-Wirtschaftspolitik ausgehen. Wie dürfte 2021 für Wachs- noch zu zeigen ist, wird die Geldpolitik auch in diesem Jahr expansiv ausgerich- tumsimpuls sorgen tet bleiben. Zudem hat sich der US-Kongress gerade auf ein neues Corona-Hilfs- paket im Volumen von rund 900 Mrd. US-Dollar geeinigt, was etwa 4 % des US- BIP entspricht. Hinzu kommt das von dem neuen US-Präsidenten Biden ge- plante Infrastrukturprogramm. Förderlich dürfte sich auch die von Biden ange- strebte Verbesserung der Handelsbeziehungen zu den traditionellen Handels- partnern wie Kanada, Mexiko und der EU auswirken. Dämpfende Effekte sollten hingegen von der sich abzeichnenden stärkeren Regulierung verschiedener Teilbereiche der US-Wirtschaft und von den Steuerplänen des neuen US- Präsidenten ausgehen. So soll u. a. der Steuersatz für Unternehmen, den Trump zuvor von 35 % auf 21 % gesenkt hatte, auf 28 % angehoben werden. Gleich- zeitig sollen steuermindernde Tatbestände deutlich eingeschränkt werden. Auch der Mindeststeuersatz für ausländische Einkünfte der Auslandstöchter von US-Unternehmen soll von aktuell 10,5 auf 21 % erhöht werden. Ferner sol- len die Einkommensteuersätze von privaten Haushalten mit hohen Einkommen wieder deutlich nach oben geführt werden. Die wirtschaftlichen Folgen der Steuerpläne lassen sich nur schwer abschätzen, weil Bidens Vorstellungen hin- sichtlich der Verwendung des zusätzlichen Geldes noch nicht eindeutig sind. Per saldo dürfte die Fiskalpolitik 2021 aber für einen kräftigen Schub sorgen. Etwas mehr als 3,5 % Vor allem in der zweiten Jahreshälfte, wenn im Zuge einer allmählichen Durch- Wachstum sollte es 2021 impfung der Bevölkerung die Infektionsrisiken nachhaltig gesenkt werden kön- werden nen und es zu einer schrittweisen Normalisierung der Rahmenbedingungen kommt, sollte die US-Wirtschaft an Schwung gewinnen. Wachstumstreiber dürfte der private Konsum im Zuge der Deckung zurückgesteckter Bedürfnisse und einem Abbau der im Frühjahr 2020 stark gestiegenen Sparquote (ein Phä- nomen, das nicht nur in den USA zu beobachten war) sein. Nach und nach sollte dann auch die aktuell auf die Wirtschaftsaktivität bremsend wirkende Unsicher- heit nachlassen, was sich positiv auf die Investitionstätigkeit auswirken dürfte. Alles in allem sollte die US-Volkswirtschaft 2021 um etwas mehr als 3,5 % wach- sen, nachdem sie im vergangenen Jahr ein ähnliches Niveau an Wirtschaftsleis- tung eingebüßt hat. Vermutlich werden damit die USA im ersten Quartal 2022 das BIP-Vorkrisenniveau wieder erreichen können. 8
Kreissparkasse Köln • Kapitalmarktperspektiven 2021 Konjunktur Industrieländer Auch im Euroraum dürfte die Wirtschaft ab dem Frühjahr nach einer Verringe- Euroraum: Nach einem rung der Infektionsrisiken im Zuge einer schrittweisen Durchimpfung der Be- Dämpfer im Winterhalb- völkerung und des wieder wärmeren Wetters, das den Erreger zusätzlich ein- jahr sollte es im weiteren Jahresverlauf 2021 kräf- dämmt, dynamisch aufwärtsgerichtet sein. Zum einen sollte die aufgestaute tig aufwärts gehen Kaufkraft der privaten Haushalte mit einer Aufhebung der Beschränkungen der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Aktivität nachfragewirksam werden. Zum anderen stützt die stark expansive Geld- und vor allem Steuer- sowie Staatsausgabenpolitik. Neben der nationalen Fiskalpolitik wirkt auch die Politik auf EU-Ebene stimulierend. So haben sich die EU-Staaten nicht nur auf den mehrjährigen Finanzrahmen für 2021 bis 2027, der 1,1 Bio. Euro umfasst, geei- nigt, sondern auch auf den Wiederaufbaufonds von 750 Mrd. Euro (390 Mrd. Euro als direkte Transfers und 360 Mrd. Euro als zurückzuzahlende