KLEINE FÄCHER: PERSPEKTIVEN ERÖFFNEN, ZUKUNFT GESTALTEN! - Bilanz und Ausblick Die Kleine Fächer-Wochen an deutschen Hochschulen und der ...

 
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KLEINE FÄCHER:
               PERSPEKTIVEN
               ERÖFFNEN, ZUKUNFT
               GESTALTEN!

Die Kleine Fächer-Wochen an deutschen Hochschulen
und der Nachwuchswettbewerb „Kleine Fächer: Sichtbar innovativ!“

Bilanz und Ausblick
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KLEINE FÄCHER:
               PERSPEKTIVEN
               ERÖFFNEN, ZUKUNFT
               GESTALTEN!

Die Kleine Fächer-Wochen an deutschen Hochschulen
und der Nachwuchswettbewerb „Kleine Fächer: Sichtbar innovativ!“

Bilanz und Ausblick

                                                                   3
KLEINE FÄCHER: PERSPEKTIVEN ERÖFFNEN, ZUKUNFT GESTALTEN! - Bilanz und Ausblick Die Kleine Fächer-Wochen an deutschen Hochschulen und der ...
Liebe Leserinnen und Leser,                                                 Sehr geehrte Damen und Herren!

                                             die Kleinen Fächer sind wertvolle Elemente der deutschen Hochschul-        Das BMBF engagiert sich seit vielen Jahren für die Förderung der Kleinen
                                             landschaft. Mit ihren vielfältigen Inhalten und Methoden weiten sie un-    Fächer. Im Koalitionsvertrag unserer Bundesregierung sind die Kleinen
                                             seren Blick auf aktuelle Fragestellungen und eröffnen neue Perspektiven    Fächer explizit genannt. Wir fördern herausragende Einzel- und Nach-
                                             auf vermeintlich Altbekanntes. Mit ihrer Forschungsexzellenz verfügen      wuchsforschung sowie regionale und internationale Verbünde in den
                                             sie über hohes Innovationspotenzial und können die Profilbildung der       Kleinen Fächern. Es wurden mehrere bundesweite Kartierungen der Klei-
                                             Hochschulen entscheidend unterstützen.                                     nen Fächer durch die Mainzer Arbeitsstelle angestoßen und damit die
                                                                                                                        Grundlage für wichtige hochschulstrategische Zukunftsentscheidungen
                                             Ihre Flexibilität macht die Kleinen Fächer zu starken Partnern im inter-   gelegt. Mehr als 150 Kleine Fächer prägen und bereichern heute unsere
                                             disziplinären Dialog. Auf innovative Weise verknüpfen sie spezifische      deutsche Hochschullandschaft. Mehr als zwei Drittel davon gehören zu den
                                             Forschungsinhalte mit Fragen von gesamtgesellschaftlicher Relevanz.        Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften. Die Kleinen Fächer leisten einen
                                             Gerade durch ihre besonderen Perspektiven tragen sie zur Bewältigung       wesentlichen Beitrag zur Vielfalt von Perspektiven. Sie ermöglichen eine
                                             aktueller Herausforderungen bei.                                           komplexere und differenziertere Sicht auf unsere Gesellschaft und globale
                                                                                                                        Zusammenhänge über den nationalen Tellerrand hinaus.
                                             Kleine Fächer leisten also Großes. Das Bewusstsein hierfür noch stärker
                                             zu schärfen – dafür engagiert sich die Hochschulrektorenkonferenz seit     Die Kleinen Fächer treten heute stärker und selbstbewusster auf gegenüber
                                             vielen Jahren. Mit der Initiative „Kleine Fächer-Wochen an deutschen       den großen Fächern. Sie gehen aufeinander zu, verbünden sich, schmieden
                                             Hochschulen“ haben wir uns gemeinsam mit dem Bundesministerium für         Kooperationen über Standorte und Fachgrenzen hinweg. Sie alle wissen:
    Prof. Dr. Peter-André Alt                                                                                           Die Dynamik ist groß. Davon profitiert unsere Hochschullandschaft –            Thomas Rachel, MdB
    Präsident der                            Bildung und Forschung dafür eingesetzt, die Potenziale Kleiner Fächer                                                                                     Parlamentarischer Staatssekretär
                                             sichtbar und erfahrbar zu machen, sowohl hochschulintern als auch in-      national und international. Die Kleine Fächer-Wochen der HRK und der
    Hochschulrektorenkonferenz                                                                                          Nachwuchswettbewerb „Kleine Fächer: Sichtbar innovativ!“, die wir als          im Bundesministerium
                                             nerhalb der Wissenschaftslandschaft und der allgemeinen Öffentlichkeit.                                                                                   für Bildung und Forschung
                                             Deutschlandweit profitierten 17 Projekte an 26 Hochschulstandorten von     Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 1,1 Mio. Euro unter-
                     unserem Förderangebot und machten mit vielfältigen Veranstaltungsformaten auf sich aufmerk-        stützen, haben eindrucksvoll gezeigt, welchen starken Beitrag diese zur
                     sam. Dabei knüpften sie an aktuelle Fragestellungen an und traten in den Dialog: innerhalb ihrer   Hochschullandschaft vor Ort leisten. Klar ist: Im Rahmen der verfassungsmäßigen Zuständigkeiten
                     Institutionen, aber auch mit Bürgerinnen und Bürgern, mit der Politik und ganz besonders auch      sind hier als erste die Länder und Hochschulen in ihrer Verantwortung gefragt.
                     mit Schülerinnen und Schülern – den Studienanfängern von morgen.                                   In dem bis 2025 laufenden Rahmenprogramm für die Geistes- und Sozialwissenschaften „Gesell-
                                                                                                                        schaft verstehen – Zukunft gestalten“ spielen Kleine Fächer weiterhin eine wichtige Rolle. Dieses
                      An den Erfolg der Kleine Fächer-Wochen schließt der Nachwuchswettbewerb „Kleine Fächer:           Rahmenprogramm legt einen Schwerpunkt auf die gesellschaftliche Bedeutung der Geistes- und
                      Sichtbar innovativ!“ an. Im Rahmen dieser Initiative haben wir 19 Projekte aus 18 Kleinen         Sozialwissenschaften. Sie generieren Wissen, das wir brauchen, um die gesellschaftlichen Herausfor-
                      Fächern gefördert, die jungen Forschenden die Gelegenheit boten, neue Kommunikations- und         derungen zu bewältigen. Für eine resiliente Gesellschaft sind die Geistes- und Sozialwissenschaften
                      Vernetzungsstrategien zu erproben. Vielfältige digitale Angebote sind durch die Förderung ent-    unverzichtbar. Gerade die Kleinen Fächer haben hier vieles einzubringen in die Debatten, die
                      standen, darunter Blogs und Online-Portale, sowie Podcasts und Videoreihen, die interaktiv auf    Bürgerinnen und Bürger in Deutschland bewegen: zum Umgang mit Krisen und Konflikten, Digi-
                      die Besonderheiten Kleiner Fächer aufmerksam machen. Darüber hinaus stärkte das Programm          talisierung und Globalisierung, zum gesellschaftlichem Zusammenhalt, zu den Herausforderungen
                      bestehende Nachwuchsnetzwerke und unterstützte die Gründung neuer Vernetzungsinitiativen.         durch zunehmenden Nationalismus und die Frage nach der eigenen Identität und unserer Zukunft.

