Katharina Jäntschi - gender thoughts - gender thoughts

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gender
   thoughts

  New Perspectives in
  Gender Research
  Working Paper Series
  2020, Volume 2

  Katharina Jäntschi
  Untersuchung von Weiblich-
  keitsdarstellungen in der Serie
  Game of Thrones aus einer
  feministisch-medientheoretischen
  Perspektive

  Mit einem Kommentar von Tullio Richter-Hansen
gender
            thoughts
            New Perspectives in Gender Research
            Working Paper Series

            (ISSN 2509-8179)

EDITORS-IN-CHIEF
Christoph Behrens, Maximiliane Hädicke, Solveig Lena Hansen, Susanne Hofmann, and Oliver Klaassen

Official Series of the Göttingen Centre for Gender Studies (GCG)
By 2017 the Göttingen Centre for Gender Studies starts a new working paper series called Gender(ed)
Thoughts Goettingen as a scholarly platform for discussion and exchange on Gender Studies. The series
makes the work of affiliates of the Göttingen Centre visible and allows them to publish preliminary and
project-related results.
All contributions to the series will be thoroughly peer-reviewed. Wherever possible, we publish com-
ments to each contribution. The series aims at interdisciplinary exchange among Humanities, Social
Sciences as well as Life Sciences and invites researchers to publish their results on Gender Studies. If you
would like to comment on existing or future contributions, please get in touch with the editors-in-chief.
The series is open to theoretical discussions on established and new approaches in Gender Studies as
well as results based on empirical data or case studies. Additionally, the series aims to reflect on Gender
as an individual and social perspective in academia and day-to-day life.
All papers will be published Open Access with a Creative Commons License, currently cc-by-sa 4.0,
with the license text available at https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/de/.

2020, Volume 2
Katharina Jäntschi
Untersuchung von Weiblichkeitsdarstellungen in der Serie
Game of Thrones aus einer feministisch-medientheoretischen Perspektive

With a comment by Tullio Richter-Hansen

Suggested Citation
Jäntschi, K. (2020): Untersuchung von Weiblichkeitsdarstellungen in der Serie Game of Thrones aus einer
feministisch-medientheoretischen Perspektive; Gender(ed) Thoughts, Working Paper Series, Vol. 2, https://
dx.doi.org/10.3249/2509-8179-gtg-16

Göttingen Centre for Gender Studies
Project Office
Georg-August-Universität Göttingen
Centrum für Geschlechterforschung
Platz der Göttinger Sieben 7 ∙ D - 37073 Göttingen
Germany
genderedthoughts@uni-goettingen.de ǀ www.gendered-thoughts.uni-goettingen.de
gender thoughts
                                                                    New Perspectives in Gender Research
                                                                    Working Paper Series 2020, Volume 2
                                                                        DOI: 10.3249/2509-8179-gtg-16

Untersuchung von Weiblichkeitsdarstellungen in der Serie
Game of Thrones aus einer feministisch-medientheoretischen
Perspektive
Katharina Jäntschi1
1 Institut für Diversitätsforschung, Georg-August-Universität Göttingen; kjaents@gwdg.de

Zusammenfassung
Der Beitrag analysiert die beiden Frauenfiguren Daenerys Targaryen und Brienne of Tarth der HBO-
Serie Game of Thrones im Hinblick auf ihre Weiblichkeitsdarstellungen. Als Zugang wird eine ge-
schlechtertheoretische Medienanalyse verfolgt. Dieser Analyse liegt die Beobachtung zugrunde, dass
die Serie in vielen Fan-Blog-Artikeln aufgrund ihrer Frauencharaktere als feministisch besprochen
wird. Mithilfe von Instrumenten der feministischen Filmanalyse werden sowohl die Inhaltsebene als
auch die Darstellungsebene der Eigenschaften der Frauenfiguren untersucht und gegenübergestellt.
Ausgehend von dekonstruktivistischen und popfeministischen Geschlechtertheorien wird analysiert,
ob die aus der Fangemeinde vorgenommene Bewertung der Figuren als feministisch Bestand hat. Als
Ergebnis lässt sich festhalten, dass die beiden Frauenfiguren viele Möglichkeiten feministischer Inter-
pretation bieten, allerdings durch die Art der Inszenierung bei Daenerys Targaryen oder durch die
brüchige Weiblichkeit bei Brienne of Tarth diese verunmöglicht wird. Die Schwerpunktsetzung auf
die beiden genannten Figuren ermöglicht zudem eine kritische Auseinandersetzung mit dem Konzept
Weiblichkeit und seinem feministischen Potential in Abgrenzung zum Konzept der female masculinity
bzw. der Frage nach Formen weiblicher Herrschaft in Fantasy-Serien.

Schlagworte
Feminismustheorie; Game of Thrones; Weiblichkeitsdarstellungen; female masculinity; feministische Medi-
enwissenschaft

Abstract
The article analyzes the two female characters Daenerys Targaryen and Brienne of Tarth of the HBO
series Game of Thrones with regard to representations from a feminist media studies perspective. This
analysis is based on the observation that the series is discussed as feminist in many fan blog articles due
to its female characters. Using instruments of feminist film analysis, both the content level and the
level of representation of the characteristics of the female characters are examined and compared. On
the basis of deconstructivist and pop-feminist gender theories, it is analysed, whether the assessment
of the series as feminist made by the fan community can withstand and what difficulties can be found
with it. As a result, it can be said that the two female figures offer many possibilities for feminist in-

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Jäntschi: Untersuchung von Weiblichkeitsdarstellungen in der Serie Game of Thrones

terpretation, but the way in which Daenerys Targaryen is presented and the fragile femininity
of Brienne of Tarth make this impossible. The focus on the two figures mentioned also enables a
critical examination of the concept of femininity and its feminist potential in contrast to the concept
of female masculinity or the question of forms of female domination in fantasy series.

Keywords
feminist theory, Game of Thrones, images of femininity, female masculinity, feminist media studies

                                                             sonders beliebtes Attribut in der Serienland-
1. Einleitung                                                schaft des Mainstream-Fernsehens darstellt.2
                                                                 Das erste oben genannte Zitat stammt von
„I am not your little princess [...] And I will take what    Daenerys Targaryen (gespielt von Emilia Clar-
is mine.“ – Daenerys Targaryen (S02E06)                      ke), welche zu Beginn der Handlung als abhän-
„All my life men like you snared at me. And all my life      gige, unmündige und objektivierte Frau darge-
I’ve been knocking men like you into the dust.“ –            stellt wird, sich im Verlauf der Serie jedoch zu
Brienne of Tarth (S02E08)                                    einer der mächtigsten Frauen ihrer Zeit entwi-
                                                             ckelt. Daenerys weist Eigenschaften auf, die
Diese beiden Zitate stammen aus der Serie Ga-                vom Serienpublikum als feministisch bewertet
me of Thrones, eine der erfolgreichsten Fernsehse-           werden (Inhaltsebene), und wird gleichzeitig
rien des US-Senders HBO.1 Sie deuten an, dass                immer wieder objektifizierend dargestellt (Dar-
in der Serie starke und differenziert gezeichnete            stellungsebene). Die Verwendung von einer
Frauenfiguren zu finden sind, was für das Fan-               objektifzierenden Darstellungsweise lässt ver-
tasy-Mittelalter-Genre nicht alltäglich ist. Zitate          muten, dass es keine etablierten erfolgver-
wie diese sind ein Grund für den immensen Er-                sprechenden (im Sinne der Serienschaffenden)
folg der Serie und die vielen Debatten darum,                Darstellungen von Herrscherinnen gibt, die sich
wie sich in Rezensionen immer wieder zeigt.                  zwar männlich konnotierter Strategien und
Die Serie bietet viele unerwartete Momente und               Handlungsdispositionen bedienen (zum Beispiel
Wendepunkte und gerade im Hinblick auf Frau-                 Streben nach Macht und Anführen eines
enfiguren lassen sich etliche für das Genre un-              Heeres), aber dennoch eine weibliche (nicht-
typische Plotlines ausmachen. Viele Zuschau-                 objektifizierte) Figur verkörpern.
er_innen sowie Kritiker_innen bewerten Game                       Das zweite Zitat stammt von Brienne of
of Thrones als feministisch, was derzeit ein be-             Tarth (gespielt von Gwendoline Christie), die
                                                             mit ihrer gesamten Erscheinung, Figur und
1 Game of Thrones spielt in einer fiktiven mittelalterli-    Rolle in der Serie eine außergewöhnlich
chen Welt mit einigen Fantasy-Elementen, wie z.B.
Drachen, Magie und Untoten. Die Handlung dreht sich          männliche Frau darstellt und deswegen
um die Frage, wer an der Macht ist und auf dem Iron          ständigen Anfeindungen ausgesetzt ist. Die
Throne (Regierungssitz des Kontinents) sitzt. Es gibt        Besonderheit bei der Figur von Brienne liegt
verschie-dene Dynastie-Familien. Die wichtigsten sind
die Targaryens, die Lannisters und die Starks. Die Welt      darin, dass sie als Frau eine männliche Rolle als
von Westeros hat verschiedene Kontinente, die Haupt-         Ritterin einnimmt und damit stetig auf Irritatio-
handlung spielt in Westeros, Nebenstränge finden in
Essos statt. Die Serie lief von 2011 bis 2019, umfasste      2 Vergleiche beispielsweise folgende Artikel hierzu:
acht Staffeln mit insgesamt 73 Episoden. Produziert          www.buzzfeed.com/kateaurthur/9-ways-game-of-
wurde sie von David Benioff und D. B. Weiss in den           thrones-is-actually-feminist,
USA. Grundlage ist die Romanreihe des Schriftstellers        www.indiewire.com/2016/05/game-of-thrones-has-
George R. R. Martin A Song of Ice and Fire, der auch bei     given-us-more-than-just-the-most-feminist-moment-
der Produktion der Serie involviert war. Vergleiche          on-tv-this-year-289073/ oder
https://en.wikipedia.org/wiki/Game_of_Thrones                www.returnofkings.com/38518/how-feminism-is-
.                                                ruining-game-of-thrones .

