10 Jahre Zentrum für Genderforschung - Dokumentation 2010-2020 - Kunstuniversität Graz

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10 Jahre Zentrum für Genderforschung - Dokumentation 2010-2020 - Kunstuniversität Graz
10 Jahre Zentrum
für Genderforschung
Dokumentation
2010–2020
10 Jahre Zentrum für Genderforschung - Dokumentation 2010-2020 - Kunstuniversität Graz
10 Jahre Zentrum für Genderforschung - Dokumentation 2010-2020 - Kunstuniversität Graz
Grußwort des Rektors
                                                    vielen Jahren ein persönliches Anliegen.
                                                    Ich sehe diesen Blick als Auftrag für die
                                                    Weiterentwicklung unserer Gesellschaft
                                                    und darüber hinaus als einen ungemei-
                                                    nen Nutzen für die strategische Ausrich-
                                                    tung der Universität, weshalb ich bereits
                                                    in meiner ersten Amtszeit 2007 Gender
                                                    Mainstreaming als eigenes Ressort im
                                                    Vizerektorat angesiedelt habe. Vom Be-
                                                    ginn an konzentrierten sich dabei un-
                                                    sere Überlegungen – gemeinsam mit
                                                    dem damaligen Vizerektor für Kunst und
                                                    Wissenschaft, Robert Höldrich – auf die
                                                    Idee, an der KUG Forschungsarbeit zum
                                                    Thema Gender zu ermöglichen und in
                                                    einem eigenen Zentrum zu institutiona-
                                                    lisieren. Mit diesem Forschungs-Schwer-
                                                    punkt bekommt die universitätspolitische
                       Foto: Alexander Wenzel       Komponente eine solide Basis, eine An-
                                                    schaulichkeit und kann im akademischen
In jeder Ausschreibung für eine Professur           Bereich auch breit akzeptiert werden.
an der Kunstuniversität Graz (KUG) fin-
det sich unter den grundsätzlichen Anstel-          Diese Verankerung im Rektorat und die
lungserfordernissen der Begriff „Gender-            Aufbauarbeit im ZfG kalibrieren unsere Ar-
kompetenz“. Es gibt viele Rückfragen von            beit und lenken die Aufmerksamkeit auf
Bewerber_innen, was genau darunter zu               strukturelle Defizite, die ohne Zweifel im-
verstehen sei, aber diese Rückfragen kom-           mer wieder auszumachen sind. Wir kön-
men nie aus der KUG – einer von vielen              nen damit aber auch aktuelle Strömungen
Indikatoren für die Strahlkraft des heu-            wie Diversität und Inklusion gut aufneh-
er seit 10 Jahren als Organisationseinheit          men und universitätsübergreifend in alle
etablierten Zentrums für Genderforschung            Bereiche der KUG einfließen lassen.
(ZfG).
                                                    Stellvertretend für alle jene, die sich am
Einen Gesamtblick aus Genderperspek-                Zentrum für Genderforschung im Rahmen
tive auf das Haus zu haben ist mir seit             ihrer Forschungsarbeit, wissenschaftlicher

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10 Jahre Zentrum für Genderforschung - Dokumentation 2010-2020 - Kunstuniversität Graz
und künstlerischer Lehrveranstaltungen, in
Gastvorträgen und Workshops engagieren,
danke ich Andreas Dorschel, dem ersten
und bis 2012 im Amt befindlichen Vor-
stand, und Christa Brüstle, die seitdem das
Zentrum mit großer Kompetenz und Ener-
gie führt und dafür sorgt, dass dieses große
und wichtige Thema weiter die Aufmerk-
samkeit bekommt, die unabdingbar ist.

Georg Schulz
Rektor

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10 Jahre Zentrum für Genderforschung - Dokumentation 2010-2020 - Kunstuniversität Graz
Grußwort des Vizerektors
                                                     sität spielen, wenn es darum geht, Frau-
                                                     enförderung, Gleichstellungsfragen und
                                                     die zunehmend in den Blick kommenden
                                                     Herausforderungen, die sich aus dem
                                                     Anspruch ergeben, auch an Universitäten
                                                     mit Diversität angemessen umzugehen und
                                                     sie als Chance zu begreifen, an der KUG
                                                     als wichtige Anliegen bewusst zu machen
                                                     und zu ihrer praktischen Umsetzung bei-
                                                     zutragen. Dafür ist das ZfG – wie die letz-
                                                     ten zehn Jahre gezeigt haben – bestens
                                                     gerüstet. Mögen die nächsten zehn Jahre
                                                     ebenso erfolgreich und produktiv werden
                                                     wie die vergangenen.

                                                     Gerd Grupe
                                                     Vizerektor für Forschung, Gender und
                                                     Diversität
                        Foto: Alexander Wenzel

Die überaus erfolgreiche, in dieser Bro-
schüre dokumentierte Arbeit des ZfG
während der letzten zehn Jahre zeigt, dass
nicht nur die Entscheidung für die Einrich-
tung eines solchen Zentrums richtig war,
sondern auch die richtigen Personen ge-
funden wurden, die mit Engagement seine
Entwicklung tatkräftig vorangetrieben ha-
ben.

Auf der Basis der hier gesammelten Er-
fahrungen und der gewonnenen Expertise
wird das ZfG über die Forschung hinaus
auch zukünftig eine maßgebliche Rolle
als Multiplikator innerhalb unserer Univer-

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10 Jahre Zentrum für Genderforschung - Dokumentation 2010-2020 - Kunstuniversität Graz
Geleitwort
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                                                         mensetzung von Führungskräften oder
                                                         in bestimmten Fachkulturen, in denen
                                                         die Vorstellung tradiert wird, nur Männer
                                                         könnten in diesem Bereich reüssieren. Da-
                                                         her gehört die Förderung von Frauen nach
                                                         wie vor zu den gleichstellungspolitischen
                                                         gesetzlichen Verpflichtungen, um diese
                                                         Strukturen allmählich zu verändern.

                                                         Die zahlreichen Diskussionen zu diesen
                                                         Themen in den letzten Jahren an der KUG
                                                         haben gezeigt, dass das Verhältnis, die Be-
                                                         deutung und die Vielfalt der Geschlechter
                                                         sowie die Gemeinsamkeiten und Differ-
                                                         enzen der Menschen alle berühren und
                                                         beschäftigen. Vermutlich werden kaum
                                                         andere Themenfelder so stark von persön-
               Foto: Sissi Furgler Fotografie GmbH       lichen Erfahrungen und Meinungen ge-
                                                         prägt wie diese. Das führt nicht selten zu
An den Universitäten in Österreich sind                  hitzigen und offenen Debatten. Diese Aus-
Gleichstellung, Anti-Diskriminierung und                 einandersetzungen ohne fundamenta-
Frauenförderung gesetzlich verankert.                    listische Grundtöne brauchen wir. In der
Dabei ist es bemerkenswert und vielleicht                Hoffnung auf viele weitere konstruktive
signifikant, dass Selbstverständlichkei-                 Gespräche und lange Debatten über die
ten wie die rechtliche Gleichstellung von                Möglichkeiten und Maßnahmen, den un-
allen Universitätsangehörigen und das                    terschiedlichen Bedürfnissen der Men-
Verbot von diskriminierenden Strukturen                  schen an der KUG entgegenzukommen,
und Handlungen durch Gesetze verordnet                   danke ich als Leiterin des ZfG allen, die sich
werden müssen. Die Gleichstellung der                    dafür auch in Zukunft einsetzen.
Geschlechter bildet einen Schwerpunkt,
wobei allein die an den Universitäten re-                Christa Brüstle
gelmäßig erhobenen Daten zeigen, dass                    Leiterin des Zentrums für Gender-
es in vielen Bereichen noch immer eine                   forschung
merkliche Unterrepräsentation von Frau-

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10 Jahre Zentrum für Genderforschung - Dokumentation 2010-2020 - Kunstuniversität Graz
Inhalt
10 Jahre Zentrum für Genderforschung – Rückblicke und Stationen……………………............                                   8

Studium, Beruf, Karriere. Vergleichspunkt: Gender……………………………………............................. 15

