Lawinenreport Lawinenereignisse in Österreich im Winter 2001/02 - Bergundsteigen

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Lawinenreport
Lawinenereignisse in Österreich im Winter 2001/02

von Raimund Mayr

Das Kuratorium für Alpine Sicherheit beschäftigt sich seit Jahrzehnten
mit den Unfällen in den österreichischen Bergen. Gerade diese Aus-                                                           C Raimund Mayr
einandersetzung zeigt, dass ein Großteil der BergsteigerInnen die
Touren mit Bedacht und Vorsicht durchführen und - trotz manchmal
gegenteiliger Behauptungen - unsere Berge kein „Tollhaus“ der Kopf-
losen und Hasardeure sind. Dennoch passierten auch im vergange-
nen Winter 79 Lawinenunfälle, denen nicht weniger als 17 Winter-
sportlerInnen zum Opfer fielen. Raimund Mayr stellt nachfolgend
                                                                                                                             Lawine
ausgewählte Unfälle des vergangenen Winters dar.

Lawinen im Sommer ...                und wurden mit dem Notarzthub-
                                     schrauber abtransportiert.
18. September 2001
Zamangspitze, Gemeinde               Achtung:
St. Gallenkirch, Vorarlberg
                                     Oberflächensuche!
3 Beteiligte, 3 erfasst,
2 unverletzt, 1 verletzt             1. Dezember 2001

Drei Arbeiter wurden um ca.          Zischgeles, Gemeinde
13 Uhr im Südhang der Zamang-        St. Sigmund, Tirol
spitze von einer Nassschneela-       4 Beteiligte, 4 erfasst,
wine ca. 50 m über steiles           2 verletzt, 2 tot
Gelände mitgerissen, jedoch nicht    Gegen 9.00 Uhr trafen 3 Perso-                                         Lawinenbahn
verschüttet. Eine Person wurde       nen in Praxmar (Sellraintal) ein,
schwer verletzt.                     während der Anfahrt entschlos-
                                     sen sie sich, den „Zischgeles„
20. September 2001                   (3005m) zu besteigen. Kurze Zeit                                       Aufstieg
Großer Bärenkopf, Gemeinde           später startete eine Skitourenge-
Kaprun, Salzburg                     herin unabhängig von dieser
                                     Gruppe ebenso zum Zischgeles.
13 Beteiligte, 13 erfasst,           Sie war eigenständig unterwegs
10 unverletzt, 3 verletzt            und mit LVS-Gerät ausgerüstet.
13 Personen, die von einem           Von der Dreiergruppe verwendete
Bergführer begleitet wurden,         eine Person kein LVS-Gerät.
durchstiegen mit Steigeisen          Da eine alte Aufstiegsspur nur      2. Jänner 2002: Haglertal, Gemeinde Häselgehr, Tirol; 5 Beteiligte, 5
(angeseilt) die Bärenkopf Nord-      teilweise erkennbar war, mussten    erfasst, 2 unverletzt, 1 verletzt, 2 tot
wand. Auf einer Höhe von 3350        die Tourengeher selbst eine neue
m lösten sie um ca. 15.00 Uhr in     Spur anlegen. Es schneite leicht
der 48 Grad steilen Wand ein         und die Sicht war durch Nebel       zur Gruppe aufschloss und teil-       der alle erfasst und unterschied-
Schneebrett aus, das alle mitriss.   eingeschränkt. Auf ca. 2100 m       weise Spurarbeit verrichtete.         lich weit mitgerissen wurden.
Wegen der geringen                   hatte eine Teilnehmerin der Drei-   Gegen 12.45 Uhr befand sich der       Zwei Personen wurden 180 bzw.
Schneemächtigkeit wurde jedoch       ergruppe „Fellprobleme“, sie        Führende auf einer Höhe von           270 cm verschüttet, vom einem
niemand verschüttet. Nur drei        wurde von der nachfolgenden         2700 m, als eine großflächige         Tourengeher ragte noch die
Personen erlitten Verletzungen       Einzelgängerin überholt, die auch   Schneebrettlawine losbrach, von       rechte Hand aus dem Schnee