Kredite). Ein Instrument, mit dem die EU neue Wege geht. Die Finanzierung des Fonds er- folgt über den Kapitalmarkt, durch die Ausgabe von EU-Anleihen, die bis spä- testens 2058 zurückgezahlt werden sollen. Damit verschuldet sich die EU als supranationale Instanz erstmals als Ganzes und die EU bekommt durch die vom Europäischen Rat beschlossene Umsetzung ein neues Finanzierungsinstru- ment. Die Mitgliedsländer sind die Garantiegeber und haften maximal bis zu ih- rem Anteil am EU-Haushalt. Das Ausmaß der Erholung unterscheidet sich in sektoraler und regionaler Hin- So wie derzeit der Dienst- sicht z. T. deutlich. In allen Euroländern ist mit einer starken Ausweitung der leistungssektor über- wirtschaftlichen Aktivität in den Branchen zu rechnen, die unter den Maßnah- durchschnittlich leidet, wird sich dieser Sektor men zur Eindämmung der Pandemie besonders gelitten haben. Dazu zählen vor 2021 an die Spitze des allem die konsumnahen Dienstleistungen Handel, Verkehr, Tourismus und Wachstums setzen Gastgewerbe zuzüglich sonstiger Dienstleistungen (einschließlich Kunst, Un- terhaltung und Erholung), in denen eine soziale Distanzierung schwierig ist. Hier dürfte die während der Pandemie zurückgestaute Kaufkraft für das Nach- holen von Käufen verausgabt werden. Im verarbeitenden Gewerbe sollte es zwar auch zu Nachholeffekten kommen, die jedoch weniger stark ausgeprägt sein dürften als in den Dienstleistungsbranchen, zumal der Industriesektor von den aktuellen Lockdown-Maßnahmen bis dato weitgehend verschont blieb und auf vorübergehende, großflächige Werksschließungen wie im Frühjahr 2020 in weiten Teilen verzichtet wurde. Ungeachtet dessen dürfte die Wirtschaftsleis- tung in diesem Sektor 2021 ebenfalls wachsen und von der kräftigen Nachfrage nach Industriegütern unter anderem aus Asien profitieren. 9
Konjunktur Kreissparkasse Köln • Kapitalmarktperspektiven 2021 Industrieländer Dynamik der Erholung Das Erholungsmuster der Euroländer sollte sich von der Form her vergleichs- dürfte in den Euro-Län- weise identisch, aus dem Blickwinkel der Dynamik heraus aber sehr heterogen dern unterschiedlich gestalten. Geschuldet ist dies dem Umstand, dass die einzelnen Länder unter- stark ausgeprägt sein schiedlich stark von der Corona-Pandemie betroffen waren bzw. sind. Von den „großen Vier“ ist Deutschland noch am „glimpflichsten“ durch die Krise gekom- men, sofern man diesen Ausdruck bei einem erwarteten BIP-Rückgang von rund 5,5 % im vergangenen Jahr überhaupt verwenden darf. Frankreich und Italien sehen sich vermutlich 2020 mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um rund 9 % konfrontiert. Spanien wird mit fast 12 % den kräftigsten Einbruch des BIP erleben. Spiegelbildlich dürfte sich das Erholungsszenario präsentieren. In Richtung 7,5 % sollte sich das Wirtschaftswachstum in Spanien bewegen, Frankreichs und Italiens Wirtschaftsleistung sollte um rund 6,5 bzw. 5,5 % zu- legen und das deutsche BIP wird um etwas mehr als 4 % wachsen. In diese Rich- tung deutet auch die Wirkungsweise des Wiederaufbaufonds, dessen Mittel da- für sorgen sollen, dass die Wirtschaft der EU-Mitgliedsländer strukturell ge- stärkt und für zukünftige Entwicklungen fit gemacht wird. Er dürfte dazu beitra- gen, dass vor allem die südeuropäischen Länder die Corona-Krise wesentlich nachhaltiger überwinden als das ohne dieses Paket der Fall wäre. Alles in allem deutet sich für den Euroraum 2020 ein BIP-Rückgang von knapp 7,5 % an, dem in diesem Jahr ein Wachstum von etwas weniger als 5 % folgen sollte. Das BIP- Vorkrisenniveau wird wahrscheinlich frühestens im späteren Jahresverlauf 2022, wenn nicht sogar erst