2                                                     Gender(ed) Thoughts, Working Paper Series 2020, Volume 2
Jäntschi: Untersuchung von Weiblichkeitsdarstellungen in der Serie Game of Thrones

nen stößt bzw. diese hervorruft. Dadurch wird          2.1      Dekonstruktivistische Ansätze
eine feministische Bewertung der Figur
komplex, da sie zwar einerseits über einen             Die dekonstruktivistische Geschlechtertheorie,
außergewöhnlichen Handlungsrahmen für eine             deren bekannteste Vertreterin die US-
weibliche Figur, aber gleichzeitig als männlich        amerikanische Philosophin Judith Butler ist, wi-
angesehene Eigenschaften aufweist und in               derlegt die Annahme, dass es biologische oder
vielen Fällen deshalb nicht als Frau angesehen         natürliche Gründe für den heteronormativen
wird.                                                  Dreiklang von sex, gender und desire gibt – der
    Daenerys Targaryen, die als das feministische      sogenannten heterosexuellen Matrix (Butler 1991,
Aushängeschild der Serie in etlichen Fan-Blog-         1995). Identitäten konstituieren sich innerhalb
Artikeln gilt, und Brienne of Tarth, die in die-       von gesellschaftlichen Machtkonstellationen
sem Diskurs weitaus weniger Aufmerksamkeit             durch performative Leistungen, welche Wieder-
bekommt, bieten sich für einen produktiven             holungen oder Zitate von diskursiven Macht-
Vergleich mit Blick auf das Konzept Weiblichkeit       formationen darstellen – vereinfacht gesagt gibt
an. Die beiden Figuren bilden die Ausgangs-            es eine bestimmte Menge an hegemonial-
punkte für die vorliegende Analyse, die der            anerkann Identitätsentwürfen, den Ge-
Frage nachgeht, inwieweit diese Figuren als            schlechternormen, an dene sich viele Personen
feministisch gelesen werden können und welche          orientieren und diese nachahmen bzw.
Weiblichkeitsvorstellungen dabei eine Rolle            wiederholen. Es kann dabei aber auch zu
spielen. Dabei stellt sich auch stets die Frage        Verwerfungen kommen, verursacht durch nicht
nach etablierten Figuren weiblicher Herrschaft         erfolgreiche performative Leistung geschlecht-
im TV.                                                 licher Subjekte – dies kann willentlich und nicht
                                                       willentlich geschehen. Nicht hegemoniale Iden-
                                                       titätsentwürfe können sanktioniert werden, in-
2. Feminismustheoretische                              dem sie von der Gesellschaft nicht (an-)erkannt
                                                       werden. Den Verwerfungen liegt aber auch ein
   Konzeptualisierung                                  transformatorisches Potential inne, da die
Um Frauenfiguren bzw. Weiblichkeitsbilder              Sprechakte neue Bedeutungen innerhalb
hinsichtlich ihres feministischen Potentials           konventioneller Diskursrahmungen erhalten
analysieren zu können, bedarf es einer feminis-        können, welche subversive Veränderungen
mustheoretischen Konzeptualisierung. Ver-              hervorzubringen vermögen.3 Diese politische
schiedene Feminismen können unterschiedliche           Handlungsoption der dekonstruktivistischen
politische Ausrichtungen und Inhalte haben             Herangehensweise findet sich in der femi-
(Müller 2012: 192). Nur wenige Kernelemente,           nistischen Medienwissenschaft wieder. Durch
wie „Selbstverwirklichung/Selbstbestimmung/            solche öffentlichen und medien-wirksamen
Autonomie/Befreiung aus persönlicher Abhän-            subversiven Performanzen, das heißt bewusste
gigkeit einerseits und Gleichheit andererseits“ in     Inszenierungen abseits hegemonialer Identitäts-
Bezug auf das Geschlechterverhältnis gelten als        entwürfe, kann es zu Transformationen oder
Gemeinsamkeit der verschiedenen Feminismen             zumindest produktiven Irritationen eines
(ebd.: 193). Konkret werden für die vorliegende        Diskurssystems kommen, wodurch jedes Subjekt
Analyse Perspektiven dekonstruktivistischer
und popfeministischer Geschlechtertheorien             3Um ein Beispiel zu nennen: Conchita Wurst, eine
herangezogen. Diese bieten wichtige Analyseka-         Kunstfigur als Drag Queen des österreichischen Sängers
tegorien bezüglich der Frage nach geschlechter-        Thomas Neuwirth, gewann 2014 den Eurovision Song
                                                       Contest. Durch die mediale Präsenz der Kunstfigur als
stereotypen Darstellungen und weiblicher Herr-         bärtige Diva (Selbstbezeichnung unter
schaft.                                                www.conchitawurst.com wird das Bild einer Frau mit
                                                       Bart alltäglicher ). Dies bedeutet nicht,
                                                       dass dieses Bild normalisiert ist, aber es existiert und
                                                       wird dadurch in das Diskurssystem geschlechtlicher
                                                       Identifizierungen aufgenommen.
Gender(ed) Thoughts, Working Paper Series 2020, Volume 2                                                      3
Jäntschi: Untersuchung von Weiblichkeitsdarstellungen in der Serie Game of Thrones

