Leitfaden für die Tierbehandlung am Bio-Betrieb - LFI Österreich Aktualisierte Neuauflage: Mai 2020 - InfoXgen

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Leitfaden für die Tierbehandlung am Bio-Betrieb - LFI Österreich Aktualisierte Neuauflage: Mai 2020 - InfoXgen
LFI Österreich

Leitfaden für die
Tierbehandlung am Bio-Betrieb
Aktualisierte Neuauflage: Mai 2020
Leitfaden für die Tierbehandlung am Bio-Betrieb - LFI Österreich Aktualisierte Neuauflage: Mai 2020 - InfoXgen
Inhalt
1. Grundlagen zur Tierhaltung aus Sicht der VO (EG) 834/2007 und 889/2008 ................................................ Seite 4

2. Krankheitsvorsorge und tierärztliche Behandlung aus arzneimittelrechtlicher Sicht .................................. Seite 6

3. Homöopathie ..................................................................................................................................................... Seite 12

4. Heil- und Gewürzpflanzen ................................................................................................................................ Seite 15

5. Futtermittel ......................................................................................................................................................... Seite 17

6. Hausmittel und traditionelle Pflegemittel ....................................................................................................... Seite 19

7. Parasitenbekämpfung ...................................................................................................................................... Seite 21

8. Reinigung und Desinfektion ............................................................................................................................ Seite 23

                                                                                                                                                                                     Inhaltsverzeichnis
 Hinweis: Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wurde zum Teil von geschlechtergerechten Formulierungen
           Abstand genommen. Die gewählte Form gilt jedoch für Frauen und Männer gleichermaßen.

    Impressum:
    Herausgeber: Ländliches Fortbildungsinstitut Österreich, Schauflergasse 6, 1015 Wien
  Autorenteam: DI Veronika Edler, Dr. Doris Gansinger, Dr. Werner Hagmüller, Mag. Alexandra Hozzank, Dr. Gabriele Moder,
   Dr. Gerhard Plakolm, Dr. Elisabeth Pöckl, Dr. Elisabeth Stöger
   © Copyright zum Schutz geistigen Eigentums: Alle Rechte liegen beim Autorenteam.
    Grafik und Satz: Abteilung 5, 1050 Wien

Leitfaden für die Tierbehandlung am Bio-Betrieb | Mai 2020                                                                                                                      1
Leitfaden für die Tierbehandlung am Bio-Betrieb - LFI Österreich Aktualisierte Neuauflage: Mai 2020 - InfoXgen
Vorwort
                                  Die österreichische Bio-Land-        Tierbehandlung auf Bio-Betrieben. Zusätzlich wird eine
                                  wirtschaft steht vor vielfältigen    umfangreiche und übersichtliche Auskunft über die Mög-
                                  und sich laufend verändernden        lichkeiten der Tierbehandlung in biologisch geführten Be-
                                  Herausforderungen. Die Anfor-        trieben gegeben.
                                  derungen der KonsumentInnen          Die vorliegende Broschüre richtet sich jedoch nicht nur an
                                  an die biologische Lebensmit-        Bio-LandwirtInnen, sondern auch an Bio-BeraterInnen,
                                  telproduktion wachsen stetig,        Bio-KontrolleurInnen und behandelnden TierärztInnen.
                                  gerade auch was die biologische      Nutzen Sie diese Broschüre für Ihre Weiterbildung
                                  Tierhaltung betrifft. Wir wollen     und Ihren Wissensvorsprung auf dem Gebiet der Tierbe-
                                  nun den Bio-Landwirtinnen und        handlung!
                                  Bio-Landwirten einen Überblick
                                  über die fachlichen Vorgaben in      Mit besten Grüßen
                                  aktueller Form geben.

                                  Der Leitfaden bietet eine kom-       DDI Sylvia Maria Schindecker und
                                  pakte Darstellung der recht-         ÖR Elisabeth Leitner
                                  lichen Rahmenbedingungen zur         Landwirtschaftskammer Österreich und LFI Österreich

                                  Optimale Betreuung der Tierbe­       Arzneimitteleinsatz mit dem Betreuungstierarzt abzu-
                                  stände und das Wissen um             sprechen.
Vorwort

                                  die Anforderungen der Tiere in       Der „Leitfaden für die Tierbehandlung am Bio-Betrieb“ ist
                                  den verschiedenen Bereichen          nicht eine Anleitung zu Eigenbehandlungen, sondern gibt
                                  (Haltung, Fütterung, etc.) ist die   einen Überblick über den gesetzlichen Rahmen und die
                                  Grundvoraussetzung um Tiere          verschiedenen Möglichkeiten (Vorsorge, Behandlung,
                                  gesund zu halten. Die partner-       Homöopathie, Gewürzpflanzen, Futtermittel, Hausmittel,
                                  schaftliche Zusammen­arbeit zwi-     Pflegemittel) bei Biobetrieben. Je besser Tierhalter und
                                  schen Tierhalter und Betreuungs-     Tierärzte Bescheid wissen, desto weniger werden Fehler
          tierarzt im Rahmen des Tiergesundheitsdienstes kann          gemacht.
          dabei wertvolle Unterstützung sein.
          Kranke Tiere müssen rasch und fachgerecht behandelt
          werden, da Tiere vor unnötigen Schmerzen und Leiden
          zu schützen sind. Eine genaue Diagnosestellung ist           Dr. Gottfried Schoder
          die Basis für eine korrekte Behandlung. Daher ist jeder      Koordinator der Österreichischen Tiergesundheitsdienste

          2                                                               Leitfaden für die Tierbehandlung am Bio-Betrieb | Mai 2020
Leitfaden für die Tierbehandlung am Bio-Betrieb - LFI Österreich Aktualisierte Neuauflage: Mai 2020 - InfoXgen
Einleitung
Die Grundlage der biologischen Tierhaltung ist die           Die in diesem Leitfaden festgehaltenen Interpretationen
Gesunderhaltung der Tiere durch die Wahl geeigneter          und Rechtsauslegungen sind mit dem verantwortlichen
Rassen und durch die Gewährleistung optimaler Hal-           Ministerium für Frauen und Gesundheit und dem Mini-
tungsbedingungen. Sollten Tiere dennoch erkranken,           sterium für ein lebenswertes Österreich abgestimmt.
standen und stehen seit jeher alternative Heilmethoden       Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen, die
und traditionelle Hausmittel bei der Pflege der Tiere im     nach Veröffentlichung des Leitfadens beschlossen
Vordergrund. Diese regional oft sehr spezifischen Verfah­    werden, können zu neuen Interpretationen führen und
ren sind schwer in Gesetzestexte zu fassen. Die teilweise    bleiben von dieser Publikation unberührt.
lückenhafte oder auch widersprüchliche Reg­lementierung
in diesem Bereich führt in der Praxis oft zu Verwirrungen.   Ergänzungen und Neuerungen im Bereich der Tierbehand­
Unterschiedliche Auslegungen der gesetzlichen Vorgaben       lung am Bio-Betrieb, sowie der gesamte Leitfaden sind
münden schlimmstenfalls in Sanktionen seitens der am         auf folgenden Homepages abrufbar: www.infoxgen.com,
landwirtschaftlichen Betrieb tätigen Kontrollorgane.         www.raumberg-gumpenstein.at und www.bio-austria.at.
Der vorliegende Leitfaden gibt daher einen Überblick über
rechtlich relevante Fragestellungen in Zusammenhang mit      Auch wenn die Auslegungen der wesentlichen Rechtsbe-
der Tierbehandlung am Bio-Betrieb und versucht konkrete      reiche nach bestem Wissen und Gewissen erstellt wurden,
Lösungen für oben erwähnte immer wieder auftretende          sind Fehler nicht gänzlich auszuschließen. Es kann daher
Probleme im Bereich der Tierbehandlung am Bio-Betrieb        kein Rechtsanspruch abgeleitet werden.
anzubieten.

Der Leitfaden wendet sich in erster Linie an Tierhal­            Besonders wichtige Hinweise finden sich in den grün

                                                                                                                                 Einleitung
terInnen und Kontrollorgane, aber auch an TierärztInnen          hinterlegten Kästen.
und BeraterInnen.
                                                                        Informationen, die speziell für Tierärzte interes-
Die Autorengruppe setzt sich aus ExpertInnen der Be-                    sant sind, befinden sich in grün eingerahm­ten
reiche Tiergesundheit, Beratung, Kontrolle sowie Vete­                  Kästen.
ri­
  när- und Bio-Recht zusammen. Die interdisziplinäre
Zusammenset­  zung der Gruppe garantiert ein sowohl               Jene Textpassagen, die mittels eines seitlichen gelben
fachlich hochwerti­ges als auch praktisch anwendbares             Balkens hervorgehoben sind, kennzeichnen Bereiche,
Nachschlagewerk für den Bereich Tierbehandlung und                die im Rahmen der Cross Compliance Kontrollen be-
Sicherstellung der Tiergesundheit auf Bio-Betrieben.              achtet werden müssen.