Frauen spielen Harfe und Flöte, Männer trommeln und schmettern……………….................... 18

Gesang, Schauspiel und Dirigieren – Karrierewege als Hürdenlauf……………................…….... 21

Lehrende und ihr Blick in die Zukunft…………………………………………….......................................…... 24

Zentrum für Genderforschung 2010–2020. Projekte und Veranstaltungen……..............….. 28

Abkürzungen, Impressum……………………………...............................................................................….... 67

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10 Jahre Zentrum für Genderforschung - Dokumentation 2010-2020 - Kunstuniversität Graz
10 Jahre
Zentrum für Genderforschung –
Rückblicke und Stationen
Das Zentrum für Genderforschung (ZfG) ist         (vgl. Satzung der Kunstuniversität Graz
die Koordinationsstelle für Gleichstellung,       § 94–96). Die Gründungserklärung des
Frauenförderung sowie Frauen- und Gen-            Zentrums für Genderforschung trat zum
derforschung der Kunstuniversität Graz. An        1. Jänner 2010 in Kraft.
jeder österreichischen Universität besteht
auf der Grundlage des Bundesgesetzes              Der Begriff „Gender“ war damals an
über die Organisation der Universitäten           Musikuniversitäten eine Novität. Irgend-
und ihre Studien eine solche „Organisa-           wie stand der Begriff wohl mit Frauen
tionseinheit zur Koordination der Aufgaben        in Zusammenhang, vielleicht auch mit
der Gleichstellung, der Frauenförderung           Feminismus? Außerdem sollte sich damit
sowie der Geschlechterforschung“ (UG              Geschlechterforschung verknüpfen, aber
2002, § 19 Abs. 2, Ziffer 7), auch wenn die       was könnte sich wohl dahinter verbergen?
jeweilige Bezeichnung dieser Einrichtun-          Wie sollten diese „schlüpfrigen“ Themen
gen variiert. Mit einem Beschluss des Rek-        mit der Tonkunst in Verbindung gebracht
torats vom 21. Oktober 2009 wurde eine            werden? Man reagierte sicherlich zum Teil
Änderung der Satzung der Kunstuniversität         kopfschüttelnd, verärgert oder „allergisch”
Graz vorgeschlagen, um die Einrichtung            auf diese scheinbar modische Neuheit.
des Zentrums für Genderforschung                  Daher waren die Anfänge des Zentrums für
vorzubereiten. Damals wurden die Auf-             Genderforschung nicht einfach, weil sich
gaben des ZfG in der Satzung festgelegt:          ein besseres Verständnis und eine Sensibi-
Auf- und Ausbau der Genderforschung               lisierung für die Anliegen dieser Organisa-
(Frauen- und Geschlechterforschung) im            tionseinheit erst langsam entwickelten.
Bereich der Musik- und Theaterwissen-
schaft; Forschung und Lehre zu Gender-            Mit dem Vorstand des Instituts für Musik-
themen; Mitwirkung bei der Umsetzung              ästhetik, Andreas Dorschel, fand das Rek-
des geltenden Frauenförderungsplans;              torat einen ersten Leiter des Zentrums für
Koordination zwischen Gleichstellung,             Genderforschung, der sich der schwieri-
Frauenförderung und Gender Studies                gen Aufgabe einer grundlegenden Vermitt-

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10 Jahre Zentrum für Genderforschung - Dokumentation 2010-2020 - Kunstuniversität Graz
lung der Inhalte und Ziele der Einrichtung          durch Angebote im Bereich Diversität
stellte. Er hat darüber hinaus maßgeblich           erweitert worden sind.
dazu beigetragen, ein international be-
setztes Advisory Board zu etablieren. Die           Pionierinnen der Frauen- und Gender-
Opernforscherin Mary Ann Smart (Univer-             forschung an der Kunstuniversität Graz
sity of California, Berkeley), die Liedexper-       waren Ingeborg Harer und Karin Marsoner.
tin Laura Tunbridge (University of Oxford)          Mit der Ausstellung und dem Konzert
und die Ethnomusikologin Sarah Weiss                „Künstlerinnen auf ihren Wegen“ im Jahr
(Kunstuniversität Graz) bilden seitdem das          2001 sowie mit ihren nachfolgenden Pu-
beratende Team des ZfG. Ergänzend wurde             blikationen haben sie gemeinsam mit dem
2015 die Musik- und Genderforscherin Lisa           damaligen Arbeitskreis für Gleichbehand-
Colton (University of Huddersfield) in das          lungsfragen den entscheidenden Anstoß
Advisory Board aufgenommen. Die Auf-                dazu gegeben, sich an der Kunstuniver-
gaben des Zentrums für Genderforschung              sität Graz mit der Geschichte von Frauen
gemeinsam mit dem Rektorat, damals                  in der Musik zu beschäftigen. Diese
zusammengesetzt aus Georg Schulz,                   Initiativen ließen sich 2009 mit der Ta-
Doris Carstensen, Robert Höldrich und Eike          gung „Anmut und Würde. Genderaspekte
Straub, umfassten zunächst die Entwick-             der Musik seit 1700“ fortsetzen, bei der die
lung von Gleichstellungs- und Frauen-               Entwicklung von Geschlechterpolaritäten
förderungsmaßnahmen. Dazu gehörte die               in der Musikgeschichte thematisiert wurde.
Ausschreibung von Gender-Doktorats-                 Die ersten Veranstaltungen des Zentrums
Stipendien und Gender-Preisen für Ab-               für Genderforschung bezogen sich auf
schlussarbeiten und Forschungsvorhaben              die Sichtbarmachung und Präsentation
sowie die Unterstützung von Studentinnen            von Komponistinnen und auf die mannig-
bei Forschungsreisen und künstlerischen             fachen Verbindungen von Oper, Lied und
oder wissenschaftlichen Fortbildungen.              Gender. 2010 wurde neben einem inter-
Zudem beteiligte sich die Kunstuniversi-            disziplinären Workshop mit dem Titel
tät Graz am universitätsübergreifenden              „Gender-Bewegungen in mediatisierten
Weiterbildungs- und Karriereprogramm                Welten: Oper damals und heute“ auch
„Potenziale“, das von der Koordinations-            eine Veranstaltung über Ovids „Medea“
stelle für Geschlechterstudien und Gleich-          im Kontext der Diskussion über Musik und
stellung der Universität Graz organi-               Sprache mit der Grazer Schriftstellerin und
siert wird. Seit 2013 bietet das Zentrum für        Komponistin Sophie Reyer organisiert.
Genderforschung mit der Reihe „Studium,             Anfang 2011 beteiligten sich Gesangsstudie-
Beruf, Karriere. Vergleichspunkt: Gender“           rende von Christine Whittlesey und Tom
und seit 2015 mit dem Gender@Work-                  Sol an einem Gesprächskonzert mit dem
shop auch eigene, regelmäßige Weiter-               Titel „Lied und Gender“. Im April 2011 waren
bildungsveranstaltungen an, die seit 2018           an der Kunstuniversität Graz die renommierten

