Lebensmuster - Textile Art Berlin

Die Seite wird erstellt Juliane Renner
 
WEITER LESEN
Lebensmuster - Textile Art Berlin
Lebensmuster
Lebensmuster - Textile Art Berlin
Name:              Angelique
Alter:             26 Jahre
Lebensform:        allein lebend, feste Partnerin
Delikt:            Erschleichung von Leistungen („Schwarzfahren“)
Tagessätze:        200 und 150
Lebenshintergrund:
Bis zum neunten Lebensjahr bei der Mutter aufgewachsen, ohne Kontakt zum Vater. Bezie-
hung von Mutter zur Tochter streng, wenig liebevoll.
Ab neun Jahren lebt Angelique im Heim. Hier wird ihr Besuchsrecht bei den Großeltern und
dem Vater eingeräumt, von dem sie auch Gebrauch macht.
Mit 13 Jahren erster Suizidversuch.
Kurz vor der Vollendung des siebzehnten Lebensjahres wird die Tochter Mirjam geboren. Zum
Vater des Kindes besteht wenig bis kein Kontakt.
Nach der Geburt Wechsel vom Kinderheim in das betreute Einzelwohnen für Mutter und Kind.
Angelique fühlt sich nervlich nicht in der Lage, das Kind zu versorgen und zu betreuen. Mit 22
Jahren wird ihr das Kind entzogen. Der Vater erhält das Sorgerecht und übernimmt die
Betreuung des Kindes.
Angelique rutscht ab ins Drogenmilieu. Sie lebt zeitweilig in einer Gewalt besetzten Bezie-
hung. Drogenkonsum und Gewalterfahrungen verstärken die psychische Instabilität. Es
kommt vermehrt zu Panikattacken, Angstzuständen, Wutausbrüchen und starker Aggressivität,
die sich überwiegend gegen fremde Personen und sowohl gegen Männer wie auch Frauen
richtet.
Durch eine feste Partnerschaft findet Angelique den Ausstieg aus dem Drogenmilieu. Ab die-
sem Zeitpunkt verläuft ihr Leben in Phasen. Tiefe Depressionen mit mehrfachen Suizidversu-
chen wechseln mit Zeiten der Lebensfreude. Angelique lebt ohne Perspektiven und konkrete
Lebensplanung.
Zeit bei IsA-K:
Angelique bringt sehr geringe Vorkenntnisse im Nähen mit. Die Arbeit in der Nähwerkstatt er-
lebt sie als Inspiration. Das Spiel mit Farben und Stoffen macht ihr Spaß und sie erlebt die Ar-
beit als Herausforderung.
„Von meiner Sehnsucht nach Freiheit habe ich in den Patchworkarbeiten etwas ausleben kön-
nen.“
Ziele:
Ausbildung als Schneiderin und später Weiterbildung in Richtung Modedesign.
Träume:
Auswandern nach Indien. Frei zu sein zu sein von dem Konservatismus.
Lebensmuster - Textile Art Berlin
Hergestellt durch:     Angelique
Art:                   Wandbild
Größe:                 130x160

„Die Arbeit an dem Wandbild habe ich in einer guten Lebensphase begonnen. Die Vorlage habe ich aus
einer Fachzeitschrift ausgesuchte.
Die Arbeit wurde mehr und mehr chaotisch. Der innere Teil ist Ausdruck des unruhigen Teils meines
Lebens. In mir herrscht auch viel Chaos. Ich habe die Arbeit dann erst mal für einige Tage beiseite
gelegt. Als ich sie wieder aufgenommen habe, habe ich eine Begrenzung geschaffen, damit das Chaos
nicht ausbrechen kann. Der Rahmen symbolisiert auch meinen Wunsch, die Fassade aufrecht zu erhal-
ten.
Die Windmühlen erinnern mich an Holland. Da war ich in den Ferien bei Gasteltern. Die wollten mich
adoptieren, aber meine Mutter hat nicht unterschrieben. Die wollte mich nicht haben, aber andere soll-
ten mich auch nicht haben. Zu den Gasteltern habe ich heute noch Kontakt.
In den Windmühlen sehe ich auch den Kreislauf des Lebens: Sie drehen sich wie das Leben. Sie sym-
bolisieren auch die Gesellschaft, die Anpassung fordert. Ich will mich aber nicht anpassen. Meine Auf-
lehnung kommt in dem dunklen Rahmen zum Ausdruck. Die Gesellschaft lässt aber nicht zu, dass ich
mich nicht anpasse (schmaler farbiger Streifen). Die Gesellschaft fängt mich wieder ein.“
(Muster: Windmühlen)
Lebensmuster - Textile Art Berlin
Lebensmuster - Textile Art Berlin
Hergestellt durch: Angelique
Art:               Decke
Größe:             125x200

„Die Decke habe ich in meiner grünen Phase genäht. Ich habe mich auch grün gekleidet.
Ich hasse grün.
Die Decke sollte nur grün werden. Hab am Ende aber doch etwas Rot einfließen lassen. Ich mag das
Rot.
In der Decke sehe ich ein Labyrinth. Das kenne ich aus meinem Leben gut. In Sackgassen zu laufen
habe ich Talent.
Ich kann mich aber in einem Labyrinth gut orientieren, da ich den Ausgang finde, wenn ich mich im-
mer rechts halte.“
(Verschnitttechnik)
Lebensmuster - Textile Art Berlin
Lebensmuster - Textile Art Berlin
Hergestellt durch:    Angelique
Art:                  Decke
Größe:                120x190

„Das ist meine Picknickdecke. Die kann man auf eine Wiese legen. Ich liebe braun. Die Decke ist der
Aufbruch aus meiner grünen Phase. Sie symbolisiert Freiheit, frische Luft, Energie des Lebens.“
(Verschnitttechnik)
Lebensmuster - Textile Art Berlin
Lebensmuster - Textile Art Berlin
Name:                  Christina
Alter:                 40 Jahre
Lebensform:            in Lebenspartnerschaft
Delikt:                Diebstahl (im Wert von 6 Euro) und Körperverletzung
Tagessätze:            Strafzusammenzug 140

