Lehrgangsunterlagen Zertifikatslehrgang Grundlagen der Baumprüfung und Baumpflege - baumpartner
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FORSTLICHE AUSBILDUNGSSTÄTTE Traunkirchen Wir bringen Wissen in den Wald! Zertifikatslehrgang Grundlagen der Baumprüfung und Baumpflege Lehrgangsunterlagen Bundesforschungszentrum für Wald
Unsere Wälder und Bäume sind unsere wichtigste Klimaanlage. Vor allem in Städten aber auch in unseren Gemeinden sorgen sie für frische Luft und sind ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Richtig © BMLRT Paul Gruber gepflanzt und gepflegt können sich Bäume gut entwickeln und ihre Wirkungen entfalten. Daher ist es wichtig, Menschen auszubilden die sich fachgerecht um sie kümmern. Elisabeth Köstinger Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Bäume sind für die Gestaltung lebenswerter Grün- räume eines der tragenden Elemente. In diesen Lehrgangsunterlagen wird vermittelt, wie wertvoll sie für unsere Pflanzen- und Tierwelt sind und wie sich naturnahe Oasen gestalten lassen, in denen sich Groß und Klein gerne aufhalten. Biodiversität geht hier also Hand in Hand mit menschlicher Lebensqualität. Martin Eichtinger Landesrat
Der Sinn des Lebens besteht darin, Bäume zu pflanzen, unter deren Schatten man selber nicht mehr sitzen wird - besagt ein weiser Spruch. Damit auch nachfolgende Generationen noch gut und sicher unter unseren Bäumen sitzen können, brauchen wir unsere Baumpflegerinnen und Baumpfleger. Hermine Hackl Leiterin der Forstlichen Ausbildungsstätte Traunkirchen am WALDCAMPUS Österreich Als ich vor nunmehr 20 Jahren mein Tagwerk am Baum beendete wurde ich häufig gefragt von was ich denn lebte, bzw. was denn mein Beruf wäre. Der rasante Bedeutungsgewinn der Branche lässt dies heute absurd erscheinen, doch stellte sich immer noch die Frage nach der Etablierung eines Berufsbildes mit einer adäquaten und anerkannten Ausbildung. Der nun vorliegende Lehrgang ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung - er vereint Fachwissen mit moderner Praxis im Umgang mit urbanen Baumbeständen. Im Namen der Baumpartner bedanke ich mich bei allen die uns tatkräftig und unterstützend, auch abseits der öffentlichen Bühne, zur Seite standen. Remy Maria Gschwandtner BAUMPARTNER Arboristik
Impressum ISBN 978-3-903258-49-5 Copyright 2021 by BFW FORSTLICHE AUSBILDUNGSSTÄTTE Juli 2021 Traunkirchen Nachdruck (auch auszugsweise) nur nach am WALDCAMPUS Österreich vorheriger schriftlicher Zustimmung seitens des Herausgebers gestattet. Presserechtlich verantwortlich: DI Dr. Peter Mayer, Bundesforschungs- und Ausbildungszentrum für Wald, Naturgefahren und Landschaft Seckendorff-Gudent-Weg 8, Bundesforschungszentrum für Wald 1131 Wien, Österreich; Tel. +43-1-87838 0 Forstliche Ausbildungsstätte Traunkirchen am WALDCAMPUS Österreich Forstpark 1, 4801 Traunkirchen Telefon: +43 (0) 7617/21444 E-Mail: fasttraunkirchen@bfw.gv.at Layout: Nadja Santer MSc, Gunther Nikodem, Johanna Kohl Fotos und Abbildungen: FAST Traunkirchen BFW, Remy Gschwandtner, Nadja Santer MSc, Mag. Iona Steixner, ausgenommen extra gekennzeichnete Bilder Bezugsquellen: Bibliothek des BFW; Tel.: 01-878 38 1216; Fax: 01-878 38 1250; E-Mail: bibliothek@bfw.gv.at; Online-Bestellung und Download: bfw.ac.at/webshop Mit den vorliegenden Lehrgangsunterlagen möchten wir Ihnen einen fachlich fundierten Zugang zum Thema ermöglichen. Doch Fachwissen kennt keinen Stillstand, erst recht nicht, wenn es sich um einen relativ jungen Fachbereich handelt. In diesem Sinne freuen wir uns über Rückmeldungen, die uns helfen die Qualität zu verbessern.
