Kommunikation & - Uni Bielefeld

Die Seite wird erstellt Moritz Seeger
 
WEITER LESEN
Kommunikation
      &Recht
      Betriebs-Berater für
        Medien Telekommunikation Multimedia
      Herausgegeben von:
      Prof. Dr. Heinrich Amadeus Wolff, Thorsten Feldmann, Kerstin Gießübel, Dr. David Jahn

                                   K&R

      19. @kit-Kongress –
      9. Forum „Kommunikation & Recht“

                                         Digital-Veranstaltung vom
                                         18. – 19. März 2021

                                    ·

KuR_06_21_Beilage_2_21_U1.indd 1                                                       20.05.2021 15:23:40
K &R        Beilage 1 zu Heft 6/2021                                 Schrader, Mindesthaltbarkeit smarter Produkte                     11
diesem Beitrag betrachteten Bestimmungen zu Beschwerde-         Opfer.68 Eine hçhere Transparenz ermçglicht sowohl ge-
mechanismen und zur unabhngigen Streitbeilegung. Auch          sellschaftlichen Druck zur Beseitigung von Missstnden69
der im Entwurf vorgeschlagene Risikomanagement-Ansatz           als auch die knftige Entwicklung passgenauerer Regulie-
bedarf noch weiteren Feinschliffs.                              rungsinstrumente.
Unbedingt sollten im Gesetzgebungsprozess die zentralen
Begriffe der „Anbieter von Vermittlungsdiensten“ und
„Online-Plattform“ sowie der Adressatenkreis der Sorg-          68 Horwitz/Seetharaman, Facebook Executives Shut Down Efforts to Make
                                                                   the Site Less Divisive, Wall Street Journal, 26. 5. 2020, https://www.wsj.
faltspflichten korrigiert werden. So ist beispielsweise nicht      com/articles/facebook-knows-it-encourages-division-top-executives-nixe
nachvollziehbar, weshalb sich sowohl die Regeln zur Streit-        d-solutions-11590507499; Hao, We read the paper that forced Timnit
beilegung als auch die Risikomanagementpflichten nur an            Gebru out of Google. Here’s what it says., MIT Technology Review, 4. 12.
                                                                   2020, https://www.technologyreview.com/2020/12/04/1013294/google-ai
Host Provider richten und damit u. a. den bedeutsamen              -ethics-research-paper-forced-out-timnit-gebru/; Hao, How Facebook got
Werbe- und Informationsmittler Google nicht erfassen. Zu           addicted to spreading misinformation, MIT Technology Review, 11. 3.
befrworten sind die Bestrebungen der Europischen Kom-            2021, https://www.technologyreview.com/2021/03/11/1020600/face
mission, die bislang weitgehend im Verborgenden liegen-            book-responsible-ai-misinformation.
                                                                69 Zur Bedeutung gesellschaftlichen Drucks siehe Roose, In Pulling
den Prozesse sehr großer Diensteanbieter einer strkeren           Trump’s Megaphone, Twitter Shows Where Power Now Lies, 9. 1.
gesellschaftlichen Kontrolle zu unterziehen. Die von dem           2021, https://www.nytimes.com/2021/01/09/technology/trump-twitter-
Verordnungsentwurf vorgesehene Risikobewertung neh-                ban.html; Perez, Facebook denies its algorithms are a problem, but
men bedeutsame Diensteanbieter bereits zum gegenwrti-             launches a tool to more easily view a non-algorithmic News Feed,
                                                                   31. 3. 2021, https://techcrunch.com/2021/03/31/facebook-denies-its-algo
gen Zeitpunkt durchaus intern vor, doch fallen Strategien          rithms-are-a-problem-but-launches-a-tool-to-more-easily-view-a-non-al
der Risikominimierung oftmals dem Gewinnstreben zum                gorithmic-news-feed.

Prof. Dr. Paul T. Schrader, LL.M.oec.*

Mindesthaltbarkeit smarter Produkte
                                                                schleiß der Hardware, sondern auch durch die Funktions-
 Kurz und Knapp                                                 fhigkeit der Software bestimmt. Bislang ist der Kaufver-
 Die Haltbarkeit von Produkten wird durch die Einstands-        trag der Hardware von dem Vertrag ber die Erbringung
 pflicht des Verkufers maßgeblich beeinflusst. Whrend         digitaler Dienste unabhngig. Insbesondere bestehen keine
 der Gewhrleistungsfrist wird dem Verkufer das Risiko         zwingenden Regelungen fr ein Gewhrleistungssystem bei
 eines auftretenden Mangels zugewiesen, flankiert mit           der Erbringung digitaler Dienste. Von der kaufvertraglichen
 einer teilweisen Beweislastumkehr. Smarte Produkte             Pflicht sind die von Dritten zu erbringenden digitalen Ele-
 weisen die Besonderheit auf, dass die Funktionen der           mente i. d. R. nicht erfasst.
 Kaufsache von digitalen Elementen – oftmals bereitge-          Die EU hat im Mai 2019 zwei Richtlinien verabschiedet:
 stellt durch Dritte – abhngig sind. Fr diese Elemente        Die Eine, die ein zwingendes Gewhrleistungssystem fr
 hat der Verkufer knftig ebenfalls einzustehen, was die       die Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleis-
 Haltbarkeit von smarten Produkten zumindest im Nor-            tungen („Digitale Inhalte“-Richtlinie, (EU) 2019/770) vor-
 malfall auf zwei Jahre sicherstellen sollte.                   sieht, die Andere, die bestimmte vertragsrechtliche Aspekte
                                                                des Warenkaufs, insbesondere Waren mit digitalen Elemen-
                                                                ten, regelt (Warenkaufrichtlinie, (EU) 2019/771).2 Beide
I. Problemstellung und Lçsungsansatz                            Richtlinien erfassen nur B2C-Vertrge, sind damit reines
   in der Rechtsentwicklung                                     Verbraucherschutzrecht.3 Sie verfolgen einen vollharmo-
                                                                nisierenden Ansatz.4 Die umgesetzten Regeln des nationa-
Das traditionelle Kaufrecht zeichnet sich durch ein singu-      len Rechts sind fr Vertrge anzuwenden, die ab 1. 1. 2022
lres Leistungsaustauschverhltnis aus. Der Verkufer           geschlossen werden.5
schuldet die Lieferung einer im Zeitpunkt des Gefahrber-
gangs mangelfreien Sache. Der Verkufer haftet fr Mngel       Die der Richtlinienumsetzung dienenden geplanten BGB-
der Kaufsache, die bereits bei Gefahrbergang vorhanden         Neuregelungen des „Verkaufs von Sachen mit digitalen
waren und sich whrend der Gewhrleistungsfrist zeigen,         Elementen“6 sowie der „Bereitstellung digitaler Inhalte
wobei zugunsten von Verbrauchern derzeit eine sechsmo-
                                                                 * Mehr ber den Autor erfahren Sie auf S. 60.
natige Beweislastumkehr gilt, § 477 BGB.                         1 Vgl. ErwGr 14 f. Warenkauf-RL mit weiteren Bsp.
                                                                 2 Ferner wird durch die Warenkauf-RL die bekannte Verbrauchsgterkauf-
Smarte Produkte erfllen Funktionen, fr deren Realisie-           RL (1999/44/EG) aufgehoben, Art. 23 Warenkauf-RL.
rung zustzlich zur Ware selbst (Hardware) auch noch             3 Fr das Bedrfnis einer Regelung bei B2B-Vertrgen, Kupfer/Weiß, ZVer-
digitale Elemente (Software) erforderlich sind. Diese wer-         triebsR 2021, 21, 23; zur unterschiedlichen Behandlung von B2B und B2C
den oft nicht vom Verkufer, sondern von Dritten erbracht.         auch kritisch, vgl. Stellungnahme i. R. d. Gesetzgebungsverfahrens durch
                                                                   den ADAC, zu §§ 475b ff. BGB-E, S. 3.
Beispiele sind Fitnessarmbnder, intelligente Armbanduh-         4 Art. 4 Warenkauf-RL; Art. 4 Digitale-Inhalte-RL.
ren (smart watches), Navigationsgerte, Mobiltelefone aber       5 Art. 24 Abs. 1 S. 2 Warenkauf-RL; Art. 24 Abs. 1 S. 2 Digitale-Inhalte-RL.
auch teilweise Kraftfahrzeuge.1 Durch die funktionelle Ver-      6 Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen
                                                                   und anderer Aspekte des Kaufvertrags (RegE (Warenkauf vom 9. 3. 2021,
bindung der Software mit der Hardware wird die Haltbar-            BT-Drs. 19/27424)), zur Umsetzung der RL (EU) 2019/771 ber bestimm-
keit smarter Produkte hufig nicht bloß durch den Ver-             te vertragsrechtliche Aspekte des Warenkaufs (ABl. L 136 S. 28).
12      Schrader, Mindesthaltbarkeit smarter Produkte                                     Beilage 1 zu Heft 6/2021               K &R

