Klimafreundliche Nutzfahrzeuge - Vergleich unterschied-licher Technologiepfade für CO 2-neutrale und -freie Antriebe
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Klimafreundliche Nutzfahrzeuge Vergleich unterschied- licher Technologie pfade für CO2-neutrale und -freie Antriebe VDI/VDE-Studie Januar 2022
Copyright Bilder Titelseite: zhengzaishuru/Shutterstock.com (großes Hintergrundbild) Ronald Rampsch/Shutterstock.com (oben rechts) Scharfsinn/Shutterstock.com (Mitte rechts) Quelle: Institut für Mikroverfahrenstechnik, KIT, Karlsruhe (unten rechts)
Executive Summary Die Vermeidung von CO2-Emissionen beim Betrieb gelten die Klassen N1 (3,5 t), N2 (3,5 bis 12 t) und N3 von Nutzfahrzeugen steht im Fokus der Fahrzeugher- für Lkw über 12 t. Busse für den Personentransport steller und -nutzer. Die Unternehmen entwickeln zählen zur Klasse M3. deshalb Konzepte, die zum großen Teil auf elektri- schen Antriebsystemen basieren. Die Einhaltung der EU-Vorgaben für CO2-Emissio- nen erfordert neue Antriebstechniken. Zur Diskussion Mit der vorliegenden Kurzstudie untersuchen VDE stehen batterietechnische Lösungen (BEV), Batterie- und VDI die Auswirkungen der Elektromobilität für fahrzeuge mit Oberleitung (CAT), Brennstoffzellen- den Nutzfahrzeugsektor. Im Einzelnen werden in der systeme (FCEV) sowie synthetische Energieträger Studie die elektrischen Antriebssysteme mit Batterien, (SYN) oder Wasserstoff für konventionelle Verbren- Brennstoffzellen, Oberleitungen, aber auch mit rege- nungsmotoren. Allen Lösungen ist gemeinsam, dass nerativen Energien erzeugter Wasserstoff oder synthe- sie bei Einsatz von Strom aus erneuerbarer Energie tische Kraftstoffe in Verbrennungsmotoren betrachtet. CO2-frei sind oder im Fall der synthetischen Energie- Diese Antriebe werden verglichen in Bezug auf Tech- träger als CO2-neutral gelten. nik, Kosten, Nutzerverhalten, Emissionen und Ener- giebeschaffung. Bei BEV wird der Strombedarf einschließlich der Hilfsaggregate aus der Batterie gedeckt. Dies begrenzt die Reichweite. Vorteilhaft ist die Rekuperation, das Politische Rahmenbedingungen heißt die Rückgewinnung von Bremsenergie. Besteht die Möglichkeit eines Netzanschlusses wie bei CAT, Die Europäische Kommission forciert die Minderung kann während der Fahrt die Batterie nachgeladen von Treibhausgasemissionen im Nutzfahrzeugsektor. werden. Für leichte Nutzfahrzeuge sind die CO2-Ziele in der FCEV nutzen Wasserstoff (H2) als Energieträger und Verordnung (EU) 2019/631 beschrieben. Für 2030 ist sind in der Reichweite vergleichbar mit konventionel- hier eine Reduktion der CO2-Emissionen um 31 % len Fahrzeugen. Auch hier besteht die Möglichkeit der gegenüber dem Bezugsjahr 2021 vorgesehen. Mittels Rekuperation. Mittels Hybridlösungen, das heißt der fahrzeuginterner Überwachungs- und Erfassungsein- Kombination von FCEV und BEV, lässt sich hohe richtungen des Kraftstoff- bzw. Energieverbrauchs Effizienz mit großer Reichweite kombinieren. sollen die CO2-Emissionen im realen Fahrbetrieb erfasst werden. Auf Wasserstoff basierende Verbrennungsmotoren sind aus heutiger Sicht keine Option, um kurzfristig Schwere Nutzfahrzeuge (über 12 t), einschließlich im Nutzfahrzeugbereich eine CO2-freie Lösung anbie- Lkw und Busse, sind derzeit für 6 % der CO2-Gesamt- ten zu können. Wenn aber der H2-Motor in Bezug auf emissionen und 25 % der CO2-Emissionen des Stra- seinen Nutzungsgrad und seine TCO mit Brennstoff- ßenverkehrs in der Europäischen Union verantwort- zellensystemen konkurrieren kann, könnte er zukünf- lich. Mit der Verordnung 2019/1242 hat die EU des- tig eine Option darstellen. halb Reduktionsziele für schwere Nutzfahrzeuge festgelegt. Im Vergleich zu den CO2-Bezugsjahren Flüssige synthetische Energieträger (SYN), mittels (2019 bis 2020) sind die Emissionen bis 2025 um Strom aus erneuerbaren Energien gewonnen, sind 15 % zu verringern, bis 2030 um 30 %. Weitere Regu- dagegen trotz geringer Effizienz eine langfristige lierungen (unter anderem für leichtere Lkw, Lkw mit Option. Sie sind in der Qualität vergleichbar mit kon- Anhänger und Auflieger sowie Busse) sind geplant. ventionellen Energieträgern und können in bestehen- den Antriebssystemen zum Einsatz kommen. Die deutsche Regierung fördert diese Entwicklung mit der Novellierung des Klimaschutzgesetzes. Es sieht Der Vergleich der Energie-Nutzungsgrade der kom- vor, dass Deutschland bis 2045 klimaneutral wird. Bis pletten Prozesskette (Well-to-Wheel bzw. WTW) 2030 sollen die Treibhausgasemissionen um 65 % belegt die hohe Effizienz von BEV. Dank der direkten gesenkt werden. Umwandlung von elektrischer in mechanische Ener- gie liegt der Gesamtnutzungsgrad bei 57 % bis 63 %, beim CAT sogar bis zu 70 %. Die Nutzungsgrade Technik beim FCEV liegen wegen der vorgelagerten Prozess- kette und der Effizienz der Brennstoffzelle bei 24 % Nutzfahrzeuge umfassen eine Vielzahl von Fahrzeug- bis 29 %, also um den Faktor 2 bis 3 niedriger. Durch typen. Entsprechend den Regularien der EU werden Nutzung von Optionen wie Abwärmenutzung ist eine sie unterschiedlichen Klassen zugeordnet. Für Lkw Wirkungsgradverbesserung möglich. Zusätzliche www.vdi.de
Vorteile liegen im Bereich der Energiespeicherung sen) abstimmen lassen. Dies setzt eine ausreichende und der Sektorenkopplung. Bei Einsatz synthetischer Anzahl von Ladepunkten bzw. Tankstellen voraus. Energieträger (SYN) ist auch bei hocheffizienten Motoren von Nutzungsgraden von nur 17 % bis 20 % Derzeit gibt es bundesweit über 16.100 Ladepunkte, auszugehen. Auch an dieser Stelle sind die Verluste doch nur 25 eignen sich für Lkw mit Batterien (BEV). der vorgelagerten Prozesskette zur Gewinnung des Mit einem Netz von 260 Ladeorten und 1.030 Lade- synthetischen Energieträgers und die geringere Effizi- punkten mit Dauerladeleistungen von 350 kW ließe enz der Verbrennungsmotoren hierfür verantwortlich. sich ein BEV-Anteil am Fahrzeugbestand von 5 % abdecken, mit 2.300 Ladepunkten 15 %. Bei einer Leistung von 720 kW wären für den gleichen De- Speicherung ckungsgrad 630 bzw. 1.200 Ladepunkte ausreichend. Für die Stromspeicherung an Bord kommen Lithium- Auch das H2-Tankstellennetz entspricht nicht den Ionen-Batterien mit flüssigen Elektrolyten zum Ein- Ansprüchen von Nutzfahrzeugen. Die derzeit 90 satz. Die spezifische gravimetrische bzw. volumetri- 700-bar-Tankstellen eignen sich in Bezug auf die sche Kapazität ist mit kleiner 1 kWh/kg bzw. 1 kWh/ℓ benötigten Mengen und zügigen Betankung nur be- relativ gering, sodass größere Reichweiten nur mit dingt für Lkw. Nach Fraunhofer ISE sind bis 2030 in großen Batterien erreichbar sind. Die noch in der Deutschland 70 Lkw-taugliche H2-Tankstellen zu Entwicklung befindlichen Lithium-Batterien auf Fest- errichten, bis 2050 ist von einem Bedarf von ca. 140 stoffbasis versprechen eine Verbesserung. Mit kon- Tankstellen auszugehen. Sie sind gleichmäßig über ventionellen Antrieben vergleichbare Reichweiten das Autobahnnetz zu verteilen, ergänzt durch Installa- sollen dann