Kognitive Leistungsfähigkeit bei Patienten mit rheumatoider Arthritis - Der medizinischen Fakultät der Friedrich - Alexander - Universität ...

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Kognitive Leistungsfähigkeit bei Patienten mit rheumatoider Arthritis - Der medizinischen Fakultät der Friedrich - Alexander - Universität ...
Kognitive Leistungsfähigkeit bei Patienten mit rheumatoider Arthritis

                      Der medizinischen Fakultät

       der Friedrich - Alexander - Universität Erlangen - Nürnberg

              zur Erlangung des Doktorgrades Dr. med. dent.

                              vorgelegt von

                          Eva Cornelia Küllmar
Als Dissertation genehmigt

                          von der Medizinischen Fakultät

             der Friedrich - Alexander - Universität Erlangen - Nürnberg

Vorsitzender des Promotionsorgans:         Prof. Dr. Markus F. Neurath

Gutachter:                                 Prof. Dr. Georg Schett

Gutachter:                                 Prof. Dr. Bernhard Manger

Tag der mündlichen Prüfung:                05.November 2019

Die Promovendin ist Zahnärztin.
Für meine Familie

  Christa, Uwe, Nina, Fussel und
Gerhard, Flo, Barbara und Helga

 IN liebevoller Erinnerung an
       Alfons und Dieter
Inhaltsverzeichnis

1   ZUSAMMENFASSUNG                                                             1

1.1 HINTERGRUND                                                                 1
1.2 METHODEN                                                                    1
1.3 ERGEBNISSE                                                                  1
1.4 SCHLUSSFOLGERUNG                                                            2

2   EINLEITUNG                                                                  3

3   THEORETISCHER HINTERGRUND                                                   6

3.1 RHEUMATOIDE ARTHRITIS                                                       6
3.1.1 GRUNDLAGEN                                                                6
3.1.2 PATHOGENESE                                                               6
3.1.3 DIAGNOSTIK                                                                7
3.1.4 EPIDEMIOLOGIE                                                             8
3.1.5 PROGNOSE UND VERLAUF                                                      9
3.1.6 THERAPIE                                                                  9
3.2 KOGNITION                                                                   10
3.2.1 DEFINITION                                                                10
3.2.2 INTELLIGENZ                                                               10
3.2.2.1 Die Theorie der fluiden und kristallinen Intelligenz                    10
3.2.2.2 Das Drei - Schichten - Modell der menschlichen kognitiven Fähigkeiten
(Three Stratum Theory)                                                          11
3.2.2.3 Die Cattell - Horn - Carroll Theorie                                    11
3.2.2.4 Das Intelligenzkonzept von Wechsler                                     11
3.2.3 GEDÄCHTNIS                                                                12
3.2.4 EXEKUTIVE FUNKTIONEN                                                      12
3.3 ENTZÜNDUNG UND KOGNITION                                                    13
3.4 EFFEKT VON SCHMERZ, MÜDIGKEIT UND DEPRESSION AUF KOGNITIVE
FÄHIGKEITEN                                                                     15
3.5 KARDIOVASKULÄRE ERKRANKUNGEN, RHEUMATOIDE ARTHRITIS UND KOGNITIVE
LEISTUNGSFÄHIGKEIT                                                              17
3.6 ZIEL DIESER ARBEIT                                                          18

4   METHODIK                                                                    19

4.1 DESIGN                                                                      19
4.2 ZIELSETZUNG                                                                 19
4.3 DATENERFASSUNG                                                              19
4.4 ABLAUF                                                                      19
4.5 ERFASSTE DATEN                                                              21
4.5.1 SOZIODEMOGRAPHIE                                                          21
4.5.2 ERFASSUNG DER KOGNITION - WECHSLER ADULT INTELLIGENCE SCALE IV            21
4.5.2.1 Gemeinsamkeiten finden                                                  21
4.5.2.2 Zahlen nachsprechen                                                     22
4.5.2.3 Matrizentest                                                            23
4.5.2.4 Zahlensymboltest                                                        23
4.5.3 KRANKHEITSBEZOGENE DATEN                                                  23
4.5.3.1 Der Disease Activity Score 28                                           23
4.5.3.2 Diagnose                                                                25
4.5.3.3 Medikamente                                                             25
4.5.3.4 Komorbiditäten                                                          25
4.5.4 ERFASSUNG GESUNDHEITSBEZOGENER DATEN                                      26
4.5.4.1 Health Assessment Questionnaire - Disability Index (HAQ - DI)           26
4.5.4.2 Functional Assessment of Chronic Illness Therapy Fatigue Skala (FACIT
Fatigue)                                                                        28
4.5.4.3 Rheumatoid arthritis impact of disease - Score (RAID)                   29
4.5.4.4 Allgemeine Angaben                                                      30
4.5.4.5 EQ - 5D                                                                 30
4.5.4.6 PHQ - D9                                                                31
4.5.5 STATISTISCHE ANALYSE                                                      32
4.5.5.1 Angewandte interferenzstatistische Testverfahren                        33
4.5.5.2 Binäre logistische Regressionsanalyse                                   33

5   ERGEBNISSE                                                                  35

5.1 PATIENTENCHARAKTERISTIKA DER STICHPROBE                                     35
5.1.1 SOZIODEMOGRAPHISCHE ANALYSE                                               36
5.1.1.1 Geschlechterverteilung und Durchschnittsalter                           36
5.1.1.2 Bildungsniveau und Berufstätigkeit                                      36
5.1.1.3 Raucherstatus und Alkoholkonsum                                         37
5.1.1.4 Testdauer                                                               38
5.1.2 KRANKHEITSBEZOGENE UND KLINISCHE PARAMETER                                38
5.1.2.1 Krankheitsdauer                                                         39
5.1.2.2 Laborchemische Parameter                                                39
5.1.3 MEDIKAMENTÖSE THERAPIE                                                    40
5.1.4 KOMORBIDITÄTEN                                                            42
5.1.5 AUSWERTUNG DES RAID - SCORE UND PHQ - D9 - SCORE                 43
5.1.6 AUSWERTUNG DER WAIS IV TESTERGEBNISSE                            43
5.2 BINÄRE LOGISTISCHE REGRESSIONSANALYSE                              44
5.2.1 UNTERDURCHSCHNITTLICHE WAIS WERTE IN EINER DER VIER SKALEN       45
5.2.2 UNTERDURCHSCHNITTLICHE WAIS WERTE IN DER SKALA GEMEINSAMKEITEN
FINDEN                                                                 46
5.2.3 UNTERDURCHSCHNITTLICHE WAIS WERTE IN DER SKALA MATRIZENWERT      47

6   DISKUSSION                                                         48

7   ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK                                       57

8   LITERATURVERZEICHNIS                                               58

9   ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS                                              67

10 ABBILDUNGSVERZEICHNIS                                               69

11 TABELLENVERZEICHNIS                                                 70

12 DANKSAGUNG                                                          71

13 LEBENSLAUF                     FEHLER! TEXTMARKE NICHT DEFINIERT.
1

1       Zusammenfassung

1.1     Hintergrund

Die Rheumatoide Arthritis ist eine chronisch - entzündliche Erkrankung, die den
Patienten durch Begleiterscheinungen wie Schmerzen, eingeschränkte Mobilität,
Müdigkeit und Erschöpfungserscheinungen im Alltag maßgeblich beeinträchtigt. Die
aktuelle Studienlage zeigt, dass die kognitive Leistungsfähigkeit bei Patienten mit
rheumatoider Arthritis schlechter ist als bei der Normalbevölkerung.

Ziel dieser Arbeit ist es mit einem gut genormten Test zu zeigen, dass es kognitive
Einschränkungen bei Patienten mit rheumatoider Arthritis gibt und dabei alle mögli-
chen Einflussvariablen zu kontrollieren.

1.2     Methoden

In einer unizentrischen Querschnittsstudie wurden bei 105 an einer diagnostisch ge-
sicherten rheumatoiden Arthritis erkrankten Patienten zu einem Zeitpunkt die kogni-
tive Leistungsfähigkeit mit dem standardisierten Intelligenztest „Wechsler Adult
Intelligence Scale IV“ beurteilt. Es wurden zusätzlich Patientendaten aus klinischen
und laborchemischen Untersuchungen erfasst. Weiterhin füllten die Patienten eigen-
ständig einen Fragenbogenkatalog aus, der neben mit genormten Messinstrumenten
erhobene Daten auch soziodemografische und krankheitsbezogene Daten erfragte.
Mit einer interferenzstatistischen Analyse wurden Gruppenunterschiede zwischen
Patienten mit normaler Gedächtnisleistung und Patienten mit unterdurchschnittliche-
rer Gedächtnisleistung dargestellt. Mögliche Prädiktoren für eine eingeschränkte
kognitive Leistungsfähigkeit wurden mit einer binären logistischen Regression ermit-
telt.