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10 Jahre Zentrum für Genderforschung - Dokumentation 2010-2020 - Kunstuniversität Graz
Komponistinnen Ursula Mamlok, Jacque-               zimmer hat gar vielerlei Arten‘. Rubriken
line Fontyn und Heidi Baader-Nobs zu                des Weiblichen in den Opern von Richard
Gast, um über ihre beruflichen Erfahrungen          Strauss“, deren Ergebnisse 2012 im ersten
ins Gespräch zu kommen. Die Reihe der an            Heft der Österreichischen Musikzeitschrift
der Kunstuniversität Graz zu Gesprächen,            mit dem Titel „Richard Strauss und das
Workshops und Konzerten eingeladenen                andere Geschlecht“ publiziert wurden.
namhaften Komponistinnen, Musikerinnen              Dabei bildeten in diesen ersten Jahren
und Künstlerinnen aus dem Theaterbereich            des Zentrums für Genderforschung die
hat sich seitdem kontinuierlich fortgesetzt.        Studentinnen Christina Lessiak und Tjaša
Zu Gast waren in den letzten Jahren etwa            Fabjančič ein unverzichtbares, tatkräftiges
Franziska Baumann, Chaya Czernowin,                 und zuverlässiges Mitarbeiterinnenduo.
Johanna Doderer, Annie Gosfield, Elisabeth
Harnik, Juliana Hodkinson, Clara Iannotta,          Von Beginn an hat das Zentrum für
Mirela Ivičević, Joëlle Léandre, Liza Lim,          Genderforschung mit Unterstützung des
Barbara Lüneburg, Bridge Markland, Kelly-           Vizerektorats für Lehre spezifische wissen-
Marie Murphy, Pia Palme, Julia Purgina,             schaftliche und künstlerische Lehrveran-
Kirsten Reese, Eva Reiter, Ana Maria Rodri-         staltungen, Gastvorträge und Workshops
guez, Lucia Ronchetti, Charlotte Seither,           organisiert, um in den verschiedenen Stu-
Susanne Stelzenbach und Larisa Vrhunc.              dienrichtungen der Kunstuniversität Graz
2020 oder 2021 werden voraussichtlich               Ansätze und Themen der Frauen- und
die Komponistinnen Carola Bauckholt und             Genderforschung im Unterricht sowie
Elena Mendoza an einer Tagung über Musik-           eine fachliche und didaktische Gender-
theater teilnehmen. 2021 ist eine Zusam-            kompetenz zu fördern. Ziel war und ist es,
menarbeit mit der Komponistin Brigitta              aktuelle und forschungsbezogene Lehr-
Muntendorf geplant.                                 inhalte durch internationale Expert_innen
                                                    zu vermitteln.
Ein Schlüsselthema der Frauen- und
Genderforschung in der Musik haben                  2012 übernahm Christa Brüstle die Lei-
2011 Susanne Kogler und Kordula Knaus               tung des Zentrums für Genderforschung.
mit ihrer gemeinsamen internationalen               Mit ihrer ersten Tagung „Adele, Katy, Sasha
Tagung „Autorschaft – Genie – Geschlecht:           & Co – Pop-Frauen der Gegenwart. Zwi-
Musikalische Schaffensprozesse von der              schen Selbstdarstellung und Fremdbe-
frühen Neuzeit bis zur Gegenwart“ und mit           stimmung: Körper | Stimme | Image” 2013
dem dazugehörigen Tagungsband ins Zen-              hat sie die Frauen- und Genderforschung
trum gestellt. Es wurde im gleichen Jahr            an der Kunstuniversität Graz auf die Pop-
durch ein historisches Fallbeispiel ergänzt,        musik ausgedehnt. Gleichzeitig entstand
in der von Andreas Dorschel initiierten er-         die erste Publikation des Zentrums für
sten Nachwuchskonferenz „‚Das Frauen-               Genderforschung, ein Buch über das Leben

                                               10
und die Musik der belgischen Komponistin            trums für Genderforschung. Darüber hin-
Jacqueline Fontyn. Die Studentin Barbara            aus haben die Studierenden Christopher
Frischling hat damals durch ihr außer-              Suppan, Julia Mair und Peter Zotter große
ordentliches Engagement einen großen                Hilfe geleistet. Die nächste Konferenz des
Beitrag zum Gelingen dieses Buchprojekts            Zentrums für Genderforschung im Herbst
geleistet. Als neue Mitarbeiterinnen konnten        2020 zum Thema „Körper(lichkeit) in der
in dieser Zeit auch Anna Benedikt und               Musik des 20. und 21. Jahrhunderts“ ist
Veronika Grießlehner gewonnen wer-                  ein selbständiges Projekt der Universitäts-
den, die mit eigenen Ideen den Aus-                 assistentin und Doktorandin Nadine
bau des ZfG voranbrachten. Die Or-                  Scharfetter, die dafür gemeinsam mit dem
ganisation der Tagung „Falling out of               ehemaligen Kollegen und Doktoranden
Line. Music and the Exceptional” im                 Thomas Wozonig vom Institut für Kompo-
Jahr 2015 lag in den Händen von Anna                sition, Musiktheorie, Musikgeschichte und
Benedikt gemeinsam mit der Kollegin                 Dirigieren erfolgreich Drittmittel einge-
Danielle Sofer vom Institut für Musik-              worben hat.
ästhetik. Inhaltlich war damit eine Ablösung
von der Konzentration auf Frauen vollzo-            Im Jahr 2013 kam Rosemarie Brucher als
gen; stattdessen wurden unterschiedliche            Theaterwissenschaftlerin und Postdoc-
Differenzierungen thematisiert, die sich            Mitarbeiterin ins Team des Zentrums für
auf In- und Exkludierungsmechanismen                Genderforschung. Sie setzte mit post-
in der Musik bezogen. Eine Fortsetzung              strukturalistischer und -feministischer Aus-
fand dieser interdisziplinäre Ansatz 2016           richtung sowie mit ihren theaterwissen-
mit der Konferenz „Gender Studies in der            schaftlichen Netzwerken neue und starke
Musikwissenschaft. Entwicklungen, Posi-             Akzente in der Themenauswahl und Theo-
tionen, Tendenzen“, bei der internation-            riebildung der Genderforschung an der
ale Expert_innen wie beispielsweise Ellen           KUG. 2018 erzielten ihre Veranstaltungs-
Koskoff aus der Ethnomusikologie oder der           reihen „Salon Gender“ in Kooperation mit
Musiktheoretiker Fred Maus aktuelle The-            dem Literaturhaus mit Gästen wie Ana
menstellungen präsentierten. Die Beiträge           Brus, Julia Gräfner, Julischka Stengele,
der Konferenz sind als Videoaufzeichnun-            Margarethe Tiesel, Günter Brus oder Miss
gen dokumentiert worden und auf der                 Alexandra Desmond sowie im Schau-
Homepage des Zentrums für Gender-                   spielhaus Graz „Unisex“ zusammen mit
forschung zugänglich. In dieser Zeit waren          Ute Rauwald vom Institut für Schau-
die Referentinnen Marlene Schmaranzer               spiel überregionale Aufmerksamkeit und
und nachfolgend Daniela Schwar sowie die            ein nicht geringes Presseecho. Auch die
Universitätsassistentin Nadine Scharfetter          Vorträge und Workshops des bekannten
unentbehrliche, konstruktive und umsich-            Genderforschers Jack Halberstam 2018
tige Stützen bei allen Aktivitäten des Zen-         in Graz als Veranstaltungen des Zentrums