erreichbar sein, bei gleichzeitig verbesser- tionen entlang der internationalen Transitrouten und ten Schnellladeeigenschaften, geringerem Gewicht in Industrieregionen. und geringerem Bauvolumen. Die Gasspeicherung an Bord von Nutzfahrzeugen gilt Reichweite wegen der hiermit verbundenen Beeinträchtigung der Nutzlastkapazität durch großvolumige Tanks als Her- Betriebserfahrungen zeigen, dass sich mit BEV-Bus- ausforderung. Derzeit wird die Druckspeicherung sen oder -Lkw Distanzen von 200 km bis 300 km wegen ihres fortgeschrittenen Entwicklungsstands bewältigen lassen; mit entsprechend ausgelegten Bat- favorisier, alternativ ist die Speicherung von flüssi- teriesystemen sind auch Reichweiten von mehr als gem H2 möglich. Langfristig könnte die cryo-com- 300 Kilometer möglich. Neben der Fahrgeschwindig- pressed Form (300 bar) mit ihren größeren Speicher- keit ist die Reichweite von dem Heizungs- und Klima- potenzialen gegenüber konventionellen Drucktanks tisierungsbedarf abhängig. In der Zukunft sind auch eine Option darstellen. die Einflüsse des autonomen Fahrens zu berücksichti- gen. H2-Speicherkapazitäten von unter 25 kg sollten für viele Lkw-Klassen und Nutzungsprofile ausreichend Bei schweren Langstrecken-Lkw gilt die Reichweite sein. Bei Langstrecken-Lkw ist dagegen von einem als Herausforderung. Zum einen reduzieren die Batte- Bedarf von 57 kg bis 64 kg auszugehen, wobei sich riegewichte die Nutzlast, zum anderen ist das Laden hiermit nur 40 % der täglichen Zyklen bedienen las- zeitintensiv. sen. Bei Ausschöpfung des verfügbaren Speichervo- lumens könnten sich nach amerikanischen Studien mit Wasserstoff könnte das Problem lösen. Die Vorhal- Langstrecken-Lkw (Sattelzug, 24 t zulässiges Ge- tung von H2 setzt jedoch große Speicher voraus, die samtgewicht) in Verbindung mit einem 700 bar Tank sich in bestehende Fahrzeuge nur eingeschränkt integ- auch Reichweiten von über 1.600 km erreichen las- rieren lassen. Eine mögliche Verlängerung des Fahr- sen. Inwieweit sich diese Aussagen auf Europa über- zeugs ist wegen gesetzlicher Vorgaben in Europa tragen lassen, ist derzeit fragwürdig. Da die EU-Regu- derzeit nicht zulässig. larien eine Längenbegrenzung der Fahrzeuge vorse- CAT könnten in Bezug auf die Reichweite Vorteile hen, ist bei Verbrauchswerten von ca. 7 kg H2/100 km bieten. Diese Technik setzt jedoch den Aufbau einer und Einhaltung der zulässigen Fahrzeuglänge eher neuen Oberleitungsinfrastruktur voraus, wozu derzeit von Distanzen bis zu 1.000 km auszugehen. auf der europäischen Ebene keine Bereitschaft zu erkennen ist. Laden bzw. Betankung der Fahrzeuge Nutzfahrzeuge müssen jederzeit einsetzbar sein bzw. Verfügbarkeit das Nutzungsregime muss sich mit dem Einsatz des Zur Verfügbarkeit von elektrischen Nutzfahrzeugen Fahrzeugführers (gesetzlich vorgegebene Ruhepha- liegen langfristige Erfahrungen nur aus dem Busbe- www.vdi.de
reich vor. Diese zeigen, dass der Reifegrad von BEV für Spediteure, Verbraucher und Industrie tragbaren und FCEV fortgeschritten ist. Die durchschnittlichen Rahmen liegen. Verfügbarkeitswerte sind mit 85 % (BEV) bzw. 73 % (FCEV) zu veranschlagen. Vertiefte Analysen zeigen Die Gesamtkosten (TCO – Total Costs of Ownership) jedoch, dass ein Großteil der Fehler nicht auf antriebs- gelten als Kriterium für die Bewertung der Kosten. spezifische Aspekte zurückzuführen ist. Die wichtigsten Einflussfaktoren sind die Anschaf- fungskosten des Fahrzeugs sowie die laufenden vari- ablen Betriebskosten. Im Einzelnen gelten folgende Sicherheit Kriterien: Bei Fahrzeugen mit hoher Kilometerleis- tung sind geringe variable Kosten kaufentscheidend, Der Einsatz von Wasserstoff in Fahrzeugen war von umgekehrt werden niedrige Fixkosten bei Fahrzeugen Beginn an von der Frage nach der Sicherheit begleitet. mit geringer Kilometerleistung erwartet. Weiterhin ist Diverse Richtlinien sind erarbeitet worden, die einen bei der Kaufentscheidung für ein klimafreundliches sicheren Betrieb ermöglichen. Umfangreiche Tests, Nutzfahrzeug, neben geringen TCO, die Existenz Genehmigungsprüfungen und praktische Erfahrungen einer flächendeckend funktionierenden Infrastruktur bestätigen, dass das Gefährdungspotenzial nicht höher für die jeweiligen Fahrzeuge von Relevanz. zu bewerten ist als bei konventionellen Kraftstoffen. Diverse Studien zeigen, dass die Anschaffungskosten von klimafreundlichen Nutzfahrzeugen derzeit zu Standardisierung hoch sind. Für eine Wettbewerbsfähigkeit ist folgende Der störungsfreie und kundenorientierte Einsatz der Entwicklung relevant: die Herstellungskosten sinken Systeme bei Nutzfahrzeugen erfordert einen ver- als Folge der Massenfertigung, wobei technische gleichbaren technologischen Standard. Aus heutiger Verbesserungen zu einer Steigerung der Leistungsfä- Sicht ist dies noch nicht gegeben. higkeit von Brennstoffzellen und Batterien beitragen. Die Produktionskosten von (grünem!) Wasserstoff Standardisierungsbedarf besteht bei den Ladesäulen. verringern sich und als Folge von CO2-Steuern nimmt Die uneingeschränkte Nutzung der Fahrzeuge erfor- die Wettbewerbsfähigkeit von Dieselfahrzeugen ab. dert Schnellladestationen. Weiterhin sind eine einheit- Unterstützt wird alles durch das Ordnungsrecht, das liche Ladetechnik und ein Plug&Play-Betrieb mit die Zufahrt von Dieselfahrzeugen beschränkt. automatisierter Tarifabrechnung unabdingbar. Marktanalysen zeigen, dass bei BEV und FCEV im Bei H2 ist, abhängig von der Speicherung an Bord Vergleich zu konventionellen Antrieben von sinken- (flüssig oder gasförmig unter Druck), eine Standardi- den Kosten auszugehen ist. Insbesondere betrifft dies sierung der Einrichtungen vor Ort notwendig. Bei die variablen Kosten. Soweit bei BEV derzeit Kosten- flüssiger Anlieferung betrifft dies standardisierte vorteile zu beobachten sind, liegen sie in dem frühe- Anschluss-, Speicher- und Dispenserausführungen, ren Markteintritt begründet. Da der Gewinn des Spe- bei gasförmiger Speicherung Dispensereinrichtungen diteurs derzeit wenige ct/km beträgt, sind Unsicher- für 350 bar bzw. 700 bar in für Nutzfahrzeuge geeig- heiten bezüglich der TCO einzelner Technologien von neter Form. mehr als 10 ct/km aktuell ein ernsthaftes Investitions- hindernis. Für SYN und CAT zeichnet sich bereits Was die Bereitstellung von H2 betrifft, ist eine Anlie- heute ab, dass diese Technologien langfristig höhere ferung in flüssiger oder gasförmiger Form denkbar. TCO aufweisen werden als FCEV und BEV. Alternativ ist eine Vor-Ort-Produktion mittels Elekt- rolyse (Strombezug aus dem Netz) möglich. Nutzerverhalten Für die Betankung sind einheitliche internationale Standards zu definieren. Hierzu zählen, für einen Zwischen der Marktdurchdringung von Nutzfahrzeu- automatisierten Betrieb, Dispensereinrichtungen mit gen und dem Nutzerverhalten besteht eine Wechsel- Kommunikationsschnittstellen sowie automatisierte wirkung. Die Akzeptanz neuer Technologien hängt Verfahren, die eine Protokollierung und Abrechnung davon ab, ob die Anwender ihre von konventionellen ohne Konsultation des Tankstellenpersonals ermögli- Antrieben gewohnten Nutzungsmöglichkeiten beibe- chen. halten können. Umgekehrt beschleunigt eine hohe Adaptionsbereitschaft auf Seiten der Anwender die Transformation zu neuen Technologien. Kostenrelevanz, TCO Insgesamt ist von einer Zunahme des Straßengüter- Die Wirtschaftlichkeit ist Voraussetzung für die dau- verkehrs auszugehen. Dies ist nicht allein durch die erhafte Akzeptanz von klimafreundlichen Nutzfahr- Menge der transportierten Güter begründet, sondern zeugen. Die Betriebskosten müssen damit in einem wird wesentlich durch die Transportentfernungen www.vdi.de
