Kapitalmarkt-perspektiven 2021 Die Welt mit und nach Corona.

Die Seite wird erstellt Angelika Mertens
 
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Kapitalmarkt-
                                 perspektiven 2021

                                 Die Welt mit
                                 und nach Corona.
In der Region – Für die Region
Kreissparkasse Köln • Kapitalmarktperspektiven 2021

Sehr geehrte Leserinnen und Leser unserer Kapitalmarktperspektiven 2021,

nicht wenige Menschen würden den Satz unterstreichen, dass das Corona-Jahr
2020 ein „annus horribilis“ war – ein schreckliches Jahr. Welche Lehren lassen
sich aus dieser schlimmsten Gesundheitskrise seit 100 Jahren ziehen? Börsen-
technisch ist es für uns vor allem Demut! Demut vor der Zukunft. Wie viele Ge-
wissheiten sind Anfang 2020 verbreitet worden, die sich von heute auf morgen
als Makulatur herausstellten.

Wer Anfang 2020 prognostiziert hätte, dass eine Gesundheitskrise epischen
Ausmaßes die Welt heimsucht und die Weltwirtschaft in die schwerste Rezes-
sion der Nachkriegsgeschichte stürzt, der hätte mit Sicherheit Allzeithochs an
der US-Börse inmitten der Pandemie ausgeschlossen. Doch wie wir heute wis-
sen, folgte auf den rasend schnellen Corona-Crash die ebenso schnelle Börsen-
erholung. Die zügigen und großvolumigen Überbrückungshilfen von Staaten
und Notenbanken sowie die beschleunigte Entwicklung von Impfstoffen machte
es möglich.

Wenn es so kommt, wie derzeit vielfach prognostiziert wird, dürfen wir uns auf
ein Stück mehr Normalität im Jahr 2021 freuen. Die Kapitalmärkte schauen be-
reits über die Pandemie hinweg und sehen eine hohe Wahrscheinlichkeit für
deren Abklingen im Verlauf dieses Jahres. Wir teilen diese Sichtweise und
schauen mit einem gewissen Grad an Zuversicht auf das Jahr 2021. Der Titel
unseres Jahresausblicks lautet deshalb: „Die Welt mit und nach Corona.“ In der
ersten Jahreshälfte erwarten wir noch viel „mit“ und in der zweiten Jahreshälfte
dürfte das „nach“ immer stärker in unseren Alltag zurückkehren. So haben wir
auch das Bildmotiv für unseren diesjährigen Ausblick gewählt. Bleiben wir acht-
sam, halten Abstand und hoffen, wie unser Gesundheitsminister, dass die ge-
startete Impfkampagne zum bedeutenden Meilenstein auf dem Weg aus der
Pandemie wird. Im Anschluss dürfen wir uns an den Alltagsfreuden und der so-
zialen Interaktion erfreuen, die wir im letzten Jahr so schmerzlich vermisst ha-
ben. Gemeinsam sind wir allem gewachsen und freuen uns darauf, nicht nur mit
regionaler Verbundenheit, sondern auch in Nähe und von Mensch zu Mensch
für Sie, unsere Kundinnen und Kunden, tätig sein zu können.

Über das Börsenjahr 2021 wird in seltener Einmütigkeit geschrieben, dass die
Pandemie langsam ihren eisernen Griff um die Wirtschaft lockert. Die Konjunk-
tur werde sich deshalb mit hohen Wachstumsraten erholen und mit ihr die Un-
ternehmen sowie ihre Gewinnverfassung. Geld- und Fiskalpolitik bleiben ext-
rem expansiv ausgerichtet, da eine Wirtschaft auf dem Pfad der Erholung noch
nicht bedeutet, dass sich die Wirtschaft von dem Schock auch vollumfänglich
erholt hat und bereits mit weniger Unterstützung auskommt. Per saldo also ein
gutes Umfeld für die chancenreicheren Anlageklassen. Nur weil es das vorherr-
schende Denken ist, bedeutet das nicht, dass es anders kommen muss als ge-
dacht. Das Bild ist stimmig und für die kurze Frist gut umschrieben.

Dennoch: Bei aller Zuversicht zeichnet sich schon heute ab, dass das Umfeld für
die Kapitalanlage über Jahre hinaus anspruchsvoll und herausfordernd bleibt.
Augenmaß und ein sorgfältiges Abwägen von Chancen und Risiken – das ist es,
was Ihre Vermögensanlage verdient. Dazu bekennen wir uns und hoffen, dass
Sie uns auch zukünftig Ihr Vertrauen schenken.

Ihnen und Ihren Familien wünschen wir ein glückliches und gesundes neues
Jahr.

Herzliche Grüße

Ihr Research-Team der Kreissparkasse Köln

                                                                                   1
Prognosespiegel                                         Kreissparkasse Köln • Kapitalmarktperspektiven 2021

                  Kapitalmarktperspektiven 2021 auf einen Blick

                  Prognoseübersicht

                                                                                               Jahresendstandprognose 2021
                                                                                                  Konsens
                                                                                       Durch-     Höchste   Niedrigste
                                                                                                                           KSK
                                                            31.12.20                   schnitt   Schätzung Schätzung
                                         1)
                  Leitzinsen
                  EZB                                         0,00%                    0,00%      0,00%      0,00%           0,00%
                  Fed (obere Grenze)                          0,25%                    0,25%      0,75%      0,25%           0,25%

                  Staatsanleihen 10J1)
                  Deutschland                                 -0,58%                   -0,33%     -0,12%     -0,57%     -0,50 bis -0,25%
                  USA                                          0,91%                    1,24%     2,00%       0,75%       1,00 - 1,50%

                  Wechselkurse1)
                  USD/EUR                                     1,2271                    1,24       1,30       1,14         1,22 - 1,27
                  JPY/EUR                                     126,49                    127        138        116          125 - 135
                  CHF/EUR                                     1,0802                    1,10       1,18       1,07         1,10 - 1,15

                  Aktienmärkte2)
                  DAX                                         13.719                   14.500     16.000     13.080     14.250 - 14.750
                  Euro Stoxx 50                                3.553                   3.800      4.500      3.401       3.600 - 3.850
                  S&P500                                       3.756                   3.900      5.000      3.000       3.800 - 4.000
                  1)
                       Quelle für die Konsensprognosen: Bloomberg, Stand: 31.12.2020
                  2)
                       Quelle für die Konsensprognosen: Refinitiv, Stand: 24.11.2020

                  Redaktionelle und rechtliche Hinweise
                  Autoren

                  Rückblick:                                                              Dustin Richter

                  Konjunktur, Zinsen, Währungen:                                          Prof. Dr. Carsten Wesselmann, Heiko Zülch

                  Aktienmärkte:                                                           Michael Kahler, Heiko Zülch

                  Rohstoffe:                                                              Heiko Zülch

                  Vermögensstrukturierung:                                                Rolf Saßen
                  Wichtiger Hinweis:
                  Alle hier veröffentlichten Angaben erfolgen unverbindlich und stellen weder eine Anlageberatung noch
                  eine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf irgendeines Wertpapieres dar. Die Angaben dienen ausschließ-
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                  oder Empfehlungen können für den einzelnen Investor nicht anleger- oder objektgerecht sein. Bitte spre-
                  chen Sie daher vor einer Auftragserteilung mit Ihrem Anlageberater, soweit nicht auf eine Beratung ver-
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                  und Behandlung von Interessenkonflikten in der Kreissparkasse Köln können sie unter https://www.ksk-
                  koeln.de/de/home/privatkunden/wertpapiere-und-boerse.html einsehen.

                  Sofern nicht anders vermerkt, ist als Quelle für die statistischen Daten, Tabellen und Grafiken der Da-
                  tenanbieter Refinitiv Datastream zu nennen.

