Lehrgangsunterlagen Zertifikatslehrgang Grundlagen der Baumprüfung und Baumpflege - baumpartner

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Lehrgangsunterlagen Zertifikatslehrgang Grundlagen der Baumprüfung und Baumpflege - baumpartner
FORSTLICHE
                                   AUSBILDUNGSSTÄTTE

                                   Traunkirchen Wir bringen Wissen in den Wald!

Zertifikatslehrgang
Grundlagen der Baumprüfung und Baumpflege
Lehrgangsunterlagen

Bundesforschungszentrum für Wald
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Qualität ist uns wichtig!
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Unsere Wälder und Bäume sind unsere wichtigste
                      Klimaanlage. Vor allem in Städten aber auch in
                      unseren Gemeinden sorgen sie für frische Luft und
                      sind ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Richtig
© BMLRT Paul Gruber

                      gepflanzt und gepflegt können sich Bäume gut
                      entwickeln und ihre Wirkungen entfalten. Daher ist
                      es wichtig, Menschen auszubilden die sich
                      fachgerecht um sie kümmern.

                      Elisabeth Köstinger
                      Bundesministerin für Landwirtschaft,
                      Regionen und Tourismus

                      Bäume sind für die Gestaltung lebenswerter Grün-
                      räume eines der tragenden Elemente. In diesen
                      Lehrgangsunterlagen wird vermittelt, wie wertvoll
                      sie für unsere Pflanzen- und Tierwelt sind und wie
                      sich naturnahe Oasen gestalten lassen, in denen
                      sich Groß und Klein gerne aufhalten. Biodiversität
                      geht hier also Hand in Hand mit menschlicher
                      Lebensqualität.

                      Martin Eichtinger
                      Landesrat
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Der Sinn des Lebens besteht darin, Bäume zu
pflanzen, unter deren Schatten man selber nicht
mehr sitzen wird - besagt ein weiser Spruch.
Damit auch nachfolgende Generationen noch gut
und sicher unter unseren Bäumen sitzen können,
brauchen wir unsere Baumpflegerinnen und
Baumpfleger.

Hermine Hackl
Leiterin der
Forstlichen Ausbildungsstätte Traunkirchen
am WALDCAMPUS Österreich

Als ich vor nunmehr 20 Jahren mein Tagwerk am
Baum beendete wurde ich häufig gefragt von was
ich denn lebte, bzw. was denn mein Beruf wäre.
Der rasante Bedeutungsgewinn der Branche lässt
dies heute absurd erscheinen, doch stellte sich
immer noch die Frage nach der Etablierung eines
Berufsbildes mit einer adäquaten und anerkannten
Ausbildung. Der nun vorliegende Lehrgang ist ein
wichtiger Schritt in diese Richtung - er vereint
Fachwissen mit moderner Praxis im Umgang mit
urbanen Baumbeständen. Im Namen der
Baumpartner bedanke ich mich bei allen die uns
tatkräftig und unterstützend, auch abseits der
öffentlichen Bühne, zur Seite standen.

Remy Maria Gschwandtner
BAUMPARTNER Arboristik
Lehrgangsunterlagen Zertifikatslehrgang Grundlagen der Baumprüfung und Baumpflege - baumpartner
Impressum
ISBN 978-3-903258-49-5

Copyright 2021 by BFW                                                  FORSTLICHE
                                                                       AUSBILDUNGSSTÄTTE
Juli 2021                                                        Traunkirchen
Nachdruck (auch auszugsweise) nur nach                 am WALDCAMPUS Österreich
vorheriger schriftlicher Zustimmung seitens des
Herausgebers gestattet.
Presserechtlich verantwortlich:
DI Dr. Peter Mayer,
Bundesforschungs- und Ausbildungszentrum für
Wald, Naturgefahren und Landschaft
Seckendorff-Gudent-Weg 8,                              Bundesforschungszentrum für Wald
1131 Wien, Österreich; Tel. +43-1-87838 0
Forstliche Ausbildungsstätte Traunkirchen
am WALDCAMPUS Österreich
Forstpark 1, 4801 Traunkirchen
Telefon: +43 (0) 7617/21444
E-Mail: fasttraunkirchen@bfw.gv.at
Layout:
Nadja Santer MSc, Gunther Nikodem,
Johanna Kohl
Fotos und Abbildungen:
FAST Traunkirchen BFW, Remy Gschwandtner,
Nadja Santer MSc, Mag. Iona Steixner,
ausgenommen extra gekennzeichnete Bilder
Bezugsquellen:
Bibliothek des BFW;
Tel.: 01-878 38 1216; Fax: 01-878 38 1250;
E-Mail: bibliothek@bfw.gv.at;
Online-Bestellung und Download:
bfw.ac.at/webshop

Mit den vorliegenden Lehrgangsunterlagen möchten wir Ihnen einen fachlich fundierten
Zugang zum Thema ermöglichen. Doch Fachwissen kennt keinen Stillstand, erst recht
nicht, wenn es sich um einen relativ jungen Fachbereich handelt. In diesem Sinne freuen
wir uns über Rückmeldungen, die uns helfen die Qualität zu verbessern.
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Übersicht