verursacht. Für den Güterverkehr mit Massengütern teme, insbesondere von Batterien. Analysen zeigen, (Schüttgüter, Erze, Kohle, Heizöl etc.) mit kürzeren dass heute bei der Batterieherstellung von 75 kg CO2 Entfernungen wird dagegen eine abnehmende Ten- je kWh Batteriekapazität auszugehen ist. Ein 40-t- denz erwartet. Diesel-Lkw kann rund 50.000 km fahren, bis er die herstellungsbezogenen CO2-Emissionen eines ent- Diese Entwicklungen gehen einher mit einer Effi- sprechenden Batteriefahrzeugs erreicht. Da die erwar- zienzsteigerung der Logistikprozesse. Hierzu zählen tete Laufleistung von Lkw jedoch um ein Vielfaches der kombinierte Verkehr, Fehlervermeidung, digitale größer ist, ist insgesamt von einem positiven Effekt Services wie Routenoptimierung, Nutzung von Bu- auf die CO2-Emissionen auszugehen. Dennoch sollte chungsplattformen oder Senkung der Verbrauchskos- zukünftig auch bei der Herstellung der Batterien rege- ten und schließlich autonomes Fahren. nerativer Strom zum Einsatz kommen. Weiterhin ist von einem Einfluss auf die Fahrzeug- Bei der Verbrennung entstehen Stickoxidemissionen. flotten auszugehen. Für die Klasse N1 (3,5 t) und N3 Bei Gas-Otto-Motoren lassen sich diese Emissionen (über 12 t) wird eine Zunahme der Fahrleistungen mittels Drei-Wege-Katalysatoren entfernen, bei die- erwartet. Umgekehrt ist bei der Klasse N2 (3,5 bis selmotorischen Verfahren mittels SCR-Katalysatoren. 12 t) von einer Stagnation auszugehen. Des Weiteren Beim SCR-Verfahren kommt es durch Eindüsung von sollte ein Wachstum des Bausektors zu einem stei- AdBlue® zu einer katalytischen Umwandlung von genden Bedarf an Fahrzeugen führen. NOX in das umwelttechnisch unbedenkliche N2. Der Bedarf ist mit 4 % bis 6 % des Kraftstoffverbrauchs Im Bereich der Fahrzeugeigner wird ein Wandel er- zu veranschlagen und, bei spezifischen Kosten von wartet. Hier erfolgt eine weitere Verlagerung vom 50 ct bis 60 ct je Liter, ein nicht zu vernachlässigen- Werksverkehr hin zum gewerblichen Verkehr, wobei der Kostenfaktor. verstärkt gebietsfremde Lkw zum Einsatz kommen. Während die Fahrleistungen von Kleinunternehmern Untersuchungen auf Autobahnen und in Stadtgebieten abnehmen, sollten die Fahrleistungen von Betreibern in NRW zeigen, dass der Leicht- und Schwerlastver- großer Flotten und Spezialtransport-Dienstleistern kehr für bis zu 50 % der heutigen CO2-Emissionen zunehmen. Fraglich ist, ob Flottenbetreiber bereit auf Autobahnen verantwortlich zeichnet, in städti- sind, in neue Tank- bzw. Ladeinfrastruktur zu inves- schen Gebieten für 30 % bis 40 %. Tests mit Batterie- tieren. oder Brennstoffzellen-Lkw bzw. Diesel-Hybrid-CAT in ausgewählten städtischen Gebieten zeigen, dass die Die Nachfrage nach „Grüner Logistik“ nimmt zu. neuen Antriebstechniken nicht nur zu einer CO2- Seitens der Politik wurden hierzu bereits Ziele bezüg- Reduktion beitragen, sie lassen auch eine Reduktion lich des Anteils strombasierter Fahrleistungen im der NOX- und Feinstaub PM2,5-Emissionen um 29 % schweren Straßengüterverkehr formuliert. bzw. 17 % erwarten. Emissionen Energiebeschaffung Nutzfahrzeuge verursachen eine Vielzahl von Emissi- Die Sektorenkopplung verfolgt das Ziel, durch Über- onen. Neben Geräuschen zählen hierzu CO2, Stick- tragung von erneuerbarem Strom in den Verkehrssek- oxide und Feinstaub. tor die Reduktion von Treibhausgasen zu forcieren. Neben der Nutzung des Stroms zum Laden von Batte- Mit der Einführung elektrischer Fahrzeuge ist eine rien bietet sich die Möglichkeit, Wasserstoff zu er- nachhaltige Reduzierung der Geräuschbelastung ver- zeugen (PtH2) und das Gas anschließend in nachge- bunden. Dies sollte die Akzeptanz der neuen Systeme schalteten Prozessen in Methan (PtCH4) oder mittels unterstützen (z. B. Belieferung von Supermärkten PtL in synthetische flüssige Kraftstoffe (SYN) umzu- während der Nachtstunden). wandeln. In Bezug auf CO2 sehen die politischen Zielstellungen Die Nutzung des Stroms oder der Energieträger ist in den Umstieg auf erneuerbare Energien vor. Mit der unterschiedlichen Antriebssystemen möglich. Rele- Nutzung von elektrischer Energie auf Basis erneuer- vant für die Entscheidung sind Stromkosten, Kosten barer Energie ist hierzu die Basis gegeben. Dies gilt und Wirkungsgrade von Elektrolyse und Antriebs- auch für synthetische Energieträger, wenn bei der technik bzw. die Effizienz der Syntheseanlagen und Herstellung regenerativer Strom zum Einsatz kommt. der Aufwand zur Bereitstellung des für die Synthese Auch wenn die während des Betriebs anfallenden benötigten CO2. CO2-Emissionen bei Nutzfahrzeugen langfristig ent- Zur Versorgung der neuen Antriebssysteme werden fallen oder aufkommensneutral sind, verbleiben mit- neue Versorgungsinfrastrukturen benötigt. Hierzu telfristig die CO2-Emissionen zur Herstellung der Sys- www.vdi.de
zählen bei FCEV die Einrichtungen zur Anlieferung Marktaspekte und Speicherung von H2 bei einem Druck von 350 bar bzw. 700 bar oder alternativ die Bereitstellung von Ende 2020 waren weltweit 1.066.000 Nutzfahrzeuge Flüssigwasserstoff und die zugehörige Tankstelleninf- mit elektrischem Antrieb im Einsatz, hiervon 435.000 rastruktur. Bei BEV betrifft dies die Errichtung von leichte Nutzfahrzeuge, 600.000 Busse und 31.000 Ladesäulen und vorgelagerten Einrichtungen zur Schwerlast-Lkw. 5.650 Busse und 3.160 der Klasse Ertüchtigung des Stromnetzes. N2 (3,5 bis 12 t) verfügten über einen Brennstoffzel- len-Antrieb. Mit einer dominierenden Marktstellung Die Bewertung der techno-ökonomischen Eigenschaf- von China: 93,7 % der weltweiten Busflotte und ten erfordert die Klärung, welche Mengen an Kraft- 99,7 % der weltweiten Lkw-Flotten der Klasse N2 stoff bzw. Strom benötigt werden, wo der benötigte sind hier im Einsatz. Strom bzw. der Kraftstoff am günstigsten produziert werden kann und wie sich Technik und Kosten der Der Bericht des Dachverbands der Europäischen benötigten Infrastrukturen entwickeln. Die möglichen Automobilhersteller (ACEA) zeigt, dass in der EU Entwicklungen wurden in einer Vielzahl von Studien aktuell 6,2 Mio. mittlere und schwere Nutzfahrzeuge analysiert, wobei die Ergebnisse eine große Streubrei- mit einem Alter von bis zu 13 Jahren unterwegs sind. te aufweisen. Diese liegt begründet in Unsicherheiten 98 % dieser Fahrzeuge fahren mit Diesel, etwa 2.300 bezüglich der Stromkosten