                                                                                                       Das Autorenteam

Leitfaden für die Tierbehandlung am Bio-Betrieb | Mai 2020                                                                   3
Leitfaden für die Tierbehandlung am Bio-Betrieb - LFI Österreich Aktualisierte Neuauflage: Mai 2020 - InfoXgen
1. Grundlagen zur Tierhaltung
                                      aus Sicht der EU-Bio-Verordnung

                             Die EU-Bio-Verordnung ist eine Wettbewerbs- und Kon-          Die Bio-Kontrolle erfolgt in Österreich durch akkreditierte
                             sumentenschutzregel. Sie setzt europaweit einheit­liche       private Kontrollstellen. Die Verbindung von detaillierten
                             Standards für die (landwirtschaftliche) Erzeugung, Verar-     gesetzlichen Vorschriften mit strikten Kontrollen ergibt
                             beitung und den Handel von Bio-Produkten. Dabei handelt       eine sehr hohe Verbindlichkeit der Vorschriften. Dies
                             es sich um einen Mindeststandard, der auch ausführliche       bringt eine hohe Sicherheit für Konsumenten, doch das
                             Vorschriften für die Kontrolle und Kennzeichnung vorsieht.    Zusammentreffen mit anderen Rechtsnormen (v. a.
                             Die Verordnung (EG) 834/2007 legt als Basis die Ziele,        Arzneimittel- und Futtermittelrecht) verursacht in der
                             Grundsätze und allge­meinen Vorschriften fest, während die    Praxis immer wieder Probleme, insbesondere dann,
                             Durchführungs­vorschriften in der Verordnung (EG) 889/        wenn diese Gesetze nicht auf einander abgestimmt sind.
                             2008 sehr konkrete Vorgaben z. B. für die pflanzliche und     Gerade im Bereich der Tiergesundheit gibt es diesbe-
                             tierische Erzeugung einschließlich Fütterung sowie Krank­     züglich viele Stolpersteine. In diesem Leitfaden wird ver-
                             heitsvorsorge und tierärztliche Behandlung enthalten.         sucht, praktikable Lösungen anzubieten.
Grundlagen zur Tierhaltung

                             Krankheitsvorsorge und tierärztliche Behandlungen

                             TierhalterInnen müssen die nötigen Grundkenntnisse            folgen. Erforderlichenfalls dürfen aber zur Behand­  lung
                             und -fähigkeiten in Bezug auf Tierhaltung, Tiergesundheit     auch chemisch-synthetische allopathische Tier­­   arznei­
                             sowie Tierschutz besitzen.                                    mittel einschließlich Antibiotika verwendet werden, aller-
                             Die Gesundheit der Tiere ist in erster Linie durch vor­       dings mit der Folge, dass die gesetzliche Warte­zeit zu
                             beugende Maßnahmen sicher zu stellen, wie                     verdoppeln ist. 1
                             • Stärkung der natürlichen Abwehrkräfte durch Bewe-
                                gung und Zugang zu Auslauf- und Weideflächen;               Eine Verdoppelung der Wartezeit ist nur für chemisch-
                             • Wahl geeigneter Rassen und                                  synthetische Arzneimittel notwendig. Phytotherapeu­
                             • entsprechender Haltungspraktiken (z. B. Besatzdichten,      tika und Homöopathika sind von der Verdopplung der
                                artgerechte Fütterung);                                     Wartezeit ausgenommen.
                             • Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen.
                                                                                           Am Bio-Betrieb gibt es also seitens der EU-Bio-Verord-
                             Wichtig ist vor allem auch die Tierbetreuung – die Zu­        nung keine Einschränkungen hinsichtlich der Auswahl
                             wendung ist ein entscheidender Wohlfühlfaktor für die         der Arzneimittel, sehr wohl jedoch bei der Anzahl der
                             Tiere. Einerseits beugt man dadurch Krankheiten vor           Behandlungen mit chemisch-synthetischen Arzneimitteln.
                             und andererseits erhöht eine ausreichend bemessene            Bei Überschreitung ist entweder nur eine konventionelle
                             Kommunikation mit den Tieren die Sensibilität des Be-         Vermarktung möglich 2 oder ein neuerliches Durchlaufen
                             treuers für etwaige Störungen.                                der Umstellungsfristen (siehe Kapitel 2, Anzahl der er-
                                                                                           laubten Behandlungen, Seite 10) notwendig.
                                  Erkranken Tiere trotzdem, so sind sie unverzüglich zu
                                  behandeln, um Leiden zu vermeiden. Alle Behand-            Die Verwendung von wachstums- oder leistungsfördern­
                                  lungen sind grundsätzlich unter der Verantwortung          den Substanzen, der vorbeugende Einsatz von Anti­
                                  eines Tierarztes durchzuführen.                            bio­tika und chemisch-synthetischen Tierarzneimitteln
                                                                                             sowie der systematische Einsatz von Hormonen zur
                             Der Tierarzt darf am Bio-Betrieb alle Tierarzneimittel ein­     Kontrolle der Fortpflanzung (z. B. Brunsteinleitung,
                             setzen. Bevorzugt soll die Krankheitsbehandlung jedoch          Geburtseinlei­tung, Synchronisation) ist verboten. Die
                             mit phytotherapeutischen (pflanzlichen) und homöo­              therapeutische Verwendung von Hormonen bei Einzel-
                             pathischen Präpa­ra­ten sowie mit Spurenelementen er-           tieren ist erlaubt.
                             1
                                 VO (EG) 889/2008, Art.24
                             2
                                 VO (EG) 889/2008, Art.24, Abs.4

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Leitfaden für die Tierbehandlung am Bio-Betrieb - LFI Österreich Aktualisierte Neuauflage: Mai 2020 - InfoXgen
Eingriffe am Tier

Neben der EU-Bio-Verordnung gelten für diesen Bereich                           lich bestätigten betrieblichen Notwendigkeit höchstens
auch noch die rechtlichen Bestimmungen des Öster-                               die Hälfte des Schwanzes entfernt werden. Der Eingriff
reichischen Tierschutzgesetzes (TschG), BGBl. I Nr.                             muss durch scharfes Abtrennen mit gleichzeitigem Ver­
118/2004 idgF und der 1. Tierhaltungsverordnung, BGBl.                          öden durchgeführt werden.
II Nr. 485/2004 idgF.
Die EU-Bio-Verordnung macht zu den Eingriffen an den                            Eine fallbezogene Ausnahmegenehmigung ist not-
Tieren folgende Vorgaben3:                                                      wendig für das Enthornen von Kälbern über sechs
                                                                                Wochen und Rindern sowie beim Einziehen eines Na-
     Eingriffe wie das Kupieren von Schwänzen oder die Ent­                     senringes bei Zuchtstieren.
     hornung dürfen in der biologischen Tierhaltung nicht
     routinemäßig durchgeführt werden. Aus Sicherheits-                            Die chirurgische Kastration ist zulässig. Auch hier ist
     gründen oder wenn sie der Verbesserung der Gesund-                            das Leid der Tiere durch Verwendung von Betäubungs-
     heit, des Befindens oder der Hygienebedingungen der                           und/oder Schmerzmitteln auf ein Minimum zu begrenzen.
     Tiere dienen, können einige dieser Eingriffe von der                          Ferkel dürfen bis zu einem Lebensalter von 7 Tagen
     zuständigen Behörde (in Österreich: nationale Gesetz-                         mit Verabreichung von Schmerzmitteln, die auch post-
     gebung) jedoch fallweise genehmigt werden. Jegliches                          operativ wirksam sind, vom Landwirt kastriert werden.
     Leid der Tiere ist auf ein Minimum zu begrenzen, in-                          Über 7 Tage alte Ferkel werden vom Tierarzt nach Be-