 1.   Biologie der Bäume

 2.   Gehölze - Einführung in die Pathologie
      und andere Schädigungsfaktoren

 3.   Messkunde

 4.   Mechanik und Statik

 5.   Baumstandorte und Baumpflanzung
      als Grundlage grüner Infrastruktur

 6.   Rechtskunde, Richtlinien und
      Risikobewertung

 7.   Kriterien der Baumprüfung

 8.   Arten der Baumprüfung

 9.   Baumpflege

10.   Baumschutz auf Baustellen und
      Standortverbesserung
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Zertikatslehrgang - Modul 1: Biologie & Mechanik - Biologie der Bäume

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Biologie der Bäume

Autor*innen:
Baumpartner Arboristik GmbH:
Nadja Santer MSc, Remy Gschwandtner, Max Unterberger

                                                          Die Erarbeitung der
                                                          Lehrgangsunterlagen ist mit viel
                                                          Aufwand verbunden und wir
                                                          bedanken uns im Namen der
                                                          Autoren, dass Sie diese nicht
                                                          vervielfältigen. Für Fragen
                                                          können Sie sich gerne an uns
                                                          wenden und wir bemühen
                                                          uns um faire Lösungen.

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Zertifikatslehrgang - Modul 1: Biologie & Mechanik - Biologie der Bäume

Inhalt
1. Allgemein................................................................................................5
1.1. Entstehung und Einteilung biologischer Vielfalt....................................6
1.2. Eroberung des Festlandes....................................................................7
1.3. Anpassungen an das Landleben..........................................................8

2. Morphologie & Physiologie.................................................................10
2.1. Zellen, Organellen und Gewebe.........................................................11
   2.1.1. Die Pflanzenzelle.........................................................................................11
   2.1.2. Bildungs- & Dauergewebe...........................................................................16
   2.1.3. Wachstum und Vermehrung........................................................................20
2.2. Grundorgane.......................................................................................21
   2.2.1. Wurzel..........................................................................................................21
   2.2.2. Sprossachse................................................................................................29
   2.2.3. Blatt..............................................................................................................36
2.3. Fortpflanzungsorgane.........................................................................41
   2.3.1. Blüten...........................................................................................................41
   2.3.2. Samen & Früchte.........................................................................................44
2.4. Stoff- und Energiekreisläufe................................................................46
   2.4.1. Photosynthese.............................................................................................46
   2.4.2. Transpiration................................................................................................46
   2.4.3. Stofftransport................................................................................................47
2.5. Wuchsformen & Kronenhierarchie......................................................48
   2.5.1. Kronenarchitektur.........................................................................................51

3. Ökologie................................................................................................52
3.1. Biosphäre, Ökosystem und andere Begriffe.......................................54
   3.1.1. Biogeochemische Stoffkreisläufe.................................................................55

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Zertifikatslehrgang - Modul 1: Biologie & Mechanik - Biologie der Bäume

1. Allgemein

Die Biologie gilt gemeinhin als die Wissenschaft der Lebewesen, bzw. dient der
Erforschung des Lebens. Sie lässt sich in 4 Grundelemente untergliedern, die
einerseits eigenständige Forschungsbereiche darstellen, andererseits interdis-
ziplinär untrennbar miteinander verbunden sind und je nach Untersuchungstech-
nik und Fragestellung ineinandergreifen.

Allgemeine Biologie
    z.B. Ökologie, Verhaltensbiologie, Physiologie, Morphologie, Systematik,
    Genetik, Zellbiologie, Entwicklungsbiologie, Biochemie, Biophysik
Spezielle Biologie
    z.B. Mikrobiologie, Botanik, Zoologie, Anthropologie
Strukturelle Biologie
    z.B. Lebensgemeinschaften (Biozönosen), Populationen, einzellige / viel-
    zellige Organismen, Gewebe, Organe, Zellen, Biomoleküle
Evolutionsbiologie
    Verknüpfung verschiedener biologischer Disziplinen, Rekonstruktion
    stammesgeschichtlicher Abläufe, Evolutionsfaktoren, Koevolution, ...

In der Biologie wird das Leben also von der molekularen bis zur globalen Ebene
erforscht. Hier gilt es, die grundlegende Frage zu beantworten: „Was ist Leben?“.
Biologisch gesehen gibt es einige Eigenschaften, die einer gewissen
Organisation bedürfen und gleichzeitig bestehen müssen, um eine Antwort zu
definieren.
Kennzeichen des Lebens:

    ●   Wachstum, Entwicklung und Tod          ●   Stoffwechsel / Energienutzung
    ●   Reizbarkeit / Reaktion auf die         ●   Fortpflanzung und Vermehrung
        Umwelt
    ●   Bewegung                               ●   Evolutionäre Anpassung

Im Gegensatz zu Tieren, Pflanzen, Bakterien und Pilzen sind Viren keine
Lebewesen. Sie erfüllen die Kennzeichen des Lebens nicht, sind aber evolutiv
aus Lebewesen hervorgegangen. Sie bestehen lediglich aus Erbsubstanz
verpackt in einer Proteinhülle und haben sich an ihre Funktion als
Krankheitserreger angepasst.

