Ökologische und faire Wertschöpfung - Biore.ch

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Ökologische und faire Wertschöpfung - Biore.ch
# 9 | 21. S E P T E M B E R 2 0 2 0 | C H F 19. 8 0
                                                            TE X TILRE VUE.CH

                                                                       Ökologische
                                                                       und faire
                                                                       Wertschöpfung
                                                                       D I E Z I E L E , D I E P L AY E R ,
                                                                       DIE HER AUSFORDERUNGEN,
                                                                       DIE ERRUNGENSCHAFTEN

   SWISS MADE – FRILO AG                          STORE DESIGN 2020                                                  AUSGEL AGERT
P OR T R ÄT E I N E R DE R L E T Z T E N       E MO T ION , E R L E BN I S U N D                            P RODU K T IONS S TÄT T E N VON
S T R IC K E R E I E N DE R S C H W E I Z   T E C H NOL O GI E I M L A DE N BAU                              S C H W E I Z E R N I M AUS L A N D
Ökologische und faire Wertschöpfung - Biore.ch
inhalt

 AKTUELL

Branche6                                                                Event60
   Die wichtigsten News und Themen rund um Mode,                            Der Start der Upcycling-Kampagne von Miele, «Same
Textilien, Handel, Vertrieb und Retail.                                  Shirt Different», wurde in der Villa Nomad gefeiert.

Business10                                                              Nachgefragt64
   Zahlen und Daten aus dem Markt.                                          Neonyt-Chef Thimo Schwenzfeier hat geantwortet.

Fokus16                                                                    
   Die ökologische Wertschöpfungskette steht beim                         TRENDS

neu ins Leben gerufenen Programm «Sustainable
Textiles Switzerland 2030» im Mittelpunkt.                               Aufgefallen14
                                                                             Inspirierende Namen aus dem Modekosmos,
Strategie18                                                             die es zu kennen lohnt.
    Georg Dieners von Oeko-Tex über die
Zertifizierung von unbedenklich und sozial                               Store Design 2020 – Vol.2                      42
­verantwortlich hergestellten Textilien und Leder.                          Diese Geschäfte trotzen schwierigen Zeiten
                                                                         und haben seit Juni 2020 ihre Tore geöffnet.

 STORYS

                                                                          SERVICE

Industry Job                                         12
    Sustainability Managerin Anna Vetsch über                            Who Is Who 62
­nachhaltige Lieferketten und Wissensvermittlung.
                                                                         Impressum63
Swiss Made                                           20
    Eine der letzten Strickereien der Schweiz,
die Frilo AG in Huttwil, wird in dritter Generation
erfolgreich geführt. Ein Porträt.

Produktion24
   Schweizer, die im Ausland eine eigene Produktion
aufgebaut haben, über Erfolge und Herausforderungen.

Nachhaltigkeit30
   Unterstützt Covid-19 die Bemühungen von
Unternehmen, ecofaire Businessmodelle zu
implementieren? Eine Bestandsaufnahme.

Industrie34
    Unsichere Arbeitsbedingungen in den Produktions-
ländern zeigen die Schattenseiten der Modeindustrie
auf und werden durch die Coronakrise noch verstärkt.

                                                                                                       Cover

                                                                                                Armedangels
                                                                                          Bild: Vitali Gelwich

                                                                                         Vision Active Group
                                                                                           Satixx Clothing AG
                                                                                               Alpenstrasse 3
                                                                                               8152 Glattpark
                                                                                              Jolanda Guardia
                                                                                         j.guardia@satixx.ch
                                                                                            vision-active.com
                                                                                            armedangels.com

09/20                                                      textilrevue                                                        5
Ökologische und faire Wertschöpfung - Biore.ch
nachhaltigkeit

Jetzt erst
recht!
Dem Trend zu mehr Nachhaltigkeit in der
Modebranche scheint die Coronakrise
kaum etwas anhaben zu können. Im
Gegenteil: Das Bewusstsein wächst, dass
der Gleichklang aus Ökologie, sozialer
Fairness und Wirtschaftlichkeit die
Basis eines jeden Business bilden muss.
Eine Bestandesaufnahme.
 TEXT STEFANIE HÜTZ

30                            textilrevue     09/20
Ökologische und faire Wertschöpfung - Biore.ch
nachhaltigkeit

Schon seit vielen Jahren
eine feste Grösse im
Bereich ecofaire Mode:
die deutsche Marke
Lanius. Bild aus der
kommenden Kollektion für
Frühling/Sommer 2021.