prinzipiell zur Kritik an der heteronormativen              tragen werden“ (ebd.: 44). Mediale Produkte
Geschlechterordnung befähigt wird.                          seien auf dieser Ebene anzusiedeln und prägen
   Das dekonstruktivistische Potential dieser               die gesellschaftlichen und normativen Vorstel-
Theorie lässt sich nicht nur auf die vermeintlich           lungen von Männlichkeit und Weiblichkeit
biologische Verfasstheit der heterosexuellen                (ebd.). Dem zeitgenössischen Popfeminismus
Matrix anwenden, sondern auch auf alle Arten                ging die Riot-Grrrl-Bewegung der 1990er Jahre
von Texten „mit dem Anspruch, Sinngebungs-                  voraus, bei der sich die Aktivistinnen demonst-
prozesse durch neue Lesarten (Relektüren) zu                rativ übersexualisiert inszenierten (Kauer 2009:
subvertieren“ (Moser 2003: 234). Medientexte                15). Sexuell aufgeladene Aggressivität und zur
von Serienschaffenden sind Teil des Diskurssys-             Schau gestellte Wut auf das patriarchale System
tems und somit relevant für eine feminismus-                dienten als politische Instrumente. Dies bedeu-
theoretische Betrachtung. Eine popkulturell er-             tete jedoch keine generelle Gleichsetzung von
folgreiche Darstellung von Brüchen der hetero-              sexualisierter Inszenierung von Weiblichkeit
normativen Ordnung, die zu guten Einschalt-                 und popfeministischen Anliegen.
quoten führt, kann somit einen Beitrag zur Auf-                 Im Folgenden wird mithilfe mithilfe
lösung rigider Geschlechternormen leisten.                  dekonstruktivistischer und popfeministischer
                                                            Ansätze gefragt, inwiefern die Weiblichkeitsdar-
                                                            stellungen feministische Inhalte und Interven-
2.2         Popfeministische Ansätze                        tionen darstellen oder heteronormative Weib-
Bei popfeministischen Geschlechtertheorien ist              lichkeitsbilder rezitieren.
dieses dekonstruktivistische Denken ebenso
elementar. Geschlecht wird als gesellschaftlich             3. Methodisches Vorgehen
und diskursiv konstruierte Kategorie gesehen                3.1     Figureninterpretation
(Eismann et al. 2012: 42f.).4 Dieser Ansatz kann
                                                            Die zu Beginn genannten Figuren, Daenerys
also als eine Weiterentwicklung des ersten gese-
                                                            Targaryen und Brienne of Tarth, werden an-
hen werden, hat aber weitere zentrale Punkte:
                                                            hand exemplarischer Szenen des Seriengesche-
Ein Hauptanliegen popfeministischer Ansätze
                                                            hens näher untersucht. Dabei werden teilweise
ist die Aufwertung von als typisch weiblich
                                                            filmanalytische Kategorien verwendet wie bei-
geltenden Eigenschaften und Symbolen, wie
                                                            spielsweise die Kameraperspektive. Bei der
beispielsweise „Lippenstift, Nagellack oder
                                                            Figureninterpretation lassen sich zwei Arten
Handarbeit“, welche mit Begriffen wie „Gir-
                                                            unterscheiden (Scheer 2013: 104): Bei der ersten
lism“ oder „Girl Culture“ aufgewertet werden
                                                            Lesart wird die Figur als Individuum betrachtet,
(ebd.: 43). Das Intervenieren in popkulturellen
                                                            welches eigenständig denkt und handelt. Dies
Räumen und Mainstream-Diskursen ist wichtig,
                                                            sei nach John Fiske (1987) die bevorzugte Les-
da „die Kämpfe um Gleichberechtigung nicht
                                                            art seitens der Medienproduzent_innen – nicht
nur in der politischen Sphäre, sondern zuneh-
                                                            zuletzt, da sie unkritisch gegenüber sozialen und
mend auch auf der symbolischen Ebene ausge-
                                                            politischen Dimensionen ist (Scheer 2013). Die
4 Weitere  wichtige identitätsprägende Kategorien wie
                                                            zweite Lesart ist eher diskursiv und findet in der
beispielsweise race, Klasse und sexuelle Orientierung       Analyse Verwendung; die Figur wird „als ein
sind für Analysen zu berücksichtigen, weil Wirkungen        textuelles Mittel gesehen, das auf der Basis von
von Identitätskategorien nicht getrennt voneinander
                                                            Diskursen und Ideologien konstruiert wird und
gedacht werden können – sie sind intersektional ver-
schränkt, beeinflussen sich also gegenseitig. Im Zuge       diese verkörpert“ (ebd.: 104). So werden fiktive
der zweiten Frauenbewegung gab es hierzu eine Ausei-        Personen als Personifizierung von kulturellen
nandersetzung und starke Kritik vor allem von Seiten        Normen und sozialen Positionen verstanden
Schwarzer Frauen, die sich nicht mitrepräsentiert ge-
fühlt haben. Dadurch ist das Konzept der Intersektio-       und damit ist eine Kritik oder Analyse der do-
nalität in viele geschlechtertheoretische Analysen inte-    minanten Ideologie möglich (ebd.).
griert worden. Diese weiteren Kategorien können in
diesem Beitrag leider nicht näher betrachtet werden.

4                                                    Gender(ed) Thoughts, Working Paper Series 2020, Volume 2
Jäntschi: Untersuchung von Weiblichkeitsdarstellungen in der Serie Game of Thrones

3.2     Analyse der Geschlechter-                      Die innerdiegetische Ebene der Geschlechter-
                                                       ordnung der Fiktion, welche ausgehend von der
        verhältnisse
                                                       bekannten Geschlechterordnung der Zuschau-
Die Filmtheoretikerin Ursula Ganz-Blättler             enden, also die zweite Ebene, erfasst und inter-
(2006: 285) vertritt die Ansicht, dass es sich bei     pretiert wird. Die innerdiegetische fiktive
medial vermittelten Fiktionen um „spezifische,         Geschlechterordnung von Westeros, dem
konzipierbare Kommunikationsprozesse, die              Hauptkontinent der Handlung, ähnelt einer
stets mehrere Beteiligte involvieren“, handelt.        einer nicht-fiktiven, heteronormativen Ge-
Fiktion ist also eine Form des Erzählens, wel-         schlechterordnung westlicher Gesellschaften.
ches zwei Seiten involviert: diejenigen, die die       Die beiden Geschlechterordnungen weisen also
Story konzipieren, erzählen und ihre Inhalte           durchaus (historische) Ähnlichkeiten auf, auch
medial vermitteln (die Serienmacher_innen),            wenn westliche nicht-fiktive Gesellschaften
und diejenigen, die die Story lesen. Die               mittlerweile in ihren Geschlechternormen freier
Betrachtenden sollen die Geschichten „als              und offener sind: In Westeros herrschen eine
Bausätze und Imaginationsangebote erst einmal          heterosexuelle und monogame Norm und
mit eigenen Versatzstücken aus Fantasie und            starke patriarchale Machtverhältnisse. Norm-
kontextuellem Wissen, aus emotionalen Impli-           brüche kommen in der Handlung immer wieder
kationen und Sinngebungen anreichern und er-           vor, werden aber sanktioniert, tabuisiert oder
gänzen“ (ebd.). Das bedeutet, dass die                 deutlich als unrühmliches Verhalten kommen-
Serienmacher_innen nicht gänzlich kontrollie-          tiert.
ren können, wie ihr Werk interpretiert wird.
Ganz-Blättler (2006) spricht von einem kommu-          4. Analyse der filmischen Weib-
nikativen Vertrag, den man bei der Rezeption
solcher Kommunikationsmedien eingeht. Die-                lichkeitsdarstellungen
ser Vertrag regelt, dass auf der einen Seite das       Ausgangspunkt der Analyse war folgende Be-
Medium so ausgestaltet ist, dass es eine sinn-         obachtung: Viele Artikel in Online-Blogs, die
hafte Konstruktion einer alternativen Realität         sich mit der Serie und einzelnen Frauenfiguren
ergibt und auf der anderen Seite die Zuschau-          befassen, weisen in der Überschrift auf einen
enden sich mit eigener Energie dieser Welt             Zusammenhang mit Feminismus hin, beziehen
zuwenden und diese erweitern und/oder sie              sich allerdings im Artikel selbst nicht weiter
zumindest zu verstehen versuchen. Dabei ist es         darauf.5 Feministisch fungiert hierbei häufig als
notwendig, dass die Zuschauenden in eine               inhaltsleeres Qualitätsmerkmal, da eine diffe-
Beziehung treten mit den „Spielfiguren der Ge-         renzierte Analyseperspektive mit feministischen
schichte (die an meiner Stelle oder als mir            Wissensbeständen meist gänzlich fehlt – was
vertraute Bezugspersonen handeln, leiden und           aus einer wissenschaftlichen Perspektive irritiert.
genießen, triumphieren und scheitern) und nicht        Blog-Artikel, die sich positiv auf den postulier-
zuletzt mit all jenen, die an derselben                ten feministischen Gehalt der Serie beziehen,
Geschichte und ihrem Fortgang Interesse und            verweisen meist ausschließlich auf die inhaltli-
Vergnügen zeigen“ (ebd.: 291). Daraus folgt,           che Ebene – also etwa auf nach Macht streben-
dass durch diese individuelle und kollektive           den Frauen, Sexismus-Artikulationen der Cha-
Leistung des Interpretierens die fiktionale            raktere, Vergewaltigungsracheakten von Frauen-
Geschichte Teil einer diskursiven Praxis wird,
welche Einfluss auf die Gedankenwelt der               5Beispiele für Überschriften solcher Artikel in Bezug
Zuschauenden hat.                                      auf Daenerys Targaryen sind: „Daenerys Targaryen:
   In der vorliegenden Analyse stehen die Ge-          Feminism for the Iron Throne“ (Keyhan 2013),
                                                       „‘Game of Thrones’ Daenerys Targaryen is a Feminist
schlechterverhältnisse (und sich daraus ablei-         First, Mother of Dragons Second“ (Ghahremani 2013),
tende Weiblichkeitsbilder) der Serie im Mittel-        „Game of Thrones inspiration: Why Daenerys Tar-
punkt. Dabei gibt es zwei Ebenen zu beachten:          garyen is a feminist icon“ (Potter 2013) oder „Daenerys
                                                       Targaryen Is A Feminist“ (Hanks-Akins 2016).