um die Jahreswende 2022/23 erreicht werden. Ausufernde Staatsver- Für Diskussionsstoff könnte die ausufernde Staatsverschuldung in einigen Eu- schuldung könnte für Dis- roländern sorgen, die aktuell nur deshalb tragfähig erscheint, weil die Europäi- kussionsstoff sorgen sche Zentralbank (EZB) bereits seit Jahren als Kreditgeber in letzter Instanz ein- springt. In dieser Funktion stellt sie zum einen dem Bankensektor in nahezu unbegrenzter Menge Liquidität zur Verfügung und kauft zum anderen Staats- anleihen im Rahmen diverser Wertpapierankaufprogramme in einem massiven Umfang, was stets den Geruch der monetären Staatsfinanzierung mit sich führt. Mehr zu diesem Thema können Sie in unserer Publikation „Das große Bild – Die Geister, die ich rief“ lesen. Öffentlicher Schuldenstand (in % des BIP) 160 160 159 135 124 119 120 122 116 118 98 96 71 70 69 60 Deutschland Frankreich Spanien Italien 2019 2020 2021 2022 Quelle: Refinitiv Datastream, Europäische Kommission Wirtschaftsentwicklung Ähnlich wie in den meisten anderen Industrienationen gleicht die Entwicklung gleicht in Deutschland der deutschen Volkswirtschaft 2020/2021 einer Achterbahnfahrt. Dem tiefen 2020/2021 einer Achter- Einbruch in der ersten Jahreshälfte 2020 folgte im dritten Quartal eine starke bahnfahrt 10
Kreissparkasse Köln • Kapitalmarktperspektiven 2021 Konjunktur Industrieländer Aufholjagd, die im Schlussquartal mit dem zunächst verhängten Wellenbre- cher-Lockdown und den dann folgenden Verschärfungen ein jähes Ende fand. Auch wenn die Folgen der ergriffenen Einschränkungen des gesellschaftlichen Lebens für die deutsche Wirtschaft nicht so stark ausgeprägt sein dürften wie noch im Frühjahr 2020, sollte die Wachstumsrate im Schlussquartal des vergan- genen Jahres ein negatives Vorzeichen tragen. Zudem zeichnet sich ab, dass im Eröffnungsquartal 2021 das Wachstum noch vergleichsweise mäßig sein wird. Es ist wenig wahrscheinlich, dass bereits im Januar alle Einschränkungen für die deutsche Wirtschaft aufgehoben werden. Dies sollte eher schrittweise über den auslaufenden Winter erfolgen. Zudem dürften die dünner werdende Eigen- kapitaldecke der Unternehmen und das geringere Einkommen der privaten Haushalte die Konsum- und Investitionsfreude vorerst dämpfen. In unserem Basisszenario gehen wir jedoch davon aus, dass die Neuinfektionen Das Instrument der Kurz- im Laufe des Winters nachhaltig eingedämmt werden können und ab dem Früh- arbeit hat Schlimmeres jahr 2021 ein dynamischer Restart der deutschen Wirtschaft einsetzt. Positiv am Arbeitsmarkt verhin- dert sollte sich auswirken, dass das Instrument der Kurzarbeit verhindert hat, dass sich der Konjunktureinbruch in einem nachhaltigen sowie deutlichen Anstieg der Arbeitslosenquote niedergeschlagen hat und dass gleichzeitig die Einkom- men zumindest teilweise stabilisiert werden konnten. Als dienlich erweist sich ferner der vergleichsweise hohe Wertschöpfungsanteil der Industrie an der deutschen Wirtschaft. Dieser Sektor hat sich gut auf die Produktion unter Infek- tionsschutzmaßnahmen eingestellt und profitiert von der sich abzeichnenden Belebung der Weltwirtschaft, die die Wachstumsperspektiven der exportabhän- gigen deutschen Wirtschaft aufhellt. Abgesehen von dem wieder an Fahrt gewinnenden Exportgeschäft sollten auch Im weiteren Jahresverlauf die Bremsen beim privaten Konsum sukzessive gelöst werden. Trotz eines eher sollten sich die Bremsen durchwachsenen Arbeitsmarktausblicks für das Jahr 2021 – die Arbeitslosen- beim privaten Konsum lö- sen – Der Erholungspro- quote sollte sich bei rund 6 % einpendeln – dürften die weiter stark expansive zess bei den