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Kreissparkasse Köln • Kapitalmarktperspektiven 2021                                       Rückblick 2020

A. Rückblick 2020 – Kapitalmärkte
2020: „Ein Jahr zum Vergessen?“ oder „…endlich ist es vorüber!“ In diesem           Gut, dass das Jahr rum ist
oder einem ähnlichen Sinne blicken viele von uns auf das abgeschlossene Jahr        – Corona hatte unser Le-
zurück und hoffen auf das Jahr 2021, das im Grunde genommen nur besser wer-         ben fest im Griff
den kann. Dafür verantwortlich war das Corona-Virus. Die Pandemie hatte unser
Leben fest im Griff. Ausgehend von der chinesischen Provinzstadt Wuhan ver-
breitete sich das Virus über die Welt: Harte Lockdowns in den meisten Regionen
waren die Folge der größten Gesundheitskrise der neueren Geschichte. Die
Hoffnungen, das Virusgeschehen nicht nur über die Sommermonate, sondern
dauerhaft einzugrenzen, wurden ab Herbst jäh zerschlagen. Trotz aller Bemü-
hungen wurde nicht nur hierzulande ein zweiter Lockdown unausweichlich, um
der Ausbreitung Einhalt zu gebieten. Licht am Ende des Tunnels erzeugten die
Impfstoffe, mit denen schon in der zweiten Dezemberhälfte begonnen wurde,
die ersten Menschen zu immunisieren.

Abseits von Corona fand auf der Weltbühne im abgelaufenen Jahr u. a. noch der       Biden sticht Trump im US-
US-Präsidentschaftswahlkampf statt. Das Auszählen der Wählerstimmen blieb           Wahlkampf aus – Im
lange Zeit spannend, bis sich schlussendlich Joe Biden den Eintrag in die Ge-       Brexit-Gerangel kommt
                                                                                    es an Heiligabend (doch
schichtsbücher sicherte. Darüber hinaus war über das ganze Jahr hinweg der          noch) zu einem „Deal“
Brexit ein Dauerbegleiter. Kurz vor der Jahreswende einigte man sich schließ-
lich doch noch an Heiligabend auf ein gemeinsames Handelsabkommen.

                                                                                    Der Corona-Einbruch ist
                                                                                    am Aktienmarkt nicht zu
                                                                                    übersehen – Die anschlie-
                                                                                    ßende Erholungsbewe-
                                                                                    gung jedoch ebenso we-
                                                                                    nig

Wie haben sich diese Themen auf die Entwicklung an den Kapitalmärkten nie-          Die Kapitalmärkte prä-
dergeschlagen? Kurz und knapp: Wir hatten zwischenzeitlich mit deutlich             sentierten sich robust
schlimmeren Auswirkungen gerechnet. Es erstaunt sogar im ersten Moment ein
wenig, dass sich Aktien – trotz der pandemiebedingten Unsicherheiten und der
harten wirtschaftlichen Einschnitte – insgesamt solide entwickeln konnten.

Ganz so glatt bzw. reibungslos lief es aber unterjährig nicht – der Dax verlor ab   Dax und Weltindex been-
Ende Februar 2020 vom Hoch zum Tief in der Spitze knapp 40 % auf bis zu 8.256       den das Jahr trotz Pande-
Punkte. Ähnlich zügig war jedoch die anschließende Erholungsbewegung, so-           mie im Plus – Am Devisen-
                                                                                    markt drehte der Trend zu
dass bereits im Juli wieder Niveaus über der Marke von 13.000 Punkten erreicht      Ungunsten des US-Dollar
wurden. Dieses Niveau konnte zum Jahresende hin sogar noch ausgebaut wer-
den, womit in Summe ein Plus von 3,6 % auf Jahressicht zu Buche steht. Der
Index der führenden Unternehmen im Euroraum (Euro Stoxx 50) schaffte es mit
                                                                                                             3
Rückblick 2020                                          Kreissparkasse Köln • Kapitalmarktperspektiven 2021

                             -3,2 % nicht in positives Terrain, wohingegen der Weltindex in Euro gerechnet
                             sogar um 6,1 % anstieg. Das Segment der Schwellenländer brachte ebenfalls
                             ein positives Vorzeichen mit über die Ziellinie. Hier legte der entsprechende In-
                             dex auf Euro-Basis um gut 8 % zu. Am Devisenmarkt wendete sich das Blatt zu
                             Ungunsten des US-Dollar. Der Euro legte von ca. 1,12 US-Dollar je Euro auf zu-
                             letzt knapp 1,23 US-Dollar zu. Auch gegenüber anderen wichtigen Währungen
                             verzeichnete der Dollar im Jahresverlauf Einbußen.

                                                                             Jahresbilanz 2020
                                                                       Prozentuale Wertentwicklung in Euro

                                                              Dt. Aktien
                                                                                                                         3,6%
                                                                (DAX)

                                                          Europ. Aktien
                                                                                                             -3,2%
                                                         (Euro Stoxx 50)

                                                              Int. Aktien
                                                                                                                              6,1%
                                                             (MSCI Welt)

                                                 Dt. Bundesanleihen
                                                                                                                       1,2%
                                               (Rex-Performance-Index)

                                            Int. Staatsanleihen
                                                                                                                       1,0%
                                  (Citigroup-Welt-Staatsanleihen-Index)

                                           Europ. Unternehmensanleihen
                                                                                                                        2,7%
                                                (iboxx Corporates)

                                                 Goldpreis (je Feinunze)                                                             13,9%

                                        Ölpreis (je Fass der Sorte Brent)         -28,4%

Gold profitierte vom Sta-    Blicken wir abschließend noch auf die Anlageklasse Rohstoffe: Gold setzte den
tus als sicherer Hafen und   Aufwärtstrend des Vorjahres fort und konnte nach ansehnlichen +20,9 % im
setzte den Aufwärtstrend     Jahr 2019 um weitere 13,9 % im Jahr 2020 gen Norden steigen. Es hat sich da-
des letzten Jahres fort –
Öl war erstmals unter null   mit einmal mehr gezeigt, dass sich eine Beimischung von Gold in der langfristig
zu haben                     ausgerichteten Vermögensstruktur auszahlt. Eine letzte Schlagzeile hat bei
                             Börsianern unterjährig zu einem Augenreiben geführt: Der Terminpreis von US-
                             Leichtöl (WTI) notierte zeitweise unter null, weil sich die Ölförderländer zu-
                             nächst nicht auf eine Förderbeschränkung einigen konnten und dazu die virus-
                             bedingte Nachfrageeinschränkung ein erhebliches Überangebot verursachte –
                             ein Novum in der Geschichte des „schwarzen Goldes“.

                             B. Der Blick nach vorn

                                      I.      Das große Bild

                                                                                                             Konsensprognosen1)
                                                               2017               2018         2019
                                                                                                               2020     2021
                                                        *)
                             BIP-Wachstum
                             Deutschland                        2,9                1,3          0,6             -5,5             3,8
                             Euroraum                           2,7                1,9          1,3             -7,3             4,7
                             USA                                2,3                3,0          2,2             -3,7             3,8
                             Japan                              1,7                0,6          0,3             -5,5             2,5
                                       *)
                             Inflation
                             Deutschland                        1,5                1,7          1,5              0,5             1,5
                             Euroraum                           1,5                1,8          1,2              0,3             0,9
                             USA                                2,1                2,4          1,8              1,2             2,0
                             Japan                              0,2                0,9          0,8              0,0             0,0
                             1)                                             *)
                                  Quelle: Consensus Economics                    Veränderung ggü. Vj.

4
Kreissparkasse Köln • Kapitalmarktperspektiven 2021                                        Das große Bild

Ein bisschen Normalität … Dieser Wunsch stand wohl bei vielen Bürgerinnen           Die Nachrichten von der
und Bürgern ganz oben auf dem Weihnachtswunschzettel, verbunden mit der             Impffront wecken Hoff-
Hoffnung, dass das Corona-Virus das Alltagsgeschehen zukünftig weniger do-          nungen auf ein Stückchen
                                                                                    Normalität im Jahresver-
miniert. Die Nachrichten von der Impfstofffront wecken berechtigte Hoffnun-         lauf 2021
gen, dass wir uns im weiteren Jahresverlauf zumindest ein Stück in Richtung
Normalität bewegen. Aber man darf sich keiner Illusion hingeben: Von heute auf
morgen wird die Pandemie nicht verschwinden. Wir werden noch einige Zeit mit
dem Virus leben müssen. AHA – Abstand wahren, auf Hygiene achten und – da
wo es eng wird – eine Alltagsmaske tragen wird uns vorerst weiter begleiten.