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Zertifikatslehrgang - Modul 1: Biologie & Mechanik - Biologie der Bäume

1.1.      Entstehung und Einteilung biologischer Vielfalt

Vor ca. 3,5 bis 4 Mrd. Jahren tauchten in der „Ursuppe“ unserer Erde die ersten
lebenden Organismen auf. Im Zuge einer chemischen Evolution entstanden
aus anorganischen Stoffen die ersten organischen Moleküle, die sich im Rahmen
einer Evolution des Stoffwechsels (biologische Evolution) zu den ersten
Einzellern zusammenfanden. Über einen langen Zeitraum gewannen diese
einzelligen Organismen ihre Energie über anorganische chemische Prozesse.
Mit der Zeit entwickelten sich komplexere Formen der Energiegewinnung, es
entstanden Bakterien, die sich fortan auch von organischen Stoffen ernährten.
Einige Bakterien erwarben die Fähigkeit, durch Photosynthese, das Sonnenlicht
für sich zu nutzen. Dies war ein Meilenstein auf dem Weg zu der Welt wie wir sie
heute kennen. Durch photosynthetisch aktive Bakterien wurde Sauerstoff
freigesetzt, der sich zunächst in Meeren und Seen und schließlich, vor ca. 2,7
Mrd. Jahren, auch in der Atmosphäre anreicherte. Dieser wirkte toxisch für viele
Organismengruppen und führte zu deren Verschwinden oder Rückzug in
anaerobe Habitate. Andere entwickelten weitere Anpassungen an die
veränderten Lebensbedingungen und fortlaufende Differenzierung führte zur
Entwicklung neuer Organisationseinheiten. Die ersten vielzelligen Lebewesen
erschienen vor ca. 1,2 Mrd. Jahren auf unserer Erde, aus deren Nachkommen
sich der mannigfaltige Artenreichtum von Algen, Pflanzen, Pilzen und Tieren
formte, der einst und heute unseren Planeten besiedelt.

Prokaryoten
   einzellige Mikroorganismen, die aus
   Zellen    ohne      Zellkern    bestehen;
   Erbsubstanz liegt als ringförmiges
   Molekül frei in der Zelle, Vermehrung
   erfolgt über einfache Zellteilung
   → Bakterien, Archaea

Eukaryoten
   ein- und vielzellige Organismen, die aus
   Zellen mit Zellkern aufgebaut sind;
   Erbsubstanz liegt in Form            von
   Chromosomen innerhalb des Zellkerns,
   hier kann die Fortpflanzung vegetativ Abb. 1.1: Schematische Darstellung eines
   oder geschlechtlich erfolgen             Prokaryoten
   → Algen, Pflanzen, Pilze, Tiere

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Zertifikatslehrgang - Modul 1: Biologie & Mechanik - Biologie der Bäume

Vakuole
   Vakuolen, auch Zellsaftvakuolen genannt, sind vielseitige Mehrzweck-
   organellen in der Pflanzenzelle. In ihnen können wichtige organische
   Verbindungen und Ionen gespeichert (z.B. Proteinvorrat in Samenzellen)
   oder (giftige) Stoffwechselabfälle deponiert werden. Es können auch
   Farbstoffe enthalten sein. Vakuolen spielen aber auch eine wichtige Rolle
   beim Streckungswachstum und der Stabilität von Pflanzenzellen. Sie werden
   durch Wasseraufnahme vergrößert bis sie fast den gesamten Zellraum
   einnehmen und somit Druck auf die Zellwand ausüben (Turgordruck). In
   wachsenden Zellen dehnt sich die Zellwand dadurch aus, in fertigen Zellen
   dient der Druck der Stabilisierung.

   Abb. 2.1: Pflanzenzelle mit Zellorganellen; ER = Endoplasmatisches Retikulum

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Zertifikatslehrgang - Modul 1: Biologie & Mechanik - Biologie der Bäume

    2.1.2.        Bildungs- & Dauergewebe

Unterschiedliche Pflanzenorgane sind aus verschiedenen Gewebetypen aufge-
baut, die ihrerseits ebenfalls aus verschiedenen Zelltypen bestehen. Gewebe
sind also Zellverbände, die eine gemeinsame Funktion und/oder Struktur
aufweisen. Organe wiederum können aus mehreren Gewebetypen bestehen,
deren Gesamtheit eine spezifische Funktion erfüllt.
Übergeordnet kann man zwischen                       Bildungsgeweben         (Meristeme)   und
Dauergeweben unterscheiden.

Bildungsgewebe
     Bildungsgewebe, auch Meristeme genannt, zeichnen sich durch (theoretisch
     unbegrenzt) teilungsfähige Zellen aus. Hier werden neue Zellen für das
     Pflanzenwachstum gebildet. Es können drei Formen unterschieden werden:

           Primäre Meristeme – Apikalmeristeme
                  Sie befinden sich oberirdisch an den Enden von Sprossspitzen und
                  Seitensprossen, wie auch unterirdisch an den Wurzelspitzen und
                  dienen dem Längenwachstum der Pflanze. Sie leiten sich aus
                  embryonalen Zellen ab (Initialzellen) und befinden sich, während der
                  Vegetationsperiode, permanent im Teilungszustand. Durch
                  Differenzierung werden hier ebenfalls Abschluss-, Leit- und
                  Grundgewebe angelegt.
           Sekundäre Meristeme – Lateralmeristeme
                  Sie werden auch als Folgemeristeme bezeichnet, da sie aus
                  Dauergeweben hervorgehen deren Zellen die Teilungsfähigkeit
                  wieder erlangt haben. Man findet sie bei Pflanzen mit sekundärem
                  Dickenwachstum in Stamm und Wurzeln. Es werden das Kambium,
                  welches nach innen sekundäres Xylem und nach außen sekundäres
                  Phloem bildet, und das Korkkambium, das nach außen Korkzellen
                  und nach innen Parenchymzellen bildet, unterschieden.
           Tertiäre Meristeme – Restmeristeme
                  Hierbei handelt es sich um teilungsfähige Zellen, die nach der
                  Ausdifferenzierung des Urmeristems erhalten geblieben sind (z.B.
                  Perizykel).