oder der spezifischen mit emissionsfreien Antrieben. Nach Einschätzung Investitionskosten für Anlagen- und Infrastruktur- der europäischen Lkw-Hersteller müssten bis 2030 technik sowie in unterschiedlichen Annahmen zu den rund 200.000 klimafreundliche Lkw im Einsatz sein, Bereitstellungspfaden und den zugehörigen Modellpa- um die CO2-Ziele für schwere Lkw zu erreichen. rametern. Die zukünftigen Marktanteile von Nutzfahrzeugen mit Die Ergebnisse zeigen, dass für die H2-Beschaffung Brennstoffzellen und anderen emissionsfreien An- von Kosten zwischen 6,0 ct/kWh und 19,0 ct/kWh triebssystemen sind in unterschiedlichen Studien bzw. 2,0 €/kg und 6,3 €/kg auszugehen ist. Die H2- bewertet worden. Bereitstellung unter Nutzung von Nordseewindstrom weist mit einer Differenz von ca. 2 ct/kWh leichte Zusammengefasst sprechen alle Marktanalysen für Vorteile gegenüber der Versorgung aus Nordafrika eine starke Verbreitung von Nutzfahrzeugen mit auf. Bei Vernachlässigung der höchsten bzw. niedrigs- elektrischen und anderen klimafreundlichen Antriebs- ten Studiendaten sollten die Wasserstoffkosten an der systemen. Hierzu sind heute die entsprechenden Tankstelle im Jahr 2030 im Bereich von 10 ct/kWh bis Voraussetzungen sowie Infrastrukturen zu schaffen. 15 ct/kWh (ohne Steuern und Abgaben) liegen. www.vdi.de
Vorwort Mit der Studie „Brennstoffzellen- und Batteriefahr- Systemen werden auch verbrennungsmotorische Sys- zeuge - Bedeutung für die Elektromobilität“ haben teme angesprochen, bei denen synthetische klimaneut- VDE und VDI gezeigt, dass die Entscheidung über rale Energieträger zum Einsatz kommen. Bei der zukünftige elektromotorische Antriebssysteme die Bewertung der Systeme stehen die Zielstellungen der Berücksichtigung aller fahrzeugrelevanten Aspekte EU zur CO2-Reduktion im besonderen Fokus der erfordert. Neben der Effizienz der neuen Systeme sind Analysen. Weiterhin berücksichtigen die Analysen die Reichweite, Tank- bzw. Ladedauer, Bedarf an neuen neuen Pläne der deutschen Regierung, die bis 2030 Infrastrukturen, Form der Energiebeschaffung sowie eine Treibhausgasreduktion um 65 % und bis 2045 Bedarf an Rohstoffen zu beachten. Die Ergebnisse eine Klimaneutralität in Deutschland vorgeben. belegen, dass Batteriefahrzeuge Vorteile in Bezug auf die Effizienz aufweisen, Brennstoffzellenfahrzeuge Auf eine Bewertung technischer Entwicklungen im Vorteile in Bezug auf die Reichweite, Tankdauer konventionellen Antriebsbereich wird verzichtet. sowie Heizung und Klimatisierung. Verbrennungsmotorische Systeme werden nur dort angesprochen, wo sie als Referenz relevant sind oder, Schwerpunkt der Studie waren Aussagen zur Elekt- in Verbindung mit neuen klimaneutralen Kraftstoffen, romobilität bei Personenkraftwagen. Auf Aussagen zu einen Beitrag zum Erreichen der politischen Zielstel- Nutzfahrzeugen mit ihren unterschiedlichen Facetten lungen leisten können. wurde verzichtet, da dieses Marktsegment durch eine große Bandbreite an Anforderungen mit unterschied- Die Kurzstudie ist als Ergänzung zu der Pkw-Elektro- lichsten Ansprüchen an die Nutzungsmöglichkeiten mobilitätsstudie zu betrachten [1; 2]. Entsprechend gekennzeichnet ist, die sich nur im Rahmen einer konzentrieren sich die Ausführungen auf technische eigenständigen Untersuchung angemessen bewerten Aspekte, die Nutzfahrzeuge betreffen. Alle anderen lassen. Informationen – Tanken, kritische Rohstoffe, For- schungsbedarf sowie Ausbau des Stromnetzes und der Mit der vorliegenden Kurzstudie zur Elektromobilität Ladeinfrastruktur – sind der Pkw-Studie zu entneh- bei Nutzfahrzeugen wollen VDE und VDI diesem men. Anspruch gerecht werden. Neben elektromotorischen Düsseldorf im Januar 2022 Dipl.-Ing. Martin Pokojski Vorsitzender des VDI/VDE-Fachausschusses „Wasserstoff und Brennstoffzellen“ www.vdi.de
VDI-Studie – Klimafreundliche Nutzfahrzeuge 7 Inhalt Executive Summary 1 Vorwort 6 Kernaussagen 8 Handlungsempfehlungen 10 Autorenteam 11 Abkürzungen 11 1 Politische Rahmenbedingungen 12 2 Technik 14 2.1 Klassifizierung der betrachteten Nutzfahrzeuge 14 2.2 Klimafreundliche Antriebstechniken für Nutzfahrzeuge 15 2.3 Aufbau der Antriebssysteme 15 2.4 Hilfsaggregate 16 2.5 Wirkungsgrade von klimafreundlichen Antriebssystemen 17 2.6 Speicherung 18 2.7 Laden bzw. Betankung der Fahrzeuge 19 2.8 Reichweite 20 2.9 Verfügbarkeit 21 2.10 Sicherheit 22 2.11 Standardisierung 22 2.12 Vergleich der Eigenschaften von Antriebssystemen für Busse und Lkw 23 3 Kostenrelevanz, TCO 25 3.1 Wettbewerbssituation der Nfz-Antriebe 25 3.2 Gesamtkosten (TCO) von Batterie- und Brennstoffzellen-Nutzfahrzeugen 26 3.3 Prognose der Gesamtkosten (TCO) für 2030 26 4 Nutzerverhalten 28 5 Emissionen 30 5.1 CO2-Emissionen 30 5.2 NOx-Emissionen 30 5.3 Feinstaub 31 5.4 PFAS 31 6 Energiebeschaffung 32 6.1 Infrastrukturen 32 6.2 Ergebnisse externer Studien in Bezug auf Energiebeschaffung 33 6.3 Schlussfolgerungen 35 7 Marktaspekte 36 Literatur 38 www.vdi.de
8 VDI-Studie – Klimafreundliche Nutzfahrzeuge Kernaussagen Politische Rahmenbedingungen Der nutzerfreundliche und kompatible Einsatz der neuen Tank- und Ladesysteme erfordert für alle Schwere Nutzfahrzeuge und Busse sind für 6 % Elemente der Nutzungskette einen gleichen tech- der CO2-Gesamtemissionen und 25 % der CO2- nologischen Standard, sodass ein Plug&Play-Be- Emissionen des Straßenverkehrs verantwortlich. trieb möglich ist. Die politischen Vorgaben sehen vor, dass die Emissionen schwerer Nutzfahrzeuge im Ver- Kostenrelevanz, TCO gleich zu den CO2-Bezugsjahren (Mitte 2019 bis Mitte 2020) bis 2030 um 30 % verringert werden. Die Hauptkostenfaktoren bei klimafreundlichen Nutzfahrzeugen sind die Anschaffungskosten Zur Senkung der CO2-Emissionen strebt die eu- sowie Kosten für den Kraftstoff bzw. elektrischen ropäische Politik die Einführung innovativer An- Strom. Wobei der Anwender nach Nutzungswei- triebssysteme für Nutzfahrzeuge an. Insbesondere se des Fahrzeugs entscheiden muss, welche Kos- wird hierbei die Elektromobilität, das heißt Batte- tenfaktoren relevanter sind. rie (BEV) und Brennstoffzellenfahrzeuge (FCEV), favorisiert. Massenproduktion und Innovation werden bis 2030 zu einer signifikanten Reduzierung der Kos- ten beitragen. Technik Wegen hoher Aufbereitungskosten bei SYN und Hohe Anforderungen an Nutzungszeit und Fahr- hoher Infrastrukturkosten bei CAT werden ver- komfort sind charakteristisch für Nutzfahrzeuge. gleichsweise höhere Kosten prognostiziert im Hierzu zählen z. B. bei Bussen rund 60.000 h Vergleich zu BEV und FCEV. Nutzungszeit und die Ausrüstung mit hochwerti- gen Anlagen zur Heizung und Klimatisierung. Der Betrieb von Dieselfahrzeugen wird steuerbe- dingt teurer und damit unwirtschaftlich. Die Einhaltung der CO2-Vorgaben für Nutzfahr- zeuge erfordert neue Antriebskonzepte unter Nut- Die Marktdurchdringung im Nutzfahrzeugsektor zung regenerativer elektrischer Energie. Hierzu wird bis 2030 parallel zu einem weiterhin beste- zählen neue technische Lösungen wie Batterien, henden