1.3     Ergebnisse

Bei 44 (41,9%) von 105 Patienten konnten Einschränkungen der kognitiven Leis-
tungsfähigkeit beobachtet werden. Am stärksten negativ beeinflusst war das Arbeits-
gedächtnis (23,8%), gefolgt vom wahrnehmungsgebundenen logischen Denken
(20,0%), dem Sprachverständnis (14,3%) und der Verarbeitungsgeschwindigkeit
2

(8,6%). Ein prädiktiver Einfluss auf die kognitive Leistungsfähigkeit von Patienten
mit rheumatoider Arthritis konnte für das Rauchen, das Bildungsniveau, den Rheu-
matoid arthritis impact of disease (RAID) - Score und die Testdauer dargestellt wer-
den.

1.4    Schlussfolgerung

Die Zusammenfassung der Ergebnisse stellt dar, dass Patienten mit rheumatoider
Arthritis eine schlechtere Gedächtnisleistung haben als gesunde Menschen. Ursäch-
lich dafür ist aber nicht der Pathomechanismus der Erkrankung selbst, sondern Be-
gleiterscheinungen, die mit der Krankheit einhergehen sowie für die rheumatoide
Arthritis typische Risikofaktoren.
3

2   Einleitung

An rheumatoider Arthritis erkrankte Patienten leiden aufgrund des chronisch - ent-
zündlichen Charakters der Erkrankung häufig unter einer dauerhaft reduzierten Le-
bensqualität [130]. Begleiterscheinungen wie Müdigkeit, chronische Schmerzen und
funktionelle Einschränkungen belasten die Patienten maßgeblich im Alltag. Das Be-
werkstelligen dieser Belastungen erfordert im besonderen Maße die kognitive Leis-
tungsfähigkeit der Erkrankten. Chronische Erkrankungen beeinflussen allerdings
häufig nachteilig die Gedächtnisleistung der Patienten [140]. Der Entzündungsme-
chanismus der Erkrankung selbst, aber auch Symptome wie Erschöpfung und
Schmerzen, Nebenwirkungen von antirheumatischen Pharmazeutika, mit der rheu-
matoiden Arthritis assoziierte Komorbiditäten und Langzeitfolgen wie Depressivität
stehen als mögliche Prädiktoren zur Diskussion[1, 21, 103, 118, 140]. Shin et
al.[118] konnten 2012 in einer Studie mit 115 an rheumatoider Arthritis erkrankten
Teilnehmern bei 31% eine Minderung der kognitiven Leistungsfähigkeit nachweisen.
Als mögliche Prädiktoren für kognitive Beeinträchtigungen konnten die Autoren
einen signifikanten Zusammenhang zwischen verminderter Kognition und den klini-
schen Variablen regelmäßige Einnahme von Glukokortikoiden und erhöhte kardi-
ovaskulären Risikofaktoren, sowie den soziodemographischen Variablen geringes
Bildungsniveau und Grundeinkommen < 20 000$ herstellen. Für die Variablen Ge-
schlecht, ethnische Zugehörigkeit, Krankheitsdauer, C - reaktives Protein und De-
pression konnten keine Korrelationen zu verminderter Kognition und rheumatoider
Arthritis hergestellt werden. Die Autoren folgerten, dass die kognitive Leistungsfä-
higkeit nicht durch den eigentlichen Entzündungsprozess, die Dauer oder die Krank-
heitsaktivität der rheumatoiden Arthritis beeinflusst wird. Entscheidend für das Vor-
liegen eines kognitiven Leistungsdefizits war die therapeutische Behandlung mit
Glukokortikoiden, interessanterweise schon in geringen Dosen - die tägliche Durch-
schnittsdosis betrug 2,1mg (± 4,7mg SD). Weiterhin erhöhte das Vorhandendsein
kardiovaskulärer Risikofaktoren das Risiko einer eingeschränkten Gedächtnisleis-
tung. Auch Bartolini et al. [12] untersuchten bei 30 an rheumatoider Arthritis er-
krankten Patienten die Kognition. Neben neuropsychologischen Tests wurden MRT -
Aufnahmen zur morphologischen und SPECT - Aufnahmen zur funktionellen Unter-
suchung der Gehirnmasse durchgeführt. Die kognitiven Leistungseinschränkungen
reichten von 38% im Bereich Aufmerksamkeitsvermögen bis zu 71% im visuell -
räumlichen Arbeitsgedächtnis. Bei 35% der Patienten konnten auf den MRT - Auf-
4

nahmen Veränderungen der weißen Substanz der Gehirnmasse beobachtet werden
und bei 85% konnten auf SPECT - Aufnahmen eine verminderte Perfusion der Fron-
tallappen und Parietallappen des Gehirns dargestellt werden. Die Autoren schlussfol-
gern, dass die Erkrankung der rheumatoiden Arthritis langsame aber progressive
subklinische Veränderungen bestimmter kortikaler Regionen verursacht, unabhängig
vom Alter der Patienten. Als Erklärung dafür nennen sie eine mit der rheumatoiden
Arthritis oft einhergehende Begleiterscheinung, die Vaskulitis. Diese manifestiert
sich in den Arteriolen der Gehirnsubstanz und verursacht eine Unterbrechung der
Verbindung zwischen kortikalen und subkortikalen Regionen. Eine weitere mögliche
Erklärung ist der durch die in den Gelenken befindliche chronische Entzündung un-
terbrochene neuronale Signaltransport zum Gehirn und die damit einhergehende
Schwierigkeit, kognitive motorische Aufgaben auszuführen. Wallin et al. [140] hin-
gegen führten die verminderte Gedächtnisleistung an rheumatoider Arthritis erkrank-
ter Patienten auf den Entzündungscharakter der Erkrankung zurück. Im Rahmen ei-
ner populationsbasierten Langzeitstudie wurden von 1.449 an rheumatoider Arthritis
erkrankten Patienten mittleren Alters Daten bezüglich der Soziodemographie, Medi-
kation und dem Krankheitsverlauf der rheumatoiden Arthritis erfasst. Zwanzig Jahre
später wurden die Daten aktualisiert und zusätzlich Daten zur kognitiven Leistungs-
fähigkeit erhoben. Patienten, die im mittleren Lebensalter an rheumatoider Arthritis
erkrankten, erlitten im Vergleich zur nicht an rheumatoider Arthritis erkrankten Pati-
entengruppe zwanzig Jahre später signifikant häufiger kognitive Leistungsdefizite,
eine Demenzerkrankung oder entwickelten Morbus Alzheimer. Kontrolliert wurde
die Kohorte für die Variablen Alter, Geschlecht, Bildung, Vorhandensein mindestens
eines Apolipoprotein E ε4 - Allels, BMI, Raucherstatus, körperliche Aktivität, kardi-
ovaskuläre Risikofaktoren und medikamentöser Therapie. In einem im Januar 2018
von Meade et al. [30] veröffentlichten Review, in dem 15 Studien zu dem Thema
rheumatoide Arthritis und kognitiven Impairment analysiert wurden, konnten die
Autoren ebenfalls einen Zusammenhang zwischen der Erkrankung und verminderter
Gedächtnisleistung herausarbeiten. Die Studiengruppe konnte darstellen, dass bei
Patienten die an rheumatoider Arthritis erkrankt waren, insbesondere in den Berei-
chen Gedächtnis, Aufmerksamkeit und verbale Funktion kognitive Defizite vorlagen.
Die aktuelle Studienlage zeigt unterschiedliche Zusammenhänge zwischen rheumato-
ider Arthritis und verminderter kognitiver Performance auf. Chronische Entzün-
5

dungsprozesse, dauerhafte Medikation und eine verfrühte Immunoseneszenz werden
ebenso diskutiert wie strukturelle und funktionale Veränderungen der Gehirnstruktur.

