KLEINE FÄCHER: PERSPEKTIVEN ERÖFFNEN, ZUKUNFT GESTALTEN! - Bilanz und Ausblick Die Kleine Fächer-Wochen an deutschen Hochschulen und der ...
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KLEINE FÄCHER: PERSPEKTIVEN ERÖFFNEN, ZUKUNFT GESTALTEN! Die Kleine Fächer-Wochen an deutschen Hochschulen und der Nachwuchswettbewerb „Kleine Fächer: Sichtbar innovativ!“ Bilanz und Ausblick
KLEINE FÄCHER: PERSPEKTIVEN ERÖFFNEN, ZUKUNFT GESTALTEN! Die Kleine Fächer-Wochen an deutschen Hochschulen und der Nachwuchswettbewerb „Kleine Fächer: Sichtbar innovativ!“ Bilanz und Ausblick 3
Liebe Leserinnen und Leser, Sehr geehrte Damen und Herren! die Kleinen Fächer sind wertvolle Elemente der deutschen Hochschul- Das BMBF engagiert sich seit vielen Jahren für die Förderung der Kleinen landschaft. Mit ihren vielfältigen Inhalten und Methoden weiten sie un- Fächer. Im Koalitionsvertrag unserer Bundesregierung sind die Kleinen seren Blick auf aktuelle Fragestellungen und eröffnen neue Perspektiven Fächer explizit genannt. Wir fördern herausragende Einzel- und Nach- auf vermeintlich Altbekanntes. Mit ihrer Forschungsexzellenz verfügen wuchsforschung sowie regionale und internationale Verbünde in den sie über hohes Innovationspotenzial und können die Profilbildung der Kleinen Fächern. Es wurden mehrere bundesweite Kartierungen der Klei- Hochschulen entscheidend unterstützen. nen Fächer durch die Mainzer Arbeitsstelle angestoßen und damit die Grundlage für wichtige hochschulstrategische Zukunftsentscheidungen Ihre Flexibilität macht die Kleinen Fächer zu starken Partnern im inter- gelegt. Mehr als 150 Kleine Fächer prägen und bereichern heute unsere disziplinären Dialog. Auf innovative Weise verknüpfen sie spezifische deutsche Hochschullandschaft. Mehr als zwei Drittel davon gehören zu den Forschungsinhalte mit Fragen von gesamtgesellschaftlicher Relevanz. Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften. Die Kleinen Fächer leisten einen Gerade durch ihre besonderen Perspektiven tragen sie zur Bewältigung wesentlichen Beitrag zur Vielfalt von Perspektiven. Sie ermöglichen eine aktueller Herausforderungen bei. komplexere und differenziertere Sicht auf unsere Gesellschaft und globale Zusammenhänge über den nationalen Tellerrand hinaus. Kleine Fächer leisten also Großes. Das Bewusstsein hierfür noch stärker zu schärfen – dafür engagiert sich die Hochschulrektorenkonferenz seit Die Kleinen Fächer treten heute stärker und selbstbewusster auf gegenüber vielen Jahren. Mit der Initiative „Kleine Fächer-Wochen an deutschen den großen Fächern. Sie gehen aufeinander zu, verbünden sich, schmieden Hochschulen“ haben wir uns gemeinsam mit dem Bundesministerium für Kooperationen über Standorte und Fachgrenzen hinweg. Sie alle wissen: Prof. Dr. Peter-André Alt Die Dynamik ist groß. Davon profitiert unsere Hochschullandschaft – Thomas Rachel, MdB Präsident der Bildung und Forschung dafür eingesetzt, die Potenziale Kleiner Fächer Parlamentarischer Staatssekretär sichtbar und erfahrbar zu machen, sowohl hochschulintern als auch in- national und international. Die Kleine Fächer-Wochen der HRK und der Hochschulrektorenkonferenz Nachwuchswettbewerb „Kleine Fächer: Sichtbar innovativ!“, die wir als im Bundesministerium nerhalb der Wissenschaftslandschaft und der allgemeinen Öffentlichkeit. für Bildung und Forschung Deutschlandweit profitierten 17 Projekte an 26 Hochschulstandorten von Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 1,1 Mio. Euro unter- unserem Förderangebot und machten mit vielfältigen Veranstaltungsformaten auf sich aufmerk- stützen, haben eindrucksvoll gezeigt, welchen starken Beitrag diese zur sam. Dabei knüpften sie an aktuelle Fragestellungen an und traten in den Dialog: innerhalb ihrer Hochschullandschaft vor Ort leisten. Klar ist: Im Rahmen der verfassungsmäßigen Zuständigkeiten Institutionen, aber auch mit Bürgerinnen und Bürgern, mit der Politik und ganz besonders auch sind hier als erste die Länder und Hochschulen in ihrer Verantwortung gefragt. mit Schülerinnen und Schülern – den Studienanfängern von morgen. In dem bis 2025 laufenden Rahmenprogramm für die Geistes- und Sozialwissenschaften „Gesell- schaft verstehen – Zukunft gestalten“ spielen Kleine Fächer weiterhin eine wichtige Rolle. Dieses An den Erfolg der Kleine Fächer-Wochen schließt der Nachwuchswettbewerb „Kleine Fächer: Rahmenprogramm legt einen Schwerpunkt auf die gesellschaftliche Bedeutung der Geistes- und Sichtbar innovativ!“ an. Im Rahmen dieser Initiative haben wir 19 Projekte aus 18 Kleinen Sozialwissenschaften. Sie generieren Wissen, das wir brauchen, um die gesellschaftlichen Herausfor- Fächern gefördert, die jungen Forschenden die Gelegenheit boten, neue Kommunikations- und derungen zu bewältigen. Für eine resiliente Gesellschaft sind die Geistes- und Sozialwissenschaften Vernetzungsstrategien zu erproben. Vielfältige digitale Angebote sind durch die Förderung ent- unverzichtbar. Gerade die Kleinen Fächer haben hier vieles einzubringen in die Debatten, die standen, darunter Blogs und Online-Portale, sowie Podcasts und Videoreihen, die interaktiv auf Bürgerinnen und Bürger in Deutschland bewegen: zum Umgang mit Krisen und Konflikten, Digi- die Besonderheiten Kleiner Fächer aufmerksam machen. Darüber hinaus stärkte das Programm talisierung und Globalisierung, zum gesellschaftlichem Zusammenhalt, zu den Herausforderungen bestehende Nachwuchsnetzwerke und unterstützte die Gründung neuer Vernetzungsinitiativen. durch zunehmenden Nationalismus und die Frage nach der eigenen Identität und unserer Zukunft. So vereinen beide Initiativen Handlungsfelder, die für den Erhalt der Kleinen Fächer von beson- Die Bedeutung und die Sichtbarkeit der Kleinen Fächer haben in den vergangenen Jahren deutlich derer Bedeutung sind und für die sich die Hochschulrektorenkonferenz sich seit vielen Jahren zugenommen, nicht zuletzt, weil Wissenschaftskommunikation in den Kleinen Fächern großge- engagiert: Vernetzung, Kommunikation und Nachwuchsförderung. schrieben wird. Es gehört heute zum Kerngeschäft von Forschenden, mit Menschen außerhalb der Wissenschaftscommunity in einen Dialog einzutreten: über die eigenen Forschungsfragen und Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre! Methoden, über Ergebnisse und die Bedeutung von Wissenschaft für unsere Gesellschaft. Gerade junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben erkannt, dass wir hier einen Kulturwandel brauchen: hin zu mehr Öffnung und mehr Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern. Ich bin überzeugt: Beide Seiten profitieren davon. Die Kraft von Argumenten, die auf Wissen und Wissen- schaft beruhen, ist stärker als der Populismus von Meinungen. Hier sollten die Kleinen Fächer noch intensiver als bisher ihre Stimmen erheben. Denn das macht nicht nur die Kleinen Fächer stärker. Das schafft Vertrauen in die Fähigkeit der Wis- senschaft, Antworten auf Fragen unserer Gesellschaft zu finden – gerade in diesen Umbruchszeiten. Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Lektüre! 4 5