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Jäntschi: Untersuchung von Weiblichkeitsdarstellungen in der Serie Game of Thrones

figuren oder Ähnliches. Hier bietet die Serie tat-     mee. Das Volk der Dothraki stammt von dem
sächlich etliche Handlungsstränge. Vernachläs-         anderen Kontinent Essos und wird als ,wildes
sigt wird in den medialen Rezensionen aller-           Reitervolk‘ dargestellt. Es wird deutlich, dass
dings meist die Ebene der Darstellung und In-          Viserys seine Schwester Daenerys als Frau bzw.
szenierung sowie deren Verknüpfung mit der             Mensch missachtet, beispielsweise als er sagt: „I
inhaltlichen Ebene, was dieser Artikel nachholt.       would let his whole tribe fuck you all forty
    Die im Folgenden untersuchten Frauenfi-            thousand men – and their horses too if that’s
guren verkörpern ganz unterschiedliche Charak-         what it took“ (S01E01). Es wird gezeigt, wie
tere und stehen in unterschiedlichen Verhältnis-       Viserys den Körper von Daenerys einer
sen zu historisch anerkannter Weiblichkeit. Bei        Tauschware gleich begutachtet, welche der
der Analyse werden beide Ebenen betrachtet:            Fortpflanzung und dem männlichen Vergnügen
die innerdiegetische Geschlechterordnung als           dienlich sein soll. Daenerys’ Körper verknüpft
auch die Geschlechterordnung auf der Ebene             den ehemaligen Königstitel der Targaryens mit
der Zuschauer_innen.                                   unschuldiger und reiner Weiblichkeit und ist
                                                       damit ein perfektes Instrument für Viserys, um
                                                       an Macht zu gelangen. Ihre jungfräuliche Weib-
4.1 Daenerys Targaryen:                                lichkeit wird auch in der sich anschließenden
  Entwicklung von lukrativem                           Darstellung der Hochzeitsnacht von Daenerys
                                                       und Khal Drogo deutlich, in der Drogo die jun-
  Ehematerial zur mächtigen                            ge Braut zum Geschlechtsverkehr zwingt, also
  Drachenmutter                                        vergewaltigt. Daenerys wird in einem hellen
Daenerys Targaryen ist eine der Hauptfiguren           Kleid mit ihren weißblonden Haaren in einem
der Serie. Sie entstammt der Targaryen-                romantisch anmutenden Setting gezeigt; ihre
Dynastie, die ehemals Eroberer von Westeros            Mimik zeigt ihre Unsicherheit und Angst vor
waren und von dem zu Beginn der Serie herr-            dem, was sie erwartet. Vor allem die filmische
schenden König von Westeros entmachtet wur-            Gestaltung der knapp zweiminütigen Sequenz
den. Daenerys behauptet sich im Verlauf der            wurde in den Medien vielfach kritisiert. Elemen-
Serie gegen ihren Bruder und es gelingt ihr, eine      te wie ein stimmungsvoller Sonnenuntergang
machtvolle Position einzunehmen. Die Figur             über dem Meer, die Silhouetten der beiden Pro-
entspricht einem in filmischen Medien häufig           tagonist_innen, Pferde, sphärische Musik und
vorzufindendes Schönheitsideal, wozu auch ihre         Meeresrauschen im Hintergrund sollen die emo-
Kleidung, Gestik und Mimik beitragen – blasse          tionale Disposition der Zuschauenden beein-
Haut, blondes Haar, schlanke Figur und feine           flussen und diese in eine romantische Stimmung
Ge-sichtszüge. Der damit einhergehende                 versetzen. Drogo wird mit einem expliziten
Objekt-Status und ihre passive Rolle werden            male gaze ausgestattet.6
durch ihre voyeuristisch aufgeladene Nacktheit         6
                                                          Der male gaze ist ein Begriff aus der feministischen
immer wieder bestätigt, was in den Einfüh-             Filmtheorie, welche den Film als in eine patriarchale
                                                       Gesellschaft eingebettete soziale Praxis betrachtet und
rungsszenen ihres Charakters besonders deut-           „repressive Strukturen und emanzipatorische Möglich-
lich wird: In der allerersten Folge der Serie wird     keiten“ untersucht (Klippel 2002: 168). Der male gaze
sie zusammen mit ihrem Bruder Viserys                  beschreibt eine bestimmte Form der Kameraausschnit-
Targaryen (gespielt von Harry Lloyd)                   te und -bewegungen, die den betrachtenden Blick eines
                                                       männlichen Protagonisten auf eine passive und meist
vorgestellt, welcher als letzter männlicher            sexualisierte weibliche Protagonistin mimt. Klippel be-
Nachfolger von Arys Targaryen, dem                     zieht sich auf die britische feministische Filmtheoreti-
ehemaligen, getöteten König, den Iron Throne           kerin Laura Mulvey (1975). Sie stellt die These auf, dass
                                                       filmische Repräsentationen klar zweigeschlechtlich
zurückerobern möchte. Er ver-kauft Daenerys            strukturiert sind. Dabei seien Aktivitäten „wie der
an den Dothrakischen Heeres-führer Khal                Blick, das Handeln und die raumgreifende Bewegung“
Drogo (gespielt von Jason Momoa) und fordert           männlich konnotiert und an „männliche Protagonisten
                                                       gekoppelt“, wohingegen körper- und sexualitätsbezo-
als Gegenleistung von diesem eine Dothraki-Ar-         gene Momente „sowie das Angesehen-werden“ und

6                                              Gender(ed) Thoughts, Working Paper Series 2020, Volume 2
Jäntschi: Untersuchung von Weiblichkeitsdarstellungen in der Serie Game of Thrones

Er umkreist Daenerys, betrachtet sie und ihren         Fans und Kritiker_innen das feministische Po-
Körper und entkleidet sie dabei. Daenerys wird         tential der Figur.7 Vernachlässigt wird in sol-
damit zum Objekt, wie auch das verwendete              chen Rezensionen allerdings meist, dass ihre fil-
Blickregime vermittelt durch die Kameraein-            mische Inszenierung anhaltend objektifizierend
stellung offenbart: Drogo blickt in Daenerys‘          und dadurch sexistisch ist, indem für die Hand-
Richtung. Man sieht sie an der Küste stehend           lung unnötiger Weise ihr (nackter) Körper zur
im close up (S01E01, Minute 55). Der nächste           Betrachtung verfügbar gemacht wird.8 Es gibt
Schnitt folgt ihrem Blick und zeigt das offene         zwei Szenen, in denen sie besonders machtvoll
Meer, als Symbol ihrer Sehn-sucht, dieser              ist und dieser objektifizierende Vorgang beson-
Situation entfliehen zu wollen. Die Kamera             ders deutlich wird: In der ersten Szene tritt sie
nimmt dann Drogos Blickperspektive ein und             aus der Asche ihres verstorbenen und in einer
präsentiert Daenerys’ nackten (Ober-) Körper,          Feuerzeremonie bestatteten Ehe-manns Khal
stets vor dem Sonnenuntergang und im                   Drogo heraus (S01E10). Sie ist dabei vollständig
sinnlichen Ambiente. Daenerys versucht die             nackt; ihr Genitalbereich wird von frisch
ganze Zeit beschämt, ihren von Drogo entblöß-          geschlüpften Drachen verdeckt. Eine ähnliche
ten Körper mit den Händen zu bedecken. Oh-             Szene vollzieht sich in einer der späteren
ne ein Zeichen von Einwilligung drückt Drogo           Staffeln, als sie den Tempel der Dosh Khaleen,
schließlich die weinende Daenerys nach unten           eine wichtige religiöse Stätte, nieder-brennt und
und beginnt, sie von hinten zu penetrieren, was        dabei alle männlichen Dothraki-Anführer tötet
nicht weiter gezeigt wird.                             (S06E04). Sie schreitet abermals komplett nackt
    Diese ersten Auftritte von Daenerys sind           aus dem brennenden Tempel und das Dothraki-
sehr körperzentriert und mit absoluter Passivität      Volk verbeugt sich anschließend vor ihr. Diese
und simultanem Unwohlsein gekoppelt; sie hat           beiden Situationen stehen sinnbildlich für ihren
in diesen Szenen kaum Redeanteile. Die filmi-          Aufstieg an die Macht, da sie sich jeweils damit
sche Umsetzung ist mitunter explizit und ge-           eine große und treue Gefolgschaft sichert. Es
waltvoll, wenn auch mit Daenerys als Mittel-           ist filmisch kein Zufall, dass sie beide Male
punkt der Aufnahmen, was eine ermächtigende            komplett entblößt vor der Kamera steht. In
Entwicklung ihrerseits nahelegt.                       diesem Beitrag wird angenommen, dass so die
    Diese bedrückende Rolle von Daenerys, die          weiblichen Charakteranteile der Figur gesichert
noch einige Folgen aufrechterhalten wird, än-          werden und eine männliche Einordnung ihres
dert sich im Verlauf der nächsten Staffeln. Sie        Charakters verhindert wird, obwohl sie eine
entwickelt sich zu einer nach Macht und Ge-            dezidiert männliche Position als Heeresführerin
rechtigkeit strebenden und selbstbewussten             und Eroberin einnimmt. Sexistisch wird diese
Frau, die für ihr Machtstreben und ihre politi-        Vorgehensweise dadurch, dass es auch andere
sche Agenda den Tod ihres Bruders Viserys in           Möglichkeiten gäbe, Weiblichkeit darzustellen,
Kauf nimmt. Sie schafft es, anstatt seiner eine        als stets mit objektifizierender Nacktheit.
ernstzunehmende Anwärterin für den Eisernen
                                                        7 Inder letzten Staffel wird diese Rolle aber durchaus
Thron zu werden, die ein großes Heer, eine
                                                        wieder teilweise gebrochen, da die Figur zunehmend
Kriegs-Flotte und drei Drachen befehligt. Die           wahnsinnig erscheint und Entscheidungen trifft, die
beeindruckende Entwicklung, die Daenerys                moralisch sehr problematisch sind – sowohl aus Zu-
vollzieht und damit die tradierte Subjektposition       schauer_innensicht als auch aus Sicht der anderen Fi-
                                                        guren der Serie. Diese Entwicklung bleibt in diesem
einer Frauenfigur verlässt, verbildlicht für viele      Artikel aber unberücksichtigt, da zum Zeitpunkt der
                                                        Untersuchung die letzten Staffeln noch nicht ausge-
                                                        strahlt waren.
                                                        8 Es ist ein auffälliges Merkmal, dass in der gesamten