Ziel dieser Arbeit ist es, unter Berücksichtigung aktueller Literatur und bestehender
Studienlage den Einfluss der chronisch - entzündlichen Erkrankung rheumatoide
Arthritis auf die Kognition der Patienten zu untersuchen. Beurteilt wird die kognitive
Leistungsfähigkeit mit einem genormten Testverfahren, der Wechsler Adult Intelli-
gence Scale IV. Weiterhin sollen aus soziodemographischen und krankheitsassoziier-
ten Kontrollvariablen sowie Komorbiditäten Prädiktoren für verminderte kognitive
Leistungsfähigkeit identifiziert und deren ursächlicher Charakter diskutiert werden.
6

3     Theoretischer Hintergrund

3.1     Rheumatoide Arthritis

3.1.1    Grundlagen

Die rheumatoide Arthritis (RA) ist eine systemische chronisch - entzündliche Auto-
immunerkrankung der Gelenke, gekennzeichnet durch eine Entzündung der Gelenk-
synovia, einhergehend mit der Zerstörung des Gelenkknorpels und des angrenzenden
Knochens [114]. Aufgrund der chronischen Entzündung leiden die Patienten häufig
unter psychosozialen Folgen. Funktionelle Einschränkungen, chronischer Schmerz,
Erschöpfung, Depressivität, Arbeitsunfähigkeit und Nebenwirkungen der antirheu-
matischen Therapie verschlechtern maßgeblich die Lebensqualität der Patienten
[101]. Die rheumatoide Arthritis äußert sich im Frühstadium durch Gelenkschwel-
lungen und Schmerzen, Morgensteifigkeit über 30 Minuten, Kraftlosigkeit und Ab-
geschlagenheit. Im fortgeschrittenen Stadium sind Deformationen, Deviationen,
Ankylosen und atrophe Veränderungen der gelenknahen Muskeln zu beobachten.
Die Krankheit manifestiert sich vor allem an den Fingergrund - und Mittelgelenken
der Hand, wobei die Metacarpophalangealgelenke II und III besonders betroffen
sind.

3.1.2    Pathogenese

Die genaue Ätiologie der rheumatoiden Arthritis ist bis heute nur in Ansätzen ver-
standen. Man vermutet eine multifaktorielle Genese - unbestritten ist allerdings, dass
genetischen Faktoren und Umweltfaktoren eine entscheidende Funktion zukommt.
Ungefähr 80 - 90% an rheumatoider Arthritis erkrankte kaukasische Patienten sind
Träger eines HLA - DRB1 - Alleles. HLA - DRB1*04 - Subtypen und HLA -
DRB1*01 - Subtyen codieren ein als Shared Epitop (SE) bezeichnetes Aminosäure-
motiv [77]. Bei Trägern des SE-Gens führt die Präsentation eines noch unbekannten
arthrogenen Antigens zur Einwanderung und Akkumulation von Entzündungszellen -
wie aktivierten CD4+ - T - Lymphozyten, B - Lymphozyten und Makrophagen - in
die Synovialmembran der Gelenke. Diese initiieren die Proliferation und die Über-
produktion von proinflammatorischen Zytokinen, insbesondere TNF - α und Inter-
leukin I. TNF - α und Interleukin I stimulieren die Proliferation mesenchymaler Zel-
len wie Fibroblasten, Osteoblasten, Endothel - und Synovialzellen im Gelenkspalt,
was wiederum zur Ausschüttung von proinflammatorischen Zytokinen und Enzymen
7

sowie einer Manifestation der Entzündung im Gelenkspalt führt. Die Etablierung der
chronischen Entzündung im Gelenkspalt hat zum einen das destruktive Einwandern
und die Anheftung von Pannozyten an knorpelfreien Arealen des Gelenkknochens,
und zum anderen die Aktivierung von Chondrozyten und Osteoklasten zur Folge.
Diese Prozesse enden im klinischen Bild der fortgeschrittenen rheumatoiden Arthri-
tis: Pannusbildung mit Knochenerosionen, Knorpeldestruktion und Knochenentmine-
ralisierungen [65, 89].

3.1.3   Diagnostik

Neben Anamnese, klinischer Untersuchung und Röntgendiagnostik kommt insbe-
sondere der Labordiagnostik eine entscheidende Rolle bei der Früherkennung der
rheumatoiden Arthritis zu. Routinemäßig werden die Entzündungsparameter C - re-
aktives Protein (CRP) und die Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG), welche schon
im Frühstadium der rheumatoiden Arthritis nachweisbar sind erfasst. Ein weiterer
wichtiger Nachweisparameter ist der Rheumafaktor (RF). Der Rheumafaktor ist ein
Autoantikörper - hauptsächlich vom Typ IgM. Er richtet sich gegen das Fc -
Fragment des humanen IgG. Die Spezifität beträgt ca. 80%, die Sensitivität ca. 70%
[77]. Eine deutlich höhere Spezifität von 95% und Sensitivität bis zu 75% [126, 131]
ergibt der Nachweis von Antikörpern gegen citrullinierte Peptide (ACPA). Dies stellt
eine neuartige Nachweismethode dar, die ersten Krankheitsanzeichen zehn Jahre
vorrausgehen kann. Sie ermöglichen schon im Frühstadium der Erkrankung aufgrund
ihres guten prädiktiven Charakters, einen erosiven von einem nicht - erosiven
Krankheitsverlauf zu unterscheiden und somit frühzeitig eine effektive Therapie zu
initiieren. Im Gegensatz zum Rheumafaktor, der zwar vor den ersten Symptomen
nachgewiesen werden kann, sind ACPAs schon bis zu 15 Jahre vor Krankheitsaus-
bruch messbar [85]. Die zwei wichtigsten serologischen Marker sind Antikörper ge-
gen cyclisches Citrullin (anti - CCP - Antikörper) und gegen mutiertes citrulliniertes
Vimentin (anti - MCV - Antikörper). Ungefähr 60% der Patienten mit rheumatoider
Arthritis sind ACPA positiv. Ein positiver ACPA Nachweis geht in der Regel mit
einem aggressiveren Krankheitsverlauf und schwereren Gelenkdestruktionen inner-
halb der ersten fünf Jahre einher [63, 90]. Für die rheumatoide Arthritis spezifische
erosiv-destruktive Veränderungen an Hand - und Fußgelenken können auf röntgeno-
logischen Aufnahmen schon relativ früh nach Krankheitsausbruch erkannt werden.
Bei 40% der Patienten sind bei unbehandelter Krankheit sechs Monate nach Aus-
8

bruch die ersten radiologischen irreversiblen funktionellen Gelenkschäden sichtbar.
Die Kriterien der European League against Rheumatism von 2010 [94] erlauben eine
Klassifikation der rheumatoiden Arthritis. Sie stellen eine Weiterentwicklung der
1987 vom American College of Rheumatology (ACR) [9] entwickelten Klassifikati-
onskriterien dar.

Tabelle 1 EULAR-Klassifikationskriterien der rheumatoiden Arthritis
               Spalte1                 Spalte2                                      Spalte3
              Kriterium                                                            Punktwert

Gelenkbeteiligung
                                       1 mittleres bis großes Gelenk                           0
                                       2 - 10 mittlere bis große Gelenke                       1
                                       1 - 3 kleine Gelenke                                    2
                                       4 - 10 kleine Gelenke                                   3
                                       > 10 kleine Gelenke                                     5
Serologie
                                       RF negativ und ACPA negativ                             0
                                       niedrigtitrig postiv (RF+ und/oder ACPA+)               2
                                       hochtitrig postiv (RF+ und/oder ACPA+)                  3
Akute-Phase-Proteine (BSG oder CRP)
                                       normal                                                  0
                                       erhöht                                                  1

Symptomdauer
                                       < 6 Wochen                                              0
                                       ≥ 6 Wochen                                              1

Die jeweils höchsten Werte einer Kategorie werden summiert. Der Bereich zwischen
≥6 und 10 definiert einen Patienten als an rheumatoider Arthritis erkrankt.

3.1.4       Epidemiologie

Mit einer Prävalenz von 0,5% - 1% in Nord-Europa und Nord-Amerika [2] ist die
rheumatoide Arthritis die am häufigsten auftretende Autoimmunerkrankung in den
westlichen Industrieländern. Die Inzidenz liegt zwischen 5 bis 50 Neuerkrankungen
pro 100 000 Einwohner und steigt mit zunehmendem Lebensalter. Frauen erkranken
drei Mal häufiger als Männer [114]. Der Gipfel der Neuerkrankung liegt bei Frauen
zwischen dem 3. und 5. Lebensjahrzehnt und bei Männern zu Beginn des 6. Lebens-
jahrzent. Die Erkrankung kann allerdings in jedem Alter auftreten [125].
9

3.1.5    Prognose und Verlauf

In 70 - 80% beginnt die Erkrankung schleichend mit dem Befall einzelner Gelenke
und verläuft im Krankheitsverlauf schubweise. Dabei wechseln sich Phasen starker
Entzündung mit schwacher Entzündung ab. Diese Schübe können einige Tage bis
Monate dauern, und sind gekennzeichnet durch ein plötzliches, verstärktes Auftreten
der Symptomatik. Zwischen den Schüben sind die Patienten meistens beschwerde-
frei. Weitere 10% der Patienten gehen schon im Frühstadium der Krankheit in Re-
mission, bei den restlichen 10% verläuft die Krankheit unkontrollierbar bis maligne.
Für einen prognostisch ungünstigen Verlauf sprechen: eine hohe Krankheitsaktivität,
der positive Nachweis von RF und ACPA sowie das Vorliegen von HLA - DR4 Al-
lelen.