                      So vereinen beide Initiativen Handlungsfelder, die für den Erhalt der Kleinen Fächer von beson-   Die Bedeutung und die Sichtbarkeit der Kleinen Fächer haben in den vergangenen Jahren deutlich
                      derer Bedeutung sind und für die sich die Hochschulrektorenkonferenz sich seit vielen Jahren      zugenommen, nicht zuletzt, weil Wissenschaftskommunikation in den Kleinen Fächern großge-
                      engagiert: Vernetzung, Kommunikation und Nachwuchsförderung.                                      schrieben wird. Es gehört heute zum Kerngeschäft von Forschenden, mit Menschen außerhalb
                                                                                                                        der Wissenschaftscommunity in einen Dialog einzutreten: über die eigenen Forschungsfragen und
                      Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre!                                                         Methoden, über Ergebnisse und die Bedeutung von Wissenschaft für unsere Gesellschaft. Gerade
                                                                                                                        junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben erkannt, dass wir hier einen Kulturwandel
                                                                                                                        brauchen: hin zu mehr Öffnung und mehr Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern. Ich bin
                                                                                                                        überzeugt: Beide Seiten profitieren davon. Die Kraft von Argumenten, die auf Wissen und Wissen-
                                                                                                                        schaft beruhen, ist stärker als der Populismus von Meinungen. Hier sollten die Kleinen Fächer noch
                                                                                                                        intensiver als bisher ihre Stimmen erheben.

                                                                                                                        Denn das macht nicht nur die Kleinen Fächer stärker. Das schafft Vertrauen in die Fähigkeit der Wis-
                                                                                                                        senschaft, Antworten auf Fragen unserer Gesellschaft zu finden – gerade in diesen Umbruchszeiten.

                                                                                                                        Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Lektüre!

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KLEINE FÄCHER: PERSPEKTIVEN ERÖFFNEN, ZUKUNFT GESTALTEN! - Bilanz und Ausblick Die Kleine Fächer-Wochen an deutschen Hochschulen und der ...
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    Karte der geförderten Projekte                                                            ......................................................................................................................................................................................................................................   8

    Faszinierende Vielfalt: Die Projekte der Kleine Fächer-Wochen                                                                                                                                                                                                                                                                 11                                                                                                                                           14        18
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              24
                                                                                                                                                                                                                  .............................................................................................................

    Die Vielfalt nutzen: Kleine Fächer für große Themen                                                                                                                      .................................................................................................................................................    12

    Wissenschaft zum Anfassen                                                       ..................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................    14
    Im Osten viel Neues                                 ...............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................   16
    Eine gute Welle für die Kleinen Fächer                                                                                  ...........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................   18             22
    Vom Sprechen über das Sprechen                                                                        .............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................   20        36
    Weltrettung mit Musik                                        ......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................   22
    Einfach nur zuhören: Eintauchen in ungeahnte Klangwelten                                                                                                                                                ...........................................................................................................................................................................................................................................................   24
    Ein unbekanntes Fach mit großer Mission                                                                                            ...............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................    26
    Die Nachtaktiven                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      28
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         28
                                             .........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

    Wenn die Studierenden etwas auf dem Kerbholz haben                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    30
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    30        34
                                                                                                                                                                                             .........................................................................................................................................................................................................................................................................

    Ein Tag nur für Neugierige                                                 .......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................    32
    Schwung für die ganze Universität                                                                        ..........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................   34
    Wenn die Studierenden auf einem Datenschatz sitzen                                                                                                                              ..................................................................................................................................................................................................................................................................................    36
    Flagge zeigen in einer Stadt im Wandel                                                                                      .......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................   38
    Ein Logenplatz für die Ränder                                                           ..........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................    40             32
    Brechen mit alten Klischees                                                    ...................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................    42        46        40
    Für den Nachwuchs an die Schule                                                                         ...........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................   44

    Den Blick auf die Zukunft: Chancen für den wissenschaftlichen Nachwuchs                                                                                                                                                                                         ...........................................................   47

    Große Bühne für den Nachwuchs
    Nachwuchsprojekte „Kleine Fächer: Sichtbar innovativ!“
                                                                                                         .....................................................................................................................................................................................................................    48
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         38
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    44
    Kontakte   ................................................................................................................................................................................................................................................................................................................   54
    Nachwuchsprojekte „Kleine Fächer: Sichtbar innovativ!“

    „Es macht Freude zu sehen, was alles entstanden ist“                                                                                                                            ...........................................................................................................................................   56
    Dr. Inken Rabbel, Hochschulrektorenkonferenz

    Weiterführende Informationen                                                              ................................................................................................................................................................................................................................    58
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               42        46
6                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  7
KLEINE FÄCHER: PERSPEKTIVEN ERÖFFNEN, ZUKUNFT GESTALTEN! - Bilanz und Ausblick Die Kleine Fächer-Wochen an deutschen Hochschulen und der ...
PROJEKTE DER KLEINE FÄCHER-WOCHEN
                                                                                                                                                                                                                                                                                              Seite

    1    WeltWeitUnverzichtbar – Kleine Fächer für große Themen
         Westfälische Wilhelms-Universität Münster ......................................................................................................................................................................................................... 12

    2    Forschungsreisen auf Humboldts Spuren: Entdecke die Vielfalt der kleinen Fächer in Freiberg –
         Wie würde Alexander von Humboldt im digitalen Zeitalter die Welt entdecken und vermessen?
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       16
         Technische Universität Bergakademie Freiberg ................................................................................................................................................................................................ 14                                                                                   6

    3    Osteuropastudien in Brandenburg
         Verbundprojekt unter Federführung der Universität Potsdam .................................................................................................................................................... 16

    4    auditorium maximum: Kleine Fächer-Wochen an der FAU
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                6
         Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg ................................................................................................................................................................................. 18
    5    Kleine Fächer-Wochen Sprechwissenschaft unter dem Motto                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 6             3
         „miteinander sprechen – verantwortlich, kompetent, reflektiert“                                                                                                                                                                                                                                                                                               6   3
         Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg ........................................................................................................................................................................................................ 20

    6    Musiktherapie im Spannungsfeld gesellschaftlicher Herausforderungen –
         ein Verbundprojekt zu Lehre, Forschung und Praxis                                                                                                                                                                                                                                                      1                                        17
         Verbundprojekt unter Federführung der SRH Hochschule Heidelberg ............................................................................................................................ 22

    7    Chancen der Musikpädagogik. Ganz. Ohr. Sein. Kompetenz Hören als Schlüssel zur Musik                                                                                                                                                                                                                                                                 17
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   5
         Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim ............................................................................................................................................................. 24
         Biomathematik: Mathematik für das Leben                                                                                                                                                                                                                                                                                                         17
    8
         ´Hochschule Koblenz ............................................................................................................................................................................................................................................................................. 26                                                                        2
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  12
    9    Großes Potential! Die Kleinen Fächer der Goethe-Universität Frankfurt
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              15
         Goethe Universität Frankfurt ...................................................................................................................................................................................................................................................... 28

    10   #explorer4aday #explorer4aweek: Alltag in den Kleinen Fächern der Altertums-                                                                                                                                                                                                                           8
         und Geschichtswissenschaften                                                                                                                                                                                                                                                                                         9                                                Nachwuchsprojekte
         Johannes Gutenberg-Universität Mainz ..................................................................................................................................................................................................................... 30                                                                                                         „Kleine Fächer:
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    10                              4                          Sichtbar innovativ!“
    11   Kleine Fächer – Große Potenziale                                                                                                                                                                                                                                                                                               6                                      (S. 48–53)
         Otto-Friedrich-Universität Bamberg ................................................................................................................................................................................................................................. 32

    12   Die weite Welt vor Ort. Der Beitrag der Kleinen Fächer zur Internationalisierung
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              7                         11
         der Philipps-Universität Marburg
         Philipps-Universität Marburg ..................................................................................................................................................................................................................................................... 34                                    6
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         13
    13   Technikgeschichte des Kernforschungszentrums Karlsruhe:                                                                                                                                                                                                                                                                                             14
         Nukleare Entsorgung und Strahlenschutz
         Karlsruher Institut für Technologie ..................................................................................................................................................................................................................................... 36

    14   Andere Zeiten | Andere Räume
         Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt ......................................................................................................................................................................................................... 38                                                                                  6

    15   Europa – EinBlick von den Rändern
         Justus-Liebig-Universität Gießen .......................................................................................................................................................................................................................................... 40

    16   Wissenswerte. Kleine Fächer – sichtbar – vernetzt.
         Universität Hamburg ............................................................................................................................................................................................................................................................................. 42

    17   168 Stunden Bioinformatik
         Verbundprojekt unter Federführung der Martin-Luther-Universität Halle Wittenberg .............................................................................. 44

8                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     9
KLEINE FÄCHER: PERSPEKTIVEN ERÖFFNEN, ZUKUNFT GESTALTEN! - Bilanz und Ausblick Die Kleine Fächer-Wochen an deutschen Hochschulen und der ...
FASZINIERENDE
     VIELFALT:
     Die Projekte
     der Kleine Fächer-Wochen

     In 17 Projekten zeigten die Kleinen Fächer während des Wintersemesters
     2019/20, was in ihnen steckt. So unterschiedlich die Fächer und
     die Projekte auch sind – alle haben die gleichen Ziele: die vielfältigen
     Studienmöglichkeiten und Forschungsfelder vorstellen, Perspektiven
     für Absolventinnen und Absolventen aufzeigen sowie Austausch und
     Vernetzung fördern.