Investitionen Geldpolitik, die anhaltenden staatlichen Unterstützungsmaßnahmen und eine erweist sich als steinig Normalisierung der Sparquote förderlich auf den privaten Konsum wirken. Bei der Investitionstätigkeit der Unternehmen sollte sich die Wegstrecke des Erho- lungsprozesses als steinig erweisen. Zwar dürften angesichts der zu erwarten- den global besseren Stimmungslage die Ausrüstungsinvestitionen 2021 kräftig anziehen, der Anstieg relativiert sich jedoch vor dem Hintergrund des deutli- chen Einbruchs im Jahr zuvor. Wie bereits erwähnt, deutet sich alles in allem für die deutsche Volkswirtschaft 2021 ein Wirtschaftswachstum von etwas mehr als 4 % nach einem Wachstumseinbruch um fast 5,5 % im Vorjahr an. 11
Konjunktur Kreissparkasse Köln • Kapitalmarktperspektiven 2021 Industrieländer Das Basisszenario setzt Dieses Konjunkturszenario fußt auf der Annahme, dass das Corona-Virus zu- voraus, dass die Corona- nehmend seinen Schrecken verliert. Länger andauernde Restriktionen für wirt- Pandemie im Jahresver- schaftliche und soziale Aktivitäten und Rückschläge an der Impffront – beides lauf 2021 ihren Schrecken verliert ist nicht auszuschließen – würden das zuvor dargestellte Szenario schnell in Frage stellen. Kommt es zu länger anhaltenden, vollständigen und wiederhol- ten Lockdowns, ist davon auszugehen, dass das Wachstum 2021 zum Erliegen kommt und die deutsche Wirtschaft im Worst Case sogar noch einmal schrumpft. Ein Best Case ist vorstellbar, hat aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine so geringe Eintrittswahrscheinlichkeit, dass eine nähere Konkretisierung kaum lohnend ist. 2. Schwellenländer Die Wachstumsperspekti- Die Wachstumsperspektiven 2021 gestalten sich für die Schwellenländer hete- ven für 2021 gestalten rogen. Dies ist in erster Linie auf den sehr asynchronen Verlauf der Pandemie sich heterogen in dieser Ländergruppe zurückzuführen. So scheint in vielen asiatischen Volks- wirtschaften die Pandemie vor dem Hintergrund des schnellen sowie durchgrei- fenden Handelns der dortigen Regierungen und den Erfahrungen, die die Be- völkerung bereits in der Vergangenheit mit Epidemien gesammelt hat, über- wunden. In der Mehrzahl der lateinamerikanischen und osteuropäischen Staa- ten wütet die Pandemie hingegen noch immer, was z. T. mit erheblichen Ein- schränkungen des öffentlichen und privaten Lebens und damit Beeinträchti- gungen des Wirtschaftsverkehrs einhergeht. Darüber hinaus gestalten sich die strukturellen und politischen Rahmenbedingungen in den einzelnen Schwel- lenländern sehr unterschiedlich, sodass es wenig Sinn macht, diese Länder- gruppe als Ganzes zu betrachten. Eines deutet sich jedoch an: Die asiatischen Schwellenländer dürften in der Mehrzahl 2021 deutlich positive Wachstumsra- ten aufweisen. Im Vergleich dazu gestalten sich die Konjunkturperspektiven in vielen lateinamerikanischen Volkswirtschaften eher mau. Zum einen ist der fis- kalpolitische Handlungsspielraum aufgrund der z. T. angespannten öffentli- chen Haushaltslage oft eng und zum anderen belasten soziale Verwerfungen und politische Instabilitäten. Werfen wir abschließend im Konjunkturteil noch einen kurzen Blick auf drei großen Vertreter dieses Länderblocks: China, Brasi- lien und Russland. China ist bereits auf den Das Ursprungsland der Pandemie – China – ist bereits wieder auf einen nach- Wachstumspfad zurück- haltigen Wachstumspfad zurückgekehrt und hat damit die coronabedingte gekehrt – Auch unter Bi- Wirtschaftskrise vergleichsweise schnell hinter sich gelassen. Abgesehen von den dürfte der Handels- streit zwischen China und der konsequenten Bekämpfung der Pandemie haben die stark expansive Geld- den USA ein Thema blei- und Fiskalpolitik ihren Beitrag dazu geleistet, dass das chinesische BIP bereits ben zum Ende 2020 wieder das Vorkrisenniveau erreicht hat. Auch 2021 dürfte die Wirtschaftspolitik die chinesische Volkswirtschaft stimulieren. Nach einem Wachstum von etwas weniger als 2 % im vergangenen Jahr sollte das BIP 2021 in Richtung 9 % expandieren. 