3.1.6    Therapie

Ziel der Therapie der rheumatoiden Arthritis ist eine vollständige Remission bzw. ein
Zustand geringster möglicher Krankheitsaktivität [120]. Dies wird durch den Einsatz
von Medikamenten, die Einfluss auf den pathogenen Entstehungsprozess von Ent-
zündungen nehmen, bewirkt. Eine kausale Therapie ist aufgrund unbekannter Ätio-
logie nicht möglich. Entscheidend für Verlauf und Prognose der rheumatoiden Arth-
ritis ist ein früher Therapiebeginn innerhalb der ersten drei Monate nach Beginn der
Krankheit. Die Art und das Ausmaß der Therapie richten sich an dem individuellen
Krankheitsverlauf und der aktuellen Krankheitsaktivität aus.

Zum Einsatz in der medikamentösen Therapie kommen folgende Gruppen:

    -    Nicht - steroidale Antirheumatika (NSAR)
    -    Glukokortikoide
    -    Basistherapeutika (DMARDs)
    -    Biologicals

Die auf den EURLAR - Empfehlungen basierte 2018 veröffentliche S2e-Richtlinie
der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie [44] empfiehlt unmittelbar nach Di-
agnosestellung die frühzeitige Basistherapie mit Methotrexat (MTX) als Monothera-
pie oder die Kombination von MTX mit niedrig dosiertem Prednisolon als optimierte
Monotherapie. Methotrexat gehört neben Leflunomid, Hydroxychloroquin und Sul-
fasalazin zu den konventionellen Disease - modifying anti - rheumatic drugs
10

(DMARDs). Im Gegensatz zu nicht - steroidalen Antirheumatika, die ausschließlich
schmerzlindernd und entzündungssenkend wirken, vermögen DMARDs die Krank-
heitsaktivität zu senken und Gelenkdestruktionen zu vermindern. Da sich das volle
Wirkspektrum der Basistherapeutika erst einige Wochen nach Verabreichung entfal-
tet, kommen zur Überbrückung nicht - steroidale Antirheumatika und das Glukokor-
tikoid Prednisolon zum Einsatz. Nicht - steroidale Antirheumatika wirken analge-
tisch, antiphlogistisch und antipyretisch. Das Behandlungsziel der optimierten Mono-
therapie sollte innerhalb von drei Monaten nach Therapiebeginn erreicht sein [74].
Bei sehr hoher Krankheitsaktivität, schlechter Prognose und Versagen der Kombina-
tionstherapie konventioneller DMARDs wird das Verabreichen eines Biological in
der Regel in Kombination mit MTX empfohlen. In der Regel werden Adalimumab,
Certolizumab, Etanercept, Golimumab, Infliximab, Rituximab sowie Abatacept oder
Tocilizumab verabreicht.

3.2     Kognition

3.2.1    Definition

Der Begriff Kognition bezeichnet sämtliche bewusst und unbewusst ablaufende in-
formationsverarbeitende Prozesse eines intelligenten Systems bzw. die geistige Akti-
vität des Menschen [75]. Die kognitive Leistungsfähigkeit eines Menschen umfasst
Prozesse der Wahrnehmung, der Aufmerksamkeit, des Gedächtnisses, des Denkens,
des Lernens, des Erinnerns, der Motivation und Problemlösens sowie das Sprachver-
ständnis.

3.2.2    Intelligenz

3.2.2.1 Die Theorie der fluiden und kristallinen Intelligenz

Der modernen Kognitionsforschung liegt die Cattell-Horn-Carroll - Theorie der
menschlichen kognitiven Fähigkeiten zu Grunde. Raymond Cattell definierte 1941
[28, 29], dass Intelligenz aus zwei Faktoren besteht: die fluide Intelligenz (Gf) und
die kristalline Intelligenz (Gc). Die fluide Intelligenz beschreibt dabei die angeborene
Leistungsfähigkeit und ermöglicht dem Individuum mit unbekannten Situationen
umzugehen, ohne über umfangreiche früherer Lernerfahrungen zu verfügen. Die
kristalline Intelligenz umfasst das durch Lebenserfahrung und Ausbildung erworbene
Wissen und ist von der fluiden Intelligenz und von Umweltbedingungen beeinflusst.
11

John L. Horn überarbeitete gemeinsam mit Cattell dessen Gf - Gc - Modell und er-
weiterte es zu einem Faktoren - Modell welches Abstand von einer generellen Intel-
ligenz nahm und neun Dimensionen der Intelligenz beschreibt: fluides Schlussfol-
gern, kulturspezifisch - wissensbezogene Intelligenz, kurzfristige Aufnahme und
Abruf von Informationen, visuelle Verarbeitung, auditive Verarbeitung, tertiäres Ab-
speichern und Abrufen, Verarbeitungsgeschwindigkeit, Geschwindigkeit für korrekte
Entscheidungen und quantitatives Wissen [60].

3.2.2.2 Das Drei - Schichten - Modell der menschlichen kognitiven Fähigkeiten
         (Three Stratum Theory)

1993 definierte John B. Caroll [27] Intelligenz als ein Konstrukt mit hierarchischer
Struktur, das Drei - Schichten - Modell der menschlichen kognitiven Fähigkeiten.
Auf der untersten der drei Ebenen befinden sich sehr spezifische, enge Fähigkeiten,
von denen er insgesamt 69 definierte. Auf der mittleren Ebene befinden sich acht
komplexere, breitere Faktoren der Intelligenz: fluide Intelligenz, kristalline Intelli-
genz, allgemeine Gedächtnisfähigkeit, visuelle Wahrnehmung, auditive Wahrneh-
mung, Abruffähigkeit, kognitive Geschwindigkeit und Verarbeitungsgeschwindig-
keit. Die oberste Ebene beschreibt die generelle, allgemeine kognitive Intelligenz.

3.2.2.3 Die Cattell - Horn - Carroll Theorie

Die sehr ähnlichen Definitionen der komplexen, breiten Fähigkeitsfaktoren von Horn
und Cattell auf der einen Seite und Carroll auf der anderen Seite führten zu Beginn
des 21. Jahrhundert zur Zusammenführung beider Theorien und zur Entwicklung der
Cattell - Horn - Carroll Theorie. Ein entscheidender Unterschied in den beiden Mo-
dellen bleibt Carrolls Annahme einer generellen Intelligenz, welche in der Gf - Gc -
Hypothese fehlt [45, 88].

3.2.2.4 Das Intelligenzkonzept von Wechsler

„Intelligenz ist die zusammengesetzte oder globale Fähigkeit des Individuums,
zweckvoll zu handeln, vernünftig zu denken und sich mit seiner Umgebung wir-
kungsvoll auseinander zu setzen.“ [143] Nach Wechsler sind die Komponenten der
Intelligenz hierarchisch angeordnet. Er geht ebenfalls von einer allgemeinen Intelli-
genz aus, die sich in zwei Komponenten aufspalten lässt. Die verbale Intelligenz und
die praktische Intelligenz.
12