                                                      Berg & Steigen                4/02
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und auch die Einzelgängerin         prüfung der LVS-Geräte erfolgte                                 Gruppe gut ausgerüstet war, star-                                lungen in den Expositionen WSE
wurde total verschüttet. Diese      jedoch nicht.                                                   tete der Unfallbeteiligte mit dem                                bis OSO.
befand sich jedoch nur knapp        Aufgrund der unterschiedlichen                                  LVS-Gerät die Suche auf dem
unter der Schneeoberfläche und      Gehgeschwindigkeiten ergaben                                    oberen Ablagerungskegel auf                                      Alleingänger ...
nachdem sie sich das Gesicht        sich während des Aufstieges ver-                                einer Seehöhe von ca. 2640 m.
etwas freilegen konnte, begann      schiedene Abstände. Sicherheits-                                Wenig später wurde ein Verschüt-                                 27. Dezember 2001
sie um Hilfe zu rufen.              oder Entlastungsabstände wur-                                   teter geborgen, da ein Ski aus                                   Wannakopf, Gemeinde
Zwei nachfolgende Tourengeher,      den nicht eingehalten. Zwei Per-                                dem Schnee ragte. Aufgrund der                                   Bartholomäberg, Vorarlberg
verständigten um 12.58 Uhr mit-     sonen drehten auf einer Seehöhe                                 schweren Kopfverletzungen dürfte
                                                                                                                                                                     1 Beteiligter, erfasst, tot
tels Handy die Bergrettung. Bis     von ca. 2800 m um.                                              dieser jedoch sofort tot gewesen
zum Eintreffen des Notarzthub-                                                                      sein.                                                            Ein staatl. geprüfter Skilehrer und
                                    Ein Gruppenteilnehmer war                                                                                                        -führer ging um ca. 13 Uhr allein
schraubers konnten die Ersthelfer                                                                   Der zweite Tourengeher wurde
                                    Fachübungsleiter des DAV für Ski-                                                                                                von zu Hause weg auf Skitour.
die nur gering verschüttete,                                                                        noch die gesamte W- Flanke mit-
                                    bergsteigen, die restlichen hatten                                                                                               Bei Einbruch der Dunkelheit
geschockte Einzelgängerin                                                                           gerissen und von dem auf der
                                    zwar alpine Erfahrung jedoch                                                                                                     erstattete seine Frau um ca. 17.50
befreien. Erst im Laufe der Erst-                                                                   Darmstätter Hütte zurückgebliebe-
                                    keine Qualifikation. Der Fachü-                                                                                                  Uhr die Abgängigkeitsanzeige.
versorgung sagte diese, dass ver-                                                                   nen Gruppenmitglied, der Rich-
                                    bungsleiter verließ mit zwei wei-                                                                                                Um 20.20 Uhr konnte er von
mutlich noch weitere drei Perso-                                                                    tung St. Anton abfahren wollte,
                                    teren Personen das angepeilte                                                                                                    Bergrettern mittels LVS-Gerät geor-
nen verschüttet waren. Gegen                                                                        auf einer Seehöhe von ca. 2250
                                    Ziel Scheidjöchl Richtung Saum-                                                                                                  tet werden. Die Ermittlungen er-
13.40 Uhr konnte auch die Per-                                                                      m gefunden. Er hatte vom Lawi-
                                    spitze (3039 m). Sie erreichten                                                                                                  gaben, dass er von einer Schnee-
son mit der herausragenden                                                                          nenunglück vorerst nichts mitbe-
                                    nach einigen steileren Gelände-                                                                                                  brettlawine, die er bei der Abfahrt
Hand ausgegraben werden, sie                                                                        kommen, durch die Zurufe seiner