2022 dürfte sich dann das Expansionstempo an- gesichts der auslaufenden fiskalpolitischen Stimuli wieder auf rund 6 % mode- rieren, was in etwa dem Trendwachstum entspricht. Für Diskussionsstoff könnte die zukünftige Ausgestaltung der Handelsbeziehungen zu den USA sor- gen. Auch unter dem neuen US-Präsidenten Biden wird es keine Rückkehr zu den „guten alten Zeiten“ geben. Die beiden Länder haben inkompatible Wirt- schafts- und Gesellschaftssysteme mit unterschiedlichen Interessen, die erheb- liches Konfliktpotenzial mit sich bringen. Streitpunkte sind vor allem das US- Handelsdefizit, Währungsmanipulationen, Produktpiraterie, der Diebstahl geistigen Eigentums, Zensur und Menschenrechtsverletzungen. Bidens Außen- 12
Kreissparkasse Köln • Kapitalmarktperspektiven 2021 Konjunktur Schwellenländer handelspolitik sollte jedoch berechenbarer und konsensorientierter sein als die von Trump. Der neue Präsident verfügt über außenpolitische Erfahrung und weiß um die elementare Bedeutung guter Beziehungen zu asiatisch/pazifischen Staaten und des transatlantischen Bündnisses auch für die USA. Biden dürfte versuchen, die Scherben, die Trump durch seine erratische „America first“-Poli- tik generiert hat, wieder – soweit noch möglich – zusammenzufügen, und kon- sensfähigere Lösungen in Handelsfragen suchen. Brasilen leidet dagegen unter einem bislang noch immer sehr hohen Infekti- Brasilien: Effizienzverbes- onsgeschehen. Dass die brasilianische Wirtschaft bis dato vergleichsweise gut serungen, Steuerverein- durch die Krise gekommen ist, ist den massiven Stützungsmaßnahmen des fachungen und Privatisie- rung stehen unverändert Staates geschuldet. Diese haben jedoch ihren Preis. Der öffentliche Schulden- aus stand in Relation zum BIP nähert sich in großen Schritten der 100 %-Marke. Obwohl der ohnehin stark belastete Staatshaushalt keinen Spielraum für teure Hilfspakete bietet, will Brasiliens Präsident Bolsonaro die Hilfszahlungen 2021 wohl auch mit Blick auf die anstehenden Wahlen 2022 fortsetzen. Neben einer wachsenden fiskalischen Unsicherheit belasten die zunehmende Intransparenz der politischen Führung und die Stagnation wichtiger Reformen und angekün- digter Privatisierungen. Brasiliens Erholung aus der Krise könnte sich als be- schwerlicher Weg erweisen. Auch die russische Volkswirtschaft kämpft mit den hohen Infektionszahlen. Russland: Wirtschaftliche Vor allem für die privaten kleinen und mittleren Unternehmen stellt die Corona- Liberalisierung und Han- Pandemie eine Herausforderung dar. Es deutet sich an, dass die Wirtschaft nach delsdiversifizierung, Pri- vatisierung sowie Refor- der Corona-Rezession noch stärker staatlich kontrolliert wird. Wirtschaftliche men zur Verbesserung Liberalisierung und Handelsdiversifizierung, Privatisierung sowie Reformen zur der Produktivität lassen Verbesserung der Produktivität lassen demnach weiter auf sich warten. Vor die- weiter auf sich warten sem Hintergrund scheint das Erholungspotenzial nach dem Wachstumsein- bruch 2020 (Experten rechnen mit einem BIP-Rückgang von rund 4 %) eher mä- ßig. Der Konsens geht für 2021 von einem Wachstum der russischen Volkswirt- schaft von 3 % aus. III. Zinsen 1. Geldmärkte In dem skizzierten Umfeld dürfte die Geldpolitik