Marie-Claire Daveu, im Vorstand des Kering-Konzerns (u.a.         schon vorher vor allem profitorientiert handelten, sind auch
Gucci und Saint Laurent) für Nachhaltigkeit zuständig, hat        jetzt jene, die Aufträge stornieren, Ware verbrennen und
der Zeitung «Die Zeit» unlängst ein spannendes Interview          nur nach dem Preis entscheiden.»
gegeben. Was die Coronakrise mit den Konsumenten ge-
macht hat, wurde sie darin gefragt. Ihre Antwort: «Unsere             Solidarität ist ein Schlüssel
Kunden wollen zunehmend wissen, wie wir es mit dem                «Die Pandemie brachte aber auch viel Solidarität», unter-
Klimawandel, der Biodiversität und den Arbeitsbedingun-           streicht Sanaz Wasser, Co-Owner & Designer des Schweizer
gen in unseren Lieferketten halten. Corona verstärkt diesen       Ethical & Vegan-Fashion-Brands Sanikai. Auch hier wurde
Trend. Jeder weiss jetzt, dass die Zerstörung der Natur und       Zusammenhalt gross geschrieben: «Wir haben im Früh-
schlechte Arbeitsbedingungen auch zu höheren Epidemie-            jahr bis einschliesslich April auf Wunsch alles, was noch
risiken führen können.» CEO François-Henri Pinault, so            nicht produziert war, zugunsten unserer Handelspartner
berichtet sie, erachte Nachhaltigkeit als «alternativlos». Was    storniert und die Vorauszahlung retourniert. Die Shop-­
also unternimmt der Konzern konkret? Bereits 2013 wurde           Betreiber haben dieses Angebot dankbar angenommen. Auf
die ökologische Ge­w inn-und-Ver­lust-Rech­nung eingeführt,       die Lancierung neuer Modelle verzichten wir aktuell und
mit der die Kosten sämtlicher verursachter Umweltschäden          haben statt einer neuen Kollektion ein Buch kreiert. Der
inklusive CO₂-Emissionen ermittelt werden – um sie gezielt        Titel: ‹Der Wert unserer Textilien›»
verringern zu können. Eine Art der Buchführung, die man               Auch das Schweizer Garn- und Bekleidungsunterneh-
anderen Marken frei im Netz zur Verfügung stellt. Rund            men Remei AG setzt auf «das Miteinander als Schlüssel» –
um die Entwicklung innovativer Materialien kooperiert             mit positiver Resonanz: «Wir durften die sehr motivierende
Kering mit 119 Start-ups, darunter ein junges Unter-              Erfahrung machen, dass die Aufmerksamkeit für die
nehmen, das Cellulose- und Polyester-Fasern alter Stoffe          Lösungen, die Remei unter der Marke BioRe bietet, seit
voneinander trennt – um wieder neue daraus fertigen zu            dem vergangenen Jahr spürbar wächst», freut sich Co-CEO
können. «Ich glaube sehr an die Kreislaufwirtschaft», sagt        Marion Röttges. Mit Lösungen meint sie das Gesamtpaket
Marie-Claire Daveu.                                               aus ökologischer Produktion, vollständiger Transparenz,