und digitaler Dienstleistungen“7 beschrnken sich auf eine     BGB-E geknpft. Danach muss der Verbraucher von der
1:1-Umsetzung der Richtlinien.8 Daher erfassen diese Re-       Abweichung eines Merkmals der Kaufsache von den ob-
gelungen auch in der Umsetzung in nationales Recht aus-        jektiven Anforderungen zuvor in Kenntnis gesetzt worden
schließlich Verbrauchervertrge. In diesem Rahmen wer-         sein (Nr. 1) und die Abweichung „im Vertrag ausdrcklich
den in den §§ 327, 327a-u BGB-E die Regelungen bzgl. der       und gesondert vereinbart“ werden (Nr. 2).16
Vertrge ber digitale Produkte und hauptschlich in den
§§ 475b ff. BGB-E die Regelungen ber Sachen mit digi-         b) Haltbarkeit als objektive Anforderung an die Kaufsache
talen Elementen (sog. „smarte Produkte“) eingefgt sowie       Zu den objektiven Anforderungen gehçren gemß § 434
die §§ 434 ff. BGB ergnzt.                                    Abs. 3 S. 2 BGB-E neben Menge und Qualitt auch „sons-
                                                               tige Merkmale der Sache, einschließlich ihrer Haltbarkeit,
II. Regelungen zur Mindesthaltbarkeit                          Funktionalitt, Kompatibilitt und Sicherheit“. Das Erfor-
    von Kaufsachen                                             dernis der Haltbarkeit der Sache stammt aus Art. 7 Abs. 1
Haltbarkeit einer Sache bedeutet, dass die Funktionen und      lit. d Warenkauf-RL. Der Begriff der Haltbarkeit wird in
Leistungen einer Sache bei normaler Verwendung ber eine       Art. 2 Nr. 13 Warenkauf-RL als „die Fhigkeit der Waren
Zeitspanne hinweg erhalten bleiben.9 Ob der Verlust der        ihre erforderlichen Funktionen und ihre Leistung bei nor-
Funktionsfhigkeit einer Sache zu Gewhrleistungsrechten       maler Verwendung zu behalten“, definiert. In der Gesetzes-
des Kufers fhrt, hngt maßgeblich von zwei Faktoren ab:      begrndung des geplanten Umsetzungsaktes wird dazu aus-
Die fehlende Haltbarkeit muss 1. einen Mangel darstellen       gefhrt, dass mit § 434 Abs. 3 S. 2 BGB-E beabsichtigt ist,
und 2. im maßgeblichen Zeitpunkt vorliegen.                    „dass der Verkufer dafr einzustehen hat, dass die Sache
                                                               zum Zeitpunkt des Gefahrbergangs die Fhigkeit hat, ihre
1. de lege lata                                                erforderlichen Funktionen und ihre Leistung bei normaler
Gemß § 434 Abs. 1 S. 1 BGB muss der Mangel bereits bei        Verwendung zu behalten“.17 Ausdrcklich soll damit aber
Gefahrbergang vorgelegen haben, damit Gewhrleistungs-        „keine gesetzliche Haltbarkeitsgarantie“ begrndet werden,
ansprche des Kufers bestehen. Es gengt nicht, dass der      d. h., der Verkufer haftet „nicht dafr, dass die Sache
Mangel (whrend der Gewhrleistungsfrist) nach Gefahr-         tatschlich ihre erforderlichen Funktionen und ihre Leis-
bergang auftritt. Hierfr hilft allerdings bei Verbraucher-   tung bei normaler Verwendung behlt“.18
vertrgen die Beweislastumkehr gem. § 477 BGB, wonach
vermutet wird, dass der Mangel bereits bei Gefahrbergang      c) Gefahrbergang weiterhin Zeitpunkt fr das Vorliegen
vorlag, wenn sich der Mangel innerhalb von sechs Monaten          des sich whrend der Gewhrleistungsfrist zeigenden
nach Gefahrbergang zeigt.10 Wegen des gebotenen weiten           Mangels
Verstndnisses der auf Art. 5 Abs. 3 Verbrauchsgterkauf-      Fr die Sachmngelhaftung bleibt vielmehr weiterhin der
RL zurckgehenden Vermutungsregel11 kann man insoweit          Zeitpunkt des Gefahrbergangs maßgeblich: Zu diesem
von einer faktischen Haltbarkeitsgarantie whrend der Be-      Zeitpunkt (Gefahrbergang) muss die Sache „die Fhig-
weislastumkehr ausgehen.12                                     keit“ aufweisen, dass die Sache ihre erforderlichen Funk-
Schwierig erweist sich nach derzeitiger Rechtslage aller-      tionen und ihre Leistung bei normaler Verwendung behlt,
dings die Bestimmung der kaufgewhrleistungsrechtlich          um das Erfordernis der „Haltbarkeit“ zu erfllen.19 Im
relevanten Anforderungen an die Haltbarkeit einer Kauf-        Hinblick auf den Sachmangelbegriff wird dies noch einiger
sache. Freilich kçnnen die Kaufvertragsparteien eine Be-       Konkretisierung im Einzelfall (vor allem in der Rechtspre-
schaffenheit vereinbaren, die einen Zustand beschreibt, der    chung) erfordern. Eine Sache erfllt das (objektive) Erfor-
es erforderlich macht, dass die Funktionen der Kaufsache       dernis der Haltbarkeit jedenfalls dann nicht, wenn die Sache
auch nach Gefahrbergang erhalten bleiben. Allerdings          (bspw. wegen qualitativer Einschrnkungen) nicht die F-
sind solche Vereinbarungen der Beschaffenheit ebenso sel-      higkeit hat, die „erforderlichen Funktionen und ihre Leis-
ten wie Abreden zum Verwendungszweck.13 Bei der man-           tung bei normaler Verwendung zu behalten“. Hierfr trgt
gels Abrede verbleibenden Variante der Bestimmung des          bekanntlich der Verkufer bereits derzeit die Beweislast fr
Mangels anhand der blichen Beschaffenheit, die der Ku-       die ersten sechs Monate ab Gefahrbergang (§ 477 BGB).
fer nach der Art der Sache erwarten kann (§ 434 Abs. 1 S. 2    Dieser Zeitraum wird knftig ein Jahr ab Gefahrbergang
Nr. 2 BGB), stellt sich das Problem, dass es schlicht an
                                                                7 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie ber bestimmte vertragsrechtliche
(objektiven) Erfahrungswerten und festgelegten Kriterien          Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen
fr diese objektive Kufererwartung im Hinblick auf die           (RegE (Digitale Inhalte vom 17. 3. 2021, BT-Drs. 19/27653)): betrifft die
Haltbarkeit von Waren fehlt.                                      RL (EU) 2019/770 (ABl. L 136 S. 1).
                                                                8 Die 1:1-Umsetzung von EU-Vorhaben geht auf eine Vereinbarung im
                                                                  Koalitionsvertrag der CDU, CSU und SPD zurck, Begr. zu Nr. 7 (§§ 475b
2. Ab 1. 1. 2022 nach Umsetzung der Warenkauf-RL                  bis 475e BGB-E), BT-Drs. 19/27424, S. 30.
                                                                9 Begr. zu § 434 Abs. 3 BGB-E, BT-Drs. 19/27424, S. 24 sowie Art. 2 Nr. 13
a) Gleichwertige objektive und subjektive Anforderungen           Warenkauf-RL.
    an die Kaufsache                                           10 Faust, in: BeckOK BGB, 56. Ed. Stand: 1. 11. 2020, BGB, § 477 Rn. 9 f.
                                                               11 EuGH, 4. 6. 2015 – C-497/13, NJW 2015, 2237, 2240 f. Rn. 69 ff. – Faber.
Mit der Umsetzung der Warenkauf-RL wird das zuvor              12 Bach/Wçbbeking, NJW 2020, 2672, 2673, Rn. 11.
geltende (und ins BGB europarechtlich zweifelhaft umge-        13 Bach/Wçbbeking, NJW 2020, 2672, 2673 f., Rn. 13, 14.
                                                               14 Faust, in: BeckOK BGB (Fn. 10), § 434 Rn. 48 ff. m. w. N.
setzte)14 Stufenverhltnis zwischen subjektiven und objek-     15 Dieses Stufenverhltnis wird wegen der klaren Regelung in Art. 7 Abs. 1
tiven Beschaffenheitsanforderungen an die Kaufsache in            Warenkauf-RL aufgegeben, dazu Tonner, VuR 2019, 363, 364; ferner
§ 434 Abs. 1 BGB zumindest fr B2C-Vertrge zugunsten             ErwGr 29 Warenkauf-RL.
gleichrangig ausgestalteter Anforderungen abgelçst, § 434      16 Teilweise als ausufernder Formalismus kritisiert, da die ausdrckliche
                                                                  Vereinbarung individueller Eigenschaften der Kaufsache im Fahrzeug-
Abs. 1 BGB-E.15 Objektive Anforderungen stehen nunmehr            handel der Regelfall sei, vgl. Stellungnahme i. R. d. Gesetzgebungsver-
gleichwertig neben subjektiven (insbesondere vereinbarten)        fahrens durch den Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe e. V.
Anforderungen. Gegenber Verbrauchern ist eine Verein-            (ZDK), S. 1.
                                                               17 Begr. zu § 434 Abs. 3 BGB-E, BT-Drs. 19/27424, S. 24.
barung, mit der von den objektiven Anforderungen abge-         18 Begr. zu § 434 Abs. 3 BGB-E, BT-Drs. 19/27424, S. 24.
wichen wird, an die besondere Form des § 476 Abs. 1 S. 2       19 Begr. zu § 434 Abs. 3 BGB-E, BT-Drs. 19/27424, S. 24.
K &R        Beilage 1 zu Heft 6/2021                                   Schrader, Mindesthaltbarkeit smarter Produkte                     13
betragen, § 477 Abs. 1 BGB-E.20 Mithin trifft den Verku-         dem ein (zwingendes) Gewhrleistungssystem, was dazu
fer ein Jahr nach Gefahrbergang die Beweislast dafr, dass       fhrt, dass blicherweise jegliche Gewhrleistung fr die
die Kaufsache i. d. R. bei der bergabe keinen Mangel auf-        Erbringung dieser Dienste ausgeschlossen wird, was mangels
weist, insbesondere auch keine „Sollbruchstelle“ hat (sog.        eines gesetzlichen Leitbildes i. d. R. auch einer Inhaltskon-
geplante Obsoleszenz). Zeigt sich erst nach Ablauf eines          trolle gem. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB standhlt.28
Jahres whrend der verbleibenden Gewhrleistungsfrist ein         Die Problematik ist seit langem bekannt und vor allem im
Mangel, trgt der Kufer die Beweislast fr die bei Gefahr-       Rahmen der Diskussion um eine Pflicht zur Bereitstellung
bergang nicht vorhandene Haltbarkeit.21 Zeigt sich der           von Updates diskutiert worden.29 Durch fehlende Updates
Mangel erst nach Ablauf der Gewhrleistungsfrist, haftet          reduziert sich die Haltbarkeit des smarten Produktes, weil
der Verkufer nicht mehr.                                         die Funktionsfhigkeit der Softwarekomponente (bspw.
Eine Besonderheit ist die „maßvolle“ Erweiterung der Aus-         wegen nachtrglich auftretender Sicherheitsaspekte) die
schçpfungsmçglichkeiten der Gewhrleistungsfrist durch            Funktionsfhigkeit des gesamten Produkts beeintrchtigt:
die Verschiebung des Verjhrungsfristendes gem. § 475e            Die Aufrechterhaltung der Funktionsfhigkeit der Soft-
Abs. 3 BGB-E. Danach verjhren Gewhrleistungsrechte              warekomponente hngt oft von der Verfgbarkeit von Up-
des Verbrauchers nicht vor Ablauf von zwei Monaten, wenn          dates ab, whrend die Hardware blicherweise nur ver-
sich der Mangel innerhalb der Gewhrleistungsfrist gezeigt        schleißbedingt altert und wesentlich lnger funktionsfhig
hat.22 Damit haftet der Verkufer dem Verbraucher nunmehr         bleibt. Daraus ergibt sich hufig das Problem des software-
whrend des gesamten Gewhrleistungszeitraums und die             bedingt berholenden Veraltens des Produkts.30
Geltendmachung der aus dem Mangel folgenden Rechte ist            Zugespitzt kann es nach derzeitiger Rechtslage dazu kom-
auch noch nach Ablauf des Gewhrleistungszeitraums von            men, dass die gekaufte Hardware mangelfrei ist, weil im
zwei Jahren ab Ablieferung der Sache (§ 438 Abs. 2 BGB)           Zeitpunkt der Ablieferung die Mçglichkeit bestand, ange-
mçglich. Diese Ausdehnung ist auf die Vorgabe des EuGH            kndigte Dienste Dritter auszufhren. Die knftige (auch
zur Auslegung des Art. 5 Abs. 1 Verbrauchsgterkauf-RL            unmittelbar im Anschluss an den Gefahrbergang erfolgen-
zurckzufhren, wonach zwischen einer Haftungsdauer23             de) Einstellung der Dienste des Dritten richtet sich aus-
des Verkufers (S. 1) und der Verjhrungsfrist24 (S. 2) zu        schließlich nach dem Vertragsverhltnis mit diesem Dritten,
unterscheiden sei.25 Diese Unterscheidung ist zwar durch          in dem blicherweise die weitere Bereitstellung in das Be-
Art. 10 Abs. 5 und 6 Warenkauf-RL ausdrcklich aufgegeben         lieben des Dritten gestellt wird. Sind die Dienste allerdings
worden. Dennoch zeigt sich durch die Regelung in § 475            fr die Nutzung der Kaufsache notwendig (z. B. Anmeldung
Abs. 3 BGB-E die gleiche Differenzierung der beiden Fristen       an einem Server mit einem Kundenkonto zur Inbetriebnahme
bei der Gewhrleistungshaftung fr die Sachen mit digitalen       eines Mobiltelefons), verliert die Kaufsache jeden zugedach-
Elementen in abgeschwchter Ausprgung,26 obwohl eine             ten Nutzwert, wenn der Dienst eingestellt wird. Eine Kom-
Unterscheidung zwischen Haftungsdauer und Verjhrungs-            pensation steht dem Kufer wegen der Unabhngigkeit der
frist an sich keinen Eingang in die Regeln des BGB finden         beiden Vertrge weder gegen den Verkufer noch gegen den
sollte.27                                                         (in dem Fall: ehemaligen) Dienstanbieter zu.

