Kinder- und Jugendliche mit Suchtproblemen - Dr. med. Astrid Steinmann Fachärztin Kinder- und Jugendpsychiatrie Schwerpunkt ...
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Kinder- und Jugendliche mit Suchtproblemen Dr. med. Astrid Steinmann Fachärztin Kinder- und Jugendpsychiatrie Schwerpunkt Abhängigkeitserkrankungen (SAE)
Schwerpunkt Abhängigkeitserkrankungen (SAE) Stationär / Ambulant Ambulatorien: Liestal – Binningen – Reinach Multiprofessionelles Team: Ca. 35 Mitarbeitende, häufig in Teilzeitpensum: Psychologen, Ärzte, Sozialarbeiter, Pflege, Sekretariat, Zivis Umfassendes Beratungs -und Behandlungsangebot: auch für spezielle Zielgruppen (z.B. Kokain; FIAZ, Jugendliche, Glücksspielsucht und exzessiver Medienkonsum, etc.)
Anmeldungen - Jugendbereich - Eltern / Familienangehörige - Jugendliche selbst (selten) - Stationäre Jugendhilfe (Jugendheim, betreute WG`s) - Behörden: Soziale Dienste, JUGA, KESB, IV, etc. - Zuweisungen durch KJP, SPD, KinderärztInnen - Schule (z.B. Schulsozialarbeitende) - Ausbildungsverantwortliche
Übersicht der Angebote - Information (z.B. Eltern wünschen Information über best. Substanzen) - Beratung (z.B. Elternberatung, Beratung von Jugendlichen in Heimen) - Abklärungen (z.B. JUGA, IV) - Früherkennung, Frühintervention - Kriseninterventionen - Ambulante Psychotherapie - Medikation - Triage - UP-Kontrollen, ALT, Labor - Schulung/ Information/ Weiterbildung
Substanzen Nikotin Alkohol THC Lachgas Extacy, MDMA Amphetamine Halluzinogene (z.B. LSD, 2CB, Pilzli) Benzodiazepine (z.B. Xanax, Valium, Rivotril, Temesta, Dormicum) Kokain Opioidhaltige Schmerzmittel (z.B. Codein, Tramadol, Tilidin, Oxycodon, Methadon, Heroin, Sevre long, etc) Ketamin, Fentanyl Andere Medikamente Mischkonsum
Party-Tip eines 15-jährigen …erst 3-4 Bier dann eine Linie «Amphi» ( «da verträgt man mehr») weitertrinken im Verlauf des Abends noch etwas «Amphis» oder «Koks» später dann ein «Oxy» …und abends einen Joint zum Einschlafen
Ursachen für Substanzkonsum im Jugendalter: - Neugierde - positive Schilderungen von Freunden - Gruppendruck bzw. Anpassung an die Gruppe/Außenseiter – Angst vor dem Alleinsein - Hoher Leistungsdruck und Überforderung (z.B. Lernschwierigkeiten) - Substanzkonsum in der Familie / genetische Disposition - Flucht vor Alltagsproblemen - Passive Freizeitgestaltung (viel Fernsehen, Computerspiele etc.) „Ersatzkick“ nötig - Unsicherheit, fehlende Konfliktfähigkeit - Schwierigkeiten in der Beziehungsgestaltung - Persönliche Schicksale / traumatische Erfahrungen - Psychische Probleme (Selbstmedikation)
Komorbide Störungen Störungen des Sozialverhaltens mit und ohne Hyperaktivität Störungen des Sozialverhaltens mit und ohne soziale Bindungen AD(H)S depressive Störungen Angststörungen, soziale Phobien Posttraumatische Belastungsstörungen Persönlichkeitsentwicklungsstörungen Essstörungen („binge eating“ und Bulimia nervosa) substanzinduzierte Psychosen schizophrene Psychosen
Diagnostische Einschätzung - Probierkonsum - schädlicher Gebrauch: Das Konsummuster führt zu einer psychischen oder physischen Gesundheitsschädigung - Abhängigkeit: - Starker Wunsch / Zwang, eine Substanz zu sich zu nehmen - Verminderte Kontrollfähigkeit bzgl. Beginn / Ende und Menge - Entzugssymptome bei Abstinenz - Toleranzentwicklung - Vernachlässigung anderer Interessen - Anhaltender Konsum trotz negativer Folgen - Intoxikation - mit oder ohne Komplikationen (z.B. Delir, Krampfanfälle, etc)