                                                                  kompletter CO₂-Kompensation, Abnahmegarantien und
    Es gibt noch viel zu tun                                      Prämien für Kleinbauern sowie fairem Handel oder anders
Keine Frage: «Die Modebranche hat weltweit gesehen noch           ausgedrückt: Verantwortung von der Biobaumwollfaser bis
immer einiges an Nachholbedarf», weiss Nina Bachmann,             zum fertigen Textil.
Leiterin Technologie und Umwelt bei Swiss Textiles, und               Die nachhaltig ausgerichteten Modelabel LangerChen
verschweigt die Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirk-              und Lanius haben zu Beginn der Krise die Allianz #Fair-
lichkeit nicht: «In der Hochphase des Pandemie-Lockdowns          FashionSolidarity mitgegründet, die schon nach kurzer
wollte oder konnte kaum einer Verantwortung für nicht             Zeit mehr als 250 Unterzeichnende aus der Branche zählte.
verkaufte Ware übernehmen und so hat es schlussendlich            Gemäss Manifest «Covid-19 is a virus, fair fashion is a
die Akteure am Anfang der Lieferkette am meisten ge-              movement. So let’s keep on moving – together» kamen
troffen.» Hemdenspezialist Olymp zählte zu den positiven          Marken dem Handel mit einer Verlängerung der Zahlungs-
Ausnahmen und nahm seinen Zulieferern alles ab, was               ziele oder Ratenzahlungen entgegen, soweit es die eigene
bestellt war. «Infolge der mehrwöchigen Ladenschliessun-          Liquidität zuliess. Sie sagten zu, die Sommerkollektion
gen haben die Wareneingänge allerdings rasch unsere               2021 so zu gestalten, dass sie auf der Aktuellen aufbaut
bestehenden Lagerkapazitäten überschritten, weshalb wir           und Warenüberhänge somit übernommen werden können.
auf die Anmietung zusätzlicher Lagerflächen zurückgreifen         Gleichzeitig war der Handel aufgerufen, erst so spät wie
mussten», verdeutlicht Mark Bezner, Geschäftsführender            möglich zu reduzieren. «Das hat allen geholfen. Wir muss-
Gesellschafter, die kostspieligen, aber bewusst in Kauf ge-       ten keine nennenswerten Zahlungsausfälle verbuchen»,
nommenen Folgen. Rebekka Sommerhalder, Geschäftsfüh-              freut sich Philipp Langer, Geschäftsführer von Langer-
rerin von Glore Schweiz mit Eco-Concept-Stores in Zürich          Chen, der glaubt, dass «die angekündigte Insolvenzwelle
und Luzern, fasst das Marktgeschehen plakativ zusammen:           weniger Nischen wie Fair Fashion, sondern eher den stark
«Brands, bei denen Nachhaltigkeit schon vorher zur DNA            vergleichbaren Handel treffen wird.» Annabelle Homann,
gehörte, machen umso konsequenter weiter. Marken, die             Head of Marketing bei Lanius, unterstreicht: «Die Corona-