Das Wirtschaftsgeschehen wird demnach auch 2021 über weite Teile von der            Ungeachtet dessen dürfte
Pandemie geprägt sein. Bis ins Frühjahr hinein sollten weiterhin Lockdowns in       das Virus über weite Teile
unterschiedlicher Ausprägung in verschiedenen Teilen der Welt das wirtschaft-       des Jahres 2021 für die
                                                                                    Wirtschaft prägend blei-
liche Leben dämpfen. Die weitere Entwicklung der Wirtschaft im Jahresverlauf        ben
2021 hängt maßgeblich davon ab, wann und wie die einzelnen Länder nach der
Stilllegung von Teilen des öffentlichen Lebens aus den Lockdown-Maßnahmen
wieder herauskommen, ohne dass sich die Pandemie erneut ausbreitet. Gelingt
eine nachhaltige Eindämmung der Infektionszahlen und können die Lockdown-
Regelungen zeitnah wieder aufgegeben werden, deutet sich für die Weltwirt-
schaft ab dem späten Frühjahr ein dynamischer Aufholprozess an, der mindes-
tens über das gesamte Jahr 2021 anhält.

Dessen ungeachtet werden die Pandemie und deren Folgen das Wirtschaftsge-           Die Corona-Pandemie hat
schehen in Teilen nachhaltig beeinflussen. Unternehmen, aber auch die Gesell-       zu erheblichen strukturel-
schaft und Politik sollten im Zuge der aktuellen Corona-Krise die Vor- und Nach-    len Veränderungen ge-
                                                                                    führt, die das gesell-
teile internationaler Wertschöpfungsketten sowie die Grenzen der Digitalisie-       schaftliche und wirt-
rung neu durchdenken. Eine stärkere Diversifizierung der Wertschöpfungsket-         schaftliche Leben nach-
ten könnte die Folge sein. Zudem dürfte darüber nachgedacht werden, ob Teile        haltig beeinflussen wer-
der Lieferketten, die in der Vergangenheit ausgelagert wurden, wieder zurück        den
in das Heimatland geholt werden, sei es aus einer geänderten wirtschaftlichen
Logik heraus oder aufgrund staatlicher Interventionen. Auffällig ist auch, dass
sich Unternehmen rund um den Globus mit dem Voranschreiten der Digitalisie-
rung zunehmend von Sachvermögen wie Fabriken, Maschinen aber auch Büro-
und Verkaufsflächen getrennt haben, durch die sie sich in der Historie oft defi-
niert hatten. Die Investitionen fokussieren sich zunehmend auf „gesichtslose“
immaterielle Vermögensgegenstände wie geistiges Eigentum, Daten, Algorith-
men, Online-Plattformen usw. Mit in diese Richtung wirken die Verhaltens- und
Präferenzänderungen der Verbraucher im Zuge der Corona-Krise. So hat die
COVID-19-Pandemie z. B. zu einem signifikanten Anstieg der Online-Käufe ge-
führt und es ist davon auszugehen, dass die damit einhergehenden veränder-
ten Konsum- und Mobilitätsmuster zumindest teilweise dauerhafter Natur sind.

Trotz aller negativer Effekte der Pandemie bietet die Krise aber auch Chancen       Die Digitalwirtschaft geht
für innovative und flexible Unternehmen sowie Haushalte. Sie wirkt als Be-          als Profiteur aus der Krise
schleuniger der Digitalisierung. Die digitale Transformation hat einen Turbo-       hervor
gang eingelegt und vollzieht sich schneller als jemals zuvor. Angefangen beim
E-Commerce und Online-Shopping bis hin zum Thema virtueller Arbeitsplatz
(Stichworte Homeoffice, Flexible Working usw.) sowie Videokonferenzen zeigt
sich, dass die Digitalwirtschaft als „Gewinner“ aus der Krise hervorgehen dürfte,
da die digitalen Technologien zu einer noch drängenderen Notwendigkeit ge-
worden sind. In diesen Reigen sollten sich die Bereiche Künstliche Intelligenz
und Industrie 4.0 sowie Medizintechnik nahtlos einfügen.

                                                                                                              5
Das große Bild                                        Kreissparkasse Köln • Kapitalmarktperspektiven 2021

Corona lässt Staatsschul-    Doch nicht nur die Verhaltensmuster der privaten Wirtschaftssubjekte haben
den auf globaler Ebene       sich verändert, auch die staatlichen Instanzen legen einen in der Nachkriegsge-
explodieren                  schichte nahezu einmaligen Aktionismus an den Tag und intervenieren massiv
                             in das Wirtschaftsgeschehen und nehmen so verstärkt Einfluss auf das aktuelle,
                             aber auch künftige Wirtschaftsumfeld. Fiskalpolitische Stimuli, staatliche Ga-
                             rantien und Bürgschaften zur Abfederung der Pandemie-Folgen lassen weltweit
                             die öffentlichen Haushalte aus dem Ruder laufen. In fast allen Staaten der Welt
                             explodieren die Schuldenstände. Doch die Verschuldung steigt nicht nur im öf-
                             fentlichen, sondern auch im Privatsektor. Das Institute of International Finance
                             (IIF) hat berechnet, dass der weltweite Schuldenstand in den ersten drei Quar-
                             talen 2020 in Folge kreditfinanzierter Ausgaben von Regierungen und privaten
                             Wirtschaftssubjekten als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie um 15 Bio. auf
                             272 Bio. US-Dollar gestiegen ist. Nach Schätzungen des Institutes wird die Ver-
                             schuldung im Schlussquartal um weitere 5 Bio. US-Dollar auf dann 277 Bio. US-
                             Dollar steigen. Dies korrespondiert mit einer Verschuldungsquote der Weltwirt-
                             schaft von rund 365 % des globalen BIP, ein noch nie dagewesener Rekordwert.

                                                        Weltweite Verschuldung

                                           In US-Dollar (linke Skala)
                                           In % des BIP (rechte Sakla)

                                                     in Bio. US-Dollar (li. Sk.)   in % des BIP (re. Sk.)

                             Quelle: IIF, BIZ, IWF

Das Risiko einer globalen    Es besteht erhebliche Unsicherheit darüber, wie die Weltwirtschaft in Zukunft
Finanz- bzw. Schulden-       diesen Schuldenberg abbauen kann, ohne dass dies erhebliche nachteilige Aus-
krise steigt                 wirkungen auf die Wirtschaftstätigkeit hat. Unternehmen dürften auf die stark
                             gestiegene Verschuldung mit Einsparungen bei Investitionen und Personalkos-
                             ten reagieren. Ein solcher Entschuldungsprozess kann sich über Jahre hinzie-
                             hen und dürfte mit einem weiteren Rückgang des Trendwachstums einherge-
                             hen. Einige Staats- und Regierungschefs dürften auf eine sogenannte „finanzi-
                             elle Repression“ hoffen. Hierbei drücken die Zentralbanken mittels einer stark
                             expansiven Geldpolitik den Nominalzins unter die Inflationsrate. Oder anders
                             ausgedrückt: Das nominale BIP-Wachstum ist höher als der Nominalzins, so-
                             dass die Regierung ohne größere Anstrengung aus den Schulden „herauswach-
                             sen“ kann. Diese Entschuldungsoption betrieben zwischen 1945 und 1980 viele
                             Länder mit großem Erfolg. Den USA und Großbritannien gelang es mittels einer
                             solchen finanziellen Repression bspw. in der Nachkriegszeit bis Mitte der
                             1970er ihre Schulden pro Jahr um bis zu drei bzw. vier Prozentpunkte vom BIP
                             zu senken.

Geringe Inflation, niedri-   Damals waren aber auch die Inflationsraten wesentlich höher als heute. Viele
ges Trendwachstum und        strukturelle Faktoren lassen jedoch erwarten, dass in nächster Zeit die Inflation
Liberalisierung der glo-     auch weiterhin eher gering ausfällt. Ferner schlossen damals Kapitalverkehrs-
balen Finanzmärkte er-
schwert den Weg der fi-      kontrollen und weitere Regulierungen Auslandsinvestments oft aus. Seit der
nanziellen     Repression    Liberalisierung der globalen Finanzmärkte entfällt damit ein wichtiger Erfolgs-
zum Schuldenabbau            faktor für diese Strategie. Zudem bleibt zu berücksichtigen, dass es sich bei die-
                             ser Politik um eine verdeckte Vermögens-Umverteilung vom Gläubiger hin zum

6
Kreissparkasse Köln • Kapitalmarktperspektiven 2021                                                                       Das große Bild

Staat handelt. Ein wichtiger Erfolgsfaktor für diese Politik war, dass die Wirt-
schaft in der Nachkriegszeit kräftig wuchs, sodass viele Bürgerinnen und Bür-
gern diese Strategie eher als Dämpfung des Vermögenszuwachses empfanden
denn als spürbare Enteignung. Die demografische Entwicklung, die in Teilen zu
beobachtende Zombifizierung der Wirtschaft (für eine nähere Erläuterung sei
auf unsere Publikation „Das große Bild – Die Geister, die ich rief“ verwiesen)
lassen jedoch erwarten, dass das Trendwachstum in nächster Zeit eher gering
bleibt, wenn nicht sogar weiter sinkt. Die Akzeptanz einer solchen Politik, die
sich oft über Jahrzehnte hinzieht, dürfte von Seiten der Bevölkerung daher dau-
erhaft kaum gegeben sein.