Lebenshintergrund:
Christina wächst im Haushalt der Eltern auf. Nach der Ausbildung zur Arzthelferin studiert sie Betriebs-
wirtschaft. Sie schließt das Studium mit dem Diplom als Betriebswirtin ab.
Anschließend arbeitet sie 10 Jahre als Steuerberatungsassistentin. 1998 heiratet sie, und im gleichen
Jahr wird ihr Sohn Alexander geboren. 2000 trennt sich der Mann von der Familie. Das Scheitern der
Ehe löst bei Christina schwere Depressionen aus, die sie, in milderer Form, bereits aus ihrer Kindheit
kennt, die aber nie behandelt wurden.
Ende 2000 wird sie erstmals in der Psychiatrie aufgenommen. Die Therapie dauert vier Monate. Der
Sohn Alexander wird ab diesem Zeitpunkt durch ihre Eltern betreut.
Im Anschluss an den stationären Aufenthalt bleibt sie in ambulanter therapeutischer Behandlung. Den-
noch wagt sie sich zeitweise nicht mehr aus dem Haus. Ist Christina gezwungen, das Haus zu verlas-
sen, trinkt sie zur Ermutigung ein Glas Sekt und rutscht zunehmend in eine Alkoholabhängigkeit ab. Es
wird zur Gewohnheit, ihr Grübeln und ihre Ängste durch Alkohol zu betäuben und auszuschalten. Sie
isoliert sich zunehmend, was bis zum Abmontieren ihres Namensschildes an der Wohnung führt. Es
folgen mehrere Aufenthalte in der Psychiatrie, Entgiftungen, schnelle Rückfälle in den Alkoholmiss-
brauch und in tiefe Depressionen. 2005 und 2006 unternimmt sie Suizidversuche, nach denen sie wie-
der in die Psychiatrie eingewiesen wird.
Nach der letzten Entlassung aus der stationären Psychiatrie wird Christina 2006 verhaftet und zur Ver-
büßung einer Ersatzfreiheitsstrafe in die Justizvollzugsanstalt für Frauen in Lichtenberg überstellt.
Sie erlebt die Zeit im geschlossenen Vollzug als Horror, die Verlegung in den offenen Strafvollzug als
eine Erleichterung. Nach 16 Tagen wird der Kontakt zu IsA-K hergestellt, und mit Aufnahme in die Ein-
richtung wird Christina aus der Haft entlassen.

Zeit bei IsA-K:
Christina freut sich über die Möglichkeit, Nähen lernen zu können. Während ihrer stationären Thera-
pien hatte sie Zugang zu ihrer „kreativen Ader“ gefunden. Bei den Arbeiten in der Nähwerkstatt greift
sie auf diese zurück. „IsA-K hat mir die Möglichkeit gegeben, selbst zu entscheiden, was ich nähe. Ich
konnte alles selbst kreieren und mich frei entfalten. Ich war hoch motiviert und wünschte am Wochen-
ende, dass es schnell wieder Montag ist.“ Der Umgang mit den anderen Frauen sowie die Anerkennung
für die Arbeit stärken erheblich ihr Selbstwertgefühl. Christina beginnt, auch in ihrer Freizeit zu nähen
und zu malen.
Dem Ende der Geldstrafentilgung sieht sie mit Schrecken entgegen, da es den Verlust des strukturier-
ten Tagesablaufs, der Gemeinschaft, der Anerkennung, der Freude und der Entfaltungsmöglichkeiten
bedeutet. Auch auf die menschliche Art und besondere Zuwendung der ehrenamtlichen Mitarbeiterin-
nen verzichten zu müssen, bedrückt Christina sehr.
Christinas Wunsch, ehrenamtlich weiter arbeiten zu können, wird entsprochen, da sie bereits zuvor
begonnen hat, neue Frauen in der Nähwerkstatt bei den Arbeiten anzuleiten.
Nach sechs Monaten führen Beziehungsprobleme zu erneuten Depressionen und Alkoholmissbrauch
sowie dem Abbruch des Kontakts zu IsA-K, der anlässlich des Interviews wieder aufgenommen wurde.

Ziele:
„Arbeitsaufnahme im erlernten Beruf. Eine ruhige, nette und liebevolle Beziehung zu einem Mann. Ein
zufriedenes trockenes Leben im Einklang mit mir.“

Träume:
„Eine Familie zu haben (Mann und Kind).“
Lebensmuster - Textile Art Berlin
Hergestellt durch:     Christina
Art:                   Decke
Größe:                 190x130

„Mit dieser Arbeit habe ich das Nähen angefangen, also meine ersten Stiche mit der Nähmaschine ge-
macht. Ich bekam einen Haufen Stoffe. Ich hätte die mir nie ausgesucht. Sie waren mir viel zu bunt.
Ich musste einzelne Lappen herstellen. Damit ging es mir nicht gut, da mir die Vorstellung fehlte, was
daraus werden könnte. Erst nachdem Frau Gottschalk, die ehrenamtliche Mitarbeiterin, die Lappen
zugeschnitten und ich sie an die Wand geheftet hatte, mochte mein Auge die Arbeit. Die Buntheit ist
trotzdem nicht mein Ding, sie ist mir zu unruhig. Ich habe aber zunehmend die Kraft der Farben ge-
mocht, sie sind für mich Ausdruck des Lebendigen.
Während der Arbeit habe ich, das war noch ziemlich zum Anfang bei IsA-K, den Kontakt zur Einrich-
tung abgebrochen, da es mir psychisch wieder schlecht ging. Ich habe dann einen Entzug gemacht.
Weil die Arbeit mir ja Spaß gemacht hat und die Mitarbeiterinnen ziemlich hartnäckig mir nach gegan-
gen sind, habe ich mich wieder dort gemeldet. Ich hatte das Gefühl, dass die Tür nicht zu ist. Ich habe
dann meine Strafe vollständig abgearbeitet.“
(Technik: crazy patchwork)
Hergestellt durch:    Christina
Art:                  Decke
Größe:                150x200