                                                                                                                                                            Grundlagen zur Tierhaltung
     dem angemessene Betäubungs- und/oder Schmerz-                                 täubung kastriert. Die Kastration von Kälbern, Läm-
     mittel verabreicht werden und der Eingriff nur im ge­                         mern und Kitzen ist erlaubt, wenn der Eingriff durch
     eigneten Alter und von qualifiziertem Per­sonal vorge-                        einen Tierarzt nach wirksamer Betäubung und mit
     nommen wird.                                                                  postoperativ wirksamer Schmerzbehandlung durch­
                                                                                   geführt wird.
Eingriffe, wie das Enthornen, das Schwanzkupieren und
das Einziehen eines Nasenringes dürfen nur nach einer                              Für die Verkleinerung der Eckzähne bei Ferkeln sowie
vorhergehenden behördlichen Genehmigung durchgeführt                               dem Stutzen von Schnäbeln werden von der Behörde
werden. Die Notwendigkeit des Eingriffes muss dabei                                keine Genehmigungen für Bio-Betriebe mehr erteilt.
plausibel begründet werden.                                                        Falls im Einzelfall eine betriebliche Notwendigkeit
Für die Antragstellung ist verpflichtend die Formularvor­                         besteht, ist dies vorab mit der zuständigen Behörde zu
 lage der Behörde zu verwenden.                                                    klären. Bei diesen Eingriffen sind die Vorgaben der
 https://www.verbrauchergesundheit.gv.at/lebensmittel/                             österreichischen Tierhalteverordnung einzuhalten.
 bio/Bioformulare.html

Eine betriebsbezogene Ausnahmegenehmigung ist not-
wendig für das Zerstören der Hornknospen bei Kälbern
unter sechs Wochen und bei weiblichen Kitzen für die
Nutzung als Milchziegen bis zu einem Alter von vier
Wochen.
Jedes Zerstören einer Hornanlage bzw. das Enthornen
ist grundsätzlich in Sedierung, unter Einsatz von Lokal­
anästhesie und mit postoperativ wirksamen Schmerzmit-
teln durchzuführen.

Schwanzkupieren bei weiblichen Lämmern, die für die
Zucht bestimmt sind, bis zu einem Alter von sieben Tagen
bei einer tierärztlich bestätigten betrieblichen Notwendigkeit.
Der Eingriff muss durch eine sachkundige Person unter
wirksamer Schmerzbehandlung, die auch postoperativ
wirkt, vorgenommen werden.
Es darf höchstens ein Drittel oder im Falle einer tierärzt-
3
     itat nicht wörtlich, da in Österreich einige Eingriffe, die in der EU-Bio-Verordnung angeführt sind, aufgrund des Tierschutzgesetzes verboten sind,
    Z
    wie der Einsatz von Gummiringen zum Kupieren des Schwanzes und zur Kastration.

Leitfaden für die Tierbehandlung am Bio-Betrieb | Mai 2020                                                                                              5
2. Krankheitsvorsorge und tierärztliche
                                                     Behandlung aus arzneimittelrechtlicher Sicht
                                                  Grundsätzlich ist bei allen arzneimittelrechtlichen An-             Tierarzneimittelkontrollgesetz mit dazugehörigen Verord-
                                                  gelegenheiten die nationale Gesetzgebung – also das                 nungen – bindend.

                                                  Was sind Arzneimittel?

                                                       Arzneimittel sind nach dem Arzneimittelgesetz 4 Stoffe,        gleichen Bezeichnung in einer zur Abgabe an den Ver-
                                                       die am oder im menschlichen oder tierischen Körper             braucher oder Anwender bestimmten Form in Verkehr
                                                       angewendet werden und Krankheiten bzw. Leiden ver-             ge­bracht werden. Darunter sind Arzneimittel zu verste-
                                                       hindern, heilen oder lindern können. Zu den Arzneimit-         hen, bei deren Herstellung ein industrielles Verfahren
Krankheitsvorsorge und tierärztliche Behandlung

                                                       teln zählen u. a. Antibiotika, Phyto­­thera­peutika, Homöo­    zur Anwen­  dung kommt oder die gewerbsmäßig her­
                                                       pathika, fiebersenkende Mittel, manche Vitamin­­        prä­
                                                                                                                  -   gestellt werden.
                                                       parate, Mineralstoffpräparate, Hormone, etc.
                                                                                                                      Arzneimittel für Tiere werden als Tierarzneimittel, Veteri­när­
                                                  Arzneispezialitäten sind Arzneimittel, die im Voraus stets          arzneispezialitäten oder „Arzneispezialitäten für Tiere“ be-
                                                  in gleicher Zusammensetzung hergestellt und unter der               zeichnet und sind für die Behandlung von Tieren bestimmt.

                                                                         Arzneimittel
                                                      (Stoffe zur Vorbeuge und Heilung von Krankheiten)

                                                                                                        frei verkäufliche Arzneimittel
                                                                                                        z. B. ALLIUM CEPA Urtinktur

                                                                                                     Arzneispezialitäten für Menschen
                                                                                                              z. B. Sinupret
                                                                                        (beim Tier nur durch Umwidmung vom Tierarzt anwendbar)

                                                                                                        Arzneispezialitäten für Tiere
                                                                                               (Tierarzneimittel, Veterinärarzneispezialitäten)

                                                          Rezeptpflichtige Veterinärarzneispezialitäten                    frei verkäufliche Veterinärarzneispezialitäten
                                                                           z. B. Baytril                                                    z. B. Colosan
                                                       (Anwendungs- und Abgabebeleg vom Tierarzt nötig)               (können in jeder öffentlichen Apotheke bezogen werden)

                                                  Abbildung 1: Unterteilung von Arzneimitteln

                                                  4
                                                      AMG §1 Abs. 1

                                                  6                                                                      Leitfaden für die Tierbehandlung am Bio-Betrieb | Mai 2020
Keine Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes
                                                               Abgrenzung zwischen Arzneimitteln und
sind: Pflegemittel, Lebens- und Futtermittel, Lebensmit­tel­   Futtermitteln
zusatzstoffe (z. B. Zitronensäure), natürliche Heilvor­kom­    Futtermittel sind von Arzneimitteln zu unterscheiden,
men (Moortränke), Desinfektionsmittel und Abwehr­mittel        auch wenn sie in Verpackung und Wirkung den Arz­nei­
gegen Insekten, sofern ihre Anwendung und Wirkung auf          mitteln sehr ähnlich erscheinen und manche Futter­
die gesunde Haut, Klauen und Gefieder beschränkt sind.         mittel von Tierärzten verkauft werden (siehe Kapitel 5,
Auch ätherische Öle und frei verkäufliche Heilpflanzen         Seite 17).
sind keine Arzneimittel.                                       Damit es im Zuge der Bio-Kontrolle keine Schwierig-
                                                               keiten gibt, wird empfohlen, bei vom Tierarzt abge­
                                                               gebenen Produkten nachzufragen, ob es sich um
                                                               ein Arzneimittel oder ein Futtermittel handelt. Auch
                                                               aus dem Etikett oder der Verpackung geht hervor,
                                                               ob es ein Arzneimittel oder Futtermittel ist. Arzneimit-
                                                               tel weisen neben der Zulassungsnummer auch einen
                                                               Abgabehinweis – z. B. apothekenpflichtig – auf.

                                                                                                                              Krankheitsvorsorge und tierärztliche Behandlung
Was dürfen Tierhalter zur Gesunderhaltung ihrer Tiere selbst anwenden?

 Die Anwendung von rezeptfreien homöopathischen                durch den Landwirt ist ohne tierärztliche Einbindung
 Einzelmitteln, rezeptfreien homöopathischen Tierarz­          erlaubt. Alle übrigen Tierarzneimittel dürfen nur vom
 nei­mitteln, frei verkäuflichen (rezeptfreien) Veterinär­­    Tierarzt oder unter seiner Verantwortung angewen-
 arz­nei­­spezialitäten und frei verkäuflichen Heilpflanzen    det werden.

Dürfen Tierhalter kranke Tiere selbst behandeln?

  Die Behandlung kranker Tiere ist grundsätzlich dem           Arz­
                                                                  neimitteln bei landwirtschaftlichen Nutztieren ein-
  Tierarzt vorbehalten. Im Rahmen eines ständigen              binden, wenn dies unter genauer Anleitung, Aufsicht
  Betreuungsverhältnisses (Tiergesundheitsdienst) darf         und schriftlicher Dokumentation erfolgt.
  ein Tierarzt den Tierhalter in die Anwendung von

Wo sind Arzneimittel zu beziehen und welche Arzneimittel dürfen eingesetzt
werden?

  • Rezeptpflichtige Tierarzneimittel (das sind Veteri-       • Homöopathische Einzel­arzneimittel dürfen über den
     närarzneispezialitäten) können entweder direkt beim          Tierarzt oder in jeder öffentlichen Apo­theke ohne
     Tierarzt – aus seiner tierärztlichen Hausapotheke –         Rezept bezogen und angewendet werden.
     oder mit einem tierärztlichen Rezept in einer öffent­     • Humanarzneimittel dürfen von Landwirten an Tieren
     lichen Apotheke bezogen werden.                              nicht angewendet werden. Beispielsweise darf Aspirin
                                                                  zur Fiebersenkung bei Sauen nicht eingesetzt werden.