die Handlung verlangsamende Elemente hingegen klas-     Serie vor allem weibliche Körper nackt und in sexuelle
sischerweise weiblich sind (Klippel 2002: 170f.).       Handlungen (oftmals unfreiwillig) involviert gezeigt
Dadurch wird das Machtverhältnis zwischen Männern       werden, wohingegen männliche Körper sehr viel weni-
und Frauen auch im gesellschaftlichen Normgefüge        ger und wenn weniger zur-Schau-stellend nackt gezeigt
abseits der Filminhalte iteriert und verfestigt.        werden.

Gender(ed) Thoughts, Working Paper Series 2020, Volume 2                                                     7
Jäntschi: Untersuchung von Weiblichkeitsdarstellungen in der Serie Game of Thrones

In anderen Szenen, in denen Daenerys sich                 4.2 Brienne of Tarth:
gegenüber Kontrahenten behauptet, muss sie
                                                            Umkämpfte Geschlechtsidenti-
sich meist sexualisierten und denunzierenden
Kommentaren stellen, wobei stets ihre                       fizierung und der feminist gaze
Weiblichkeit und ihr weiblicher Körper eine               Brienne of Tarth ist ebenso wie Daenerys in der
zentrale Rolle spielen.9 Deutlich wird also, dass         Sphäre des Krieges und der Gewalt tätig, aller-
ihre machtvolle Position in starkem Kontrast zu           dings als aktive quasi-Ritterin.12 Sie verkörpert
ihrem Geschlecht steht und dies nicht unbe-               eine Art female masculinity.13 Dieses Weiblich-
merkt und unkommentiert bleibt. In einem Blog             keitskonzept offenbart die prekäre hierarchische
wird for-muliert: „When Khal Drogo dies, she              Vormachtstellung von Männern, da sich auch
takes up his mantle of leadership and attempts            Frauen unter bestimmten Voraussetzungen in
to act in his stead for the good of the people            Butlers Worten den Phallus aneignen können
she now leads“ (Albone 2013a: o.S.).10 Aller-             und dadurch subversiv zur hegemonialen Ge-
dings gelingt es Daenerys im Butlerschen                  schlechterhierarchie stehen (Butler 2009: 123f.).
Sinne11 nicht, den performativen Sprechakt der            Das normative Konstrukt Männlichkeit und da-
Inanspruchnahme einer machtvollen Position                mit einhergehende Werte und Eigenschaften,
vollständig zu vollziehen, da sie aus einer mit           wie in der westlichen Kultur Macht, Stärke, Pri-
einem weiblichen Körper markierten Sprecher-              vileg und Legitimität (Halberstam 1998: 2), wer-
innenposition heraus spricht. Ausübung von                den hierdurch brüchig und bedroht. Diese An-
Herrschaft und Macht ist eng mit einer                    eignung von männlichen Attributen und Pri-
männlichen Position verknüpft und Daenerys                vilegien muss deswegen unter Umständen durch
kann diese Position nicht problemlos einneh-              Männer gewaltvoll verhindert werden. Brienne
men: „the development of Daenerys’ authority              of Tarth wird in diesem Beitrag als ein solcher
and her growth as a ruler and leader both                 Charakter analysiert und es wird in diesem
depend on her internalisation and exhibition of           Zusammenhang nach den Möglichkeiten und
masculinised traits“ (Clapton und Shepherd                Fallstricken sowie den feministischen Interpre-
2017: 13).                                                tationsmöglichkeiten gefragt.
   Die Figur von Daenerys ist in der Dialektik                Die Einführung ihres Charakters ist be-
gefangen, einerseits weiblich zu sein und                 zeichnend: Sie kämpft in einem Ritterturnier ge-
andererseits eine männliche Position beziehen             gen Loras Tyrell (gespielt von Finn Jones) und
zu wollen. Dies wird filmisch unter anderem               ist nicht als Frau, sondern als vermeintlich
mit     sehr    deutlichen     objektifizierenden         männlicher Ritter inszeniert – man sieht nur ei-
Inszenierungen ihrer Weiblichkeit gelöst.                 ne Person in einem Vollharnisch (S02E03). Erst
                                                          als sie als Siegerin des Zweikampfes nach Auf-
                                                          forderung ihren Helm abnimmt, werden die Zu-
                                                          schauer_innen des Turniers über ihr Geschlecht
                                                          informiert – und spätestens durch das Erstau-
                                                          nen des Turnierpublikums über diese unerwar-
                                                          tete Wendung letztendlich auch die Se-
                                                          rienzuschauer_innen. Brienne of Tarth fordert
9                                                         als Preis für ihren Sieg von Renly Baratheon (ge-
  Vergleiche hierzu beispielsweise die Szene, in der
Daenerys in Astapor das Slavenheer der Unsullied des
Sklavenhändlers Kraznys mo Nakloz (gespielt von Dan       12 Tatsächlich ist es in Westeros nur Männern erlaubt,
Hildebrand) erwirbt (S03E04).                             in den Ritterstand einzutreten, was Brienne zu einer
10 Die Blogeinträge sind leider nicht mehr aufrufbar.     unmöglichen (und dadurch auch tragischen) Ritter-
Ich habe die betreffenden Blogeinträge ar-chiviert        Figur macht.
und kann diese bei Bedarf gerne zur Verfügung stellen.    13 Dies hat Jack Halberstam (1998) in Female Masculinity
11 Vergleiche weiterführend zum Performativitätskon-      grundlegend theoretisiert. Es geht dabei maßgeblich
zept Butler (1991).                                       um die Möglichkeit, auch als biologische Frau
                                                          Männlichkeit zu verkörpern.