Übersicht 1. Biologie der Bäume 2. Gehölze - Einführung in die Pathologie und andere Schädigungsfaktoren 3. Messkunde 4. Mechanik und Statik 5. Baumstandorte und Baumpflanzung als Grundlage grüner Infrastruktur 6. Rechtskunde, Richtlinien und Risikobewertung 7. Kriterien der Baumprüfung 8. Arten der Baumprüfung 9. Baumpflege 10. Baumschutz auf Baustellen und Standortverbesserung
Zertikatslehrgang - Modul 1: Biologie & Mechanik - Biologie der Bäume 1 Biologie der Bäume Autor*innen: Baumpartner Arboristik GmbH: Nadja Santer MSc, Remy Gschwandtner, Max Unterberger Die Erarbeitung der Lehrgangsunterlagen ist mit viel Aufwand verbunden und wir bedanken uns im Namen der Autoren, dass Sie diese nicht vervielfältigen. Für Fragen können Sie sich gerne an uns wenden und wir bemühen uns um faire Lösungen. Seite 1 / 60
Zertifikatslehrgang - Modul 1: Biologie & Mechanik - Biologie der Bäume Inhalt 1. Allgemein................................................................................................5 1.1. Entstehung und Einteilung biologischer Vielfalt....................................6 1.2. Eroberung des Festlandes....................................................................7 1.3. Anpassungen an das Landleben..........................................................8 2. Morphologie & Physiologie.................................................................10 2.1. Zellen, Organellen und Gewebe.........................................................11 2.1.1. Die Pflanzenzelle.........................................................................................11 2.1.2. Bildungs- & Dauergewebe...........................................................................16 2.1.3. Wachstum und Vermehrung........................................................................20 2.2. Grundorgane.......................................................................................21 2.2.1. Wurzel..........................................................................................................21 2.2.2. Sprossachse................................................................................................29 2.2.3. Blatt..............................................................................................................36 2.3. Fortpflanzungsorgane.........................................................................41 2.3.1. Blüten...........................................................................................................41 2.3.2. Samen & Früchte.........................................................................................44 2.4. Stoff- und Energiekreisläufe................................................................46 2.4.1. Photosynthese.............................................................................................46 2.4.2. Transpiration................................................................................................46 2.4.3. Stofftransport................................................................................................47 2.5. Wuchsformen & Kronenhierarchie......................................................48 2.5.1. Kronenarchitektur.........................................................................................51 3. Ökologie................................................................................................52 3.1. Biosphäre, Ökosystem und andere Begriffe.......................................54 3.1.1. Biogeochemische Stoffkreisläufe.................................................................55 Seite 3 / 60
Zertifikatslehrgang - Modul 1: Biologie & Mechanik - Biologie der Bäume 1. Allgemein Die Biologie gilt gemeinhin als die Wissenschaft der Lebewesen, bzw. dient der Erforschung des Lebens. Sie lässt sich in 4 Grundelemente untergliedern, die einerseits eigenständige Forschungsbereiche darstellen, andererseits interdis- ziplinär untrennbar miteinander verbunden sind und je nach Untersuchungstech- nik und Fragestellung ineinandergreifen. Allgemeine Biologie z.B. Ökologie, Verhaltensbiologie, Physiologie, Morphologie, Systematik, Genetik, Zellbiologie, Entwicklungsbiologie, Biochemie, Biophysik Spezielle Biologie z.B. Mikrobiologie, Botanik, Zoologie, Anthropologie Strukturelle Biologie z.B. Lebensgemeinschaften (Biozönosen), Populationen, einzellige / viel- zellige Organismen, Gewebe, Organe, Zellen, Biomoleküle Evolutionsbiologie Verknüpfung verschiedener biologischer Disziplinen, Rekonstruktion stammesgeschichtlicher Abläufe, Evolutionsfaktoren, Koevolution, ... In der Biologie wird das Leben also von der molekularen bis zur globalen Ebene erforscht. Hier gilt es, die grundlegende Frage zu beantworten: „Was ist Leben?“. Biologisch gesehen gibt es einige Eigenschaften, die einer gewissen Organisation bedürfen und gleichzeitig bestehen müssen, um eine Antwort zu definieren. Kennzeichen des Lebens: ● Wachstum, Entwicklung und Tod ● Stoffwechsel / Energienutzung ● Reizbarkeit / Reaktion auf die ● Fortpflanzung und Vermehrung Umwelt ● Bewegung ● Evolutionäre Anpassung Im Gegensatz zu Tieren, Pflanzen, Bakterien und Pilzen sind Viren keine Lebewesen. Sie erfüllen die Kennzeichen des Lebens nicht, sind aber evolutiv aus Lebewesen hervorgegangen. Sie bestehen lediglich aus Erbsubstanz verpackt in einer Proteinhülle und haben sich an ihre Funktion als Krankheitserreger angepasst. Seite 5 / 60
