November 2016 Grundkurs Zivilrecht Arbeitsgemeinschaft BGB-AT - Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb Dr. Axel Walz

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Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb • Dr. Axel Walz

Grundkurs Zivilrecht
Arbeitsgemeinschaft
BGB-AT

3. November 2016
Arbeitsgemeinschaft BGB-AT
                           Lernziele

    Generell:
     Systematik, Verständnis und Anwendung des Privatrechts
     Lösen von privatrechtlichen Fällen & Schreiben guter
       Klausuren
    Heute:
    1. Wiederholung (Systemverständnis, BGB als Teil der
       bundesdeutschen Rechtsordnung, Grundlagen zivilrechtlicher
       Fallbearbeitung)
    2. Grundlagen des Kaufvertrages
    3. Das Abstraktionsprinzip
    4. Das Konzept der natürlichen und juristischen Person als Träger
       von Rechten und Pflichten
    5. Hausaufgabe

Dr. Axel Walz, 3.11.2016                                                2
Arbeitsgemeinschaft BGB-AT, 27.11.16
                            Wiederholung I

  Recht
               Summe der geltenden, vom Gesetzgeber erlassenen und/oder den
                Gerichten angewendeten, verbindlichen und mit Zwang durchsetzbaren
                Normen
               Aufgabe des Rechts: Verhaltenssteuerung durch Anordnung bestimmter
                Rechtsfolgen (Sanktionen und Ansprüche)
               Grundlegende Unterteilung: Öffentliches Recht, Privatrecht, Strafrecht
  Privatrecht
               Regelt die Rechtsbeziehungen zwischen den Bürgern nach den
                Prinzipien der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung
               Bürgerliches Recht (insb. BGB) und Sonderprivatrecht (z.B. HGB, UWG,
                GWB, PatG, MarkenG, UrhG)
               Systematik des BGB: Fünf Bücher (Allgemeiner Teil, Schuldrecht,
                Sachenrecht, Familienrecht, Erbrecht)
               Unterscheidung objektives Recht / subjektives Recht
               Analyse der Normstruktur (Unterscheidung Tatbestand / Rechtsfolgen)
Dr. Axel Walz, 3.11.2016                                                                 3
Technik der zivilrechtlichen
                                     Wiederholung II

Grundlagen zivilrechtlicher Fallbearbeitung
1. Genaues Lesen des Sachverhaltes und der Fragestellung
2. Finden der zutreffenden Anspruchsgrundlage
           a)              Die wwww-Frage: Wer will was von wem woraus?
                           (Normverständnis insoweit von grundlegender Bedeutung)
           b)              Systematik der zivilrechtlichen Ansprüche
                           (1)   Vertragliche Ansprüche
                           (2)   Vertragsähnliche Ansprüche
                           (3)   Dingliche Ansprüche
                           (4)   Deliktische Ansprüche
                           (5)   Bereicherungsrechtliche Ansprüche
 3. Anspruchsprüfung (3er-Schritt: Entstanden? Nicht erloschen?
    Durchsetzbar?)

Dr. Axel Walz, 3.11.2016                                                            4
Arbeitsgemeinschaft BGB-AT
                                         Fall 2 – Der Doppelverkauf

           1.          Sachverhalt
           2.          Fragestellung
           3.          Auffinden der Anspruchsgrundlage
           4.          Normstruktur der Anspruchsgrundlage

                                                Tatbestand § 433 (1) BGB
                           Wirksamer Kaufvertrag                        Kaufgegenstand: Sache
                           •   Einigung über essentialia negotii
                           •   Keine rechtshindernden Einwendungen

                                                                Rechtsfolge

                               Rechtsfolge: Anspruch auf Übergabe und Übereignung

Dr. Axel Walz, 3.11.2016                                                                        5
Arbeitsgemeinschaft BGB-AT
                           Fall 2 – Der Doppelverkauf

  1. 433 Abs. 1 BGB
       a. Anspruch entstanden
             Wirksamer Kaufvertrag (+)
       b. Anspruch untergegangen
             Möglicherweise wegen Unmöglichkeit gemäß § 275 Abs. 1 BGB, da V
                Eigentum infolge der Zwischenveräußerung an L verloren haben könnte.
             ABER: Bislang keine Übereignung, nur schuldrechtlicher Kausalvertrag in
                Form des Kaufvertrages geschlossen.
       c. i.E. Anspruch (+)