                                               11
für Genderforschung im Rahmen des Pro-                dere externe Vernetzungen bedeuten etwa
gramms New Directions gemeinsam mit                   die gemeinsamen Veranstaltungen mit Ute
dem „aka / Arbeitskreis Kulturanalyse” Wien           Pinter und ihrer Grazer Konzertreihe „open
und Anna Babka wurden von Rosemarie                   music“, mit dem Kulturzentrum bei den
Brucher hauptverantwortlich mitorgani-                Minoriten, mit der IGNM Steiermark und
siert. Sie leitete ferner 2017 die zweite             Elfriede Reissig, mit dem Verein Frauen-
Nachwuchstagung des Zentrums für Gen-                 service Graz sowie mit den Kolleg_innen
derforschung über „Männlichkeiten und                 von „GenderNow! – die Vernetzung der
ihre Klischees in Musik und Theater“. Bei             Gleichstellungsabteilungen der vier Grazer
diesen Aktivitäten waren über die Jahre               Universitäten“. Das Zentrum für Gender-
die studentischen Mitarbeiter_innen Pia-              forschung ist zudem Mitglied der Plattform
Sophie Lenz, Marlene Schmaranzer, Carmen              der Einrichtungen für Frauenförderung und
Kirschner und der unvergessliche David                Geschlechterforschung an den österrei-
Buschmann überaus wertvolle Unterstüt-                chischen Universitäten (genderplattform),
zungen.                                               der Österreichischen Gesellschaft für
                                                      Geschlechterforschung (ÖGGF) und der
In der Zwischenzeit entstanden im Zen-                Konferenz der Einrichtungen für Frauen-
trum für Genderforschung zwei weitere                 und Geschlechterstudien im deutschspra-
Publikationen: Der Tagungsband über die               chigen Raum (KEG). Seit 2014 besteht in
Pop-Frauen der Gegenwart wurde durch                  der KEG eine Arbeitsgruppe „Kunstuni-
die Unterstützung von Vivienne Kraigher-              versitäten/Kunsthochschulen“, die durch
Krainer und durch die hervorragende                   Andrea Ellmeier von der Stabstelle Gleich-
Redaktion von Thomas Wozonig erstellt. In             stellung, Gender Studies und Diversi-
der Nachfolge der Konferenz „‚Passiona-               tät (GGD) an der Universität für Musik
tely intellectual, intellectually passionate‘:        und darstellende Kunst Wien gemeinsam
Elizabeth Maconchy (1907–1994)“ von                   mit Christa Brüstle und dem damaligen
2014 betreute Thomas Wozonig gemein-                  Mitarbeiter der Akademie der bildenden
sam mit der Ko-Herausgeberin Danielle                 Künste Wien im Bereich Gleichstellung
Sofer auch ein Buch über Elizabeth                    und Gender Studies Alexander Fleisch-
Maconchy, in dem erstmals und grundle-                mann gegründet wurde. Das Zentrum für
gend das Leben und die Werke der britischen           Genderforschung ist darüber hinaus auch
Komponistin und direkten Zeitgenossin                 im „Netzwerk Diversität österreichischer
von Benjamin Britten und Michael Tippett              Hochschulen“ aktiv.
dargestellt werden. Das Zentrum für Gen-
derforschung konnte darüber hinaus mit                Im Jahr 2018 hat Anna Benedikt als Post-
vielen internen und externen Kooperie-                doktorandin im Zentrum für Gender-
renden sowohl wissenschaftliche als auch              forschung den erweiternden Arbeitsbereich
künstlerische Projekte umsetzen. Beson-               „Diversität“ übernommen. Damit wurde den

                                                 12
rechtlichen Grundlagen Rechnung getra-              tät Graz ausgerichtete Tagung „Musikerin-
gen, dass sich Gleichstellungsagenden               nen in der Region. Handlungsräume und ihre
nicht nur auf die Geschlechter, sondern             Akteurinnen in der Steiermark“ gefördert.
auch auf weitere Dimensionen wie ethni-             An den Grundlagenforschungen für dieses
sche Zugehörigkeit, Religion, Weltanschau-          Projekt sowie an der Durchführung der
ung, Alter, sexuelle Orientierung und               Tagung haben die Nachwuchswissen-
Behinderung von Studierenden und Mit-               schaftlerinnen und -wissenschaftler Karin
arbeitenden einer Universität beziehen. Bei         Fachberger, Ulrike Fischer, Gregor Kerbl,
der Konferenz „Musik und Theater für alle!?         Sarah Nabjinsky, Marlene Schmaranzer
Diversität und Inklusion in der Musik und           sowie die Kollegin Ingeborg Harer vom
den darstellenden Künsten“ wurden diese             Institut für Alte Musik und Aufführungs-
Themenfelder an der Kunstuniversität                praxis tatkräftig mitgewirkt. Ein drittes
Graz umgehend in die Diskussion ge-                 Forschungsprojekt im Zentrum für Gen-
bracht. Seitdem werden in diesem Bereich            derforschung „The Musician‘s Estate as
auch Lehrveranstaltungen, Workshops und             Memory Storage: Remembrance, Func-
Weiterbildungskurse angeboten. Bei der              tional Memory and the Construction of
Durchführung dieser Aktivitäten leisteten           Female Professional Identity“ begann im
und leisten die Studierenden Victoria               Mai 2020; für dieses Einzelprojekt hat die
Petar-Lampl und Johannes Kainz zuver-               Musikwissenschaftlerin Michaela Krucsay
lässige und engagierte Mithilfe.                    eine Förderung durch den Wissenschafts-
                                                    fonds FWF erhalten.
Mit dem PEEK-Projekt „On the fragility
of sounds. Über die Verletzbarkeit der              Dem Rektorat der Kunstuniversität Graz,
Klänge“, gefördert durch den Wissen-                allen Instituten sowie Institutsvorständ-
schaftsfonds FWF, wurde 2019 durch die              innen und Institutsvorständen, allen
Komponistin Pia Palme und ihre Mitarbei-            künstlerischen, wissenschaftlichen und
terin Christina Lessiak ein künstlerisches          administrativen Mitarbeitenden der Kunst-
Forschungsprojekt im Zentrum für Gen-               universität Graz sei an dieser Stelle für die
derforschung verankert. Bezieht sich die-           Unterstützung des Zentrums für Gender-
ses Projekt auf innovative Entwicklungen            forschung und für die vielen kooperativen
der zeitgenössischen Musik, so ist ein              Projekte gedankt. Für ihre stets kollegiale
zweites Forschungsunternehmen seit 2017             Mithilfe und Beratung dankt das Zentrum
der Geschlechtergeschichte im Musikle-              für Genderforschung insbesondere auch
ben der Stadt Graz und der Region Steier-           Karin Zach, Leiterin Personalentwick-
mark gewidmet. Das Land Steiermark und              lung und Beauftragte für Vereinbarkeit
die Mariann Steegmann Foundation haben              von Familie und Beruf sowie Kinder-
in diesem Zusammenhang bereits eine Pu-             betreuung an der Kunstuniversität Graz.
blikation und die 2019 an der Kunstuniversi-        Ebenso geht ein herzlicher Dank an die

                                               13
Stabsabteilung Qualitätsmanagement für
die regelmäßigen detaillierten Gender &
Diversity-Berichte sowie an den Arbeits-
kreis für Gleichbehandlungsfragen und an
die Hochschüler_innenschaft der KUG für
die gute Zusammenarbeit. Ein besonderer
Dank gilt auch dem Land Steiermark,
vor allem dem Referat Wissenschaft und
Forschung, der Stadt Graz und der Mariann
Steegmann Foundation, die in den letzten
Jahren mit ihren Förderungen nicht
nur repräsentative Veranstaltungen und
Forschungsprojekte ermöglicht haben,
sondern darüber hinaus die Nachhaltigkeit
der Arbeit des Zentrums für Gender-
forschung in den Bereichen Gleichstellung,
Frauenförderung, Frauen- und Gender-
forschung sowie Diversität an der Kunst-
universität Graz mitbewirken.

Nachfolgend wird auf der Basis der Ver-
anstaltungsreihe „Studium, Beruf, Karriere.
Vergleichspunkt: Gender“ und einer aktuel-
len Umfrage ein Einblick in die Arbeit des
Zentrums für Genderforschung gegeben.
Anschließend werden die Aktivitäten der
letzten zehn Jahre in Auflistungen doku-
mentiert.

(Christa Brüstle)