„Mir ging es sehr gut, als die Decke entstanden ist. Ich mag die Decke sehr von ihren Farben her. Die
Harmonie gefällt mir. Diese Decke entspricht meinem Stil. Ich habe sie komplett gestaltet, von der
Auswahl der Stoffe bis hin zum Muster.
Diese Decke zu nähen war eigentlich eine stupide Arbeit. Ich konnte gedanklich ganz bei mir sein.“
(Muster: Blockhaus)
Hergestellt durch:     Christina
Art:                   Wandbild
Größe:                 80x80

„Ich habe die Decke nach einer Vorlage gearbeitet. Die Technik war eine Herausforderung. Sie erfor-
derte Sorgfalt beim Nähen, schwierige Berechnungen bei den Mustern und kompliziertes Zusammen-
stellen der Snakes.
Das Muster ergibt etwas Rundes, deshalb hat es mich angesprochen.
Nach meinem Gefühl ist es eine Verbindung von Modernem und Altem. Das Rot-Weiß drückt den mo-
dernen Stil aus, die Snakes sind für mich wie Schnörkel.
Übertragen auf mein Leben dürfen da auch Schnörkel sein, weil das Leben nicht immer gerade ist.
Manchmal verirre ich mich auch in den Schnörkeln. Wenn ich die letzten zehn Jahre meines Lebens
betrachte, gab es da auch viele Irrwege. Vorher war mein Leben gradlinig, trotz der Depressionen.
In dem Stern in der Mitte sehe ich mein Leben bis 30 Jahre. Da hatte ich viele gute Zeiten, bis ich mich
verlaufen habe.
Die roten Punkte im Stern empfinde ich jetzt als Warnung, Signal oder Anzeichen auf die Gefahr, mich
zu verlaufen. Die Warnschilder zeigen, da stimmt was nicht, ich bleibe auf der Strecke. Ich habe von
Kindheit an meine Lebensberechtigung daraus gezogen, nützlich zu sein, etwas zu leisten, präsent zu
sein für andere, wenn sie mich brauchen, lieb und nett zu sein und es allen recht zu machen. Das ist
sehr anstrengend und führt in die Depression, weil ich meinen Ansprüchen nicht genügen kann.“
(Muster: Schneckenpfad)
Hergestellt durch:     Christina
Art:                   Kinderdecke
Größe:                 155x110

„Diese Decke war eine meiner letzten Arbeiten. Ich habe sie kurz vor einem Rückfall in Depressionen
angefangen. Ich hatte aber viel Freude an der Herstellung dieser Decke. Was ich mag, ist das Naive,
Klare ohne Schnörkel. Auch die kräftigen Farben mag ich. Ich finde sie auch nicht zu bunt. Für mich
strahlen die Häuser Wärme und Geborgenheit aus. Ich habe den schwarzen Hintergrund gewählt, weil
Schwarz für mich eine große Bedeutung hat. Mit 23 Jahren habe ich mich aus einer langjährigen Be-
ziehung getrennt. Ich hatte im Anschluss eine depressive Phase, während der ich mich völlig schwarz
gekleidet habe. Seit dieser Zeit kleide ich mich überwiegend schwarz. In schwarzer Farbe fühle ich
mich am wohlsten und sichersten.
Die Häuser verkörpern für mich Geborgenheit, man lebt darin nicht allein. Meine Sehnsucht nach Har-
monie und Geborgenheit kommt hier zum Ausdruck. Die Häuser stehen im Dunkeln. Häuser im Hellen
werde ich nicht erreichen. Ich halte es nicht lange aus an einer Arbeitsstelle, in einer Beziehung. Ich
kann schlecht ertragen, wenn es mir gut geht. Schwarz bedeutet, dass meine Sehnsucht unerfüllt
bleibt.
Die Decke habe ich noch einmal zu Hause genäht, da ist aber alles schwarz, auch der äußere Rand.“
Name:                   Karin
Alter:                  43
Lebensform:             allein lebend
Delikt:                 Beleidigung
Tagessätze:             50

Lebenshintergrund:
Karin wächst zunächst in Risa (Sachsen) als Jüngste von drei Kindern im Haushalt der Mutter heran.
Ihren leiblichen Vater kennt sie nicht. Im Alter von sechs Jahren kommt der sogenannte Stiefvater in
die Familie. Aus dieser Beziehung gehen weitere sieben Kinder hervor.
Karin fühlt sich gegenüber den nachkommenden Geschwistern, insbesondere vom Stiefvater, zurück
gesetzt. Ab dem achten Lebensjahr wird die Beziehung zum Stiefvater überaus belastend.
Mit 15 Jahren verlässt Karin die Sonderschule nach der 6. Klasse und beginnt mit dem Lehrberuf als
Reinigungskraft. Die Spannungen zwischen ihr und dem Stiefvater wachsen ins Unerträgliche, Karin ist
mit den „Nerven am Ende“. Nach zwei Jahren Lehre fühlt sie sich nicht mehr in der Lage, die Berufs-
schule zu besuchen, und schwänzt den Unterricht. Auch dem Ausbildungsplatz in der Firma bleibt sie
fern. Die Berufsschule schaltet das Jugendamt ein. Karin wird in den Jugendwerkhof vermittelt, wo sie
wohnt und arbeitet.
Mit der Volljährigkeit muss sie die Einrichtung verlassen. Sie zieht kurzfristig zurück in den Haushalt der
Mutter und von dort in eine eigene Wohnung.
Ab dem 18. Lebensjahr erhält Karin Erwerbsunfähigkeitsrente. Die Gründe für die Erwerbsunfähigkeit
kann sie nicht angeben.
Im Alter von 27 Jahren wird Karin das erste Mal straffällig und wegen Körperverletzung zu einer Geld-
strafe verurteilt. Da sie diese nicht zahlen kann, wird sie für ein Jahr inhaftiert.
Nach der Haftentlassung zieht sie zu einem Bekannten nach Berlin. Die Hoffnung auf eine Freund-
schaft zerschlägt sich schon nach zwei Tagen. Karin verlässt die Wohnung und lebt in den folgenden
ca. sechs Jahren auf der Straße und in Obdachlosenheimen. Heute hat sie eine Wohnung in einer Ein-
richtung für körperlich und seelisch Behinderte.
Über ihre vierjährige Ehe möchte Karin keine Angaben machen.