Neurobiologisch ist Sucht eine Störung des Belohnungssystems im Gehirn Zahlreiche Drogen setzen im Gehirn an und belohnen zeitnah durch Ausschüttung von Dopamin im mesolimbischen System Schnelle und meist kurzfristige Bedürfnisbefriedigung
Früherkennung und Frühintervention von Substanzkonsum im Jugendalter: heterogene Symptomatik: Veränderungen im Verhalten Konzentrationsschwierigkeiten Stimmungsschwankungen abweisendes Verhalten, Reizbarkeit, Aggressivität Ängste / Unruhe Schlafstörungen Eindruck der Eltern, das Kind habe sich verändert Schulschwierigkeiten/Leistungsknick neuer Freundeskreis, „Szenemode“ sozialer Rückzug Vernachlässigung der Körperhygiene, ggf. Verwahrlosung Dissoziale Verhaltensweisen, Beschaffungskriminalität Abklärung, um problematischen Konsum frühzeitig zu erkennen
Abklärungen - In der Regel 3 Termine, mindestens 1 Gespräch mit den Eltern - Anamnese, detaillierte Suchtanamnese - UP-Kontrolle / Labor - Ggf. testpsychologische Abklärungen (extern) - Beurteilung, Empfehlung - Abklärungsbericht
Besonderheiten in der Behandlung - In der Regel wenig Leidensdruck der Jugendlichen wegen des Konsums - geringe bis fehlende Problemeinsicht (mit zunehmendem Alter zunehmend) - unterschiedliche Einstellungen und Ziele bzgl. Substanzkonsum - hohe Ambivalenz - Stigmatisierung Thema Sucht - Zugrundeliegende Schwierigkeiten oft verdeckt (Komorbiditäten) - illegaler Konsum - Häufig zusätzlich Beschaffungskriminalität (heimlich, oft ohne Anzeigen) - meist psychosoziale Instabilität - hohe Drop-Out-Quote mit Wiederanmeldungen im Verlauf - wenig stationäre Plätze - Eigenmotivation erforderlich
Behandlung / Therapie - Einzelgespräche - Eltern- und Familiengespräche - Abklärungen individueller Haltungen in der Familie bzgl. Substanzkonsum - UP-Kontrollen - Behandlung von Komorbiditäten - Ggf. medikamentöse Behandlung - Ggf. stationäre Behandlung - Unterstützung im Aufbau eines tragfähigen HelfersystemsMiteinbeziehung von Behörden - Unterstützung in der schulisch-beruflichen Integration - Unterstützung in der Freizeitgestaltung
Nachweis von Substanzen im Urin / Blut
Substanzen Nikotin Cannabis
Alkohol Lachgas
Halluzinogene Pilzli LSD 2 CB
MDMA / Extasy Ausschüttung von Serotonin, Noradrenalin und Dopamin Stimmungsaufhellung, vermehrte Empathie, entaktogen Steigerung der Herzfrequenz, Verminderung von Hunger und Durst Risiken: Angst- und Panikgefühle, Halluzinationen, Tachycardie, art. Hypertonie, Dehydrierung, depressive Phasen, Krämpfe der Kaumuskulatur
Stimulantien • Coffeein • Amphetamin / Speed • Ritalin • Pregabalin Kokain
Sedativa/ Benzodiazepine - «Beruhigungsmittel» - Wirkungen: sedierend, angst- und spannungslösend, muskelrelaxierend, antikonvulsiv - Wirkdauer & Wirkeintritt sind je nach Substanz unterschiedlich und hängen von der jeweiligen Halbwertszeit ab. - Cave: Abhängigkeit bei regelmässiger Einnahme - Gefahr der Atemdepression v.a. bei Mischkonsum mit Alkohol oder anderen sedierenden Substanzen Beispiele: - Valium (Diazepam) T1/2 24-48 Std - Temesta (Lorazepam) T1/2 15-16 Std - Xanax (Alprazolam) T1/2 12-15 Std - Rivotril (Clonazepam) T1/2 30-40 Std - Dormicum (Midazolam)
Xanax - Medikament für Angst- und Panikstörungen - verschreibungspflichtig - «Modedroge» - beruhigende Wirkung, ggf. Euphorie - Hohes Abhängigkeitspotential - Amnesien - Gefahr der Atemdepression v.a. bei Mischkonsum