Zertifikatslehrgang - Modul 1: Biologie & Mechanik - Biologie der Bäume 1.1. Entstehung und Einteilung biologischer Vielfalt Vor ca. 3,5 bis 4 Mrd. Jahren tauchten in der „Ursuppe“ unserer Erde die ersten lebenden Organismen auf. Im Zuge einer chemischen Evolution entstanden aus anorganischen Stoffen die ersten organischen Moleküle, die sich im Rahmen einer Evolution des Stoffwechsels (biologische Evolution) zu den ersten Einzellern zusammenfanden. Über einen langen Zeitraum gewannen diese einzelligen Organismen ihre Energie über anorganische chemische Prozesse. Mit der Zeit entwickelten sich komplexere Formen der Energiegewinnung, es entstanden Bakterien, die sich fortan auch von organischen Stoffen ernährten. Einige Bakterien erwarben die Fähigkeit, durch Photosynthese, das Sonnenlicht für sich zu nutzen. Dies war ein Meilenstein auf dem Weg zu der Welt wie wir sie heute kennen. Durch photosynthetisch aktive Bakterien wurde Sauerstoff freigesetzt, der sich zunächst in Meeren und Seen und schließlich, vor ca. 2,7 Mrd. Jahren, auch in der Atmosphäre anreicherte. Dieser wirkte toxisch für viele Organismengruppen und führte zu deren Verschwinden oder Rückzug in anaerobe Habitate. Andere entwickelten weitere Anpassungen an die veränderten Lebensbedingungen und fortlaufende Differenzierung führte zur Entwicklung neuer Organisationseinheiten. Die ersten vielzelligen Lebewesen erschienen vor ca. 1,2 Mrd. Jahren auf unserer Erde, aus deren Nachkommen sich der mannigfaltige Artenreichtum von Algen, Pflanzen, Pilzen und Tieren formte, der einst und heute unseren Planeten besiedelt. Prokaryoten einzellige Mikroorganismen, die aus Zellen ohne Zellkern bestehen; Erbsubstanz liegt als ringförmiges Molekül frei in der Zelle, Vermehrung erfolgt über einfache Zellteilung → Bakterien, Archaea Eukaryoten ein- und vielzellige Organismen, die aus Zellen mit Zellkern aufgebaut sind; Erbsubstanz liegt in Form von Chromosomen innerhalb des Zellkerns, hier kann die Fortpflanzung vegetativ Abb. 1.1: Schematische Darstellung eines oder geschlechtlich erfolgen Prokaryoten → Algen, Pflanzen, Pilze, Tiere Seite 6 / 60
Zertifikatslehrgang - Modul 1: Biologie & Mechanik - Biologie der Bäume Vakuole Vakuolen, auch Zellsaftvakuolen genannt, sind vielseitige Mehrzweck- organellen in der Pflanzenzelle. In ihnen können wichtige organische Verbindungen und Ionen gespeichert (z.B. Proteinvorrat in Samenzellen) oder (giftige) Stoffwechselabfälle deponiert werden. Es können auch Farbstoffe enthalten sein. Vakuolen spielen aber auch eine wichtige Rolle beim Streckungswachstum und der Stabilität von Pflanzenzellen. Sie werden durch Wasseraufnahme vergrößert bis sie fast den gesamten Zellraum einnehmen und somit Druck auf die Zellwand ausüben (Turgordruck). In wachsenden Zellen dehnt sich die Zellwand dadurch aus, in fertigen Zellen dient der Druck der Stabilisierung. Abb. 2.1: Pflanzenzelle mit Zellorganellen; ER = Endoplasmatisches Retikulum Seite 15 / 60
Zertifikatslehrgang - Modul 1: Biologie & Mechanik - Biologie der Bäume 2.1.2. Bildungs- & Dauergewebe Unterschiedliche Pflanzenorgane sind aus verschiedenen Gewebetypen aufge- baut, die ihrerseits ebenfalls aus verschiedenen Zelltypen bestehen. Gewebe sind also Zellverbände, die eine gemeinsame Funktion und/oder Struktur aufweisen. Organe wiederum können aus mehreren Gewebetypen bestehen, deren Gesamtheit eine spezifische Funktion erfüllt. Übergeordnet kann man zwischen Bildungsgeweben (Meristeme) und Dauergeweben unterscheiden. Bildungsgewebe Bildungsgewebe, auch Meristeme genannt, zeichnen sich durch (theoretisch unbegrenzt) teilungsfähige Zellen aus. Hier werden neue Zellen für das Pflanzenwachstum gebildet. Es können drei Formen unterschieden werden: Primäre Meristeme – Apikalmeristeme Sie befinden sich oberirdisch an den Enden von Sprossspitzen und Seitensprossen, wie auch unterirdisch an den Wurzelspitzen und dienen dem Längenwachstum der Pflanze. Sie leiten sich aus embryonalen Zellen ab (Initialzellen) und befinden sich, während der Vegetationsperiode, permanent im Teilungszustand. Durch Differenzierung werden hier ebenfalls Abschluss-, Leit- und Grundgewebe angelegt. Sekundäre Meristeme – Lateralmeristeme Sie werden auch als Folgemeristeme bezeichnet, da sie aus Dauergeweben hervorgehen deren Zellen die Teilungsfähigkeit wieder erlangt haben. Man findet sie bei Pflanzen mit sekundärem Dickenwachstum in Stamm und Wurzeln. Es werden das Kambium, welches nach innen sekundäres Xylem und nach außen sekundäres Phloem bildet, und das Korkkambium, das nach außen Korkzellen und nach innen Parenchymzellen bildet, unterschieden. Tertiäre Meristeme – Restmeristeme Hierbei handelt es sich um teilungsfähige Zellen, die nach der Ausdifferenzierung des Urmeristems erhalten geblieben sind (z.B. Perizykel). Seite 16 / 60