Leitfaden für die Tierbehandlung am Bio-Betrieb | Mai 2020                                                                7
Für Tierärzte: Die Abgabe von Tierarzneimitteln        nur an TGD-Betriebe abgegeben werden. Für Prä­
                                                            ist über das Tierarzneimittelkontrollgesetz (TAKG)     parate mit dem Zusatz „TGD-AB“ ist die Abgabe im
                                                      geregelt. Es dürfen vom Tierarzt prinzipiell nur Mittel      Rah­ men des Tiergesundheitsdienstes nur auf Basis
                                                      aus der „Positivliste“ (Kundmachung gemäß §2 Abs.2           besonderer veterinärmedizinischer Erfordernisse ge-
                                                      der Veterinär-Arzneispezialitäten-Anwendungs-VO) abge­       stattet und der Einsatz ist durch geeignete objektivier-
                                                      geben werden. Der Zusatz „NE“ (nicht eingeschränkt)          bare diagnostische Maßnahmen zu rechtfertigen.
                                                      bedeutet dabei, dass eine Abgabe für alle Betriebe           Link zur „Positivliste“:
                                                      möglich ist. „TGD“ (Tiergesundheits)-Präparate dürfen        www.bmg.gv.at oder www.tgd.at

                                                  Aufzeichnungen über die Arzneimittelanwendung am Bio-Betrieb

                                                      Werden vom Tierarzt oder Landwirt Arzneimittel ange-
Krankheitsvorsorge und tierärztliche Behandlung

                                                      wendet, ist diese Anwendung laut EU-Bio-
                                                      Verordnung (Art. 76 e der VO 889/2008) und Tierarz-
                                                      neimittelkontrollgesetz folgendermaßen schriftlich zu
                                                      dokumen­tieren:
                                                      • Datum der Behandlung
                                                      • Einzelheiten der Diagnose
                                                      • Dosierung
                                                      • welches Tier/welche Tiergruppe wurde be­handelt
                                                         (Eine eindeutige Identifikation des behandelten
                                                         Tieres bzw. der behandel­        ten Tiergruppe muss
                                                         jederzeit möglich sein!)
                                                      •e  ingesetztes Mittel (Markenname), dar­aus ergibt
                                                         sich automatisch der Wirkstoff
                                                      •B  ehandlungsmethode (oral – ins Maul, subcu­tan – unter
                                                         die Haut, intra­mus­kulär – in das Muskelgewebe,....)
                                                      • g esetzliche Wartezeit sowie die verdoppelte
                                                          Wartezeit für Bio-Tiere
                                                      • Behandlung durchgeführt von:
                                                      • verschrieben von: Unterschrift/Stempel
                                                      • Beleg-Nummer aus der betriebs­eige­nen Be­leg­
                                                         sammlung

                                                  Die tierärztlichen Abgabe- und An­wen­dungs­belege ent-          Abbildung 2: Beispiel für einen Arzneimittelabgabe- und
                                                  halten viel­fach bereits eine Möglichkeit zur zusätz-            Arzneimittelanwendungsbeleg; die Vorderseite wird vom
                                                  lichen Doku­mentation der Arzneimittelanwendung durch            Tierarzt ausgefüllt, die Rückseite vom Tierhalter.
                                                  den Tierhalter. Sofern die oben angeführten Kriterien
                                                  ein­gehalten werden, können auch andere Vordrucke                Zusätzlich zu diesem Beleg sind vom Landwirt lediglich
                                                  verwendet werden (z. B. Vor­  la­
                                                                                  gen von Kontrollstellen          die Belegnummer für die eigene Belegsammlung und die
                                                  oder des TGD). Wichtig ist, dass alle geforderten Punkte         doppelte Wartezeit für Bio-Tiere anzuführen, sofern sie
                                                  dokumentiert werden!                                             nicht schon der Tierarzt dokumentiert hat.

                                                  8                                                                   Leitfaden für die Tierbehandlung am Bio-Betrieb | Mai 2020
Dürfen Arzneimittel am Bio-Betrieb vorrätig gehalten werden?

  Orale und äußerlich anzuwendende Tierarzneimittel             die für die Behandlung notwendigen Mengen bzw.
  (Veterinärarzneispezialitäten, die zur Abgabe an den          maximal der Bedarf für einen Monat abgegeben
  Landwirt vorge­sehen sind) dürfen vom Tierarzt in der         werden. Diese rechtlichen Beschränkungen dienen
  für den Therapie­erfolg der jeweiligen Behandlung er-         dazu, einen Missbrauch von Arzneimitteln zu ver-
  forderlichen Menge abgegeben werden. Dies betrifft            hindern. Reine Managementpräparate wie Vitamine
  allerdings maximal den Monatsbedarf. Bei äußerlich            dürfen für den Bedarf von zwei Monaten abgegeben
  anzuwendenden Präparaten zur Parasitenbekämpfung              werden. Nicht zur Gänze aufgebrauchte Arzneimittel
  kann die Abgabemenge für die Dauer eines Behand-              dürfen vom Tierarzt innerhalb des Haltbarkeitsdatums
  lungszyklus festgelegt werden, auch wenn der Monats-          auch für weitere notwendige Behandlungen am selben
  bedarf überschritten wird.                                    Betrieb wiederverschrieben werden, sodass angebro-
  TGD Betriebe: An Mitglieder eines Tiergesundheits-            chene Gebinde nicht zwangsweise nach einer erfolgten
  dienstes dürfen auch Injektionspräparate und Euter­           Behandlung entsorgt werden müssen.
  injektoren abgegeben werden. Es dürfen höchstens

                                                                                                                           Krankheitsvorsorge und tierärztliche Behandlung
Welche Wartezeiten sind einzuhalten?

Grundsätzlich ist zwischen der gesetzlichen Wartezeit            Wenn der Tierarzt diese Verdoppelung auf dem für die
(= allgemein gültig) und der für Bio-Tiere erforderlichen –      Arzneimittelanwendung vorgesehe­nen Beleg nicht ver-
meist längeren – Wartezeit zu unterscheiden.                     merkt, muss dies durch den Landwirt erfolgen, da er für
  Innerhalb der gesetzlichen Wartezeit dürfen Tiere              diese Dokumentation verantwortlich ist.
  grundsätzlich nicht zur Gewinnung von Lebensmitteln         Darüber hinaus gibt es des Öfteren seitens einzelner
  herangezogen werden.                                        Handelspartner zusätzliche Auflagen, die dann betriebs­
Diese Wartezeit ist spezifisch für jedes Arzneimittel und     intern dementsprechend zusätzlich dokumentiert werden
abhängig davon, ob von den Tieren Fleisch, Milch oder         sollten, um nicht den Überblick zu verlieren.
Eier gewonnen werden. Die gesetzliche Wartezeit beginnt
am ersten Tag nach Abschluss der Behandlung (siehe            Beispiel: Kuh mit Euterentzündung
untenstehendes Beispiel) und muss immer eingehalten           Eine Kuh hat eine Euterentzündung und wird 3 Tage lang
werden, sowohl von konventionellen als auch von Bio-          mit einem Antibiotikum behandelt, das eine gesetzliche
Betrieben.                                                    Wartezeit von 5 Tagen hat. Der Tag nach der letzten
                                                              Behandlung gilt als erster Tag der 5-tägigen Wartezeit.
Damit ein tierisches Produkt als Bio-Produkt vermarktet       Danach darf die Milch wieder konventionell vermarktet
werden darf, ist die gesetzliche Wartezeit bei chemisch-      werden. Die doppelte Wartezeit für Bio beträgt in diesem
synthetischen Arzneimitteln zu verdoppeln.                    Fall 10 Tage, also darf die Milch erst nach weiteren
                                                              5 Tagen wieder als Bio-Milch vermarktet werden.

     Abbildung 3: Berechnung der Wartezeit

Leitfaden für die Tierbehandlung am Bio-Betrieb | Mai 2020                                                            9
Wie erfolgt die Wartezeit-Berechnung bei antibiotischen Trockenstellern?