10                                                                              11
KLEINE FÄCHER: PERSPEKTIVEN ERÖFFNEN, ZUKUNFT GESTALTEN! - Bilanz und Ausblick Die Kleine Fächer-Wochen an deutschen Hochschulen und der ...
GEISTESWISSENSCHAFTEN

     DIE VIELFALT NUTZEN:
     KLEINE FÄCHER FÜR GROSSE
     THEMEN
                                                                                                                                                                                            Steckbrief
     Die Kleinen Fächer an der Universität Münster haben viel Erfahrung mit Gemeinschaftsprojekten. Bei den                   Mehr als 20 von ihnen sind an den Kleine Fächer-Wochen
                                                                                                                              in Münster beteiligt; sie knüpfen damit an Kooperationsbe-    Projekttitel: WeltWeitUnverzichtbar – Kleine Fächer
     Kleine Fächer-Wochen knüpften sie daran an – mit dem erklärten Ziel, den gesellschaftlichen Diskurs zu                                                                                 für große Themen
     bereichern. Im Mittelpunkt standen dabei drei große Problemfelder der Gegenwart.                                         mühungen an, die schon vor einiger Zeit begonnen haben.
                                                                                                                              Der Hintergedanke: Das Potenzial, das die ungewöhnliche       Beteiligte Hochschule: Westfälische Wilhelms-Universität Münster
                                                                                                                              Vielzahl an Fächern im geisteswissenschaftlichen Bereich      Beteiligte Fächer: Ägyptologie, Allgemeine Sprach­wissenschaften,
     Das Lieblingsobjekt von Achim Lichtenberger ist ein kleiner   Das Beispiel zeigt, dass sich die Kleinen Fächer an der
                                                                                                                              bietet, soll gehoben werden. Ein Exzellenzcluster mit dem     Alte Geschichte, Altorientalistik, Außereuropäische Geschichte,
     Topf aus dem Neolithikum, der jetzt im Archäologischen        Westfälischen Wilhelms-Universität Münster viel vorge-
                                                                                                                              Titel „Religion und Politik: Dynamiken von Tradition und      Byzantinistik, Christliche Archäologie, Gräzistik, Indogermanistik,
     Museum in einer Vitrine steht. Getreide haben die Men-        nommen haben: In einer gemeinsamen Ausstellung be-
                                                                                                                              Innovation“ gibt es schon vergleichsweise lange, an ihm       Islamische Theologie, Islamwissenschaft/Arabistik, Jüdische
     schen früher in diesem Keramikgefäß aufbewahrt, und           schäftigten sie sich mit den Themen „Kommunikation –
                                                                                                                              sind neben zahlreichen Kleinen Fächern auch mehrere           Studien, Klassische Archäologie, Koptologie, Kulturanthropologie/
     für den Professor für Klassische Archäologie ist es ein       Migration – Nachhaltigkeit“ – mithin einigen der größten
                                                                                                                              größere Disziplinen beteiligt. Hinzu kommen der inzwi-        Europäische Ethnologie, Lateinische Philologie des Mittelalters
     Zeitzeugnis für die „größte Revolution der Menschheit“,       Problemfelder der Gegenwart. „Probleme lösen können
                                                                                                                              schen ausgelaufene Sonderforschungsbereich „Kulturen          und der Neuzeit, Latinistik, Niederländische Philologie, Nordische
     wie er es nennt: die Sesshaftwerdung, in deren Zuge unter     wir nicht. Aber wir können eine komparatistische Ebene                                                                   Philologie, Religionswissenschaft, Sinologie, Ur- und Frühgeschichtliche
                                                                                                                              des Entscheidens“, ein interdisziplinärer Masterstudien-
     anderem die Landwirtschaft entstanden ist. „Dieser Pro-       einziehen, um zu zeigen, wie gegenwärtige Fragestellun-                                                                  Archäologie, Vorderasiatische Archäologie, Zypern-Institut
                                                                                                                              gang über antike Kulturen, an dem sich viele Kleine Fächer
     zess hat im alten Orient seinen Anfang genommen und           gen in anderen Kulturen und anderen Zeiten behandelt
                                                                                                                              beteiligen – und das Netzwerk Archäologie diagonal, an        Zielgruppen: Hochschulöffentlichkeit, allgemeine Öffentlichkeit,
     kam durch Migration bis nach Westfalen“, sagt er und          wurden“, sagt Achim Lichtenberger, der neben seiner
                                                                                                                              dem zehn Institutionen beteiligt sind, von der Forschungs-    Schülerinnen und Schüler, Studieninteressierte, Studierende
     deutet auf den Topf: „An diesem Objekt kann man sehr          Professur auch Direktor des Archäologischen Museums
                                                                                                                              stelle Antike Numismatik über das Institut für Byzantinis-
     schön zeigen, dass Migration in erster Linie mit Innovati-    ist und die Kleine Fächer-Wochen in Münster koordiniert.
                                                                                                                              tik und Neogräzistik bis zum Institut für Interdisziplinäre
     onen verbunden ist!“                                          Hinzu komme: „Die Fragestellungen lassen sich besser                                                                                   Kern der Kleine Fächer-Wochen in Münster
                                                                                                                              Zypernstudien.
                                                                   verstehen, wenn man die breitere kulturgeschichtliche                                                                                  war die Ausstellung „WeltWeit.Unverzichtbar“
                                                                   Einbettung sieht. Da ergänzen sich die historischen wie                                                                                im Archäologischen Museum der Universität.
                                                                                                                              Bei den Kleine Fächer-Wochen konnten die Beteiligten
                                                                   auch die gegenwartsbezogenen Kleinen Fächer sehr gut.“                                                                   Rund 20 geistes- und kulturwissenschaftlich orientierte Kleine
                                                                                                                              also an rege Vorarbeiten anknüpfen. Ihr Ziel dabei war
                                                                                                                              es, den Beitrag der Kleinen Fächer zu wichtigen gegen-        Fächer arbeiteten darin die Themen Kommunikation, Migra-
                                                                                                                              wärtigen Fragestellungen in die Öffentlichkeit zu trans-      tion und Nachhaltigkeit auf. Das Begleitprogramm umfasste
                                                                                                                              portieren. Bedeutsam sei aber noch ein weiteres Ergebnis      Informationsveranstaltungen, Schülerführungen und ein Kleine
                                                                                                                              der engen Zusammenarbeit, bilanziert die Ägyptologin          Fächer-Café.
                                                                                                                              Angelika Lohwasser, die als Mitorganisatorin beteiligt
                                                                                                                              war: „Es sind eine ganze Reihe von Verbindungen quer                                  Kontakt:
                                                                                                                              durch die Universität entstanden – das ist eine wirklich                              Prof. Dr. Achim Lichtenberger
                                                                                                                              nachhaltige Wirkung!“                                                                 Institut für Klassische Archäologie
                                                                                                                                                                                                                    und Christliche Archäologie/
                                                                                                                                                                                                                    Archäologisches Museum
                                                                                                                                                                                                                    Westfälische Wilhelms-Universität Münster
                                                                                                                                                                                                                    lichtenb@uni-muenster.de