                                              14
Studium, Beruf, Karriere.
Vergleichspunkt: Gender
Im März 2013 begann an der KUG die Ver-            Die Diskussionsthemen wurden auf das
anstaltungsreihe „Studium, Beruf, Karriere.        Studienfach abgestimmt, aber es gab in
Vergleichspunkt: Gender“, die das ZfG ini-         der Regel Schwerpunkte, die ange-
tiiert hat. Ziel dieser Reihe war und ist          sprochen wurden. Dazu gehörte etwa die
es, mit den einzelnen Instituten der KUG           Frage nach den Gründen für die Auswahl
über Aspekte der Gleichstellung sowie              eines Studiums, die im Musikbereich noch
über soziale und fachliche Genderthemen            immer relativ stereotypen Mustern der
von Studierenden, Absolvent_innen und              Geschlechterverteilung unterliegen. Ergän-
Lehrenden ins Gespräch zu kommen. Aus-             zend dazu wurde diskutiert, ob und wie
gehend von den statistischen Berichten             sich das Geschlecht der Studierenden und
über die Entwicklung der Genderverhält-            der Lehrenden auf den Verlauf des Unter-
nisse in den Studienfächern und bei Stu-           richts oder eines Studiums auswirkt. Dabei
dienabschlüssen sowie bei den Lehrenden            wurde zumeist klar, dass die Geschichte,
kamen in den Veranstaltungen mit Round             Fachkultur und die Diskurse eines Berufs
Table, Konzert und Büfett regelmäßig viele         im Musikbereich noch immer großen Ein-
Themen zur Sprache, die ansonsten im               fluss darauf haben, wie sich Studierende
Alltagsbetrieb untergehen oder kaum ein            und Lehrende verhalten und positionieren.
Forum für Aussprachen finden. Die Veran-           Daher sind mögliche Gleichstellungs- und
staltungen konnten stets mit der konstruk-         Förderungsstrategien von Studierenden in
tiven Unterstützung von Institutsvorstän-          die Gespräche eingeflossen, für Studenten
d_innen      stattfinden.   Sie   erhielten        in „Frauendomänen“ ebenso wie für
zudem durch die Leiterin des Ca-                   Studentinnen in „Männerberufen“.1
reer Service Center der KUG, Lydia
Batiza, eine wesentliche Stütze, weil durch        Ein weiteres maßgebliches Diskussions-
diese Kooperation mit dem ZfG regelmäßig           thema bildete der Übergang ins Berufs-
Absolvent_innen zu den Diskussionen                leben und die Bedeutung einer erfolg-
eingeladen werden konnten. Gerade die              reichen Karriere. Dabei sind nicht nur gute
Absolvent_innen brachten in vielen Beiträ-         Netzwerke, Durchsetzungskraft und die
gen ihre Erfahrungen aus dem Berufsleben           professionelle Beherrschung des eigenen
und Hinweise zu Problemen oder erfolgrei-          Metiers zentrale Aspekte, sondern auch
chen Karrierestrategien ein.                       der Umgang mit Durststrecken, Hürden

                                              15
und Konkurrenz. Familienplanung und die              Kirchenmusik und Orgel, Institut für Musik-
Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Fami-          pädagogik/Instrumental- und Gesangs-
lie sollten eigentlich keine Hemmschwellen           pädagogik, Institut für Jazz, Institut für
darstellen, in der Realität sind es jedoch           Klavier, Institut für Schauspiel, Institut
gerade auch in künstlerischen, musikprak-            Oberschützen, Institut für Gesang, Lied,
tischen und -pädagogischen Arbeitsfel-               Oratorium und Institut für Musiktheater,
dern ernsthafte und zum Teil existentielle           Institut für Saiteninstrumente, Institut für
Lebensfragen für alle Eltern in allen unter-         Komposition, Musiktheorie, Musikge-
schiedlichen Familienformaten.                       schichte und Dirigieren mit dem Schwer-
                                                     punkt Dirigieren und Institut für Blas- und
Zum Teil wurden auch Tabuthemen in den               Schlaginstrumente. Alle Veranstaltungen
Diskussionen offen angesprochen. Diskri-             sind aufgezeichnet worden und über die
minierung, Machtmissbrauch und sexuelle              Homepage des ZfG abrufbar. Die nächste
Belästigung, beispielsweise im Einzel-               Diskussionsrunde ist 2020 in Kooperation
unterricht oder auf der sogenannten                  mit dem Institut für Jazzforschung geplant.
„Besetzungscouch“, gehören im Musikbe-
reich offenbar sowohl im Studium als auch            Die nachfolgenden Texte über „Frauen
im Berufsleben noch immer zu den beinahe             spielen Harfe und Flöte, Männer trommeln
selbstverständlichen Erfahrungen der                 und schmettern“ sowie „Gesang, Schau-
Studierenden und Absolvent_innen. Die                spiel und Dirigieren – Karrierewege als
Betroffenen können oft nicht darüber                 Hürdenlauf“ beruhen auf einer Transkrip-
sprechen. Ein verharmlosendes und                    tion der Veranstaltungsdokumentationen
auch in diesen Fällen loyales Umfeld der             durch Gregor Kerbl. In beiden Texten
Lehrenden, Kolleg_innen oder Vorgesetz-              werden die Inhalte der Diskussionsrunden
ten gibt Tätern und Täterinnen das Gefühl            zusammengefasst und kommentiert. Im
von Sicherheit und Unangreifbarkeit. Erst            dritten Text „Lehrende und ihr Blick in die
in den letzten Jahren werden diese krimi-            Zukunft“ werden auf der Grundlage ein-
nellen Strukturen durch prominente Fälle             er aktuellen Umfrage einige Meinungen
wie James Levine, Placido Domingo oder               zur derzeitigen Situation in konzentrierter
Siegfried Mauser transparenter.                      Form wiedergegeben.

Mittlerweile gab es bereits zehn Veran-              (Christa Brüstle)
staltungen in der Reihe „Studium, Beruf,
Karriere. Vergleichspunkt: Gender“ an der
KUG. Sie wurden von der Leiterin des ZfG
und teilweise von der Doktorandin Nadine
Scharfetter moderiert und haben an fol-
genden Instituten stattgefunden: Institut für

                                                16
1
  Vgl. Christa Brüstle, „Frauen-/Gender-
forschung und Gleichstellungspolitik im
Musikbereich: Grenzgänge und Schnitt-
mengen von Gender, Ethnizität und Klasse
in musikbezogenen Handlungsfeldern“, in:
Grenzgänge. Gender, Ethnizität und Klasse
als Wissenskategorien der Musikwissen-
schaften (= Jahrbuch Musik und Gender
8), hg. von Cornelia Bartsch und Britta
Sweers, Hildesheim 2016, S. 139–149.

                                            17
Frauen spielen Harfe und Flöte,
Männer trommeln und schmettern
Auch heute noch gibt es in der Gesellschaft          diesen Instrumenten im Grunde diesen
Vorurteile und Klischees bezüglich Frauen,           gängigen Vorstellungen. Nachfolgend ist
die bestimmte Musikinstrumente spielen               zur konzentrierten Information nur der
oder in bestimmten künstlerischen Funk-              Anteil weiblicher Studierender in den ent-
tionen tätig sind.1 Internationale Schlag-           sprechenden Studienrichtungen in einer
zeilen machte vor einigen Jahrzehnten                kurzen Zusammenfassung angegeben4:
beispielsweise der Fall der Posaunistin
Abbie Conant. Sie wurde im Jahr 1980                 Harfe (Klassik) aktuell 100 % / durchschnitt-
versehentlich – sie war für einen Mann               lich 91,5 %
gehalten worden – zu einem Probespiel                Flöte (Klassik) aktuell 84 % / durchschnitt-
für eine Solist_innenstelle der Münchner             lich 89,2 %
Philharmoniker eingeladen und hat dieses             Schlaginstrumente (Klassik) aktuell 20 %
Vorspiel hinter dem Vorhang gewonnen.                / durchschnittlich 21,9 %, und Schlagzeug
Der damalige Generalmusikdirektor Sergiu             (Jazz) aktuell 14 % / durchschnittlich 10,4 %
Celibidache weigerte sich jedoch mehr als            Trompete (Klassik) aktuell 8 % / durch-
zehn Jahre lang, sie als Solistin spielen zu         schnittlich 12,3 %, und Trompete (Jazz)
lassen, weil er keine Frau für diese Position        aktuell 7 % / durchschnittlich 5,4 %
haben wollte. Er sagte zu ihr: „Du kennst            Posaune (Klassik) aktuell 15 % / durch-
das Problem. Wir brauchen einen Mann für             schnittlich 8,9 %, und Posaune (Jazz) 0 %
die Solo-Posaune.“2
                                                     Vor allem in den Bereichen Schlaginstru-
Im Laufe der Jahrhunderte haben sich ei-             mente (Klassik) und Jazz-Schlagzeug voll-
nige Instrumente als geschlechtertypisch             zieht sich jedoch ein Wandel, denn der
herausgebildet, wobei etwa Harfe und                 Anteil der weiblichen Studierenden hat
Flöte bis heute als spezifische Instrumente          etwas zugenommen: Die KUG verzeich-
für Frauen gelten und daher eher weiblich            net hier in den vergangenen zehn Jahren
erscheinen, während Trompete, Posaune                kontinuierliche Zuwächse von etwa 20 %
und Schlaginstrumente überwiegend als                (Klassik) beziehungsweise 10 % (Jazz). Bei
Männerinstrumente betrachtet und daher               der Jazzposaune hält sich der Anteil an
männlich konnotiert werden.3 An der KUG              Studentinnen dagegen hartnäckig bei null
entspricht die Geschlechterverteilung bei            Prozent.