                                                  Es gibt bei den Trockenstellern eine Milchwartezeit vor    Hinweis zur Anwendung von Trockenstellern: lt. EU-
                                                  der Geburt sowie eine nach dem Abkalben ab Laktations-     Bio-Verordnung ist eine präventive Verabreichung von
                                                  beginn. Die übliche Wartezeit von 5 Tagen auf Milch ab     Antibiotika nicht erlaubt. Für Einzeltiere mit hoher Zell-
                                                  Laktationsbeginn bedeutet für biologisch wirtschaftende    zahl, Euterinfektion oder mangelndem Zitzenverschluss
                                                  Betriebe 10 Tage Wartezeit ab Laktationsbeginn. Dies       dürfen sie eingesetzt werden.
                                                  setzt voraus, dass die gesetzliche Wartezeit vor der Ge-
                                                  burt (bei mehreren Präparaten beträgt sie beispielsweise      Wartezeit bei Phytotherapeutika und Homöo­
                                                  35 Tage) eingehalten wurde.                                   pathika
                                                  Beispiele:                                                    Bei der Verabreichung von phytotherapeutischen
                                                  a)	Applikation früher als 35 Tage vor dem Abkalben: die      Tierarzneimitteln kommt es zu keiner Verdoppelung
                                                     gesetzliche Wartezeit beträgt 5 Tage ab Laktationsbe-      der Wartezeit. Homöopathische Arzneimittel ab D4
                                                     ginn, für BIO somit 10 Tage ab Laktationsbeginn.           bzw. C2 verursachen auch im Bio-Betrieb keine
                                                  b)	Applikation innerhalb von 35 Tagen vor dem Abkalben:      Wartezeit. Die Behandlung ist aber in jedem Fall
Krankheitsvorsorge und tierärztliche Behandlung

                                                     verdoppelt werden die verbleibenden Tage vom Abkal-        aufzuzeichnen.
                                                     bezeitpunkt bis zu den vorgesehenen 35 Tagen plus
                                                     die 5 Tage Wartezeit ab Laktationsbeginn.                Gesetzliche Wartezeit = 0 Tage
                                                  	 Als Beispiel: Abkalbetermin am Tag 28, es fehlen         Bei chemisch synthetischen Arzneimitteln sieht die EU-
                                                     7 Tage auf 35 Tage plus 5 Tage nach Laktations­          Bio-Verordnung eine Mindestwartezeit von 48 Stunden
                                                     beginn, in Summe 12 Tage, auf Bio-Betrieben gilt         für Milch, Fleisch und Eier vor, auch wenn die gesetz-
                                                     daher eine daher eine Wartezeit von 24 Tagen.            liche Wartezeit 0 Tage beträgt.
                                                                                                              Werden jedoch Homöopathika und Phytotherapeutika
                                                  Für die Lieferung von Fleisch ist die gesetzliche Warte-    mit einer Wartezeit von 0 Tagen eingesetzt, so be-
                                                  zeit zu verdoppeln.                                         trägt die Warte­zeit für Bio-Tiere dennoch nur 0 Tage.

                                                  Anzahl der erlaubten Behandlungen

                                                  Die Anzahl der Behandlungen mit chemisch-synthetischen     Unter Behandlung ist nicht die einmalige Verabreichung
                                                  allopathischen Tierarzneimitteln ist gemäß EU-Bio-Ver-     eines Arzneimittels zu verstehen, sondern die Behand-
                                                  ordnung beschränkt und zwar auf maximal drei Behand-       lung einer Krankheit vom Beginn bis zu ihrer Ausheilung.
                                                  lungen innerhalb von 12 Monaten, oder maximal eine         Somit kann eine Behandlung die wiederholte Verabrei-
                                                  Behandlung bei Tieren, deren produktiver Lebenszyklus      chung eines oder mehrerer Arzneimittel umfassen und
                                                  weniger als ein Jahr beträgt.                              sich über mehrere Tage erstrecken. Es kann auch ein
                                                  Ausgenommen hiervon sind Impfungen, Parasitenbe­           Wechsel von Arzneimitteln erforderlich sein. Das erneute
                                                  hand­ lungen und obligatorische Tilgungs-Maßnahmen         Auftreten dieser Krankheit zu einem späteren Zeitpunkt
                                                  (z. B. Rauschbrandimpfung, Dasselbekämpfung,...) sowie     gehört dann nicht mehr zu dieser Behandlung.
                                                  die Behandlung mit homöopathischen und phyto­thera­
                                                  peutischen Arzneimitteln. Weiters trifft diese Aus­nahme   Beispiel:
                                                  auf die Anwendung von betäubenden/schmerz­stillen­den      Milchfieber bei einer Muttersau nach dem Abferkeln
                                                  Mitteln wie, z. B. im Zuge von Kastration und Ent­hor­     Die 3-tägige Gabe von Antibiotika bis zur Ausheilung ent-
                                                  nung5 zu.                                                  spricht nur einer Behandlung.

                                                  5
                                                      VO (EG) 889/2008, Art. 18

                                                  10                                                            Leitfaden für die Tierbehandlung am Bio-Betrieb | Mai 2020
Wann liegt ein Therapienotstand vor?

             Für Tierärzte, Hinweis auf das TAKG, §4              3.	wenn ein Arzneimittel nach Punkt 1 und 2 nicht
             (Tierarzneimittelkontrollgesetz): Als Tierarz-          zugelassen oder verfügbar ist, ein Tierarznei-
    neimittel dürfen – abgesehen von §4a des Tierärzte-              mittel, das in einer Apotheke auf Grund der Her-
    gesetzes – nur in Österreich zugelassene Arzneispe-              stellungsanweisung eines zur selbständigen Be-
    zialitäten angewendet werden. Die Fachinformation                rufsausübung im Inland berechtigten Tierarztes
    im Sinne des Arzneimittelgesetzes ist für den Tierarzt           hergestellt wird (magistrale Zubereitung).
    verbindlich. Er darf nur bei Vorliegen eines Therapie­
    notstandes davon abweichen. Bei Vorliegen eines               Solcherart umgewidmete Arzneimittel, bei denen
    Therapienotstandes darf von einem Tierarzt oder               keine Wartezeit für die betroffene Tierart angegeben
    unter der direkten persönlichen Verantwortung eines           ist, müssen vom behandelnden Tierarzt mit einer
    Tierarztes angewendet werden („Umwidmung“):                   angemessenen Mindestwartezeit versehen werden.
    1.	ein Tierarzneimittel, das in Österreich für eine an-      Diese gesetzliche Wartezeit darf 28 Tage für Fleisch
        dere Tierart oder für dieselbe Tierart, aber für eine     und 7 Tage für Milch und Eier nicht unterschreiten

                                                                                                                              Krankheitsvorsorge und tierärztliche Behandlung
        andere Indikation zugelassen ist                          und muss für Bio-Tiere zusätzlich noch verdoppelt
    2.	wenn ein Arzneimittel nach Punkt 1 nicht zugelas-         werden (ausgenommen Phytotherapeutika).
        sen oder verfügbar ist entweder                           Umgewidmete Arzneimittel dürfen nur zur oralen
        a.	ein Arzneimittel, das in Österreich für die An-       oder äußerlichen Anwendung an Tierhalter abgege-
           wendung am Menschen zugelassen ist, oder               ben werden.
        b.	ein in einem anderen Mitgliedstaat der EU für
           die gleiche oder eine andere zur Nahrungsmit-
           telerzeugung genutzte Tierart für die betreffen-
           de oder eine andere Indikation zugelassenes
           Tierarznei­mittel oder

Impfungen

Impfungen nehmen im Rahmen der Behandlung am                    müssen auch Bio-Betriebe keine Wartezeit einhalten. Bei
Bio-Betrieb eine Sonderstellung ein, da sie immuno-             der Anwendung von Impfstof­   fen mit Wartezeit kommt
logische Wirkung haben. In der EU-Bio-Verordnung im             es auch im Bio-Betrieb zu keiner Verdoppelung der
Kapitel „Tierärztliche Behandlung“ werden sie hinsichtlich      Wartezeit. Auch über Impfungen sind Auf­zeichnungen zu
der Behandlungshäufigkeit mit Parasitenbehandlungen             führen.
und obligatorischen Tilgungsplänen gleichgestellt. Dem-         Gleichzeitig mit einer Impfung sollen Sanierungsmaß­
nach kann ein Tier auch mehrmals pro Jahr geimpft               nahmen (z. B. Verbesserung der Hygiene oder An­pas­
werden ohne von der biologischen Vermarktung aus-               sung der Nährstoffversorgung) durchgeführt werden, die
geschlossen zu werden. Die meisten Impfstoffe dürfen            zur nachhaltigen Stabilisierung der Herdengesundheit
ohne Einhaltung einer Wartezeit angewendet werden.              führen, um auch Impfungen nur als zeitlich beschränkte
Wenn diese gesetzliche Wartezeit 0 Tage beträgt, dann           Maßnahme einzusetzen.

Leitfaden für die Tierbehandlung am Bio-Betrieb | Mai 2020                                                               11
3. Homöopathie
              Was ist Homöopathie?