                                    abschnitten die SW-Flanke der                                                                                                    vom Wannaköpfle in einem ca.
war bereits bewusstlos. Eine wei-                                                                   Kameraden wurde er jedoch auf
                                    Saumspitze. Der Führende legte                                                                                                   40 Grad steilen NW-Hang aus-
tere Person konnte mittels LVS                                                                      die Katastrophe aufmerksam.
                                    die Spur mit Spitzkehren am                                                                                                      gelöst hatte, ca. 500 m mitgeris-
geortet und um 15.55 Uhr in 270                                                                     Rasch konnte er den Verschütte-
                                    rechten Rand der eingewehten                                                                                                     sen und 80 cm tief verschüttet
cm Tiefe freigelegt werden. Sie                                                                     ten bergen, da ein Schuh aus
                                    Mulde an. Auf einer Seehöhe von                                                                                                  wurde. Die Verschüttungsdauer
war bereits tot. Der zum Unfall-                                                                    dem Schnee herausragte.
                                    2950 m löste sich oberhalb sei-                                                                                                  betrug ca. sieben Stunden.
zeitpunkt Führende, der kein LVS-                                                                   Der Kopf lag ca. 1 m unter der
                                    nes Standorts ein Schneebrett mit
Gerät bei sich trug, wurde um                                                                       Schneeoberfläche. Der Verschüt-
                                    einer Breite von 60 m und einer                                                                                                  28. Dezember 2001
16.58 Uhr von einem Lawinen-                                                                        tete wies tödliche Verletzungen
                                    Anrisshöhe bis 1 m, das ihn
hund geortet, auch er konnte nur                                                                    auf.                                                             Lidaun, Gemeinde Hof bei
                                    jedoch nicht erfasste. Die beiden
noch tot geborgen werden.                                                                                                                                            Salzburg, Salzburg
                                    nachfolgenden Kameraden wur-                                    Der Lawinenlagebericht von Tirol
Die ausgelöste „weiche Schnee-                                                                                                                                       1 Beteiligter, erfasst, tot
                                    den hingegen von der Lawine ca.                                 gab vom 7. bis 9. Dezember 2001
brettlawine“, die teilweise bis
                                    400 m bzw. 800 m über teil-                                     Gefahrenstufe 3. Im Text wird                                    Beim Aufstieg zum Lidaun löste
zum Boden durchbrach, war
                                    weise senkrechtes felsiges                                      nach Höhenstufen differenziert:                                  ein Tourengeher auf einer See-
außerordentlich mächtig. Der
                                    Gelände mitgerissen.                                            unterhalb etwa 2200 m herrscht                                   höhe von ca. 1000 m in einem
Anriss befand sich in einer See-
höhe von 2795 m, der Auslauf        Der von der Lawine nicht Erfasste                               verbreitet mäßige Lawinengefahr,                                 30 bis 38 Grad steilen NNO-Hang
auf ca. 2385 m. Die Anrissbreite    verständigte sofort die nachkom-                                oberhalb 2200 m erhebliche                                       um ca. 11.00 Uhr ein Schneebrett
betrug 350 m, die Anrisshöhe bis    menden Gruppenmitglieder, um                                    Lawinengefahr. Die Gefahrenstel-                                 aus, wurde erfasst und 1,5 m tief
90 cm. Die Steilheit des NW-Han-    12.38 Uhr wurde der Unfall mit-                                 len beziehen sich auf schlecht                                   verschüttet. Nachdem seine Gat-
ges beträgt 33 bis 35 Grad.         tels Handy gemeldet. Da die                                     gebundene Triebschneeansamm-                                     tin die Abgängigkeit meldete,
Am 1.12.2001 legt der Lawinenla-
gebericht für den hochalpinen
Bereich eine erhebliche Lawinen-                               Tödliche Lawinenunfälle in Österreich 1980/81 bis 2001/02
gefahr (Stufe 3) fest, wobei sich
die Gefahrenstellen im kammna-       60
hen Gelände aller Expositionen
und in allen eingewehten Mul-        50
den und Rinnen, vornehmlich in
den Expositionen SW bis O befin-
den.                                 40