Zertifikatslehrgang - Modul 1: Biologie & Mechanik - Biologie der Bäume diploide Zygote, aus der durch wiederholte mitotische Teilungen ein neuer Organismus heranwachsen kann. Umwelteinflüsse, Stoffwechselstörungen oder das Einwirken von Giften (z.B. Colchizin) können bewirken, dass sich Zellen nach erfolgter Kernteilung nicht weiter teilen. So entstehen Zellen mit einem vervielfachten Chromosomensatz (Polyploidie), die je nach Vervielfältigungsgrad als tri-, tetra-, hexa-, usw. -ploid bezeichnet werden. Derartige Chromosomenanomalien haben unterschiedliche Auswirkungen auf einen Organismus, z.B. können sie eine bessere Vitalität oder Ertragsleistung bewirken, sie können aber auch Sterilität bewirken. 2.2. Grundorgane Alle Sprosspflanzen haben einen gemeinsamen Bauplan, der sich aus drei Grundorganen (Wurzel, Sprossachse, Blatt) zusammensetzt. Diese können, als Anpassung an spezielle Umweltbedingungen, in verschiedenartigen Abwandlungen ausgebildet sein und sind so für den Formenreichtum von Pflanzen mitverantwortlich. 2.2.1. Wurzel Wurzeln wachsen primär im Boden und können dort enorme Ausbreitungen erreichen. Sie sind in der Regel radiärsymmetrisch aufgebaut und besitzen keine Blätter, Chlorophyll oder Spaltöffnungen. Leitgewebe sind in Form zentraler Leitbündel (Zentralzylinder) ausgebildet. Der von Wurzeln durchwachsene Raum im Boden wird als Rhizosphäre bezeichnet. Funktionen • Aufnahme von Wasser und Nährstoffen • Leitung von Wasser, Nährstoffen, Assimilaten Abb. 2.2: Grundbauplan einer und Reservestoffen Blütenpflanze • Speicherung von Nähr- und Reservestoffen • Verankerung und Befestigung des Sprosses im Boden • Etablierung am Standort (z.B. durch Wurzelausscheidungen) Seite 21 / 60
Zertifikatslehrgang - Modul 1: Biologie & Mechanik - Biologie der Bäume Primärer und sekundärer Aufbau Primär können von der Wurzelspitze an 3 Regionen unterschieden werden: Zellteilungszone Apikalmeristem mit schützender Wurzelhaube (Calyptra). Durch das Verschleimen und Ablösen von Calpytrazellen wird das Eindringen der Wurzeln in den Boden erleichtert. Streckungszone Hier wachsen die embryonalen Zellen und beginnen mit der Differenzierung. Differenzierungszone „Wurzelhaarzone“ – hier erfolgt die Aufnahme von Wasser- und Nährstoffen, die Zellen haben ihre Differenzierung beendet. Die Wasser- und Nährstoffaufnahme ist nicht im gesamten Wurzelbereich gleichermaßen möglich. Lediglich die Spitzen der kurzlebigen Feinwurzeln bilden eine, wenige Zentimeter lange, Rhizodermis mit Wurzelhaaren (Absorptionsgewebe ohne Cuticula) aus, die effizient Wasser und Nährstoffe aufnehmen können. Durch die Ausbildung zahlreicher Seitenwurzeln kann die absorbierende Ober- fläche erhöht werden. Außerhalb der Wurzelhaarzone nimmt die Exodermis den Platz der Rhizodermis in der Funktion eines Abschlussgewebes ein. Die Rinde macht den größten Teil einer Wurzel aus. Sie besteht aus großen, parenchymatischen Zellen mit großen Interzellularräumen und dient hauptsächlich der Speicherung von Reservestoffen. Der Zentralzylinder ist aus parenchymatischen Zellen (Mark, Mark- strahlen), den Leitbündeln und gegebenen- falls Festigungsgewebe aufgebaut. Er wird durch den Perizykel von der Wurzelrinde abgegrenzt, dem Entstehungsort der Seitenwurzeln. Die Leitbündel des Xylems sind in der Wurzelspitze oft sternförmig angeordnet, während sich die Leitbündel des Phloems dazwischen anordnen. Im Laufe der Differenzierung ordnen sich die Abb. 2.3: Wurzelspitze einer Feinwurzel Seite 22 / 60
Zertifikatslehrgang - Modul 1: Biologie & Mechanik - Biologie der Bäume Leitbündel neu an, um Anschluss an die Leitungsbahnen der Sprossachse zu finden und um zu sekundärem Dickenwachstum fähig zu sein. Betrachtet man den Querschnitt etwas genauer, fallen Wandverdickungen in der Endodermis auf, die als Caspary-Streifen bezeichnet werden. Durch die Einlagerung von Korkstoff (Suberin) wird eine Zellwandsperre gebildet, die den freien Diffusionsraum gegen den Rest der Wurzel abgrenzt. Die Endodermis und die Caspary-Streifen verhindern in der Wurzel somit die unkontrollierte Diffusion von Wasser und Nährstoffen in die Leitungsbahnen. Abb. 2.4: Querschnitt der Wurzelhaarzone Wasseraufnahme Wurzeln können Wasser auf zwei verschiedene Arten aufnehmen und zum Leitgewebe führen: apoplastisch Wasser diffundiert in den Interzellularräumen symplastisch Wasser wird durch einen osmotischen Gradienten über die Rindenzellen geleitet Abb. 2.5: Wasseraufnahme in der Wurzelhaarzone Seite 23 / 60