                                                18
Teilweise hat diese Zuordnung von                  Manche Musiker_innen, die ungewöhn-
Instrumenten zu Geschlechtern historische          liche Instrumente spielen, erzählen von
Hintergründe. Ende des 18. Jahrhunderts            allseitiger Unterstützung – vielleicht gerade
– und noch bis ins 20. Jahrhundert – galt          deshalb, weil man das Außergewöhnliche
es als „unschicklich“, wenn Frauen Instru-         fördern wollte.
mente wie Trompete oder Pauke spielten.5
Eine Frau sollte durch ihr Musizieren              Im musikpädagogischen Elementarbereich
nicht zu erotisch wirken oder sich zu sehr         sind Vorbilder besonders wichtig. So wird
bewegen, um sexuelle Anspielungen zu               etwa in den Diskussionen bei „Studium,
vermeiden, wobei öffentliches Spielen –            Beruf, Karriere“ berichtet, dass die Anzahl
gar gegen Entlohnung – ohnehin verpönt             Trompete lernender Mädchen in einer
war. Zudem sollten Frauen ihre „schöne             Musikschule enorm angestiegen ist, seit-
Weiblichkeit“6 nicht durch das Spielen             dem dort eine Trompeterin unterrichtet
von Blasinstrumenten entstellen. Deshalb           hatte. Eine Studie aus den späten 1990er
wurde beispielsweise das Klavier als ein           Jahren bestätigt, dass bei Kindern auch
typisches „Fraueninstrument“ gesehen,              nicht greifbare Vorbilder – in diesem Fall
weil hier eine anmutige und züchtige               eigens angefertigte Videos mit Musiker-
Haltung mit bedeckten Knöcheln möglich             _innen an geschlechteruntypischen Instru-
war und somit „das Weibliche“ zum Vor-             menten – einen erheblichen Einfluss
schein kommen konnte.7                             auf die Entscheidung der Kinder für oder
                                                   gegen ein Instrument haben.8 Die Vorbild-
Auf welche Weise heute eine Entschei-              wirkung spielt aber nicht nur beim Beginn
dung für ein Musikinstrument getroffen             des Instrumentalunterrichts eine große
wird, hat vielfach mit Vorbildern zu tun,          Rolle; auch in der höheren Ausbildung,
aber zuallererst mit dem gesellschaftlichen        so an einer Hochschule oder Universität,
Umfeld und mit familiären Gegebenheiten.           sind weibliche Identifikationsfiguren oft
So wird beispielsweise oft ein Instrument          hilfreich, um zu erleben, dass erwachsene
gewählt, das Mutter und/oder Vater spielen         Frauen selbstverständlich und exzellent ein
(vielleicht sogar vorgeben) oder das zu-           „Männerinstrument“ spielen.
hause verfügbar ist. Hier sind vor allem
Musiklehrende gefragt, bei der Instrumen-          Unabhängig vom Instrument selbst wird
tenwahl nach Möglichkeit früh beratend             musizierenden Frauen immer wieder statt
mitzuwirken. Zwar wird Kindern oft                 einer Laufbahn als (Orchester-)Musikerin
ermöglicht, ein „untypisches“ Instrument           die Instrumental- und Gesangspädagogik
zu erlernen, aber selten werden sie dazu           nahegelegt. Dabei wird oft argumentiert,
ermutigt, wenn nicht schon der Wunsch              dass der Beruf der Musiklehrerin wegen
vorhanden und ausgeprägt ist. Häufig               Teilzeitmöglichkeit und Ferien der „fami-
gibt es dann aber positive Erfahrungen:            lienfreundlichere“ Beruf sei, man müsse

                                              19
dabei nicht auf Tournee gehen, „Frauen             noch immer männerdominierten Jazz
können besser mit Kindern umgehen“ (so             zumindest als Sängerinnen erwünscht sind.
lautet ein Klischee). Männern hingegen             Diese werden nicht selten aufgefordert,
wird der Lehrerberuf weniger nahege-               sich attraktiv zu kleiden oder unter der
bracht. Doch kommt die Betätigung als              ernst gemeinten Anmerkung „only if she
Instrumental-    oder    Gesangslehrer_in          wears a dress“ engagiert – vor allem auch,
gerade    Erziehungsberechtigten      nicht        weil das Publikum angeblich eine solche
entgegen, da Musikunterricht (an einer             Erwartungshaltung habe. Manche Orches-
Musikschule oder privat) größtenteils              ter wirken dem entgegen, indem es (auch)
nachmittags und abends stattfindet – eben          für Frauen Kleidervorschriften gibt, so
dann, wenn (die eigenen) Kinder nicht im           etwa beim ORF Radio-Symphonieorches-
Kindergarten oder in der Schule sind.              ter Wien bodenlange Röcke oder Kleider,
                                                   Dreiviertelärmel und bedeckte Schultern.9
Eine weitere Rolle, in die Musikerinnen
häufig gedrängt werden, ist die Funktion
des „Blickfangs“. Dies scheint ein Grund
dafür zu sein, dass Frauen im ansonsten

                                              20
Gesang, Schauspiel und
Dirigieren – Karrierewege
als Hürdenlauf
Der Übergang vom Studium in den Beruf              Prüfung wahrgenommen, daher erschei-
ist in den seltensten Fällen ein fließender        nen sie nicht selten als stressbehaftetere
Prozess. So sammeln beispielsweise Stu-            Situationen. Befragungen von ehemaligen
dierende der Instrumental- und Gesangs-            KUG-Studierenden zufolge sind die ersten
pädagogik zwar im Fach Lehrpraxis Unter-           Jahre nach dem Studium entscheidend
richtserfahrungen, bekommen dadurch                darüber, ob man im intendierten Beruf
aber kaum einen Einblick in den Alltag an          bleiben wird (beziehungsweise kann) oder
einer Musikschule. Dirigent_innen erleben          nicht. Fünf Jahre nach dem Abschluss ste-
diesbezüglich wahrscheinlich den größten           hen KUG-Absolvent_innen laut Umfrage
Bruch, weil im Studienplan nur wenig Praxis        entweder in guten existentiellen Verhält-
mit Orchestern vorgesehen ist. Schau-              nissen oder sind in einem anderen Beruf
spiel-Absolvent_innen berichten, auf ein           tätig.11
Berufsleben im Festengagement vorberei-
tet worden zu sein; ein solches ergibt sich        Um einen eher bruchlosen Übergang ins
aber eher selten, weshalb sie nach dem             Berufsleben zu schaffen, raten Lehrende
Studium mit den Herausforderungen des              und erfolgreiche Absolvent_innen in erster
freien Marktes konfrontiert sind. Seit mehr        Linie dazu, sich schon während des Studi-
als zehn Jahren bietet die KUG deshalb             ums um Praxiserfahrungen und Kontakte
ergänzend über das Career Service Center           zu bemühen. Statt auf Förderung zu
(CSC) besonders praxisrelevante Weiterbil-         warten, sollte man Gelegenheiten nutzen
dungsveranstaltungen an.10                         und in Eigeninitiative betreffende Perso-
                                                   nen zum Beispiel auf mögliche Praktika
Ein Bruch zwischen Ausbildung und Beruf            ansprechen. Hilfreich kann es auch sein,
kann aber auch positiv erlebt werden. Her-         bald die eigene Nische beziehungsweise
ausforderungen im Berufsleben können               den eigenen Typ zu finden, aber dabei
durchaus anspornen und inspirieren.                authentisch zu bleiben. Generell ist es
Hingegen werden Präsentationen vor den             für das eigene Selbstvertrauen förder-
Studienkolleg_innen manchmal eher als              lich, sich mit Menschen zu umgeben, die