INHALT 16 20 Karte der geförderten Projekte ...................................................................................................................................................................................................................................... 8 Faszinierende Vielfalt: Die Projekte der Kleine Fächer-Wochen 11 14 18 24 ............................................................................................................. Die Vielfalt nutzen: Kleine Fächer für große Themen ................................................................................................................................................. 12 Wissenschaft zum Anfassen .................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. 14 Im Osten viel Neues ............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 16 Eine gute Welle für die Kleinen Fächer ........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 18 22 Vom Sprechen über das Sprechen ............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. 20 36 Weltrettung mit Musik ...................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 22 Einfach nur zuhören: Eintauchen in ungeahnte Klangwelten ........................................................................................................................................................................................................................................................... 24 Ein unbekanntes Fach mit großer Mission ............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 26 Die Nachtaktiven 28 28 ......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... Wenn die Studierenden etwas auf dem Kerbholz haben 30 30 34 ......................................................................................................................................................................................................................................................................... Ein Tag nur für Neugierige ....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 32 Schwung für die ganze Universität .......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 34 Wenn die Studierenden auf einem Datenschatz sitzen .................................................................................................................................................................................................................................................................................. 36 Flagge zeigen in einer Stadt im Wandel ....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 38 Ein Logenplatz für die Ränder .......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 40 32 Brechen mit alten Klischees ................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 42 46 40 Für den Nachwuchs an die Schule ........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 44 Den Blick auf die Zukunft: Chancen für den wissenschaftlichen Nachwuchs ........................................................... 47 Große Bühne für den Nachwuchs Nachwuchsprojekte „Kleine Fächer: Sichtbar innovativ!“ ..................................................................................................................................................................................................................... 48 38 44 Kontakte ................................................................................................................................................................................................................................................................................................................ 54 Nachwuchsprojekte „Kleine Fächer: Sichtbar innovativ!“ „Es macht Freude zu sehen, was alles entstanden ist“ ........................................................................................................................................... 56 Dr. Inken Rabbel, Hochschulrektorenkonferenz Weiterführende Informationen ................................................................................................................................................................................................................................ 58 42 46 6 7
PROJEKTE DER KLEINE FÄCHER-WOCHEN Seite 1 WeltWeitUnverzichtbar – Kleine Fächer für große Themen Westfälische Wilhelms-Universität Münster ......................................................................................................................................................................................................... 12 2 Forschungsreisen auf Humboldts Spuren: Entdecke die Vielfalt der kleinen Fächer in Freiberg – Wie würde Alexander von Humboldt im digitalen Zeitalter die Welt entdecken und vermessen? 16 Technische Universität Bergakademie Freiberg ................................................................................................................................................................................................ 14 6 3 Osteuropastudien in Brandenburg Verbundprojekt unter Federführung der Universität Potsdam .................................................................................................................................................... 16 4 auditorium maximum: Kleine Fächer-Wochen an der FAU 6 Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg ................................................................................................................................................................................. 