  2. § 985 BGB
      a. Besitz des V (+)
      b. Eigentum des K?
            Wäre der Fall, wenn V dem K bereits Eigentum an der Kaufsache verschafft
             hätte.
            ABER: Hier bislang nur schuldrechtlicher Kausalvertrag in Form des
             Kaufvertrages geschlossen.
            ACHTUNG: ALLES ANDERE WÄRE HIER GROBER VERSTOSS GEGEN
           DAS TRENNUNGS- UND ABSTRAKTIONSPRINZIP.

Dr. Axel Walz, 3.11.2016                                                                6
Arbeitsgemeinschaft BGB-AT
                                  Grundlagen Fall 2a – Rechtssubjekte I

        1.          Begriff
                     Rechtsfähige Personen, d.h. Personen, die Träger von Rechten und Pflichten sein können
        2.          Kategorien an rechtsfähigen Personen
                     Natürliche Personen: Rechtsfähigkeit wird mit Vollendung der Geburt erworben, § 1 BGB
                     Juristische Personen: Rechtsfähigkeit wird durch den Staat verliehen, z.B. § 21 BGB
                     Mögliche neue, künftige Zweckschöpfung: Die ePerson
        3.          Kategorien an teilrechtsfähigen Rechtssubjekten
                     Nasciturus
                     Bestimmte Personenmehrheiten: GbR (§§ 705 ff. BGB), Nicht-rechtsfähiger Verein (§ 54
                        BGB), Handelsgesellschaften des HGB
        4.          Besondere Rechtsfähigkeit
                     Rechtsfähigkeit bedeutet nicht, Träger aller Rechte zu sein
                     Zahlreiche Rechte sind an bestimmte Voraussetzungen (Alter, Geschlecht,
                       Qualifikationsvoraussetzungen) geknüpft
        5.          Handlungsfähigkeit
                       Fähigkeit, durch eigenes Handeln Rechtswirkungen zu erzeugen
                       Juristische Personen: Handeln durch Organe
                       Natürliche Person: Geschäftsfähigkeit, §§ 104 ff. BGB, Deliktsfähigkeit, § 827 BGB,
                        Verantwortlichkeit für die Verletzung von Verbindlichkeiten, § 276 BGB
        6.          Parteifähigkeit
                        Fähigkeit, in einem Prozess Partei zu sein, d.h. klagen oder verklagt werden zu können

Dr. Axel Walz, 3.11.2016                                                                                          7
Arbeitsgemeinschaft BGB-AT
                            Grundlagen Fall 2a – Rechtssubjekte II

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (APR)
1.      Begriff: Das aus Art. 1 (1), 2 (1) GG abgeleitete umfassende Recht auf Achtung und Entfaltung der
        Persönlichkeit.
2.      Spezialgesetzliche Ausprägungen: § 12 BGB, § 22 KUG, §§ 12 – 14 UrhG
        (Urheberpersönlichkeitsrecht), §§ 185 ff. StGB, Verordnung 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung)
                                                                                        Sozialsphäre

3.      Prüfung in der Fallbearbeitung
                                                                                        Privatsphäre
         a. Verletzungshandlung: Eingriff in den Schutzbereich des APR
              • Generell:
                      Intimsphäre                                                      Intimsphäre

                      Privatsphäre
                      Sozial- bzw. Individualsphäre
              • Sonderfälle:
                      postmortales Persönlichkeitsrecht
                      Persönlichkeitsrecht von Personenverbänden, insb. von juristischen Personen
         b. Rechtswidrigkeit
              •    Nicht indiziert, da ein sog. offener Tatbestand vorliegt (anders als bei Lebens-, Gesundheits-
                   oder Eigentumsverletzungen).
              •    In jedem Einzelfall unter sorgfältiger Würdigung aller Umstände, insb. des Grundsatzes der
                   Verhältnismäßigkeit, positiv festzustellen. Dazu ist eine umfassende Güter- und
                   Interessenabwägung vorzunehmen. Rechtswidrigkeit ist nur anzunehmen, wenn das
                   Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt.