              Homöopathie ist eine alternative Heilmethode, die um      Die Verschreibung der Arzneimittel erfolgt nach der
              1800 vom deutschen Arzt Samuel Hahnemann be­              Ähnlichkeitsregel: „Ähnliches möge mit Ähnlichem ge­heilt
              gründet wurde. In der Homöopathie werden pflanzliche,     werden.“ Die Homöopathie regt die Selbstheilungskräfte
              mineralische und tierische Ausgangsstoffe verwendet.      an, folglich kann nur dann erfolgreich therapiert werden,
              Diese Ausgangsstoffe werden potenziert, d.h. verdünnt     wenn das Tier zur Selbstregulation noch in der Lage ist.
              und verschüttelt.

              Wie werden homöopathische Arzneimittel hergestellt?

              Als Ausgangsprodukte von homöopathischen Arzneien         Die Herstellung homöopathischer Arzneimittel obliegt
              dienen entweder flüssige Urtinkturen oder feste Zu­be­    Apothekern, sie dürfen aber auch von Ärzten und Tier­
              reitungen, sogenannte Verreibungen. Nach dem gelten­      ärzten mit Hausapotheken hergestellt werden.
              den Europäischen Arzneibuch werden die Urtink­    turen
              stufen­weise mit Alkohol verdünnt und nach jedem Ver-     Die Potenzen werden durch das Verdünnungsverhältnis
              dünnungsschritt verschüttelt. Die Verreibungen werden     und die Zahl der Potenzierungsschritte benannt.
              mit Milchzucker verdünnt und eine Stunde lang verrie-
              ben. Dieses Verdünnen und Ver­schütteln bzw. Verreiben    Beispiel: für Arnica D6 wird die Urtinktur aus Arnika
Homöopathie

              wird Potenzieren genannt. Die Verdünnungsschritte kön-    sechs Mal 1:10 verdünnt und jedes Mal kräftig verschüt-
              nen 1:10 (D-Poten­zen), 1:100 (C-Potenzen) und 1:50.000   telt. Eine D12 wird zwölf Mal 1:10 verdünnt und ver-
              (Q-Poten­zen) sein. Die flüssigen Verdünnungen werden     schüttelt, eine D30 dreißig Mal. Bei den C-Potenzen ist
              Dilutionen genannt, die festen Verdünnungen Triturati-    der Verdünnungsgrad 1:100 und auch hier wird jede
              onen. Die Potenzierung ist der Weg, gängige Heilpflan-    Stufe verschüttelt. Also Aconit C30 wird dreißig Mal 1:100
              zen, aber auch Giftpflanzen und mineralische oder tie-    verdünnt und in jeder Verdünnungsstufe nach Herstel-
              rische Ausgangsstoffe zu homöopathischen Arzneimitteln    lungsvorschrift verschüttelt.
              zu verarbeiten. Werden abgetötete Krankheitserreger
              potenziert, so nennt man diese Homöopathika Nosoden.

              Was ist Allopathie, was heißt allopathisch?

              Allopathie ist ein Begriff aus der Homöopathie: So be-    Fieber Arzneimittel, die das Fieber senken, also gegen
              zeichnen homöopathische Ärzte die nicht-homöopa-          Fieber wirken. Dem gegenüber verwendet die Homöo-
              thischen Behandlungsmethoden, also v. a. die Schul-       pathie bei Fieber ein Arzneimittel, das beim gesunden
              medizin. Wörtlich bedeutet Allopathie „Behandlung mit     Menschen Fieber erzeugen kann. Allopathisch könnte
              Arzneimitteln mit entgegengesetzter Wirkung“. Bei-        man daher mit „schulmedizinisch“ übersetzen.
              spielsweise verwendet man in der Schulmedizin bei

              Was ist Isopathie?

              Die Isopathie ist eine Behandlungsmethode, die sich       (”Ähnliches wird Ähnliches heilen“) das Gleichheits-
              von der Homöopathie ableitet. Sie wurde 1833 vom          Prinzip: „Gleiches wird Gleiches heilen“. In der Isopa-
              Leipziger Tierarzt Johann Lux begründet. Lux setzte       thie wird z. B. Eigenblut verwendet oder Blütenpollen
              anstelle des Ähnlichkeits-Prinzips der Homöopathie        bei Heuschnupfen.

              12                                                           Leitfaden für die Tierbehandlung am Bio-Betrieb | Mai 2020
Wie sind Homöopathika rechtlich einzuordnen und welche Wartezeiten sind
einzuhalten?

  Homöopathische Arzneien sind Arzneimittel. Homöo-
                                                                           Für Tierärzte: Das TAKG nimmt seinerseits Be-
  pathische Einzelmittel (z. B.: Arnica D12) und regis-
                                                                           zug auf die Verordnung (EG) Nr. 2377/90, Anhang
  trierte homöopathische Veterinärarzneispezialitäten
                                                                   II (bzw. deren Nachfolgeverordnungen: Verordnung
  (z. B.: War­zen­tropfen für Tiere) sind – soweit rezept-
                                                                   (EG) Nr. 470/2009 und Verordnung (EU) Nr. 37/2010).
  frei – frei ver­käuf­lich, dürfen in Apotheken erworben
                                                                      Der Anhang zur Verordnung (EU) Nr. 37/2010 ent-
  und auch vom Tier­       halter im Rahmen der üblichen
                                                                      hält u. a. pharmakologisch wirksame Stoffe, für die
  Tierpflege angewendet werden. Homöopathische
                                                                      keine Höchstmengen für Rückstände gelten und die
  Human­arznei­spezialitäten (z. B. Schnupfentropfen
                                                                      somit keine Wartezeiten erfordern. Zu den in
  für Kinder) dür­fen jedoch am lebensmittelliefernden
                                                                      ho­möopa­thischen Tierarzneimitteln verwendeten
  Tier nicht angewendet werden.
                                                                      Stof­fen gibt die Verordnung (EU) Nr. 37/2010 folgen­
                                                                      des vor: In homöopathischen Tierarzneimitteln ver­
 Homöopathische Arzneimittel dürfen in Apotheken                      wen­ dete Stoffe, die min­destens 1:10.000 ver­ dünnt
 gekauft und vom Tierhalter an Tieren zur Verbesse-                   sind, erfordern keine Rück­standshöchstmengen.
 rung der Befindlichkeit angewendet werden. Dement-
 sprechend dürfen frei verkäufliche homöopathische
 Einzelmittel (z. B. Nux vomica D6), die zur Anwen-                  Bei homöopathischen Potenzen ab D4 bzw. C2
 dung an Menschen bereits vorrätig sind, auch für eine               (also D4, D6, D12 sowie C2, C4, C6 und höhere
 appetitlose Sau verwendet werden. Wichtig ist, dass                 Potenzen) ist keine Wartezeit erforderlich. Dies
 die Anwendung von Homöopathika nie dazu führen                      gilt auch für die Anwen­dung im Bio-Betrieb und für
                                                                     alle zur Lebensmittel­e rzeugung genutzten Tiere.

                                                                                                                                Homöopathie
 darf, dass Tiere zu spät, falsch oder unzureichend be-
 handelt werden. Kranke Tiere müssen unverzüglich                    Die Verdoppelung der Warte­z eit für Bio-Betriebe
 vom Tierarzt untersucht und behandelt werden um                     bzw. die Einhaltung einer Mindest­   warte­zeit gilt
 Tierleid zu vermeiden.                                              nicht für ho­möopathische Arzneimittel.

Bei den Stoffen in der nachfolgenden Tabelle besteht eine grundsätzliche Unbedenklichkeit bezüglich möglicher Rück-
stände, sodass sie bereits ab der Urtinktur oder in niedrigeren Potenzen als in der D4 ohne Wartezeit eingesetzt wer-
den dürfen; z. B. darf Arnika-Wurzel (Arnica radix) ab der D1 ohne Wartezeit angewendet werden.

Tabelle 1: Alphabetische Liste der Stoffe, die gemäß Verordnung (EG) Nr. 37/2010 an Tieren, die der Lebens­
mittelgewinnung dienen, auch unter der D4 ohne Wartezeit angewendet werden dürfen. Mit Stand September 2016
sind 21 Urtinkturen gelistet.