3.2.3   Gedächtnis

Das Gedächtnis ist der Wissensspeicher aller individuell bewusst oder unbewusst
erlernten Informationen. Nach Aufnahme aus der Umwelt werden Informationen
selektiert und kurzzeitig oder dauerhaft gespeichert. Verknüpfungen zwischen ein-
zelnen Informationen werden geschaffen und bei Bedarf wieder aufgerufen. Anhand
der Dauer der Informationsspeicherung unterscheidet man das Ultrakurzzeitgedächt-
nis, das Arbeitsgedächtnis, das Kurzzeitgedächtnis und das Langzeitgedächtnis. Das
Ultrakurzzeitgedächtnis speichert für einige Sekunden aus der Umwelt aufgenom-
mene Sinnesreize. Das Arbeitsgedächtnis ermöglicht eine kurzfristige Speicherung
von Informationen zur Bewerkstelligung von Arbeitsprozessen. Im Kurzzeitgedächt-
nis werden Informationen über einige Stunden gespeichert, bevor sie selektiert und
dauerhaft ins Langzeitgedächtnis übergehen, um dort Wochen, Monate oder lebens-
lang gespeichert zu werden. Bezüglich der Art der Gedächtnisspeicherung unter-
scheidet man das explizite - deklarative vom impliziten Gedächtnis. Das explizite
Gedächtnis dient der bewussten Informationsspeicherung. Es setzt sich aus dem epi-
sodischen und dem semantischen Gedächtnis zusammen. Das episodische Gedächt-
nis speichert erlebte Ereignisse, wie z.B. Urlaube aus der Vergangenheit und bildet
unsere biographische Identität. Das semantische Gedächtnis beherbergt das bewusste
Faktenwissen. Im Gegensatz dazu werden im impliziten Gedächtnis unbewusste In-
formationen eingelagert. Es wird untereilt in das prozeduale Gedächtnis, dort werden
Bewegungsabfolgen abgespeichert und in das perzeptuelle Gedächtnis, welches dazu
dient bekannte Personen, Gegenstände und Orte zu erkennen. Weitere semantische
Gedächtnisleistungen sind die Konditionierung und das Priming, das vorbereitende
Gedächtnis.

3.2.4   Exekutive Funktionen

Als exekutive Funktionen werden komplexe und nicht - routinierte Vorgänge be-
zeichnet, die durch Kontrolle, Steuerung und Koordination verschiedener Vorgänge
ein zielorientiertes und situationsangepasstes Denken und Handeln ermöglichen
[115]. Maßgeblich beteiligt an den exekutiven Prozessen sind das Arbeitsgedächtnis,
die Inhibition und die Aufmerksamkeitssteuerung [92, 93]. Sie ermöglichen dem
Individuum auch in nicht routinierten, dem Alltag fremden und unvorhergesehen
Situationen flexibel und angepasst zu handeln. Diese Prozesse laufen unter bewusster
kognitiver Kontrolle und Steuerung ab und werden von automatisiert ablaufenden
13

Verhaltensweisen abgegrenzt. Nach Norman und Shallice [95] kommt laut der Theo-
rie des Supervisory Attentional Systems der Aufmerksamkeit bei der Abgrenzung
dieser Prozesse eine entscheidende Funktion zu. Routinierte, bekannte Verhaltens-
weisen laufen nach Meinung der Autoren in bestimmten Schemata ab. Diese werden
durch Stimuli aus der Umwelt aktiviert und in vorprogrammierter, automatischer
Weise ausgeführt. Neue, unbekannte, komplexe Situationen hingegen benötigen zur
Lösung Aufmerksamkeit und eine willkürliche Lenkung des Geschehens. Dies wird
durch die Steuerung und Überwachung durch das Supervisory Attentional System
verantwortet.

3.3   Entzündung und Kognition

Als mögliche Ursache für den leistungsmindernden Effekt der rheumatoiden Arthritis
auf die Kognition wird der Entzündungscharakter der Erkrankung diskutiert [83,
140]. Die Pathophysiologie neurodegenerativer Veränderung ausgelöst durch die
systemische Entzündung, ist bis heute noch nicht vollständig verstanden. Allerdings
konnte dem Tumornekrose Faktor - a, welcher typischerweise bei chronischen Ent-
zündungen wie der rheumatoiden Arthritis erhöht ist, eine Schlüsselfunktion zuge-
ordnet werden. McGeer et al. [86, 87] machten die Beobachtung, dass entzündliche
erhöhte TNF - a - Spiegel Mikrogliazellen aktivieren, die in Form eines zerebralen
endogenen Immunsystems arbeiten und unabhängig von Reizen des peripheren Im-
munsystems eine chronische Entzündung im Gehirn einleiten und aufrechterhalten
können. Durch die Aktvierung der Mikroglia kommt es zur intrazerebralen Produkti-
on und Ausschüttung inflammatorischer Zytokine und Akute-Phase-Proteine wie IL -
6, IL - 1b, TNF - a und CRP. Insbesondere für erhöhte Interleukin - 1b - Spiegel
konnte ein negativer Effekt auf die Kognition dargestellt werden [105, 139]. Die
Folgen der Ausschüttung von IL - 1b sind Zelllyse von zerebralen, intakten Zellen
und Phagozytose von Pathogenen und zerstörten Zellen, was angesichts dessen, dass
Neuronen postmytotisch, also nicht regenerierbar sind als entscheidender Mechanis-
mus zur Ausbildung von eingeschränkter kognitiver Funktion und der Entwicklung
neurodegenerativer Erkrankungen wie Morbus Alzheimer beiträgt [53, 86, 87, 129].
C - reaktives Protein ist als Opsonin Teil des Immunsystem und aktiviert bei in-
flammatorischen Vorgängen das Komplementsystem [40]. In der Honolulu - Asia -
Aging Studie [113] wurde beobachtet, dass Männer mit einem Serumspiegel von
über 0,34mg/L des hochsensitiven C - reaktiven Proteins (hs - CRP) im mittleren
14

Lebensalter ein 3 - fach erhöhtes Risiko im Vergleich zu Probanden mit einem Se-
rumspiegel von hs - CRP unter 0,34mg/L für die Entwicklung von neurodegenerati-
ven Erkrankungen und kognitivem Verfall hatten.

Ein weiteres erklärendes Modell für verminderte kognitive Funktion durch system-
mische entzündliche Prozesse ist am Beispiel von Morbus Alzheimer sehr gut ver-
standen. Bei Patienten mit Morbus Alzheimer konnten im Liquor des Gehirns und
Rückenmarks erhöhte Werte proinflammatorischer Zytokine, Chemokine und Kom-
plementfaktoren nachgewiesen werden [5, 36]. Insbesondere bei chronischen Ent-
zündungen von Makrophagen produziertes TNF - a und von der Leber ausgeschütte-
tes C - reaktives Protein konnte in für Morbus Alzheimer typischerweise vorhande-
nen Beta - Amyloid Plaques und Taufibrillen identifiziert werden [41, 117]. Beta -
Amyloid ist ein Proteinfragment, welches bei einem gesunden Individuum zersetzt
und eliminiert wird, bei Morbus Alzheimer hingegen akkumulieren diese Fragmente
zu unlöslichen Plaques. Man geht davon aus, dass unlösliche Beta - Amyloid Plaques
und abnormale Tau - Fibrillen [16, 116], welche Neuronen zerstören entzündliche
Vorgänge im Gehirn initiieren und aufrecht halten [48].

Bemerkenswert ist, dass die kognitive Leistungsfähigkeit der Patienten unter effekti-
ver Therapie besser wird. In einer open - label Pilotstudie untersuchten Raftery et al.
[103] bei 15 an rheumatoider Arthritis erkrankten Patienten die Wirksamkeit der
erstmaligen Therapie mit dem TNF - a - Blocker Adalimumab. Erfasst wurde die
Wirkung auf Müdigkeit, Kognition und dem zerebralen Blutfluss. Nach zwölfwöchi-
ger Therapie kam es zu einer signifikanten Verbesserung der Krankheitsaktivität und
den Ermüdungserscheinungen, sowie der kognitiven Leistungsfähigkeit. Allerdings
konnten die Autoren keine Korrelation zwischen der Verbesserung der Kognition
und den Variablen Müdigkeit, Krankheitsaktivität und zerebraler Blutfluss feststel-
len. Im Gegensatz zu anderen in der Therapie der rheumatoiden Arthritis eingesetz-
ten Medikamenten ist die entzündungshemmende Wirkung von TNF - a - Blockern
schon 24 Stunden nach Verabreichen registrierbar. Hess et al. [55] vermuteten, dass
das schnelle Anschlagen der Therapie mit TNF - a - Blockern nicht nur auf die un-
terbrochene Entzündungskaskade in den Gelenken zurückzuführen ist, sondern viel-
mehr auch durch direkte Einwirkung auf neuronale Prozesse einhergeht. So scheint
TNF - a zum einen am nozizeptiven System als auch am limbischen System zu wir-
15

ken und somit die Schmerzwahrnehmung und auch emotionales Verhalten wie De-
pressivität während einer chronischen Erkrankung zu regulieren. Schon unmittelbar
nach Verabreichen der TNF - a - Blocker und deutlich vor der entzündungshemmen-
den Wirkung ist ein positiver Effekt im zentralen Nervensystem zu beobachten.