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Jäntschi: Untersuchung von Weiblichkeitsdarstellungen in der Serie Game of Thrones

spielt von Gethin Anthony), dem Ausrichter                 tere, die sie als Kriegerin akzeptieren: „few
des Turniers, die Aufnahme in die Kingsguard14,            women accept her for who she is without
welche traditionell nur Männer aufnimmt – zur              mocking or scorn, indicating that gender sub-
Überraschung aller wird ihr der Wunsch ge-                 version is indeed possible in this highly gender-
währt. Das Setting dieser Szene weist folgende             role led society“ (Albone 2013b: o.S.). So geht
Besonderheit auf: Loras Tyrell und Renly Ba-               sie beispielsweise mit der vor allem durch ihre
ratheon sind homosexuell und damit im Sinne                Mutterrolle geprägten Figur Catelyn Stark (ge-
der heteronormativen Welt der Turnier-                     spielt von Michelle Fairley) ein Bündnis ein und
Zuschauer_innen sowie der Geschlechterord-
                                                           verspricht dieser, ihre Töchter zu finden.18 Dies
nung von Westeros marginalisierte Männlich-
                                                           geschieht nach dem Vorbild typischer Szenen
keiten (Connell 2014).15 Brienne befindet sich in
                                                           dieser Art zwischen Lords und ihren Rittern
dieser Szene in einem rein männlich geprägten
Bereich der Ritter und sticht als groß ge-                 (S02E05). Frankel fügt dazu an: „While Brienne
wachsene und im Kampf überlegene Frau                      appoints herself a protector of women (Catelyn
heraus. Dass Loras von einer Frau im Kampf                 and her daughters), she rejects everything femi-
besiegt wird und Renly Brienne den Zugang zur              nine in herself“ (Frankel 2014: 52).
Kingsguard gewährt, verdeutlicht die prekären                  Auch in den folgenden Episoden nimmt sie
Männlichkeiten und subversiven; sowie margi-               immer wieder Rollen ein, die typischerweise von
nalisierten Geschlechtsentwürfe der beteiligten            Männern gespielt werden; als sie beispielsweise
Charaktere: Loras und Renly als homosexuelle               den Krieger Jaime Lannister (gespielt von Niko-
Männer und Brienne als biologische Frau mit
                                                           laj Coster-Waldau), Gefangener der Starks, der
männlichem Habitus. Briennes Kampfstil und
                                                           herrschenden Familie im Norden, nach King’s
dessen Inszenierung sind ebenso bemerkens-
wert: Sie kämpft auf ebenso unästhetisierte                Landing (Regierungssitz des Königs) bringt.
Weise wie die anderen männlichen Ritter und                Jaime Lannister selbst ist Mitglied der Kingsguard
Krieger16 und nicht, wie für kämpfende Frauen              von Robert Baratheon (gespielt von Mark Ad-
im Film üblich, mit ästhetischer und sexueller             dy), dem herrschenden König zur damaligen
Attraktivität aufgeladener Kampftechnik, wie               Zeit. Jaime steht unter Briennes Schutz und
den martial arts, die sich beispielsweise in der           Obhut und während der gemeinsamen Reise
Serie bei den Sand Snakes17 wiederfinden.                  nach King’s Landing kommt es immer wieder zu
Briennes ungewöhnliche Erscheinung wird vor                Situationen, in denen Jaime auf Briennes
allem von Männern fortlaufend herablassend                 uneindeutige Ge-schlechtsidentität anspielt, wie
kommentiert. Es gibt aber auch Charaktere, die             beispielsweise in folgendem Dialog:
                                                           Jaime:     Do you think you could beat me in a fair
                                                                      fight?
                                                           Brienne:   I’ve never seen you fight.
14 Die Kingsguard ist eine auserwählte Gruppe von          Jaime:     The answer is ‘no’. There are three men in
sieben Rittern, deren ehrenvolle Aufgabe es ist, den                  the kingdom who might have a chance.
König zu beschützen.                                                  You’re not one of them.
15 In der Serienwelt wiederum gibt es unterschiedliche
                                                           Brienne:   All my life men like you snared at me. And
Geschlechterordnungen: In Westeros ist Homosexuali-                   all my life I’ve been knocking men like you
tät eher verpönt und Machthabende verheimlichen sie                   into the dust.
(wie Renly Baratheon). In Essos gilt eine wesentlich
freiere Geschlechterordnung.
                                                           Jaime:     If you’re so confident, unlock my chains.
16 Besonders deutlich wird dies in der Szene, in der sie              Let’s see what happens.
in brutaler Manier gegen Gregor Clegane (gespielt von      Brienne:   Do you take me for an idiot? [...]
Rory McCann) kämpft und ihm dabei ein Ohr abbeißt
(S04E10).                                                  Jaime:     I took you for a fighter. A man... pardon, a
17 Die Sand Snakes sind acht Frauen aus Dorne, einem                  woman of honour. (S02E08)
der sieben Königreiche in Westeros. Sie sind Bas-
tardtöchter des Fürsten von Dorne. In Dorne sind           18Ein ähnlicher Dialog ergibt sich in der sechsten
uneheliche Kinder nicht verpönt, weswegen die Sand         Staffel zwischen Sansa (gespielt von Sophie Turner)
Snakes ein normales Leben führen können. Sie erinnern      und Brienne erneut, als Brienne Sansa ebenso die
optisch an Amazonen.                                       Treue schwört (S06E01).

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Jäntschi: Untersuchung von Weiblichkeitsdarstellungen in der Serie Game of Thrones

Brienne wird hier zweimal von Jaime als Mann                 ist, hat keine Vergewaltigung zu befürchten, was
angerufen und mit der Rhetorik eines Ritters                 Stereotypen sexueller Gewalt bestätigt und
versehen. Diese Anerkennung manifestiert sich                deutlich die Einordnung in verschiedene Ge-
spätestens dann als ernstzunehmende, als Jaime,              schlechterrollen bei Jaime und Brienne nahelegt.
nachdem er seine Schwerthand verloren hat,                       Eine weitere Sequenz zeigt den Versuch ei-
Brienne sein ehrbares Schwert aus Valyrischem                ner gewaltvollen Einordnung von Briennes Ge-
Stahl schenkt, einem besonders wertvollen und                schlechtsidentifikation durch andere: Sie wird
hochwertigem Material (S04E04). Sieht man das                von den gleichen gegnerischen Männern zu ei-
Schwert als phallisches Element an, reicht Jaime             nem Zweikampf mit einem Bären gezwungen,
hier seinen, für ihn durch den Verlust seiner                muss dabei ein rosafarbenes Kleid tragen und
Schwerthand nun unbrauchbaren, Phallus an                    bekommt nur ein nutzloses Holzschwert – zur
Brienne weiter.                                              Belustigung der zuschauenden Männer
    Neben diesen umkämpften Anerkennungen                    (S03E07).20 Durch ihre ‚Ausrüstung‘ kann sie
ihrer Position als Kriegerin kommt es auch                   ihre Fähigkeit des Kämpfens nicht nutzen und
immer wieder zu Sanktionierung aufgrund ihrer                wird mit ihrer von anderen als androgyn wahr-
untypischen Erscheinung und defizitären weib-                genommenen Geschlechtsidentität vorgeführt.
lichen Performanz aus Sicht der sie umgeben-                 In dieser Szene ist sie weder Lady noch Ritterin
den patriarchalen Gesellschaft:                              und kann nur durch Hilfe von außen entkom-
[T]he androgynous knight Brienne of Tarth [...] who          men. Es benötigt allerdings einen ausgewachse-
purposefully seeks to step outside the power structures of   nen Bären und ein Holzschwert, um sie als ver-
heterosexuality [... is] shamed and punished, demon-         zerrtes Abbild einer damsel in distress (Jungfrau in
strating those who remove themselves from sexual rela-       Nöten) zu inszenieren.
tionships are less socially acceptable and valued. (Genz         Briennes Figur wird als ungewöhnlich große
2016: 254)                                                   und muskulöse Frau inszeniert und erfährt
                                                             immer wieder, dass andere Figuren ihre
 Als in einer Episode Jaime und Brienne auf dem
                                                             Weiblichkeit herabwürdigend kommentieren.21
 Weg nach King’s Landing gefangen genommen
                                                             Sie wird in keiner Szene zum Objekt des male
 werden, warnt Jaime sie vor einer drohenden
                                                             gaze und wird von anderen Figuren als hässlich
 mehrfachen Vergewaltigung durch die Gegner,
                                                             und unattraktiv beschrieben. Sie betont mehr-
 sobald sie lagern. Auf seinen Ratschlag an Bri-
                                                             fach, dass sie keine Lady ist und auch nicht so
 enne, es über sich ergehen zu lassen, fragt sie
                                                             angesprochen werden möchte. Demnach ist
 danach, was er an ihrer statt tun würde. Er ant-
                                                             Brienne sich also ihrer androgynen Ge-
 wortet: „If I was a woman, I’d make them kill
                                                             schlechterrolle durchaus bewusst. Es wird dabei
 me. But I’m not, thank the gods“ (S03E03).
                                                             immer deutlich, dass ihre nicht zu den
 Dass Jaime Brienne von Gegenwehr abrät und
                                                             vorhandenen normativen Geschlechtsiden-
 selbst aber den Tod vorziehen würde, zeigt die
                                                             tifikationen passende Selbstidentifizierung ihr
 Entwürdigung, die aus Sicht eines Mannes uner-
                                                             Schwierigkeiten bereitet. Eine Ausnahme bildet
 träglicher scheint als für eine Frau. Eine Verge-
                                                             das Aufeinandertreffen mit dem Krieger
 waltigung ist ein zutiefst gegendertes Verbre-
                                                             Tormund Giantsbane (gespielt von Kristofer
 chen und obwohl Brienne des Kampfes und
 somit der Gegenwehr eigentlich fähig ist, muss              um den Preis seiner Schwerthand, die ihm aufgrund
 sie diesen Gewaltakt (wahrscheinlich) durchlei-             einer Lüge, die er erzählt, abgehakt wird (S03E03).
                                                             20 Vergleiche Bild auf https://www.hbo.com/game-
 den.19 Jaime hingegen, der ebenso Gefangener
                                                             of-thrones/season-03/7-the-bear-and-the-maiden-
                                                             fair/synopsis < 28.07.2020>.
                                                             21 Beispielsweise als sie sich unbekleidet vor Jaime in

