Neue Leitlinie Analkarzinom - Hivandmore
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
FORTBILDUNG – NEUE LEITLINIE FRANZ MOSTHAF, KARLSRUHE Neue Leitlinie Analkarzinom Die neue S3-Leitlinie, an deren Erstellung 26 Fachgesellschaften und Organisationen beteiligt waren, formuliert evidenzbasierte Standards und Grundlagen zur interdisziplinären und sektorenübergreifenden Versorgung. Hier ein Überblick für HIV-Behandler und Infektiologen. Als Analkarzinome bezeichnet werden KLASSIFIKATION Einwohner/Jahr angegeben. Sie hat Plattenepithelkarzinome des Analka- Die Klassifikation der Analkarzinome sich in den letzten 30 Jahren verdrei- nals und des Analrandes. Analkanal- erfolgt nach dem TNM-System. Über facht. Der Altersgipfel liegt in der 5-7 karzinome sind mindestens teilweise diese Klassifikation hinaus gibt es wei- Lebensdekade. so weit im Analkanal gelegen, dass tere Risikofaktoren wie Ulzeration, die Assoziiert mit der Inzidenz sind u.a.: eine Sichtbarkeit des makroskopi- Tumorfreiheit des Schnittrandes nach HPV-bedingte anogenitale Vorerkran- schen Tumorbefundes unter Sprei- OP, Grad der Entdifferenzierung und kungen, andere sexuell übertragbare zung der Nates nicht oder nicht voll- Ausmaß der betroffenen Zirkumferenz Infektionen und rezeptiver Analver- ständig gegeben ist. des Analkanals. kehr. Epidemiologisch besteht das Analrandkarzinome sind unter Sprei- höchste Risiko für die Entwicklung zung der Nates makroskopisch voll- EPIDEMIOLOGIE eines Analkarzinoms bei HIV-positiven ständig sichtbar und liegen mit ihrem Trotz differenter ICD-Kodierung be- MSM (>100-fach erhöhtes Risiko im überwiegenden Gewebeanteil inner- schränken sich die Angaben zur Häu- Vergleich zur Allgemeinbevölkerung). halb eines Radius von 5 cm um die figkeit meist auf das Analkanalkarzi- Auch eine HIV-Infektion stellt einen Linea anocutanea. nom. Hier wird in der westlichen Welt Risikofaktor für die Erkrankung dar. eine Inzidenz von 1 bis 2 pro 100.000 Ursächlich scheint der Zusammen- hang mit der Immunfunktion zu sein. So zeigt sich auch für organtransplan- tierte Patient*innen im Vergleich zu Immunkompetenten ein vielfach er- höhtes Risiko für HPV-assoziierte ano- genitale intraepitheliale und invasive Neoplasien, einschließlich AIN (Anal- karzinom in situ) und des Analkarzi- noms. Weiterhin ist Nikotinabusus ein unabhängiger Risikofaktor für die Ent- wicklung von Analkarzinomen. Die 1-Jahres-Überlebensrate bei Anal- kanalkarzinomen liegt in Europa bei 81% und die 5-Jahres-Überlebensrate bei 56%. Keine verlässlichen Daten zu den überlebensbezogenen Endpunk- ten gibt es in Abhängigkeit vom HIV- Infektionsstatus und der Suffizienz der antiretroviralen Therapie. SCREENING Die Leitlinie empfiehlt allen HIV-nega- Tab 1 TNM-Klassifikation des Analkarzinoms nach AJCC 2017 1, 8. Edition tiven Personen mit erhöhtem Risiko, 20 HIV&more 1/2021
FORTBILDUNG – NEUE LEITLINIE logie-Screenings für HG-AIN/Analkar- zinom sind zufriedenstellend. Deshalb sind wie beim Pap-Screening der Zervix wiederholte Abstriche in regel- mäßigen Intervallen sowie die HRA mit Biopsie bei auffälligen zytologi- schen Befunden indiziert. DIAGNOSTIK BEI VERDACHT Tab 2 Stadieneinteilung des Analkarzinoms nach AJCC 2017 , 8. Edition 1 Zur Diagnostik gehören eine ausführ- liche Anamnese einschließlich der Ab- also Frauen mit HPV-bedingten geni- ety (EACS)-Leitlinie 2019 empfiehlt klärung von Risikofaktoren wie Im- talen Dysplasien/Karzinomen (Vulva, ein Analkarzinom Screening alle 1-3 mundefizienz einschließlich HIV-Infek- Vagina, Zervix) in der Anamnese, Jahre für HIV-positive MSM und für tion, rezeptiver Analverkehr, Vorer- Organtransplantierten und sonstige HIV-positive Patient*innen mit HPV- krankungen mit HPV-assoziierten erheblich immunkompromittierten bedingten Dysplasien wie AIN, PIN, anogenitalen Läsionen und Nikotin- Patient*innen