12                                                                                                                                                                                                                                                         13
KLEINE FÄCHER: PERSPEKTIVEN ERÖFFNEN, ZUKUNFT GESTALTEN! - Bilanz und Ausblick Die Kleine Fächer-Wochen an deutschen Hochschulen und der ...
Der zweite Teil des Programms stand ebenfalls im Zei-
                                                                                                                               chen von Messungen – und von historischen Erkundun-
                                                                                                                               gen: Ein Geocaching-Programm haben die Experten aus
                                                                                                                               dem Markscheidewesen gemeinsam mit dem Institut für
                                                                                                                               Technikgeschichte erarbeitet, in dem die Schülerinnen          Steckbrief
                                                                                                                               und Schüler auf den Spuren Humboldts durch Freiberg
                                                                                                                               unterwegs waren: Wo hatte er gewohnt? Wo steht das             Projekttitel: Forschungsreisen auf Humboldts Spuren:
                                                                                                                               Denkmal des Mineralogen Abraham Gottlob Werner, der            Entdecke die Vielfalt der kleinen Fächer in Freiberg –
                                                                                                                               den jungen Humboldt damals im Markscheidewesen un-             Wie würde Alexander von Humboldt im digitalen
                                                                                                                                                                                              Zeitalter die Welt entdecken und vermessen?
                                                                                                                               terrichtete? Wo erstrecken sich die Alten Halden, wie
                                                                                                                               sieht das Grubenfeld im Untergrund von Freiberg aus?           Beteiligte Fächer: Geochemie, Geophysik,
                                                                                                                               Mit modernen Hilfsmitteln mussten die Schüler in kleinen       Industriearchäologie, Markscheidewesen/Geodäsie,
                                                                                                                               Gruppen diese Stationen finden und dort jeweils einige         Mineralogie, Petrologie
      FACHÜBERGREIFEND
                                                                                                                               Aufgaben lösen, die sie dann wiederum zum nächsten             Zielgruppe: Journalistinnen und Journalisten,
                                                                                                                               Ort lotsten. Wer diese Rätsel erfolgreich bestand, bekam       Schülerinnen und Schüler

     WISSENSCHAFT ZUM
                                                                                                                               am Schluss den Zugang zum interaktiven 3D-Modell eines
                                                                                                                               Freiberger Schachts, in dem man virtuell die Unterwelt                        Als Forschungsreise konzipierten die
                                                                                                                               erkunden kann.                                                                Organisatorinnen und Organisatoren das

     ANFASSEN                                                                                                                  Das Erfolgsrezept dieser Forschungsreise nach Freiberg
                                                                                                                               liegt in mehreren Aspekten, so bilanzieren die Veranstalter:
                                                                                                                                                                                                             Programm, das sie für Oberstufenklassen
                                                                                                                                                                                              aus dem ganzen Bundesgebiet auf die Beine stellten:
                                                                                                                                                                                              Einige Tage lang erkundeten die Teilnehmerinnen und
                                                                                                                               Zum einen waren die Schülergruppen, die die Reise voll-        Teilnehmer in Freiberg die Inhalte und die beruflichen
     Die TU Bergakademie Freiberg lud Schülerinnen und Schüler aus dem ganzen Bundesgebiet dazu ein, in die                    ständig finanziert bekamen, hochmotiviert – „ich bin be-       Perspektiven in Kleinen Fächern, die viele zuvor nicht
     Wissenschaft einzutauchen. „Forschungsreise“ hieß das Programm, bei dem besonders die Kleinen Fächer                      geistert davon, wie engagiert die Teilnehmenden waren“,        einmal dem Namen nach kannten. Zum Angebot ge-
     im Mittelpunkt standen.                                                                                                   sagt Benndorf im Rückblick. Zum anderen verknüpften            hörte auch eine Reise für Journalistinnen und Journalis-
                                                                                                                               sie die Werbung für konkrete Studienfächer mit einem           ten, die vor Ort über ausgewählte Kleine Fächer vor al-
                                                                                                                               Überblick über die Universität und andere Disziplinen,         lem aus dem Bereich des Bergbaus und ihre Bedeutung
     Die Resonanz war bemerkenswert: 42 Schulklassen bewar-       Eines davon ist auch das Markscheidewesen, für das Jörg
                                                                                                                               die für Studieninteressierte ebenfalls in Frage kommen         in der heutigen Welt recherchieren konnten.
     ben sich in Freiberg, als die Wissenschaftler dort ganze     Benndorf den Ablauf verantwortete. „In unserer Diszi-
                                                                                                                               könnten. Außerdem haben sie Erfahrung damit, dass
     Klassen zu einer Forschungsreise einluden – „15 von ihnen    plin geht es darum, Hohlräume unter Tage wie Tunnel
                                                                                                                               auch bei eingeschränkter Teilnehmerzahl die Multiplika-
     haben wir dann ausgewählt, sie kamen aus dem ganzen          oder Bergbauschächte zu vermessen und sie in einen                                                                                                 Kontakt:
                                                                                                                               torenwirkung solcher Veranstaltungen größer ist, als man
     Bundesgebiet, zum Beispiel aus Baden-Württemberg und         räumlichen Bezug zur Welt über Tage zu setzen“, erläu-
                                                                                                                               denken könnte – allein wegen der engagierten Lehrkräfte,                              Prof. Dr. Gerhard Heide
     Hamburg“, sagt Jörg Benndorf, Professor für Geomonito-       tert Benndorf. Um diese Inhalte möglichst lebensnah zu                                                                                             Institut für Mineralogie
                                                                                                                               die vielfach begeistert wieder von der Forschungsreise
     ring und Markscheidewesen. Sechs Tage lang konnten die       vermitteln, führte er die Schülergruppe gemeinsam mit                                                                                              TU Bergakademie Freiberg
                                                                                                                               zurückkehrten. Und schließlich bereiteten die Freiberger
     Oberstufenschüler, von denen die meisten einen Physik-,      seinem Team zunächst theoretisch in die Koordinatensys-
                                                                                                                               Experten die Reise zwar überaus aufwendig vor, wählten                                gerhard.heide@
     Mathematik- oder Geographie-Leistungskurs belegten, in       teme ein, die mit ihren Längen- und Breitengraden auch                                                                                             mineral.tu-freiberg.de
                                                                                                                               dabei aber Formate, die sich problemlos auch in Zukunft
     die Geheimnisse der Natur- und Ingenieurwissenschaften       unter der Erde die Grundlage für die Messungen bilden.
                                                                                                                               verwenden lassen können. Das Geocaching zum Beispiel
     eintauchen. Zwei Ziele verfolgten die Veranstalter von der   Und anschließend fuhren sie gemeinsam ins Lehrbergwerk
                                                                                                                               ist weiterhin im Einsatz, darauf basiert inzwischen eine
     TU Bergakademie Freiberg damit: Zum einen wollten sie        der TU Freiberg ein – „für viele der Schülerinnen und
                                                                                                                               historische Stadtrallye.
     den sächsischen Studienort vorstellen – und zum anderen      Schüler war das der erste Aufenthalt in einem Bergwerk
     gezielt für Kleine Fächer werben, die so selten sind, dass   überhaupt, allein das schon war für sie begeisternd“, sagt
     die meisten Schülerinnen und Schüler sie ohne diesen         Jörg Benndorf. Dort unten haben sie den Stollen eines
     Anstoß vermutlich nicht als denkbares Studienfach in Be-     stillgelegten Erzbergwerks vermessen. „Einmal hatten sie
     tracht ziehen würden.                                        dafür die Methoden zur Verfügung, mit denen Alexander
                                                                  von Humboldt bei seinem Aufenthalt in Freiberg vor fast
     Die Schulklassen durchliefen ein gemeinsames Akade-          250 Jahren gearbeitet hatte, also einen Gradbogen und
     mie-Programm, in dem sie Hintergründe zu Freiberg und        einen Hängekomposs“, erzählt Benndorf, „danach haben
     zur Universität kennenlernten – und wurden dann, je nach     sie die Messungen noch einmal mit einem hochmoder-
     selbstgewähltem Schwerpunkt, einem der Kleinen Fächer        nen, handgeführten 3D-Laserscanner durchgeführt und
     zugeordnet, für die sie sich besonders interessierten. Die   anschließend die Ergebnisse verglichen.“
     Forschenden aus diesen Disziplinen bereiteten ein de-
     tailliertes Programm vor, das Lust machen sollte auf ihr
     Kleines Fach.