18 5 Kleine Fächer-Wochen Sprechwissenschaft unter dem Motto 6 3 „miteinander sprechen – verantwortlich, kompetent, reflektiert“ 6 3 Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg ........................................................................................................................................................................................................ 20 6 Musiktherapie im Spannungsfeld gesellschaftlicher Herausforderungen – ein Verbundprojekt zu Lehre, Forschung und Praxis 1 17 Verbundprojekt unter Federführung der SRH Hochschule Heidelberg ............................................................................................................................ 22 7 Chancen der Musikpädagogik. Ganz. Ohr. Sein. Kompetenz Hören als Schlüssel zur Musik 17 5 Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim ............................................................................................................................................................. 24 Biomathematik: Mathematik für das Leben 17 8 ´Hochschule Koblenz ............................................................................................................................................................................................................................................................................. 26 2 12 9 Großes Potential! Die Kleinen Fächer der Goethe-Universität Frankfurt 15 Goethe Universität Frankfurt ...................................................................................................................................................................................................................................................... 28 10 #explorer4aday #explorer4aweek: Alltag in den Kleinen Fächern der Altertums- 8 und Geschichtswissenschaften 9 Nachwuchsprojekte Johannes Gutenberg-Universität Mainz ..................................................................................................................................................................................................................... 30 „Kleine Fächer: 10 4 Sichtbar innovativ!“ 11 Kleine Fächer – Große Potenziale 6 (S. 48–53) Otto-Friedrich-Universität Bamberg ................................................................................................................................................................................................................................. 32 12 Die weite Welt vor Ort. Der Beitrag der Kleinen Fächer zur Internationalisierung 7 11 der Philipps-Universität Marburg Philipps-Universität Marburg ..................................................................................................................................................................................................................................................... 34 6 13 13 Technikgeschichte des Kernforschungszentrums Karlsruhe: 14 Nukleare Entsorgung und Strahlenschutz Karlsruher Institut für Technologie ..................................................................................................................................................................................................................................... 36 14 Andere Zeiten | Andere Räume Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt ......................................................................................................................................................................................................... 38 6 15 Europa – EinBlick von den Rändern Justus-Liebig-Universität Gießen .......................................................................................................................................................................................................................................... 40 16 Wissenswerte. Kleine Fächer – sichtbar – vernetzt. Universität Hamburg ............................................................................................................................................................................................................................................................................. 42 17 168 Stunden Bioinformatik Verbundprojekt unter Federführung der Martin-Luther-Universität Halle Wittenberg .............................................................................. 44 8 9
FASZINIERENDE VIELFALT: Die Projekte der Kleine Fächer-Wochen In 17 Projekten zeigten die Kleinen Fächer während des Wintersemesters 2019/20, was in ihnen steckt. So unterschiedlich die Fächer und die Projekte auch sind – alle haben die gleichen Ziele: die vielfältigen Studienmöglichkeiten und Forschungsfelder vorstellen, Perspektiven für Absolventinnen und Absolventen aufzeigen sowie Austausch und Vernetzung fördern. 10 11
GEISTESWISSENSCHAFTEN DIE VIELFALT NUTZEN: KLEINE FÄCHER FÜR GROSSE THEMEN Steckbrief Die Kleinen Fächer an der Universität Münster haben viel Erfahrung mit Gemeinschaftsprojekten. Bei den Mehr als 20 von ihnen sind an den Kleine Fächer-Wochen in Münster beteiligt; sie knüpfen damit an Kooperationsbe- Projekttitel: WeltWeitUnverzichtbar – Kleine Fächer Kleine Fächer-Wochen knüpften sie daran an – mit dem erklärten Ziel, den gesellschaftlichen Diskurs zu für große Themen bereichern. Im Mittelpunkt standen dabei drei große Problemfelder der Gegenwart. mühungen an, die schon vor einiger Zeit begonnen haben. Der Hintergedanke: Das Potenzial, das die ungewöhnliche Beteiligte Hochschule: Westfälische Wilhelms-Universität Münster Vielzahl an Fächern im geisteswissenschaftlichen Bereich Beteiligte Fächer: Ägyptologie, Allgemeine Sprachwissenschaften, Das Lieblingsobjekt von Achim Lichtenberger ist ein kleiner Das Beispiel zeigt, dass sich die Kleinen Fächer an der bietet, soll gehoben werden. Ein Exzellenzcluster mit dem Alte Geschichte, Altorientalistik, Außereuropäische Geschichte, Topf aus dem Neolithikum, der jetzt im Archäologischen Westfälischen Wilhelms-Universität Münster viel vorge- Titel „Religion und Politik: Dynamiken von Tradition und Byzantinistik, Christliche Archäologie, Gräzistik, Indogermanistik, Museum in einer Vitrine steht. Getreide haben die Men- nommen haben: In einer gemeinsamen Ausstellung be- Innovation“ gibt es schon vergleichsweise lange, an ihm Islamische Theologie, Islamwissenschaft/Arabistik, Jüdische schen früher in diesem Keramikgefäß aufbewahrt, und schäftigten sie sich mit den Themen „Kommunikation – sind neben zahlreichen Kleinen Fächern auch mehrere Studien, Klassische