Dr. Axel Walz, 3.11.2016                                                                                            8
Arbeitsgemeinschaft BGB-AT
                                        Grundlagen Fall 2a – Rechtsobjekte
     1.    Definition
     Alles, was vom Menschen beherrschbar ist und ihm von der Rechtsordnung so zugeordnet werden
     kann, dass sein Wille für das Objekt entscheidend ist.

     2.          Kategorien
                 a.        Bewegliche und unbewegliche Sachen (§ 90 BGB)
                              „130 Atemzüge für 18,80 Dollar: Eine australische Firma verkauft Luft in Dosen. Vor
                               allem vom Smog geplagte Chinesen greifen zu.“ (Spiegel Online, 2.5.2016)  § 90 BGB (+)
                              Kauf einer Packung Grassamen.  § 90 BGB (+)
                              Auf einem Grundstück bereits ausgesäte Grassamen.  § 90 BGB (+), aber § 94 (1) 2 BGB
                              Download eines Musikstücks bei iTunes.  § 90 BGB (-)
                              Kauf eines auf einer DVD gespeicherten Virenschutzprogramms.  § 90 BGB (+)
                              Implantierter Herzschrittmacher.  § 90 BGB (-), menschlicher Körper und seine ungetrennten Teile sind keine Sachen.
                              Gespendetes Blut.  § 90 BGB (+), wenn nicht zur späteren Eigenverwendung bestimmt.
                              Unternehmen.  § 90 BGB (-), sog. Vermögenseinheit, d.h. Kombination an Einzelsachen und Rechten aller Art.
                 b.        Bestandteile und Zubehör
                               Räder eines Kfz.  § 93 BGB (-), § 97 (+)
                               Bremstrommel eines Kfz.  § 93 BGB (+)
                               Serienmotor eines Kfz.  § 93 BGB (-), § 97 (+)
                               Auf Grundstück gepflanzter Baum.  § 94 BGB (+), aber bei Baumschulbeständen: § 95 BGB
                               Lattenrost eines Bettes.  § 93 BGB (-), § 97 (+)
                 c.        Rechte
                          Absolute Rechte (Eigentum), Ansprüche und Forderungen
Dr. Axel Walz, 3.11.2016                                                                                                                          9
Arbeitsgemeinschaft BGB-AT
                           Fall 2a – (1)
Der Erbfall

Ausgangsfall
• § 1922 (1) BGB: Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge  Übergang der Erbschaft an die Erben.
   Entscheidende Frage daher: Wer wurde Erbe des M?
• Ohne Testament: Gesetzliche Erbfolge.
• K könnte als Sohn und damit Abkömmling des M dessen Erbe geworden sein, § 1924 (1) BGB. Aber
   fraglich ob M überhaupt Erbe werden konnte, da er im Zeitpunkt des Todes des M noch nicht geboren und
   damit gar nicht rechtsfähig war. Erbfähigkeit indes gemäß § 1923 (2) BGB (+). K ist Erbe des M
   geworden.
• Daneben: F zu ½ als Erbe berufen, § 1931 (1) BGB i.V.m. § 1371 (1) BGB. Mangels näherer Angaben
   im Sachverhalt ist vom Güterstand der Zugewinngemeinschaft auszugehen.
• Nach dem Tod des K fällt dessen Vermögen dann der F zu, § 1925 (1) BGB.

Abwandlung
• § 1923 (1) BGB setzt voraus, dass das bereits gezeugte Kind lebend zur Welt kommt. Dazu sind
   Vollendung der Geburt und Nachweis sicherer Lebensfunktion, z.B. Herzschlag, Atmung, zumindest für
   einen Augenblick lang erforderlich.
• F wird Alleinerbin.

Dr. Axel Walz, 3.11.2016                                                                                10
Arbeitsgemeinschaft BGB-AT
                            Fall 2a – (2)
Der Liebesroman

Eine Veröffentlichung wäre möglich, wenn eine hiergegen gerichtete Klage keine Aussicht auf Erfolg hätte. Ob
eine Klage Aussicht auf Erfolg hat, hängt insbesondere davon ab, ob ein materieller Anspruch auf
Unterlassung der Veröffentlichung des Romans besteht.