weiter expansiv ausgerichtet Die Geldpolitik dürfte bleiben. Zwar sollte sich die Weltwirtschaft im weiteren Jahresverlauf auf einen noch über einen langen Erholungspfad begeben, das bedeutet aber nicht, dass sich die Wirtschaft von Zeitraum expansiv ausge- richtet bleiben dem Schock auch vollumfänglich erholt hat und bereits mit weniger Unterstüt- zung auskommt. Hinzu kommen die vielen strukturellen Herausforderungen, denen die Unternehmen und privaten Haushalte im Zuge der Corona-Pandemie und deren Folgen ausgesetzt sind. Der damit einhergehende Anpassungsbe- darf ist gravierend und der notwendige Anpassungsprozess dürfte sich über Jahre hinziehen. Ein Umstand, der einen hohen Expansionsgrad der Geldpolitik erfordert. Zudem sollte nicht übersehen werden, dass viele Notenbanken rund um den Globus in den vergangenen Jahren verstärkt die Funktion als sogenann- ter Lender of Last Resort (Kreditgeber in letzter Instanz) eingenommen haben, in dem sie zum einen dem Bankensektor in nahezu unbegrenzter Menge Liqui- dität zur Verfügung stellen und zum anderen Staatsanleihen im Rahmen diver- ser Wertpapierankaufprogramme in einem massiven Umfang kaufen und so – auch wenn die Staatstitel nicht am Primärmarkt gekauft werden – zumindest in- direkt die Staatsfinanzierung unterstützen. Dieser Rolle dürften sich die Noten- 13
Zinsen Kreissparkasse Köln • Kapitalmarktperspektiven 2021 Geldmärkte banken nur schwer entledigen können. Angesichts der hohen Schuldenstände werden die Zentralbanken in den nächsten Jahren einen erheblichen Teil der Staatsschulden in ihren Büchern behalten müssen. Nur wenn die Zinsen nach- haltig auf einem niedrigen Niveau verbleiben, können viele Länder die noch- mals im Zuge der Corona-Pandemie kräftig gestiegenen Staatsschulden tragen (mehr zu diesem Thema können Sie in unserer Publikation „Das große Bild – Die Geister, die ich rief“ lesen). Fed sollte am aktuellen Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass nahezu alle Notenbanken der Leitzinsniveau bis Ende etablierten Volkswirtschaften in den vergangenen Monaten ihre Niedrigzins- 2023 festhalten versprechen wiederholt unterstrichen haben. So betonte bspw. der Chef der US- Notenbank, Jerome Powell, auf der letzten Sitzung Mitte Dezember 2020, dass die Fed das Leitzinsbandbreitenniveau so lange bei 0,00 % bis 0,25 % beibe- halten wird, bis erstens Vollbeschäftigung erreicht ist und zweitens die Inflati- onsrate auf 2 % gestiegen ist und sich auf Kurs befindet, das 2-Prozent-Ziel für einige Zeit zu halten. Ein Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik ist daher so schnell nicht zu erwarten. Entsprechend des sogenannten dot plot, mit dem die US-Notenbank ihren Ausblick für den Zinsverlauf signalisiert, geht die Mehrheit der geldpolitischen Entscheidungsträger davon aus, dass die Leitzinsen bis Ende 2023 auf dem aktuellen Niveau verbleiben. Auch die Wertpapierankäufe (aktuell kauft die Fed monatlich Staats- und Unternehmensanleihen im Wert von mindestens 120 Mrd. US-Dollar) dürften noch längere Zeit fortgesetzt wer- den. Bis substanzielle Fortschritte bei der Erreichung der geldpolitischen Ziele zu verzeichnen sind, dürfte noch einige Zeit ins Land ziehen. Das PEPP-Ankaufpro- Auch die EZB ist von einem Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik weit ent- gramm wird bis mindes- fernt. Ähnlich wie die Fed-Vertreter haben auch die Euroland-Währungshüter tens Ende 2023 fortge- auf ihrer Dezember-Sitzung unterstrichen, dass der Expansionsgrad beibehal- setzt ten und wenn nötig sogar erhöht wird. Das speziell auf die Corona-Krise zuge- schnittene Ankaufprogramm PEPP (Pandemic