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KLEINE FÄCHER: PERSPEKTIVEN ERÖFFNEN, ZUKUNFT GESTALTEN! - Bilanz und Ausblick Die Kleine Fächer-Wochen an deutschen Hochschulen und der ...
GEISTESWISSENSCHAFTEN

     IM OSTEN VIEL NEUES
     Die Lehrenden in den Osteuropastudien der Universität Potsdam und an der Europa Universität Viadrina in
     Frankfurt an der Oder arbeiten traditionell eng zusammen. Durch neue Formen wollten sie den Austausch
     weiter stärken – mit großem Nutzen für die Studierenden, aber auch für die Forschung.

                                                                                                                                   „ich selbst bin ein Kind der Perestroika“, sagt Werberger mit Blick auf
                                                                                                                                   ihr Studium während der Wendejahre, und heute sei das Fach zuneh-
                                                                                                                                   mend geprägt von Studierenden mit familiären Wurzeln in einem der
                                                                                                                                   mittel- oder osteuropäischen Länder. Trotzdem sei der Rückgang der
                                                                                                                                   Studierendenzahlen in den vergangenen Jahren spürbar: Groß sei zwar
                                                                                                                                   die Zahl derer, die von anderen Fächern aus einmal hereinschnuppern,
                                                                                                                                   aber eigene Masterstudierende, die sich auch auf den anspruchsvollen
                                                                                                                                   Spracherwerb einlassen, gebe es weniger. „Es gilt deswegen, auf die
                                                                                                                                   Förderung der Nachwuchses zu achten. Wissenschaft, Kultur, Wirtschaft
                                                                                                                                   und Politik benötigen gegenwärtig dringend Personen mit Osteuro-
                                                                                                                                   pa-Kompetenz und Absolventen finden ausgesprochen schnell Stellen
                                                                                                                                   und Jobs “, sagt Annette Werberger.

     Ihr Aha-Erlebnis hatte Annette Werberger bei einer Po-         Werberger, „aber im Bereich der Forschungszusammen-
     diumsdiskussion im Rahmen der Kleine-Fächer-Wochen:
     Da saß ein Student mit auf dem Podium, der eigentlich an
                                                                    arbeit etablieren wir gerade einige neue gemeinsame
                                                                    Projekte.“ Das Gleiche gilt für die Lehre: Bei den Kleine
                                                                                                                                      Steckbrief
     der Universität Potsdam eingeschrieben ist. „Er erzählte,      Fächer-Wochen gab es Schnupper-Sprachkurse, die üb-
                                                                                                                                      Projekttitel: Osteuropastudien in Brandenburg
     dass er regelmäßig zwischen Potsdam und Frankfurt an           licherweise nur an der jeweils anderen Universität ange-
     der Oder pendele, wenn es dort interessante Seminare           boten werden – so konnten die Frankfurter Studierenden            Beteiligte Hochschulen: Universität Potsdam, Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder
     oder Veranstaltungen gebe“, sagt Werberger. Sie selbst ist     einen Tag lang Jiddisch lernen, die Potsdamer wiederum            Beteiligte Fächer: Jüdische Studien, Slavistik (Belarussistik, Polonistik, Russistik, Ukrainistik)
     Professorin an der Viadrina in Frankfurt, lehrt über osteu-    Ukrainisch. „Für die nächsten Semester erwarte ich einen
                                                                                                                                      Zielgruppe: außeruniversitäre Bildungseinrichtungen, wissenschaftlicher Nachwuchs, allgemeine Öffentlichkeit,
     ropäische Literaturen – und war eine der Koordinatorinnen      spürbaren Effekt“, sagt Annette Werberger: Bei den Kleine
                                                                                                                                      Politik, Schülerinnen und Schüler, Studierende
     der Projekte, die die Osteuropa-Experten in Frankfurt an       Fächer-Wochen sollen den Studierenden gezielt die Au-
     der Oder und Potsdam bei den Kleine Fächer-Wochen              gen geöffnet werden für die Möglichkeiten, spezialisierte
     gemeinsam auf die Beine stellten.                              Seminare auch an der jeweils anderen Universität wahr-                           Die Osteuropa-Studiengänge an der Universität Potsdam und der Europa-Universität Viadrina
                                                                    zunehmen und anrechnen zu lassen.                                                setzen jeweils andere Schwerpunkte. Ziel des Projekts war, Lehre und Forschung besser zu
     Dass die Studierenden zwischen beiden Städten pendeln,                                                                                          verknüpfen, um somit das Land Brandenburg als Hotspot der Osteuropaforschung zu stärken.
     ist eine Entwicklung, von der Werberger in jüngster Zeit       „Osteuropastudien sind mehr als nur Slawistik“, betont Wer-       Zugleich sollten Berufsperspektiven vermittelt und der Forschungsgegenstand öffentlich sichtbarer gemacht
     öfter gehört hat. Das Semesterticket gilt in ganz Bran-        berger und weist damit auf die Vielseitigkeit der Regional-       werden. Dazu gab es 20 Veranstaltungen von Workshops über Podiumsdiskussionen und Lesungen bis hin
     denburg, das erleichtert die Reisen; vor allem aber ist es     studien hin. Bei der Viadrina gehört der Blick auf den Osten      zu Schulbegegnungen.
     inhaltlich spannend für alle, die sich in ihrem Studium        zum Gründungsauftrag; auch wenn sich die Zielregionen
     mit Osteuropa beschäftigen. Wegen der Zuschnitte der           in jüngster Zeit ein wenig verschieben. „Wir erweitern den                                  Kontakt:
     Professuren hat die Viadrina ihre Schwerpunkte in kultur-      ursprünglichen deutsch-polnischen und russischen Schwer-                                    Prof. Dr. Annette Werberger
     wissenschaftlich-historischen Zusammenhängen, während          punkt in Richtung Ukraine, Litauen, Belarus auch hin zum                                    Dekanin der kulturwissenschaftlichen Fakultät
     die Universität Potsdam eher philologisch interessierte Stu-   Sorbischen“, sagt Annette Werberger. Diese Änderungen                                       Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder
     dierende anlockt. „Die Zusammenarbeit ist schon länger         gehen einher mit einer Veränderungen in den gesamten                                        werberger@europa-uni.de
     recht eng, vor allem in der gemeinsamen Betreuung von          Osteuropastudien, die immer eine enge Parallele zur Politik
     Doktor- und Masterarbeiten in Kolloquien“, sagt Annette        aufwies – im Kalten Krieg bekam sie eine Schlüsselstellung,
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KLEINE FÄCHER: PERSPEKTIVEN ERÖFFNEN, ZUKUNFT GESTALTEN! - Bilanz und Ausblick Die Kleine Fächer-Wochen an deutschen Hochschulen und der ...
FACHÜBERGREIFEND

     EINE GUTE WELLE
     FÜR DIE KLEINEN FÄCHER
     Mit Schülerkontaktstudien, Führungen für Abiturientinnen und Abiturienten sowie einem ganz besonderen
     Flussfahrzeug weckte die FAU Erlangen-Nürnberg Lust auf das Studium von Kleinen Fächern.

