SWISS SCC WERBUNG FÜR KOSMETIKPRODUKTE - Mischa Senn

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SWISS SCC
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         WERBUNG FÜR KOSMETIKPRODUKTE

                       Referat 15.9.2016

                        Mischa Senn

                          Prof. Dr. iur.
              Zentrum für Kulturrecht (ZKR), Zürich

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Disposition
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I. Anwendungsregeln
II. Werberechtliche Bestimmungen
III. Verfahren

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Anwendungsregeln (I)
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Allgemeines Vorgehen bei der Beurteilung
=> methodisches Vorgehen

Anwendungsregeln (SLK-GS 1.1.2):
Für die Beurteilung einer kommerziellen Kommunikation sind insbesondere
folgende Kriterien zu berücksichtigen:
- das Verständnis der massgebenden Zielgruppe
- Gesamteindruck
- die Grundaussage
- die Art des beworbenen Produktes
- der Charakter des Mediums
- der Vergleich zur dargestellten Wirklichkeit
- ironische Aussagen oder Parodien sind entsprechend ihrem Charakter
    auszulegen
- die aktuelle und tatsächlich herrschende Auffassung über Ethik, Sitte und
    Moral in der Gesellschaft

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Anwendungsregeln (II)
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Ausgewählte Kriterien

Erforderliches Rezeptionsverständnis
Zwei Schritte:
1. angesprochenes Zielpublikum
    (massgebender Personenkreis/Adressatenkreis)
2. Verständnishorizont des eruierten Zielpublikums
=> Leitbild eines Durchschnittskonsumenten:
«informierter, aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher»
m.a.W.: durchschnittlich intelligenter Konsument

ist unbestimmter Rechtsbegriff
damit: grosser Ermessensspielraum

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Werberechtliche Bestimmungen / Grundsätze (I)
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Handeln nach Treu und Glauben
- Gute Sitten (im Geschäftsverkehr)
- Fairness (= Redlichkeit / Lauterkeit)

UWG 2 (Grundsatz):
Unlauter und widerrechtlich ist jedes täuschende oder in anderer Weise
gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossende
Verhalten oder Geschäftsgebaren, welches das Verhältnis zwischen
Mitbewerbern oder zwischen Anbietern und Abnehmern beeinflusst.

SLK-GS 1.1.1 (Geltungsbereich):
a) Diese Grundsätze bezwecken die Beachtung fairer Geschäfts-
   praktiken in der kommerziellen Kommunikation; sie dienen damit der
   Vertrauensbildung der Öffentlichkeit in die kommerzielle
   Kommunikation.
b) Kommerzielle Kommunikation soll rechtmässig, wahrheitsgetreu
   und nicht diskriminierend sein sowie den Grundsätzen von Treu und
   Glauben im Geschäftsverkehr entsprechen.

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Grundsätze (II)
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Schutz vor Verwechslung
Irreführung und Täuschung können zu Verwechslungen führen
(sog. Verwechslungsgefahr)
und zwar hinsichtlich der Unternehmen oder der Produkte

siehe UWG 2 (Täuschung)

Regelung im öffentlichen Interesse:
=> öffentliche Gesundheit (BV 118)
Bestimmungen über - Kosmetika, - Heilmittel, - Chemikalien

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Grundsätze (III)
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Kosmetika:
sog. «Gebrauchsgegenstände» (Lebensmittelgesetz, LMG 5.b)

Werberechtliche Bestimmung:
Lebensmittel- und Gebrauchsgegenstände-VO (LGV 31.3):
Hinweise irgendwelcher Art auf eine krankheitsheilende, -lindernde
oder -verhütende Wirkung von Gebrauchsgegenständen (z.B.
medizinische oder therapeutische Eigenschaften, desinfizierende oder
entzündungshemmende Wirkungen, ärztliche Empfehlungen) sind
verboten.