III. Gewhrleistungshaftung fr smarte                            2. Ab 1. 1. 2022 nach Umsetzung der Warenkauf-RL
     Produkte                                                     a) Unionsrechtlich vorgegebener Vorrang des Kaufrechts
1. de lege lata                                                   Von der Konzeption der Warenkauf- und Digitale-Inhalte-
                                                                  Richtlinie ist vorgegeben, dass die Regelungen der Waren-
Beim Erwerb „smarter Produkte“ sind i. d. R. die Person des       kauf-RL bei einem Kaufvertrag ber Waren mit digitalen
Verkufers der Hardware und die Person des Bereitstellers
digitaler Dienste im Zusammenhang mit dem Gert nicht             20 Art. 8 Abs. 3 Warenkauf-RL sieht eine optionale Verlngerung auf 2 Jahre
identisch. Daher verlief bisher auch die Gewhrleistungs-            vor; im Detail hierzu Wilke, BB 2019, 2434, 2439.
haftung unabhngig voneinander:                                   21 Dies folgt aus § 363 BGB, wonach denjenigen, der eine Leistung als
                                                                     Erfllung angenommen hat, die Beweislast trifft, dass die Leistung bei
Der Verkufer haftet fr die vertraglich vereinbarten bzw.           Gefahrenbergang mangelhaft war, Fetzer, in: MKoBGB, 8. Aufl. 2019,
objektiv zu erwartenden Funktionen der Kaufsache im Zeit-            BGB, § 363 Rn. 2.
                                                                  22 Fr eine Ausweitung von zwei auf drei Monaten spricht sich der Ausschuss
punkt des Gefahrbergangs. Zu diesem Zeitpunkt mssen die            fr Agrarpolitik und Verbraucherschutz des Bundesrats aus, vgl. Emp-
„smarten“ Eigenschaften der Kaufsache vorliegen. Meist               fehlung der Ausschsse des Bundesrats zum Entwurf eines Gesetzes zur
wird jedoch nicht einmal vereinbart, dass die Eigenschaften          Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer
                                                                     Aspekte des Kaufvertrags vom 16. 3. 2021, BR-Drs. 146/1/21, S. 11.
der Kaufsache tatschlich funktionieren, wenn diese von der       23 Innerhalb der Haftungsdauer muss die Vertragswidrigkeit auftreten.
Erbringung eines Dienstes eines Dritten abhngen, sondern         24 Innerhalb der Verjhrungsfrist muss der Verbraucher seine (whrend der
lediglich, dass die Mçglichkeit besteht, mit einem Dritten           Haftungsdauer entstandenen) Rechte tatschlich ausben (kçnnen).
                                                                  25 EuGH, 13. 7. 2017 – C-133/16, DAR 2018, 254 – Ferenschild (Vorlage
einen Vertrag ber die Nutzung von Diensten abzuschließen,           eines belgischen Gerichts).
mit denen (bspw. in der Werbung) angekndigte Funktionen          26 Schrader, NZV 2021, 67, 69 f.
der Kaufsache nutzbar sind. Der Verkufer schuldet daher          27 Begr. zu § 475e BGB-E, BT-Drs. 19/27424, S. 39: keine Einfhrung einer
                                                                     gesonderten Gewhrleistungsfrist, sondern bloß einer Verjhrungsfrist,
allenfalls eine funktionierende Hardware und das Bestehen            deren Ende jedoch gem. § 475e Abs. 1 BGB-E aufgeschoben wird.
der Mçglichkeit (im Zeitpunkt des Gefahrbergangs), Diens-        28 Bei der Prfung einer Vertragsklausel eines Leasingvertrags i. R. d. § 307
te eines Dritten i. R. e. gesonderten Vertragsverhltnisses mit      Abs. 2 Nr. 1 BGB kann das fehlende gesetzliche „Leitbild“ i. S. d. „we-
                                                                     sentlichen Grundgedankens“, von dem abgewichen wird, durch eine Ori-
der gekauften Hardware nutzen zu kçnnen, wobei sich der              entierung an den mietrechtlichen Vorschriften erfolgen, vgl. BGH, 7. 1.
Zeitraum dieser Mçglichkeit (entsprechend dem kaufver-               2004 – VIII ZR 103/03, NJW-RR 2004, 558, 589, was aber bei Vertrgen
traglichen Pflichtenprogramm) auf den Zeitpunkt des Ge-              ber die Bereitstellung digitaler Inhalte i. d. R. nicht mçglich ist.
                                                                  29 Raue, NJW 2017, 1841; Schrader/Engstler, MMR 2018, 356; Wendehorst,
fahrbergangs beschrnkt.                                            in: Stabentheiner/Wendehorst/Zçchling-Jud, Das neue europische Ge-
Der Vertrag mit dem Dritten ber die auf dem gekauften Gert         whrleistungsrecht, 2018, S. 111 ff.; Wiesemann/Mattheis/Wende, MMR
                                                                     2020, 139 (zum Produkthaftungsrecht); Armbrster/Kosich, r+s 2020, 384,
bereitzustellenden Dienstleistungen ist von dem Kaufvertrag          388 ff.
des Gertes unabhngig. Fr diesen Vertragstypus fehlt zu-        30 Vgl. OLG Koblenz, 30. 4. 2009 – 6 U 268/08, BeckRS 2009, 14285.
14      Schrader, Mindesthaltbarkeit smarter Produkte                                        Beilage 1 zu Heft 6/2021                K &R

