Kroatien: Politische Geschichte im Überblick
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Historische Länder: Das Dreieinige Königreich (traditioneller Name, „diplomatische Benennung“ für Banalkroatien (im engeren Sinne), Slawonien und Dalmatien „kroatische Länder“ (in der nationalen Geschichtsschreibung): Das Dreieinige Königreich + Istrien
Kroatien im Mittelalter Einwanderung kroatischer Stämme im 6. und 7. Jahrhundert, gemeinsam mit anderen Südslawen Christianisierung und das Jahr 800 begonnen: westlicher (lateinischer) Einflussbreich auch östlicher (byzantinischer) Einfluss: Missionierung durch Kyrill und Methodius im 9. Jh. Liturgie in der „Volkssprache“
Im 9. Jahrhundert erste kroatische Herrschaftsbildungen in Dalmatien Tomislav (ca. 910-928) 925: Krönung zum König, Errichtung des Erzbistums Split „Kulturkampf“ zwischen dem lateinischen und glagolitischem Klerus (nationalkirchliche Tendenzen) 1094: Gründung des Bistums in Zagreb, enge Bindung Kroatiens an Ungarn
1102: Personalunion mit Ungarn 1527: Die Wahl des Habsburger Ferdinand I. zum kroatischen König. Kroatien, Slawonien und Dalmatien rechtlich weiterhin Länder der (ungarischen) Stephanskrone, Ferdinand auch ungarischer König Rechtliche Sonderstellung Kroatien innerhalb Ungarns auch nach dem Rückzug der Osmanen: eigene Ständevertretung (Sabor), der Banus als Vizekönig
Zentralisierungspolitik der Habsburger-Herrscher (Leopold I., Maria Theresia, Josef II.). Die Eigenständigkeit Ungarns und Kroatiens immer mehr eingeschränkt Reformpolitik im Bereich der Verwaltung, des Bildungswesen, der Wirtschaft Widerstand des Adels gegen Zentralisierung: Ende der 1660er Jahre ungarisch-kroatische Magnaten Verschwörung (Zrinski, Frankopani, Vesselený) Gegenstand der Mythologiserung durch die nationale Geschichtsschreibung bis heute („Nationalhelden“ im Kampf gegen „Germanisierung“). Ungarisch-kroatischer Streit um die „nationale Identität“ der Zrinski (Zrinyi)
In der ersten Hälfte des 19. Jh. Starke Magyarisierungstendenzen Widerstand der kroatischen Stände im kroatischen Sabor und im gemeinsamen ungarisch-kroatischen Landtag (in Buda, später in Preßburg) Die nationale Integrationsbewegung der Kroaten im 19. Jh. strebt die Vereinigung aller „kroatischen Länder“ an Definition der kroatischen Nation: In der ersten Hälfte des 19. Jh. „Nation“ (naord) = die politische Adelsnation, die das Land vor dem Herrscher vertritt.
Illyrische Bewegung entstanden in den 1830er Jahren In erster Linie eine antimagyarische Bewegung in der ersten Phase der Bewegung, Sprachenfrage im Mittelpunkt Ziel der Bewegung: Überwindung sprachlicher Regionalismen Schaffung einer einheitlichen kroatischen Sprache bzw. südslawischen Sprache Voraussetzung der kulturellen Einheit der Südslawen und der Slawen überhaupt. Träger der Bewegung: ein Teil des Adels und vor allem das aufkommende Bürgertum
Führende Persönlichkeit der Bewegung: Ljudevit Gaj (1809-1872) Vom Gedankengut Herders beeinflusst (die Idee der „Sprach- und Kulturnation“) Sprachliche Einheit der Südslawen als Ziel der Illyrischen Bewegung Voraussetzung für die kulturelle Einheit aller Südslawen Ablehnung der Bewegung durch Serben und Slowenen - Illyrismus (nur) eine kroatische Nationalbewegung
1843: Verbot des illyrischen Namens Folge: Etablierung des kroatischen Namens auf dem ganzen kroatischen ethnischen Territorium Voraussetzung für die Entstehung der modernen kroatischen Nation 1847: Kroatisch zur „diplomatischen und amtlichen Sprache“ in Kroatien vom Sabor erklärt Im gleichen Jahr Beschluss des ungarischen Landtags über die einheitliche „ungarische (magyarische) Nation“ auf dem ganzen Gebiet des „historischen Ungarn“ Im Revolutionsjahr 1848: Abbruch des staatsrechtlichen Verhältnisses zwischen Kroatien und Ungarn
Enttäuschung über die magyarische Nationalitätenpolitik in Kroatien. Hinwendung zum Austroslawismus Hoffnungen in Hinblick auf eine größere Autonomie Kroatiens auf Wien gesetzt. Konzeptionen zur Umgestaltung der Habsburgermonarchie Zur Zeit des Neoabsolutismus Konzentration auf Kulturtätigkeit (Kultur in Opposition zum Regime)