Fall «Alpecin forte» (BGer, U. v. 27.1.2009)
=> Schutz der menschlichen Gesundheit bzw. der Verbraucher

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Grundsätze (IV)
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Gebote

Wahrheit / Richtigkeit
- Werbung muss grundsätzlich wahr sein; Angaben müssen stimmen,
  d.h. richtig sein
- siehe aber Unterscheidung Meinungsäusserung – Tatsachenbehauptung
- vgl. auch «Mikrowellen»-Fall (BGE 120 II 76)

Klarheit
- Werbung muss klar sein, d.h. unmissverständlich
  z.B keine Werbung mit Selbstverständlichkeiten

Vollständigkeit
- unvollständige Angaben können irreführend oder täuschend sein
- Angaben oder Aussagen müssen nachvollziehbar sein

Bsp: Fehlen Daten oder Angaben, so kann dieses Gebot verletzt sein und
die Werbung damit unlauter.
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Grundsätze (V)
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Verbote

Täuschung
= Verletzung des Wahrheitsgebots
siehe z.B. UWG 2 und UWG 3.1.i

UWG 3.1.i (unrichtige Angaben zur Beschaffenheit)
Unlauter handelt insbesondere, wer die Beschaffenheit, die Menge, den
Verwendungszweck, den Nutzen oder die Gefährlichkeit von Waren,
Werken oder Leistungen verschleiert und dadurch den Kunden täuscht.

Irreführung
= Verletzung des Klarheitsgebots
siehe z.B. UWG 3.1.a, b, e (sogleich)

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Grundsätze (VI)
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Unlauter handelt insbesondere, wer:

UWG 3.1.a (Herabsetzung)
andere, ihre Waren, Werke, Leistungen, deren Preise oder ihre
Geschäftsverhältnisse durch unrichtige, irreführende oder unnötig
verletzende Äusserungen herabsetzt;

UWG 3.1.b (unrichtige / irreführende Angaben)
über sich, seine Firma, seine Geschäftsbezeichnung, seine Waren, Werke
oder Leistungen, deren Preise, die vorrätige Menge, die Art der
Verkaufsveranstaltung oder über seine Geschäftsverhältnisse unrichtige
oder irreführende Angaben macht oder in entsprechender Weise Dritte
im Wettbewerb begünstigt;

UWG 3.1.e (unlautere Vergleiche)
sich, seine Waren, Werke, Leistungen oder deren Preise in unrichtiger,
irreführender, unnötig herabsetzender oder anlehnender Weise mit
anderen, ihren Waren, Werken, Leistungen oder deren Preisen vergleicht
oder in entsprechender Weise Dritte im Wettbewerb begünstigt;
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Grundsätze (VII)
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SLK-GS 3.5.2 (Irreführende Äusserungen):
Irreführend ist eine Äusserung, wenn
- die Angabe Tatsachen unterdrückt, die nach den Erwartungen des
  Publikums im Zusammenhang mit der Äusserung ebenfalls gesagt
  werden müssten,
- die Bezugnahme dem durchschnittlichen Verständnis des
  Empfängers nicht Rechnung trägt,

SLK-GS 3.6 (Werbung mit Selbstverständlichkeiten):
Jede Werbung, die für einzelne Produkte bestimmte Eigenschaften
hervorhebt, ist irreführend und damit unlauter, wenn diese
Eigenschaften für die meisten dieser Produkte ohnehin zutreffen,
üblich oder vorgeschrieben sind.

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Fälle (I)
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Fall «Therapy» (BGer, U. v. 28.8.2006):
Anbieter Estée Lauder GmbH Zürich, Produktelinie Clinique Water Therapy
Erwägungen:
- Begriff Therapy / Therapie «vorrangig medizinische Bedeutung», damit
entsteht der Eindruck, «das Produkt verfüge über krankheitsheilende bzw.
-lindernde Eigenschaften», was gemäss LGV 31.3 nicht zulässig ist.