Emergency Purchase Pro- gramme) wurde auf dieser Sitzung bis mindestens Ende März 2022 verlängert und das Volumen um 500 Mrd. Euro auf 1.850 Mrd. Euro ausgeweitet. EZB- Chefin Christine Lagarde stellte zwar klar, dass das Volumen nicht vollständig ausgeschöpft werden muss, betonte aber gleichzeitig, dass die EZB bereit- stünde, im Bedarfsfall noch einmal nachzulegen. Bis dato hat sie im Rahmen ihrer verschiedenen Wertpapierankaufprogramme Anleihen im Wert von rund 3,5 Bio. Euro erworben. Während das PEPP zum gegenwärtigen Stand der Pla- nung bis Ende März 2022 enden soll, wird das erweiterte Programm zum Ankauf von Vermögenswerten, das sogenannte Asset Purchase Programme (APP), mit einem Volumen von monatlich 20 Mrd. Euro bis „kurz vor Erhöhung der Leitzin- sen“ fortgeführt. Guthaben monetärer Finanzinstitute beim Eurosystem (in Mrd. Euro) Quelle LBBW 14
Kreissparkasse Köln • Kapitalmarktperspektiven 2021 Zinsen Geldmärkte Die EZB dürfte demnach noch längere Zeit an den Anleihemärkten mit ihren An- Eine weitere Senkung des käufen intervenieren. Weitere Senkungen des Einlagensatzes auf ein noch nied- Einlagensatzes ist nicht rigeres Niveau als -0,5 % hat die EZB zwar nicht explizit ausgeschlossen, wir wahrscheinlich halten einen solchen Schritt aktuell aber für wenig wahrscheinlich. Eine weitere Senkung zur Ankurbelung der Kreditnachfrage scheint wenig überzeugend. Bei einem bereits stark negativen Zins dürfte eine weitere Senkung kaum noch Vor- teile bringen und die Diskussion um die adversen Effekte der Negativzinsen nur noch weiter befeuern. Zudem ist davon auszugehen, dass eine weitere Reduk- tion des Einlagensatzes die Wirkung der zielgerichteten, langfristigen Refinan- zierungsgeschäfte, von denen auf der letzten Sitzung noch einmal drei weitere mit einer Laufzeit von drei Jahren beschlossen wurden, konterkarieren. 2. Rentenmärkte Wir hatten bereits in unserer Halbzeitbilanz 2020 darauf hingewiesen, dass die- Die Renditen dürften zwar ses geldpolitische Umfeld dafür spricht, dass aus „low for longer“ – was so viel zunächst niedrig bleiben, bedeutet wie „die Zinsen werden auf absehbare Zeit nicht spürbar steigen“ – die oft geäußerte Prog- nose von ewig niedrigen zunehmend „low for ‚noch‘ longer“ wird. Manch einer denkt sogar über „low und vielleicht sogar nega- forever“ (niedrig für immer) nach. Auch wir gehen davon aus, dass das Rendi- tiven Renditen teilen wir teniveau in den etablierten Volkswirtschaften zunächst auf niedrigem Niveau jedoch nicht verweilen wird. Die These von ewig niedrigen und vielleicht sogar negativen Renditen teilen wir jedoch nicht. So ist z. B. auffällig, dass der größte globale Konjunktureinbruch in der Nachkriegsgeschichte zu keiner nennenswerten Re- aktion an den Rentenmärkten geführt hat. G7-Durchschnittsrendite (arithmetisches Mittel der Rendite 10-jähriger Staatspapiere) 5,0 Finanzkrise 4,0 Euro-Schul- 3,0 dendkrise 2,0 Brexit Handels- konflikt Ölkrise 1,0 0,0 Corona- Pandemie -1,0 Jan. 07Jan. 08Jan. 09Jan. 10Jan. 11Jan. 12Jan. 13Jan. 14Jan. 15Jan. 16Jan. 17Jan. 18Jan. 19Jan. 20Jan. 21 Quelle: Refinitiv Datastream Die Ursachen hierfür sind vielschichtig. Speziell für den US-Rentenmarkt ist der Strategiewechsel der US- Strategiewechsel der US-Notenbank anzuführen. Die US-Währungshüter rich- Notenbank sorgt für An- ten ihre Geldpolitik seit ihrem Strategiewechsel im August 2020 nicht mehr auf stieg der Inflationserwar- tungen ein Inflationspunktziel von 2 % aus, sondern auf einen Durchschnittswert. Da- mit schafft sich die Fed einen Spielraum, auch höhere Inflationsraten über einen längeren Zeitraum zu tolerieren, wenn es ihr gelingt, glaubhaft zu vermitteln, dass diese Politik einen positiven Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung und damit das Beschäftigungsziel hat. In der Folge haben die US-Inflations- erwartungen in den vergangenen Monaten spürbar angezogen. Dass sich dies nicht in steigenden Renditen niedergeschlagen hat, ist den massiven Anleihen- käufen der US-Notenbank geschuldet. Ohne diese wäre eine höhere Rendite wahrscheinlich. Dafür spricht u. a. die deutliche Ausweitung der Renditedif- 15