9. Dezember 2001                     30
Saumspitze,
Gemeinde St. Anton, Tirol
                                     20
3 Beteiligte, 2 erfasst, tot
Gegen 8.45 Uhr startete eine         10
Gruppe von sieben Skitourenge-
hern von der Darmstätter Hütte in
Richtung Schneidjöchl (2841 m).       0
                                           80/81

                                                   81/82

                                                            82/83

                                                                    83/84

                                                                            84/85

                                                                                    85/86

                                                                                            86/87

                                                                                                    87/88

                                                                                                            88&89

                                                                                                                    89/90

                                                                                                                            90/91

                                                                                                                                    91/92

                                                                                                                                            92/93

                                                                                                                                                    93/94

                                                                                                                                                            94/95

                                                                                                                                                                    95/96

                                                                                                                                                                            96/97

                                                                                                                                                                                    97/98

                                                                                                                                                                                            98/99

                                                                                                                                                                                                    99/00

                                                                                                                                                                                                            00/01

                                                                                                                                                                                                                    01/02

Alle waren mit LVS-Geräten und
Lawinenschaufeln ausgerüstet,
                                     Quelle: Bundesministerium für Inneres
eine gegenseitige Funktionsüber-

                                                           Berg & Steigen                                           4/02
32
konnte der Alleingänger erst           20.50 Uhr konnte eine Person im     5. März 2002                         und wurde in einer teils senk-
gegen 16.30 Uhr bei einem plan-        Lawinenkegel geortet werden, die    Flimspitze, Gemeinde Ischgl,         rechten Sturzbahn ca. 100 m mit-
mäßigen Einsatz geortet und tot        Fingerspitzen einer Hand ragten     Tirol                                gerissen und nachfolgend ca. 80
geborgen werden. Er trug kein          aus den Schneemassen.                                                    cm tief verschüttet. Er trug kein
                                                                           3 Beteiligte, 1 erfasst, verletzt
LVS-Gerät und wurde mittels Son-       Es wurde sofort mit den Wieder-                                          LVS-Gerät und wurde bei einem
dieren gefunden.                       belebungsmaßnahmen begon-           Ein staatl. geprüfter Schweizer      planmäßigen Einsatz mittels Son-
                                       nen. Im Krankenhaus Zams            Skilehrer befand sich mit zwei       dieren nach ca. 1,5 Stunden tot
31. Dezember 2001                      konnte nur mehr der Tod festge-     Personen im Bereich des Flimjo-      gefunden.
                                       stellt werden.                      ches auf Skitour. Sie waren mit
Stubaier Gletscher,
                                                                           LVS-Geräten ausgerüstet. Am          1. Jänner 2002
Gemeinde Neustift, Tirol
                                                                           westlichen Auslauf der Flimspitz,
1 Beteiligter, erfasst, tot            Geglückte                           oberhalb der Idalpe, in ca. 2500
                                                                                                                Valfagehr, Gemeinde Klösterle,
                                       Kameraderettung ...                                                      Vorarlberg
Gegen 15.30 Uhr fuhr ein Skifah-                                           m Seehöhe, stieg die Gruppe zu
rer allein von der Mittelstation der                                       einem Geländevorsprung auf, um       2 Beteiligte, 2 erfasst,
                                       28. Dezember 2001
Stubaier Gletscherbahn zur Talsta-                                         die weitere Abfahrt zu erkunden.     1 unverletzt, 1 tot
                                       Schwarzhorn, Gemeinde               Während der Führer einer Teilneh-
tion Mutterberg ab. Auf ca. 2300                                                                                Um ca. 14.30 Uhr verließen zwei
                                       Tschagguns, Vorarlberg              merin half, fuhr der zweite in
m verließ er das organisierte Ski-                                                                              Skifahrer auf einer Seehöhe von
gebiet und querte in die 35 bis        8 Beteiligte, 1 erfasst,            einen 43 Grad steilen, stark ein-    2200 m die Skipiste Nr. 17 und
40 Grad steilen Osthänge des           unverletzt                          gewehten                             fuhren im Bereich der Skiroute