                                 Staatsverschuldung der G20-Staaten
                                                   (in % des BIP)
 180

 160                                     Finanzielle Repression
                                             zur Lösung des
                                        Staatsschuldenproblems
 140

 120

 100

  80

  60

  40

  20

   0
    1800    1815   1830   1845   1860    1875    1890    1905     1920   1935   1950   1965   1980   1995   2010

Quelle: Internationaler Währungsfonds

Austeritätsmaßnahmen in der Form, dass die Staaten ihre Ausgaben senken                                            Die Gefahr einer Schul-
und/oder die Steuern erhöhen, scheinen im aktuellen politischen Umfeld, in                                         denkrise wächst, den
dem die politische Mitte auf globaler Ebene zunehmend erodiert und der ex-                                         2021er-Ausblick   sollte
                                                                                                                   dieses Thema jedoch
treme rechte und linke Flügel Stimmenzuwächse verzeichnen, ebenfalls wenig                                         nicht überlagern
wahrscheinlich. Wir gehen daher davon aus, dass das Thema „Zahlungsausfall“
zumindest in der längeren Frist an Bedeutung gewinnt. Nicht ohne Grund war-
nen Organisationen wie der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Welt-
bank bereits seit einiger Zeit vor einer Schuldenkrise. Den 2021er-Ausblick
sollte dieses Thema jedoch nicht überlagern. Es sollte erst in den nächsten Jah-
ren an Bedeutung gewinnen.

II. Konjunktur

       1.    Industrieländer

Bei den zuvor genannten Aspekten handelt es sich eher um langfristig wir-                                          Weiterer Verlauf der
kende, strukturelle Faktoren. Wenden wir uns im Folgenden den kurzfristig aus-                                     Corona-Infektionswelle
gerichteten Konjunkturperspektiven für das Jahr 2021 zu. Wie bereits ange-                                         entscheidet über Entwick-
                                                                                                                   lung der Weltwirtschaft
merkt, gehen wir in unserem Basisszenario davon aus, dass wir im Jahresverlauf
2021 dank eines Abklingens der Virusbelastungen schrittweise zu mehr Norma-
lität zurückkehren. In diesem Umfeld dürfte auf globaler Ebene ab dem späteren
Frühjahr ein dynamischer Aufholprozess einsetzen, der mindestens über das
gesamte Jahr 2021 anhält. 2021 sollte das globale Wirtschaftswachstum rund
5,5 % betragen, nach einem Einbruch des BIP um vermutlich etwas weniger als
4 % im vergangenen Jahr.

                                                                                                                                           7
Konjunktur                                   Kreissparkasse Köln • Kapitalmarktperspektiven 2021
Industrieländer

Pandemie setzt der US-      Dabei dürfte die Wirtschaftsentwicklung in den etablierten Volkswirtschaften
Wirtschaft im Winterhalb-   recht ähnlich verlaufen. Aussichten auf ein echtes V nach dem tiefen Einbruch
jahr zu                     in der ersten Jahreshälfte 2020 sehen wir in keinem der großen Industrieländer.
                            In den USA spricht vor allem der Pandemieverlauf für eine eher verhaltene Ent-
                            wicklung der Wirtschaft in der ersten Jahreshälfte 2021. Die US-Volkswirtschaft
                            sieht sich bereits seit einiger Zeit mit einem dynamischen Anstieg der Infekti-
                            onszahlen konfrontiert, dem man – nicht zuletzt aufgrund der Übergangsphase
                            zum neuen Präsidenten – bislang recht verhalten begegnet ist. So zeigt man
                            sich aktuell bemüht, Restriktionen zur Eindämmung der Pandemie, die mit ei-
                            ner Einschränkung der wirtschaftlichen Freiheit einhergehen, zu vermeiden. Die
                            neue Regierung unter Präsident Joe Biden, die am 20. Januar ihr Amt aufnimmt,
                            wird zunächst vor der Herkulesaufgabe stehen, die Corona-Krise in den Griff zu
                            bekommen. Dazu gehört es nicht nur, die Amerikaner von den erforderlichen
                            Schutzmaßnahmen, sondern auch von der Notwendigkeit der Impfung zu über-
                            zeugen.

US-Wirtschaftspolitik       Positive Impulse dürften von Seiten der US-Wirtschaftspolitik ausgehen. Wie
dürfte 2021 für Wachs-      noch zu zeigen ist, wird die Geldpolitik auch in diesem Jahr expansiv ausgerich-
tumsimpuls sorgen           tet bleiben. Zudem hat sich der US-Kongress gerade auf ein neues Corona-Hilfs-
                            paket im Volumen von rund 900 Mrd. US-Dollar geeinigt, was etwa 4 % des US-
                            BIP entspricht. Hinzu kommt das von dem neuen US-Präsidenten Biden ge-
                            plante Infrastrukturprogramm. Förderlich dürfte sich auch die von Biden ange-
                            strebte Verbesserung der Handelsbeziehungen zu den traditionellen Handels-
                            partnern wie Kanada, Mexiko und der EU auswirken. Dämpfende Effekte sollten
                            hingegen von der sich abzeichnenden stärkeren Regulierung verschiedener
                            Teilbereiche der US-Wirtschaft und von den Steuerplänen des neuen US-
                            Präsidenten ausgehen. So soll u. a. der Steuersatz für Unternehmen, den Trump
                            zuvor von 35 % auf 21 % gesenkt hatte, auf 28 % angehoben werden. Gleich-
                            zeitig sollen steuermindernde Tatbestände deutlich eingeschränkt werden.
                            Auch der Mindeststeuersatz für ausländische Einkünfte der Auslandstöchter
                            von US-Unternehmen soll von aktuell 10,5 auf 21 % erhöht werden. Ferner sol-
                            len die Einkommensteuersätze von privaten Haushalten mit hohen Einkommen
                            wieder deutlich nach oben geführt werden. Die wirtschaftlichen Folgen der
                            Steuerpläne lassen sich nur schwer abschätzen, weil Bidens Vorstellungen hin-
                            sichtlich der Verwendung des zusätzlichen Geldes noch nicht eindeutig sind.
                            Per saldo dürfte die Fiskalpolitik 2021 aber für einen kräftigen Schub sorgen.

Etwas mehr als 3,5 %        Vor allem in der zweiten Jahreshälfte, wenn im Zuge einer allmählichen Durch-
Wachstum sollte es 2021     impfung der Bevölkerung die Infektionsrisiken nachhaltig gesenkt werden kön-
werden                      nen und es zu einer schrittweisen Normalisierung der Rahmenbedingungen
                            kommt, sollte die US-Wirtschaft an Schwung gewinnen. Wachstumstreiber
                            dürfte der private Konsum im Zuge der Deckung zurückgesteckter Bedürfnisse
                            und einem Abbau der im Frühjahr 2020 stark gestiegenen Sparquote (ein Phä-
                            nomen, das nicht nur in den USA zu beobachten war) sein. Nach und nach sollte
                            dann auch die aktuell auf die Wirtschaftsaktivität bremsend wirkende Unsicher-
                            heit nachlassen, was sich positiv auf die Investitionstätigkeit auswirken dürfte.
                            Alles in allem sollte die US-Volkswirtschaft 2021 um etwas mehr als 3,5 % wach-
                            sen, nachdem sie im vergangenen Jahr ein ähnliches Niveau an Wirtschaftsleis-
                            tung eingebüßt hat. Vermutlich werden damit die USA im ersten Quartal 2022
                            das BIP-Vorkrisenniveau wieder erreichen können.