  Anwendung möglich ab Urtinktur:           Anwendung möglich ab Urtinktur:          Anwendung möglich ab 1:10 (ab D1):
  Agnus Castus                              Harpagophytum procumbens                 Aesculus hippocastanum
  Ailanthus altissima                                                                Arnicae radix
                                            Hypericum perforatum
                                                                                     Calendula officinalis
  Allium cepa                               Lobaria pulmonaria
                                                                                     Echinacea (innerlich)
  Artemisia abrotanum                       Okoubaka aubrevillei                     Hamamelis virginiana
  Bellis perennis                           Serenoa repens
  Cardiospermum halicacabum                                                          Anwendung möglich ab 1:100 (ab D2):
                                            Silybum marianum
  Crataegus                                                                          Adonis vernalis
                                            Solidago vigaurea
  Echinacea (äußerlich)                                                              Apocynum cannabinum (nur oral)
                                            Syzygium cumini                          Atropa belladonna
  Eukalyptus globulus
  Euphrasia officinalis                     Turnera diffusa                          Camphora
                                            Viscum album                             Selenicereus grandiflorus
  Ginseng
                                                                                     Thuja occidentalis
                                                                                     Urginea maritima (nur oral)

Leitfaden für die Tierbehandlung am Bio-Betrieb | Mai 2020                                                                 13
Anwendung möglich ab 1:1000 (ab D3):
                                                                                  Für Tierärzte: Tierärzte können im Rahmen
                Convallaria majalis
                                                                                  ihrer Tätigkeit homöopathische Arzneimittel
                Gingko biloba
                                                                           an­wen­den und ab­geben. In der tierärztlichen Haus­­
                Harunga madagascariensis
                                                                           apotheke dürfen homöopathische Arzneimittel vom
                Lachnanthes tinctoria
                                                                           Tier­arzt selbst hergestellt werden. Werden vom Tier­
                Phytolacca americana
                                                                           arzt Arzneimittel abgegeben, so ist immer ein Abgabe­
                Prunus laurocerasus
                                                                           beleg auszufüllen – auch wenn es sich um ein rezept-
                Ruta graveolens (nicht bei milch­liefernden Tieren)
                                                                           freies (z. B. homöopathisches) Arzneimittel handelt.
                Virola sebifera

              Wie werden homöopathische Arzneien verabreicht?

              Homöopathische Arzneimittel werden meist oral (über         Arznei üblicherweise direkt ins Maul eingegeben oder auf
              das Maul) verabreicht. Sie stehen in flüssiger Form als     das Flotzmaul getropft. In größeren Beständen (Schaf-
              Tropfen (Dilution) oder in Form von Globuli (Milchzucker-   herde, Gruppe von Schweinen, Hühnerherde) ist es
              kügelchen) zur Verfügung. Seltener werden homöopa-          praktikabel, die homöopathische Arznei über das Trink-
              thische Arzneimittel in Form von Salben oder Injektionen    wasser, Futter oder durch Versprühen mit Sprühflaschen
              verabreicht. Bei Einzeltieren wird die homöopathische       zu verabreichen.

              Aufzeichnungen bei der Anwendung von Homöopathika
Homöopathie

                Die Anwendung von homöopathischen Arzneimitteln
                ist nach den gleichen Vorgaben wie die Verabreichung              Für Tierärzte: Gilt für homöopathische
                von chemisch-synthetischen allopathischen Arznei­                 Arzneimittel die Kaskadenregelung?
                mitteln zu dokumentieren.                                  Laut TAKG §4 Abs. 6 und 8 gilt für homöopathische
                                                                           Arzneien, deren Wirkstoffe im Anhang der VO (EU)
                                                                           Nr. 37/2010 genannt sind, die Kaskadenregelung nicht.
                                                                           Homöopathische Arzneimittel können also jeder­zeit
                                                                           angewendet werden, auch wenn es für die jeweilige
                                                                           Indikation allopathische Medikamente gibt.

              Dürfen alle homöopathischen Einzelmittel bei lebensmittelliefernden Tieren
              angewendet werden?

                Bis auf Aristolochia, welches überhaupt nicht, auch         Stoffe gemäß Verordnung (EU) Nr. 37/2010 bereits
                nicht in einer Verdünnung, angewendet werden darf,          als Urtinkturen bzw. in Potenzen unter der D4 (siehe
                sind alle homöopathischen Arzneimittel ab D4 bzw.           Tabelle 1, Seite 13 und 14) angewendet werden.
                C2 erlaubt. Wie oben beschrieben, dürfen bestimmte

              Literaturhinweise
              Alois Tiefenthaler: Homöopathie und biologische Medizin für Haus- und Nutztiere. Sonntagverlag, 2006.
              Birgit Gnadl: Klassische Homöopathie für Rinder. www.nutztierhomoeopathie.de, 2011.
              Herausgeber FiBL: Handbuch Tiergesundheit: Leitfaden über Vorbeugung und Behandlung von Tierkrankheiten
              mit natürlichen Heilmethoden, www.fibl.org, 2006.
              Achim Schütte: Leitfaden zur homöopathischen Behandlung von Schweinen. KVC-Verlag, 2014.

              14                                                             Leitfaden für die Tierbehandlung am Bio-Betrieb | Mai 2020
4. Heil- und Gewürzpflanzen
Die Anwendung von Heilpflanzen ist sicher die älteste          2. Futtermittel: Viele Heil- und Gewürzpflanzen werden
Form der Behandlung von Krankheiten. Eine Anwen-                   auch im Futtermittelsektor eingesetzt. Sie unter­liegen
dung beim Menschen besteht nachweislich seit 60 000                in diesem Fall dem Futtermittelrecht (siehe Kapitel 5,
Jahren. Die Anfänge liegen vermutlich noch viel weiter             Seite 17).
zurück. Auch Tiere nutzen intuitiv Pflanzen zur Erhal-         3. 	Pflanzliche Hausmittel werden mit einfachen häus-
tung der Gesundheit und zur Selbstbehandlung. Über                 lichen Methoden hergestellt, z. B. die Ringelblumen­
die Anwendung von Heilpflanzen gibt es schon sehr                  salbe. Im Rahmen der üblichen Tierhaltung und
frühe schriftliche Aufzeichnungen, etwa in den „Veden“,            Tierpflege dürfen diese eingesetzt werden. Haus-
welche in Indien zwischen 4500 und 1500 vor Christus               mittel sind keine Arzneimittel und unterliegen daher
niedergeschrieben wurden.                                          nicht den Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes.
Heute erfolgt die Anwendung von Heil- und Gewürzpflan-             Die Anwendung solcher Mittel durch den Landwirt
zen in drei möglichen Formen:                                      ist also keine Behandlung im Sinne des Tierärztege-
   1. Phytotherapeutika sind zugelassene pflanzliche              setzes. Frei verkäufliche Pflanzen, wie z. B: Salbei-
       Arzneimittel. Sie unterliegen wie Homöopathika dem          blätter, können ohne rechtliche Einschränkungen in
       Arzneimittelgesetz.                                         Hausmitteln verwendet werden.

                                                                                                                             Heil- und Gewürzpflanzen
Heil- und Gewürzpflanzen als Phytotherapeutika

Der Begriff Phytotherapie wurde durch den franzö­sischen     Tabelle 2: Liste der Phytotherapeutika, die für lebens­
Arzt Henri Leclerc (1870-1955) eingeführt. Die Phyto­        mit­telliefernde Tiere zugelassen sind. Stand September
therapie beschäftigt sich mit der Verbesserung der           2016.
Befindlichkeit und mit der Behandlung und Vorbeugung
                                                             Produkt                        Hersteller
von Krankheiten mittels Arzneipflanzen und Zuberei-
                                                             Dysticum                       Pharmawerk Weinböhla
tungen daraus, wie z. B.: Tees, Tinkturen, Presssäfte,
Pulver, Tabletten, Salben …                                  Stullmisan Pulver              Pharma Stullin
Laut Arzneimittelgesetz sind Phytotherapeutika all jene      Colosan                        Saluvet GmbH
Arzneimittel, die als Wirkstoffe ausschließlich einen oder   Kamilloplant Lösung            Saluvet GmbH
mehrere pflanzliche Stoffe bzw. Zubereitungen daraus,        Vulnoplant Creme und Spray     Saluvet GmbH
auch in Kombination, enthalten. Phytotherapeutika wer-
den in Form von Arzneispezialitäten von Pharmafirmen
hergestellt und sind als Tabletten, Kapseln, Säfte oder
Tees beim Tierarzt oder in Apotheken rezeptfrei oder         Tabelle 3: Phytotherapeutikum, das für lebensmittel­
mit tierärztlichem Rezept erhältlich.                        liefernde Tiere zugelassen ist und das nur vom Tierarzt
                                                             angewendet werden darf. Stand September 2016.
Leider sind nur wenige Phytotherapeutika für die Anwen-
                                                             Produkt                         Hersteller
dung am lebensmittelliefernden Tier zugelassen. Diese
                                                             Eucacomp                        VANA GmbH
sind im Austria Codex gelistet.

Welche Aufzeichnungen müssen geführt werden?