Egesengrates. Auf ca. 2000 m           Eine Skitourengruppe ist gegen      NO-Hang ein. Dabei löste sich        Pfannenkopf ab. Sie lösten in
löste sich ein Schneebrett, wel-       12.20 Uhr von der Tilisunahütte     über ihm ein ca. 15 bis 20 m         einem 38 Grad steilen Südhang
ches den Skifahrer mitriss. Im         wegen der Lawinengefahr in          breites Schneebrett.                 ein Schneebrett aus, das beide
Bereich des Fernaubaches stau-         Sicherheitsabständen in Richtung    Der Skitourengeher (und sein         mitriss. Während sich einer nach
ten sich die Schneemassen, der         Latschau abgefahren. Auf ca.        Hund) wurden über steiles und        ca. 60 m selbst befreien konnte
Skifahrer wurde ca. 50 cm tief         1900 m hatte der Gruppenerste       felsiges Gelände ca. 100 m mit-      und unverletzt blieb, wurde der
verschüttet. Eine Augenzeugin          unterhalb des Schwarzhornsattels    gerissen und total verschüttet.      andere 400 m über felsiges
verständigte die Pistenrettung.        bei der Einfahrt in einen 40 Grad   Der Skilehrer konnte diesen mit      Gelände mitgerissen und gering
Der Verschüttete konnte um 16.50       steilen NO-Hang ein ca. 80 m        dem LVS-Gerät rasch orten. Zwei      veschüttet. Trotz rascher Ortung
Uhr von einem Lawinensuchhund          breites Schneebrett ausgelöst.      Mann der Pistenrettung kamen         mittels LVS-Gerät konnte der Vari-
im oberen Teil des Stauchwalles        Die Anrisshöhe betrug maximal       dem Skilehrer zu Hilfe und konn-     antenfahrer nur noch tödlich ver-
in einer Tiefe von 50 cm geortet       80 cm. Er wurde ca. 130 m weit      ten den Verschütteten nach ca.       letzt geborgen werden.
und in der Folge ausgegraben           mitgerissen und 1,5m tief ver-      5 Minuten aus ca. 75 cm Tiefe
werden. Er wurde noch vom NAH          schüttet. Mittels LVS-Gerät konn-   lebend bergen.                       Große
nach Innsbruck geflogen, wo er         ten die übrigen den Kameraden
um ca. 18 Uhr verstarb.                orten und nach ca. 15 Minuten       Kommentar:
                                                                                                                Verschüttungstiefen ...
                                       unverletzt bergen. Er wurde zur     Natürlich gibt es jeden Winter       2. Jänner 2002
2. Jänner 2002                         Kontrolle ins Krankenhaus Feld-     eine Vielzahl erfolgreicher Kame-    Haglertal, Gemeinde Häselgehr,
Masnerskigebiet,                       kirch geflogen.                     radenrettungen, ohne dass etwas      Tirol
Gemeinde Serfaus, Tirol                                                    davon bekannt wird. Gerade die
                                                                           angeführten Beispiele zeigen         5 Beteiligte, 5 erfasst,
                                       13. Feber 2002
1 Beteiligter, erfasst, tot                                                jedoch deutlich, dass der Kame-      2 unverletzt, 1 verletzt, 2 tot
                                       Schwarzkopf, Gemeinde
Im Laufe des Nachmittags dürfte                                            radenrettung eine entscheidende      Eine 4-köpfige Tourengruppe stieg
                                       St. Gallenkirch, Vorarlberg
der getötete Skifahrer den organi-                                         Rolle im Falle einer Lawine          durch das Haglertal auf. Eine Per-
sierten Skiraum verlassen haben        18 Beteiligte, 1 erfasst,           zukommt. Ausreichendes Üben          son blieb bei der Haglertalhütte
und im Bereich der Masner Alpe         unverletzt                          und adäquate Ausrüstung sind         zurück, weil ihm die Situation zu
alleine talwärts gefahren sein. Er     Achtzehn US-Sodaten unternah-       dafür unabdingbare Vorausset-        gefährlich erschien, was sie aber
fuhr einen engen Graben ab und         men im Bereich der Silvretta        zung.                                der restlichen Gruppe nicht mit-
löste an beiden bis 50 Grad stei-      Nova eine Tour zum Schwarzkopf.                                          teilte. In einem Abstand von ca.
len nach SO und NW gerichteten         Im Bereich der Aufstiegsspur fuhr   Abseits                              40 Minuten folgte ein einheimi-
Flanken insgesamt vier Schnee-         die Gruppe wieder ab.                                                    scher Tourengeher mit seinem
bretter aus. Der Skifahrer wurde       Gegen 12.50 Uhr löste sich auf      gesicherter Pisten ...               Sohn. Die Gefahrenhinweise des
ca. 100 m mitgerissen und ver-         einer Seehöhe von 2200 m in         28. Dezember 2001                    Zurückgebliebenen der ersten
schüttet.                              einem Nordhang ca. 200 m ober-                                           Gruppe schlugen auch die Einhei-
                                                                           Steinplatte, Gemeinde Unken,
Um 18.20 Uhr erstattete die Ehe-       halb der Gruppe ein etwa 60 m                                            mischen in den Wind und setz-
                                                                           Salzburg
frau Abgängigkeitsanzeige. Vorerst     breites Schneebrett, riss den                                            ten die Tour fort. Beim sogenann-
wurde die Suche durch die Fahrer       Gruppenletzten ca. 150 m mit        2 Beteiligte, 1 erfasst, tot         ten Stein bog die Spur vom
der Pistenfahrzeuge der Skige-         und verschüttete ihn ca. 50 cm      Auf der Steinbergabfahrt verließen   Talgrund in Richtung „Wolegglen“
biete Serfaus und Fiss, Seilbahn-      tief.                               zwei Personen um 11.30 Uhr die       ab, die Nachkommenden blieben
bediensteten und Alpingendar-          Die Anrisshöhe betrug durch-        Piste. Während der Snowboarder       im Talgrund Richtung Luxnacher
men vorgenommen. Ein Pisten-           schnittlich 60 cm. Die übrigen      am Anfang des 40 Grad steilen        Sattel.
gerätefahrer der Seilbahn Kom-         beobachteten den Lawinenab-         NNO-Hanges stehen blieb, fuhr        Um ca. 13.00 Uhr querte die Drei-
perdell konnte gegen 19.30 Uhr         gang und konnten den Verschüt-      der Skifahrer, ohne anzuhalten, in   ergruppe auf ca. 2100 m in eine
eine Skispur feststellen, die zu       teten nach ca. 10 Minuten orten     den Hang ein. Er löste dabei ein     schwach ausgeprägte Mulde, es
einem Lawinenkegel führte. Um          und bergen. Er blieb unverletzt.    ca. 50 m breites Schneebrett aus     löste sich ca. 100 m oberhalb