Elementen vorrangig vor denen der Digitalen-Inhalte-RL             fr den Erhalt38 der Vertragsmßigkeit der Sache erforder-
sind, Art. 2 Nr. 5 lit. b i. V. m. Art. 3 Abs. 3 S. 2 Warenkauf-   lich sind, und der Verbraucher ber diese Aktualisierungen
RL sowie Art. 2 Nr. 3 i. V. m. Art. 3 Abs. 4 Digitale-Inhalte-     informiert“ werden.39 Die Bemessung des Zeitraums er-
RL. Voraussetzung fr den Anwendungsvorrang des Kauf-              folgt ausschließlich objektiv, d. h. die Aktualisierungen sind
rechts ist, dass die digitalen Inhalte oder Dienstleistungen       „whrend des Zeitraums, den er [der Verbraucher] aufgrund
„gemß einem diese Waren betreffenden Kaufvertrag mit              der Art und des Zwecks der Sache und ihrer digitalen
diesen Waren bereitgestellt werden, unabhngig davon, ob           Elemente sowie unter Bercksichtigung der Umstnde
diese digitalen Inhalte oder digitalen Dienstleistungen vom        und der Art des Vertrags erwarten kann“,40 bereitzustellen,
Verkufer oder von einem Dritten bereitgestellt werden“            § 475b Abs. 4 Nr. 2 BGB-E.41 Dadurch wird im Hinblick
und, „dass die Waren ihre Funktionen ohne diese digitalen          auf die Haltbarkeit der Sache mit digitalen Elementen si-
Inhalte oder digitalen Dienstleistungen nicht erfllen kçnn-       chergestellt, dass die veraltete Software weder die Nutzung
ten“. Die unionsrechtlichen Vorgaben beschrnken sich auf          der Sache unsicher macht noch die Haltbarkeitsdauer der
Verbraucherschutzrecht. Der Umsetzungsgesetzgeber ver-             Sache (Hardware) bestimmt (sog. berholendes Veral-
festigt diese Beschrnkung, daher gelten die Gewhrleis-           ten).42 Den Parteien ist die Bestimmungsmacht ber den
tungsregeln fr Waren mit digitalen Elementen ausschließ-          konkreten Zeitraum der Aktualisierungspflicht im Wege
lich im B2C-Bereich.                                               der einfachen Beschaffenheitsvereinbarung entzogen.43