Zeit bei IsA-K:
2006 wird Karin das erste Mal zu IsA-K vermittelt. Der erste Arbeitstag fällt ihr sehr schwer. Sie ist auf-
geregt und unsicher gegenüber den Mitarbeiterinnen der Einrichtung und den Frauen, die mit ihr zu-
sammen die Geldstrafen abarbeiten. Obwohl sie keine Vorkenntnisse hat, bewirbt sie sich für die Arbeit
in der Nähwerkstatt.
Die regelmäßige und pünktliche Arbeitsaufnahme macht ihr keinerlei Schwierigkeiten. Nach den gelun-
genen ersten Nähübungen beginnt sie mit dem Nähen eines Rocks, der ihr „wunderbar gelingt“. Karin
ist sehr zufrieden, die teilweise vorhandenen Spannungen mit den anderen Frauen tangieren sie nicht
nachhaltig.
2008 arbeitet Karin eine zweite Strafe, ebenfalls wegen Beleidigung, bei IsA-K ab. Sie wird wieder in
der Nähwerkstatt aufgenommen. Schon bald zeigt sich, dass sie nervlich der Arbeit in der Gemein-
schaft nicht gewachsen ist. Dies kommt in verbalen Angriffen und Wutausbrüchen zum Ausdruck, die
bis zum Werfen mit der Schere nach Personen endet. Karin tun die Entgleisungen sehr schnell leid. Zu
ihrer Entlastung wird die Regelung getroffen, dass Karin täglich nur drei Stunden arbeitet, wodurch
sich der Tilgungszeitraum verdoppelt.

Ziele:
Keine

Träume:
Einmal nach Mallorca auf dem Ballermann Urlaub machen.
Hergestellt durch:     Karin
Art:                   Decke
Größe:                 125x140

„Die Farben und Stoffe habe ich mir überwiegend selbst ausgesucht. Mir gefallen Blumen, sie bedeuten
für mich Liebe. Man kann durch sie sprechen. Ich will die Decke meiner Mutter zum Geburtstag schen-
ken als Dankeschön, weil sie die letzten Jahre für mich da war.
Als die Decke fast fertig war, habe ich mich über Helga, die uns beim Nähen anleitet, so geärgert, dass
ich die Decke zerschnitten habe. Dann habe ich die Schere nach Helga geworfen. Die Decke war zum
Glück noch zu retten, Frau Gottschalk (ehrenamtliche Mitarbeiterin) und sogar Helga haben geholfen,
sie aufzutrennen und fertig zu nähen.“
(Muster: Blochhausvariation)
Name:        Franziska
Alter:                 28 Jahre
Lebensform:            zusammen lebend mit Freund
Delikt:                zwei Strafen wg. Erschleichung von Leistungen (Schwarzfahren) und Diebstahl,
                       Schadenssumme ca. 5 Euro
Tagessätze:            60/60/30

Lebenshintergrund:
Franziska wächst bei der allein erziehenden Mutter auf. Der Vater ist nicht bekannt.
Sie ist sechs Jahre alt, als ihre Mutter heiratet. Das Verhältnis zum Stiefvater ist von Beginn an sehr
belastet. Sie zieht sich immer mehr in sich zurück. Die Verschlossenheit zieht sich durch ihr gesamtes
Leben.
Nach zwei Jahren trennt sich die Mutter, und die Ehe wird geschieden.
Franziska hat mittlerweile eine hohe Mauer um sich errichtet. Auch in der Schule lässt sie niemanden
an sich heran. Sie ist die Außenseiterin, die gehänselt und geschlagen wird.
Zu Hause wachsen die Spannungen zur Mutter, die fortlaufend die gleichen Vorwürfe gegen sie richtet,
immer wieder mit tiefer Scham besetzte Verletzungen öffentlich macht, Franziska bewacht und auch
als Heranwachsende nicht aus dem Haus lässt. Für Franziska gibt es keinen Ruhepol. Sie gerät in eine
tiefe Krise, die sich auf die schulischen Leistungen auswirkt. Sie verlässt die Schule mit dem erweiter-
ten Hauptschulabschluss und absolviert einen einjährigen Grundbildungslehrgang in Gastronomie, Ge-
sundheit und Hauswirtschaft. Eine anschließende Lehre scheitert am zu schlechten Schulabschluss.
Franziska jobbt in den Folgejahren in unterschiedlichen Bereichen.
Franziska hält es bei der Mutter nicht mehr aus und zieht mit 18 Jahren in eine eigene Wohnung. Sie
bricht den Kontakt zur Mutter zeitweilig völlig ab.
Aus einer dreijährigen Beziehung geht die Tochter Nicole hervor. Franziska trennt sich schon wenige
Monate nach der Geburt von ihrem Freund, da er nach ihrem Gefühl keine Verantwortung übernimmt.
Mit 23 Jahren, Nicole ist zwei Jahre alt, lernt sie ihren heutigen Freund kennen. Ihre Mutter reagiert
sehr eifersüchtig. Sie zeigt Franziska und ihren Freund wegen Kindesmisshandlung an. Nicole wird aus
dem Haushalt der Mutter genommen und dem Vater übergeben. Obwohl die Anzeige wegen fehlender
Beweise nicht weiter verfolgt wird, erhält Franziska das Kind nicht zurück. Bis heute lebt Nicole beim
Vater. Die Anzeige der Mutter hat bei Franziska tiefen Schmerz ausgelöst. Die Anschuldigungen der
Mutter führen Franziska in eine psychische Krise. Sie sucht Zuflucht im Heroin.
Zeit bei IsA-K:
Während des Heroinkonsums kümmert sich Franziska um nichts mehr, sie öffnet auch keine Post. Sie
wird verhaftet und bleibt ca. sechs Wochen in Haft. Dann wird sie zu IsA-K entlassen.
Da sie gern Nähen lernen möchte, arbeitet sie von Beginn an in der Nähwerkstatt. Die Arbeit macht ihr
Spaß, die Gedanken an die Drogen treten in den Hintergrund.
Die Geldstrafentilgung wird durch einen Strafzusammenzug unterbrochen. Franziska beantragt, die
Strafe in voller Höhe weiter abarbeiten zu dürfen, da sie befürchtet, ohne die regelmäßige Arbeit wie-
der in den Drogenkonsum abzugleiten. Dem Antrag wird nicht stattgegeben. Die Einrichtung räumt
Franziska ein, bis zur Festlegung des neuen Strafmaßes weiter arbeiten zu können, was sie 2½ Monate
lang tut, ohne dass diese Zeit auf die Geldstrafentilgung angerechnet werden kann.
Franziska bleibt schließlich der Arbeit fern und gleitet wieder ab in den Drogenkonsum, bis sie verhaf-
tet wird. IsA-K nimmt sie erneut auf, so dass sie aus der Haft entlassen wird.