                                                        Berg & Steigen                 4/02
33
von ihnen ein mächtiges Schnee-
brett. Die beiden Einheimischen                                                                                                C Raimund Mayr
befanden sich zu diesem Zeit-
punkt ca. 400 m unterhalb des
Lawinenabbruches im Talgrund                                              Skigebiet
des Haglertales. Während zwei                                             Grubenkopf
Personen nach ca. 100 m an der
Oberfläche zum Stillstand kamen,
wurde die dritte der Gruppe bis
zum Talboden mitgerissen und
oberflächlich verschüttet. Vater
und Sohn, die sich im Talgrund
direkt in der Lawinenbahn befan-
den, wurden von den Schnee-
massen erfasst und 2 m bzw.
                                                                                                                                              X
4 m tief verschüttet.                                                                                                            Unglücksstelle
Während sich die Teilverschüttete
eine Knieverletzung zuzog, konn-
ten die einheimischen Tourenge-
her nur noch tot geborgen wer-
den. Die beiden Personen wurden
zwar rasch mittels LVS-Gerät
geortet, für das Freischaufeln
                                      C Raimund Mayr
benötigten die Retter jedoch 1,5
bzw. 2,5 Stunden.
Der Anstieg führte vom Haglertal                                                                             Bergstation
durch die Südostflanke zu den
mäßig steilen Wolegglen.
                                                                              pur
Der SO-Hang weist Verflachungen                                          iegss
auf, im Anrissbereich beträgt die                                   Aufst
Neigung 37 Grad. Die Anrisshöhe
schwankte zwischen 30 und
90 cm.                                                                      Auslauf
Am 2. Jänner 2002 bestand in
Nordtirols Tourengebieten laut
Lawinenlagebericht erhebliche                                                                  Nordhang bis 45 0
Lawinengefahr. Gefahrenstellen
für trockene Schneebrettlawinen
liegen dabei vor allem in steilen
sowie kammnahen Hängen aller
Expositionen oberhalb von etwa
1800 m.