b) Umsetzung: Umfassende Gewhrleistungshaftung des                31 In Art. 2 Nr. 6 lit. b Warenkauf-RL wird dagegen der Begriff „Waren mit
   Verkufers nach Kaufrecht auch fr digitale Elemente               digitalen Elementen“ verwendet. Der nationale Gesetzgeber verwendet
   im B2C-Bereich                                                     den Begriff „Sachen“ sowohl i. R. d. Umsetzung der Warenkauf-RL als
                                                                      auch der Digitalen-Inhalte-RL, um auch unbewegliche Kaufgegenstnde
„Smarte Produkte“ sind nach der Gesetzesterminologie                  zu erfassen, bspw. verbaute Teile von „Smart Home“-Lçsungen oder
                                                                      Heizungen, vgl. Begr. zu § 327a Abs. 2 und 3, BT-Drs. 19/27653, S. 46.
„Sachen mit digitalen Elementen“,31 die sich dadurch kenn-         32 Durch § 475b Abs. 1 BGB-E werden die Vorgaben aus Art. 3 Abs. 3 S. 2
zeichnen, dass (der Verkufer oder blicherweise) ein Drit-           i. V. m. Art. 2 Abs. 5 lit. b Warenkauf-RL umgesetzt und u. a. der Sach-
ter „digitale Elemente bereitstellt“ und die Sache „ihre              mangel einer Sache mit digitalen Elementen geregelt, vgl. Begr. zu § 475b
                                                                      Abs. 1 BGB-E, BT-Drs. 19/27424, S. 30.
Funktionen ohne diese digitalen Inhalte oder digitalen             33 Diese Auslegungsregel wird der Bedeutung des digitalen Elements bei
Dienstleistungen nicht erfllen kann“, § 475b Abs. 1 S. 2             vernetzten Sachen gerecht, bei denen das Eigentum ohne funktionierende
BGB-E.32 Liegt ein Kaufvertrag ber eine Sache mit digi-              Software vollstndig entwertet ist, vgl. Begr. zu § 475b Abs. 1 BGB-E,
                                                                      BT-Drs. 19/27424, S. 31.
talen Elementen vor, wird gemß § 475b Abs. 1 S. 3 BGB-E           34 Spindler/Sein, MMR 2018, 415 f. mit weiteren Details zu digitalen Pro-
vermutet, dass den Verkufer auch die Pflicht zur Bereit-             dukten nach der Digitale-Inhalte-RL.
stellung der digitalen Inhalte und Dienstleistungen trifft.33      35 Begr. Art. 1 Nr. 7 (§§ 475b bis 475e BGB-E), BT-Drs. 19/27424, S. 28
                                                                      sowie Begr. zu § 327a Abs. 3 BGB-E, BT-Drs. 19/27653, S. 47.
Im Verhltnis zwischen Verbraucher und Verkufer gelten            36 Zur Umsetzung der Vorgaben der Warenkauf-RL an die Vertragsmßig-
hinsichtlich der digitalen Produkte, die in dem Kaufgegen-            keit von Waren wird § 434 BGB lediglich angepasst, Begr. zu Nr. 1 (§ 434
stand enthalten sind und gemß dem Kaufvertrag bereitge-              BGB-E), BT-Drs. 19/27424, S. 22. Ein selbststndiges Gewhrleistungs-
                                                                      regime fr Sachen mit digitalen Elementen wird nicht eingefhrt, sondern
stellt werden, nicht die §§ 327, 327a-u BGB-E, die die                lediglich § 434 BGB-E ergnzt, Begr. zu Nummer 7 (§§ 475b bis 475e
Regeln bzgl. Vertrgen ber digitale Produkte34 enthalten,            BGB-E), BT-Drs. 19/27424, S. 30.
sondern gem. § 327a Abs. 3 BGB-E ausschließlich die                37 In Bezug auf eine Aktualisierungspflicht gilt anstelle des Gefahrbergangs
§ 475b ff. BGB-E, welche §§ 434 ff. BGB erweitern.35                  der Zeitraum nach § 475b Abs. 2 Nr. 2 BGB-E und § 475b Abs. 4 Nr. 2
                                                                      BGB-E.
Das Verhltnis zwischen dem Verbraucher und dem Unter-             38 Auf Kritik stçßt die Aktualisierungspflicht im Hinblick auf Abgrenzungs-
nehmer, der die digitalen Inhalte oder Dienstleistungen               schwierigkeiten bzgl. des Umfangs, insbesondere bei Updates, die sowohl
erbringt, richtet sich dagegen nach den §§ 327, 327a ff.              der Erhaltung und Verbesserung dienen, vgl. Stellungnahme vom 7. 1.
                                                                      2021 i. R. d. Gesetzgebungsverfahrens durch den Verband der Interna-
BGB-E.                                                                tionalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK), zu § 475b Abs. 4 Nr. 2 BGB-E,
                                                                      S. 3.
                                                                   39 Teils wird sich dafr ausgesprochen, der Informationspflicht zu gengen,
c) Sachmngelhaftung des Verkufers                                   indem ber Aktualisierungen per einfachem Newsletter informiert wird,
   auch fr digitale Inhalte bei smarten Produkten                    vgl. Stellungnahme vom 12. 1. 2021 i. R. d. Gesetzgebungsverfahrens
                                                                      durch den Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland
aa) Anforderungen an die Kaufsache mit digitalen                      e. V. (bevh), S. 2.
    Elementen, insbesondere bzgl. Aktualisierungen                 40 Mit der Folge, dass der Verbraucher bei hochpreisigen Produkten einen
                                                                      lngeren Aktualisierungszeitraum erwartet, vgl. Vander, K&R 2021,
Die Sachmngelgewhrleistung des Verkufers richtet sich              Heft 2 Editorial. Als Aspekte der Verbrauchererwartung werden neben
                                                                      dem Preis auch Aussagen in der Werbung, verwendete Materialien, die
grundstzlich nach den §§ 437, 434 BGB. Dieser Grundsatz              bliche Nutzungs- und Verwendungsdauer, ein etwaiger weiterer Vertrieb
gilt auch fr Sachen mit digitalen Elementen.36 Daher muss            der Sache und Risiken bei fehlender Aktualisierung in Betracht zu ziehen
die Kaufsache auch die bereits skizzierten objektiven Halt-           sein, vgl. Begr. zu § 475b Abs. 4 BGB-E, BT-Drs. 19/27424, S. 33; Mit der
                                                                      Bitte zur Prfung mçglicher weiter Voraussetzungen zur Bestimmung der
barkeitsanforderungen gemß § 434 Abs. 3 S. 2 BGB-E                   Verbrauchererwartung im Gesetzgebungsverfahren, vgl. Ausschuss fr
erfllen. Zustzlich zu den Anforderungen aus § 434                   Agrarpolitik und Verbraucherschutz des Bundesrats, BR-Drs. 146/1/21,
BGB-E werden an eine Kaufsache mit digitalen Elementen                S. 8.
                                                                   41 Gefordert wird teilweise eine „praktikable“ Ausgestaltung der Aktualisie-
bei einem Verbrauchsgterkauf die Anforderungen gemß                 rungspflicht, da bei Einzelhndlern nicht die notwendigen technischen
§ 475b Abs. 2 bis Abs. 6 BGB-E gestellt. Diese Abstze                Mçglichkeiten vorhanden seien und insofern eine Abhngigkeit zu Her-
konkretisieren das Vorliegen eines Mangels einer Sache mit            stellerinformationen bestehe, vgl. Stellungnahme vom 6. 1. 2021 i. R. d.
                                                                      Gesetzgebungsverfahrens durch den Handelsverband Deutschland (HDE),
digitalen Elementen: Sie ist gemß § 475b Abs. 2 BGB-E                zu § 434b Abs. 4 BGB-E (gemeint wohl § 475b Abs. 4 Nr. 2 BGB-E), S. 5;
frei von Sachmngeln, wenn sie bei Gefahrbergang37 den               im Rahmen des Regierungsentwurfs wird im Gegensatz zum Referenten-
subjektiven (§ 475b Abs. 3 BGB-E) und objektiven (§ 475b              entwurf erwogen, die Bereitstellung der Aktualisierung durch einen Drit-
Abs. 4 BGB-E) Anforderungen, sowie den Montageanfor-                  ten (z. B. Hersteller) gemß § 267 BGB zu ermçglichen, vgl. Begr. zu
                                                                      § 475b Abs. 3 BGB-E, BT-Drs. 19/27424, S. 32.
derungen (§ 475b Abs. 2, Abs. 6 Nr. 1, § 434 Abs. 4 S. 1           42 Von der Aktualisierungspflicht sind nur funktionserhaltende (und damit
BGB-E) entspricht. Im Hinblick auf die besonderen Anfor-              insbesondere Sicherheitsupdates), nicht aber funktionserweiternde Aktua-
derungen an die Sache mit digitalen Elementen sticht                  lisierungen umfasst, Begr. zu § 475b Abs. 4 BGB-E, BT-Drs. 19/27424,
                                                                      S. 33.
§ 475b Abs. 4 Nr. 2 BGB-E hervor: Danach mssen dem                43 Insbesondere keine Beschaffenheitsvereinbarung im Rahmen von AGB,
Verbraucher „Aktualisierungen bereitgestellt werden, die              hierzu Spindler/Sein, MMR 2019, 415, 417.
K &R        Beilage 1 zu Heft 6/2021                                   Schrader, Mindesthaltbarkeit smarter Produkte                        15