09/20                                                      textilrevue                                                      31
Ökologische und faire Wertschöpfung - Biore.ch
nachhaltigkeit

                                          — Das Konsum-                                                    — Wir glauben an die
                                          verhalten hat eine                                               Kraft des Wissens-
                                          ­Entschleunigung                                                 austauschs. —
                                           ­erlebt. —                                                      MARTINE NIEUWENHUIS, MITGRÜNDERIN
                                                                                                           GOOD BR AND GURU

                                          S A N A Z U N D K A I WA S S E R , G R Ü N D E R S A N I K A I

Pandemie hat uns gezeigt, dass Lanius ein hohes Mass an                               der Tommy-Hilfiger-Designer seien bereits in zirkulären
Krisensicherheit besitzt und nachhaltige Slow Fashion die                             Designstrategien geschult. Eine Partnerschaft mit WWF
Zukunft der Mode ist. Wir gehen gestärkt aus der Krise                                wurde geschlossen, um sich der Wasserknappheit in den
hervor.» Ähnlich die Erkenntnis von Detailhändlerin                                   strategischen Wertschöpfungsketten zu widmen.
­Rebekka Sommerhalder: «Die Konsumentinnen zeigen
 grosse Loyalität. Wir haben während des Lockdowns                                        Nur kurzfristig weniger Investitionen
 ­extrem viel Zuspruch erhalten.»                                                     Das Team von Good Brand Guru, einer in der Schweiz
                                                                                      ansässigen Netzwerkorganisation, die die Branche nach-
    Branche bleibt am Ball                                                            haltiger und sozialer machen will, hört im Rahmen seiner
Welche Branchenexperten auch immer man aktuell be-                                    runden Tische von vielen vergleichbaren Erfahrungen:
fragt, der Tenor ist weitgehend einheitlich. Nina Bachmann                            «Es gibt immer mehr Verbraucher, insbesondere unter den
bestätigt: «Es ist erfreulich, dass viele, insbesondere auch                          jüngeren Generationen, die versuchen, anders zu konsu-
grosse Modebrands trotz der wirtschaftlich schwierigen                                mieren. Sie kaufen bei Marken, denen sie vertrauen – und
Situation ihre Nachhaltigkeitsbestrebungen zumindest                                  sind ihnen treu. Für viele Unternehmen wird daher immer
offiziell nicht gestrichen, sondern nach dem Motto ‹Jetzt                             deutlicher, dass Nachhaltigkeit kein vorübergehender
erst recht› weitergetrieben haben.» Beispiel eins ist                                 Trend ist, sondern bleibt, und dass sie es sich nicht mehr
Timberland: «Wir engagieren uns bereits seit Jahrzehnten                              leisten können, tatenlos zuzusehen», so Mitgründerin Mar-
stark im Bereich Nachhaltigkeit, indem wir unseren öko-                               tine Nieuwenhuis. Apropos leisten können: Nieuwenhuis
logischen Fussabdruck durch Innovationen verringern.                                  ist bewusst, dass «der aktuelle finanzielle Druck kurzfris-
Nun gehen wir noch einen Schritt weiter: Bis 2030 wollen                              tig eine Bedrohung für Investitionen in ökologische und
wir netto positiv sein. 100 Prozent der Produkte, die wir                             soziale Nachhaltigkeit darstellt». Nina Bachmann sieht das
entwickeln, sollen dann kreislauffähig sein und sämtliche                             ebenso und verweist darauf, dass auch der ökonomische
Materialien aus regenerativer Landwirtschaft stammen»,                                Faktor als eine der drei Säulen der Nachhaltigkeit ausge-
kündigt Sustainability & Responsibility Manager EMEA,                                 wogen in Strategiepläne miteinbezogen werden muss. «Wir
Elisabetta Baronio, an. Zweites Beispiel ist Tommy Hilfiger.                          sind aber gleichzeitig davon überzeugt, dass Nachhaltig-
Mit der Vision «Waste nothing and welcome all» stellte die                            keit unseren Unternehmen eine riesige Chance bietet und
Marke Ende August ihr Nachhaltigkeitsprogamm «Make it                                 zwingend die Grundlage von neuen Geschäftsmodellen
possible» vor und setzt sich damit bis 2030 insgesamt 24                              sein muss. Unsere Rolle als Verband sehen wir darin, die-
auf Zirkularität und Inklusion basierte Ziele. 80 Prozent                             sen Weg zu unterstützen.»

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Ökologische und faire Wertschöpfung - Biore.ch
nachhaltigkeit

— Corona hat uns                                                  — Ich glaube, dass                                                              — Covid-19 hat die
gezeigt, dass                                                     die Insolvenzwelle                                                            ­Defizite globaler
Lanius ein hohes                                                  Nischen wie Fair                                                               ­Supply Chains
Mass an Krisen­                                                   Fashion weniger                                                                 deutlich aufgezeigt. —
festigkeit ­besitzt.—                                             treffen wird. —                                                               M A R I O N R O E T T G E S , C O - C E O R E M E I AG

ANNABELLE HOMANN, HEAD OF MARKETING L ANIUS                       PHILIPP L ANGER, GESCHÄFTSFÜHRER L ANGERCHEN

— Wir wollen Teil                                                 — Erfreulich viele                                                            — Wir haben während
der Lösung des                                                    Unternehmen halten                                                            des Lockdowns
Klimawandels                                                      trotz des finanziel­                                                          extrem viel
werden und nicht                                                  len Drucks an ihren                                                           Zuspruch erfahren. —
des Problems. —                                                   Nachhaltigkeits­                                                              REBEKK A SOMMERHALDER , GESCHÄF TSFÜHRERIN GLORE

E L I S A B E T TA B A R O N I O , S U S TA I N A B I L I T Y &
RESP ONSIBILIT Y MANAGER EME A TIMBERL AND                        bestrebungen fest. —
                                                                  N I N A B AC H M A N N , L E I T E R I N T E C H N O L O G I E & U M W E LT
                                                                  SWISS TEXTILES

09/20                                                                                            textilrevue                                                                                             33
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