8
Kreissparkasse Köln • Kapitalmarktperspektiven 2021                                          Konjunktur
                                                                                         Industrieländer

Auch im Euroraum dürfte die Wirtschaft ab dem Frühjahr nach einer Verringe-        Euroraum: Nach einem
rung der Infektionsrisiken im Zuge einer schrittweisen Durchimpfung der Be-        Dämpfer im Winterhalb-
völkerung und des wieder wärmeren Wetters, das den Erreger zusätzlich ein-         jahr sollte es im weiteren
                                                                                   Jahresverlauf 2021 kräf-
dämmt, dynamisch aufwärtsgerichtet sein. Zum einen sollte die aufgestaute          tig aufwärts gehen
Kaufkraft der privaten Haushalte mit einer Aufhebung der Beschränkungen der
gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Aktivität nachfragewirksam werden.
Zum anderen stützt die stark expansive Geld- und vor allem Steuer- sowie
Staatsausgabenpolitik. Neben der nationalen Fiskalpolitik wirkt auch die Politik
auf EU-Ebene stimulierend. So haben sich die EU-Staaten nicht nur auf den
mehrjährigen Finanzrahmen für 2021 bis 2027, der 1,1 Bio. Euro umfasst, geei-
nigt, sondern auch auf den Wiederaufbaufonds von 750 Mrd. Euro (390 Mrd.
Euro als direkte Transfers und 360 Mrd. Euro als zurückzuzahlende Kredite). Ein
Instrument, mit dem die EU neue Wege geht. Die Finanzierung des Fonds er-
folgt über den Kapitalmarkt, durch die Ausgabe von EU-Anleihen, die bis spä-
testens 2058 zurückgezahlt werden sollen. Damit verschuldet sich die EU als
supranationale Instanz erstmals als Ganzes und die EU bekommt durch die vom
Europäischen Rat beschlossene Umsetzung ein neues Finanzierungsinstru-
ment. Die Mitgliedsländer sind die Garantiegeber und haften maximal bis zu ih-
rem Anteil am EU-Haushalt.

Das Ausmaß der Erholung unterscheidet sich in sektoraler und regionaler Hin-       So wie derzeit der Dienst-
sicht z. T. deutlich. In allen Euroländern ist mit einer starken Ausweitung der    leistungssektor      über-
wirtschaftlichen Aktivität in den Branchen zu rechnen, die unter den Maßnah-       durchschnittlich    leidet,
                                                                                   wird sich dieser Sektor
men zur Eindämmung der Pandemie besonders gelitten haben. Dazu zählen vor          2021 an die Spitze des
allem die konsumnahen Dienstleistungen Handel, Verkehr, Tourismus und              Wachstums setzen
Gastgewerbe zuzüglich sonstiger Dienstleistungen (einschließlich Kunst, Un-
terhaltung und Erholung), in denen eine soziale Distanzierung schwierig ist.
Hier dürfte die während der Pandemie zurückgestaute Kaufkraft für das Nach-
holen von Käufen verausgabt werden. Im verarbeitenden Gewerbe sollte es
zwar auch zu Nachholeffekten kommen, die jedoch weniger stark ausgeprägt
sein dürften als in den Dienstleistungsbranchen, zumal der Industriesektor von
den aktuellen Lockdown-Maßnahmen bis dato weitgehend verschont blieb und
auf vorübergehende, großflächige Werksschließungen wie im Frühjahr 2020 in
weiten Teilen verzichtet wurde. Ungeachtet dessen dürfte die Wirtschaftsleis-
tung in diesem Sektor 2021 ebenfalls wachsen und von der kräftigen Nachfrage
nach Industriegütern unter anderem aus Asien profitieren.

                                                                                                             9
Konjunktur                                            Kreissparkasse Köln • Kapitalmarktperspektiven 2021
Industrieländer

Dynamik der Erholung         Das Erholungsmuster der Euroländer sollte sich von der Form her vergleichs-
dürfte in den Euro-Län-      weise identisch, aus dem Blickwinkel der Dynamik heraus aber sehr heterogen
dern      unterschiedlich    gestalten. Geschuldet ist dies dem Umstand, dass die einzelnen Länder unter-
stark ausgeprägt sein
                             schiedlich stark von der Corona-Pandemie betroffen waren bzw. sind. Von den
                             „großen Vier“ ist Deutschland noch am „glimpflichsten“ durch die Krise gekom-
                             men, sofern man diesen Ausdruck bei einem erwarteten BIP-Rückgang von rund
                             5,5 % im vergangenen Jahr überhaupt verwenden darf. Frankreich und Italien
                             sehen sich vermutlich 2020 mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um
                             rund 9 % konfrontiert. Spanien wird mit fast 12 % den kräftigsten Einbruch des
                             BIP erleben. Spiegelbildlich dürfte sich das Erholungsszenario präsentieren. In
                             Richtung 7,5 % sollte sich das Wirtschaftswachstum in Spanien bewegen,
                             Frankreichs und Italiens Wirtschaftsleistung sollte um rund 6,5 bzw. 5,5 % zu-
                             legen und das deutsche BIP wird um etwas mehr als 4 % wachsen. In diese Rich-
                             tung deutet auch die Wirkungsweise des Wiederaufbaufonds, dessen Mittel da-
                             für sorgen sollen, dass die Wirtschaft der EU-Mitgliedsländer strukturell ge-
                             stärkt und für zukünftige Entwicklungen fit gemacht wird. Er dürfte dazu beitra-
                             gen, dass vor allem die südeuropäischen Länder die Corona-Krise wesentlich
                             nachhaltiger überwinden als das ohne dieses Paket der Fall wäre. Alles in allem
                             deutet sich für den Euroraum 2020 ein BIP-Rückgang von knapp 7,5 % an, dem
                             in diesem Jahr ein Wachstum von etwas weniger als 5 % folgen sollte. Das BIP-
                             Vorkrisenniveau wird wahrscheinlich frühestens im späteren Jahresverlauf
                             2022, wenn nicht sogar erst um die Jahreswende 2022/23 erreicht werden.

Ausufernde      Staatsver-   Für Diskussionsstoff könnte die ausufernde Staatsverschuldung in einigen Eu-
schuldung könnte für Dis-    roländern sorgen, die aktuell nur deshalb tragfähig erscheint, weil die Europäi-
kussionsstoff sorgen         sche Zentralbank (EZB) bereits seit Jahren als Kreditgeber in letzter Instanz ein-
                             springt. In dieser Funktion stellt sie zum einen dem Bankensektor in nahezu
                             unbegrenzter Menge Liquidität zur Verfügung und kauft zum anderen Staats-
                             anleihen im Rahmen diverser Wertpapierankaufprogramme in einem massiven
                             Umfang, was stets den Geruch der monetären Staatsfinanzierung mit sich führt.
                             Mehr zu diesem Thema können Sie in unserer Publikation „Das große Bild – Die
                             Geister, die ich rief“ lesen.

                                                                 Öffentlicher Schuldenstand
                                                                             (in % des BIP)

                                                                                                                  160 160 159

                                                                                                            135
                                                                                                      124
                                                                        119                   120 122
                                                                116 118

                                                           98                            96

                                         71   70     69
                                  60

                                       Deutschland              Frankreich                    Spanien              Italien
                                                                    2019      2020    2021     2022

                             Quelle: Refinitiv Datastream, Europäische Kommission

Wirtschaftsentwicklung       Ähnlich wie in den meisten anderen Industrienationen gleicht die Entwicklung
gleicht in Deutschland       der deutschen Volkswirtschaft 2020/2021 einer Achterbahnfahrt. Dem tiefen
2020/2021 einer Achter-      Einbruch in der ersten Jahreshälfte 2020 folgte im dritten Quartal eine starke
bahnfahrt

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Kreissparkasse Köln • Kapitalmarktperspektiven 2021                                           Konjunktur
                                                                                          Industrieländer

Aufholjagd, die im Schlussquartal mit dem zunächst verhängten Wellenbre-
cher-Lockdown und den dann folgenden Verschärfungen ein jähes Ende fand.
Auch wenn die Folgen der ergriffenen Einschränkungen des gesellschaftlichen
Lebens für die deutsche Wirtschaft nicht so stark ausgeprägt sein dürften wie
noch im Frühjahr 2020, sollte die Wachstumsrate im Schlussquartal des vergan-
genen Jahres ein negatives Vorzeichen tragen. Zudem zeichnet sich ab, dass im
Eröffnungsquartal 2021 das Wachstum noch vergleichsweise mäßig sein wird.
Es ist wenig wahrscheinlich, dass bereits im Januar alle Einschränkungen für
die deutsche Wirtschaft aufgehoben werden. Dies sollte eher schrittweise über
den auslaufenden Winter erfolgen. Zudem dürften die dünner werdende Eigen-
kapitaldecke der Unternehmen und das geringere Einkommen der privaten
Haushalte die Konsum- und Investitionsfreude vorerst dämpfen.