                                              21
unterstützen und ermutigen. Als wesent-            einbarung von familiären und beruflichen
lich wird es auch erachtet, mit Leiden-            Pflichten geht. Ein reiseintensives und
schaft dabei zu sein und selbst etwas zum          zeitlich komplex strukturiertes Berufsleben
eigenen Erfolg beitragen zu wollen. In             lässt sich zwar mit verfügbaren finanziellen
diesem Zusammenhang scheint es nicht               Mitteln durch entsprechende Betreuungs-
dienlich zu sein, sich ständig zu fragen:          leistungen ausgleichen, doch nicht alle
Was kann ich damit erreichen? Vorteil-             Künstler_innen haben hierzu die ausrei-
hafter wäre stattdessen die Frage: Wie kann        chenden Ressourcen. Österreich liegt in
ich besser werden? Man sollte darüber              puncto öffentlicher Kinderbetreuungs-
hinaus nie aufhören, sich weiterzuentwick-         möglichkeiten im internationalen Ver-
eln, und es scheint besser zu sein, sich           gleich hinter Skandinavien oder Frankreich,
nicht zu früh über die Höhe des Verdiens-          ist diesbezüglich dennoch zweifellos ein
tes Gedanken zu machen. Darüber hinaus             Eldorado. An Wochenenden oder Abenden
gilt die wichtige Regel, an einem Probe-           allerdings müssen Künstler_innen auf
spiel oder Wettbewerb nur mit der best-            private Betreuungsmöglichkeiten zurück-
möglichen Vorbereitung teilzunehmen. In            greifen. Als Star einer Opernproduktion
Wettbewerbssituationen ist nicht nur die           kann man es sich vielleicht erlauben, das
professionelle Beherrschung des Instru-            eigene Kind zu Proben mitzunehmen; als
ments oder der Stimme wichtig, sondern             Lehrer_in an einer Musikschule wäre ein
man braucht auch einen gewissen „Killer-           solches Verhalten jedoch unprofessionell.
instinkt“ und Ehrgeiz, also auch eine große
psychische Stärke.                                 Die Haltungen von Dienstgeber_innen
                                                   beziehungsweise       Produktionsleitungen
Allgemein herrschte besonders bei künst-           scheinen im Blick auf die Vereinbarkeit
lerischen Karrieren lange das Verständnis          von Beruf und Familie sehr unterschiedlich
vor, dem Erfolg alles andere unterzuord-           zu sein. Beispielsweise wird in manchen
nen. Damit war auch oft insbesondere               Schauspielproduktionen        Kinderbetreu-
gegenüber Frauen die Meinung verbunden,            ung sogar schon im Budget eingeplant.
keine Kinder bekommen zu dürfen – oder             Gelegentlich wird auch improvisiert, wenn
sie so zu bekommen, dass es unbemerkt              mehrere Ensemblemitglieder Betreuungs-
bleibt. Bei Männern erschien eine Familien-        pflichten haben: Alle Kinder werden
gründung weniger problematisch. Aller-             zusammengebracht und von einer geeig-
dings gibt es heute zunehmend Frauen,              neten Person beaufsichtigt. Schwieriger
die eine große internationale Karriere mit         ist die Situation, wenn es im Ensemble nur
Kindern beziehungsweise Familie gut                eine Person mit Betreuungspflichten gibt,
vereinbaren. Gerade Eltern in Künstler-            weil dann oft das Verständnis der Kolleg-
_innenberufen stehen jedoch oft vor großen         _innen fehlt, wenn zum Beispiel verein-
Herausforderungen, wenn es um die Ver-             barte Probenzeiten nicht eingehalten

                                              22
werden können. Bei finanziell nicht so gut           hat ja einen Minirock angehabt“). Belästi-
situierten Orchestern wird bei Ausfall einer         gung und Diskriminierung an der Univer-
Person keine Aushilfe engagiert, sondern             sität sind auf Grund des Abhängigkeitsver-
die vorhandenen Musiker_innen müssen                 hältnisses zwischen Studierenden und
Dienste übernehmen, wobei massive Strei-             Lehrenden noch prekärer – viele betrof-
tigkeiten entstehen können. Es kann auch             fene Studierende reagieren gar nicht und
zu Mobbing führen, wenn mit den Kolle-               verdrängen eine problematische Situa-
gen oder Kolleginnen dann zum Beispiel               tion, weil sie Angst haben, ihre Karriere
nicht mehr gesprochen oder kein Dienst               könne infolge einer Beschwerde oder des
mehr getauscht wird.                                 Wechsels einer Lehrperson leiden.12

Von Schauspielerinnen oder Sängerinnen
wird häufig verlangt, sich für einen Auftritt
„sexy“ zu kleiden oder High Heels zu tragen.
Die Zeiten, in denen sich Opernsänger-
innen für ein Vorstellungsgespräch bei
einem Opernintendanten entkleiden soll-
ten, scheinen jedoch endlich weitgehend
vorbei zu sein. Trotzdem lassen sich Frauen
(vermutlich aus Furcht, ersetzt zu werden)
oft noch einschüchtern; offenbar nur
selten entgegnen Darstellerinnen „nein,
das ziehe ich nicht an“. Manche Frauen
unterstützen diese Sexualisierung des
eigenen Geschlechts sogar – zum Beispiel
wenn eine Kostümbildnerin (ohne Ein-
wand des Regisseurs) meint: „nein – ohne
Lippenstift, das geht doch nicht!“.

Es kann auf der Theater- oder Opernbühne
immer wieder vorkommen, dass szenische
Situationen übergriffig oder diskriminierend
ausgenutzt werden. Erfahrungsgemäß
müssen sich dann aber eher die Betrof-
fenen und nicht die Zudringlichen recht-
fertigen, denn sexuelle Belästigung
oder sexualisierte Gewalt wird oft durch
Geschlechterstereotype verharmlost („Sie

                                                23
Lehrende und ihr Blick
in die Zukunft
Dieser Text bezieht sich im Wesentlichen            schlägt. Interessanterweise sind die Pro-
auf die Antworten einer aktuellen Umfrage           fessuren aber auch in Studienrichtungen
zum Thema „Studium. Beruf. Karriere. Ver-           wie Flöte und Blockflöte, die überwiegend
gleichspunkt: Gender“ unter Lehrenden               von Frauen belegt sind, zu 100 % männlich
zentraler künstlerischer Fächer (ZKF) an            besetzt. Doch ist insgesamt ein langsamer,
der KUG.13 Die Lehrenden wurden dafür zu            aber stetiger Wandel spürbar. Man ist davon
den Geschlechterverhältnissen im eige-              überzeugt, dass sich auch der Anteil der
nen Fach, zur Vereinbarkeit von Beruf und           Professorinnen bald zum Positiven verän-
Familie, zum Übergang vom Studium in                dern wird.
den Beruf, zu Erfahrungen mit Diskriminie-
rung in Bezug auf das Geschlecht sowie              Eine künstlerische Karriere stellt für Part-
zur Förderung und Berufsvorbereitung der            nerschaften mit oder ohne Kind(er), allein-
eigenen Studierenden befragt.                       erziehende Mütter oder Väter für gewöhn-
                                                    lich eine große Herausforderung dar:
Nur etwa ein Viertel aller Lehrenden an der         beim Üben dröhnt es im ganzen Haus, die
KUG (Professor_innen und Mittelbau) ist             Arbeitszeiten weichen in der Regel von
weiblich.14 Lediglich in den Studienrichtun-        der Norm ab, häufige Reisen und/oder
gen Bühnengestaltung, Darstellende Kunst            Ortswechsel sind notwendig, teils gibt es
(Schauspiel) und Gesang beträgt der Frau-           ausschließlich    befristete     Beschäfti-
enanteil in der Lehre etwa 50 % – bei etwa          gungsverhältnisse etc. Vereinbarkeit von
50–80 % weiblichen Studierenden.15 Die              Beruf und Familie ist eigentlich nur gege-
(fast ausschließlich männlichen) Lehren-            ben, wenn man von den Lebenspartner-
den im Bereich Schlagwerk, Trompete und             _innen unterstützt wird. Zudem ist ein
Posaune nehmen allerdings bezüglich der             Leben als Musiker_in oder Schauspieler_in
„männlichen“ Kodierung ihrer Instrumente            auch mental sehr anstrengend. Deshalb
ein starkes Umdenken und eine Distanzie-            wird zum Beispiel vor Auftritten mitunter
rung von bisherigen Geschlechterstereo-             Ruhe benötigt, was die Familienmitglieder
typen wahr, wobei sich diese Tendenz an             nicht immer nachvollziehen können.
der KUG in den kontinuierlich steigenden            Außerdem kommt es in der künstlerischen
Zahlen hervorragender weiblicher Studie-            Karriere immer wieder zu Phasen, in de-
render in den genannten Fächern nieder-             nen Entscheidungen im Sinne von „Ganz-