  Bezüglich der Dokumentation sind die gleichen Vor­ga­        tischen allopathischen und homöopathischen Arzneimit­
  ben wie bei der Verabreichung von chemisch-synthe-           teln zu beachten (Musterblatt siehe Seite 8).

Leitfaden für die Tierbehandlung am Bio-Betrieb | Mai 2020                                                             15
Welche Wartezeiten sind einzuhalten?

                                Phytotherapeutika, die bei lebensmittelliefernden          Frei verkäufliche Heilpflanzen in Arzneibuchqualität
                                Tieren ohne Wartezeit zugelassen sind, verursa-            kön­nen vom Tierarzt zur Anwendung empfohlen wer-
                                chen auch bei Bio-Tieren keine Wartezeit. Besteht          den. In diesem Fall entstehen keine Wartezeiten.
                                eine gesetzliche Wartezeit, ist eine Verdoppelung
                                im Bio-Betrieb nicht erforderlich.

                                          Für Tierärzte: Phytotherapeutika sind im
                                          Gegensatz zu Homöo­pathika von der Kaska-
                                denregelung nicht aus­ge­nommen. Ein auf Rezept
                                zubereitetes oder um­ge­widmetes Phytotherapeu-
                                tikum bedarf daher einer Mindestwartezeit von 28
                                Tagen bei Fleisch bzw. 7 Tagen bei Milch und Eiern.
                                Eine Sonderstellung nehmen homöopathische Ur­
                                tink­­turen ein, da sie auch nach phytotherapeu­tischen
                                Gesichtspunkten eingesetzt werden können. Die
                                Ur­tinkturen und niedrigen Verdünnungen (Poten­
                                zen) aus Tabelle 1 (siehe Seite 13 und 14) verursa-
                                chen keine Wartezeit. Weiters gibt die Verordnung
Heil- und Gewürzpflanzen

                                (EU) Nr. 37/2010 noch eine Reihe von Pflanzen
                                an, für die keine Rückstandshöchstmengen gelten
                                und damit keine Wartezeiten erforderlich sind, z. B.
                                Wermutextrakt, Fenchelöl oder Goldrutenauszug.

                           Heil- und Gewürzpflanzen als Futtermittel
                           Viele Kräuter und Gewürzpflanzen sind Futterpflanzen            Futtermittel dienen zur Ernährung von Tieren, Arzneimit-
                           und Heilpflanzen zugleich. Eine exakte Abgrenzung ist           tel hingegen sind zur Behandlung von Krankheiten vorge­
                           meist nicht möglich.                                            sehen. Daher ist es nicht zulässig, Kräuterfuttermittel als
                                                                                           Heilmittel zur Behandlung von Krankheiten anzupreisen!
                             Im Rahmen der Fütterung werden Heil- und Gewürz-
                             pflanzen nach dem Futtermittelrecht als Einzelfutter­        Weitere Informationen und spezielle Vorgaben zur Fütte-
                             mit­tel, Mischfuttermittel oder als Futterzusatzstoff ein-   rung am Bio-Betrieb sind dem folgenden Kapitel 5 auf
                             gestuft.                                                     Seite 17 zu entnehmen.

                           Heil- und Gewürzpflanzen als Hausmittel
                           Pflanzliche Hausmittel werden seit Jahrtausenden bei           Unterschiede in der Zubereitung und Anwendung gibt.
                           Mensch und Tier eingesetzt. Das Wissen über Zuberei-           Bei pflanzlichen Hausmitteln sind daher – im Gegensatz
                           tung und Anwendung wird großteils mündlich von Gene-           zu Arzneimitteln – Konzentration und Wirksamkeit unter-
                           ration zu Generation überliefert, wodurch es regional oft      schiedlich (siehe Kapitel 6, Seite 19).

                           Literaturhinweise
                           Aichberger et al.: Kräuter für Nutz- und Heimtiere, Ratgeber für die Anwendung ausgewählter Heil- und Gewürz-
                           pflanzen. www.phytovet.at, 2012.
                           Reichling et al.: Heilpflanzenkunde für die Veterinärpraxis. Springerverlag 2008.
                           Richard Willfort: Gesundheit durch Heilkräuter, Rudolf Trauner Verlag, 1997.
                           Hermann-Josef Weidinger: Haustiere, Heilpflanzen und Du. Verlag Freunde der Heilkräuter Karlstein/ Thaya,
                           1993. (vergriffen)
                           Cäcilia Brendieck-Worm: Heilende Kräuter für Tiere, Hauptverlag, 2015.

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5. Futtermittel
Futtermittel ist ein allgemeiner Sammelbegriff für alle      dienen. Dazu zählen nicht nur landwirtschaftliche Nutz-
Formen von Tiernahrung. Der Begriff umfasst alle Stoffe,     tiere, sondern auch Sport- oder Heimtiere.
die zur Ernährung aller von Menschen gehaltenen Tiere

Futtermittel oder Arzneimittel?

Futtermittel sind immer von Arzneimitteln zu unter­          zwar ebenfalls Vitamin E und Selen als Wirksubstan­
scheiden, auch wenn sie in Verpackung und Wirkung            zen enthält, aber als biotaugliches Futtermittel einge-
manchen Arzneimitteln sehr ähnlich erscheinen und            stuft ist.
manche Futtermittel von Tierärzten verkauft werden. Ob
es sich um ein Arznei- oder Futtermittel handelt, ist der
Produktbeschreibung am Etikett zu entnehmen. Wäh-
rend Tierarzneimittel unter der Verantwortung eines
Tierarztes grundsätzlich eingesetzt werden dürfen,
unter­liegen Futtermittel am Bio-Betrieb gewissen Ein-
schränkungen. Sie dürfen am Bio-Betrieb nur dann
verwendet werden, wenn sie den Regelungen der
EU-Bio-Verordnung entsprechen. Wenn ein Futtermit-
tel vermeintlich als Arzneimittel eingesetzt wird, weil es
z. B. vom Tierarzt abgegeben wurde, es als Futtermit-

                                                                                                                           Futtermittel
tel aber nicht biotauglich ist, so kann dies im Zuge der
Bio-Kontrolle zu Sanktionen führen. Erhält ein Tierhal-
ter beim Tierarzt ein Präparat zur oralen Eingabe bzw.       Abb. 6: Flushing –             Abb. 7: Tylan –
Verfütterung, so sollte er unbedingt nachfragen, ob es       Ergänzungsfuttermittel         Arzneimittel mit Antibiotika
sich dabei um ein Arzneimittel oder ein Futtermittel mit
Bio-Tauglichkeit handelt. Bei Ergänzungs- bzw. Diät­
futtermitteln besteht leicht die Gefahr von Verwechs-        Tylan ist ein Arzneimittel, Flushing ist ein nicht biotaug-
lungen mit Arzneimitteln.                                    liches Ergänzungsfuttermittel.
                                                             Futtermittel sind eindeutig auf der Verpackung und/oder
                                                             auf dem Sackanhänger als solche gekennzeichnet, auch
                                                             jene, die von Tierärzten abgeben werden (z. B. Ergän-
                                                             zungsfuttermittel, Diätfuttermittel).

                                                                 Futtermittel können – im Gegensatz zu Arznei­
                                                                 mitteln – vom Tierarzt zwar abgegeben, aber nicht
                                                                 ver­schrieben werden. Damit es im Zuge der Bio-
                                                                 Kontrolle keine Schwierigkeiten gibt, wird empfoh-
                                                                 len beim Tierarzt nachzufragen, ob es sich um ein
                                                                 Arzneimittel oder ein Futtermittel handelt. Auch auf
                                                                 dem Etikett oder der Verpackung sind Arzneimittel
                                                                 und Futtermittel zu unterscheiden.
Abb. 4: Chevivit E-Selen ®       Abb. 5: Selen E-sol ®-         Es ist daher nicht nur bei Produkten, die über den
biotaugliches Ergänzungs­        Arzneimittel – ent­hält      Agrarhandel bezogen werden, sondern auch bei sol-
futter­mittel – enthält          Vitamin E und Selen          chen, die vom Tierarzt empfohlen oder verkauft werden,
Vitamin E und Selen                                           darauf zu achten, dass sie den Vorgaben der EU-Bio-
                                                              Verordnung entsprechen. Bei Unklarheiten empfiehlt
Das Injektionspräparat Selen E-Sol® (rechts, Abb. 5)          sich vor dem Zukauf die Rücksprache mit der zustän-
ist ein Arzneimittel, während das über das Maul zu ver-       digen Bio-Kontrollstelle oder dem Verein InfoXgen.
abreichende Präparat Chevivit E-Selen® (links, Abb. 4)

Leitfaden für die Tierbehandlung am Bio-Betrieb | Mai 2020                                                           17
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