In unserem Basisszenario gehen wir jedoch davon aus, dass die Neuinfektionen        Das Instrument der Kurz-
im Laufe des Winters nachhaltig eingedämmt werden können und ab dem Früh-           arbeit hat Schlimmeres
jahr 2021 ein dynamischer Restart der deutschen Wirtschaft einsetzt. Positiv        am Arbeitsmarkt verhin-
                                                                                    dert
sollte sich auswirken, dass das Instrument der Kurzarbeit verhindert hat, dass
sich der Konjunktureinbruch in einem nachhaltigen sowie deutlichen Anstieg
der Arbeitslosenquote niedergeschlagen hat und dass gleichzeitig die Einkom-
men zumindest teilweise stabilisiert werden konnten. Als dienlich erweist sich
ferner der vergleichsweise hohe Wertschöpfungsanteil der Industrie an der
deutschen Wirtschaft. Dieser Sektor hat sich gut auf die Produktion unter Infek-
tionsschutzmaßnahmen eingestellt und profitiert von der sich abzeichnenden
Belebung der Weltwirtschaft, die die Wachstumsperspektiven der exportabhän-
gigen deutschen Wirtschaft aufhellt.

Abgesehen von dem wieder an Fahrt gewinnenden Exportgeschäft sollten auch           Im weiteren Jahresverlauf
die Bremsen beim privaten Konsum sukzessive gelöst werden. Trotz eines eher         sollten sich die Bremsen
durchwachsenen Arbeitsmarktausblicks für das Jahr 2021 – die Arbeitslosen-          beim privaten Konsum lö-
                                                                                    sen – Der Erholungspro-
quote sollte sich bei rund 6 % einpendeln – dürften die weiter stark expansive      zess bei den Investitionen
Geldpolitik, die anhaltenden staatlichen Unterstützungsmaßnahmen und eine           erweist sich als steinig
Normalisierung der Sparquote förderlich auf den privaten Konsum wirken. Bei
der Investitionstätigkeit der Unternehmen sollte sich die Wegstrecke des Erho-
lungsprozesses als steinig erweisen. Zwar dürften angesichts der zu erwarten-
den global besseren Stimmungslage die Ausrüstungsinvestitionen 2021 kräftig
anziehen, der Anstieg relativiert sich jedoch vor dem Hintergrund des deutli-
chen Einbruchs im Jahr zuvor. Wie bereits erwähnt, deutet sich alles in allem für
die deutsche Volkswirtschaft 2021 ein Wirtschaftswachstum von etwas mehr als
4 % nach einem Wachstumseinbruch um fast 5,5 % im Vorjahr an.

                                                                                                           11
Konjunktur                                  Kreissparkasse Köln • Kapitalmarktperspektiven 2021
Industrieländer

Das Basisszenario setzt     Dieses Konjunkturszenario fußt auf der Annahme, dass das Corona-Virus zu-
voraus, dass die Corona-    nehmend seinen Schrecken verliert. Länger andauernde Restriktionen für wirt-
Pandemie im Jahresver-      schaftliche und soziale Aktivitäten und Rückschläge an der Impffront – beides
lauf 2021 ihren Schrecken
verliert                    ist nicht auszuschließen – würden das zuvor dargestellte Szenario schnell in
                            Frage stellen. Kommt es zu länger anhaltenden, vollständigen und wiederhol-
                            ten Lockdowns, ist davon auszugehen, dass das Wachstum 2021 zum Erliegen
                            kommt und die deutsche Wirtschaft im Worst Case sogar noch einmal
                            schrumpft. Ein Best Case ist vorstellbar, hat aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt
                            eine so geringe Eintrittswahrscheinlichkeit, dass eine nähere Konkretisierung
                            kaum lohnend ist.

                            2.   Schwellenländer

Die Wachstumsperspekti-     Die Wachstumsperspektiven 2021 gestalten sich für die Schwellenländer hete-
ven für 2021 gestalten      rogen. Dies ist in erster Linie auf den sehr asynchronen Verlauf der Pandemie
sich heterogen              in dieser Ländergruppe zurückzuführen. So scheint in vielen asiatischen Volks-
                            wirtschaften die Pandemie vor dem Hintergrund des schnellen sowie durchgrei-
                            fenden Handelns der dortigen Regierungen und den Erfahrungen, die die Be-
                            völkerung bereits in der Vergangenheit mit Epidemien gesammelt hat, über-
                            wunden. In der Mehrzahl der lateinamerikanischen und osteuropäischen Staa-
                            ten wütet die Pandemie hingegen noch immer, was z. T. mit erheblichen Ein-
                            schränkungen des öffentlichen und privaten Lebens und damit Beeinträchti-
                            gungen des Wirtschaftsverkehrs einhergeht. Darüber hinaus gestalten sich die
                            strukturellen und politischen Rahmenbedingungen in den einzelnen Schwel-
                            lenländern sehr unterschiedlich, sodass es wenig Sinn macht, diese Länder-
                            gruppe als Ganzes zu betrachten. Eines deutet sich jedoch an: Die asiatischen
                            Schwellenländer dürften in der Mehrzahl 2021 deutlich positive Wachstumsra-
                            ten aufweisen. Im Vergleich dazu gestalten sich die Konjunkturperspektiven in
                            vielen lateinamerikanischen Volkswirtschaften eher mau. Zum einen ist der fis-
                            kalpolitische Handlungsspielraum aufgrund der z. T. angespannten öffentli-
                            chen Haushaltslage oft eng und zum anderen belasten soziale Verwerfungen
                            und politische Instabilitäten. Werfen wir abschließend im Konjunkturteil noch
                            einen kurzen Blick auf drei großen Vertreter dieses Länderblocks: China, Brasi-
                            lien und Russland.

China ist bereits auf den   Das Ursprungsland der Pandemie – China – ist bereits wieder auf einen nach-
Wachstumspfad zurück-       haltigen Wachstumspfad zurückgekehrt und hat damit die coronabedingte
gekehrt – Auch unter Bi-    Wirtschaftskrise vergleichsweise schnell hinter sich gelassen. Abgesehen von
den dürfte der Handels-
streit zwischen China und   der konsequenten Bekämpfung der Pandemie haben die stark expansive Geld-
den USA ein Thema blei-     und Fiskalpolitik ihren Beitrag dazu geleistet, dass das chinesische BIP bereits
ben                         zum Ende 2020 wieder das Vorkrisenniveau erreicht hat. Auch 2021 dürfte die
                            Wirtschaftspolitik die chinesische Volkswirtschaft stimulieren. Nach einem
                            Wachstum von etwas weniger als 2 % im vergangenen Jahr sollte das BIP 2021
                            in Richtung 9 % expandieren. 2022 dürfte sich dann das Expansionstempo an-
                            gesichts der auslaufenden fiskalpolitischen Stimuli wieder auf rund 6 % mode-
                            rieren, was in etwa dem Trendwachstum entspricht. Für Diskussionsstoff
                            könnte die zukünftige Ausgestaltung der Handelsbeziehungen zu den USA sor-
                            gen. Auch unter dem neuen US-Präsidenten Biden wird es keine Rückkehr zu
                            den „guten alten Zeiten“ geben. Die beiden Länder haben inkompatible Wirt-
                            schafts- und Gesellschaftssysteme mit unterschiedlichen Interessen, die erheb-
                            liches Konfliktpotenzial mit sich bringen. Streitpunkte sind vor allem das US-
                            Handelsdefizit, Währungsmanipulationen, Produktpiraterie, der Diebstahl
                            geistigen Eigentums, Zensur und Menschenrechtsverletzungen. Bidens Außen-

12
Kreissparkasse Köln • Kapitalmarktperspektiven 2021                                         Konjunktur
                                                                                        Schwellenländer

handelspolitik sollte jedoch berechenbarer und konsensorientierter sein als die
von Trump. Der neue Präsident verfügt über außenpolitische Erfahrung und
weiß um die elementare Bedeutung guter Beziehungen zu asiatisch/pazifischen
Staaten und des transatlantischen Bündnisses auch für die USA. Biden dürfte
versuchen, die Scherben, die Trump durch seine erratische „America first“-Poli-
tik generiert hat, wieder – soweit noch möglich – zusammenzufügen, und kon-
sensfähigere Lösungen in Handelsfragen suchen.