Ziele:
Regelmäßigen Kontakt zur Tochter Nicole zu bekommen und clean zu werden.

Träume:
„Ich habe nur schlechte Träume. Ich laufe im Moment ziellos durchs Leben. Ich habe keine positiven
Träume mehr.“
Hergestellt durch:     Franziska
Art:                   Wandbild
Größe:                 132x98

„Die Decke ist komplett mit der Hand genäht. Die Arbeit hat mich sehr beruhigt. Mir ging es eine Zeit
lang richtig gut. Ich habe sogar gelacht. Ich habe mich auch getraut, Farben zu verwenden und sogar
Blümchen ausgesucht. Das Zusammenstellen der Stoffe und Muster erfolgte in Zusammenarbeit und
Abstimmung mit einer anderen Frau. Diese Zusammenarbeit war sehr schön. Wir haben rumgealbert,
auch wenn uns die Finger vom Nähen weh taten. Als die andere Frau ging, habe ich die Decke alleine
fertig gestellt.
Ich selbst finde mich in der Decke nicht wieder. In der Decke kann ich mich verlieren. Ich verliere mich
auch heute noch in mir, in meiner Welt. Es sind hohe Mauern um mich, die ich bereits als Kind aufge-
baut habe. Sie schotten mich nach außen ab, es gibt keinen Zugang.“
(Technik: Atarashii)
Name:                  Maria
Alter:                 59 Jahre
Lebensform:            getrennt lebend
Delikt:                Diebstahl (Schäden in Höhe von 25 und 26 Euro)
Tagessätze:            40 und 60

Lebenshintergrund:
Maria ist gelernte Köchin. Sie arbeitete 30 Jahre als Serviererin, davon die letzten 18 Jahre im eigenen
Restaurant. Sie bezeichnet ihre damaligen Lebensverhältnisse und ihren Lebensstandard als sehr gut.
Durch langwierige Bauarbeiten an der Straße vor dem Restaurant sowie Umbauten am Haus wird der
Zugang zum Restaurant erheblich erschwert, und der Umsatz sinkt sehr schnell. Sie muss das Restau-
rant schließen und geht hoch verschuldet in die Arbeitslosigkeit. Maria findet im Alter von 52 Jahren
weder als Köchin noch als Serviererin eine Anstellung, versucht es erneut mit einer Selbständigkeit und
scheitert noch vor der Eröffnung.
Die Schulden und die Arbeitslosigkeit belasten sie sehr. Sie fühlt sich isoliert, nicht mehr gebraucht,
wertlos, wie ein Nichts. Ihre Perspektivlosigkeit versucht sie durch Suizid zu beenden, der misslingt.

Zeit bei IsA-K:
Maria bringt Erfahrungen im Nähen mit, das sie als Hobby zeitweilig ausübte. Sie nimmt die gemein-
nützige Arbeit daher gleich in der Nähwerkstatt auf.
Sie schämt sich für den begangenen Diebstahl sehr und verschließt sich zunächst gegenüber den Mit-
arbeiterinnen. Die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen finden als Erste Zugang zu Maria. Sie fühlt sich von
ihnen ganz besonders akzeptiert und Wert geschätzt.
Die Möglichkeit, kreativ zu arbeiten, und das Lob für ihre Arbeit lassen sie „mit Herz und Seele“ bei der
Arbeit sein. Auch die Nachfrage nach den von ihr gefertigten Taschen stärkt ihr Selbstbewusstsein.
Das Ende der Geldstrafentilgung bedeutet für Maria die Rückkehr in ein monotones Leben, der sie be-
drückt entgegen sieht. Sie bietet an, weiter ehrenamtlich in der Einrichtung zu arbeiten. Wegen der
geringen Platzkapazität ist dies nicht möglich. Als diese Hoffnung platzt, trägt Maria sich mit dem Ge-
danken, wieder eine Straftat zu begehen, um darüber wieder in die Einrichtung kommen zu können.
Sie verwirft schließlich diesen Plan.

Ziele:
Mit anderen Frauen zusammen nähen und die Produkte zum Verkauf anbieten.

Träume:
„Ich habe keine Hoffnung auf ein besseres und schöneres Leben.“
Hergestellt durch:     Maria
Art:                   Decke
Größe:                 138x200

„Die Decken habe ich zum Abschluss der Arbeit genäht. Ich wollte eine Decke machen, die wie mein
Leben ist: schwarz und weiß, hoch und tief. Aber auch Freude kommt darin vor, die durch die Blumen
ausgedrückt wird.
Ich war lustlos bei dieser Arbeit und fand die Decke von Anfang an nicht schön. Erst durch wiederholte
positive Rückmeldungen fand ich Spaß an der Arbeit. Als eine Mitarbeiterin mir bei der Auswahl eines
Stoffes half, kippte meine Haltung ganz um ins Positive. Jetzt kann ich mich über die Decke freuen.“
Name:                  Sarah
Alter:                 49
Lebensform:            allein lebend mit Kind
Delikt:                Betrug, nicht gezahlte GEZ-Gebühren
Tagessätze:            60