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Zertifikatslehrgang - Modul 1: Biologie & Mechanik - Biologie der Bäume

diploide Zygote, aus der durch wiederholte mitotische Teilungen ein neuer
Organismus heranwachsen kann.
Umwelteinflüsse, Stoffwechselstörungen oder das Einwirken von Giften (z.B.
Colchizin) können bewirken, dass sich Zellen nach erfolgter Kernteilung nicht
weiter teilen. So entstehen Zellen mit einem vervielfachten Chromosomensatz
(Polyploidie), die je nach Vervielfältigungsgrad als tri-, tetra-, hexa-, usw. -ploid
bezeichnet werden. Derartige Chromosomenanomalien haben unterschiedliche
Auswirkungen auf einen Organismus, z.B. können sie eine bessere Vitalität oder
Ertragsleistung bewirken, sie können aber auch Sterilität bewirken.

2.2.    Grundorgane

Alle Sprosspflanzen haben einen gemeinsamen Bauplan,
der sich aus drei Grundorganen (Wurzel, Sprossachse,
Blatt) zusammensetzt. Diese können, als Anpassung an
spezielle Umweltbedingungen, in verschiedenartigen
Abwandlungen ausgebildet sein und sind so für den
Formenreichtum von Pflanzen mitverantwortlich.

   2.2.1.     Wurzel

Wurzeln wachsen primär im Boden und können dort
enorme Ausbreitungen erreichen. Sie sind in der Regel
radiärsymmetrisch aufgebaut und besitzen keine Blätter,
Chlorophyll oder Spaltöffnungen. Leitgewebe sind in Form
zentraler Leitbündel (Zentralzylinder) ausgebildet. Der von
Wurzeln durchwachsene Raum im Boden wird als
Rhizosphäre bezeichnet.

Funktionen
        •    Aufnahme von Wasser und Nährstoffen
        •    Leitung von Wasser, Nährstoffen, Assimilaten Abb. 2.2: Grundbauplan einer
             und Reservestoffen                           Blütenpflanze

        •    Speicherung von Nähr- und Reservestoffen
        •    Verankerung und Befestigung des Sprosses im Boden
        •    Etablierung am Standort (z.B. durch Wurzelausscheidungen)

                                                                                      Seite 21 / 60
Zertifikatslehrgang - Modul 1: Biologie & Mechanik - Biologie der Bäume

               Primärer und sekundärer Aufbau
                   Primär können von der Wurzelspitze an 3 Regionen unterschieden werden:

                        Zellteilungszone                Apikalmeristem      mit   schützender
                                                        Wurzelhaube (Calyptra). Durch das
                                                        Verschleimen     und Ablösen       von
                                                        Calpytrazellen wird das Eindringen der
                                                        Wurzeln in den Boden erleichtert.

                        Streckungszone                  Hier wachsen die embryonalen Zellen
                                                        und beginnen mit der Differenzierung.

                        Differenzierungszone            „Wurzelhaarzone“ – hier erfolgt die
                                                        Aufnahme       von    Wasser-   und
                                                        Nährstoffen, die Zellen haben ihre
                                                        Differenzierung beendet.

                   Die Wasser- und Nährstoffaufnahme ist nicht im gesamten Wurzelbereich
                   gleichermaßen möglich. Lediglich die Spitzen der kurzlebigen Feinwurzeln
                   bilden eine, wenige Zentimeter lange, Rhizodermis mit Wurzelhaaren
                                                 (Absorptionsgewebe ohne Cuticula) aus, die
                                                 effizient Wasser und Nährstoffe aufnehmen
                                                 können. Durch die Ausbildung zahlreicher
                                                 Seitenwurzeln kann die absorbierende Ober-
                                                 fläche erhöht werden. Außerhalb der
                                                 Wurzelhaarzone nimmt die Exodermis den
                                                 Platz der Rhizodermis in der Funktion eines
                                                 Abschlussgewebes ein.
                                                        Die Rinde macht den größten Teil einer
                                                        Wurzel aus. Sie besteht aus großen,
                                                        parenchymatischen Zellen mit großen
                                                        Interzellularräumen und dient hauptsächlich
                                                        der Speicherung von Reservestoffen.
                                                        Der        Zentralzylinder     ist      aus
                                                        parenchymatischen Zellen (Mark, Mark-
                                                        strahlen), den Leitbündeln und gegebenen-
                                                        falls Festigungsgewebe aufgebaut. Er wird
                                                        durch den Perizykel von der Wurzelrinde
                                                        abgegrenzt,     dem    Entstehungsort   der
                                                        Seitenwurzeln. Die Leitbündel des Xylems
                                                        sind in der Wurzelspitze oft sternförmig
                                                        angeordnet, während sich die Leitbündel des
                                                        Phloems dazwischen anordnen. Im Laufe
                                                        der Differenzierung ordnen sich die

Abb. 2.3: Wurzelspitze einer Feinwurzel                                                    Seite 22 / 60
Zertifikatslehrgang - Modul 1: Biologie & Mechanik - Biologie der Bäume

    Leitbündel neu an, um Anschluss an die Leitungsbahnen der Sprossachse
    zu finden und um zu sekundärem Dickenwachstum fähig zu sein.