1867: Der österreichisch-ungarische Ausgleich. Zweiteilung der „kroatischen Länder: Kroatien und Slawonien in Ungarn ,Dalmatien und Istrien in Österreich Forderungen nach Vereinigung „aller kroatischen Länder“ erfolglos 1868: Der ungarisch-kroatische Ausgleich. Kroatien kein gleichberechtigter Partner. Kroatien eine eigene „politischen Nation“ im Rahmen der Länder der Stephanskrone: Beschränkte Autonomie im Innen-, Justiz- und Bildungsbereich
Nach dem Ausgleich zwei politische Blöcke/ Bewegungen: 1. die Nationalpartei (Narodna stranka) und 2. die Staatsrechtsbewegung (Stranka prava, Pravaštvo) Ad 1) Protagonisten: Josip Juraj Strossmayer, Franjo Rački Anknüpfen an die Illyrische Bewegung Ideologie der „nationalen Einheit“ von Serben, Kroaten und anderer Südslawen (Jugoslawismus) Begriff „kroatische politische Nation“ (auch Serben in Kroatien - als eigne „ethnische Gemeinschaft“ einbezogen)
Ad 2) Protagonisten: Ante Starčević und Eugen Kvaternik Großkroatische Ideologie (exklusiver Kroatismus, Pankroatismus) Berufung auf die „ungebrochene staatliche Tradition“ Kroatiens Begriff der „politischen Staatsnation“ im Zusammenhang mit der großkroatischen Konzeption
In Kroatien allgemein: Enge Verflechtung von (National)politik, Kultur, Literatur und Geschichtsschreibung Stichworte: Der Staatrechtsmythos (nicht nur in der Politik) Mythologisierung der Geschichte. Historiker und Dichter als Politiker und Nationalideologen patriotische Literatur, Musik und Geschichtsschreibung (der „staatsrechtliche Kampf“) Kultur, Kunst und Wissenschaft im Dienst der Nationalpolitik
Gründung der Universität Zagreb, der „Südslawischen Akademie der Wissenschaften und Künste“ (JAZU), der Nationalgalerie und des Nationaltheaters Wichtige Rolle der katholischen Kirche in der Nationalbewegung Mythologisierung der Geschichte Europäische Einflüsse (Aufklärung, Romantik, Historismus) Multiethnizität der kroatischen politischen und kulturellen Elite (Strossmayer, Gaj u.a.)
(Süd)slawische Solidarität (Gegensatz zu Europa?) Antun Gustav Matoš (1873-1914), kroatische Schriftsteller, über die „kroatische Nationalkultur“: „Da die größten sogenannten Nationalkulturen in Wirklichkeit nicht national sind, gibt es nichts Natürlicheres, als dass sich jene Mini- und Halbkulturen wie die kroatische, serbische oder bulgarische im Interesse ihrer eigenen Existenz mit den Errungenschaften fremder Kulturen bewaffnen... In der Kultur nur ein Kroate zu sein bedeutet ein sehr armer Kroate zu sein. Derjenige, der nur kroatische Kulturerrungenschaften kennt, könnte vielleicht gar nicht ein gebildeter Mensch sein. Die fremde Kultur ist das beste Teil der modernen kroatischen Kultur,
und wie die anderen Völker, können auch wir unsere eigene Kultur nur durch den Gebrauch fremder Kulturen schaffen... Renan war ein besserer Lehrer des Kroatentums als alle unseren Zeitungen. Die Jungfrau von Orleans könnte ebenso ein kroatisches Nationalideal sein wie Brutus und Cäsar französische Nationalideale waren. Die mächtigste Nationalkultur ist diejenige, die im Stande ist, aus allen anderen Kulturen ein Nutzen zu ziehen. Paris, Berlin und London sind nicht Produkte einer sondern aller Kulturen.
Wir werden erst dann kultiviert sein, wenn alle wichtigen modernen Kulturströmungen in unserem Leben und in unserer Sprache einen Ausdruck finden, wenn das Kroatentum, wie die französische und deutsche Kultur, zu einem Rahmen für die Bestrebungen der gesamten Kulturmenschheit wird.“
Exkurs: Die Sonderstellung Dubrovniks Große Bedeutung vor allem in kultureller Hinsicht für Kroatien, für den gesamten slawischen Süden und Südosteuropa überhaupt Gegründet im 7. Jh. (ursprünglich romanische Bevölkerung, später slawische Freie Adelsrepublik unter der Oberhoheit des Byzanz (bis 1205), der Republik Venedig (bis 1358), Ungarns ( bis 1526), des Osmanischen Reiches (bis 1806) 1808 durch Napoleon aufgelöst – Illyrische Provinzen 1815-1918: österreichisch Bedeutendes wirtschaftliches und kulturelles Zentrum Südosteuropas Östliche und westliche Einflüsse
In den 1880 Jahren Beginn des kroatisch-serbischen Konflikts 1881 Gründung der Selbständigen Serbischen Partei (pan- bzw. großserbische Ideologie). Intensive Kontakte mit dem „serbischen Mutterland“. Konflikt mit den kroatischen Parteien „programmiert“ Kroatisch-magyarischer Konflikt Aufstieg der Staatsrechtsbewegung während der Amtszeit des Banus Károly Khuen-Héderváry (1883- 1903).