konventionellen Markt verlaufen. Oberleitungsstromabnehmer, Brennstoffzellen Unsicherheiten in Bezug auf die Rahmenbedin- und Verbrennungsmotoren mit strombasierten gungen für CO2-freie Antriebe hemmen die In- synthetischen Kraftstoffen (SYN) oder Wasser- vestitionsbereitschaft und verlangsamen den stoff. Transformationsprozess. Kennzeichnend für Batteriefahrzeuge (BEV) sind hohe Effizienzwerte, für Brennstoffzellenfahr- zeuge (FCEV) große Reichweiten. Der Einsatz Nutzerverhalten von SYN beeinträchtigt die Effizienz, es können aber bestehende Infrastrukturen genutzt werden. Nutzfahrzeuge der Klassen N1 und N3 bieten die größten Potenziale für alternative Antriebe, im Die H2-Speicherung an Bord kann gasförmig Bereich der Klasse N2 ist dagegen von einer ab- (CGH2 bei 350 bar und 700 bar) oder flüssig nehmenden Nachfrage auszugehen. (LH2, bei –253°C) erfolgen. Längerfristig ist eine Speicherung in cryo-compressed Form denkbar Die Akzeptanz neuer Technologien ist davon mit einer 1,3 bzw. 2,6 höheren volumetrischen abhängig, inwieweit die Anwender ihre gewohn- Speicherkapazität. ten Nutzungsmöglichkeiten fortsetzen können. Ladestationen und H2-Tankstellen entsprechen Wegen der aus heutiger Sicht erwarteten Zunah- nicht den Ansprüchen schwerer Nutzfahrzeuge. me der Transportentfernungen gewinnt die Defizite bestehen bei der Lade- bzw. Betan- Reichweite eines Fahrzeugs in der Wahrnehmung kungszeit sowie vorzuhaltenden Wasserstoff- der Nutzer an Bedeutung. mengen. www.vdi.de
VDI-Studie – Klimafreundliche Nutzfahrzeuge 9 Der Lade- bzw. Tankvorgang ist zeitkritisch. Die Bei Wasserstoff-Importen sind zusätzliche Auf- Akzeptanz hängt davon ab, ob der Lade- bzw. wendungen (z. B. für Wasserstofftransport und - Tankvorgang wenig Zeit in Anspruch nimmt und verteilung) zu beachten, die den geringeren Her- sich gut in die Routenplanung integrieren lässt. stellungskosten in weltweiten Vorzugsgebieten gegenüberstehen. Emissionen Langfristig bietet sich die Möglichkeit, H2-Tank- stellen mittels auf Wasserstoff umgerüsteter Erd- Der Einsatz von elektrischem Strom auf Basis gasleitungen oder neu gebauter Wasserstofflei- erneuerbarer Energien führt langfristig zu einem tungen zu versorgen. klimafreundlichen Nutzfahrzeugverkehr. Im Vergleich zu BEV und CAT sind kurzfristig Die Beseitigung von NOX-Emissionen bei Ver- keine signifikanten Nachteile bei den kilometer- brennungsmotoren erfordert den Einsatz von spezifischen Kosten der FCEV zu erkennen – SCR-Katalysatoren sowie die Zugabe von Ad- mittelfristig erscheint eine Angleichung der Kos- Blue®, einer wässrigen Harnstofflösung. Dies ist ten wahrscheinlich. als Kostenfaktor zu werten. Der Einsatz von elektrischen Antrieben in Nutz- Marktaspekte fahrzeugen lässt eine Reduktion der Feinstaub- Emissionen erwarten. Der Bus- und Lkw-Markt mit Brennstoffzellen wird von China dominiert. Energiebeschaffung 200.000 emissionsfreie Lkw müssen bis 2030 in Europa im Einsatz sein, um die CO2-Ziele der EU Für die Energieversorgung von BEV und FCEV für schwere Lkw zu erreichen. bieten sich Strom aus dem Netz mit hohen Antei- Die Klimaneutralität erfordert eine starke Verrin- len an erneuerbarer Energie, „grüner“ Wasser- gerung des Anteils von Verbrennungsmotore am stoff aus heimischer Produktion sowie Importe Lastgüterverkehr. Brennstoffzellen- und batterie- von „grünem“ Wasserstoff in flüssiger Form an. elektrische Antriebe sollten mit Anteilen von 75 % bzw. 24 % diesen Markt bedienen. www.vdi.de
10 VDI-Studie – Klimafreundliche Nutzfahrzeuge Handlungsempfehlungen Klimafreundliche Nutzfahrzeuge können ohne Ein- ‒ Herstellen von fairen Wettbewerbsbedingun- schränkung der Transportleistung einen nachhaltigen gen, insbesondere unter dem Aspekt der Kli- Beitrag zur Erreichung der klimapolitischen Ziele im mafreundlichkeit. Verkehr leisten. Mittel- bis langfristig können sie dazu beitragen, die volkswirtschaftlichen Kosten ‒ Zügige Harmonisierung von steuerlichen und dieses Mobilitätsbereichs im Vergleich zum Status rechtlichen Strukturen im Transportsektor in quo zu senken. Voraussetzung hierfür ist die Schaf- der EU, bei gleichzeitiger Priorisierung der fung der erforderlichen Rahmenbedingungen. Hierzu Klimafreundlichkeit. zählen: ‒ Vereinfachung im Steuerrecht für klima- Unterstützung der Markteinführung von freundliche Spediteure. Nutzfahrzeugen ‒ Verstärkung der globalen Zusammenarbeit zu ‒ Förderung von Flottenbetrieben und der not- maximaler Effektivität bei klimafreundlichen wendigen Infrastruktur: Transporten. - im leichten Nutzlastverkehr sowie bei ‒ Unterstützung des Technologietransfers zur Bussen, insbesondere im innerstädtischen beschleunigten Einführung klimafreundlicher Bereich zur Beschleunigung der Trans- Technologien. formation hin zu elektrifizierten Nutz- fahrzeugen. ‒ Forcierung der Bereitstellung von CO2-freiem Strom und regenerativ erzeugtem Wasser- - im mittelschweren und schweren Nutz- stoff. lastverkehr (z. B. kommunale Betriebe). ‒ Kontinuierliche Förderung der Grundlagen- - im schweren Langstreckenverkehr. forschung (z. B. Effizienzsteigerung, Lebens- dauersteigerung, Substitution kritischer Mate- ‒ Sicherung der Materialverfügbarkeit für kli- rialien) für leistungsfähige klimafreundliche mafreundliche Technologien (Diskussion ei- Technologien. nes PFAS(Per- und polyfluorierte Chemika- lien)-Verbots, das auch PEM-Brennstoffzellen ‒ Kontinuierliche Förderung der angewandten betreffen könnte). Forschung zur Massenproduktion von klima- freundlichen Technologien. ‒ Förderung von LCA-Analysen in Verbindung zwischen Forschungseinrichtungen und In- ‒ Reduktion bestehender Unsicherheiten bei dustrie. den Betriebskosten klimafreundlicher An- triebe durch Setzen von Randbedingungen ‒ Förderung F&E im Bereich Technologiefort- (zukünftige Besteuerung, Maut, Investitions- schritt und Produktionstechnologien bzw. anreize). -ketten in der Nutzfahrzeugfertigung. ‒ Fokussierung staatlicher Förder- und Anreiz- ‒ Längerfristige Mautbefreiung/-reduzierung instrumente auf die wettbewerbsfähigsten al- für emissionsfreie oder -reduzierte Nutzfahr- ternativen Antriebstechnologien. zeuge. Unterstützung der Nutzerakzeptanz ‒ Steuerliche Anreize für Nutzfahrzeuge bzw. deren Halter. ‒ Förderung der Erforschung und der Entwick- lung von Batterien und Wasserstofftanksys- Förderung der Wettbewerbsfähigkeit von temen mit höherer Energiedichte mit dem klimafreundlichen Nutzfahrzeugen Ziel, Reichweite und Nutzerverhalten in Ein- klang zu bringen (z. B. zulässige Lenkzeiten). ‒ Schaffung politischer Rahmenbedingungen für eine stabile und verlässliche Wettbewerbs- ‒ Förderung der Erforschung und der Entwick- fähigkeit von klimafreundlichen Nutzfahrzeu- lung von Schnellladesystemen für Nutzfahr- gen, insbesondere im internationalen Trans- zeuge und deren Netzanbindung. portsektor. www.vdi.de