Lawinengefahr
= Lebensgefahr!
3. März 2002
Riffelseegebiet, Gemeinde
St. Leonhard i. Pitztal, Tirol
19 Beteiligte, 19 erfasst, 9 total
verschüttet, 2 verletzt, 2 tot
Um ca. 10.30 Uhr brach eine
17-köpfige Alpenvereins-Touren-
gruppe bei dichtem Nebel von
der Bergstation der Riffelseebahn
in Richtung Wurmtaler Kopf auf.
Die Gruppe wurde von einem
Bergführer und einem Lehrwart
geleitet. Unabhängig von der
Gruppe gingen zwei Skitouristen        C A. Ermacora
voraus. Im flachen bis leicht
ansteigenden Gelände, auf einer      3. März 2002: Riffelseegebiet, Gemeinde St. Leonhard i. Pitztal, Tirol; 19 Beteiligte, 19 erfasst, 9 total ver-
Seehöhe von ca. 2250 m löste         schüttet, 2 verletzt, 2 tot

                                                  Berg & Steigen                     4/02
34
sich vom Nordhang des Gruben-          lagebericht war höhenabhängig
kopfes ein ca. 800 m breites           gestaffelt und sprach oberhalb           Verteilung der Lawinenunfälle 2001/02
Schneebrett, das alle Tourengeher      von etwa 2300 m von erheb-               nach Bundesland
auf dem Talboden erfasste. Neun        licher Lawinengefahr.
Personen wurden dabei vollstän-
dig verschüttet.                                                                Bundesland       Unfälle   Beteiligte    Erfasste Unverletzte    Verletzte        Tote
Durch gute Kameradenrettung
                                       Eisschlag
und einen organisierten Rettungs-      als Lawinenauslöser                      Vorarlberg          20              47          19         11           6           2
einsatz konnten die Verschütteten                                               Tirol               47          153             89         60         17           12
                                       26. April 2002
rasch geborgen werden. Für zwei
Personen kam trotzdem jede Hilfe       Östliche Simonyspitze,                   Salzburg               5            19          17         11           4           2
zu spät.                               Gemeinde Prägraten, Tirol
Der Unfallhang dreht von Nordost                                                Oberösterreich         4            12          10          6           3           1
                                       19 Beteiligte, 11 erfasst,
bis Nord und weist eine maxi-          9 unverletzt, 1 verletzt, 1 tot          Niederösterreich       2            1            1          0           1           0
male Neigung von 45 Grad auf.
Die Anrissmächtigkeit betrug 30        Drei voneinander unabhängige
                                                                                Kärnten                0            0            0          0           0           0
bis 200 cm, die maximale Ver-          Gruppen aus Italien unternahmen
schüttungstiefe 3 Meter, die           von der Essener-Rostocker Hütte          Steiermark             1            3            1          0           1           0
maximale Verschüttungsdauer            aus eine Skitour zur östlichen
                                       Simonyspitze (3488 m). Als die           Gesamt              79         235          137            88         32          17
eine Stunde.
Der Schneedeckenaufbau im              Führungsgruppe gegen 10.30 Uhr
Unfallhang war überaus labil, die      in ca. 3150 m Seehöhe unterhalb
Altschneedecke hatte sich auch         einer Seraczone querte, brach ein        Verteilung der Lawinenunfälle 2000/01
in mittleren Lagen (nordseitig)        ca. 20 m hoher Eisturm ab, wel-          nach Unfallart
weder gesetzt noch verfestigt. Die     cher eine Nassschneelawine aus-
Hälfte der teilweise nur 70 cm         löste und die darunter liegende                                     Anzahl    Beteiligte Erfasste Unverletzte Verletzte Tote
mächtigen Schneedecke bestand          Gletscherflanke auf eine Länge
                                       von ca. 150 m und einer Breite           Offene Straßen-
aus umgewandelten, sehr locke-
                                       von ca. 40 m bis 2 m hoch ver-           verbindungen                   2            4          4         0            4     0
ren Kristallen. Der offizielle Lawi-
nenlagebericht vom Samstag den         schüttete. Von dieser Eis-Schnee-
                                                                                Piste, Route,
2. März spricht von einer über-        lawine wurden 11 Personen