Archäologie, Koptologie, Kulturanthropologie/ für den Professor für Klassische Archäologie ist es ein Migration – Nachhaltigkeit“ – mithin einigen der größten größere Disziplinen beteiligt. Hinzu kommen der inzwi- Europäische Ethnologie, Lateinische Philologie des Mittelalters Zeitzeugnis für die „größte Revolution der Menschheit“, Problemfelder der Gegenwart. „Probleme lösen können schen ausgelaufene Sonderforschungsbereich „Kulturen und der Neuzeit, Latinistik, Niederländische Philologie, Nordische wie er es nennt: die Sesshaftwerdung, in deren Zuge unter wir nicht. Aber wir können eine komparatistische Ebene Philologie, Religionswissenschaft, Sinologie, Ur- und Frühgeschichtliche des Entscheidens“, ein interdisziplinärer Masterstudien- anderem die Landwirtschaft entstanden ist. „Dieser Pro- einziehen, um zu zeigen, wie gegenwärtige Fragestellun- Archäologie, Vorderasiatische Archäologie, Zypern-Institut gang über antike Kulturen, an dem sich viele Kleine Fächer zess hat im alten Orient seinen Anfang genommen und gen in anderen Kulturen und anderen Zeiten behandelt beteiligen – und das Netzwerk Archäologie diagonal, an Zielgruppen: Hochschulöffentlichkeit, allgemeine Öffentlichkeit, kam durch Migration bis nach Westfalen“, sagt er und wurden“, sagt Achim Lichtenberger, der neben seiner dem zehn Institutionen beteiligt sind, von der Forschungs- Schülerinnen und Schüler, Studieninteressierte, Studierende deutet auf den Topf: „An diesem Objekt kann man sehr Professur auch Direktor des Archäologischen Museums stelle Antike Numismatik über das Institut für Byzantinis- schön zeigen, dass Migration in erster Linie mit Innovati- ist und die Kleine Fächer-Wochen in Münster koordiniert. tik und Neogräzistik bis zum Institut für Interdisziplinäre onen verbunden ist!“ Hinzu komme: „Die Fragestellungen lassen sich besser Kern der Kleine Fächer-Wochen in Münster Zypernstudien. verstehen, wenn man die breitere kulturgeschichtliche war die Ausstellung „WeltWeit.Unverzichtbar“ Einbettung sieht. Da ergänzen sich die historischen wie im Archäologischen Museum der Universität. Bei den Kleine Fächer-Wochen konnten die Beteiligten auch die gegenwartsbezogenen Kleinen Fächer sehr gut.“ Rund 20 geistes- und kulturwissenschaftlich orientierte Kleine also an rege Vorarbeiten anknüpfen. Ihr Ziel dabei war es, den Beitrag der Kleinen Fächer zu wichtigen gegen- Fächer arbeiteten darin die Themen Kommunikation, Migra- wärtigen Fragestellungen in die Öffentlichkeit zu trans- tion und Nachhaltigkeit auf. Das Begleitprogramm umfasste portieren. Bedeutsam sei aber noch ein weiteres Ergebnis Informationsveranstaltungen, Schülerführungen und ein Kleine der engen Zusammenarbeit, bilanziert die Ägyptologin Fächer-Café. Angelika Lohwasser, die als Mitorganisatorin beteiligt war: „Es sind eine ganze Reihe von Verbindungen quer Kontakt: durch die Universität entstanden – das ist eine wirklich Prof. Dr. Achim Lichtenberger nachhaltige Wirkung!“ Institut für Klassische Archäologie und Christliche Archäologie/ Archäologisches Museum Westfälische Wilhelms-Universität Münster lichtenb@uni-muenster.de 12 13
Der zweite Teil des Programms stand ebenfalls im Zei- chen von Messungen – und von historischen Erkundun- gen: Ein Geocaching-Programm haben die Experten aus dem Markscheidewesen gemeinsam mit dem Institut für Technikgeschichte erarbeitet, in dem die Schülerinnen Steckbrief und Schüler auf den Spuren Humboldts durch Freiberg unterwegs waren: Wo hatte er gewohnt? Wo steht das Projekttitel: Forschungsreisen auf Humboldts Spuren: Denkmal des Mineralogen Abraham Gottlob Werner, der Entdecke die Vielfalt der kleinen Fächer in Freiberg – den jungen Humboldt damals im Markscheidewesen un- Wie würde Alexander von Humboldt im digitalen Zeitalter die Welt entdecken und vermessen? terrichtete? Wo erstrecken sich die Alten Halden, wie sieht das Grubenfeld im Untergrund von Freiberg aus? Beteiligte Fächer: Geochemie, Geophysik, Mit modernen Hilfsmitteln mussten die Schüler in kleinen Industriearchäologie, Markscheidewesen/Geodäsie, Gruppen diese Stationen finden und dort jeweils einige Mineralogie, Petrologie FACHÜBERGREIFEND Aufgaben lösen, die sie dann wiederum zum nächsten Zielgruppe: Journalistinnen und Journalisten, Ort lotsten. Wer diese Rätsel erfolgreich bestand, bekam Schülerinnen und Schüler WISSENSCHAFT ZUM am Schluss den Zugang zum interaktiven 3D-Modell eines Freiberger Schachts, in dem man virtuell die Unterwelt Als Forschungsreise konzipierten die erkunden kann. Organisatorinnen und Organisatoren das ANFASSEN Das Erfolgsrezept dieser Forschungsreise nach Freiberg liegt in mehreren Aspekten, so bilanzieren die Veranstalter: Programm, das sie für Oberstufenklassen aus dem ganzen Bundesgebiet auf die Beine stellten: Einige Tage lang erkundeten die Teilnehmerinnen und Zum einen waren die Schülergruppen, die die Reise voll- Teilnehmer in Freiberg die Inhalte und die beruflichen Die TU Bergakademie Freiberg lud Schülerinnen und Schüler aus dem ganzen Bundesgebiet dazu ein, in die ständig finanziert bekamen, hochmotiviert – „ich bin be- Perspektiven in Kleinen Fächern, die viele zuvor nicht Wissenschaft einzutauchen. „Forschungsreise“ hieß das Programm, bei dem besonders die Kleinen Fächer geistert davon, wie engagiert die Teilnehmenden waren“, einmal dem Namen nach kannten. Zum Angebot ge- im Mittelpunkt standen. sagt Benndorf im Rückblick. Zum anderen verknüpften hörte auch eine Reise für Journalistinnen und Journalis- sie die Werbung für konkrete Studienfächer mit einem ten, die vor Ort über ausgewählte Kleine Fächer vor al- Überblick über die Universität und andere Disziplinen, lem aus dem Bereich des Bergbaus und ihre Bedeutung Die Resonanz war bemerkenswert: 42 Schulklassen bewar- Eines davon ist auch das Markscheidewesen, für das Jörg die für Studieninteressierte ebenfalls in Frage kommen in der heutigen Welt recherchieren konnten. ben sich in Freiberg, als die Wissenschaftler dort ganze Benndorf den Ablauf verantwortete. „In unserer Diszi- könnten. Außerdem haben sie Erfahrung damit, dass Klassen zu einer Forschungsreise einluden – „15 von ihnen plin geht es darum, Hohlräume unter Tage wie Tunnel auch bei eingeschränkter Teilnehmerzahl die Multiplika- haben wir dann ausgewählt, sie kamen aus dem ganzen oder Bergbauschächte zu vermessen und sie in einen Kontakt: torenwirkung solcher