Betrachtet man den Querschnitt etwas genauer, fallen Wandverdickungen in der
Endodermis auf, die als Caspary-Streifen bezeichnet werden. Durch die
Einlagerung von Korkstoff (Suberin) wird eine Zellwandsperre gebildet, die den
freien Diffusionsraum gegen den Rest der Wurzel abgrenzt. Die Endodermis und
die Caspary-Streifen verhindern in der Wurzel somit die unkontrollierte Diffusion
von      Wasser      und
Nährstoffen      in   die
Leitungsbahnen.

                           Abb. 2.4: Querschnitt der Wurzelhaarzone

        Wasseraufnahme
        Wurzeln können Wasser auf zwei verschiedene Arten aufnehmen und
        zum Leitgewebe führen:

             apoplastisch           Wasser diffundiert in den Interzellularräumen

             symplastisch           Wasser wird durch einen osmotischen
                                    Gradienten über die Rindenzellen geleitet

                Abb. 2.5: Wasseraufnahme in der Wurzelhaarzone
                                                                                    Seite 23 / 60
Zertifikatslehrgang - Modul 1: Biologie & Mechanik - Biologie der Bäume

     Sekundär müssen auch Wurzeln, durch das Dickenwachstum bedingt, neue
     Abschlussgewebe ausbilden. Diese werden vom Perizykel gebildet,
     nachdem die primäre Wurzelrinde abgesprengt wurde und das Korkkambium
     mit der Ausbildung einer Borke begonnen hat. Bis auf den zentralen
     Wurzelbereich gleichen Wurzeln in diesem Stadium in ihrem Aufbau stark
     dem Spross.

          Die Wurzel folgt dem Prinzip des geringsten Widerstandes, das
          heißt, dass Räume erschlossen werden, in welchen der Luft- und
          Gasaustausch leicht möglich ist und Wasser ohne Probleme
          aufgenommen werden kann. Entgegen der weit verbreitenden
          Meinung können Wurzeln nicht „bohren“.

Wurzelsysteme
     Alle Wurzeln einer Pflanze ergeben gemeinsam das Wurzelsystem. Welche
     Ausbreitung dieses System erreichen kann hängt nicht nur von der Pflanze
     selbst ab, sondern ebenfalls von Faktoren wie Feuchtigkeit, Temperatur und
     anderer Eigenschaften des Bodens.
     Grundsätzlich können zwei Bewurzelungstypen unterschieden werden:

          Homorrhizie

                „Gleichwurzeligkeit“ - homogenes Wurzelsystem (sprossbürtige,
                morphologisch gleichwertige Seitenwurzeln)
                meist geringe Bodentiefen, guter Schutz gegen Bodenerosion
                Ein- und zweikeimblättrige Pflanzen
          Allorrhizie
              „Verschiedenwurzeligkeit“ - heterogenes
              Wurzelsystem (ausdauernde
              Hauptwurzel mit Seitenwurzeln)
                Zweikeimblättrige Pflanzen,
                Gymnospermen

     Der Wurzelstock ist der Übergangsbereich vom
     Wurzel- zum Sprosssystem. Bei allorrhizer
     Bewurzelung ist dieser wesentlich stärker und
     stabiler ausgeprägt als dies bei homorrhizer Bewurzelung der Fall ist. Unter
     anderem deshalb können solche Pflanzen höheren (Wind-) Belastungen
     standhalten.

Seite 24 / 60
Zertikatslehrgang - Modul 1: Biologie & Mechanik - Mechanik & Statik

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Mechanik & Statik

Autor:
Baumpartner Arboristik GmbH: Remy Gschwandtner

                                                Die Erarbeitung der
                                                Lehrgangsunterlagen ist mit viel
                                                Aufwand verbunden und wir
                                                bedanken uns im Namen der
                                                Autoren, dass Sie diese nicht
                                                vervielfältigen. Für Fragen
                                                können Sie sich gerne an uns
                                                wenden und wir bemühen
                                                uns um faire Lösungen.

                                                                              Seite 1 / 39
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Inhalt
1. Allgemein................................................................................................5
1.1. Der Baum als Leichtbaukonstruktion....................................................5

2. Baumstatik..............................................................................................7
2.1. Last........................................................................................................8
    2.1.1. Windlastanalyse.............................................................................................8
2.2. Material & Form...................................................................................10
    2.2.1. Material.........................................................................................................11
    2.2.2. Festigkeit......................................................................................................18
    2.2.3. Form.............................................................................................................21
2.3. Verankerung im Boden.......................................................................23
    2.3.1. Physikalische Eigenschaften des Bodenmaterials......................................24
    2.3.2. Die Eigenschaften des Wurzelsystems.......................................................25
    2.3.3. Modelle der Baumverankerung....................................................................25

3. Dynamische Betrachtungen...............................................................30
3.1. Frequenzen.........................................................................................30
3.2. Dämpfung............................................................................................31
3.3. Allometrie.............................................................................................32
3.4. Baumdynamische Modelle..................................................................33
3.5. Das Kippverhalten im Wind.................................................................34
3.6. Kronenverkleinerung zur Lastreduktion..............................................35
3.7. Praktische Anwendungen baumstatischer Ansätze............................36

4. Verzweigung & Astanbindung............................................................37
4.1. Astanbindung des gesunden Astes....................................................37
4.2. Dürräste & Astlöcher...........................................................................38
4.3. Steilast.................................................................................................38
4.4. Grünastbruch / Spontanbruch.............................................................38
4.5. Zwiesel................................................................................................39
    4.5.1. U-Zwiesel.....................................................................................................39
    4.5.2. V-Zwiesel.....................................................................................................39