3.4   Effekt von Schmerz, Müdigkeit und Depression auf kognitive Fähigkeiten

Die durch Schwellung und Destruktion einhergehenden Schmerzen sind das schwer-
wiegendste und den Patienten mit am stärksten beeinträchtigende Symptom der
rheumatoiden Arthritis [56]. Einhergehend mit dem Schmerzleiden der Patienten
sind häufig sowohl kognitive als auch funktionelle Ermüdungserscheinungen, aber
auch Depressivität [136, 141]. Starke Schmerzen wirken sich negativ auf kognitive
Fertigkeiten aus, insbesondere das Aufmerksamkeitsvermögen und die Konzentrati-
onsfähigkeit sind betroffen [39, 98]. Nicht nur das Schmerzleiden selbst wirkt sich
aber auf die Kognition aus, sondern auch die häufig durch starke Schmerzen ausge-
lösten Depressionen. Brown et al. [21] wiesen 2001 bei 121 Patienten, die unter
rheumatoider Arthritis litten einen negativen Effekt von Schmerz und Depression auf
die kognitiven Fähigkeiten nach. Als kognitive Parameter wurden Verarbeitungsge-
schwindigkeit, induktives Denken, Arbeitsgedächtnis und das Langzeitgedächtnis
erfasst. Sie machten die Beobachtung, dass Schmerz zum einen ein starker Prädiktor
für kognitive Defizite ist und zum anderen chronischer Schmerz, ausgelöst durch die
rheumatoide Arthritis, gehäuft zu Depressionen bei den Erkrankten führt. Die De-
pression wiederum beeinträchtigt ebenfalls die kognitive Leistung der Patienten und
beeinflusst zusätzlich das Verhältnis zwischen Schmerz und Kognition. Abeare et al.
[1] untersuchten in einer Gruppe von 157 Probanden ebenfalls den Zusammenhang
von Schmerz und Kognition bei rheumatoider Arthritis. Allerdings erfassten sie nur
einen Teilbereich der kognitiven Fähigkeiten, die exekutive Funktion. Als Schmerz
beeinflussende Parameter wurden positive und negative Einflüsse erhoben. Die Stu-
die zeigte, dass sich Schmerz und kognitive Leistungsfähigkeit umgekehrt proportio-
nal zu einander verhalten. Das heißt, je intensiver der Schmerz, desto größer sind die
kognitiven Leistungseinbußen. Anders als in der Studie von Brown et al. [21] in der
Depression Kognition maßgeblich beeinflusst, haben laut Abeare negative Affekte
keine relevante Auswirkung auf die Beziehung zwischen Schmerzwahrnehmung und
der exekutiven Funktion der Kognition. Da in der vorliegenden Studie nur ein Teil-
bereich der Kognition, die exekutiven Funktionen berücksichtigt wurde, vermuten
16

die Autoren dass Schmerz verschiedene Bereiche der kognitiven Leistungsfähigkeit
im unterschiedlichen Ausmaß beeinflusst. Depressivität ist mit einer Prävalenz von
17% - 41% [64, 69] neben Angstzuständen die häufigste psychiatrische Begleiter-
scheinung einer rheumatoiden Arthritis. Depressionen entstehen zum einen als psy-
chologische Reaktion auf die alltäglichen Belastungen, die eine rheumatoide Erkran-
kung mit sich bringt, wie funktionelle Einschränkungen, Müdigkeit und Schmerz.
Man vermutet aber auch einen direkten Zusammenhang zwischen dem Entzün-
dungsmechanismus der rheumatoiden Arthritis und der Entwicklung einer Depressi-
on. Die Aktivierung des Immunsystems im Rahmen der rheumatoiden Arthritis führt
zur Ausschüttung von proinflammatorischen Zytokinen. Infolgedessen wird das En-
zym Indolamin -2,3- Dioxygenase (IDO) aktiviert. IDO baut den Serotonin-
Vorläufer Tryptophan ab und reduziert die Serotoninsynthese, und induziert somit
auf neuroendokrinem und neurochemischen Weg eine Depression. Außerdem konn-
ten erhöhte Zytokinlevel mit einer Hyperaktivität der Hypothalamus - Hypophysen -
Nebennierenrinden - Achse in Verbindung gebracht werden, welche über komplexe
neuroendokrine Wege die Stressreaktion eines Menschen reguliert und bei Fehlsteue-
rung zu depressiven Verstimmungen führt [112]. Weiterhin führt verstärkte Zytokin-
ausschüttung im zentralen Nervensystem zu lokalen neuronalen Entzündungsprozes-
sen, Aktivierung von Mikroglia, Fehlfunktion der Mitochondrien sowie oxidativem
und nitrosativem Stress und löst dadurch eine Verminderung der kognitiven Leistung
aus [7, 78]. Kognitive Leistungsdefizite sind mit die häufigsten Symptome einer
schweren depressiven Störung, die auch nach Abklingen der depressiven Phase be-
stehen bleiben können [10, 108]. Besonders betroffen sind das Aufmerksamkeits-
vermögen, die Erinnerung und die exekutiven Funktionen. Es wird davon ausgegan-
gen, dass neuronale Schaltkreise, die Depressivität und bestimmte Bereiche der Ge-
dächtnisleistung steuern, sich in kortikalen Strukturen überschneiden. Dabei betrof-
fen ist vor allem der anteriore cinguläre Cortex, dem bei der Pathophysiologie einer
Depression eine entscheidende Rolle zukommt, der aber auch die neuronalen Struk-
turen der Aufmerksamkeit und emotionaler Komponenten beherbergt [18]. Erschöp-
fung ist nach dem Schmerz die Lebensqualität des Patienten am negativsten beein-
flussende Begleiterscheinung der rheumatoiden Arthritis [58, 137]. Die Patienten
sind nicht nur müde, sondern erschöpft, schwach und energielos [110]. Dabei wirkt
sich die Ermüdung sowohl körperlich als auch kognitiv aus [97]. Die Prävalenz der
Erschöpfung reicht von 40% - 98% [15, 102] bei rheumatoiden Erkrankungen. Wolfe
17

et al.[144] konnten bei 88 - 98% unter einer Gelenkerkrankung (Rheumatoide Arthri-
tis, Osteoarthritis, Fibromyalgie) leidenden Patienten Erschöpfung beobachten, bei
41% RA - Patienten wurden klinisch relevante stark erhöhte Werte von Ermüdungs-
erscheinungen mittels visueller Analog Skala gemessen. Als starke Prädiktoren
konnten Schmerz, Schlafstörungen, Depressivität, Anzahl der schmerzhaften Gelen-
ke und funktionelle Einschränkungen ausgemacht werden. Es liegt die Vermutung
nahe, dass Müdigkeit und Erschöpfung sich direkt auf die kognitive Leistungsfähig-
keit an rheumatoider Arthritis erkrankten Patienten auswirkt. Außerdem aber auch
indirekt durch Erschöpfung provozierende Faktoren, wie Depressivität und Schmer-
zen. An Studien, die den direkten Zusammenhang von Müdigkeit und Kognition bei
RA - Patienten untersuchten mangelt es allerdings, so dass weiterhin die mit Müdig-
keit assoziierten Parameter Schmerz und Depression als vordergründige Prädiktoren
für kognitive Leistungsdefizite im Rahmen einer rheumatoiden Arthritis bestehen
bleiben [102].