Brasilen leidet dagegen unter einem bislang noch immer sehr hohen Infekti-         Brasilien: Effizienzverbes-
onsgeschehen. Dass die brasilianische Wirtschaft bis dato vergleichsweise gut      serungen, Steuerverein-
durch die Krise gekommen ist, ist den massiven Stützungsmaßnahmen des              fachungen und Privatisie-
                                                                                   rung stehen unverändert
Staates geschuldet. Diese haben jedoch ihren Preis. Der öffentliche Schulden-      aus
stand in Relation zum BIP nähert sich in großen Schritten der 100 %-Marke.
Obwohl der ohnehin stark belastete Staatshaushalt keinen Spielraum für teure
Hilfspakete bietet, will Brasiliens Präsident Bolsonaro die Hilfszahlungen 2021
wohl auch mit Blick auf die anstehenden Wahlen 2022 fortsetzen. Neben einer
wachsenden fiskalischen Unsicherheit belasten die zunehmende Intransparenz
der politischen Führung und die Stagnation wichtiger Reformen und angekün-
digter Privatisierungen. Brasiliens Erholung aus der Krise könnte sich als be-
schwerlicher Weg erweisen.

Auch die russische Volkswirtschaft kämpft mit den hohen Infektionszahlen.          Russland: Wirtschaftliche
Vor allem für die privaten kleinen und mittleren Unternehmen stellt die Corona-    Liberalisierung und Han-
Pandemie eine Herausforderung dar. Es deutet sich an, dass die Wirtschaft nach     delsdiversifizierung, Pri-
                                                                                   vatisierung sowie Refor-
der Corona-Rezession noch stärker staatlich kontrolliert wird. Wirtschaftliche     men zur Verbesserung
Liberalisierung und Handelsdiversifizierung, Privatisierung sowie Reformen zur     der Produktivität lassen
Verbesserung der Produktivität lassen demnach weiter auf sich warten. Vor die-     weiter auf sich warten
sem Hintergrund scheint das Erholungspotenzial nach dem Wachstumsein-
bruch 2020 (Experten rechnen mit einem BIP-Rückgang von rund 4 %) eher mä-
ßig. Der Konsens geht für 2021 von einem Wachstum der russischen Volkswirt-
schaft von 3 % aus.

III. Zinsen

    1.   Geldmärkte

In dem skizzierten Umfeld dürfte die Geldpolitik weiter expansiv ausgerichtet      Die Geldpolitik dürfte
bleiben. Zwar sollte sich die Weltwirtschaft im weiteren Jahresverlauf auf einen   noch über einen langen
Erholungspfad begeben, das bedeutet aber nicht, dass sich die Wirtschaft von       Zeitraum expansiv ausge-
                                                                                   richtet bleiben
dem Schock auch vollumfänglich erholt hat und bereits mit weniger Unterstüt-
zung auskommt. Hinzu kommen die vielen strukturellen Herausforderungen,
denen die Unternehmen und privaten Haushalte im Zuge der Corona-Pandemie
und deren Folgen ausgesetzt sind. Der damit einhergehende Anpassungsbe-
darf ist gravierend und der notwendige Anpassungsprozess dürfte sich über
Jahre hinziehen. Ein Umstand, der einen hohen Expansionsgrad der Geldpolitik
erfordert. Zudem sollte nicht übersehen werden, dass viele Notenbanken rund
um den Globus in den vergangenen Jahren verstärkt die Funktion als sogenann-
ter Lender of Last Resort (Kreditgeber in letzter Instanz) eingenommen haben,
in dem sie zum einen dem Bankensektor in nahezu unbegrenzter Menge Liqui-
dität zur Verfügung stellen und zum anderen Staatsanleihen im Rahmen diver-
ser Wertpapierankaufprogramme in einem massiven Umfang kaufen und so –
auch wenn die Staatstitel nicht am Primärmarkt gekauft werden – zumindest in-
direkt die Staatsfinanzierung unterstützen. Dieser Rolle dürften sich die Noten-

                                                                                                           13
Zinsen                                     Kreissparkasse Köln • Kapitalmarktperspektiven 2021
Geldmärkte

                          banken nur schwer entledigen können. Angesichts der hohen Schuldenstände
                          werden die Zentralbanken in den nächsten Jahren einen erheblichen Teil der
                          Staatsschulden in ihren Büchern behalten müssen. Nur wenn die Zinsen nach-
                          haltig auf einem niedrigen Niveau verbleiben, können viele Länder die noch-
                          mals im Zuge der Corona-Pandemie kräftig gestiegenen Staatsschulden tragen
                          (mehr zu diesem Thema können Sie in unserer Publikation „Das große Bild – Die
                          Geister, die ich rief“ lesen).

Fed sollte am aktuellen   Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass nahezu alle Notenbanken der
Leitzinsniveau bis Ende   etablierten Volkswirtschaften in den vergangenen Monaten ihre Niedrigzins-
2023 festhalten           versprechen wiederholt unterstrichen haben. So betonte bspw. der Chef der US-
                          Notenbank, Jerome Powell, auf der letzten Sitzung Mitte Dezember 2020, dass
                          die Fed das Leitzinsbandbreitenniveau so lange bei 0,00 % bis 0,25 % beibe-
                          halten wird, bis erstens Vollbeschäftigung erreicht ist und zweitens die Inflati-
                          onsrate auf 2 % gestiegen ist und sich auf Kurs befindet, das 2-Prozent-Ziel für
                          einige Zeit zu halten. Ein Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik ist daher so
                          schnell nicht zu erwarten. Entsprechend des sogenannten dot plot, mit dem die
                          US-Notenbank ihren Ausblick für den Zinsverlauf signalisiert, geht die Mehrheit
                          der geldpolitischen Entscheidungsträger davon aus, dass die Leitzinsen bis
                          Ende 2023 auf dem aktuellen Niveau verbleiben. Auch die Wertpapierankäufe
                          (aktuell kauft die Fed monatlich Staats- und Unternehmensanleihen im Wert
                          von mindestens 120 Mrd. US-Dollar) dürften noch längere Zeit fortgesetzt wer-
                          den. Bis substanzielle Fortschritte bei der Erreichung der geldpolitischen Ziele
                          zu verzeichnen sind, dürfte noch einige Zeit ins Land ziehen.

Das    PEPP-Ankaufpro-    Auch die EZB ist von einem Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik weit ent-
gramm wird bis mindes-    fernt. Ähnlich wie die Fed-Vertreter haben auch die Euroland-Währungshüter
tens Ende 2023 fortge-    auf ihrer Dezember-Sitzung unterstrichen, dass der Expansionsgrad beibehal-
setzt
                          ten und wenn nötig sogar erhöht wird. Das speziell auf die Corona-Krise zuge-
                          schnittene Ankaufprogramm PEPP (Pandemic Emergency Purchase Pro-
                          gramme) wurde auf dieser Sitzung bis mindestens Ende März 2022 verlängert
                          und das Volumen um 500 Mrd. Euro auf 1.850 Mrd. Euro ausgeweitet. EZB-
                          Chefin Christine Lagarde stellte zwar klar, dass das Volumen nicht vollständig
                          ausgeschöpft werden muss, betonte aber gleichzeitig, dass die EZB bereit-
                          stünde, im Bedarfsfall noch einmal nachzulegen. Bis dato hat sie im Rahmen
                          ihrer verschiedenen Wertpapierankaufprogramme Anleihen im Wert von rund
                          3,5 Bio. Euro erworben. Während das PEPP zum gegenwärtigen Stand der Pla-
                          nung bis Ende März 2022 enden soll, wird das erweiterte Programm zum Ankauf
                          von Vermögenswerten, das sogenannte Asset Purchase Programme (APP), mit
                          einem Volumen von monatlich 20 Mrd. Euro bis „kurz vor Erhöhung der Leitzin-
                          sen“ fortgeführt.