                                                                                                         Seite 3 / 39
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1.�Allgemein

Mechanik ist ein Teilgebiet der Physik und wird von den Naturwissenschaften
und den Ingenieurwissenschaften herangezogen, um die Bewegung von Körpern
und die dabei wirkenden Kräfte zu erklären. Dies geschieht anhand von
Naturgesetzen, die es erlauben, beobachtbare Ereignisse mit hoher Präzision zu
erklären und vorherzusagen. So konnte Isaac Newton, der Legende nach
inspiriert durch einen Apfelbaum, eine Erklärung für die Anziehung von Massen
und in Folge auch für die Schwerkraft auf der Erde finden. Auch das Wachstum
und der Bestand von Bäumen unterliegen natürlichen Gesetzmäßigkeiten.
„Trees can´t violate the laws of physics“ [James K.; 2010]. Beim Versuch, Bäume
zu verstehen, ist es demnach essentiell diese Gesetze zu kennen, auch wenn
die Komplexität biologischer Vorgänge selten mit den bekannten Methoden und
Naturgesetzen vollständig erklärt werden kann. Biologen müssen damit leben,
dass sie das Leben nur bis zu einem gewissen Maß beschreiben können, sie
formulieren in der Regel keine Naturgesetze, doch versuchen auch sie die
Phänomene natürlichen Lebens möglichst präzise zu beschreiben.

Mechanik hilft der Baumbiologie, eine Vielzahl an Lebensbedingungen zu
verstehen. Dieses Kapitel beschränkt sich auf einige für Arboristen essentielle
Modelle wie Bäume dem Bruch oder Wurf entgegenwirken.

Ein Baum ist eine Konstruktion, die den physikalischen Gesetzen unterworfen ist.
Es ist somit notwendig, statische Eigenschaften und Regeln an Bäumen
anzuwenden, um zu verstehen, wo welche Kräfte auf sie wirken. Durch das
ständige, vom jungen bis zum adulten Baum andauernde Höhenwachstum ist
der Baum gezwungen, auch seinen Umfang laufend zu vergrößern, um den
einwirkenden Kräften entgegenzuwirken. Später stagniert das Höhenwachstum
und der Baum baut durch das obligat fortlaufende Dickenwachstum statische
Reserven auf.

��              

Dort wo es die Umweltbedingungen ermöglichen dominieren Bäume das
Landschaftsbild, da ihnen der verholzte Spross ermöglicht, der Konkurrenz
niedrigerer Pflanzen zu entwachsen und ihre Blätter in optimaler Position zu
entfalten. Die Meristeme liegen dabei so, dass alljährlich eine neue Holzschicht
den Baum umhüllt. Jeder Baum muss um zu überleben jährlich einen neuen
Jahrring bilden und wird dadurch dicker. Doch die Menge des Holzanbaues und
dessen Eigenschaften sind nicht gleichmäßig oder zufällig am Baum verteilt,
sondern variieren mit den Anforderungen. Gerade junge Bäume streben häufig

                                                                              Seite 5 / 39
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maximal in die Höhe und beschränken ihr Dickenwachstum auf das für eine
Etablierung am Standort notwendige Minimum. Das Axiom der Konstanten
Spannungen [Mattheck C, Breloer H.; 1993] beschreibt eine gleichmäßige
Verteilung der Spannungen über den Baumstamm. Steigen die Spannungen, so
gleichen Bäume das mit vermehrtem Wachstum wieder aus. Der vollholzige
Stamm ist dort am stärksten, wo es zu den größten Belastungen kommt, zum
Beispiel am Stammfuß oder im Bereich einer Verzwieselung. Haben sich Bäume
am Standort etabliert, stellen sie ihr Höhenwachstum weitgehend ein und die
Belastungen verändern sich kaum mehr. Dennoch gibt es jährliche Zuwächse
und die Leichtbauweise weicht einem massiven Stamm mit hohen Reserven und
gleichmäßigen Wachstum. Erst durch veränderte Lebensbedingungen oder
Schädigungen kommt es an Orten erhöhter Spannungen wieder zu verstärktem
Dickenwachstum, was zu Symptomen führt, die von erfahrenen Arboristen
erkannt und bewertet werden können.

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2. Baumstatik

Die Baumstatik beschäftigt sich mit dem Gleichgewicht der Kräfte, die auf einen
ruhenden Baum einwirken. Bäume versagen dann, wenn die auftretenden
Belastungen die Stärke der Strukturen oder der Verankerung überschreiten. Es
mag absurd klingen, Bäume im Sturm als ruhende Körper zu betrachten. Doch
genau am Punkt der maximalen Auslenkung, bevor er wieder zurück in eine
entspanntere Position zurückschwingt, befindet sich der Baum für einen kurzen
Moment in weitgehender Ruhe [Nielson C., 1990].