Veranstaltungen größer ist, als man Bundesgebiet, zum Beispiel aus Baden-Württemberg und räumlichen Bezug zur Welt über Tage zu setzen“, erläu- denken könnte – allein wegen der engagierten Lehrkräfte, Prof. Dr. Gerhard Heide Hamburg“, sagt Jörg Benndorf, Professor für Geomonito- tert Benndorf. Um diese Inhalte möglichst lebensnah zu Institut für Mineralogie die vielfach begeistert wieder von der Forschungsreise ring und Markscheidewesen. Sechs Tage lang konnten die vermitteln, führte er die Schülergruppe gemeinsam mit TU Bergakademie Freiberg zurückkehrten. Und schließlich bereiteten die Freiberger Oberstufenschüler, von denen die meisten einen Physik-, seinem Team zunächst theoretisch in die Koordinatensys- Experten die Reise zwar überaus aufwendig vor, wählten gerhard.heide@ Mathematik- oder Geographie-Leistungskurs belegten, in teme ein, die mit ihren Längen- und Breitengraden auch mineral.tu-freiberg.de dabei aber Formate, die sich problemlos auch in Zukunft die Geheimnisse der Natur- und Ingenieurwissenschaften unter der Erde die Grundlage für die Messungen bilden. verwenden lassen können. Das Geocaching zum Beispiel eintauchen. Zwei Ziele verfolgten die Veranstalter von der Und anschließend fuhren sie gemeinsam ins Lehrbergwerk ist weiterhin im Einsatz, darauf basiert inzwischen eine TU Bergakademie Freiberg damit: Zum einen wollten sie der TU Freiberg ein – „für viele der Schülerinnen und historische Stadtrallye. den sächsischen Studienort vorstellen – und zum anderen Schüler war das der erste Aufenthalt in einem Bergwerk gezielt für Kleine Fächer werben, die so selten sind, dass überhaupt, allein das schon war für sie begeisternd“, sagt die meisten Schülerinnen und Schüler sie ohne diesen Jörg Benndorf. Dort unten haben sie den Stollen eines Anstoß vermutlich nicht als denkbares Studienfach in Be- stillgelegten Erzbergwerks vermessen. „Einmal hatten sie tracht ziehen würden. dafür die Methoden zur Verfügung, mit denen Alexander von Humboldt bei seinem Aufenthalt in Freiberg vor fast Die Schulklassen durchliefen ein gemeinsames Akade- 250 Jahren gearbeitet hatte, also einen Gradbogen und mie-Programm, in dem sie Hintergründe zu Freiberg und einen Hängekomposs“, erzählt Benndorf, „danach haben zur Universität kennenlernten – und wurden dann, je nach sie die Messungen noch einmal mit einem hochmoder- selbstgewähltem Schwerpunkt, einem der Kleinen Fächer nen, handgeführten 3D-Laserscanner durchgeführt und zugeordnet, für die sie sich besonders interessierten. Die anschließend die Ergebnisse verglichen.“ Forschenden aus diesen Disziplinen bereiteten ein de- tailliertes Programm vor, das Lust machen sollte auf ihr Kleines Fach. 14 15
GEISTESWISSENSCHAFTEN IM OSTEN VIEL NEUES Die Lehrenden in den Osteuropastudien der Universität Potsdam und an der Europa Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder arbeiten traditionell eng zusammen. Durch neue Formen wollten sie den Austausch weiter stärken – mit großem Nutzen für die Studierenden, aber auch für die Forschung. „ich selbst bin ein Kind der Perestroika“, sagt Werberger mit Blick auf ihr Studium während der Wendejahre, und heute sei das Fach zuneh- mend geprägt von Studierenden mit familiären Wurzeln in einem der mittel- oder osteuropäischen Länder. Trotzdem sei der Rückgang der Studierendenzahlen in den vergangenen Jahren spürbar: Groß sei zwar die Zahl derer, die von anderen Fächern aus einmal hereinschnuppern, aber eigene Masterstudierende, die sich auch auf den anspruchsvollen Spracherwerb einlassen, gebe es weniger. „Es gilt deswegen, auf die Förderung der Nachwuchses zu achten. Wissenschaft, Kultur, Wirtschaft und Politik benötigen gegenwärtig dringend Personen mit Osteuro- pa-Kompetenz und Absolventen finden ausgesprochen schnell Stellen und Jobs “, sagt Annette Werberger. Ihr Aha-Erlebnis hatte Annette Werberger bei einer Po- Werberger, „aber im Bereich der Forschungszusammen- diumsdiskussion im Rahmen der Kleine-Fächer-Wochen: Da saß ein Student mit auf dem Podium, der eigentlich an arbeit etablieren wir gerade einige neue gemeinsame Projekte.“ Das Gleiche gilt für die Lehre: Bei den Kleine Steckbrief der Universität Potsdam eingeschrieben ist. „Er erzählte, Fächer-Wochen gab es Schnupper-Sprachkurse, die üb- Projekttitel: Osteuropastudien in Brandenburg dass er regelmäßig zwischen Potsdam und Frankfurt an licherweise nur an der jeweils anderen Universität ange- der Oder pendele, wenn es dort interessante Seminare boten werden – so konnten die Frankfurter Studierenden Beteiligte Hochschulen: Universität Potsdam, Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder oder Veranstaltungen gebe“, sagt Werberger. Sie selbst ist einen Tag lang Jiddisch lernen, die Potsdamer wiederum Beteiligte Fächer: Jüdische Studien, Slavistik (Belarussistik, Polonistik, Russistik, Ukrainistik) Professorin an der Viadrina in Frankfurt, lehrt über osteu- Ukrainisch. „Für die nächsten Semester erwarte ich einen Zielgruppe: außeruniversitäre Bildungseinrichtungen, wissenschaftlicher Nachwuchs, allgemeine Öffentlichkeit, ropäische Literaturen – und war eine der Koordinatorinnen spürbaren Effekt“, sagt Annette Werberger: Bei den Kleine Politik, Schülerinnen und Schüler, Studierende der Projekte, die die Osteuropa-Experten in Frankfurt an Fächer-Wochen sollen den Studierenden gezielt die Au- der Oder und Potsdam bei den Kleine Fächer-Wochen gen geöffnet werden für die Möglichkeiten, spezialisierte gemeinsam auf die Beine stellten. Seminare auch an der jeweils anderen Universität wahr- Die Osteuropa-Studiengänge an der Universität Potsdam und der Europa-Universität Viadrina zunehmen und anrechnen zu lassen. setzen jeweils andere Schwerpunkte. Ziel des Projekts war, Lehre und Forschung besser zu Dass die Studierenden zwischen beiden Städten pendeln, verknüpfen, um somit das Land Brandenburg als Hotspot der Osteuropaforschung zu stärken. ist eine Entwicklung, von der Werberger in jüngster Zeit „Osteuropastudien sind mehr als nur Slawistik“, betont Wer- Zugleich sollten Berufsperspektiven vermittelt und der Forschungsgegenstand öffentlich sichtbarer gemacht öfter gehört hat. Das Semesterticket gilt in ganz Bran- berger und weist damit auf die Vielseitigkeit der Regional- werden. Dazu gab es 20 Veranstaltungen von Workshops über Podiumsdiskussionen und Lesungen bis hin denburg, das erleichtert die Reisen; vor allem aber