VDI-Studie – Klimafreundliche Nutzfahrzeuge 11 ‒ Frühestmöglicher Aufbau von Lade- und Be- Energiebedarf hinausgehend, zum Abbau von tankungsinfrastruktur (Strom oder Wasser- Nutzervorbehalten bezüglich einer ausrei- stoff) entlang besonders stark frequentierter chenden Infrastruktur. Routen – anfangs auch über den aktuellen BEV Battery Electric Vehicle (Batteriefahrzeug) Autorenteam BZ Brennstoffzelle Dr.-Ing. Boris Bensmann, Institut für Elektrische DOE Department of Energy Energiesysteme, Gottfried-Wilhelm-Leibnitz- FCEV Fuel Cell Electric Vehicle Universität Hannover (Brennstoffzellenfahrzeug) Dr. Thomas Benz, VDE, Frankfurt HD Heavy Duty Dipl.-Ing. Torsten Brandt, Siemens Energy, Erlangen HDT Heavy Duty Truck Dr.-Ing. Thomas Grube, Institut für Energie- und HPDI High-Pressure-Direct-Injection-Motor Klimaforschung (IEK), Forschungszentrum Jülich GmbH ICE Internal Combustion Engine (Verbren- nungsmotor) Dr. Martin Kleimaier, Essen ICEV Internal Combustion Engine Vehicle (Fahr- Dr.-Ing. Eleni Konstantinidou, VDI, Düsseldorf zeug mit Verbrennungsmotor) Dipl.-Ing. Stefan Meyer, MAN Truck & Bus SE, LD Light Duty Nürnberg LDT Light Duty Truck Dipl.-Ing. Martin Pokojski, Inecs GmbH, Berlin LH2 Liquified Hydrogen (Flüssigwasserstoff) Dr.-Ing. Remzi Can Samsun, Institute of Energy and Climate Research (IEK), Forschungs-zentrum Jülich Lkw Lastkraftwagen (FZJ), Jülich LNG Liquefied Natural Gas Dipl.-Ing. Gerhard Schlosser, Duisburg MD Medium Duty Dr. Carsten Cremers, Fraunhofer Institute for Chemi- cal Technology (ICT), Pfinztal MDT Medium Duty Truck Nfz Nutzfahrzeug in Kooperation mit den Mitgliedern des VDI/VDE- NREL National Renewable Energy Laboratory Fachausschusses „Wasserstoff und Brennstoffzellen“ PtH2 Power-to-Hydrogen PtL Power-to-Liquids PtM Power-to-Methane Abkürzungen SYN Synthetische Kraftstoffe TCO Total Cost of Ownership CGH2 Compressed Gaseous Hydrogen (kompri- mierter gasförmiger Wasserstoff) (syn. CH2) THG Treibhausgas CNG Compressed Natural Gas ZLEV Zero- and Low-Emission Vehicles www.vdi.de
12 VDI-Studie – Klimafreundliche Nutzfahrzeuge 1 Politische Rahmenbedingungen Kernaussagen ZLEV (Zero- and Low-Emission Vehicles), also BEV und FCEV Fahrzeugen und Plug-in-Hybriden mit we- Die politischen Vorgaben der EU sehen bei leich- niger als 50 g CO2 pro km, erreicht werden. Mittels ten Nutzfahrzeugen ab 2030 eine Reduktion der fahrzeuginterner Überwachungs- und Erfassungsein- CO2-Emissionen um 31 % gegenüber dem Be- richtungen des Kraftstoff- bzw. Energieverbrauchs – zugsjahr 2021 vor. einem sogenannten On-Board Fuel Consumption Mo- nitoring Device (OBFCM-Einrichtung) [5] – werden Schwere Nutzfahrzeuge und Busse sind für 6 % die CO2-Emissionen im realen Fahrbetrieb erfasst. der CO2-Gesamtemissionen und 25 % der CO2- Emissionen des Straßenverkehrs verantwortlich. In Bezug auf die CO2-Emissionen von schweren Die Vorgaben der EU sehen vor, dass die Emissi- Nutzfahrzeugen, einschließlich Lkw und Bussen, gilt, onen im Vergleich zu den CO2-Bezugsjahren dass sie heute in der Europäischen Union für rund 6 % (Mitte 2019 bis Mitte 2020) ab 2030 um 30 % der CO2-Gesamtemissionen und rund 25 % der CO2- verringert werden. Emissionen aus dem Straßenverkehr verantwortlich zeichnen.[6] In der Verordnung (EU) 2019/1242 [7] Zur Senkung der CO2-Emissionen strebt die eu- wurden entsprechend für schwere Nutzfahrzeuge ropäische Politik die Einführung innovativer An- Reduktionsziele festgelegt. Im Vergleich zu den CO2- triebssysteme für Nutzfahrzeuge an. Insbesondere Bezugswerten (der „Referenzzeitraum“ entspricht den werden hierbei die Elektromobilität, das heißt Überwachungswerten für CO2-Emissionen für den Batterie (BEV), und Brennstoffzellenfahrzeuge Zeitraum vom 01. Juli 2019 bis zum 30. Juni 2020) (FCEV)) favorisiert. sind die Emissionen für die Berichtszeiträume ab dem Jahr 2025 um 15 %, für die Berichtszeiträume ab dem Die Einführung der Elektromobilität wird durch die Jahr 2030 um 30 % zu verringern. Diese Flotten- führenden Industrienationen unterstützt. Durch Ge- grenzwerte gelten für schwere Lkw mit einem zuläs- staltung entsprechender Rahmenbedingungen forciert sigen Gesamtgewicht von mehr als 16 t. die Politik diese Entwicklung. Weitere Regulierungen (unter anderem für leichtere Die deutsche Regierung fördert diese Entwicklung mit Lkw, Lkw mit Anhänger oder Auflieger sowie Busse) dem geplanten Klimaschutzgesetz. Es sieht vor, dass sind geplant [8]. Deutschland bis 2045 klimaneutral wird. Auf dem Weg dorthin soll es neue Zwischenziele geben, die „Supercredits“ sollen eine stärkere statistische Ge- unter anderem eine Treibhausgasreduktion um 65 % wichtung von Zero Emission Electrical Vehicle bis 2030 beinhalten.[3] (ZLEV) gegenüber regulären Fahrzeugen ermögli- chen. Für leichte Nutzfahrzeuge ist hierzu ein mit Speziell für den Verkehrsbereich fördert die EU die Pkw vergleichbarer Anreiz geplant. Die Hersteller Einführung innovativer Antriebssysteme. Von großer profitieren jedoch erst dann von der Regelung, wenn Bedeutung für die CO2-Emissionen im Verkehrsbe- sie einen erheblichen Anteil an ZLEVs aufweisen. reich ist hierbei der Nutzfahrzeugsektor. Der Schwellenwert („Benchmark“) beträgt zunächst 15 % und erhöht sich 2030 auf 30 %. Für jeden Pro- Für den Verkehrsbereich hat die Europäische Kom- zentpunkt, um den ein Hersteller den Schwellenwert mission CO2-Zielwerte für leichte Nutzfahrzeuge überschreitet, das heißt mehr klimafreundliche Fahr- erarbeitet. Mittels gewichtsbasierter CO2-Flottenziel- zeuge produziert, erhält er eine Erleichterung seines werte wird der Durchschnitt der spezifischen CO2- Flottengrenzwerts um 1 %. Der maximale Bonus Emissionen jedes neuen in der EU zugelassenen Fahr- beträgt 5 % [9]. zeugs eines Herstellers in einem Kalenderjahr abge- bildet. Er wird ab dem Jahr 2022 mittels eines reali- Der EU-Flottengrenzwert unterscheidet sich nach den tätsnahen, weltweit harmonisierten Prüfverfahrens Herstellern. Ziel ist aber, eine gerechte Lastenvertei- WLTP (Worldwide Harmonized Light-Duty Vehicles lung auf die Fahrzeughersteller zu erreichen [10]. Der Test Procedure) verifiziert. Die CO2-Ziele für leichte EU-Flottengrenzwert wird deshalb nach dem jeweili- Nutzfahrzeuge sind in der Verordnung (EU) 2019/631 gen durchschnittlichen Fahrzeuggewicht auf die Her- niedergeschrieben [4]. Hiernach gilt eine Reduktion steller aufgeteilt, sodass jeder Hersteller seinen eige- um minus 31 % für das Jahr 2030 gegenüber dem nen Flottengrenzwert erhält. Liegt das durchschnittli- WLTP(Worldwide Harmonized Light-Duty Vehicles che Fahrzeuggewicht über dem EU-Durchschnitt, so Test Procedure)-Zielwert im Jahr 2021. Auf diese erhöht sich der Grenzwert des Herstellers entspre- Weise soll ein Anreiz für den verstärkten Absatz von chend und umgekehrt. www.vdi.de