                                                             einem Bad zeigt und sein Kommentar auf ihre Scham
19 Es wird nicht deutlich, ob die Vergewaltigung voll-       darauf ist: „Don’t worry. I’m not interested“ (S03E05).
zogen oder vorzeitig unterbrochen wurde, da sie sich         Auch die Kameraeinstellungen verdeutlichen, dass Bri-
im Hintergrund der Szene abspielt und der Fokus auf          enne zwar eine Frau ist, aber nicht als objektiviert/
Jaime liegt, der sie aus der Situation rettet – wenn auch    sexualisiert wahrgenommen wird.

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Jäntschi: Untersuchung von Weiblichkeitsdarstellungen in der Serie Game of Thrones

Hivju), welcher Interesse an Brienne zu haben               ren, misslingen. Die Verunmöglichung eindeuti-
scheint. In einer späteren Staffel (zum Beispiel            ger weiblicher Identifizierung ist auch (explizi-
in S06E04) wirft er ihr mehrfach anerkennende               ter) Teil ihres Handlungsstranges, was einer Ar-
und bewundernde Blicke zu. Dies wird in dieser              tikulation von Kritik am heteronormativen Sys-
Arbeit in Abgrenzung zum male gaze als feminist             tem gleichkommt – beispielsweise in den Sze-
gaze bezeichnet und meint, dass eine Frau mit               nen, in denen sie fälschlicher Weise als Lady
selbstgewählter, von normativer Weiblichkeit                oder knight angesprochen wird und sagt: „I’m
abweichender Identifizierung von einem Mann                 no Lady“ (S02E03). Ebenso ist sie aber auch
mit kriegerischer Männlichkeit als attraktiv                davon überzeugt, kein Ritter [sic!] zu sein,
gefunden gezeigt wird, somit mit ihrer Ge-                  wenn sie credo-mäßig zu Podrick Payne
schlechtsidentität Anerkennung erfährt und dies             (gespielt von Daniel Portman), ihrem
ohne Objektifizierung der Frau geschieht. Tor-              Knappen, sagt: „I’m not a knight“ (S04E05).
mund, der nicht aus der patriarchalen Gesell-               Deutlich wird, dass ihr und ihrem Umfeld
schaft von Westeros stammt, sondern aus dem                 (außer Tormund aus dem Free Folk)
Free Folk kommt, in welchem das Geschlechter-               innerdiegetisch kein Vokabular für ihre
verhältnis gleichberechtigter ist als im Rest von           Identifizierung zur Verfügung steht, was aber
Westeros, nimmt Brienne nicht als Frau mit                  nicht zu Lasten der Ernsthaftigkeit ihrer
irritierendem männli-chen gender wahr, sondern              Figur geht.
als attraktive Frau. In diesen Begegnungen wird
die heterosexuelle Attraktivität einer female               5. Weiblichkeitsbilder und
masculinity inszeniert – ein ungewöhnlicher                    feministisches Potential der
Umstand, mit dem auch Brienne offensichtlich
nicht viel anzufangen weiß.                                    beiden Figuren
    Hannah Albone (2013b) zufolge ist der Cha-              Die vorangegangene Analyse der beiden Frau-
rakter von Brienne nicht nur bei Tormund äu-                enfiguren bringt zutage, dass Stärke, Macht,
ßerst beliebt, sondern auch in der Fangemeinde              Weiblichkeit und Objektifizierung in sehr unter-
von Game of Thrones. Dadurch schafft es Brienne             schiedlichen Verhältnissen inszeniert werden
als gender bending female einen populären Platz in          können. Bei medialen Analysen ist nicht nur die
der Medienlandschaft einzunehmen und kann                   Plotline wichtig, sondern auch die filmische Um-
so zur Akzeptanz subversiver Geschlechtsiden-               setzung muss berücksichtigt werden, da sie die
titäten beitragen:                                          Ergebnisse einer reinen Analyse der Handlungs-
Brienne’s male gender marks that females do not need to     ebene maßgeblich beeinflussen kann.
use their sexuality in order to establish themselves, and      Die Art und Weise der Darstellung von
that she eventually earns genuine respect and honour        Daenerys ist geprägt von der Objektifizierung
from the other characters only makes her triumphs better    ihres weiblichen Körpers, mit welcher ihre
earned. Brienne is not the first female character to sub-   hetero-normative Weiblichkeit trotz ihrer
vert gender roles, but she is most surely one of the most   Mächtigkeit gesichert wird. Deutlich wird da-
recognisable and one of the most popular to do so. (Ebd.,   durch, dass Bilder weiblicher Herrscherinnen
o.S.)                                                       in der kontemporären Medienlandschaft feh-
Aus einer feministischen Perspektive heraus ist             len, welche auch ohne sexiness interessant sind.
der Charakter von Brienne wichtig, da sie eine              Gleichzeitig ist es auch ihre weibliche Er-
beliebte Figur der Serie ist und gänzlich ohne              scheinung, die ihre Machtposition immer
den mit sexueller Schaulust ausgestatteten male             wieder zur Diskussion stellt, wenn sie auf
gaze inszeniert wird. Die Dynamik zwischen ihr              andere Männer trifft. Die hohe Sexualisierung
und Tormund illustriert eine neue Ebene von                 und Körperzentrierung ihrer Figur kann nicht
Zuwendung zu Brienne. Die Versuche, ihr gender              mit einer medialer popfeministischen Inszenie-
bending als Attraktion versuchsweise vorzufüh-              rung parallelisiert werden, da diese eine selbst-
ren, wie beispielsweise im Kampf gegen den Bä-              gewählte und politische Herangehensweise der
                                                            Inszenierung des eigenen weiblichen Körpers
Gender(ed) Thoughts, Working Paper Series 2020, Volume 2                                                  11
Jäntschi: Untersuchung von Weiblichkeitsdarstellungen in der Serie Game of Thrones