     Die Idee zu dem Boot hatte Althistoriker Boris Dreyer          Die Erfahrungen aus diesen ersten Aktionen flossen nun in
                                                                                                                                                                                             Steckbrief
     schon vor einer ganzen Weile: „Ich wollte ein Römerboot        die Kleine Fächer-Wochen der Universität Erlangen-Nürn-                                                                  Projekttitel: auditorium maximum: Kleine Fächer-Wochen an
     bauen – diesen Gedanken trug ich lange mit mir herum“,         berg ein: „Wir suchen beständig nach Möglichkeiten, die                                                                  der FAU
     erzählt er. Dass aus dem spleenigen Traum des Althis-          Chancen nachhaltig zu nutzen, die das Boot bietet“, sagt
                                                                                                                                                                                             Beteiligte Hochschule: Friedrich-Alexander Universität Erlangen-
     torikers tatsächlich Wirklichkeit geworden ist, liegt an       Boris Dreyer. Nachhaltig bedeutet in diesem Fall, neue
                                                                                                                                                                                             Nürnberg
     einer besonderen Kooperation von Experten aus etlichen         Potenziale zu heben – und die vermeintliche Kluft zwi-
     Fächern an der Friedrich-Alexander-Universität Erlan-          schen Wissenschaft und Wissenschaftskommunikation zu         sogenannten Patrouillenboot die Rhein-Donau-Grenze          Beteiligte Fächer: Allgemeine Vergleichende Literatur-
     gen-Nürnberg, darunter auch mehrere Kleine Fächer: Seit        schließen. Bei den Kleine Fächer-Wochen ist das Team mit     überhaupt bewachen, wie griffen die Sicherungsmaß-          wissenschaft, Alte Geschichte, Arabistik, Buchwissenschaft,
     2018 schwimmt das 16 Meter lange Boot auf dem Wasser           dem Boot auf Tour gegangen, um auch Orte zu erreichen,       nahmen ineinander? Aber selbst Sportmediziner arbeiten      Christliche Archäologie, Computerlinguistik, Digitale
     – und wurde jetzt, im Rahmen der Kleine Fächer-Wochen,         wo es bislang nicht vor Anker gelegen hatte – ein größerer   mit dem Boot; sie helfen dabei, Erkenntnisse über die       Geisteswissenschaften, Ethik der Medizin, Islamische
                                                                                                                                 Schnelligkeit, die Wendigkeit des Fahrzeugs und die Aus-    Theologie, Japanologie, Klassische Archäologie, Klassische
     auf neue Art und Weise eingesetzt.                             Aufwand ist das, weil es für jeden Transport auf einen
                                                                                                                                 dauer der Ruderer herauszufinden. Und auch die Technik      Philologie, Kunstpädagogik, Osteuropäische Geschichte,
                                                                    speziellen Anhänger verladen werden muss. Ist es erst
                                                                                                                                 und Zusammensetzung der Bemalung (Enkaustik) wird           Paläontologie, Psychogerontologie, Sinologie, Theater- und
     Es ist ein imposanter Anblick, den das Boot bietet: Schmal     am Zielort angekommen, wirkt das Boot von ganz alleine:                                                                  Medienwissenschaften, Ur- und Frühgeschichte
     geschnitten ist es, offen und ohne Kabine oder Verdeck,        „Wir hatten dutzende Latein-, Geschichts- und andere         untersucht.
     dafür aber mit Bänken für 18 Ruderer. „Als unsere Univer-      Klassen aller Schultypen und jeden Alters zu Besuch“, sagt                                                               Zielgruppe: Hochschulöffentlichkeit, Lehrkräfte, allgemeine
     sität ihr 275. Jubiläum feierte, war das Boot eine ideale      Dreyer schmunzelnd – und für ihn und seine Kolleginnen       Das Römerboot war aber nicht die einzige Maßnahme,          Öffentlichkeit, Schülerinnen und Schüler, Studierende
     Möglichkeit, die Vielfalt der Fächer bei uns zu demonst-       und Kollegen ist es dann jedes Mal eine Gelegenheit, ihr     mit der die Kleinen Fächer an der Uni Erlangen-Nürn-
     rieren“, sagt Boris Dreyer im Rückblick: Mit Archäologen,      Fach ganz anders zu präsentieren, als es im Unterricht       berg im Rahmen der Kleine Fächer-Wochen aktiv war: Auf                     Ein ganzes Semester lang machten die beteiligten
     digitalen Graphikern, aber auch Strömungswissenschaft-         üblicherweise geschieht. Aber auch Vereine und Firmen        Schüler-Kontakt-Seminaren unterrichteten studentische                      Kleinen Fächer mit öffentlichkeitswirksamen
     lern und Vertretern aus anderen Ingenieurswissenschaften,      waren zu Gast: Geschichte zum Anfassen. Das Boot wurde       Tutoren in Schulen aus der Umgebung – und verteilten                       Aktionen auf sich aufmerksam. Im Zentrum
     aber auch organischen Chemikern und Wahrnehmungs-              und ist ein „Botschafter der Universität in die Region und   an besonders interessierte Schülerinnen und Schüler per-    stand eine Lange Nacht der Wissenschaften, an der sich eine
     psychologen arbeitete er zusammen, hinzu kamen Fach-           darüber hinaus“, wie es Dreyer nennt.                        sönliche Einladungen zur Langen Nacht der Wissenschaf-      Vielzahl Kleiner Fächer beteiligte. Ein Schülerkontaktstudium
     leute aus dem traditionellen Bootsbau. „Die Resonanz war                                                                    ten, verbunden mit einem individuellen Blick hinter die     und zahlreiche weitere Aktionen gehörten ebenfalls zum
     riesengroß“, erinnert sich der Professor für Alte Geschichte   Aber auch für wissenschaftliche Fragestellungen bietet das   Kulissen der Alten Geschichte, aber auch anderer Kleiner    Angebotsspektrum, das wiederholt in der regionalen Presse
     an den Moment des Stapellaufs vor zwei Jahren: Fernseh-        Boot jede Menge Anhaltspunkte; gerade auch mit Blick         Fächer. Diese Idee mit dem persönlichen Heranführen an      aufgegriffen wurde.
     beiträge entstanden, Schulen besuchten das Boot und jede       auf die Zusammenarbeit von Kleinen Fächern. Wie waren        die Universität war einer der Kerngedanken bei den Kleine
     Menge Schaulustige – alles ganz nach der ursprünglichen        die Zeitumstände, als die Römer jene Boote bauten? Wie       Fächer-Wochen an der FAU.
                                                                                                                                                                                             Kontakt:
     Intention, die Neugier auf die Wissenschaft im Allgemei-       war es überhaupt möglich, dass die damaligen Werften
                                                                                                                                                                                             Prof. Dr. Bärbel Kopp                Dr. Robert Fischer
     nen und die Alte Geschichte im Besonderen zu wecken.           auf Befehl des Kaisers 250 solcher Boote in einem einzigen                                                               Vizepräsidentin Education            Büro für Forschung und
                                                                    Winter anfertigten? Warum mussten die Römer mit dem                                                                      Friedrich-Alexander-                 wissenschaftl. Nachwuchs
                                                                                                                                                                                             Universität Erlangen-Nürnberg        Philosophische Fakultät und
                                                                                                                                                                                             vizepraesidenten@fau.de              Fachbereich Theologie
                                                                                                                                                                                                                                  Friedrich-Alexander-
                                                                                                                                                                                             Dr. Cordula Glass                    Universität Erlangen-Nürnberg
                                                                                                                                                                                             Büro für Forschung und               robert.fischer@fau.de
                                                                                                                                                                                             wissenschaftl. Nachwuchs
                                                                                                                                                                                             Philosophische Fakultät und
                                                                                                                                                                                             Fachbereich Theologie
                                                                                                                                                                                             Friedrich-Alexander-
                                                                                                                                                                                             Universität Erlangen-Nürnberg
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                                                                                                                                                                                             cordula.glass@fau.de
GEISTESWISSENSCHAFTEN