VDI-Studie – Klimafreundliche Nutzfahrzeuge 13 Mit ihren CO2-Reduktionsmaßnahmen bei Nutzfahr- wird erwartet, dass die finalen Standards über die zeugen ist die Europäische Kommission im internati- Lebenszeit der Fahrzeuge zu einer Einsparung von onalen Umfeld nicht allein aktiv. Bereits im August 1,1 Mrd. t CO2, einer Reduktion der Energiekosten für 2011 veranlasste die United States Environmental die Fahrzeughalter um 170 Mrd. Dollar und zu einer Protection Agency (EPA) zusammen mit der National Öleinsparung von 2 Mrd. Barrel führen [12]. Highway Traffic Safety Administration (NHSTA) Treibhausgas- und Energienutzungsstandards für Auch Japan hat frühzeitig Maßnahmen zur Reduzie- mittelschwere und schwere Lkw der Modelljahre rung der Emissionen im Nutzfahrzeugsektor einge- 2014 bis 2018 (Phase 1), um die CO2-Emissionen um führt. Im Jahre 2015 traten in einer ersten Phase 270 Mio. Tonnen und den Energieverbrauch der Fahr- Richtlinien zur Verbesserung der Effizienz von Nutz- zeuge über deren Lebenszeit um 530 Mio. Barrel Öl fahrzeugen – unterschieden nach Fahrzeugtyp, Klasse zu reduzieren [11]. Basierend auf diesen Umweltstan- und Gewicht – in Kraft, wobei als Vergleichswert das dards haben EPA und NHTSA in 2016 Standards für Jahr 2002 zugrunde gelegt wurde. In einer zweiten eine Phase 2 (Modelljahre 2017 bis 2025) festgelegt. Phase hat das „Ministry of Land, Infrastructure, and Sie gelten für mittelschwere und schwere Fahrzeuge Transport“ (MLIT) in Japan am 29. März 2019 Ener- bis zur Modellreihe im Jahr 2027 und sollen neben gieeffizienzstandards für Schwerlastfahrzeuge ver- Umweltbeiträgen die Energiesicherheit verbessern kündet. Sie sehen, verglichen mit dem Modelljahr und Innovationen im Produktionsbereich anregen. Es 2015, durchschnittliche Effizienzverbesserungen von 13,4 % für Lkw und 14,3 % für Busse vor [13]. www.vdi.de
14 VDI-Studie – Klimafreundliche Nutzfahrzeuge 2 Technik Kernaussagen Speicherung in cryo-compressed Form denkbar mit einer 1,3 bzw. 2,6 höheren volumetrischen Hohe Anforderungen an Nutzungszeit und Fahr- Speicherkapazität. komfort sind charakteristisch für Nutzfahrzeuge. Hierzu zählen, z. B. bei Bussen, rund 60.000 h Ladestationen und H2-Tankstellen entsprechen Nutzungszeit und die Ausrüstung mit hochwerti- nicht den Ansprüchen schwerer Nutzfahrzeuge. gen Anlagen zur Heizung und Klimatisierung. Defizite bestehen bei der Lade- bzw. Betankungs- zeit sowie den vorzuhaltenden Wasserstoffmen- Die Einhaltung der CO2-Vorgaben für Nutzfahr- gen. zeuge erfordert neue Antriebskonzepte unter Nut- zung regenerativer elektrischer Energie. Hierzu Der nutzerfreundliche und kompatible Einsatz der zählen neue technische Lösungen wie Batterien, neuen Tank- und Ladesysteme erfordert für alle Oberleitungsstromabnehmer, Brennstoffzellen Elemente der Nutzungskette einen gleichen tech- und Verbrennungsmotoren mit strombasierten nologischen Standard, sodass ein Plug&Play-Be- synthetischen Kraftstoffen (SYN) oder Wasser- trieb möglich ist. stoff. Kennzeichnend für Batteriefahrzeuge (BEV) sind 2.1 Klassifizierung der betrachteten hohe Effizienzwerte; für Brennstoffzellenfahr- Nutzfahrzeuge zeuge (FCEV) große Reichweiten. Der Einsatz von SYN beeinträchtigt die Effizienz, es können Nutzfahrzeuge umfassen eine Vielzahl von Fahrzeug- aber bestehende Infrastrukturen genutzt werden. typen. Sie kommen in der Regel in allen Distanzbe- reichen zum Einsatz. Eine Ausnahme bilden Busse Die H2-Speicherung an Bord kann gasförmig des öffentlichen Nahverkehrs mit festgelegten Touren. (CGH2 bei 350 bar und 700 bar) oder flüssig Nutzfahrzeuge werden entsprechend den EU-Regula- (LH2, bei –253 °C) erfolgen. Längerfristig ist eine rien unterschiedlichen Klassen zugeordnet [14]. Tabelle 1. Tabelle 1. Nutzfahrzeugklassen Fahrzeugklasse N1 N2 N3 N4 leichte Lkw (LDT) mittelschwere Lkw schwere Lkw (MDT) (HDT) Gewicht in t ≤ 3,5 [14] 3,5–12 [14] > 12 [14] > 5 [14] 3,5–15 [15] > 15 [15] Anwendung Güterbeförderung Güterbeförderung Güterbeförderung Personenbeförderung Handwerk, inner- Müll, Vertrieb Verteilung, Fern- städtischer Trans- transport port bzw. Verteilung Typische tägliche Reichweite in % [15] 400 km 0–5 0–10 0–50 Anthropogene, ca. 1,3 ca. 2,9 ca. 5,5 globale CO2-Emis- sionen p. a. in % www.vdi.de
VDI-Studie – Klimafreundliche Nutzfahrzeuge 15 Fahrzeuge, die vorrangig Güter befördern wie Lkw, Prinzipiell ist auch der Einsatz von Wasserstoff in gehören zur Klasse N. Die Klasse N1 betrifft hierbei Gas-Otto- oder HPDI(High-Pressure-Direct-Injection/ Lkw bis 3,5 t, das heißt Kleintransporter, die Klasse Hochdruck-Direkteinspritzung)-Motoren möglich. N2 alle Lkw zwischen 3,5 t und 12 t und die Klasse Die technische Machbarkeit wurde bereits im prakti- N3 Lkw über 12 t (siehe Tabelle 1). Fahrzeuge mit schen Betrieb nachgewiesen und nach Aussagen eini- Sattelanhänger zählen zur Klasse 0. Nutzfahrzeuge ger Entwicklungsfirmen sollen die Wirkungsgrade bei zur Beförderung vieler Menschen, das heißt Busse, HPDI-Motoren in der Größenordnung konventioneller werden der Klasse M3 zugeordnet. Dieselmotoren liegen [17]. Diese Lösungen konkur- rieren jedoch mit hocheffizienten Brennstoffzellen. Im Unterschied zu privat genutzten Pkws bestehen bei Nach aktuellen Studien könnten Wasserstoffmotoren Nutzfahrzeugen sehr hohe Anforderungen an die trotz geringerer Effizienz kurzfristig zum Einsatz Nutzungszeit. Die Erfahrungen bei Bussen unterstrei- kommen, um eine schnelle Implementierung der H2- chen dies: Die Laufleistung wird bei hohem Stop&Go- Mobilität für schwere Nutzfahrzeuge zu erreichen Anteil mit mehr als einer Million Kilometer veran- [18]. schlagt, für den Lebenszyklus der Teile wird von rund 60.000 Stunden ausgegangen. Dies impliziert auch Der Einsatz von Erdgas in Gas-Otto- oder HPDI- Konsequenzen für die Leistungselektronik an Bord: Motoren gilt als Stand der Technik. Verglichen mit Die elektronischen Teile müssen robuster und langle- Dieselkraftstoff verursacht Erdgas 25 % bis 30 % biger sein. Weiterhin bedingt der besondere Einsatz in weniger CO2, und kann als Brückentechnologie ge- Nutzfahrzeugen erhöhte Anforderungen an den Fahr- nutzt werden, bis CO2-freie oder neutrale Energieträ- komfort. Dies betrifft insbesondere Heizung und Kli- ger in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. matisierung [16]. Die Bevorratung an Bord erfolgt bei einem Druck von ca. 250 bar (CNG) ([19] Tab. 6) oder alternativ in flüssiger Form (LNG) in Kryo-Tanks. Zusätzlich an 2.2 Klimafreundliche Antriebstechniken Bord zu installierende Kompressoren sorgen für den für Nutzfahrzeuge von den Motoren benötigten Vordruck. Die Einhaltung der CO2-Vorgaben der EU für Nutz- fahrzeuge erfordert neue technische Konzeptionen der 2.3 Aufbau der Antriebssysteme Antriebstechnik. Zur Diskussion stehen insbesondere batterietechnische Lösungen (BEV) sowie technische Konventionelle Nutzfahrzeuge verfügen in der Regel Konzepte, die auf der Brennstoffzellentechnik (FCEV) über ein dieselmotorisches System. Es versorgt neben aufbauen. Beide Technologien bieten das Potenzial, dem Antriebsstrang alle an Bord befindlichen Hilfs- durch Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energien systeme. nachhaltig zur Vermeidung von CO2-Emissionen beizutragen. Die Optionen für klimafreundliche Antriebssysteme sind in Bild 1 dargestellt. Für