als Spektakel voraussetzt, welche nicht bei der          Einordnung als feministische Figur lässt sich
Figur Daenerys zu finden ist. Es ist viel eher die       allerdings anbringen, dass bei Figuren wie Bri-
Entscheidung der Produzenten der Serie, die              enne Weiblichkeit nahezu vollständig abwesend
mit kriegerischer Macht und Führungsposition             ist und sie als Frau kaum Anerkennung erfährt.
versehene Figur mit hoher Sexualisierung und             Erfolg hat Brienne vor allem durch körperliche
Körperzentrierung in ihre weibliche Position             Stärke, Ritterlichkeit/Loyalität und Kriegertum,
und damit einhergehen-den            ästhetischen        also stark männlich konnotierte Eigenschaften.
Erwartungen zu verweisen. Die fehlende                   Was das für eine feministische Bewertung und
Berücksichtigung in vielen Blog-artikeln, dass           kriegerische Weiblichkeitsdarstellung in populä-
Daenerys nur aus einer objektifizierten und              ren Fernsehmedien bedeutet, ist in diesem Arti-
sexistisch inszenierten Position heraus Macht            kel nicht zu klären. Zudem gibt es hierzu
ausüben kann, deutet auf ein Defizit                     bislang kaum wissenschaftliche Literatur und
zeitgenössischer populärer Feminismusdebatten            Studien.
hin: Filmische Darstellungen arbeiten häufig mit             Mit Hinblick auf popfeministische Weiblich-
Kameraeinstellungen, die als male gaze interpre-         keitsdarstellungen kann man Folgendes festhal-
tiert werden können, die aber in Auseinander-            ten: Brienne lässt sich als phallische Frau lesen,
setzungen mit dem Medienprodukt von femi-                da ihr Schwert den Phallus symbolisiert. Eine
nistischen Blogger_innen unreflektiert bleiben.          phallische Frau im Sinne der Riot-Grrrls nimmt
Sichtbarmachung von starken Frauenfiguren auf            eine paradox besetzte Phallus-Position ein, da
der Plotebene allein ist nicht genug, um einem           sie und phallisch zugleich ist. Bei Brienne fehlt
feministischen Anspruch gerecht zu werden:               erstere Eindeutigkeit, was von manchen
Grundsätzlich gibt es einen Unterschied zwischen         feministischen Kritikern_innen auch negativ
star-ken Frauenfiguren und feministischen                angemerkt wird: Sie gehe gewissermaßen als
Charakteren. Starke Frauen werden entworfen, weil es     Mann durch. Valerie Estelle Frankel sagt über
eine Frauen-bewegung gab, die Rollenbilder veränderte,   den Typus warrior woman, den sie unter anderem
so dass brave, naive Figuren heute nicht mehr als        bei Brienne sieht:
Identifikationsmodelle taugen. Zuschauerinnen wollen
                                                         The warrior women are second-wave feminism’s ideal:
heute starke Frauenfi-guren. Explizit feministische
                                                         career-focused and completely independent without spouse
Figuren sind hingegen im-mer noch rar. (Scholz 2010:
o.S.)                                                    or children, equal to ‘the boys,’ immune to love or softer
                                                         emotions. As discussed, however, these women have all
Betrachtet man die Figur von Brienne of Tarth
                                                         cast aside all traces of femininity to compete with men
 als phallische Frau oder als Frau mit female mas-
                                                         and thrive in a man’s world. (Frankel 2014: 48)
 culinity, ist die Frage nach ihrer möglichen Inter-
                                                         Die offensichtliche Nähe zur Männlichkeit
 pretation als feministische Serienfigur noch
                                                         bzw. männlichen Position ist zwar da, dennoch
 nicht geklärt. Wie feministisch kann eine männli-
                                                         wird Brienne auch immer wieder als Frau mit
 che Weiblichkeit sein? In diesem theoretischen
                                                         hetero-sexuellem Begehren22 dargestellt und
 Widerstreit können folgende Argumente für               sieht sich auch selbst als Frau.23 Wenngleich
 feministisches Potential sprechen: Die phalli-          Emotio-nen und Weiblichkeit auf einer Meta-
 sche Frau zeichnet sich durch eine alternative          Ebene diskutiert und ausgehandelt werden,
 Weiblichkeit aus, die Stärke und Unabhängigkeit         werden sie stets verunmöglicht.24 Nicht
 von Männern symbolisiert. Im Fall von Brienne           Brienne selbst stellt ihre Weiblichkeit immer
 ist sie eine Figur, die ihre eigenen Aufgaben und       wieder auf den Prüfstand: Es ist die Gesell-
 Missionen verfolgt, sich viele Male gegen männ-         22 Sie begehrt beispielsweise Jaime Lannister und Lo-ras
 liche Gegner behauptet – sowohl in der Tat als          Tyrell.
 auch rhetorisch – und auch von einigen männli-          23 Vergleiche hierzu beispielweise ihren Ausspruch zu
                                                         Jaime Lannister: „And I’m a woman. I was still beating
 chen wie weiblichen Charakteren Anerkennung             you” (S03E03).
 erlangt. Mit ihrer Figur stellt sie eine erfolgrei-     24 Beispielsweise als sie Podrick Payne von einer Ball-

 che Subversion im Mainstream-TV etablierten             nacht in ihrer Jugend erzählt, in der sie gedemütigt
                                                         wurde (S05E03).
 Weiblichkeitsdarstellungen dar. Gegen eine
12                                               Gender(ed) Thoughts, Working Paper Series 2020, Volume 2
Jäntschi: Untersuchung von Weiblichkeitsdarstellungen in der Serie Game of Thrones

schaft um sie herum, die diese in Frage stellt             Brienne of Tarth hingegen wird in Blogbei-
oder die defizitäre Weiblichkeitsperformanz            trägen der Game of Thrones-Community kaum als
sanktioniert. Ausnahmen bilden die Szenen mit          feministisch betitelt. Allgemein gilt sie weniger
Tormund Giantsbane, die deswegen in diesem             als eine Hauptfigur der Serie. Ihr Charakter
Artikel besondere Beachtung erfahren haben             schafft es dennoch zunehmend, eine beim Pub-
und Potentiale feministischer Weiblichkeitsdar-        likum beliebte Figur zu sein, die eine männliche
stellungen andeuten.                                   Rolle einnimmt und sich dennoch als Frau be-
                                                       hauptet. Ob ihre Weiblichkeitsinszenierung ge-
                                                       lingt, ist allerdings umstritten, da sie ihre Weib-
6 Fazit und Ausblick                                   lichkeit aufgeben muss, um als Ritterin agieren
Dieser Beitrag hat die Weiblichkeitsdarstellun-        zu können. Die Episoden mit Tormund Gi-
gen der fiktiven Seriencharaktere Daenerys             antsbane und dem hier postulierten feminist gaze
Targaryen und Brienne of Tarth mit Hinblick            bietet allerdings hohes Potential für eine femi-
auf auf ihre feministischen Potentiale hin             nistische Interpretation ihres Charakters, da ihre
analysiert. Daenerys wird in Teilen der                female masculinity letztendlich doch Anerkennung
Fangemeinde als feministische Heldin gefeiert,         mit ihrer Weiblichkeit erfährt.
weil sie eine erstrebenswerte Figur in der zeit-           Das Verhältnis von Weiblichkeit und femi-
genössischen Medienlandschaft abbildet – einen         nistische Bewertung medialer Frauenfiguren ist
dreidimensionalen, weiblichen, nach Macht              sicherlich umkämpft; die Serie Game of Thrones
strebenden und gleichzeitig auf Gerechtigkeit          bietet allerdings eine interessante und vielseitige
bedachten Charakter. Vernachlässigt wird in            Bühne für diese Aushandlungen. Die siebte und
diesen Bewertungen aber, dass sie immer wieder         achte Staffel bietet hier sogar noch mehr An-
einem explizit männlichen Blickregime ausge-           knüpfungspunkte, die es in einer weiteren Un-
setzt ist und ihr Charakter nicht ohne Körper-         tersuchung herauszuarbeiten gelte, sowohl was
zentrierung und Sexualisierung auskommt. Der           den Aufstieg und Fall von Daenerys als auch die
Preis für ihre Mächtigkeit ist die Explizitheit ih-    Anerkennung von Brienne angeht. Die Serie
res nackten Körpers. Es lässt sich festhalten,         leistet einen Beitrag dazu, den Diskurs um
dass die Tat eines weiblichen Charakters,              starke und auch feministische Frauenfiguren zu
welcher aus analytischer Sicht feministisch            prägen, die sich um ihrer Emanzipation wil-len
gelesen werden kann, dann an emanzipato-               neue Handlungsräume erschließen.
rischem Gehalt verliert, wenn der Charakter
wenn der Charakter filmisch eine objektifizie-
rende Inszenierung erfährt.

Literatur
Albone, Hannah (2013a). „Game of Thrones Essay Collection: Women, Sex, Exploitation and Em-
     powerment Volume 1: Daenerys Targaryen“. In: hjalbone media. URL: https://hjalbonem
     edia.wordpress.com/2013/06/24/game-of-thrones-essay-collection-women-sex-exploitatio n-
     and-empowerment-volume-1-daenerys-targaryen/ .
– (2013b). „Game of Thrones Essay Collection: Women, Sex, Exploitation and Empowerment
     Volume 2: Brienne of Tarth“. In: hjalbone media. URL:
     https://hjalbonemedia.wordpress.com/2013/08/02/game-of-thrones-essay-collection-women-
     sex-exploitation-and-empowerment-volume-2-brienne-of-tarth/ .
Butler, Judith (1991). Das Unbehagen der Geschlechter. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
– (1995). Körper von Gewicht. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
– (2009). Körper von Gewicht. 6. Auflage. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Gender(ed) Thoughts, Working Paper Series 2020, Volume 2                                               13
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