Zertifikatslehrgang - Modul 1: Biologie & Mechanik - Biologie der Bäume Sekundär müssen auch Wurzeln, durch das Dickenwachstum bedingt, neue Abschlussgewebe ausbilden. Diese werden vom Perizykel gebildet, nachdem die primäre Wurzelrinde abgesprengt wurde und das Korkkambium mit der Ausbildung einer Borke begonnen hat. Bis auf den zentralen Wurzelbereich gleichen Wurzeln in diesem Stadium in ihrem Aufbau stark dem Spross. Die Wurzel folgt dem Prinzip des geringsten Widerstandes, das heißt, dass Räume erschlossen werden, in welchen der Luft- und Gasaustausch leicht möglich ist und Wasser ohne Probleme aufgenommen werden kann. Entgegen der weit verbreitenden Meinung können Wurzeln nicht „bohren“. Wurzelsysteme Alle Wurzeln einer Pflanze ergeben gemeinsam das Wurzelsystem. Welche Ausbreitung dieses System erreichen kann hängt nicht nur von der Pflanze selbst ab, sondern ebenfalls von Faktoren wie Feuchtigkeit, Temperatur und anderer Eigenschaften des Bodens. Grundsätzlich können zwei Bewurzelungstypen unterschieden werden: Homorrhizie „Gleichwurzeligkeit“ - homogenes Wurzelsystem (sprossbürtige, morphologisch gleichwertige Seitenwurzeln) meist geringe Bodentiefen, guter Schutz gegen Bodenerosion Ein- und zweikeimblättrige Pflanzen Allorrhizie „Verschiedenwurzeligkeit“ - heterogenes Wurzelsystem (ausdauernde Hauptwurzel mit Seitenwurzeln) Zweikeimblättrige Pflanzen, Gymnospermen Der Wurzelstock ist der Übergangsbereich vom Wurzel- zum Sprosssystem. Bei allorrhizer Bewurzelung ist dieser wesentlich stärker und stabiler ausgeprägt als dies bei homorrhizer Bewurzelung der Fall ist. Unter anderem deshalb können solche Pflanzen höheren (Wind-) Belastungen standhalten. Seite 24 / 60
Zertikatslehrgang - Modul 1: Biologie & Mechanik - Mechanik & Statik 4 Mechanik & Statik Autor: Baumpartner Arboristik GmbH: Remy Gschwandtner Die Erarbeitung der Lehrgangsunterlagen ist mit viel Aufwand verbunden und wir bedanken uns im Namen der Autoren, dass Sie diese nicht vervielfältigen. Für Fragen können Sie sich gerne an uns wenden und wir bemühen uns um faire Lösungen. Seite 1 / 39
Zertifikatslehrgang · Modul 1 - Biologie & Mechanik · Mechanik & Statik Inhalt 1. Allgemein................................................................................................5 1.1. Der Baum als Leichtbaukonstruktion....................................................5 2. Baumstatik..............................................................................................7 2.1. Last........................................................................................................8 2.1.1. Windlastanalyse.............................................................................................8 2.2. Material & Form...................................................................................10 2.2.1. Material.........................................................................................................11 2.2.2. Festigkeit......................................................................................................18 2.2.3. Form.............................................................................................................21 2.3. Verankerung im Boden.......................................................................23 2.3.1. Physikalische Eigenschaften des Bodenmaterials......................................24 2.3.2. Die Eigenschaften des Wurzelsystems.......................................................25 2.3.3. Modelle der Baumverankerung....................................................................25 3. Dynamische Betrachtungen...............................................................30 3.1. Frequenzen.........................................................................................30 3.2. Dämpfung............................................................................................31 3.3. Allometrie.............................................................................................32 3.4. Baumdynamische Modelle..................................................................33 3.5. Das Kippverhalten im Wind.................................................................34 3.6. Kronenverkleinerung zur Lastreduktion..............................................35 3.7. Praktische Anwendungen baumstatischer Ansätze............................36 4. Verzweigung & Astanbindung............................................................37 4.1. Astanbindung des gesunden