Zinsen Kreissparkasse Köln • Kapitalmarktperspektiven 2021 Rentenmärkte ferenz zwischen US-Papieren mit einer Laufzeit von 30 Jahren, die nicht im Kaufprogramm der Fed berücksichtigt werden, und 10-jährigen US- Staatsanleihen. Das historische Durchschnittsniveau dieses Spreads liegt bei 30 Basispunkten. Aktuell beträgt er rund 75 Basispunkte. In diese Richtung deuten auch verschiedene empirische Modelle. Würden man „alte“ Regressi- onsmodelle mit den aktuellen US-Inflationserwartungen und den US-Leitzinsen befüllen, ergäbe sich ein Niveau für die Rendite 10-jähriger US-Treasuries von ca. 2,5 % (am 31.12.20 lag die Rendite 10-jährige Papiere bei 0,91 %). Geld- und Fiskalpolitik Zudem gehen aktuell Geld- und Fiskalpolitik Hand in Hand. Staatsschulden und gehen aktuell Hand in Geldmenge sind – nicht nur in den USA, sondern auch in vielen anderen etab- Hand, was einer Moneti- lierten und Schwellenländer-Volkswirtschaften – seit Ausbruch der Corona-Pan- sierung von Staatsschul- den gleichkommt demie gleichermaßen explodiert, was ein Indiz dafür ist, dass die Monetisierung der Staatsschulden voranschreitet. Zumindest in der mittleren Frist gehen mit dieser Politikkombination Inflationsrisiken einher, da in vielen Ländern die ein- geleiteten Ausgabenprogramme mit einer direkten Güter- und Dienstleistungs- nachfrage verbunden sind. Da die Fiskalpakete zudem oft mittel- bis langfristig ausgelegt sind, entfalten sie ihre stimulierende Wirkung auch dann noch, wenn die Corona-Krise bereits überwunden ist. Dies eröffnet Unternehmen unter Um- ständen bei bestehenden Kapazitätsengpässen eine höhere Preissetzungs- macht (für weitere Information zu diesem Thema sei auf unsere Publikation „Das große Bild – Die Geister, die ich rief“ verwiesen). Die Inflation ist nicht tot, Hinzu kommt, dass die Globalisierung ihren Zenit überschritten hat. Die sondern sie hat sich zu- Corona-Krise hat gezeigt, dass globalisierte Wertschöpfungsketten und die letzt nur sehr zurückge- Auslagerung der Produktion in Billiglohnländer auch Risiken mit sich bringt. halten Gerade die Globalisierung war aber ein entscheidender Faktor, der die Inflation in den vergangenen Jahren so niedrig gehalten hat. Alles in allem lässt sich da- mit festhalten, dass die Inflation nicht tot ist, sie hat sich in den letzten Jahren nur sehr zurückgehalten. Sollte das Inflationsgespenst auf Sicht der nächsten Jahre die Mottenkiste verlassen und steigen die Inflationsraten an, sind auch wieder höhere Renditen an den Rentenmärkten ein realistisches Szenario. Wir sehen die Rendite 10- Was bedeutet dieses Umfeld für die Rentenmärkte im Jahresverlauf 2021? In jähriger Bundesanleihen der kurzen Frist dominiert der durch die Corona-Pandemie und die in vielen zum Jahresende zwischen Ländern bereits eingeleiteten und noch zu erwartenden Maßnahmen zur Ein- -0,5 % und -0,25 %. dämmung der Pandemie spürbar eingetrübte Konjunkturausblick. Wie im Kon- junkturteil erörtert, droht in den Wintermonaten in vielen Volkswirtschaften der Welt erneut eine Rezession. Dies dürfte dazu führen, dass sich die Renditen 10- 16
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