Lebenshintergrund:
Sarah wächst bis zum Alter von vier Jahren mit vier Geschwistern im Haushalt der Eltern auf. Dann
trennen sich die Eltern, und im gleichen Jahr kommt der neue Lebenspartner der Mutter in die Familie.
Sarah spricht von ihrem Stiefvater. Die Mutter wendet sich immer mehr von den Kindern ab und dem
neuen Mann zu. Sie holt vieles nach, was während ihrer Ehe nicht möglich war, geht aus und verreist
häufig. Die Kinder bleiben sich selbst überlassen, die größeren kümmern sich um die kleineren Ge-
schwister. Sarah zieht sich in sich selbst zurück.
Nach dem Realschulabschluss beginnt sie eine Lehre als Gewerbegehilfin im Fleischerhandwerk, die sie
nach 1½ Jahren abbricht, obwohl die Arbeit ihr viel Spaß macht. Als Grund nennt sie zunehmende
Spannungen mit dem Stiefvater, der seinen aus der Beziehung mit der Mutter hervorgegangenen Sohn
immer bevorzugt hätte, sowie die Konkurrenz zur älteren Schwester, die bereits ausgelernt hatte und
im gleichen Betrieb arbeitete. Im Grunde hätte es niemanden interessiert, ob sie eine Ausbildung
macht oder nicht. Die Mutter hätte weder an ihrer schulischen wie beruflichen Entwicklung Anteil ge-
nommen.
Sarah zieht mit Abbruch der Lehre zu Hause aus und bricht den Kontakt zur Familie zunächst vollstän-
dig ab. Bis zum Tod des Stiefvaters sieht sie ihre Mutter teils Jahre lang nicht.
Sie lebt in der Folgezeit in langjährigen Beziehungen, aus denen zwei Kinder hervorgehen.
Bis zu einem Arbeitsunfall, nach dem die rechte Hand nicht mehr belastbar ist, arbeitet Sarah weiter
als Fleischverkäuferin.
Der Betriebsunfall wirft Sarah aus der beruflichen Bahn. Seit 1996 hat sie kein festes Arbeitsverhältnis
mehr, eine Umschulung wird abgelehnt. Trotz Praktika und Qualifizierungsmaßnahmen findet sie kei-
nen Arbeitsplatz. Ihre Lebensverhältnisse verstricken sich immer mehr. Zeitweilig ist sie ohne eigene
Wohnung.

Zeit bei IsA-K:
Ein halbes Jahr bevor sie zu IsA-K kommt, ist Sarah wegen einer psychischen Erkrankung für sechs
Monate arbeitsunfähig geschrieben. Sie leidet unter Schlafstörungen, Appetitlosigkeit und verliert ex-
trem an Gewicht. Sie kümmert sich nicht mehr um ihre privaten Belange, so dass sie wegen der nicht
regulierten Geldstrafe inhaftiert wird.
Nach ihrer Haftentlassung und der Einbindung bei IsA-K ist Sarah gezwungen, die Wohnung zu verlas-
sen, um der täglichen Arbeit nachzugehen. Sie begrüßt dieses Muss, das sie aus der Isolation heraus-
holt und wieder unter Menschen bringt. Es tut ihr gut, wieder eine Aufgabe zu haben. Ihre Vorkennt-
nisse im Nähen kann sie in die Kleiderwerkstatt einbringen, und sie lernt während der Geldstrafentil-
gung viel hinzu. Die Arbeit macht Freude, und die gute Atmosphäre tun ihr gut.

Ziele:
Eine feste Anstellung im Nähbereich.

Träume:
keine
Hergestellt durch:    Sarah
Art:                  Decke
Größe:                125x90

„Das Durcheinander ist Spiegelbild meines Lebens. Trotzdem funktioniert es irgendwie, und es wird
was draus.“
Name:                  Rebekka
Alter:                 25
Lebensform:            in Lebenspartnerschaft
Delikt:                „Schwarzfahren“ (Erschleichung von Dienstleistungen)
Tagessätze:            180

Lebenshintergrund:
Rebekka wächst bei ihrer allein erziehenden Mutter auf. Mit sechs Jahren bricht der Kontakt zum Vater
ab.
Im Alter von 15 Jahren verlässt sie den Haushalt der Mutter und lebt überwiegend bei ihrem 29 jähri-
gen Freund. Die zweijährige Beziehung erlebt Rebekka als psychischen Terror. Sie kehrt vorübergehend
in die Wohnung der Mutter zurück. Das Zusammenleben ist sehr stark mit Spannungen besetzt, so
dass sie im Alter von 18 Jahren eine eigene Wohnung bezieht.
Rebekka sieht sich seit ihrer Kindergartenzeit als Außenseiterin, die nicht gemocht wird. Sie zieht sich
aus der Gemeinschaft zurück, weil sie keinen Anschluss findet. Während der Schulzeit erleidet sie De-
mütigungen und Schläge. Diese Situation verbessert sich etwas während der Zeit in der Berufsschule.
Sie schließt ihre Ausbildung als Gärtnerin im Gartenlandschaftsbau ab.
Nach der Ausbildung ist Rebekka überwiegend arbeitslos, da es immer wieder zu Auseinandersetzun-
gen mit dem Arbeitgeber oder mit Kunden kommt.
Bereits während der Ausbildung treten psychische Probleme auf, die als Persönlichkeitsstörungen und
2004 als paranoide Schizophrenie diagnostiziert und medikamentös behandelt werden. Zwischen 16
und 19 Jahren erfolgt der erste Aufenthalt in der Psychiatrie, weitere folgen im Alter von 21 und 23
Jahren. Der letzten Einweisung versucht sich Rebekka zu entziehen und springt aus dem Fenster. Sie
zieht sich einen Trümmerbruch zu, der sie bis in die Gegenwart körperlich einschränkt und die Aus-
übung des erlernten Berufs in Frage stellt.