                                                                                Loipe - gesperrt               1            0          0         0            0     0
wiegend mäßigen Lawinengefahr,         erfasst. 8 Tourengeher wurden
der Lawinenlagebericht vom             teilweise, 3 Tourengeher total ver-      Piste, Route,
Sonntag geht oberhalb von 2500         schüttet. Diese konnten von ihren        Loipe - offen                  5            0          0         0            0     0
m von einer verbreitet erhebli-        Begleitern mittels LVS-Geräten
                                       geortet und nach ca. 30 Minuten          Lawinensprengung               0            0          0         0            0     0
chen Lawinengefahr aus.
                                       ausgegraben werden. Von diesen           Variante - Skifahrer          17           51         25        17            4     3
                                       blieb eine Person unverletzt, eine
4. März 2002                                                                    Variante - Snowboarder 13                 22          12         7            5     1
                                       konnte leicht verletzt geborgen
Weitkarspitze,                         werden. Jener Tourengeher, der           Variantenbereich               6            0          0         0            0     0
Gemeinde St. Sigmund, Tirol            ca. 2 m tief verschüttet war, erlitt     Skitourengeher                29         137          75        50           13 12
2 Beteiligte, 2 erfasst,               tödliche Verletzungen.
1 unverletzt, 1 tot                    Die Südostflanke der Simonyspit-         Gebäude - Siedlungen           3            3          3         0            2     1
Zwei Tourengeher unternahmen           zen wird bis zu den Gipfeln vom          Bei der Arbeit                 1            3          3         2            1     0
von Haggen aus eine Skitour auf        spaltenreichen Simonykees gebil-
                                                                                Bundesheer                     0            0          0         0            0     0
die Weitkarspitze (2947 m). Vom        det. Auf dem Weg zur östlichen
Gipfel fuhren sie nordöstlich in       Simonyspitze muss die Serac-             Vorfall bei der Jagd           1            2          2         2            0     0
Richtung „Kraspessee„ ab. Auf          zone mit der darunter liegenden          Bergsteigen u. -wandern 1                 13          13        10            3     0
einer Seehöhe von ca. 2600 m           ca. 30 Grad steilen Gletscher-
löste sich ein Schneebrett, das        flanke gequert werden. Zum               Beim Spielen                   0            0          0         0            0     0
beide erfasste. Während der            Unfallzeitpunkt waren die mei-           Gesamt                        79         235         137        88           32 17
Mann noch aus der Lawine her-          sten Spalten von einer dicken
ausfahren konnte, wurde die vor-       Schneeauflage überdeckt. Daher
ausfahrende Partnerin mitgerissen      kam es beim Lawinenabgang              Sonneneinstrahlung hingewiesen
und total verschüttet. Trotz           auch zu keinem Spalteneinbruch.        wurde.
rascher Kameradenrettung blie-         Zum Unfallzeitpunkt war es             Die gesamten Unfälle des vergan-
ben die Wiederbelebungsversu-          nahezu wolkenlos und leicht            genen Winters sind im Jahrbuch
che erfolglos. Er fuhr deshalb         windig, die intensive Sonnenein-       2002 des Kuratoriums für Alpine
nach Haggen ab und verstän-            strahlung sorgte auch auf dem          Sicherheit veröffentlicht.
digte die Rettungsleitstelle. Der      Gletscher für eine stärkere Durch-
Notarzt stellte schließlich den Tod    feuchtung der Schneedecke. Der         Prof. Raimund Mayr ist Präsident
                                                                              des Kuratoriums für Alpine Sicher-
durch Ersticken fest. Der              Lawinenwarndienst hatte die            heit, Allgemein beeideter und
Unglückshang ist ein 38 Grad           Gefahr als mäßig beurteilt, wobei      gerichtlich zertifizierter Sachverstän-
geneigter NO-Hang, der Lawinen-        vor allem auf den Einfluss der         diger und Bergführer.

                                                        Berg & Steigen                       4/02
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