�                    �
�                   
          
„Statik und Festigkeitslehre von Bäumen beruhen auf dem Prinzip der Waage. Der
äußeren Belastung – beispielsweise durch Wind, Schnee, Eis oder
Exzentrität – wirken die inneren
Widerstandskräfte entgegen, z.B. die
Verankerungskraft                des
Wurzelfundaments         und      die
Holzfestigkeit in Verbindung mit der
Geometrie des Querschnittes. Durch
den Vergleich der Last- und
Kraftgrößen ergeben sich Aussagen
zur Stand- und Bruchsicherheit“
[Sinn G.; 2003]

                                                                              Seite 7 / 39
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2.1.      Last

Nach jedem stärkeren Sturm wird schnell klar, weshalb Windkräften bei der
Stabilitätsbeurteilung von Bäumen die höchste Beachtung geschenkt werden
sollte. So kommt es zwar auch durch Eis, Schnee und dem Eigengewicht zu
Schäden an und durch Bäume, doch dominieren die Auswirkungen durch
Stürme. Häufig liegt in der Stabilitätsbeurteilung der Fokus auf Bildern des
Holzquerschnittes oder dem Zustand des tragenden Holzes, während auf die
Einschätzung von Windlasten weitgehend verzichtet wird. Da die Windlast jedoch
extrem streut [Wessolly L., Erb M.; 1998], ist eine Stabilitätsbeurteilung ohne
deren Berücksichtigung meist völlig wertlos.

„Winddruck sowie Form und Größe der Baumkrone entscheiden über die Kraft,
welche auf die darunterliegenden „Hebelarme“ wirkt. Dabei verringert sich bei
größeren Windstärken der Staudruck durch den veränderten Windwiderstands-
beiwert – dem Cw-Wert der Baumkrone, durch Wegdrehen der Blätter, Neigung
der Äste usw. Durch diese Verringerung der Windangriffsfläche verringert sich
der Druck auf die Baumkrone auf rund 1/3 der rechnerischen Last“. [Sinn G.;
2003]

   2.1.1.        Windlastanalyse

In Windlastanalysen wird versucht, die, durch den Baum ausgekämmte,
Windenergie bei einem Starkwindereignis zu berechnen und in einem
Windlastschwerpunkt zusammenzufassen. Dabei geht man in Anlehnung an die
Baustatik vor und betrachtet Bäume als mit dem Boden verwobene Segel auf
sich verjüngenden Masten.
Wind wirkt auf Bäume durch seine Geschwindigkeit, seine Beschleunigung und
seinen Impuls. Zusammengefasst können Windkräfte an Bäumen als wechselnd
beschleunigende und abbremsende Strömungen eines, in Dichte und Richtung
variablen, fluiden Mediums betrachtet werden. Diese werden immer wieder von
Böen überlagert. Das ist kompliziert, weshalb Berechnungen meist unter
Zuhilfenahme von Software vorgenommen werden. Das Verständnis der
wesentlichen Aspekte ist jedoch essentiell für deren Interpretation und für viele
Entscheidungen in der täglichen arboristischen Praxis.

Kronenfläche (A)
     In der Baumstatik betrachtet man die Krone als löchriges Segel, das von Luft
     durch- und umströmt wird. Anhand der Kronenprojektionsfläche wird ein
     höhenabhängiger Winddruck berechnet und in einem Windlastschwerpunkt
     zusammengefasst.

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�   
    Eigentlich ist der Widerstandsbeiwert keine Konstante, sondern hängt von
    der Reynold Zahl und der Windschlüpfrigkeit ab. Wenn der Wind an Blättern,
    Zweigen und Ästen zerrt, verbiegen sich diese und der Baum wird mit
    zunehmender       Windgeschwindigkeit    windschlüpfriger. Bei    starken
    Windgeschwindigkeiten nimmt der Effekt der Kronenrekonfiguration jedoch
    ab und man behilft sich mit Näherungswerten für typische
    Strömungsverhältnisse. Diese sind bei sehr biegsamen Baumarten, wie der
    Birke, sehr niedrig (0,1) und bei sparrig verzweigten Baumarten, wie der
    Rosskastanie, wesentlich höher (0,35).

   
    Je dichter ein umströmendes Medium ist, desto größer ist die Kraft, die
    dadurch übertragen werden kann. Die Dichte von Luft liegt bei ca. 1,25
    kg/m³, die von Wasser bei etwa 1000 kg/m³. Man bedenke was es heißen
    könnte, wenn große Mengen Wasser, wie bei Starkregen, auf Bäume
    zusätzlich einwirken.

�       
    Die Windgeschwindigkeit wird entweder entsprechend den standörtlichen
    Gegebenheiten berechnet oder mit 32 m/s angenommen, da hier
    erfahrungsgemäß auch gesunde Bäume versagen. Man beachte, dass die
    Windgeschwindigkeit zum Quadrat in die Formel (siehe unten) eingeht. Eine
    Verdoppelung der Windgeschwindigkeit bedeutet demnach eine achtfache
    Windlast.

   
    Der Expositionsfaktor berücksichtigt die Abschattungen durch Bäume oder
    Großstrukturen rechnerisch und reduziert die Windlast entsprechend. Ein
    Expositionsfaktor von 0,7 würde bedeuten, dass 70% der Windlast auf den
    Baum einwirken.

   
    Da Bäume durch den Wind in Schwingung versetzt werden, kommt es zu
    Überlagerungen der Schwingungen mit den Böen und damit einhergehend
    auch zu größeren Belastungen. Um dieses Wechselspiel zwischen Baum
    und Wind in einer statischen Belastung auszudrücken, werden
    Böenreaktionsfaktoren berechnet und in die Gleichung eingefügt.

                                                                               Seite 9 / 39
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Windmoment (MB)
     Die Summe der Windkräfte wirkt im Lastschwerpunkt, dessen Höhe (h) zur
     Berechnung des wirksamen Hebels für das Windmoment herangezogen
     wird. Da die Windgeschwindigkeit mit der Höhe stark zunimmt, liegt dieser in
     der Regel etwas oberhalb des Flächenschwerpunktes. Setzt man die
     beschriebenen Faktoren in die Windlastgleichung ein, kann man ein
     Windmoment berechnen, welches an den bemessenen Querschnitten wirkt.