Zeit bei IsA-K:
Rebekka fällt die Arbeit in der Einrichtung zunächst schwer. Das Bügeln macht ihr keinen Spaß. Der
Lustlosigkeit folgt eine „Durchhängephase“.
Der Wechsel in die Nähwerkstatt tut ihr gut. Sie hat kaum Vorkenntnisse im Nähen, lässt sich aber
durch Misserfolge bei den ersten Näharbeiten nicht entmutigen. Sie findet schließlich Spaß am Nähen.
Nachdem sie ihre Strafe abgearbeitet hat, bittet sie darum, weiter kommen zu dürfen, um eine ange-
fangene Decke fertig zu stellen. Einen Monat später verlässt sie die Einrichtung.

Ziele:
Umschulung als Modenäherin/Schneiderin.
Rebekka möchte sich mit Fotos von Näharbeiten, die sie im Rahmen der Geldstrafentilgung angefertigt
hat, bewerben.

Träume:
Jakobsweg laufen (Pilgerweg)
Berufliche Zufriedenheit und Kind vom Lebenspartner.
Hergestellt durch:     Rebekka
Art:                   Kinderdecke
Größe:                 110x90

„Ich habe mehrere Kinderdecken genäht. Wahrscheinlich, weil ich einen Kinderwunsch habe, aber von
meinem Freund leider keine Kinder bekommen kann.
Den Stoff mit den Luftballons habe ich mir selber ausgesucht. Luftballons sind für mich wie eine kon-
stante Seifenblase, die nicht so schnell kaputt gehen kann. In meinem Leben gibt es viele Seifenbla-
sen: Ich hatte nicht viel Glück mit Männern. Ich kenne geheuchelte Freundschaften, keine langfristige
Beschäftigung in meinem Beruf, alles ist schnell zerplatzt.
Die Beziehung zu meinem Freund ist für mich eine Konstante, sie macht mich stark und stützt mich.
Ich möchte Freundschaften, die Partnerschaft und den Beruf zu robusteren Zielen machen, die nicht so
schnell zerplatzen.
Die Gänse hat eine Mitarbeiterin bei IsA-K ausgesucht. Gänse sind für mich wie Schafe: Herdentiere.
Ich bin selten selbst in einer Herde mitgelaufen, weil sie mich nicht gelassen haben. Ich glaube, Teil
einer Herde zu sein, hat was Schönes, aber auch Einengendes, da es mit sehr viel Vorgaben verbunden
ist. Ich habe von mir aus versucht, Kontakte und Freundschaften zu schließen, aber es gelang mir
nicht langfristig.“
Name:                 Susi
Alter:                36
Lebensform:           allein lebend
Delikt:               Erschleichung von Leistungen (Schwarzfahren);
                      Betrug (Internetbestellungen)
Tagessätze:           100 sowie Auflage 300 Stunden

Lebenshintergrund:
Susi wächst mit vier Geschwistern in der Familie auf. Nach der ersten Klasse wird sie in die Sonder-
schule umgeschult, die sie mit der 8. Klasse abschließt. Der Besuch der Sonderschule verunsichert Su-
si. Sie befürchtet, als Sonderschülerin abgestempelt zu sein, mit der andere nichts zu tun haben wol-
len. Sie verschließt sich und ist in sich gekehrt. Auch in der Familie kann sie über ihre Probleme nicht
sprechen. Mit 15 Jahren beginnt sie, sich selbst zu verletzen, sich zu „ritzen“. Es ist für sie bis heute die
einzige Möglichkeit, auf Probleme zu reagieren.
Nach dem Schulabgang macht sie eine zweijährige Lehre als Teilfacharbeiter für Süßwarenverarbei-
tung. Nach Beendigung der Lehre arbeitet sie im Ausbildungsbetrieb weiter, bis der Betrieb nach zwei
Jahren schließt. Sie ist für ein Jahr arbeitslos, wird dann für zwei Jahre in eine ABM-Stelle im Land-
schafts- und Gartenbau vermittelt. Es folgen Zeiten der Arbeitslosigkeit und mehrere Weiterbildungen,
die jedoch nicht zu einer Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt führen.
Während der Arbeitslosigkeit und fehlender Perspektiven reduziert sich der Tagesablauf auf Schlafen
und Fernsehen. „Mein Leben ging bergab und hatte keinen Sinn.“ Irgendwann rappelt sie sich hoch
und sucht Arbeit über die Zeitung. Sie wird von einer Zeitarbeitsfirma eingestellt, die sie sechs Monate
an unterschiedliche Firmen vermittelt. Susi fühlt sich durch die teils sehr frühen Arbeitseinsätze über-
fordert. Sie wirft die Arbeit hin und ist wieder arbeitslos.
Im Alter von 32 Jahren zieht Susi von zu Hause aus. Sie lebt für zwei Jahre mit einer Freundin zusam-
men. Sie verliert die Wohnung wegen Mietrückständen und landet in einem Obdachlosenheim. Dort
lebt sie zwei Jahre lang. Die Betreuerin unterstützt sie bei der Beantragung einer Pflegschaft und ver-
mittelt sie schließlich in betreutes Gruppenwohnen für geistig und seelisch Behinderte, wo Susi bis
heute lebt.

Zeit bei IsA-K:
2005 ist Susi das erste Mal bei IsA-K. Sie braucht lange Zeit, bis sie sich einlebt. Sie fehlt häufig und
über längere Zeiträume krankheitsbedingt, aber auch, weil sie einer Frau, die ebenfalls ihre Strafe ab-
arbeitet, ausweichen möchte.
Zunächst sträubt sie sich gegen den Vorschlag, in der Nähwerkstatt zu arbeiten. Sie traut sich nicht zu,
das Nähen zu erlernen. Heute arbeitet sie gern in der Nähwerkstatt.

Ziele:
Ohne Pflegschaft und Betreutes Wohnen das Leben eigenständig zu meistern.