Batteriefahrzeuge Batteriefahrzeuge mit Oberleitungsstromabnehmern, (BEV) ist charakteristisch, dass die Stromversorgung sogenannte „Catenary Trucks“ (CAT), ergänzen das des Fahrzeugs komplett aus der Batterie erfolgt. Per technische Potenzial CO2-freier elektrischer Fahrzeu- Rekuperation ist die Rückgewinnung der Bremsener- ge. Der Arbeitskreis „Elektrische Straßensysteme“ der gie möglich. „Deutschen Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik in DIN und VDE“ ist hierzu Bei Brennstoffzellenfahrzeugen (FCEV) kommt Was- derzeit in die Arbeiten zur Normung und Standardi- serstoff als Energieträger zum Einsatz. Die an Bord sierung eingebunden. Bei dem CAT werden die Batte- vorhandenen kleineren Batterien bieten auch hier die rien der Fahrzeuge während der Fahrt geladen, so dass Möglichkeit, die Bremsenergie per Rekuperation sich im Vergleich zu reinen Batteriefahrzeugen (BEV) teilweise zurückzugewinnen. deutlich größere Distanzen überbrücken lassen. Die direkte Umwandlung von elektrischer in mecha- Alternativ bietet sich der Einsatz synthetischer Ener- nische Energie ermöglicht bei BEV hohe Effizienz- gieträger in konventionellen Verbrennungsmotoren werte. Große Reichweiten sind dagegen für FCEV (SYN) an. Produziert mittels elektrischen Stroms aus kennzeichnend. Hybridkonzeptionen, das heißt die erneuerbaren Energien gelten diese Energieträger als Kombination von Brennstoffzellen (Grundlast) und CO2-neutral, da bei der Herstellung die gleiche Menge Batterien (Spitzenlast), bieten den Vorteil, große CO2 eingebunden wird, wie die Motoren bei der Ver- Effizienz im Kurzstreckenverkehr mit großen Reich- brennung freisetzen. In der Qualität sind diese synthe- weiten bei gleichzeitig großer Leistung zu kombinie- tischen Energieträger mit konventionellen Kraftstof- ren [20]. fen vergleichbar. www.vdi.de
16 VDI-Studie – Klimafreundliche Nutzfahrzeuge Bild 1. Klimafreundliche Antriebssysteme (Quelle: in Anlehnung an Forschungszentrum Jülich) Bild 2. Catenary Trucks (CAT) (Quelle: Siemens) CAT, das heißt Nutzfahrzeuge mit Stromabnehmern befindliche Microwellenheizgeräte, Standheizungs- (Bild 2), sind im Aufbau mit BEV vergleichbar. Bei und Standklimaanlagen sowie Unterhaltungssysteme. vorhandenen Oberleitungen werden der Antriebs- strang und alle Hilfssysteme aus dem Netz direkt mit Derzeit erfolgt die Energieversorgung der Hilfsaggre- Strom versorgt und gegebenenfalls die Batterien nach- gate über den Motor. Die höhere Effizienz spricht geladen. Verluste durch Laden und Entladen der Bat- dafür, Hilfsaggregate zukünftig elektrisch anzutrei- terie werden damit reduziert. ben. Überschlägige Schätzungen lassen bei einer elektrischen Vollversorgung einen Leistungsbedarf Flüssige synthetische Energieträger (SYN) können von bis zu 5 kWel erwarten. Bei Transportern von ohne Modifikation in bestehenden Antriebssystemen Gefriergut kann der Bedarf allerdings auch bis zu zum Einsatz kommen. 25 kWel betragen. 2.4 Hilfsaggregate Für Batteriefahrzeuge bedeutet diese Entwicklung eine Beeinträchtigung der Reichweite, da bereits die Eine Vielzahl von Hilfsaggregaten ist, neben dem Heizung und die Klimatisierung elektrisch zu versor- Antriebsstrang, für den Energieverbrauch von Nutz- gen sind. Im Unterschied hierzu können Fahrzeuge fahrzeugen verantwortlich. Hierzu zählen die Druck- mit Verbrennungsmotoren oder Brennstoffzellen den luftversorgung, der Antrieb der Servolenkung, Kühl- zusätzlichen Strombedarf über den Generator oder das anlagen für empfindliches Transportgut, an Bord Brennstoffzellensystem abdecken. Die Antriebsleis- www.vdi.de
VDI-Studie – Klimafreundliche Nutzfahrzeuge 17 tung verringert sich geringfügig, die Reichweite bleibt Effizienzwerte ist zu berücksichtigen, dass zusätzliche aber weitgehend unberührt. Einflussgrößen wie Energiespeicher, Sektorenkopp- lung etc. hier keine Berücksichtigung finden. Eine Der Fokus bei der Entwicklung von Hilfsstromaggre- Nutzung dieser Potenziale könnte die Effizienz ver- gaten (Auxiliary Power Unit = APU) für Lkw lag in bessern. der Vergangenheit auf Brennstoffzellensystemen mit Diesel als Energieträger. Nach den Vorgaben der Bei Einsatz synthetischer Energieträger (SYN) ist U.S.DOE ist von einer Leistung bis 10 kW und einer auch bei hocheffizienten Motoren nur von Nutzungs- Betriebsdauer von bis zu 20.000 h auszugehen.[21] graden zwischen 17 % und 20 % auszugehen. Verlus- te der vorgelagerten Prozesskette zur Gewinnung des Bei Langstrecken-Lkw mit Brennstoffzellenantrieb synthetischen Energieträgers sind hierfür verantwort- kommen „Hybridbatterien“ zum Einsatz. Sie ergänzen lich. das Antriebssystem und liefern während der nächtli- chen Ruhepausen den Strom für die sogenannten BEV und CAT lassen deutliche Effizienzsteigerungen „Hotelanwendungen“. Sie helfen so, eine schnelle bei Nutzfahrzeugen erwarten. Ein Vergleich mit kon- Alterung der Brennstoffzelle zu vermeiden. Während ventionellen Dieselfahrzeugen verdeutlicht dies. Un- der Fahrt erfolgt eine Nachladung der Batterie über ter Berücksichtigung der Bereitstellungsverluste frei die Brennstoffzelle [22]. Tankstelle von 1,2 MJ/MJDiesel [19] ist bei schweren Diesel-Lkw mit einem durchschnittlichen Motorwir- kungsgrad von derzeit 46 % [25] von einem Gesamt- 2.5 Wirkungsgrade von klimafreundli- nutzungsgrad (Well-to-Wheel) von rd. 38 % auszu- chen Antriebssystemen gehen, bei neuen hocheffizienten Dieselmotoren (ƞ = 50 %) [23] von knapp 42 %. Demgegenüber lässt Bild 3 beschreibt beispielhaft die Prozessketten für ein BEV eine um 35 % bis 50 % höhere Effizienz CAT, BEV, FCEV und SYN. Die Darstellung berück- erwarten. sichtigt alle Verfahrensschritte von der elektrisch CAT können einen Großteil der elektrischen Energie bereitgestellten Energie, hier aus erneuerbaren Quel- ohne Zwischenspeicherung direkt nutzen. Im Ver- len, bis zum Endverbrauch im Nutzfahrzeug (soge- gleich zu Batteriefahrzeugen ist deshalb von noch nanntes Well-to-Wheel) [23]. höheren Wirkungsgraden auszugehen. Für BEV ist von einem Gesamtwirkungsgrad von Als weitere Option für den Antrieb von Nutzfahrzeu- 57 % bis 63 % auszugehen. Wie die Grafik zeigt, sind gen steht der H2-Verbrennungsmotor zur Diskussion. die Schwankungen der Effizienzwerte auf die elektro- Sollte er in Bezug auf seinen Gesamtnutzungsgrad chemische Speicherung zurückzuführen. (Well-to-Wheel) mit Brennstoffzellenantrieben kon- Für den ähnlich aufgebauten CAT mit Oberleitung kurrieren können, wäre er bei zukünftigen Antriebs- ergibt sich ein Wirkungsgrad von 57 % bis 70 %. Der systemen zu berücksichtigen. Voraussetzung ist je- höhere Wert resultiert aus der direkten Nutzung des doch, dass er in Bezug auf die Gesamtkosten (TCO) elektrischen Stroms ohne Zwischenspeicherung. gegenüber anderen Systemen keine Nachteile auf- weist. Die Nutzungsgrade von FCEV liegen zwischen 24 % und 29 %. Bei der Bewertung der relativ geringen Bild 3. Antriebssysteme - Prozessketten [24] www.vdi.de
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