sowie MSM (Männer, die CIN, VAIN, und VIN in der Anamnese, abusus. Bei der notwendigen Ganzkör- Sex mit Männern haben) mit Angabe wobei diese Empfehlung als Experten- peruntersuchung sollte ein besonde- von rezeptivem Analverkehr mit häu- meinung eingestuft ist. rer Fokus auf die Analregion und die fig wechselnden Partnern, mindestens Screening-Methoden sind neben der Leistenlymphknoten gelegt werden. alle 36 Monate eine Screening-Unter- Inspektion, die digitale rektale Unter- Standard sind die proktologische Un- suchung zur Detektion inzidenter suchung, die Analzytologie, der HR- tersuchung inkl. digital-rektaler Unter- Analkarzinome und ihrer Präkanzero- HPV-Nachweis sowie die Proktoskopie suchung, Proktoskopie, ggf. Rektosko- sen anzubieten. oder hochauflösende Anoskopie pie, ggf. analer Endosonographie und Bei HIV-positiven Patient*innen soll (HRA) ggf. mit Biopsie-Entnahme. Als ggf. Kolposkopie. Eine histopatholo- dies einmal jährlich erfolgen. Es gibt Goldstandard gilt die HRA mit ge- gische Diagnosesicherung ist anzu- bisher keine abgeschlossenen pro- zielter Biopsie suspekter Läsionen streben. Bei Verdacht auf ein Anal- spektiven randomisierten kontrollier- nach Gewebefärbungen mit Essig- randkarzinom von bis zu 2 cm Durch- ten Studien die zeigen, dass durch säure und Lugol’scher. In Deutschland messer ohne Infiltration des Screening-Untersuchungen für Risiko- steht die HRA jedoch nicht flächen- Sphinkterapparats oder benachbarter gruppen die Inzidenz des Analkarzi- deckend zur Verfügung, deshalb emp- Organe, sollte bereits zum Zeitpunkt noms gesenkt werden kann. In einer fiehlt die Deutsch-Österreichischen der Diagnosesicherung eine therapeu- kürzlich publizierten, nicht-randomi- Leitlinie „Anale Dysplasien und Anal- tische R0-Exzision mit Sicherheitsab- sierten retrospektiven Beobachtungs- karzinom bei HIV-Infizierten: Präven- stand von 0,5 cm angestrebt werden. studie konnte jedoch in einer prospek- tion, Diagnostik, Therapie“ für HIV- Bei Verdacht auf ein Analkanalkarzi- tiven Kohorte von über 3.000 HIV-po- positive Patient*innen einmal pro Jahr noms von bis zu 2 cm Durchmesser sitiven Männern und Frauen gezeigt Inspektion, Palpation und Analzytolo- ohne Sphinkterinfiltration und guter werden, dass ein Analzytologie-Scree- gie. Bei Hochrisiko-Patient*innen Mobilität kann bereits zum Zeitpunkt ning, gefolgt von HRA mit gezielter (Patient*innen mit Kondylomen, HPV- des Verdachtes die komplette Läsion Biopsie bei auffälligen Zytologie- assoziierten Dysplasien oder Analkar- als Exzisionsbiopsie mit einem Sicher- Befunden, die Inzidenzrate invasiver zinom in der Anamnese oder gegen- heitsabstand von 0,5 cm entfernt wer- Analkarzinome bei gescreenten im wärtig) wird direkt beim ersten Be- den. (Dies ist jedoch ausgesprochen Vergleich zu nicht gescreenten Per- such und dann alle 3 Jahre eine HRA selten und nur denkbar bei Patienten, sonen signifikant senken konnte (Inzi- empfohlen. bei denen das Analkanalkarzinom im denzrate 21,9 versus 107,0 pro 100.000 Weder die Sensitivität und Spezifität Bereich eines Hämorrhoidal-/Analpro- Personenjahre; adjusted Hazard Ratio noch negativer und positiver prädik- laps auftritt, sodass dieses mit 0,5 cm 0,17). Die European AIDS Clinical Soci- tiver Wert eines einmaligen Analzyto- Abstand reseziert werden kann.) HIV&more 1/2021 21
IMPRESSUM FORTBILDUNG – NEUE LEITLINIE Zur Detektion lokoregionärer Lymph- Patient*innen mit Analkanalkarzinom Wissenschaftlicher Beirat Prof. Johannes Bogner, München knotenmetastasen soll eine MRT des mit einem Durchmesser