Anspruchsgrundlage: §§ 1004, 823 (1) BGB i.V.m. Art. 1 (1), 2 (1) BGB

1.       Verletzung des APR der Schwiegermutter (+), hier rechtskräftig festgestellt.
2.       Ist der Schutz mit dem Tod der Schwiegermutter erloschen?
            Aber: postmortales Persönlichkeitsrecht
                 • Schutz des Lebensbildes gegen grob ehrverletzende Entstellungen
                 • Schutz des Rechts am eigenen Bild gegen Herabwürdigung und Erniedrigung
                 • Dauer
                       Je nach Umständen des Einzelfalles.
                       Schutzbedürfnis schwindet in dem Maße, in dem die Erinnerung an den Verstorbenen
                         verblasst und das Interesse an der Wahrung seiner Identität sinkt.
                       „Wird der Tote aus dem Gedächtnis der Überlebenden in die Geschichte entlassen, so ist
                         sein Ansehen gemeinfrei.“ (Rixecker, Münchener Kommentar BGB, 7. Aufl. 2015, § 12
                         Anh. Rdnr. 54)
3.       Anspruchsinhaber: Wer könnte den Schutz geltend machen?
                 • Der durch den Verstorbenen Bestimmte, z.B. eine Stiftung, deren Zweck in der Wahrung
                    seines Ansehens liegt.
                 • Im Zweifel die Angehörigen, nicht die Erben.
Dr. Axel Walz, 3.11.2016                                                                                    11
Arbeitsgemeinschaft BGB-AT
                            Fall 2a – (3)
Der zahnärztliche Eigentumsvorbehalt

Anspruchsgrundlage: § 985 BGB

1.      P ist Besitzer der Krone und der Prothese
2.      Z müsste Eigentümer geblieben sein:
         a. re Krone
              •   Eigentum des Z in Folge des vorliegend vereinbarten Eigentumsvorbehalts?
                     Übereignung nur unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen
                       Kaufpreiszahlung, § 449 (1) BGB.
                     Aber: Verlust der Sacheigenschaft der Krone?
                          Mit Einfügen einer Krone in das Gebiss wird die Krone zum dauerhaften
                             Bestandteil des menschlichen Körpers. Da der Körper eines lebenden Menschen
                             mit Blick auf Art. 1 GG kein Rechtsobjekt sein kann, gilt dies auch für
                             Körperbestandteile. Die Krone hat damit ihre Sacheigenschaft verloren und kann
                             nicht mehr Gegenstand eines Eigentumsvorbehalts sein.
         b. re Prothese
              •   Da die Prothese nicht dauerhaft vom Körper aufgenommen wird, bleibt sie eine selbständige,
                  verkehrsfähige Sache. Z ist also weiter Eigentümer der Prothese.
3.       Ergebnis: Herausgabeanspruch nur hinsichtlich der Prothese.

Dr. Axel Walz, 3.11.2016                                                                                       12
Arbeitsgemeinschaft BGB-AT
                           Fall 2a – (4)
Zufahrt zur Fabrik

Was E und N gewollt haben ist durch Auslegung nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln.

•      Sollten dem Grundstück des E bestimmte Rechte eingeräumt werden?
         • Grundstück kein Rechtssubjekt, kann nicht Träger von Rechten und Pflichten sein
         • Grundstück ist Rechtsobjekt, kann also Gegenstand rechtlicher Herrschaftsmacht sein

•      E und N wollten dem E das Recht einräumen, das Grundstück des N zu Zufahrtzwecken benutzen zu
       dürfen.
         • Belastung von Gegenständen mit Rechten: Frage des Sachenrechts.
         • Hier: Wegerecht als Grunddienstbarkeit gem. § 1018 BGB gewollt

•      E hat gegen N einen Anspruch auf Eintragung der entsprechenden Grunddienstbarkeit im Grundbuch,
       §§ 873 (1), 1018 BGB.

BEACHTE: Grunddienstbarkeit, das Wegerecht an sich, entsteht nicht bereits mit der Einigung zwischen E
und N. Diese Einigung stellt nur die schuldrechtliche, kausale Vereinbarung dar (Abstraktionsprinzip!).

Dr. Axel Walz, 3.11.2016                                                                                  13
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