     VOM SPRECHEN ÜBER
     DAS SPRECHEN                                                                                                                 „Es müsste noch mehr von ihnen geben“, bestätigte des-
                                                                                                                                  halb auch Petra Grimm-Benne, die Ministerin für Arbeit,
                                                                                                                                                                                                Aufführung des „Ring des Nibelungen“ inszeniert, bei der
                                                                                                                                                                                                sich die Sängerinnen und Sänger an der Aussprache des
                                                                                                                                  Gesundheit und Soziales Sachsen-Anhalts, die im halle-        Deutschen zu Wagners Zeiten und nach seinen Vorstel-
                                                                                                                                  schen Rathaus die klinisch-sprechwissenschaftliche Aus-       lungen orientieren.
     An der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg stellten die Sprechwissenschaftler ein Programm auf
                                                                                                                                  stellung „Was Sprachtherapie kann“ eröffnete. Anhand
     die Beine, durch das ihre Disziplin ein halbes Jahr lang allgegenwärtig war. Mit dabei: viel Begeisterung
                                                                                                                                  beeindruckender Patientenportraits wurden Einblicke in        „Alles in allem waren die Kleine Fächer-Wochen eine
     für die Sache – und jede Menge hochkarätiger Gäste.
                                                                                                                                  die Schicksale von Menschen mit Sprach-, Sprech-, Stimm-      ausgezeichnete Investition zur besseren Sichtbarkeit
                                                                                                                                  und Schluckstörungen gegeben. Mit einer Fachtagung und        und für die Zukunft unsers Faches“. Die Bewerberzah-
     „Jede Woche fand ein anderes Event statt“, berichtet ver-     Sprechbildung, alles in Forschung, Lehre und Praxis.“ Es ist
                                                                                                                                  einem nagelneuen Imagefilm wurde zudem eine Sprech-           len auf das Studium steigen kontinuierlich, freut sich die
     hoebegeistert, Professorin für Sprechwissenschaft in Halle.   ein enormes Spektrum, das sich hinter diesen Schlagwor-
                                                                                                                                  wissenschaftliche Beratungsstelle eröffnet.                   Sprechwissenschaftlerin.
     Zusammen mit ihren Kolleginnen und Kollegen, sehr vielen      ten verbirgt, es reicht von der Therapie bei Sprachstörun-
     engagierten Studierenden und vielen Kooperationspart-         gen bis hin zu Rhetoriktraining, Beratung und Coaching
                                                                                                                                  Ein weiterer Höhepunkte war die Podiumsdiskussion unter
     nern aus Wissenschaft, Politik, Kunst und Forschung stellte   und den Herausforderung der digitalen Kommunikation an
                                                                                                                                  dem Motto „Im Gespräch bleiben – Wie wir heute über
     sie ein Programm zusammen, das für Aufsehen sorgte.           der Schnittstelle Mensch-Maschine-Mensch.
                                                                                                                                  konflikthafte Themen in Politik und Gesellschaft sprechen“,
     Allein schon in der Auftaktwoche waren eine amtierende
                                                                                                                                  veranstaltet in Zusammenarbeit mit der Nationalen Aka-
     Ministerin dabei, ein Ministerpräsident a.D., führende
     Vertreter von Stadt und Universität sowie Presse und Rund-
                                                                   „Von dem sprechwissenschaftlichen Wissen und Know-
                                                                   How kann die ganze Gesellschaft profitieren“, sagt Susan-
                                                                                                                                  demie der Wissenschaften Leopoldina. Voigt-Zimmermann             Steckbrief
                                                                                                                                  umreißt das Thema so: „Das Miteinander-Sprechen ist das
     funk – und vor allem jede Menge Bürgerinnen und Bürger        ne Voigt-Zimmermann. Das ist das Credo ihres Faches, das
                                                                                                                                  zentrale Mittel, um sich über grundlegende Fragen des             Projekttitel: Kleine Fächer-Wochen Sprechwissenschaft unter dem Motto
     aus Halle und Umgebung, die sich neugierig informierten       seiner Natur nach nicht nur nach innen gerichtet ist, auf
                                                                                                                                  Zusammenlebens in der Gesellschaft zu verständigen, und           „miteinander sprechen – verantwortlich, kompetent, reflektiert“
     und aktiv eingebunden wurden.                                 die Fachcommunity, sondern vor allem auch nach außen.
                                                                                                                                  das durchaus kontrovers.“ Mit auf dem Podium waren der            Beteiligte Hochschule: Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
                                                                   Der Transfer der fachwissenschaftlichen Expertise in die
                                                                                                                                  frühere Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt Christoph
     „Die zu den Lebenswissenschaften zählende Sprechwis-          konkrete Anwendung sei deshalb ein zentraler Aspekt der                                                                          Beteiligte Fächer: Sprechwissenschaft
                                                                                                                                  Bergner und der grüne Landespolitiker Sebastian Striegel.
     senschaft untergliedert sich in fünf Säulen“, erläutert       Sprechwissenschaft.
                                                                                                                                  Wie sich das Sprechen im Laufe der zurückliegenden Jahre          Zielgruppen: Fachöffentlichkeit, Journalisten, allgemeine Öffentlichkeit,
     Suanne Voigt-Zimmermann und zählt auf: „Rhetorik,
                                                                                                                                  verändert hat, wie Positionen unversöhnlicher geworden            Politik, Wissenschaft, Kultur und Wirtschaft
     Phonetik, Sprechkunst, Klinische Sprechwissenschaft und
                                                                                                                                  sind – darüber berichtete Christoph Bergner aus eigener
                                                                                                                                  Erfahrung. Und der Grünen-Politiker Sebastian Striegel
                                                                                                                                  erzählte über seinen Umgang mit Drohungen, die unver-                            Die Sprechwissenschaft der Universität Halle präsen-
                                                                                                                                  hohlen gegen ihn und Politiker-Kollegen ausgesprochen                            tierte sich mit einer Fülle von Aktivitäten, die deutlich
                                                                                                                                  werden. „Es war eine unwahrscheinlich spannende De-                              machten, wie breit das Fach aufgestellt ist und zu wie
                                                                                                                                  batte“, erinnert sich Voigt-Zimmermann, die selbst auch           vielen gesellschaftlich relevanten Aspekten es etwas beitragen kann.
                                                                                                                                  mit auf dem Podium saß – eine Debatte, die im Anschluss           Eine Ausstellung mit dem Titel „Was Sprachtherapie kann“ zählte
                                                                                                                                  noch weiterging: Im Foyer der Leopoldina stellten sich die        genauso dazu wie die Eröffnung einer sprechwissenschaftlichen
                                                                                                                                  Politiker und Wissenschaftlerinnen dem Gespräch mit den           Beratungsstelle, eine Tagung über Ausspracheideale auf der Bühne,
                                                                                                                                  Besuchern. „Immer wieder ging es dabei um die Frage,              Podiumsdiskussionen, Workshops, ein Imagefilm des Faches, eine
                                                                                                                                  wie sich jeder Einzelne in den gesellschaftlichen Diskurs         Ringvorlesung, internationale Arbeitstreffen und ein Doktorandentag
                                                                                                                                  einbringen kann“, sagt Voigt-Zimmermann – und schon               sowie eine Vorlesekarawane und ein sprechkünstlerischer Vortrags-
                                                                                                                                  sei man mittendrin gewesen in einer sprechwissenschaftli-         abend der Studierenden.
                                                                                                                                  chen Debatte. „Denn wie wir heute miteinander sprechen,
                                                                                                                                  werden wir morgen miteinander leben“, fasst Voigt-Zim-                                    Kontakt:
                                                                                                                                  mermann zusammen.                                                                         Prof. Dr. phil. habil. Susanne Voigt-Zimmermann
                                                                                                                                                                                                                            Sprecherin der Abt. Sprechwissenschaft und Phonetik
                                                                                                                                  Einen weiteren sprechwissenschaftlichen Aspekt rückte                                     Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
                                                                                                                                  die Tagung „Ausspracheideale auf der Bühne in Geschich-                                   susanne.voigt-zimmermann@sprechwiss.uni-halle.de
                                                                                                                                  te und Gegenwart“ in den Fokus. Sprechwissenschaftler
                                                                                                                                  arbeiten aktuell mit dem Star-Dirigenten Kent Nagano
                                                                                                                                  zusammen, der in seinem Projekt „Wagner-Lesarten“ eine

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GESUNDHEITSWISSENSCHAFTEN

     WELTRETTUNG MIT MUSIK
     In einem deutschlandweiten Verbundprojekt beschäftigten sich Musiktherapeutinnen und Musiktherapeuten
     mit den Wurzeln ihres Faches – und erprobten neue Formen der Zusammenarbeit, um ihre Disziplin auf
     ganz neue Herausforderungen vorzubereiten.