3.5   Kardiovaskuläre Erkrankungen, Rheumatoide Arthritis und kognitive
      Leistungsfähigkeit

Auch das Vorhandensein relevanter Komorbiditäten wie ein erhöhtes kardiovaskulä-
res Risiko scheint als Ursache von kognitivem Impairment bei Patienten mit rheu-
matoider Arthritis möglich. Neben der entzündlichen Veränderung und Destruktion
der Gelenke gehen mit der rheumatoiden Arthritis häufig extraartikuläre Manifestati-
onen einher. Besonders stark betroffen ist dabei das kardiovaskuläre System. Die
Vaskulitis - eine entzündlich - rheumatische Erkrankung kleiner Blutgefäße und Ka-
pillaren, meist arterieller Herkunft - führt durch inflammatorische Veränderungen der
Gefäßwand zur Hypoperfusion und Schädigung der zu versorgenden Organsysteme,
Polyneuropathien und Ulzerationen. Weiterhin haben RA - Patienten ein zweifach
erhöhtes Risiko einen Myokardinfarkt sowie Herzversagen zu erleiden, bzw. an Dia-
betes zu erkranken [100]. Neben den herkömmlichen kardiovaskulären Risikofakto-
ren arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus, Hypercholesterinämie und Rauchen
müssen auch direkt mit der rheumatoiden Erkrankung vergesellschaftete Risiken
berücksichtig werden. Denn bei Patienten mit rheumatoider Arthritis führen aufgrund
der chronisch aufrecht erhaltenen Entzündung erhöhte Zytokinlevel von TNF - a und
IL - 6 über Endotheldysfunktion zu Arteriosklerose und Plaques. Dies trifft auch bei
Patienten ohne ein ansonsten erhöhtes kardiovaskuläres Risiko zu [6, 68]. Auch die
18

antirheumatische Therapie mit NSAR und Glukokortikoiden erhöht das mit der RA
assoziierte kardiovaskuläre Risiko durch Hypertonie und Herzversagen, sowie nach-
teilige Beeinflussung des Lipid - und Glucosestoffwechsels [37, 109, 128]. Ebenso
konnte für bestimmte TNF - a - Blocker und DMARDs ein gewisser negativer Effekt
auf das kardiovaskuläre System nachgewiesen werden [121]. Erhöhtes kardiovasku-
läres Risiko ist außerdem maßgeblich an der Entwicklung von kognitiven Leistungs-
einschränkungen bis hin zur vaskulären Demenz oder Morbus Alzheimer beteiligt
[76]. Arterielle Hypertonie beeinflusst dabei besonders die exekutive Funktion, das
Erinnerungsvermögen und das Aufmerksamkeitsvermögen [33]. Ursächlich für eine
verminderte Kognition bei arterieller Hypertonie scheinen durch cerebrovaskuläre
Perfusionsstörungen ausgelöste subklinische Schlaganfälle und Mikroläsionen in der
weißen Substanz des Gehirns zu sein [19, 79]. Weiterhin begünstigen Störungen des
Cholesterinstoffwechsels, Übergewicht und Rauchen eine verminderte kognitive
Leistung [33].

3.6   Ziel dieser Arbeit

Intention dieser Arbeit war es, den Zusammenhang zwischen der chronisch - ent-
zündlichen Erkrankung rheumatoide Arthritis und der kognitiven Leistungsfähigkeit
mit einem alle Bereiche der Intelligenz beurteilenden neuropsychologischen Testver-
fahren zu untersuchen und möglichst umfangreich soziodemographische und krank-
heitsassoziierte Kontrollvariablen sowie Komorbiditäten zu erfassen und anhand des
Datenkollektivs Prädiktoren für verminderte kognitive Leistungsfähigkeit zu identifi-
zieren.
19

4     Methodik

4.1   Design

Die unizentrische Querschnittsstudie wurde in der Medizinischen Klinik 3 für
Rheumatologie und Immunologie des Universitätsklinikums der Friedrich-Alexander
- Universität Erlangen - Nürnberg in Bayern, Deutschland durchgeführt. Im Zeitraum
vom 11. März 2013 bis 24. Oktober 2013 wurden 105 ambulante und stationäre Pati-
enten mit rheumatoider Arthritis rekrutiert.

4.2   Zielsetzung

Ziel der Studie war es die kognitive Leistungsfähigkeit von Patienten mit rheumatoi-
der Arthritis mittels eines genormten Untersuchungsverfahrens zu ermitteln und
mögliche Einflussfaktoren wie Depression, körperliche Aktivität, Medikamentenein-
nahme und Komorbiditäten, zu erfassen und deren Zusammenhang zu untersuchen.

4.3   Datenerfassung

Die erhobenen Daten setzten sich aus Eigenbeurteilungen der Patienten, klinischen
Untersuchungen der Patienten, laborchemischen Parametern und einer Untersuchung
zu den kognitiven Fähigkeiten zusammen. Es wurden außerdem soziodemografische
Daten, gesundheitsbezogene und krankheitsbezogene Daten erhoben.

Die Rekrutierung der Patienten fand sowohl im stationären als auch im ambulanten
Bereich statt.

4.4   Ablauf

Die Untersuchung erfolgte im Rahmen eines regulären Arzttermins mit Blutentnah-
me. Hierauf hat die Studie keinen Einfluss genommen. Alle Patienten, die die Ein-
schlusskriterien erfüllten und ihr schriftliches Einverständnis gaben wurden zu einem
einmaligen Zeitpunkt mittels Wechsler Adult Intelligence Scale IV (WAIS - IV) ge-
testet. Die Einschlusskriterien sind in Tabelle 2 dargestellt.
20

Tabelle 2 Einschlusskriterien der WAIS-Kognition-Studie

Einschlusskriterien

Diagnostisch gesicherte RA
                                                          aller Schweregrade

                                                          aller Aktivitätsgrade

                                                          jeglicher Erkrankungsdauer

                                                          in stationärer oder ambulanter Behandlung

                                                          jeden Alters

Von der Studie ausgeschlossen wurden Patienten die folgenden Kriterien erfüllten:

Tabelle 3 Ausschlusskriterien der WAIS-Kognition-Studie

Ausschlusskriterien

aktuell behandlungsbedürftigte psychiatrische Erkrankung (Depression, Schizophrenie,
Sucht, Demenz, …)

Fibromyalgie

Rot-Grün-Sehschwäche

vermindertes oder verlustiges Hörvermögen

mangelnde Deutschkenntnisse

Alle Personen, die die Einschlusskriterien erfüllten, wurden der Poolliste der geeig-
neten und einverstandenen Studienteilnehmer zugeordnet. Nach dem regulären Arzt-
termin und der Blutentnahme füllten die Patienten eigenständig eine Einverständnis-
erklärung zur Teilnahme an der Studie und den für die Studie zusammengestellten
Fragebogenkatalog aus. Anschließend wurde der WAIS IV Test durch einen geschul-
ten Untersucher in einem separaten Raum durchgeführt. Die Untersuchung dauerte
durchschnittlich 35 Minuten und wurde von der Ethikkommission genehmigt.
21

4.5     Erfasste Daten

4.5.1    Soziodemographie

Als soziodemographische Daten wurden Alter, Geschlecht, Zivilstand, Schulbildung,
Berufstätigkeit, Berentung, Sozialverhalten und das Konsumverhalten bezüglich Al-
kohol und Nikotin erfasst.

4.5.2    Erfassung der Kognition - Wechsler Adult Intelligence Scale IV

Die Wechsler Intelligence Scale for Adults Fourth Edition (WAIS IV) stellt ein ge-
normtes Instrument zur Testung der kognitiven Fähigkeiten von Jugendlichen und
Erwachsenen im Alter von 16 bis 89,11 Jahren dar. Der WAIS IV wurde in Deutsch-
land 2012 [99] als überarbeitete und weiterentwickelte Version der Wechsler Intelli-
gence Scale for Adults Third Edition veröffentlicht. In der ursprünglichen Version
des Wechsler Intelligenztest, der WAIS I, welcher 1955 erstmals von David Wechs-
ler publiziert wurde und eine Überarbeitung der von ihm 1939 veröffentlichten
Wechsler - Bellevue Intelligence Scale darstellt, ging Wechsler davon aus, dass Intel-
ligenz einerseits ein globales Konstrukt darstellt, weil sie das Verhalten eines Indivi-
duums als Ganzes bestimmt. Andererseits kann sie aber als spezifisch dargestellt
werden, weil Intelligenz aus Faktoren zusammengesetzt ist, in denen sich Individuen
unterscheiden. Diese individuellen Faktoren sind allerdings nicht als vollständig un-
abhängig zu sehen, sondern stehen alle in Beziehung zueinander. Trotzdem kann
nach Wechsler jeder dieser Faktoren isoliert betrachtet und beurteilt werden [143].
Aus dieser Erkenntnis geht die Entwicklung der Untertests, auf denen auch die
WAIS IV Version basiert, einher. Der WAIS IV besteht insgesamt aus 15 Untertests,
die folgende vier kognitive Teilbereiche erfassen: Sprachverständnis, wahrneh-
mungsgebundenes logisches Denken, Arbeitsgedächtnis und Verarbeitungsge-
schwindigkeit. Anhand der Einzelergebnisse der Untertests kann der Gesamtintelli-
genzquotient bestimmt werden.

Für die Erfassung der Kognition in der vorliegenden Arbeit wurde aus jedem Teilbe-
reich ein Untertest ausgewählt.