ist es studien hin. Bei der Viadrina gehört der Blick auf den Osten zu Schulbegegnungen. inhaltlich spannend für alle, die sich in ihrem Studium zum Gründungsauftrag; auch wenn sich die Zielregionen mit Osteuropa beschäftigen. Wegen der Zuschnitte der in jüngster Zeit ein wenig verschieben. „Wir erweitern den Kontakt: Professuren hat die Viadrina ihre Schwerpunkte in kultur- ursprünglichen deutsch-polnischen und russischen Schwer- Prof. Dr. Annette Werberger wissenschaftlich-historischen Zusammenhängen, während punkt in Richtung Ukraine, Litauen, Belarus auch hin zum Dekanin der kulturwissenschaftlichen Fakultät die Universität Potsdam eher philologisch interessierte Stu- Sorbischen“, sagt Annette Werberger. Diese Änderungen Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder dierende anlockt. „Die Zusammenarbeit ist schon länger gehen einher mit einer Veränderungen in den gesamten werberger@europa-uni.de recht eng, vor allem in der gemeinsamen Betreuung von Osteuropastudien, die immer eine enge Parallele zur Politik Doktor- und Masterarbeiten in Kolloquien“, sagt Annette aufwies – im Kalten Krieg bekam sie eine Schlüsselstellung, 16 17
FACHÜBERGREIFEND EINE GUTE WELLE FÜR DIE KLEINEN FÄCHER Mit Schülerkontaktstudien, Führungen für Abiturientinnen und Abiturienten sowie einem ganz besonderen Flussfahrzeug weckte die FAU Erlangen-Nürnberg Lust auf das Studium von Kleinen Fächern. Die Idee zu dem Boot hatte Althistoriker Boris Dreyer Die Erfahrungen aus diesen ersten Aktionen flossen nun in Steckbrief schon vor einer ganzen Weile: „Ich wollte ein Römerboot die Kleine Fächer-Wochen der Universität Erlangen-Nürn- Projekttitel: auditorium maximum: Kleine Fächer-Wochen an bauen – diesen Gedanken trug ich lange mit mir herum“, berg ein: „Wir suchen beständig nach Möglichkeiten, die der FAU erzählt er. Dass aus dem spleenigen Traum des Althis- Chancen nachhaltig zu nutzen, die das Boot bietet“, sagt Beteiligte Hochschule: Friedrich-Alexander Universität Erlangen- torikers tatsächlich Wirklichkeit geworden ist, liegt an Boris Dreyer. Nachhaltig bedeutet in diesem Fall, neue Nürnberg einer besonderen Kooperation von Experten aus etlichen Potenziale zu heben – und die vermeintliche Kluft zwi- Fächern an der Friedrich-Alexander-Universität Erlan- schen Wissenschaft und Wissenschaftskommunikation zu sogenannten Patrouillenboot die Rhein-Donau-Grenze Beteiligte Fächer: Allgemeine Vergleichende Literatur- gen-Nürnberg, darunter auch mehrere Kleine Fächer: Seit schließen. Bei den Kleine Fächer-Wochen ist das Team mit überhaupt bewachen, wie griffen die Sicherungsmaß- wissenschaft, Alte Geschichte, Arabistik, Buchwissenschaft, 2018 schwimmt das 16 Meter lange Boot auf dem Wasser dem Boot auf Tour gegangen, um auch Orte zu erreichen, nahmen ineinander? Aber selbst Sportmediziner arbeiten Christliche Archäologie, Computerlinguistik, Digitale – und wurde jetzt, im Rahmen der Kleine Fächer-Wochen, wo es bislang nicht vor Anker gelegen hatte – ein größerer mit dem Boot; sie helfen dabei, Erkenntnisse über die Geisteswissenschaften, Ethik der Medizin, Islamische Schnelligkeit, die Wendigkeit des Fahrzeugs und die Aus- Theologie, Japanologie, Klassische Archäologie, Klassische auf neue Art und Weise eingesetzt. Aufwand ist das, weil es für jeden Transport auf einen dauer der Ruderer herauszufinden. Und auch die Technik Philologie, Kunstpädagogik, Osteuropäische Geschichte, speziellen Anhänger verladen werden muss. Ist es erst und Zusammensetzung der Bemalung (Enkaustik) wird Paläontologie, Psychogerontologie, Sinologie, Theater- und Es ist ein imposanter Anblick, den das Boot bietet: Schmal am Zielort angekommen, wirkt das Boot von ganz alleine: Medienwissenschaften, Ur- und Frühgeschichte geschnitten ist es, offen und ohne Kabine oder Verdeck, „Wir hatten dutzende Latein-, Geschichts- und andere untersucht. dafür aber mit Bänken für 18 Ruderer. „Als unsere Univer- Klassen aller Schultypen und jeden Alters zu Besuch“, sagt Zielgruppe: Hochschulöffentlichkeit, Lehrkräfte, allgemeine sität ihr 275. Jubiläum feierte, war das Boot eine ideale Dreyer schmunzelnd – und für ihn und seine Kolleginnen Das Römerboot war aber nicht die einzige Maßnahme, Öffentlichkeit, Schülerinnen und Schüler, Studierende Möglichkeit, die Vielfalt der Fächer bei uns zu demonst- und Kollegen ist es dann jedes Mal eine Gelegenheit, ihr mit der die Kleinen Fächer an der Uni Erlangen-Nürn- rieren“, sagt Boris Dreyer im Rückblick: Mit Archäologen, Fach ganz anders zu präsentieren, als es im Unterricht berg im Rahmen der Kleine Fächer-Wochen aktiv war: Auf Ein ganzes Semester lang machten die beteiligten digitalen Graphikern, aber auch Strömungswissenschaft- üblicherweise geschieht. Aber auch Vereine und Firmen Schüler-Kontakt-Seminaren unterrichteten studentische Kleinen Fächer mit öffentlichkeitswirksamen lern und Vertretern aus anderen Ingenieurswissenschaften, waren zu Gast: Geschichte zum Anfassen. Das Boot wurde Tutoren in Schulen aus der Umgebung – und verteilten Aktionen auf sich aufmerksam. Im Zentrum aber auch organischen Chemikern und Wahrnehmungs- und ist ein „Botschafter der Universität in die Region und an besonders interessierte Schülerinnen und Schüler per- stand eine Lange Nacht der Wissenschaften, an der sich eine psychologen arbeitete er zusammen, hinzu kamen Fach- darüber hinaus“, wie es Dreyer nennt. sönliche Einladungen zur Langen Nacht der Wissenschaf- Vielzahl Kleiner Fächer beteiligte. Ein Schülerkontaktstudium leute aus dem traditionellen Bootsbau. „Die Resonanz war ten, verbunden mit einem individuellen Blick hinter die und zahlreiche weitere Aktionen gehörten ebenfalls zum riesengroß“, erinnert sich der Professor für Alte Geschichte Aber auch für wissenschaftliche Fragestellungen bietet das Kulissen der Alten Geschichte, aber auch anderer Kleiner Angebotsspektrum, das wiederholt in der regionalen Presse an den Moment des Stapellaufs vor zwei Jahren: Fernseh- Boot jede Menge Anhaltspunkte; gerade auch mit Blick Fächer. Diese Idee mit dem persönlichen Heranführen an aufgegriffen wurde. beiträge entstanden, Schulen besuchten das Boot und jede auf die Zusammenarbeit von Kleinen Fächern. Wie waren die Universität war einer der Kerngedanken bei den Kleine Menge Schaulustige – alles ganz nach der ursprünglichen die Zeitumstände, als die Römer jene Boote bauten? Wie Fächer-Wochen an der FAU. Kontakt: Intention, die Neugier auf die Wissenschaft im Allgemei- war es überhaupt möglich, dass die damaligen Werften Prof. Dr. Bärbel Kopp Dr. Robert Fischer nen und die Alte Geschichte im Besonderen zu wecken. auf Befehl des Kaisers 250 solcher Boote in einem einzigen Vizepräsidentin Education Büro für Forschung und Winter anfertigten? Warum mussten die Römer mit dem Friedrich-Alexander- wissenschaftl. Nachwuchs Universität Erlangen-Nürnberg Philosophische Fakultät und vizepraesidenten@fau.de Fachbereich Theologie Friedrich-Alexander- Dr. Cordula Glass Universität Erlangen-Nürnberg Büro für Forschung und robert.fischer@fau.de wissenschaftl. Nachwuchs Philosophische Fakultät und Fachbereich Theologie Friedrich-Alexander- Universität Erlangen-Nürnberg 18 19 cordula.glass@fau.de