                                        Guthaben monetärer Finanzinstitute beim Eurosystem
                                                             (in Mrd. Euro)

                          Quelle LBBW

14
Kreissparkasse Köln • Kapitalmarktperspektiven 2021                                                                          Zinsen
                                                                                                                         Geldmärkte

Die EZB dürfte demnach noch längere Zeit an den Anleihemärkten mit ihren An-                                   Eine weitere Senkung des
käufen intervenieren. Weitere Senkungen des Einlagensatzes auf ein noch nied-                                  Einlagensatzes ist nicht
rigeres Niveau als -0,5 % hat die EZB zwar nicht explizit ausgeschlossen, wir                                  wahrscheinlich
halten einen solchen Schritt aktuell aber für wenig wahrscheinlich. Eine weitere
Senkung zur Ankurbelung der Kreditnachfrage scheint wenig überzeugend. Bei
einem bereits stark negativen Zins dürfte eine weitere Senkung kaum noch Vor-
teile bringen und die Diskussion um die adversen Effekte der Negativzinsen nur
noch weiter befeuern. Zudem ist davon auszugehen, dass eine weitere Reduk-
tion des Einlagensatzes die Wirkung der zielgerichteten, langfristigen Refinan-
zierungsgeschäfte, von denen auf der letzten Sitzung noch einmal drei weitere
mit einer Laufzeit von drei Jahren beschlossen wurden, konterkarieren.

2.      Rentenmärkte

Wir hatten bereits in unserer Halbzeitbilanz 2020 darauf hingewiesen, dass die-                                Die Renditen dürften zwar
ses geldpolitische Umfeld dafür spricht, dass aus „low for longer“ – was so viel                               zunächst niedrig bleiben,
bedeutet wie „die Zinsen werden auf absehbare Zeit nicht spürbar steigen“ –                                    die oft geäußerte Prog-
                                                                                                               nose von ewig niedrigen
zunehmend „low for ‚noch‘ longer“ wird. Manch einer denkt sogar über „low                                      und vielleicht sogar nega-
forever“ (niedrig für immer) nach. Auch wir gehen davon aus, dass das Rendi-                                   tiven Renditen teilen wir
teniveau in den etablierten Volkswirtschaften zunächst auf niedrigem Niveau                                    jedoch nicht
verweilen wird. Die These von ewig niedrigen und vielleicht sogar negativen
Renditen teilen wir jedoch nicht. So ist z. B. auffällig, dass der größte globale
Konjunktureinbruch in der Nachkriegsgeschichte zu keiner nennenswerten Re-
aktion an den Rentenmärkten geführt hat.

                                        G7-Durchschnittsrendite
                      (arithmetisches Mittel der Rendite 10-jähriger Staatspapiere)
  5,0

                             Finanzkrise

  4,0

                                              Euro-Schul-
  3,0                                         dendkrise

  2,0
                                                                         Brexit                     Handels-
                                                                                                    konflikt
                                               Ölkrise
  1,0

  0,0
                                                                                                   Corona-
                                                                                                   Pandemie

 -1,0
   Jan. 07Jan. 08Jan. 09Jan. 10Jan. 11Jan. 12Jan. 13Jan. 14Jan. 15Jan. 16Jan. 17Jan. 18Jan. 19Jan. 20Jan. 21

Quelle: Refinitiv Datastream

Die Ursachen hierfür sind vielschichtig. Speziell für den US-Rentenmarkt ist der                               Strategiewechsel der US-
Strategiewechsel der US-Notenbank anzuführen. Die US-Währungshüter rich-                                       Notenbank sorgt für An-
ten ihre Geldpolitik seit ihrem Strategiewechsel im August 2020 nicht mehr auf                                 stieg der Inflationserwar-
                                                                                                               tungen
ein Inflationspunktziel von 2 % aus, sondern auf einen Durchschnittswert. Da-
mit schafft sich die Fed einen Spielraum, auch höhere Inflationsraten über einen
längeren Zeitraum zu tolerieren, wenn es ihr gelingt, glaubhaft zu vermitteln,
dass diese Politik einen positiven Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung
und damit das Beschäftigungsziel hat. In der Folge haben die US-Inflations-
erwartungen in den vergangenen Monaten spürbar angezogen. Dass sich dies
nicht in steigenden Renditen niedergeschlagen hat, ist den massiven Anleihen-
käufen der US-Notenbank geschuldet. Ohne diese wäre eine höhere Rendite
wahrscheinlich. Dafür spricht u. a. die deutliche Ausweitung der Renditedif-

                                                                                                                                      15
Zinsen                                          Kreissparkasse Köln • Kapitalmarktperspektiven 2021
Rentenmärkte

                               ferenz zwischen US-Papieren mit einer Laufzeit von 30 Jahren, die nicht im
                               Kaufprogramm der Fed berücksichtigt werden, und 10-jährigen US-
                               Staatsanleihen. Das historische Durchschnittsniveau dieses Spreads liegt bei
                               30 Basispunkten. Aktuell beträgt er rund 75 Basispunkte. In diese Richtung
                               deuten auch verschiedene empirische Modelle. Würden man „alte“ Regressi-
                               onsmodelle mit den aktuellen US-Inflationserwartungen und den US-Leitzinsen
                               befüllen, ergäbe sich ein Niveau für die Rendite 10-jähriger US-Treasuries von
                               ca. 2,5 % (am 31.12.20 lag die Rendite 10-jährige Papiere bei 0,91 %).

Geld- und Fiskalpolitik        Zudem gehen aktuell Geld- und Fiskalpolitik Hand in Hand. Staatsschulden und
gehen aktuell Hand in          Geldmenge sind – nicht nur in den USA, sondern auch in vielen anderen etab-
Hand, was einer Moneti-        lierten und Schwellenländer-Volkswirtschaften – seit Ausbruch der Corona-Pan-
sierung von Staatsschul-
den gleichkommt                demie gleichermaßen explodiert, was ein Indiz dafür ist, dass die Monetisierung
                               der Staatsschulden voranschreitet. Zumindest in der mittleren Frist gehen mit
                               dieser Politikkombination Inflationsrisiken einher, da in vielen Ländern die ein-
                               geleiteten Ausgabenprogramme mit einer direkten Güter- und Dienstleistungs-
                               nachfrage verbunden sind. Da die Fiskalpakete zudem oft mittel- bis langfristig
                               ausgelegt sind, entfalten sie ihre stimulierende Wirkung auch dann noch, wenn
                               die Corona-Krise bereits überwunden ist. Dies eröffnet Unternehmen unter Um-
                               ständen bei bestehenden Kapazitätsengpässen eine höhere Preissetzungs-
                               macht (für weitere Information zu diesem Thema sei auf unsere Publikation
                               „Das große Bild – Die Geister, die ich rief“ verwiesen).

Die Inflation ist nicht tot,   Hinzu kommt, dass die Globalisierung ihren Zenit überschritten hat. Die
sondern sie hat sich zu-       Corona-Krise hat gezeigt, dass globalisierte Wertschöpfungsketten und die
letzt nur sehr zurückge-       Auslagerung der Produktion in Billiglohnländer auch Risiken mit sich bringt.
halten
                               Gerade die Globalisierung war aber ein entscheidender Faktor, der die Inflation
                               in den vergangenen Jahren so niedrig gehalten hat. Alles in allem lässt sich da-
                               mit festhalten, dass die Inflation nicht tot ist, sie hat sich in den letzten Jahren
                               nur sehr zurückgehalten. Sollte das Inflationsgespenst auf Sicht der nächsten
                               Jahre die Mottenkiste verlassen und steigen die Inflationsraten an, sind auch
                               wieder höhere Renditen an den Rentenmärkten ein realistisches Szenario.

Wir sehen die Rendite 10-      Was bedeutet dieses Umfeld für die Rentenmärkte im Jahresverlauf 2021? In
jähriger Bundesanleihen        der kurzen Frist dominiert der durch die Corona-Pandemie und die in vielen
zum Jahresende zwischen        Ländern bereits eingeleiteten und noch zu erwartenden Maßnahmen zur Ein-
-0,5 % und -0,25 %.
                               dämmung der Pandemie spürbar eingetrübte Konjunkturausblick. Wie im Kon-
                               junkturteil erörtert, droht in den Wintermonaten in vielen Volkswirtschaften der
                               Welt erneut eine Rezession. Dies dürfte dazu führen, dass sich die Renditen 10-

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