Fall «Alpecin forte» (BGer, U. v. 27.1.2009):
Anpreisung des Produktes (Haarshampoo):
«(...) geeignet für Personen mit besonders empfindlicher Haut (oder
überempfindlicher Haut), wie z.B. leichte Formen der Neurodermitis (...)».
Erwägungen:
«"Neurodermitis" ist eine Hautkrankheit; es handelt sich dabei um
degenerative Hauterkrankungen mit vermutlich "nervaler Beteiligung"».
«Hinweis der Eignung zur "Pflege" entsprechender Krankheitsbilder wird
vom verständigen Konsumenten im Werbeumfeld der Beschwerdeführerin
mit einer Heil- oder zumindest Linderungswirkung ihrer Produkte in
Verbindung gebracht (...)»

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Fälle (II)
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Fall «Codecheck» (SLKE v. 11.3.2015):

Aussage auf Website von Codecheck:
«Chemiekeule statt Pflege: Was in unserer Kosmetik steckt.»
«Diese Inhaltsstoffe machen krank:...» u.a.: 1,4 Dioxan
Dieser Inhaltsstoff ist in der Schweiz verboten (gemäss Liste/Anhang 4 der
VO des EDI über kosmetische Mittel, KosV).
Erwägungen:
«(...) es wird aber der irreführende Eindruck erweckt, dass die genannten
verkehrsfähigen Kosmetika diese Inhaltsstoffe aufweisen könnten. Für die
Hersteller solcher Kosmetika ist dieser irreführende Eindruck durchaus
auch herabsetzend (...).»
«Genauso irreführend und herabsetzend ist es, andere Inhaltsstoffe,
welche der Gesetzgeber in gewissen Mengen zulässt, pauschal als
problematisch darzustellen, ohne auf die gesetzlichen Toleranzwerte hinzu-
weisen.»

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Fälle (III)
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Fall «Attitude-Produkte» (SLKE v. 3.7.2013 und 18.9.2013):

Werbung:
«Ohne 1,4 Dioxan/Ethylenoxid» / «hypoallerénique»
«Kein Nachweis von krebserzeugenden Substanzen wie 1,4 Dioxan und
Ethylenoxid»
Erwägungen:
Gemäss KosV 2.3 dürfen Stoffe, welche im Anhang 4 aufgelistet sind, in
den kosmetischen Mitteln nicht enthalten sein, zB Ethylenoxid (Nr.182)
und 1,4 Dioxan (Nr.343). In kleinen Spuren dürfen sie jedoch enthalten
sein, wenn sie insbesondere nicht gesundheitsgefährdend sind (KosV 2.4).
Der Durchschnittskonsument versteht diese Werbung dahingehend, «dass
Konkurrenzprodukte gesundheitsgefährdend sind, während demgegenüber
die Produkte der Beschwerdegegnerin frei von Karzinogenen seien.»
Bei dieser Hervorhebung handelt es sich «um eine irreführende Werbung
mit Selbstverständlichkeit im Sinne des SLK-GS 3.6.»

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Weitere Tatbestände
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Werbung mit Testergebnissen

Nach SLK-GS 3.3.2 gelten bei der Durchführung und Kommunikation von
Tests die Gesichtspunkte der
- Neutralität
- Objektivität (Wahrheit, Klarheit)
- Sachlichkeit
- Transparenz
Wenn diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, liegt unlautere Werbung
vor (SLK-GS 3.3.3).

vgl. Fall «Codecheck»

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Verfahren
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-   Alle BGer-Entscheide wurden im verwaltungsrechtlichen Verfahren
    entschieden, keine Konkurrentenbeschwerden

-   einzige (bekannte) privatrechtliche Verfahren waren die Beschwerden
    von Konkurrenten bzw. Organisationen bei der SLK
    keine Beschwerden von einzelnen Konsumenten

-   Möglichkeit der unterschiedlichen Beurteilungen gegeben, da
    unterschiedliche
     - Verfahren / Instanzen
     - Rechtsgrundlagen (LMG/LGV bzw. UWG und SLK-GS)

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Schluss
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Diskussionspunkte:

-   Vergleich Verwaltungsverfahren – Selbstkontrolle
-   Fälle

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