4.5.2.1 Gemeinsamkeiten finden

Der Untertest „Gemeinsamkeiten finden“ wurde aus dem Teilbereich „Sprachver-
ständnis“ ausgewählt und zuerst durchgeführt. Der Patient bekam zu Beginn des
22

Tests die Testanweisung in exaktem Wortlaut aus dem Durchführungsmanual des
WAIS IV vorgelesen. Anschließend begann die eigentliche Testung. Die Testperson
bekam durch den Testleiter zwei Begriffe genannt, und musste die Gemeinsamkeit
der beiden Begriffe benennen. Insgesamt gab es 18 Wortpaare, die dem Testleiter in
einer festgelegten Reihenfolge vorgegeben sind. Die Antworten werden mit 2, 1 und
0 Punkten bewertet. Zur Bewertung der Antworten diente dem Testleiter eine Liste
mit möglichen Antworten in den drei Punktekategorien im Durchführungsmanual des
WAIS IV Test. Einige Antworten aus dem 1 und 0 Punkte Bereich waren mit einem
N gekennzeichnet. Der Testleiter wurde dazu angehalten, bei diesen Antworten er-
neut nachzufragen und der Testperson die Möglichkeit zu geben, die gegebene Ant-
wort weiter zu erläutern und diese eventuell zu korrigieren und zu verbessern. Wurde
bei drei Fragen hintereinander eine Antwort aus der 0 Kategorie gegeben, trat das
Abbruchkriterium in Kraft und der Test wurde vorzeitig beendet. Maximal konnten
in dem Test „Gemeinsamkeiten finden“ 36 Punkte erreicht werden.

4.5.2.2 Zahlen nachsprechen

Aus dem Bereich „Arbeitsgedächtnis“ wurde der Untertest „Zahlen nachsprechen“
als zweite Testung ausgewählt. Dieser Test unterteilte sich wiederrum in die drei
Teile „Zahlen nachsprechen vorwärts“ (ZNV), „Zahlen nachsprechen rückwärts“
(ZNR) und „Zahlen nachsprechen sequenziell“ (ZNS). Auch hier bekam der Patient
zunächst die Durchführung des Tests erklärt. Der Testperson wurden Zahlenreihen-
folgen vorgelesen. Diese durften vom Testleiter nur einmal vorgelesen und auf Nach-
frage des Probanden nicht wiederholt werden. Die Anzahl der nachzusprechenden
Zahlen nahm im Verlauf jeder der drei Testteile zu, beginnend von zwei bis zu neun
im Teil ZNV und ZNS und von zwei bis zu acht im Teil ZNR. Pro Testabschnitt gab
es acht zu lösende Aufgaben, die jeweils aus zwei Zahlenfolgen der gleichen Länge
bestanden. Der Patient wurde im ersten Teil aufgefordert die Zahlen in der gleichen
Reihenfolge zu wiederholen wie sie vom Testleiter vorgelesen wurden. Im zweiten
Teil mussten die Zahlen in rückwärtiger Reihenfolge und im dritten Teil in aufstei-
gender Reihenfolge nachgesprochen werden. Jede Zahlenfolge innerhalb einer Auf-
gabe wurde mit 0 oder 1 Punkt bewertet. Pro Aufgabe konnten also 0, 1 oder 2 Punk-
te erreicht werden. Der jeweilige Testabschnitt wurde abgebrochen, wenn zwei Zah-
lenfolgen innerhalb einer der acht Aufgaben mit 0 und somit die ganze Aufgabe mit
23

0 bewertet wurde. Maximal konnten pro Testabschnitt 16 Punkte und für den Ge-
samttest 48 Punkte erlangt werden.

4.5.2.3 Matrizentest

Der dritte Untertest „Matrizentest“ wurde aus dem Bereich „Wahrnehmungsgebun-
denes logisches Denken“ ausgewählt. Zunächst wurde der Testperson anhand von
Übungsaufgaben der Testablauf erklärt. Der Testperson wurden Bilder vorgelegt.
Auf diesen Bildern befanden sich im oberen Teil der Testseite vier Kästchen. In drei-
en dieser Kästchen waren Symbole abgebildet, im vierten ein Fragezeichen. Im unte-
ren Abschnitt der Testseite waren fünf Antwortmöglichkeiten gegeben, aus denen der
Proband das passende Bild auswählen musste. Insgesamt konnten 26 Aufgaben bear-
beitet werden, die jeweils mit 0 oder 1 Punkt bewertet werden. Der Test wurde abge-
brochen, wenn drei Aufgaben hintereinander mit 0 Punkten bewertet wurden. Insge-
samt konnten 26 Punkte erreicht werden.

4.5.2.4 Zahlensymboltest

Der letzte Test „Zahlensymboltest“ stammte aus dem Bereich „Verarbeitungsge-
schwindigkeit“. Der Patient bekam einen Testbogen auf dem sich ein Zahlen -
Symbol - Schlüssel sowie die Testaufgabe befanden. Der Schlüssel bestand aus den
Zahlen 1 bis 9. Jeder dieser Zahlen war ein einfach zu zeichnendes Symbol zugeord-
net. In der Testaufgabe befanden sich 135 Zahlenfelder deren korrelierendes Symbol
fehlte. Aufgabe der Testperson war es, in einem der Testperson unbekannten Zeit-
rahmen von 120 Sekunden die fehlenden Symbole korrekt zu den passenden Zahlen
in der vorgegebenen Zahlenreihenfolge einzuzeichnen. Jedes richtige Symbol erhielt
1 Punkt, somit konnten in diesem Test insgesamt 135 Punkte erreicht werden.

4.5.3   Krankheitsbezogene Daten

4.5.3.1 Der Disease Activity Score 28

Der Disease Activity Score 28 (DAS 28) erfasst als kombiniertes Fremd - und Ei-
genbeurteilungsinstrument die Krankheitsaktivität und den Krankheitsverlauf bei
Patienten mit rheumatoider Arthritis. Er wurde von der European League against
Rheumatism [133] als Alternative zu den Kriterien zur Bestimmung der Krankheits-
aktivität bei RA - Patienten des American College of Rheumatology [4, 9] entwi-
24

ckelt. Der DAS 28 zeigt die Krankheitsaktivität zu jedem Zeitpunkt im Krankheits-
verlauf und den Krankheitsfortschritt bzw. das Ansprechen auf Therapie.

Zur Beurteilung des DAS 28 werden insgesamt 28 Gelenke auf Schmerzen und
Schwellung untersucht: Schultergelenke, Ellenbogengelenke, Handgelenke, die me-
tacarpophalangealen sowie wie die proximal - interphalangealen Gelenke und die
Kniegelenke. Anschließend wird der DAS 28 - Score aus den Parametern Anzahl der
schmerzhaften Gelenke (TJC), Anzahl der geschwollenen Gelenke (SJC), Blutsen-
kungsgeschwindigkeit (BSG) bzw. C - reaktives Protein (CRP) und Patientenbeurtei-
lung der Krankheitsaktivität mittels visueller Analogskala von 1 bis 10 (VAS) mit
dargestellter Formel berechnet:

Abbildung 1 Berechnung des DAS 28

DAS28=0.56 x √(TJC) + 0.28 x √(SJC) + 0.70 x ln(BSG) + 0.014 x VAS

Die Auswertung der errechneten Werte mit anschließender Tabelle berücksichtigt die
Einteilung der Krankheitsaktivität entsprechend der DAS 28 Bewertung in mäßig
aktiv, aktiv und sehr aktiv sowie das Ansprechen der Therapie bzw. Verbesserung
der Krankheitsaktivität gemäß den EULAR Response Kriterien: gute, mäßige und
keine Verbesserung [46]. Eine niedrige Krankheitsaktivität liegt bei Werten > 2,6
und < 3,2 vor, eine mittlere Krankheitsaktivität bei Werten zwischen > 3,2 und < 5,1,
bei Werten > 5,1 geht man von einer hohen Krankheitsaktivität aus. Der Patient be-
findet sich in Remission bei einem Wert < 2,6.

Tabelle 4 EULAR Response Kriterien

Aktueller DAS 28          DAS 28 Verbesserung zum Ausgangswert
                         > 1,2                 0,6 - 1,2             < 0,6
 < 3,2                    gute Verbesserung    mäßige Verbesserung   keine Verbesserung

 3,2 - 5,1               mäßige Verbesserung   mäßige Verbesserung   keine Verbesserung

 > 5,1                  mäßige Verbesserung     keine Verbesserung   keine Verbesserung
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