GEISTESWISSENSCHAFTEN VOM SPRECHEN ÜBER DAS SPRECHEN „Es müsste noch mehr von ihnen geben“, bestätigte des- halb auch Petra Grimm-Benne, die Ministerin für Arbeit, Aufführung des „Ring des Nibelungen“ inszeniert, bei der sich die Sängerinnen und Sänger an der Aussprache des Gesundheit und Soziales Sachsen-Anhalts, die im halle- Deutschen zu Wagners Zeiten und nach seinen Vorstel- schen Rathaus die klinisch-sprechwissenschaftliche Aus- lungen orientieren. An der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg stellten die Sprechwissenschaftler ein Programm auf stellung „Was Sprachtherapie kann“ eröffnete. Anhand die Beine, durch das ihre Disziplin ein halbes Jahr lang allgegenwärtig war. Mit dabei: viel Begeisterung beeindruckender Patientenportraits wurden Einblicke in „Alles in allem waren die Kleine Fächer-Wochen eine für die Sache – und jede Menge hochkarätiger Gäste. die Schicksale von Menschen mit Sprach-, Sprech-, Stimm- ausgezeichnete Investition zur besseren Sichtbarkeit und Schluckstörungen gegeben. Mit einer Fachtagung und und für die Zukunft unsers Faches“. Die Bewerberzah- „Jede Woche fand ein anderes Event statt“, berichtet ver- Sprechbildung, alles in Forschung, Lehre und Praxis.“ Es ist einem nagelneuen Imagefilm wurde zudem eine Sprech- len auf das Studium steigen kontinuierlich, freut sich die hoebegeistert, Professorin für Sprechwissenschaft in Halle. ein enormes Spektrum, das sich hinter diesen Schlagwor- wissenschaftliche Beratungsstelle eröffnet. Sprechwissenschaftlerin. Zusammen mit ihren Kolleginnen und Kollegen, sehr vielen ten verbirgt, es reicht von der Therapie bei Sprachstörun- engagierten Studierenden und vielen Kooperationspart- gen bis hin zu Rhetoriktraining, Beratung und Coaching Ein weiterer Höhepunkte war die Podiumsdiskussion unter nern aus Wissenschaft, Politik, Kunst und Forschung stellte und den Herausforderung der digitalen Kommunikation an dem Motto „Im Gespräch bleiben – Wie wir heute über sie ein Programm zusammen, das für Aufsehen sorgte. der Schnittstelle Mensch-Maschine-Mensch. konflikthafte Themen in Politik und Gesellschaft sprechen“, Allein schon in der Auftaktwoche waren eine amtierende veranstaltet in Zusammenarbeit mit der Nationalen Aka- Ministerin dabei, ein Ministerpräsident a.D., führende Vertreter von Stadt und Universität sowie Presse und Rund- „Von dem sprechwissenschaftlichen Wissen und Know- How kann die ganze Gesellschaft profitieren“, sagt Susan- demie der Wissenschaften Leopoldina. Voigt-Zimmermann Steckbrief umreißt das Thema so: „Das Miteinander-Sprechen ist das funk – und vor allem jede Menge Bürgerinnen und Bürger ne Voigt-Zimmermann. Das ist das Credo ihres Faches, das zentrale Mittel, um sich über grundlegende Fragen des Projekttitel: Kleine Fächer-Wochen Sprechwissenschaft unter dem Motto aus Halle und Umgebung, die sich neugierig informierten seiner Natur nach nicht nur nach innen gerichtet ist, auf Zusammenlebens in der Gesellschaft zu verständigen, und „miteinander sprechen – verantwortlich, kompetent, reflektiert“ und aktiv eingebunden wurden. die Fachcommunity, sondern vor allem auch nach außen. das durchaus kontrovers.“ Mit auf dem Podium waren der Beteiligte Hochschule: Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Der Transfer der fachwissenschaftlichen Expertise in die frühere Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt Christoph „Die zu den Lebenswissenschaften zählende Sprechwis- konkrete Anwendung sei deshalb ein zentraler Aspekt der Beteiligte Fächer: Sprechwissenschaft Bergner und der grüne Landespolitiker Sebastian Striegel. senschaft untergliedert sich in fünf Säulen“, erläutert Sprechwissenschaft. Wie sich das Sprechen im Laufe der zurückliegenden Jahre Zielgruppen: Fachöffentlichkeit, Journalisten, allgemeine Öffentlichkeit, Suanne Voigt-Zimmermann und zählt auf: „Rhetorik, verändert hat, wie Positionen unversöhnlicher geworden Politik, Wissenschaft, Kultur und Wirtschaft Phonetik, Sprechkunst, Klinische Sprechwissenschaft und sind – darüber berichtete Christoph Bergner aus eigener Erfahrung. Und der Grünen-Politiker Sebastian Striegel erzählte über seinen Umgang mit Drohungen, die unver- Die Sprechwissenschaft der Universität Halle präsen- hohlen gegen ihn und Politiker-Kollegen ausgesprochen tierte sich mit einer Fülle von Aktivitäten, die deutlich werden. „Es war eine unwahrscheinlich spannende De- machten, wie breit das Fach aufgestellt ist und zu wie batte“, erinnert sich Voigt-Zimmermann, die selbst auch vielen gesellschaftlich relevanten Aspekten es etwas beitragen kann. mit auf dem Podium saß – eine Debatte, die im Anschluss Eine Ausstellung mit dem Titel „Was Sprachtherapie kann“ zählte noch weiterging: Im Foyer der Leopoldina stellten sich die genauso dazu wie die Eröffnung einer sprechwissenschaftlichen Politiker und Wissenschaftlerinnen dem Gespräch mit den Beratungsstelle, eine Tagung über Ausspracheideale auf der Bühne, Besuchern. „Immer wieder ging es dabei um die Frage, Podiumsdiskussionen, Workshops, ein Imagefilm des Faches, eine wie sich jeder Einzelne in den gesellschaftlichen Diskurs Ringvorlesung, internationale Arbeitstreffen und ein Doktorandentag einbringen kann“, sagt Voigt-Zimmermann – und schon sowie eine Vorlesekarawane und ein sprechkünstlerischer Vortrags- sei man mittendrin gewesen in einer sprechwissenschaftli- abend der Studierenden. chen Debatte. „Denn wie wir heute miteinander sprechen, werden wir morgen miteinander leben“, fasst Voigt-Zim- Kontakt: mermann zusammen. Prof. Dr. phil. habil. Susanne Voigt-Zimmermann Sprecherin der Abt. Sprechwissenschaft und Phonetik Einen weiteren sprechwissenschaftlichen Aspekt rückte Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg die Tagung „Ausspracheideale auf der Bühne in Geschich- susanne.voigt-zimmermann@sprechwiss.uni-halle.de te und Gegenwart“ in den Fokus. Sprechwissenschaftler arbeiten aktuell mit dem Star-Dirigenten Kent Nagano zusammen, der in seinem Projekt „Wagner-Lesarten“ eine 20 21