Magyarisierungspolitik, Zusammenarbeit mit serbischen Politikern in Kroatien 1904: Gründung der Kroatischen Bauernpartei (Stjepan Radić) Die Ideologie der Bauernpartei: Das Bauerntum = kroatisches Volk, das kroatische historische Staatsrecht als Grundlage, der Gedanke der „nationalen Einheit“ von Kroaten und Serben + Austroslawismus Gesamtslawische Solidarität (die Tschechen als Vorbild in politischer und kultureller Hinsicht)
1918: Vereinigung der „kroatischen Länder“ mit Serbien und Montenegro Verlust der „kroatischen Staatlichkeit“ Aufhebung des Landtags (Sabors) Abschaffung des Banus-Amtes neue administrative Einteilung: „Zerstörung“ der historischen Einheiten keine Autonomie Kroatiens im neuen Staat „großserbischer Zentralismus“ (Die Vidovdan- Verfassung 1921)
Administrative Gliederung des Königreiches 1922 in „oblasti“ (Landkreise)
Im ersten jugoslawischen Staat (bis 1939) keine politische Autonomie für Kroatien (Abschaffung des Sabors und des Banusamtes) „Fundamentalopposition“ der Bauernpartei gegen Belgrad: Föderalisierungsforderungen abgelehnt. Zugeständnisse 1939: „Banovina Hrvatska“
Jugoslawien als „erweitertes Serbien“ gesehen - Durchsetzung des (groß)serbischen Konzepts Kroatien als „Opfer“ (Stjepan Radić als Symbolfigur, ermordet im Belgrader Parlament 1928) Vorwurf der wirtschaftlichen Ausbeutung Kroatiens durch Belgrad und der „Serbisierung kroatischer Kultur und Sprache“ begrenzte Autonomie in „Banovina Hrvatska“ (1939- 41) Die katholische Kirche als „Bollwerk“ des Kroatentums (A. Stepinac)
Der „Unabhängige Staat Kroatien“ (NDH) 1941-45: das Ustaša-Regime radikaler Antiserbismus und Antijugoslawismus Politik der “Rekroatisierung” radikale “(End)lösung der serbischen Frage”: Ermordung, Vertreibung, Zwangsassimilation (Zwangskonversion der orthodoxen Bevölkerung zum Katholizismus )
die kroatische Partisanenbewegung im Rahmen des gesamtjugoslawischen Widerstandes der neue föderalistische (titoistische) Jugoslawismus (A. Hebrang F. Tuđman) ZAVNOH als Keim der “neuen kroatischen Staatlichkeit” (nach sowjetischem Vorbild)
Kroatien im Zweiten Jugoslawien Kroatien als eine der „Sozialistischen Republiken“ im kommunistischen Jugoslawien „Wiedererlangen der Staatlichkeit“ (Landesparlament/ Sabor) KP Kroatiens im Rahmen der KPJ autonomistische und nationalistische Tendenzen “Kroatischer Frühling” (“Die Massenbewegung”) 1968- 1971 die „drohende serbische Hegemonie“ als Feindbild (A. Ranković als Symbol des “großserbischen Revisionismus) Vorwurf der wirtschaftlichen Benachteiligung Kroatien und der Unterdrückung der kroatischen Kultur und Sprache
Desintegration Jugoslawiens: Loslösung von Belgrad Anknüpfen an die föderlistische Tradition im Ersten Jugoslawien (S. Radić und die Bauernpartei, Banovina Hrvatska) Fortsetzung der “68er - Bewegung”(der „zweite kroatische Frühling“ ) neuer/alter kroatischer Nationalismus F. Tuđman und die HDZ Renaissance der Staatsrechts- und der Ustašaideologie (HSP, HOS) Antiserbismus und Antijugoslawismus Feindbild “Serbo- bzw. Jugokommunismus”, neuer kroatischer Militarismus (Tuđman)
neuer kroatischer Staat als Verwirklichung des “tausenjährigen Traumes” gesehen Ideologie der “Versöhnung aller Kroaten” (Tuđman) Katholische Kirche als Bollwerk des Kroatentums (Antijugoslawismus und Antieuropäismus) (angestrebte) europäische Integration: “Entjugoslawisierung” und “Entbalkanisierung” (Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis)
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