Astes....................................................37 4.2. Dürräste & Astlöcher...........................................................................38 4.3. Steilast.................................................................................................38 4.4. Grünastbruch / Spontanbruch.............................................................38 4.5. Zwiesel................................................................................................39 4.5.1. U-Zwiesel.....................................................................................................39 4.5.2. V-Zwiesel.....................................................................................................39 Seite 3 / 39
Zertifikatslehrgang · Modul 1 - Biologie & Mechanik · Mechanik & Statik 1.�Allgemein Mechanik ist ein Teilgebiet der Physik und wird von den Naturwissenschaften und den Ingenieurwissenschaften herangezogen, um die Bewegung von Körpern und die dabei wirkenden Kräfte zu erklären. Dies geschieht anhand von Naturgesetzen, die es erlauben, beobachtbare Ereignisse mit hoher Präzision zu erklären und vorherzusagen. So konnte Isaac Newton, der Legende nach inspiriert durch einen Apfelbaum, eine Erklärung für die Anziehung von Massen und in Folge auch für die Schwerkraft auf der Erde finden. Auch das Wachstum und der Bestand von Bäumen unterliegen natürlichen Gesetzmäßigkeiten. „Trees can´t violate the laws of physics“ [James K.; 2010]. Beim Versuch, Bäume zu verstehen, ist es demnach essentiell diese Gesetze zu kennen, auch wenn die Komplexität biologischer Vorgänge selten mit den bekannten Methoden und Naturgesetzen vollständig erklärt werden kann. Biologen müssen damit leben, dass sie das Leben nur bis zu einem gewissen Maß beschreiben können, sie formulieren in der Regel keine Naturgesetze, doch versuchen auch sie die Phänomene natürlichen Lebens möglichst präzise zu beschreiben. Mechanik hilft der Baumbiologie, eine Vielzahl an Lebensbedingungen zu verstehen. Dieses Kapitel beschränkt sich auf einige für Arboristen essentielle Modelle wie Bäume dem Bruch oder Wurf entgegenwirken. Ein Baum ist eine Konstruktion, die den physikalischen Gesetzen unterworfen ist. Es ist somit notwendig, statische Eigenschaften und Regeln an Bäumen anzuwenden, um zu verstehen, wo welche Kräfte auf sie wirken. Durch das ständige, vom jungen bis zum adulten Baum andauernde Höhenwachstum ist der Baum gezwungen, auch seinen Umfang laufend zu vergrößern, um den einwirkenden Kräften entgegenzuwirken. Später stagniert das Höhenwachstum und der Baum baut durch das obligat fortlaufende Dickenwachstum statische Reserven auf. �� Dort wo es die Umweltbedingungen ermöglichen dominieren Bäume das Landschaftsbild, da ihnen der verholzte Spross ermöglicht, der Konkurrenz niedrigerer Pflanzen zu entwachsen und ihre Blätter in optimaler Position zu entfalten. Die Meristeme liegen dabei so, dass alljährlich eine neue Holzschicht den Baum umhüllt. Jeder Baum muss um zu überleben jährlich einen neuen Jahrring bilden und wird dadurch dicker. Doch die Menge des Holzanbaues und dessen Eigenschaften sind nicht gleichmäßig oder zufällig am Baum verteilt, sondern variieren mit den Anforderungen. Gerade junge Bäume streben häufig Seite 5 / 39
Zertifikatslehrgang · Modul 1 - Biologie & Mechanik · Mechanik & Statik maximal in die Höhe und beschränken ihr Dickenwachstum auf das für eine Etablierung am Standort notwendige Minimum. Das Axiom der Konstanten Spannungen [Mattheck C, Breloer H.; 1993] beschreibt eine gleichmäßige Verteilung der Spannungen über den Baumstamm. Steigen die Spannungen, so gleichen Bäume das mit vermehrtem Wachstum wieder aus. Der vollholzige Stamm ist dort am stärksten, wo es zu den größten Belastungen kommt, zum Beispiel am Stammfuß oder im Bereich einer Verzwieselung. Haben sich Bäume am Standort etabliert, stellen sie ihr Höhenwachstum weitgehend ein und die Belastungen verändern sich kaum mehr. Dennoch gibt es jährliche Zuwächse und die Leichtbauweise weicht einem massiven Stamm mit hohen Reserven und gleichmäßigen Wachstum. Erst durch veränderte Lebensbedingungen oder Schädigungen kommt es an Orten erhöhter Spannungen wieder zu verstärktem Dickenwachstum, was zu Symptomen führt, die von erfahrenen Arboristen erkannt und bewertet werden können. Seite 6 / 39