FORTBILDUNG – NEUE LEITLINIE tion, reduzierte Strahlendosis, ver- längerte Applikationsintervalle der Radiochemotherapie, Verzicht auf Mitomycin, ggf. frühzeitige Infektpro- phylaxen bereits vor Einleitung der Radiochemotherapie). Das jeweilige therapeutische Vorge- hen soll in enger Absprache zwischen HIV-Behandler*in, Onkologie, Radio- onkologie und Chirurgie unter Berück- sichtigung der Patientenwünsche Legende: Untersuchungen in Klammern sind für Patient*innen mit erhöhtem Risiko empfohlen. Dies umfasst erfolgen und ist bei Änderung des alle Patient*innen mit Analkarzinom ab Stadium IIB sowie stadienunabhängig alle HIV-positiven und anderwei- tig immunkompromittierten Patient*innen. Zustandes jeweils neu zu überdenken. 1 gilt ab Stadium IIA, für Analrandkarzinome nach Radiochemotherapie und für Analkanalkarzinome unabhängig von der primären Therapie. *CAVE: Die PET-Untersuchung ist im Rahmen der Diagnostik bei Analkarzinomen nicht Gegenstand des Leis- HPV-IMPFUNG tungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung (Kostenübernahme nicht gesichert). Eine therapeutische Wirkung der pro- Tab 3 Nachsorgeuntersuchungen bei Patient*innen mit Analkarzinom nach erfolgreichem Therapie- phylaktischen Impfstoffe bei bereits abschluss einer Behandlung in kurativer Intention vorliegenden HPV-Infektionen bzw. bei bereits vorhandenen HPV-be- Schutz vor zukünftigen, bisher nicht rektale Untersuchung, Proktoskopie) dingten Läsionen ist bisher in kontrol- stattgehabten Infektionen mit durch 11 Wochen, 18 Wochen und 26 Wochen lierten Studien nicht nachgewiesen. die Impfung abgedeckten HPV-Typen nach Beginn der Radiochemotherapie Darüber hinaus lassen auch theore- zu bewirken. Ein solche Impfung ist erfolgen. Die Indikation zur Durchfüh- tische Überlegungen zum Wirkmecha- off-label, d.h. die Patient*innen sind rung weiterführender Diagnostik nismus der Impfung keinen Effekt der darüber aufzuklären, dass es sich um (Gewebeprobe mit histopatho- prophylaktischen HPV-Impfstoffe bei eine Maßnahme handelt, die nach ak- logischer Untersuchung, weiterfüh- bereits vorliegenden Läsionen erwar- tueller klinischer Studienlage keinen rende Bildgebung) soll bei Verdacht ten. Eine 2018 publizierte kontrollierte therapeutischen Nutzen bezüglich des auf einen residuellen lokalen Tumor Phase-3-Studie an HIV-positiven Pa- Analkarzinoms und auch keinen (stabiler Befund, reduzierter, aber per- tienten, die 27 Jahre oder älter waren, Nutzen hinsichtlich einer Prophylaxe sistierender Lokalbefund) frühestens wurde vorzeitig gestoppt, da der qua- zukünftiger sonstiger HPV-assoziierter 26 Wochen nach Beginn der kombi- drivalente Impfstoff weder neue per- anogenitaler Läsionen hat. nierten Radiochemotherapie gestellt sistierende anale Infektionen verhin- werden. derte, noch einen Einfluss auf auffäl- NACHSORGE Dr. Franz Mosthaf lige anale zytologische Befunde oder Die Nachsorge beginnt unabhängig Kriegsstraße 236 · 76135 Karlsruhe auf histologisch bestätigte hochgradi- vom Krankheitsstadium mit erfolg- www.Onkologie-ka.de ge AIN (bHSIL, high grade squamous reichem Abschluss einer Behandlung Literatur: intraepithelial lesion on histologic ana- in kurativer Intention. Nach primärer https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlini- lysis of anal biopsies) hatte. Zur Wir- Radiochemotherapie beginnt sie nach en/analkarzinom/ https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guideli- kung der prophylaktischen HPV-Impf- Feststellung einer vollständigen loko- nes/hiv-assoziiertes-analkarzinom/@@guideline/html/ stoffe bei Patienten mit invasivem regionalen Remission (und somit 26 index.html Analkarzinom gibt es bisher keine Stu- Wochen nach Beginn der Behandlung) dien. Daher soll eine HPV-Impfung mit und beinhaltet Anamnese sowie kli- dem Ziel eines therapeutischen Nut- nisch-instrumentelle und bildgebende zens im Rahmen der Behandlung des Untersuchungen. Analkarzinoms nicht erfolgen. Zur Response-Evaluation nach kom- Im Einzelfall kann man die HPV-Imp- binierter Radiochemotherapie soll fung erwägen, um dadurch einen eine klinische Untersuchung (digital- HIV&more 1/2021 23
Sie können auch lesen