          Windlastgleichung:
                                 M B=h∗G∗ex∗cw∗ρ�/2∗v 2∗A

��                  

Auftretende Kräfte am Baum werden durch den Holzkörper in die Verankerung
übertragen. Dabei wird der Baum verformt und schließlich führen die
auftretenden Spannungen zum Versagen, wenn sie jene, denen Material und
Form widerstehen können, überschreiten. Für die Ermittlung der Bruchsicherheit
sind somit zusammenfassend folgende Faktoren wesentlich:

    •    Wie hoch sind die Belastungen?
    •    Welche Eigenschaften hat das Holz der Baumart?
    •    Wie ist die Form bzw. Geometrie des Holzkörpers?

Der wesentliche Vorteil bei der Betrachtung von Bäumen als Konstruktion liegt in
der Selbstoptimierung des Lebewesens Baum. Es wäre natürlich zu kurz
gegriffen, das Wachstum von Bäumen als rein lastgesteuert zu betrachten,
weshalb Bäume auch ohne Schäden instabil sein können. Doch solange sie die
Möglichkeit haben, Schwachstellen zu kompensieren tun sie das! Während
technische Bauteile mit der Zeit abgenutzt werden und regelmäßig gewartet
werden müssen, reagieren Bäume auf den Verlust an Substanz und verstärken
sich durch adaptives Wachstum selbst. Auch allgemein reagiert das
Baumwachstum auf die lokal vorhandenen Spannungen. Druck- und
zugbelastete Holzteile werden unterschiedlich ausgeformt. Dabei wird das sog.
Zugholz bei den meisten Laubbäumen auf der Oberseite von Ästen und der dem
Wind zugewandten Seite (Luv) geneigter Stämme ausgebildet und wirkt so
Zugkräften entlang der Achsen entgegen. Es ist oft heller und glänzender als
Normalholz, enthält mehr Zellulose und weniger Lignin und verfügt über einen
anderen Mikrofibrillenwinkel.

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Die wesentlichen Vorteile eines gewachsenen Bauwerkes sind:
    • Vermeidung von Kerbspannungen
    • Wachstumsspannungen zur teilweisen Kompensation
    • Flexibilität
    • Adaptives Reparaturwachstum

  ��      

„Holz ist genial“ dieser Werbespruch der österreichischen Holzindustrie mag die
intellektuellen Fähigkeiten von Holz übertreiben, doch umschreibt es dessen
technische Eigenschaften treffend.
Holz ist technisch betrachtet ein Polymer-Faserverbundwerkstoff und als solcher
weder besonders fest noch besonders hart. Im Verhältnis zu seiner geringen
Dichte jedoch praktisch unübertroffen. Da Holz entsprechend den Bedürfnissen
des jeweiligen Baumes ausgeformt ist, variieren dessen Eigenschaften innerhalb
des Baumes, und von Baum zu Baum. Das hat zum Beispiel zur Folge, dass
Fichtenholz im Schnittholzhandel die teuersten (wie Klangholz) und die billigsten
Sortimente (wie Paletten oder Verpackungsholz) stellen.
Diese herausragenden Eigenschaften sind auf die vernetzen Hierarchie-Ebenen
von Holz zurückzuführen.

                                                                                      Seite 11 / 39
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�  
     Der Grundbaustein des Holzes sind Zellulosemoleküle, die in Mikrofibrillen
     mit einem Durchmesser von ca. 2 nm, in einer Matrix aus Lignin und
     Hemizellulose eingebettet sind. Dabei stellen die Hemizellulosen eine
     Verbindung zwischen den steifen und zugfesten Zellulosefibrillen und dem
     druckfesten und brüchigen Lignin her, weshalb häufig ein Vergleich mit
     Stahlbeton gezogen wird. Die mechanischen Eigenschaften hängen von der
     Struktur und Richtung der Fibrillen ab, dem Grad der Lignifizierung und der
     Dicke der Zellwandschichten.

    
     In Holzzellen, wie Tracheiden mit einem Durchmesser von ca. 20 μm,
     ordnen sich Mikrofibrillen verschieden an und bilden mehrere Schichten. Von
     der Mittellamelle ausgehend finden wir die Primärwand, die, nachdem sie
     noch gestreckt wird, einen zufälligen Mikrofibrillenwinkel aufweist. Die
     Sekundärwand ist in drei Teile gegliedert, nämlich S1, S2 und S3. Der S2
     kommt die größte Bedeutung bezüglich der Belastbarkeit zu, da sie die
     dickste Schicht, mit einem günstigen Mikrofibrillenwinkel von 5-30°, für die
     Lastaufnahme ist.

      
     In der Makrostruktur sind es die Unterschiede zwischen Kern- und
     Splintholz, die Breite der Jahrringe und die Anordnung der Gefäße welche
     die mechanischen Eigenschaften wesentlich beeinflussen.

     Für die Beurteilung von Bäumen sind folgende Eigenschaften von Holz
     wesentlich:

         ◦ Belastungsrichtung
         ◦ Wassergehalt
         ◦ Elastische Eigenschaften
         ◦ Viskoelastische Eigenschaften
         ◦ Plastische Eigenschaften
         ◦ Akustische Eigenschaften
         ◦ Festigkeit

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