Der Zeitraum der Aktualisierungspflicht wird ausschließ-          im Rahmen der objektiven Anforderungen an eine Sache
lich objektiv bestimmt, kann allerdings vertraglich gendert      mit digitalen Elementen, dass sich auch die Bemessung des
werden.44 Fr eine solche Vereinbarung des Ausschlusses           Bereitstellungszeitraums nach der Verbrauchererwartung
bzw. die Unterschreitung des objektiv zu erwartenden Zeit-        aufgrund der Art und des Zwecks der Sache und ihrer
raums der Aktualisierungspflicht ist gem. § 476 Abs. 1 S. 2       digitalen Elemente sowie unter Bercksichtigung der Um-
Nr. 2 BGB-E eine ausdrckliche und gesonderte Vereinba-           stnde und der Art des Vertrags richtet. Anders ausgedrckt
rung45 der Abweichung von den objektiven Anforderungen            haftet der Verkufer bei fehlender Vereinbarung ber den
nçtig. Dies schließt die Information des Verbrauchers ber        Bereitstellungszeitraum fr die Bereitstellung der digitalen
die fehlende Bereitstellung objektiv erwartbarer Aktualisie-      Elemente einer Sache ber einen Zeitraum, der objektiv
rungen vor Vertragsschluss ein, § 476 Abs. 1 S. 2 Nr. 1           erwartbar ist. Dieser Zeitraum betrgt gem. § 475c Abs. 2
BGB-E. Nachdem bereits die Aktualisierungsverpflichtung           BGB-E mindestens zwei Jahre.
gem. § 476 Abs. 1 S. 2 Nrn. 1 und 2 BGB-E formwirksam
ausgeschlossen werden kann, besteht auch die Mçglichkeit,         d) Zwischenfazit: Knftige sachliche und zeitliche
dass die Parteien eine Vereinbarung treffen, (welche und)             Einstandspflicht des Verkufers smarter Produkte
ber welchen Zeitraum Aktualisierungen gem. § 475b                Der Verkufer haftet auch weiterhin fr die Vertragsmßig-
Abs. 3 Nr. 2 BGB-E bereitgestellt werden, auch wenn dieses        keit des Kaufgegenstandes grundstzlich nur im Zeitpunkt
Leistungsprogramm von dem objektiv zu erwartenden ab-             des Gefahrbergangs, § 434 Abs. 1 BGB-E. In diesem Zeit-
weicht. Gleiches gilt auch fr die zeitliche Untergrenze der      punkt muss die Sache den objektiven Anforderungen (§ 434
Aktualisierungen gem. § 475c Abs. 3 BGB-E, wonach bei             Abs. 3 S. 2 BGB-E) auch im Hinblick auf die Haltbarkeit
fortlaufender Bereitstellung der digitalen Elemente der Be-       gengen. Die Haltbarkeit ist die Fhigkeit der Sache, ihre
reitstellungszeitraum maßgeblich fr den Aktualisierungs-         erforderlichen Funktionen bei normaler Verwendung zu
zeitraum ist, der grundstzlich auf nicht weniger als zwei        behalten.
Jahre begrenzbar ist,46 jedoch gem. § 476 Abs. 1 S. 2 BGB
bzgl. der Aktualisierungen ebenfalls durch ausdrckliche          Verkauft ein Unternehmer eine Sache mit digitalen Ele-
und gesonderte Vereinbarung ausgeschlossen werden kann,           menten an einen Verbraucher, erweitert dies den Pflichten-
wenn der Verbraucher vor Vertragsschluss von der Abwei-           kreis des Verkufers sachlich und zeitlich. Der Verkufer
chung informiert wurde.                                           haftet knftig mindestens zwei Jahre, einerseits fr die
                                                                  Bereitstellung von Aktualisierungen des digitalen Elements
bb) Vereinbarung ber den Bereitstellungszeitraum                 der Kaufsache (§ 475b Abs. 4 Nr. 2 i. V. m. § 475c Abs. 3
      der digitalen Elemente an sich                              BGB-E) und andererseits fr die Bereitstellung der digita-
                                                                  len Elemente (§ 475c Abs. 1 und 2 BGB-E).49 Sowohl fr
Wie lange das digitale Element, das mit der Sache ver-            die Bereitstellung von Aktualisierungen als auch der digi-
bunden ist, generell zu funktionieren hat, ist allerdings         talen Elemente kann ein lngerer Zeitraum als zwei Jahre
grundstzlich einer vertraglichen Vereinbarung der Partei-        vereinbart werden. Die Bereitstellung von Aktualisierungen
en berlassen, §§ 475b Abs. 3 Nr. 1, 434 Abs. 2 BGB-E.            als auch der digitalen Elemente kann jedoch gnzlich aus-
Allerdings unterliegt diese Vereinbarung der Einschrn-           geschlossen werden, dies aber nur in der Form des § 476
kung des § 475c BGB-E, wenn die digitalen Elemente                Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 2 BGB-E, indem der Verbraucher vor
dauerhaft (d. h. fortlaufend) bereitgestellt werden (mssen),     Vertragsschluss von der Abweichung der objektiven Anfor-
damit die Sache mit digitalen Elementen ihre Funktionen           derungen im Hinblick auf ein bestimmtes Merkmal (feh-
erfllen kann.47 In diesem Fall ist zu unterscheiden, ob die      lende Aktualisierung oder digitale Elemente fhren zur
Parteien eine Vereinbarung ber den Bereitstellungszeit-          eingeschrnkten Haltbarkeit) eigens in Kenntnis gesetzt
raum fr die digitalen Elemente getroffen haben oder eine         wurde und diese Abweichung ausdrcklich und gesondert
solche Vereinbarung fehlt.                                        vereinbart wurde.50
Liegt eine solche Vereinbarung ber den Bereitstellungs-
zeitraum vor, gilt gem. § 475c Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB-E          IV. Durchsetzung der Gewhrleistungshaftung
die Einschrnkung, dass der Verkufer mindestens zwei                 des Verkufers smarter Produkte
Jahre ab Ablieferung der Sache dafr haftet, dass die digi-
talen Elemente den oben genannten (objektiven und sub-            Neben dem Vorliegen der sachlichen Voraussetzungen
jektiven) Anforderungen entsprechen. Umgekehrt formu-             eines Mangels innerhalb der zeitlichen Grenzen hngt die
liert kann die Bereitstellungspflicht fr digitale Inhalte, fr   Haltbarkeit von Sachen mit digitalen Elementen maßgeb-
die der Verkufer haftet, nicht vertraglich auf einen krze-      lich von der Verteilung der Beweislast fr das Vorliegen
ren Zeitraum als zwei Jahre begrenzt werden. Von dieser           eines Mangels zu einem bestimmten Zeitpunkt ab, denn
Pflicht kann auch nicht mittels ausdrcklicher und geson-
derter Vereinbarung abgewichen werden, da § 475c Abs. 2           44 Begr. zu § 475b Abs. 4 BGB-E, BT-Drs. 19/27424, S. 32 f.
                                                                  45 Zu den konkreten Erwgungen des Gesetzgebers bzgl. der Anforderun-
BGB-E nicht in § 476 Abs. 1 S. 2 BGB-E aufgefhrt ist.               gen an die Vereinbarung, vgl. Begr. zu § 476 Abs. 1 BGB-E, BT-
Anders ausgedrckt bedeutet das, dass, soweit eine dauer-            Drs. 19/27424, S. 42/43.
hafte Bereitstellung (das „Ob“) nicht wirksam ausgeschlos-        46 Von der ffnungsklausel fr mitgliedstaatliche Regelungen wurde kein
                                                                     Gebrauch gemacht, vgl. Art. 10 Abs. 3 Warenkauf-RL; ErwGr 41 Waren-
sen wurde, der Zeitraum fr die Bereitstellung jedenfalls            kauf-RL.
zwei Jahre betragen muss.                                         47 Die Verpflichtung zur dauerhaften Bereitstellung ist bei Kaufvertrgen
                                                                     untypisch, da diese grundstzlich einen einmaligen Leistungsaustausch
                                                                     vorsehen, dies soll jedoch nichts an der Einordnung solcher Vertrge als
cc) Fehlende Vereinbarung ber den Bereitstellungszeit-              Kaufvertrge ndern, vgl. Art. 7 Abs. 3 lit. b, Art. 10 Abs. 2, Art. 11 Abs. 3
     raum der digitalen Elemente                                     Warenkauf-RL, Begr. zu § 475c Abs. 1 BGB-E, BT-Drs. 19/27424, S. 34.
                                                                  48 Die Begriffe der „dauerhaften Bereitstellung“ und des „Bereitstellungs-
Fehlt eine Vereinbarung des Bereitstellungszeitraums, ob-            zeitraums“ werden in § 327b Abs. 5 BGB-E legaldefiniert, vgl. Begr. zu
wohl die Bereitstellung der digitalen Elemente fr die Funk-         § 475c Abs. 1 BGB-E, BT-Drs. 19/27424, S. 34.
tionen der Kaufsache notwendig ist, enthlt § 475c Abs. 1         49 Die Mindestdauer dient der Umsetzung von Art. 10 Abs. 2 Warenkauf-RL
                                                                     zur Verhinderung der Umgehung bzw. Verkrzung der Haftungsdauer,
S. 2 BGB-E einen Verweis auf § 475b Abs. 4 Nr. 2 BGB-E,              vgl. Begr. zu § 475c Abs. 3 BGB-E, BT-Drs. 19/27424, S. 35.
der „entsprechend anzuwenden“ sei.48 Diese Norm regelt            50 Vgl. Begr. zu § 475c Abs. 3 BGB-E, BT-Drs. 19/27424, S. 35.
16      Schrader, Mindesthaltbarkeit smarter Produkte                                    Beilage 1 zu Heft 6/2021               K &R