Zertifikatslehrgang · Modul 1 - Biologie & Mechanik · Mechanik & Statik 2. Baumstatik Die Baumstatik beschäftigt sich mit dem Gleichgewicht der Kräfte, die auf einen ruhenden Baum einwirken. Bäume versagen dann, wenn die auftretenden Belastungen die Stärke der Strukturen oder der Verankerung überschreiten. Es mag absurd klingen, Bäume im Sturm als ruhende Körper zu betrachten. Doch genau am Punkt der maximalen Auslenkung, bevor er wieder zurück in eine entspanntere Position zurückschwingt, befindet sich der Baum für einen kurzen Moment in weitgehender Ruhe [Nielson C., 1990]. � � � „Statik und Festigkeitslehre von Bäumen beruhen auf dem Prinzip der Waage. Der äußeren Belastung – beispielsweise durch Wind, Schnee, Eis oder Exzentrität – wirken die inneren Widerstandskräfte entgegen, z.B. die Verankerungskraft des Wurzelfundaments und die Holzfestigkeit in Verbindung mit der Geometrie des Querschnittes. Durch den Vergleich der Last- und Kraftgrößen ergeben sich Aussagen zur Stand- und Bruchsicherheit“ [Sinn G.; 2003] Seite 7 / 39
Zertifikatslehrgang · Modul 1 - Biologie & Mechanik · Mechanik & Statik 2.1. Last Nach jedem stärkeren Sturm wird schnell klar, weshalb Windkräften bei der Stabilitätsbeurteilung von Bäumen die höchste Beachtung geschenkt werden sollte. So kommt es zwar auch durch Eis, Schnee und dem Eigengewicht zu Schäden an und durch Bäume, doch dominieren die Auswirkungen durch Stürme. Häufig liegt in der Stabilitätsbeurteilung der Fokus auf Bildern des Holzquerschnittes oder dem Zustand des tragenden Holzes, während auf die Einschätzung von Windlasten weitgehend verzichtet wird. Da die Windlast jedoch extrem streut [Wessolly L., Erb M.; 1998], ist eine Stabilitätsbeurteilung ohne deren Berücksichtigung meist völlig wertlos. „Winddruck sowie Form und Größe der Baumkrone entscheiden über die Kraft, welche auf die darunterliegenden „Hebelarme“ wirkt. Dabei verringert sich bei größeren Windstärken der Staudruck durch den veränderten Windwiderstands- beiwert – dem Cw-Wert der Baumkrone, durch Wegdrehen der Blätter, Neigung der Äste usw. Durch diese Verringerung der Windangriffsfläche verringert sich der Druck auf die Baumkrone auf rund 1/3 der rechnerischen Last“. [Sinn G.; 2003] 2.1.1. Windlastanalyse In Windlastanalysen wird versucht, die, durch den Baum ausgekämmte, Windenergie bei einem Starkwindereignis zu berechnen und in einem Windlastschwerpunkt zusammenzufassen. Dabei geht man in Anlehnung an die Baustatik vor und betrachtet Bäume als mit dem Boden verwobene Segel auf sich verjüngenden Masten. Wind wirkt auf Bäume durch seine Geschwindigkeit, seine Beschleunigung und seinen Impuls. Zusammengefasst können Windkräfte an Bäumen als wechselnd beschleunigende und abbremsende Strömungen eines, in Dichte und Richtung variablen, fluiden Mediums betrachtet werden. Diese werden immer wieder von Böen überlagert. Das ist kompliziert, weshalb Berechnungen meist unter Zuhilfenahme von Software vorgenommen werden. Das Verständnis der wesentlichen Aspekte ist jedoch essentiell für deren Interpretation und für viele Entscheidungen in der täglichen arboristischen Praxis. Kronenfläche (A) In der Baumstatik betrachtet man die Krone als löchriges Segel, das von Luft durch- und umströmt wird. Anhand der Kronenprojektionsfläche wird ein höhenabhängiger Winddruck berechnet und in einem Windlastschwerpunkt zusammengefasst. Seite 8 / 39
Zertifikatslehrgang · Modul 1 - Biologie & Mechanik · Mechanik & Statik � Eigentlich ist der Widerstandsbeiwert keine Konstante, sondern hängt von der Reynold Zahl und der Windschlüpfrigkeit ab. Wenn der Wind an Blättern, Zweigen und Ästen zerrt, verbiegen sich diese und der Baum wird mit zunehmender Windgeschwindigkeit windschlüpfriger. Bei starken Windgeschwindigkeiten nimmt der Effekt der Kronenrekonfiguration jedoch ab und man behilft sich mit Näherungswerten für typische Strömungsverhältnisse. Diese sind bei sehr biegsamen Baumarten, wie der Birke, sehr niedrig (0,1) und bei sparrig verzweigten Baumarten, wie der Rosskastanie, wesentlich höher (0,35). Je dichter ein umströmendes Medium ist, desto größer ist die Kraft, die dadurch übertragen werden kann. Die Dichte von Luft liegt bei ca. 1,25 kg/m³, die von Wasser bei etwa 1000 kg/m³. Man bedenke was es heißen könnte, wenn große Mengen Wasser, wie bei Starkregen, auf Bäume zusätzlich einwirken. � Die Windgeschwindigkeit wird entweder entsprechend den standörtlichen Gegebenheiten berechnet oder mit 32 m/s angenommen, da hier erfahrungsgemäß auch gesunde Bäume versagen. Man beachte, dass die Windgeschwindigkeit zum Quadrat in die Formel (siehe unten) eingeht. Eine Verdoppelung der Windgeschwindigkeit bedeutet demnach eine achtfache Windlast. Der Expositionsfaktor berücksichtigt die Abschattungen durch Bäume oder Großstrukturen rechnerisch und reduziert die Windlast entsprechend. Ein Expositionsfaktor von 0,7 würde bedeuten, dass 70% der Windlast auf den Baum einwirken. Da Bäume durch den Wind in Schwingung versetzt werden, kommt es zu Überlagerungen der Schwingungen mit den Böen und damit einhergehend auch zu größeren Belastungen. Um dieses Wechselspiel zwischen Baum und Wind in einer statischen Belastung auszudrücken, werden Böenreaktionsfaktoren berechnet und in die Gleichung eingefügt. Seite 9 / 39