                                                                  sondern auch mit der Zukunft, die auch im Zeichen der
                                                                  Vernetzung mit benachbarten, aber auch weiter entfern-
                                                                  ten Disziplinen steht. Das Symposium stellte den Auftakt
                                                                  zu zahlreichen Veranstaltungen dar. „Musiktherapie im
                                                                  Spannungsfeld gesellschaftlicher Herausforderungen – ein
                                                                  Verbundprojekt zu Lehre, Forschung und Praxis“ hieß der
                                                                  Ansatz in bewusst weiter Formulierung.

                                                                  Musiktherapeutinnen und Musiktherapeuten behandeln                                                                       Steckbrief
                                                                  mit dem gezielten Einsatz von Musik Patienten, die unter
                                                                  psychischen, aber auch unter körperlichen Beschwer-                                                                      Projekttitel: Musiktherapie im Spannungsfeld gesellschaftlicher
                                                                  den leiden. Unter anderem steht die Musiktherapie als                                                                    Herausforderungen – ein Verbundprojekt zu Lehre, Forschung und Praxis
                                                                  Fachwissenschaft in enger Wechselwirkung mit Medizin,                                                                    Beteiligte Hochschulen: SRH Hochschule Heidelberg, Universität Augsburg,
                                                                  Psychologie, Musikwissenschaft und Pädagogik. „Die Di-                                                                   Universität der Künste Berlin, Theologische Hochschule Friedensau,
                                                                  gitalisierung war für unser Fach im deutschsprachigen                                                                    Hochschule für Musik und Theater Hamburg, Hochschule für angewandte
     Ob sie sich nicht ein wenig zu weit herausgelehnt hät-       Raum bisher kein großes Thema, es gibt auch lediglich                                                                    Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt
     ten aus dem Fenster? Bang fragte sich das das Organi-        eine handvoll deutschsprachige Publikationen dazu“, sagt
                                                                                                                                                                                           Beteiligte Fächer: Musiktherapie
     sationsteam des musiktherapeutischen Symposiums in           Josephine Geipel. Anders ist das beispielsweise in den
     Heidelberg, das seine große Veranstaltung mit Gästen         USA oder auch in Australien, wo aufgrund der großen        Die Verzahnung mit anderen Fächern ist den Musikthe-          Zielgruppen: Alumni, Fachöffentlichkeit, wissenschaftlicher Nachwuchs,
     aus aller Welt vollmundig überschrieben hatte mit dem        Entfernungen die digitalen Methoden viel rascher Ein-      rapeutinnen und Musiktherapeuten quasi in die Wiege           allgemeine Öffentlichkeit, Politik, Studieninteressierte, Studierende
     Titel „Nur noch kurz die Welt retten – Musiktherapie und     gang gefunden haben in die Disziplin – vor allem in der    gelegt: Als sich das Fach – die Berufsbezeichnung ist bis
     Digitalisierung“. Die Kombination der beiden Begriffe        universitären Lehre werden beispielsweise Blended-Lear-    heute nicht geschützt – vor rund vier Jahrzehnten akade-                     Der 40. Jahrestag der Gründung der akademischen
     nämlich, Musiktherapie und Digitalisierung, sei bislang      ning-Strategien und ähnliche Ansätze angewendet. In der    misierte, lag ihm in Heidelberg ein sozialpädagogisches                      Musiktherapie stellte den Auftakt des Verbundprojekts mit
     in Deutschland nicht besonders häufig betrachtet worden,     Dokumentation und der Therapie selbst können digitale      Studium zu Grunde. Später dann entwickelten sich vielfach                    zahlreichen bundesweiten Veranstaltungen dar. Im Mittel-
     räumt die Organisatorin Josephine Geipel ein. Schließlich    Methoden das Handwerkszeug der Therapeuten erheb-          enge Partnerschaften mit Medizinern und Psychologen,          punkt standen drei Ziele: die Vernetzung der einzelnen Studienstandorte
     aber bestätigten sich die Befürchtungen nicht: „Wir alle     lich bereichern. Ein Erfahrungsaustausch mit Kolleginnen   die für die Musiktherapeuten später auch meistens die         in Deutschland, der Erhalt der Vielfalt zwischen den einzelnen Studien-
     haben sehr positive Eindrücke mitgenommen und ich bin        und Kollegen aus anderen Ländern, aber auch anderen        Ansprechpartner sind mit Blick auf den einzelnen Patien-      gänge und die Erhöhung der Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit. Außerdem
     überzeugt, dass wir viele Impulse für die weitere Entwick-   Bundesländern brachte hier wertvolle Einblicke auf ver-    ten. Wer im Feld der Musiktherapie promoviert, tut das        wurde eine gemeinsame Ausbildungsordnung ausgearbeitet, die unter
     lung unserer Disziplin gewinnen konnten“, so Geipel.         schiedenen Ebenen, wobei ein Schwerpunkt bewusst auf       bis heute häufig mit einem Doktorvater oder einer Dok-        anderem die Attraktivität des Berufsfelds erhöhen und den Weg zu einer
                                                                  den Bereich der Therapie gelegt wurde. Hier zeigte sich    tormutter aus den Bereichen Medizin oder Psychologie.         berufsrechtlichen Anerkennung ebnen soll.
     Die neuen Impulse, auch ein Ausblick – das war eines der     beispielsweise, dass die Arbeit mit Musiktechnologen       Eine neuere Entwicklung ist jetzt die verstärkte Verzahnung
     Kernanliegen bei dem Symposium, das nicht zufällig zum       gewinnbringend sein kann, etwa wenn es um den Einsatz      mit Tanz- und Bewegungstherapeuten, mit Theater- und
                                                                                                                             Kunsttherapeuten. So entstand in den vergangenen Jahren                              Kontakt:
     40. Jahrestag der Gründung der akademischen Musikthe-        von elektronischen Musikinstrumenten geht. „Es gibt zum
                                                                                                                             die Wissenschaftliche Fachgesellschaft für Künstlerische                             Josephine Geipel
     rapie in Heidelberg stattfand. Der Rückblick auf die Ent-    Beispiel die Möglichkeit, dass ein Mensch mit schwerwie-
                                                                                                                             Therapien – auch sie stellt eine Plattform dar, auf der                              Akademische Mitarbeiterin der Fakultät
     stehung einer Disziplin, die sich von Anfang an stets wei-   genden motorischen Einschränkungen über einen einzigen
                                                                                                                             Entwicklungen wie die Digitalisierung mit allen ihren Aus-                           für Therapiewissenschaften, Musiktherapie
     terentwickelt hat, war deshalb selbstverständlich Teil des   beweglichen Finger Musik machen kann – dafür sind                                                                                               SRH Hochschule Heidelberg
     Programms; aber nur mit der Vergangenheit wollten sich       neue, digitale Instrumente notwendig“, sagt Josephine      wirkungen auf den therapeutischen Alltag thematisiert
                                                                                                                             werden können.                                                                       josephine.geipel@hochschule-heidelberg.de
     die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht beschäftigen,       Geipel.

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