Lean / Purple Drink Zusammensetzung: Verschreibungspflichtiger Hustensaft mit Codein oder Dextromethorphan + Limonade + zerkrümelte Hustenbonbons evtl. zusätzlich weitere Medikamente (z.B. Benzodiazepine, Opioide, Promethazin) evtl. + Alkohol Wirkung: Euphorie (v.a. durch Medikamente) + Gefühl der Betäubung, Verlangsamung, Veränderungen der Motorik
Ketamin - Narkosemittel - flüssige Lösung oder weisses kristallines Pulver - Sniffen, schlucken oder Injektion Wirkung: bruchstückhafte Auflösung der Umwelt und des Körperempfindens, Veränderungen von Sinneswahrnehmungen und Raum-Zeit-Gefühl, Gefühl der Schwerlosigkeit Dissoziatives Erleben Nebenwirkungen Einschränkungen von Bewegung und Kommunikation, Koordinationsstörungen, verwaschene Sprache, Schmerzunempfindlichkeit, Übelkeit, Erbrechen, Schwindel Bei hohen Dosen Lähmungserscheinungen und Narkose, bei sehr hohen Dosen epileptische Anfälle und Koma
Opioidhaltige Schmerzmittel - Codein - Tramadol, Tilidin - Oxycodon - Methadon - Morphin - Heroin
Fallbeispiele Thomas, 17 J Anmeldung im Frühjahr 2020 (16-jährig) wegen Konsum von THC, Alkohol, Benzodiazepine (Xanax, Rivotril, Valium). Berichtet im Verlauf über weiteren Konsum von Opioiden, diversen Medikamenten, Mischkonsum Tod eines Kollegen durch Überdosierung Wiederholte epileptische Anfälle seit 15. Lj (v.a. nach Hochdosiskonsum), seit 2020 neurologische Behandlung Familie: Trennung der Eltern als Thomas ca 6-jährig war, traumatische Erfahrungen im Kontakt zum Vater, psychische Probleme der Km Schule: Sekundarschulabschluss Schwere depressive Symptomatik
Fallbeispiele Verlauf: Zu Beginn mehrere Einzelgespräche und Gespräche mit T und Km, offen, unterstützungssuchend, zunächst Stabilisierung bzgl. Konsum aber vermehrte Traurigkeit und Ängste Behandlungsabbruch im Sommer 2020 wieder zunehmender Konsum und epileptische Anfälle Spital Wiederanmeldung im Winter, seitdem regelmässige Gespräche, regelmässige Abgabe von Valium und langsam-schrittweise Reduktion IV-Anmeldung aktuell stundenweise Tätigkeit (Tagesstruktur)
Fallbeispiele Verlauf Über ca 6 Monate keine Schulbesuch, keine Tagesstruktur in dieser Zeit mehrmonatige Abstinenz und Stabilisierung Wiederanmeldung WMS auf eigenen Wunsch bei Schulbeginn zunehmende Instabilität v.a. wegen sozialer Unsicherheiten und Ängste mit Rückfälligkeit (THC) und erneuten Absenzen Stationärer Aufenthalt Kinder- und Jugendpsychiatrie Nach Austritt Stabilisierung, weitgehend gute schulische Leistungen Aufbau eines neuen sozialen Umfeldes Bad-Trip nach THC-Konsum im Frühjahr mit Ängsten und paranoidem Erleben Seitdem deutliche Reduktion des THC-Konsums (sporadisch)
Fallbeispiele Kevin, 16 Jahre Anmeldung Ende 2019 (16-jährig) durch Eltern wegen THC- und MDMA-Konsum und Abbruch der Schulachse (FMS) Bis Ende der Sekundarschule unauffälliger, eher schüchterner Junge Nach Schulwechsel und Kontakte zu neuen Kollegen zunächst Probierkonsum von Alkohol, THC, MDMA Abklingen von sozialen Ängsten und Unsicherheiten Im Verlauf Missbrauchserfahrungen unter Substanzeinfluss Rückzug, Absenzen in der Schule Schulwechsel keine Besserung und Abbruch der Schulachse (Ende 2019) Wiedereinstieg im Sommer 2020 erneute Krise (soziale Unsicherheiten im Klassenverband, Rückfälligkeit THC) Stationäre Behandlung Langsam-stetige Stabilisierung im Anschluss, aktuell gelegentlicher THC-Konsum Familiensituation: chronischer Paarkonflikt der Eltern, psychische Probleme des älteren Bruders, verzerrte Kommunikation in der Familie mit sehr wenig fam. Aktivitäten (z.B. keine gemeinsamen Mahlzeiten)
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!!
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