Zertifikatslehrgang · Modul 1 - Biologie & Mechanik · Mechanik & Statik Windmoment (MB) Die Summe der Windkräfte wirkt im Lastschwerpunkt, dessen Höhe (h) zur Berechnung des wirksamen Hebels für das Windmoment herangezogen wird. Da die Windgeschwindigkeit mit der Höhe stark zunimmt, liegt dieser in der Regel etwas oberhalb des Flächenschwerpunktes. Setzt man die beschriebenen Faktoren in die Windlastgleichung ein, kann man ein Windmoment berechnen, welches an den bemessenen Querschnitten wirkt. Windlastgleichung: M B=h∗G∗ex∗cw∗ρ�/2∗v 2∗A �� Auftretende Kräfte am Baum werden durch den Holzkörper in die Verankerung übertragen. Dabei wird der Baum verformt und schließlich führen die auftretenden Spannungen zum Versagen, wenn sie jene, denen Material und Form widerstehen können, überschreiten. Für die Ermittlung der Bruchsicherheit sind somit zusammenfassend folgende Faktoren wesentlich: • Wie hoch sind die Belastungen? • Welche Eigenschaften hat das Holz der Baumart? • Wie ist die Form bzw. Geometrie des Holzkörpers? Der wesentliche Vorteil bei der Betrachtung von Bäumen als Konstruktion liegt in der Selbstoptimierung des Lebewesens Baum. Es wäre natürlich zu kurz gegriffen, das Wachstum von Bäumen als rein lastgesteuert zu betrachten, weshalb Bäume auch ohne Schäden instabil sein können. Doch solange sie die Möglichkeit haben, Schwachstellen zu kompensieren tun sie das! Während technische Bauteile mit der Zeit abgenutzt werden und regelmäßig gewartet werden müssen, reagieren Bäume auf den Verlust an Substanz und verstärken sich durch adaptives Wachstum selbst. Auch allgemein reagiert das Baumwachstum auf die lokal vorhandenen Spannungen. Druck- und zugbelastete Holzteile werden unterschiedlich ausgeformt. Dabei wird das sog. Zugholz bei den meisten Laubbäumen auf der Oberseite von Ästen und der dem Wind zugewandten Seite (Luv) geneigter Stämme ausgebildet und wirkt so Zugkräften entlang der Achsen entgegen. Es ist oft heller und glänzender als Normalholz, enthält mehr Zellulose und weniger Lignin und verfügt über einen anderen Mikrofibrillenwinkel. Seite 10 / 39
Zertifikatslehrgang · Modul 1 - Biologie & Mechanik · Mechanik & Statik Die wesentlichen Vorteile eines gewachsenen Bauwerkes sind: • Vermeidung von Kerbspannungen • Wachstumsspannungen zur teilweisen Kompensation • Flexibilität • Adaptives Reparaturwachstum �� „Holz ist genial“ dieser Werbespruch der österreichischen Holzindustrie mag die intellektuellen Fähigkeiten von Holz übertreiben, doch umschreibt es dessen technische Eigenschaften treffend. Holz ist technisch betrachtet ein Polymer-Faserverbundwerkstoff und als solcher weder besonders fest noch besonders hart. Im Verhältnis zu seiner geringen Dichte jedoch praktisch unübertroffen. Da Holz entsprechend den Bedürfnissen des jeweiligen Baumes ausgeformt ist, variieren dessen Eigenschaften innerhalb des Baumes, und von Baum zu Baum. Das hat zum Beispiel zur Folge, dass Fichtenholz im Schnittholzhandel die teuersten (wie Klangholz) und die billigsten Sortimente (wie Paletten oder Verpackungsholz) stellen. Diese herausragenden Eigenschaften sind auf die vernetzen Hierarchie-Ebenen von Holz zurückzuführen. Seite 11 / 39
Zertifikatslehrgang · Modul 1 - Biologie & Mechanik · Mechanik & Statik � Der Grundbaustein des Holzes sind Zellulosemoleküle, die in Mikrofibrillen mit einem Durchmesser von ca. 2 nm, in einer Matrix aus Lignin und Hemizellulose eingebettet sind. Dabei stellen die Hemizellulosen eine Verbindung zwischen den steifen und zugfesten Zellulosefibrillen und dem druckfesten und brüchigen Lignin her, weshalb häufig ein Vergleich mit Stahlbeton gezogen wird. Die mechanischen Eigenschaften hängen von der Struktur und Richtung der Fibrillen ab, dem Grad der Lignifizierung und der Dicke der Zellwandschichten. In Holzzellen, wie Tracheiden mit einem Durchmesser von ca. 20 μm, ordnen sich Mikrofibrillen verschieden an und bilden mehrere Schichten. Von der Mittellamelle ausgehend finden wir die Primärwand, die, nachdem sie noch gestreckt wird, einen zufälligen Mikrofibrillenwinkel aufweist. Die Sekundärwand ist in drei Teile gegliedert, nämlich S1, S2 und S3. Der S2 kommt die größte Bedeutung bezüglich der Belastbarkeit zu, da sie die dickste Schicht, mit einem günstigen Mikrofibrillenwinkel von 5-30°, für die Lastaufnahme ist. In der Makrostruktur sind es die Unterschiede zwischen Kern- und Splintholz, die Breite der Jahrringe und die Anordnung der Gefäße welche die mechanischen Eigenschaften wesentlich beeinflussen. Für die Beurteilung von Bäumen sind folgende Eigenschaften von Holz wesentlich: ◦ Belastungsrichtung ◦ Wassergehalt ◦ Elastische Eigenschaften ◦ Viskoelastische Eigenschaften ◦ Plastische Eigenschaften ◦ Akustische Eigenschaften ◦ Festigkeit Seite 12 / 39
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