GESUNDHEITSWISSENSCHAFTEN WELTRETTUNG MIT MUSIK In einem deutschlandweiten Verbundprojekt beschäftigten sich Musiktherapeutinnen und Musiktherapeuten mit den Wurzeln ihres Faches – und erprobten neue Formen der Zusammenarbeit, um ihre Disziplin auf ganz neue Herausforderungen vorzubereiten. sondern auch mit der Zukunft, die auch im Zeichen der Vernetzung mit benachbarten, aber auch weiter entfern- ten Disziplinen steht. Das Symposium stellte den Auftakt zu zahlreichen Veranstaltungen dar. „Musiktherapie im Spannungsfeld gesellschaftlicher Herausforderungen – ein Verbundprojekt zu Lehre, Forschung und Praxis“ hieß der Ansatz in bewusst weiter Formulierung. Musiktherapeutinnen und Musiktherapeuten behandeln Steckbrief mit dem gezielten Einsatz von Musik Patienten, die unter psychischen, aber auch unter körperlichen Beschwer- Projekttitel: Musiktherapie im Spannungsfeld gesellschaftlicher den leiden. Unter anderem steht die Musiktherapie als Herausforderungen – ein Verbundprojekt zu Lehre, Forschung und Praxis Fachwissenschaft in enger Wechselwirkung mit Medizin, Beteiligte Hochschulen: SRH Hochschule Heidelberg, Universität Augsburg, Psychologie, Musikwissenschaft und Pädagogik. „Die Di- Universität der Künste Berlin, Theologische Hochschule Friedensau, gitalisierung war für unser Fach im deutschsprachigen Hochschule für Musik und Theater Hamburg, Hochschule für angewandte Ob sie sich nicht ein wenig zu weit herausgelehnt hät- Raum bisher kein großes Thema, es gibt auch lediglich Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt ten aus dem Fenster? Bang fragte sich das das Organi- eine handvoll deutschsprachige Publikationen dazu“, sagt Beteiligte Fächer: Musiktherapie sationsteam des musiktherapeutischen Symposiums in Josephine Geipel. Anders ist das beispielsweise in den Heidelberg, das seine große Veranstaltung mit Gästen USA oder auch in Australien, wo aufgrund der großen Die Verzahnung mit anderen Fächern ist den Musikthe- Zielgruppen: Alumni, Fachöffentlichkeit, wissenschaftlicher Nachwuchs, aus aller Welt vollmundig überschrieben hatte mit dem Entfernungen die digitalen Methoden viel rascher Ein- rapeutinnen und Musiktherapeuten quasi in die Wiege allgemeine Öffentlichkeit, Politik, Studieninteressierte, Studierende Titel „Nur noch kurz die Welt retten – Musiktherapie und gang gefunden haben in die Disziplin – vor allem in der gelegt: Als sich das Fach – die Berufsbezeichnung ist bis Digitalisierung“. Die Kombination der beiden Begriffe universitären Lehre werden beispielsweise Blended-Lear- heute nicht geschützt – vor rund vier Jahrzehnten akade- Der 40. Jahrestag der Gründung der akademischen nämlich, Musiktherapie und Digitalisierung, sei bislang ning-Strategien und ähnliche Ansätze angewendet. In der misierte, lag ihm in Heidelberg ein sozialpädagogisches Musiktherapie stellte den Auftakt des Verbundprojekts mit in Deutschland nicht besonders häufig betrachtet worden, Dokumentation und der Therapie selbst können digitale Studium zu Grunde. Später dann entwickelten sich vielfach zahlreichen bundesweiten Veranstaltungen dar. Im Mittel- räumt die Organisatorin Josephine Geipel ein. Schließlich Methoden das Handwerkszeug der Therapeuten erheb- enge Partnerschaften mit Medizinern und Psychologen, punkt standen drei Ziele: die Vernetzung der einzelnen Studienstandorte aber bestätigten sich die Befürchtungen nicht: „Wir alle lich bereichern. Ein Erfahrungsaustausch mit Kolleginnen die für die Musiktherapeuten später auch meistens die in Deutschland, der Erhalt der Vielfalt zwischen den einzelnen Studien- haben sehr positive Eindrücke mitgenommen und ich bin und Kollegen aus anderen Ländern, aber auch anderen Ansprechpartner sind mit Blick auf den einzelnen Patien- gänge und die Erhöhung der Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit. Außerdem überzeugt, dass wir viele Impulse für die weitere Entwick- Bundesländern brachte hier wertvolle Einblicke auf ver- ten. Wer im Feld der Musiktherapie promoviert, tut das wurde eine gemeinsame Ausbildungsordnung ausgearbeitet, die unter lung unserer Disziplin gewinnen konnten“, so Geipel. schiedenen Ebenen, wobei ein Schwerpunkt bewusst auf bis heute häufig mit einem Doktorvater oder einer Dok- anderem die Attraktivität des Berufsfelds erhöhen und den Weg zu einer den Bereich der Therapie gelegt wurde. Hier zeigte sich tormutter aus den Bereichen Medizin oder Psychologie. berufsrechtlichen Anerkennung ebnen soll. Die neuen Impulse, auch ein Ausblick – das war eines der beispielsweise, dass die Arbeit mit Musiktechnologen Eine neuere Entwicklung ist jetzt die verstärkte Verzahnung Kernanliegen bei dem Symposium, das nicht zufällig zum gewinnbringend sein kann, etwa wenn es um den Einsatz mit Tanz- und Bewegungstherapeuten, mit Theater- und Kunsttherapeuten. So entstand in den vergangenen Jahren Kontakt: 40. Jahrestag der Gründung der akademischen Musikthe- von elektronischen Musikinstrumenten geht. „Es gibt zum die Wissenschaftliche Fachgesellschaft für Künstlerische Josephine Geipel rapie in Heidelberg stattfand. Der Rückblick auf die Ent- Beispiel die Möglichkeit, dass ein Mensch mit schwerwie- Therapien – auch sie stellt eine Plattform dar, auf der Akademische Mitarbeiterin der Fakultät stehung einer Disziplin, die sich von Anfang an stets wei- genden motorischen Einschränkungen über einen einzigen Entwicklungen wie die Digitalisierung mit allen ihren Aus- für Therapiewissenschaften, Musiktherapie terentwickelt hat, war deshalb selbstverständlich Teil des beweglichen Finger Musik machen kann – dafür sind SRH Hochschule Heidelberg Programms; aber nur mit der Vergangenheit wollten sich neue, digitale Instrumente notwendig“, sagt Josephine wirkungen auf den therapeutischen Alltag thematisiert werden können. josephine.geipel@hochschule-heidelberg.de die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht beschäftigen, Geipel. 22 23
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