                                               24
oder-gar-nicht“ beinahe unabdingbar sind.            individuell auf ihre Studierenden ein, um
Man muss sich manchmal ausschließlich                den verschiedenen Charakteren und
auf die Karriere konzentrieren, wobei dann           Bedürfnissen ihrer Studierenden zu ent-
die Balance zwischen Beruf und Familie               sprechen. Die befragten Lehrenden
zusätzlich beeinträchtigt wird.                      möchten ihre Studierenden helfend und
                                                     beratend begleiten und – infolge der eige-
Diskriminierungen aufgrund des Ge-                   nen professionellen Erfahrungen – auf
schlechts haben viele Lehrende in der                alle beruflichen Situationen vorberei-
länger zurückliegenden Vergangenheit                 ten. Nichts ersetzt die Erfahrungen in der
entweder am eigenen Leib erfahren oder               beruflichen Realität, deshalb sollten die
bei Kolleg_innen miterlebt. Regisseure               Studierenden nach Ansicht der Lehren-
und Dirigenten etwa haben ihre Macht-                den möglichst früh auch außerhalb der
positionen insbesondere gegenüber Frauen             Universität künstlerisch tätig werden.
oft ausgenutzt. Musikerinnen (hauptsäch-             Lehrende unterstützen deshalb bei
lich Instrumentalistinnen) wurden zum                Wettbewerben und Probespielen (häu-
Teil erst gar nicht engagiert, zum Beispiel          fig über die regulären Unterrichtszeiten
aus finanziellen Gründen (Frauen auf Tour            hinaus), stellen Kontakte her, verhelfen
benötigen ein eigenes Hotelzimmer),                  zu Auftritts- beziehungsweise Unter-
weil ein „männlicher Look“ einer Band                richtsmöglichkeiten und/oder thema-
gewünscht war oder aufgrund der                      tisieren viele zum Berufsleben dazu-
Annahme, Frauen seien zu temperament-                gehörige außermusikalische Belange. Sie
voll. Allenfalls wurden Musikerinnen zum             bilden außerdem Musiker_innen als Solist-
Substituieren gebeten, wenn wirklich kein            _innen aus, auch wenn sie mit dem Studium
Mann zu finden war. Um sich als Interpre-            „nur“ eine Orchesterstelle anstreben, denn
tin eines „Männerinstrumentes“ durchzu-              im Probespiel muss man sich solistisch be-
setzen, war es offenbar in früheren Zei-             haupten. Gerade Professorinnen erachten
ten notwendig, besonders hart zu arbeiten            es außerdem tendenziell als notwendig,
sowie sich ein „dickes Fell“ zuzulegen, um           dass sich ihre weiblichen Studierenden
unempfindlicher gegen herabwürdigende,               hinsichtlich Selbstvermarktung und berufli-
diskriminierende     und      unqualifizierte        cher Netzwerkbildung verbessern und
Äußerungen zu sein.                                  bestärken sie, sich nicht entmutigen zu
                                                     lassen – ganz gleich, wie steinig der Weg
In Bezug auf ihren Unterricht unterscheiden          manchmal erscheint.
die befragten Lehrenden erklärtermaßen
generell nicht zwischen männlichen und               (Elisabeth Kappel)
weiblichen Studierenden. Sie versuchen,
allen gleichermaßen gerecht zu werden
und gehen – unabhängig vom Geschlecht –

                                                25
1
     gl. etwa Susanna Felix, „Die Frau mit dem
    V                                                                      7
                                                                               gl. Freia Hoffmann, Instrument und
                                                                               V
    Kontrabass – Alexandra Scott: ‚Frauen                                      Körper. Die musizierende Frau in der
    haben es noch immer schwerer!‘“,                                           bürgerlichen Kultur, Frankfurt a. M. 1991.
    BR-Klassik, 28. Februar 2020, https://                                 8
                                                                                Vgl. Samantha Pickering/Betty Repacholi,
    www.br-klassik.de/themen/alexandra-                                          „Modifying Children’s Gender-Typed
    scott-weltfrauentag-musikfrauen-                                             Musical Instrument Preferences: The
    ko n t r a b a s s i s t i n - p o r t r a i t - 1 0 0. h t m l              Effects of Gender and Age“, in: Sex Roles
    (Zugriffsdatum 16.03.2020), und Inge                                         45/9 (Nov. 2001), S. 623–643.
    Klöpfer, „So sexistisch ist die Klassik“, in:                          9
                                                                               Florian Kobler „Mehr Frauen in Orches-
    Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung,                                     tern: ‚Frage der Zeit‘“, wien.ORF.at, 28.
    10. Juni 2018, S. 51.                                                       Februar 2016, https://wien.orf.at/v2/
2
     Zit. nach Hannes Hintermeier, „Celi will                                  news/stories/2755435/ (Zugriffsdatum
      keine Frau an der Posaune“, in: Abend                                     16.03.2020).
      Zeitung, 29. Oktober 1991, S. 16, http://                            10
                                                                                 Siehe dazu https://www.csc-kug.at/
                                                                                 
      w w w. o s b o r n e - c o n a n t . o r g / a z . h t m                   (Zugriffsdatum 10.04.2020).
      (Zugriffsdatum 03.03.2020). Vgl. Sonja                               11
                                                                              Vgl. Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft:
      Schock, „Wenn eine Frau die erste                                        ...[war]...[ist]...[wird]... Eine wissenschaft-
      Posaune spielt“, in: taz-Journal zur Welt-                               liche Analyse der Daten und Reflexion
      frauenkonferenz, 29. Dezember 1994,                                      über die Ergebnisse aus zehn Jahren
      S. 66–67, http://www.osborne-conant.                                     AbsolventInnenbefragung,               Studien-
      org/taz.htm (Zugriffsdatum 23.03.2020).                                  abschlussjahre 2004/05 bis 2014/15,
3
     Eine lange Reihe von Studien zu
                                                                              https://www.kug.ac.at/fileadmin/01_
     Geschlechterstereotypen bei Musik-                                        Kunstuniversitaet_Graz/06_Universitaet/
     instrumenten beginnt mit Harold Abeles                                    01_Allgemeines/06_Berichte_Zahlen_
     und Susan Yank Porter, „The Sex-Stereo-                                   Fakten/01_Befragung_der_Absolven-
     typing of Musical Instruments“, in: Journal                               tinnen/AbsolventInnenbericht_2005_
     of Research in Music Education 26 (Juli                                   bis_2015_Langfassung.pdf (Zugriffsda-
     1978), S. 65–75.                                                          tum 23.03. 2020).
4
      Aktuelle Zahlen: Studienjahr 2019/20;
                                                                          12
                                                                               Folgende KUG-interne und externe
                                                                               
      durchschnittliche Angaben: Studienjahre                                  Anlaufstellen bieten Beratung und Hilfe:
      2008/09–2019/20.                                                         Arbeitskreis für Gleichbehandlungs-
5
    [Carl Ludwig Junker], „Vom Kostüm des                                     fragen        (gleichbehandlung@kug.ac.at);
     Frauenzimmer Spielens“, in: Musikali-                                     Betriebsrat für das allgemeine Universitäts-
     scher Almanach auf das Jahr 1784, Frey-                                   personal (betriebsrat@kug.ac.at); Betriebs-
     burg o. J., S. 85–99.                                                     rat für das künstlerisch-wissenschaft-
6
      Karl Heinrich Heydenreich, Der Privat-
                                                                              liche Universitätspersonal (betriebsrat-
      erzieher in Familien wie er seyn soll.                                   lehrende@kug.ac.at);            Österreichische
      Zweyter Theil, Leipzig 1801, S. 426.                                     Hochschüler_innenschaft an der KUG

                                                                      26
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