dies bestimmt die faktische Durchsetzbarkeit der Einstands-    Abs. 1 Nr. 1 BGB-E. Liegt der Mangel in der Verletzung der
pflicht des Verkufers und damit dessen çkonomisches           Aktualisierungspflicht (§ 475b Abs. 3, 4 BGB-E), so be-
Interesse.51                                                   ginnt die zweijhrige Verjhrungsfrist erst, wenn der Zeit-
                                                               raum fr Aktualisierungen abgelaufen ist.
1. Verjhrung als Haltbarkeitseinschrnkung                    Damit der Unternehmer fr Mngel, die whrend des ge-
a) Haftungszeitraum und Durchsetzungsfrist                     samten Haftungszeitraums auftreten kçnnen, einzustehen
Der Bereitstellungszeitraum der digitalen Elemente ist eine    hat, ist das Ende des Haftungszeitraums nicht identisch mit
besondere Form eines Haftungszeitraums. blicherweise          dem des Durchsetzungszeitraums. Andernfalls kçnnte der
war das Leistungsaustauschprogramm des Kaufvertrags auf        Verbraucher fr am Ende des Haftungszeitraums auftreten-
den Zeitpunkt des Gefahrbergangs fokussiert. Zu diesem        de Mngel seine Gewhrleistungsrechte nicht mehr geltend
Zeitpunkt muss der Mangel vorliegen, damit Gewhrleis-         machen. Daher tritt die Verjhrung nicht vor Ablauf von
tungsansprche des Kufers entstehen.52 Dieser Zeitpunkt       zwei Monaten nach Auftreten des Mangels ein, wenn sich
ist in Form des Bereitstellungszeitraums ausgedehnt wor-       innerhalb der Verjhrungsfrist (d. h. des Haftungszeit-
den.53                                                         raums) der Mangel gezeigt hat, § 475e Abs. 3 BGB-E.61
Von dem Zeitpunkt (bzw. Zeitraum), zu dem der Mangel
vorliegen muss, ist der Zeitraum zu unterscheiden, zu dem      2. Beweislastverteilung als „Haltbarkeitsgarantie“
sich der Mangel zeigen muss, damit Gewhrleistungsan-          Die Verteilung der Beweislast fr das Vorliegen eines Man-
sprche des Kufers bestehen. Das bloße Auftreten eines        gels zu einem bestimmten Zeitpunkt wird zu Recht als ent-
Mangels nach Gefahrbergang lçst Gewhrleistungsan-            scheidender Umstand fr die Haltbarkeit einer Sache im
sprche nur dann aus, wenn der Mangel bereits bei Gefahr-      Rahmen der Gewhrleistungshaftung angesehen.62 Die be-
bergang vorgelegen hat, wobei allerdings die Beweislast-      kannte Beweislastumkehr zugunsten des Verbrauchers be-
umkehr in § 477 BGB dem Verbraucher als Kufer be-             zglich des Vorliegens des Mangels zum Zeitpunkt des Ge-
kanntlich (auch nach derzeitiger Rechtslage) hilft.            fahrbergangs, wenn sich der Mangel innerhalb von sechs
Der Mangel muss zustzlich innerhalb des Haftungszeit-         Monaten nach diesem zeigt, wird knftig auf ein ganzes Jahr
raums des Verkufers aufgetreten sein. Dieser Haftungszeit-    ausgedehnt, § 477 Abs. 1 BGB-E.63 Diese Beweislastregel
raum hat seinen Ursprung in Art. 5 Abs. 1 S. 1 Verbrauchs-     betrifft den Mangel an der Sache selbst (Hardware).
gterkaufrichtlinie (VGKRL) und ist im nationalen Recht in     Hinsichtlich der digitalen Inhalte gilt eine wesentlich um-
Form der Verjhrungsvorschrift (§ 438 BGB) umgesetzt           fassendere Beweislastumkehr: Werden die digitalen Ele-
worden.54 Der EuGH hat im Rahmen der Auslegung des             mente nach dem Kaufvertrag dauerhaft bereitgestellt und
Art. 5 Abs. 1 VGKRL allerdings eine Differenzierung be-        zeigt sich whrend des vereinbarten Bereitstellungszeit-
zglich des Haftungszeitraums Art. 5 Abs. 1 S. 1 VGKRL         raums bzw. mindestens innerhalb der ersten zwei Jahre seit
und der Durchsetzungsfrist Art. 5 Abs. 1 S. 2 VGKRL vor-       Gefahrbergang ein abweichender Zustand der digitalen
genommen.55 Whrend der Haftungszeitraum den Zeitraum          Elemente von den Anforderungen gemß § 434 BGB-E
beschreibt, in dem der Mangel (der bei Gefahrbergang          oder § 475b BGB-E, „so wird vermutet, dass die digitalen
vorgelegen haben muss) aufgetreten ist, erfasst die Durch-     Elemente whrend der bisherigen Dauer der Bereitstellung
setzungsfrist den Zeitraum, in dem der Verbraucher seine       mangelhaft waren“, § 477 Abs. 2 BGB-E.64 Der Verkufer
Rechte geltend machen kann.56 Beide Zeitrume sind nicht       muss daher knftig beweisen, dass die digitalen Elemente
identisch, was sich insbesondere in den Fllen auswirkt, bei
welchen sich der Mangel kurz vor Ablauf der Haftungsdauer      51 Zum Problem der Durchsetzungsentschlossenheit des Verbrauchers bei
zeigt.57 Zwar ist die in Art. 5 Abs. 1 VGKRL enthaltene           Rechtsunsicherheit, Schrader, NZV 2021, 67, 69.
                                                               52 Teilweise wird auch auf die Annahme der Sache als Erfllung gem. § 363
Differenzierung zwischen Haftungszeitraum und Durchset-           BGB abgestellt, m. w. N. Westermann, in: MKoBGB, 8. Aufl. 2019,
zungsfrist in Art. 10 Abs. 5, 6 WKRL ausdrcklich aufgege-        BGB, § 437 Rn. 6.
ben worden.58 Dennoch zeigt sich eine Differenzierung der      53 Besonders deutlich wird dies durch § 475c Abs. 3 BGB-E im Hinblick auf
                                                                  die Aktualisierungspflicht, die fr den Bereitstellungszeitraum besteht.
Zeitrume insbesondere bei Sachen mit digitalen Elementen,     54 Arnold, in: BeckOGK, Stand: 15. 1. 2021, BGB, § 438 Rn. 7.
denn in diesen Fllen beginnt kein starrer Haftungszeitraum    55 EuGH, 13. 7. 2017 – C-133/16, DAR 2018, 254 – Ferenschild (Vorlage
mit Ablieferung der Sache, sondern der Verkufer hat wh-         eines belgischen Gerichts).
                                                               56 EuGH, 13. 7. 2017 – C-133/16, DAR 2018, 254 Rn. 33 ff. – Ferenschild.
rend des vereinbarten oder objektiv zu erwartenden (aber       57 In dem Vorlageverfahren stand die Frage der vertraglichen Verkrzung der
mindestens zwei Jahre betragenden) Bereitstellungszeit-           beiden Fristen (bei Gebrauchtwaren) im Fokus, was dem EuGH zufolge
raums fr die digitalen Elemente einzustehen.59                   nur fr die Haftungsdauer, nicht jedoch fr die Verjhrungsfrist mçglich
                                                                  ist.
                                                               58 Die VGKRL wird mit der Warenkauf-RL aufgehoben, daher kommt es
b) Umsetzung als flexibilisierte Verjhrungsvorschriften          knftig nur noch auf die Warenkauf-RL an.
                                                               59 Hierzu Schrader, NZV 2021, 67, 69 f.
Der nationale Umsetzungsgesetzgeber hat jedoch bewusst         60 Begr. zu § 475e BGB-E, BT-Drs. 19/27424, S. 39.
davon abgesehen, zwei unterschiedliche Fristensysteme zu       61 Mit § 475e Abs. 3 BGB-E wird Art. 10 Abs. 5 S. 2 Warenkauf-RL umge-
regeln und hat stattdessen die zeitliche Dimension der Ein-       setzt, wonach eine innerstaatliche Verjhrungsregelung nicht zur Verhin-
standspflicht des Verkufers fr digitale Elemente der            derung der Geltendmachung der Mngelrechte fhren darf, soweit sich
                                                                  dieser im Haftungszeitraum gezeigt hat, vgl. Begr. zu § 475e Abs. 3
Kaufsache nur der Verjhrungsfrist unterworfen.60 Diese           BGB-E, BT-Drs. 19/27424, S. 40 f.
ist jedoch sowohl zu Beginn als auch an deren Ende flexi-      62 Regelung der Beweislast ist die Gretchenfrage fr die Steuerung der
bilisiert worden.                                                 Haltbarkeit einer Ware: Bach/Wçbbeking, NJW 2020, 2672, 2675.
                                                               63 Damit wird die Vorgabe aus Art. 11 Abs. 1 Warenkauf-RL umgesetzt. Von
Grundstzlich beginnt die Verjhrungsfrist mit Ablieferung        einer Verlngerung auf zwei Jahre wurde abgesehen, da dies in Bezug auf
der Sache, § 438 Abs. 2 BGB. Ist bei Sachen mit digitalen         die Hardware „unangemessen“ sei, vgl. Begr. zu § 477 Abs. 1 BGB-E,
                                                                  BT-Drs. 19/27424, S. 44; Dagegen spricht sich der Ausschuss fr Agrar-
Elementen das digitale Element mangelhaft, beginnt die            politik und Verbraucherschutz des Bundesrats fr eine Beweislastumkehr
zweijhrige Verjhrungsfrist bei dauerhafter Bereitstellung       von 2 Jahren aus, BR-Drs. 146/1/21, S. 12.
der digitalen Elemente (§ 475c Abs. 1 S. 1 BGB-E) frhes-      64 Durch die Definition einer Mindestfrist fr die Beweislastumkehr soll
                                                                  ausgeschlossen werden, dass durch eine Vereinbarung ber den Bereit-
tens nach Ablauf des Bereitstellungszeitraums, (d. h. nicht       stellungszeitraum die Beweislastumkehr verkrzt wird, vgl. Begr. zu § 477
frher als zwei Jahre nach Ablieferung der Sache), § 475e         Abs. 2 BGB-E, BT-Drs. 19/27424, S. 44.
K &R        Beilage 1 zu Heft 6/2021                                                         Khn, DSGVO vs. AGILE?                   17
den vertraglich geschuldeten Voraussetzungen entsprochen         barung eines Bereitstellungszeitraumes von digitalen Ele-
haben, wenn eine Einschrnkung der nach dem Kaufvertrag          menten, die fr die kaufvertraglich vereinbarten Funktionen
geschuldeten Funktion der Sache vorliegt.                        der Kaufsache erforderlich sind, ist auf minimal zwei Jahre
                                                                 begrenzbar. Der gnzliche Ausschluss der Verkuferhaftung
V. Fazit                                                         fr die digitalen Elemente ist mçglich, unterliegt jedoch der
Art und Umfang der Gewhrleistungshaftung hat entschei-          besonderen Formvorschrift § 476 Abs. 1 S. 2 BGB-E (aus-
denden Einfluss auf die Haltbarkeit von verkauften Produk-       drckliche und gesonderte Vereinbarung).
ten. Die derzeitigen Anforderungen an die Haltbarkeit einer      Durch diese geplante sachliche und zeitliche Erweiterung der
verkauften Sache werden zwar bereits jetzt im Rahmen der         Gewhrleistungshaftung des Verkufers von Sachen mit di-
objektiven Anforderungen an die Beschaffenheit relevant,         gitalen Elementen wird zumindest im B2C-Bereich knftig
jedoch steht dort der punktuelle Leistungsaustausch im Zeit-     von einer Mindesthaltbarkeit von zwei Jahren fr solche
punkt des Gefahrbergangs im Vordergrund. Auch knftig           smarten Produkte auszugehen sein mssen. Damit rckt das
wird fr die Haltbarkeit einer Kaufsache der Zustand zum         Ziel einer Strkung nachhaltiger Produkte nur eingeschrnkt
Zeitpunkt des Gefahrbergangs maßgebend sein, und zwar           nher,65 vielmehr steht zu befrchten, dass der Produktle-
als die Fhigkeit der Sache, ihre Funktionen bei normaler        benszyklus langlebiger Produkte artifiziell verkrzt wird.66
Nutzung zu behalten.
Eine erhebliche Erweiterung der Einstandspflicht des Ver-
kufers ist fr den Verkauf von Sachen mit digitalen Inhalten    65 Zum Ziel der Nachhaltigkeit der Warenkaufrichtlinie, vgl. ErwGr 32
                                                                    Warenkauf-RL; kritisch zur Erreichung des Ziels durch die Richtlinie,
von einem Unternehmer an einen Verbraucher vorgesehen,              Bach/Wçbbeking, NJW 2020, 2672; Micklitz, VuR 2019, 281, 282;
indem der Verkufer auch fr diese digitalen Elemente ein-          Rudloff, VuR 2018, 323, 325; Mit der Empfehlung fr eine Verlnge-
zustehen hat – unabhngig davon, ob er selbst oder ein Dritter      rung der Verjhrungsfrist fr bestimmte Produktgruppen auf drei Jahre,
diese bereitstellt. Diese sachlich erweiterte Gewhrleistungs-      unter anderem aufgrund des Aspekts der Nachhaltigkeit, vgl. Empfeh-
                                                                    lung des Rechtsausschusses sowie Ausschuss fr Agrarpolitik und Ver-
haftung wird mit einer ausgedehnten Beweislastumkehr zu-            braucherschutz, BR-Drs. 146/1/21, S. 4 f.
gunsten des Verbrauchers flankiert. Die vertragliche Verein-     66 Fr den Kraftfahrzeugbereich Schrader, NZV 2021, 67, 72.