Träume:
„Ein Lottogewinn, um von den Schulden runter zu kommen und einmal richtig Urlaub zu machen.“ Ein
Reiseziel hat sie nicht.
Hergestellt durch:     Susi
Art:                   Wandbild
Größe:                 105/198
„Ich sollte vier Stoffe aussuchen und habe sie in den Farben gelb, lila und einen mehrfarbigen Stoff mit
viel Rot genommen. Dazu sollte ich einen Stoff wählen, der nicht dazu passt. Ich habe mich für den
geblümten entschieden. In den Blumen finden sich alle Farben wieder. Ich mag Blumen sehr, die duf-
ten so schön. Wenn sie aufgehen (öffnet die Hand) ... Ich bin eher zu, wie eine geschlossene Tulpe.
Wenn ich mich mit einer Blume vergleiche, die aufblüht, dann öffne ich mich und fange an zu reden.
Ich fühle dann Erleichterung, weil jemand da ist, der mir zuhört. Wenn ich mich zeige und öffne, kann
ich spüren, dass ich wahrgenommen und akzeptiert werde so wie ich bin.
Ich finde, die Decke hat was. Die Farben sind versetzt, die Teile ohne Symmetrie.
Die Decke spiegelt wieder, wie ich mich fühle. Ich bin froh, dass es bergauf geht. Ich war am Boden,
ohne Wohnung und ich hab mich hilflos und allein gefühlt. Jetzt lebe ich in der WG.
Die Decke spiegelt auch Traurigkeit wieder, die kommt in der schwarzen Farbe und den blauen Strei-
fen zum Ausdruck. Es ist Traurigkeit darüber, dass meine Familie mit mir so viel Stress hat, dass ich
nie über meine Probleme reden kann, mich zurückziehe, mich ritze und erst dann, wenn ich sehe, wie
meine Arme aussehen, merke, dass ich zu weit gegangen bin. Dann schreibe ich auf, was in mir vor-
geht und gebe das weiter an meine Psychologin.
Ich finde die Farben in der Decke freundlich, so wie ich es bin. Die Decke ist nicht eintönig, sondern
abwechslungsreich wie mein Leben.“
Name:               Barbara
Alter:              59 Jahre
Lebensform:        allein lebend
Delikt:
Tagessätze:        16+200 Std. + 32 + 60
1.    Lebenshintergrund:
Barbara wächst bei der Mutter und deren Ehemann auf, der nicht der leibliche Vater ist, aber
von Geburt an die Vaterschaft übernimmt. Als Gerüstbauer trinkt der Vater bereits während
der Arbeit. Der Alkoholkonsum steigert sich im Laufe der Jahre. Betrunken wird er gegenüber
der Mutter und auch ihr gewalttätig. Die Mutter beginnt, ebenfalls zu trinken. Die Eltern gehen
aber trotzdem geregelter Arbeit nach.
Barbara hält sich bis zum 8. Lebensjahr viel bei der Tante auf, Zwillingsschwester der Mutter,
die sie als sehr warmherzig und zugewandt erlebt. Während die Mutter keinen Körperkontakt
zulässt, gibt die Tante ihr viel Zärtlichkeit. Der Kontakt reißt mit dem Umzug von Barbara nach
Berlin ab.
Barbara schließt die Schule mit der 9. Klasse ab und macht eine Ausbildung als Drogistin.
Nach drei Jahren wird sie ohne Ausbildungsabschluss von ihrem Arbeitgeber in ein festes Ar-
beitsverhältnis übernommen. Bis zur Volljährigkeit lebt sie im Haushalt der Eltern, dann zieht
sie in eine eigene Wohnung.
Durch Arbeitsplatzwechsel und die Übernahme immer neuer Aufgaben verbessert sie sich be-
ruflich bis sie als Sachbearbeiterin bei einer Krankenversicherung beschäftigt ist.
Sie lebt in festen Partnerschaften. Mit 34 Jahren heiratet sie und bringt den Sohn Patrick zur
Welt. Die Ehe besteht 13 Jahre, in denen sie nicht berufstätig ist und ausschließlich den Sohn
betreut. Zwei Jahre nach der Scheidung geht sie eine 2. Ehe ein, die allerdings bereits nach
einem Jahr scheitert.
Das Leben verläuft straffrei in geregelten Bahnen. Der Sohn Patrick beginnt vermutlich ab
2003, die Mutter zu belügen und sie unter Vortäuschung falscher Tatsachen um „Gefallen“ zu
bitten, hinter denen sie keine bösen Absichten vermutet. Wegen Betruges wird Barbara ver-
haftet und zu Geldstrafen verurteilt. Die Festnahme und Einweisung in die Untersuchungshaft
überrollt Barbara völlig. Sie steht so unter Schock, dass sie sich an bestimmte Abläufe nicht
mehr erinnern kann. Unter Auflagen wird sie aus der Untersuchungshaft entlassen.
2.    Zeit bei IsA-K:
Barbara wird wegen einer offenen Geldstrafe zu IsA-K vermittelt. Sei kann nicht angeben,
welche Anklage dem Urteil zugrunde liegt, da es keine Verhandlung gegeben hat. Sie fühlt
sich bei IsA-K wohl und das Nähen macht ihr Spaß. Sie hat bereits in ihrer Freizeit Patch-
workdecken genäht. Die Regelmäßigkeit des Tagesablaufs und die Übernahme von aufgaben
tun ihr gut. Sie nimmt das Beratungsangebot durch die Sozialpädagogin in Anspruch und fühlt
sich dadurch sehr entlastet.
3.    Ziele:
Ihre Lebensverhältnisse zu ordnen und zu klären.
4.    Träume:
Urlaub im Warmen unter Sonne am Strand.
Hergestellt durch:    Barbara
Art:                  Decke
Größe:                116x172

„Sie Decke hat nicht viel mit mir zu tun. Von mir aus hätte ich sie so nicht gearbeitet.
Ich hatte die Vorgabe zu dem braunen Stoff andere Farben auszusuchen. Ich habe helle,
freundliche und zarte Farben gewählt, die meinem Wesen entsprechen. Ich bin ruhig, werde
selten laut.
Der braune Ton hat mir die Arbeit schwer gemacht, da ich Braun nicht mag und ich finde es
schwierig, passende Farben zu kombinieren. Das Blau am Rand mit rein zu nehmen war eine
spätere Vorgabe, daran habe ich mich gehalten.“
Sie können auch lesen