RA Philipp M. Khn*

DSGVO vs. AGILE? – Datenschutz im Rahmen
agiler Arbeitsweisen und agiler Organisationen
                                                                 deutschen Rechtsraum unterschiedliche rechtliche Rah-
  Kurz und Knapp                                                 menbedingungen (auch) bei der agilen Programmierung
  Oft wird im Rahmen einer agilen Vorweise oder einer            zu bercksichtigen. Neben der vertragstypologischen Ein-
  agilen Entwicklung der Datenschutz vernachlssigt.             ordnung eines agilen Entwicklungsvertrags,3 die eher vor
  Daher wird nachfolgend erçrtert, wie dieser effektiv           der Umsetzung eine Rolle spielt, sind dies Anforderungen
  bercksichtigt werden kann; aber auch muss.                    aus dem Datenschutz- und dem Arbeitsrecht, die es hier mit
                                                                 zu betrachten gilt. Im Rahmen der datenschutzrechtlichen
                                                                 Betrachtung eines agilen Projektes kann grundstzlich zwi-
                                                                 schen den datenschutzrechtlichen Anforderungen an die
I. Einleitung                                                    Arbeitsorganisation auf der eine Seite und denen an die
Mit der Einfhrung der Datenschutzgrundverordnung und            eigentliche Entwicklung und Software auf der anderen Seite
sptestens seitdem europische Datenschutzbehçrden im-           unterschieden werden. Bei letzterer ist insbesondere auch
mer hçheren Bußgeldern verhngen, sollte Datenschutz-            der Arbeitnehmerdatenschutz zu beachten.
Compliance integraler Bestandteil der Unternehmenskultu-
ren sein. Dabei bleiben aber gerade agile Projekte, die auch     1. Datenschutz im Rahmen der Entwicklung
immer breiter in den Unternehmensprozessen zu finden
sind, oft unbeachtet. Daher erlutert dieser Aufsatz zu-         Neben den allgemeinen Regelungen der DSGVO sind im
nchst, in welchen Belangen der Datenschutz im Rahmen            Rahmen der Entwicklung insbesondere die in Art. 25
der agilen Entwicklung eine Rolle spielt (Ziff. II.), um dann    DSGVO verankerten Grundstze des „Privacy by Design“
darzustellen, wie diese im Rahmen eines iterativen Vor-
                                                                  * Der Beitrag stellt eine aktualisierte Version des Beitrags von Khn/Wea-
gehens umgesetzt werden kçnnen (Ziff. III) und im An-               ver, BB 2019, 2485 ff. dar. Mehr ber den Autor erfahren Sie auf S. 60.
schluss daran den Mehrwert eines datenschutzrechtlich ge-           Alle zitierten Internetquellen wurden zuletzt abgerufen am 4. 5. 2021.
prgten agilen Mindsets (Ziff. IV.) aufzuzeigen.                  1 An dieser Stelle soll betont werden, dass „Agile“ und „Scrum“ nicht
                                                                    gleichzusetzen sind, sondern dass Scrum lediglich eine der Ausprgungen
                                                                    des agilen Verfahrens darstellt, vgl. hierzu bspw. Denning, https://www.
II. Rechtliche Rahmenbedingungen                                    forbes.com/sites/stevedenning/2019/08/25/why-the-future-of-agile-is-
                                                                    bright/#2b757e8e2968.
    agiler Projekte                                               2 Vgl. hierzu die Ausfhrungen bei Khn/Ehlenz, CR 2018, 139, 142 sowie
Auch wenn agile Methoden1 und das agile Mindset von dem             http://agilemanifesto.org.
                                                                  3 Siehe hierzu mit ausfhrlicher Einfhrung und Besprechung der verschie-
Grundsatz geprgt sind, dass Individuen und Zusammen-               denen Anstze Khn/Ehlenz, CR 2018, 139 ff., sowie Khn, ReThinking-
arbeit wichtiger sind, als Prozesse,2 sind dennoch gerade im        law 5/2019, 67 ff.
Sie können auch lesen