Leonidas Kavakos Königliches Concert gebouw orchester Amsterdam Mariss Jansons - Freitag 29. August 2014 20:00

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Internationale Orchester 1

Leonidas Kavakos

Königliches Concert­gebouw­­
orchester Amsterdam
Mariss Jansons
Freitag
29. August 2014
20:00
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Internationale Orchester 1

Leonidas Kavakos Violine

Königliches Concertgebouworchester
Amsterdam

Mariss Jansons Dirigent

Freitag
29. August 2014
20:00

Pause gegen 20:45
Ende gegen 22:00

Gefördert durch das Kuratorium KölnMusik e.V.

Dieses Konzert wird auch live auf philharmonie.tv übertragen.
Der Livestream wird unterstützt durch JTI.
PROGRAMM

Johannes Brahms 1833 – 1897
Variationen für Orchester über ein Thema von Joseph Haydn
B-Dur op. 56a (1873)
Thema: Chorale St. Antoni. Andante
Var. I:    Poco più animato
Var. II: Più vivace
Var. III: Con moto
Var. IV: Andante con moto
Var. V: Vivace
Var. VI: Vivace
Var. VII: Grazioso
Var. VIII: Presto non troppo
Finale. Andante

Wolfgang Rihm *1952
Lichtes Spiel (2009)
Ein Sommerstück für Violine und kleines Orchester

Pause

Richard Strauss 1864 – 1949
Tod und Verklärung op. 24 TrV 158 (1888 – 90)
Tondichtung für großes Orchester

Till Eulenspiegels lustige Streiche op. 28 TrV 171 (1895)
Nach alter Schelmenweise – in Rondeauform –
für großes Orchester gesetzt

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ZU DEN WERKEN

           Johannes Brahms:
       Variationen über ein Thema
     von Joseph Haydn B-Dur op. 56a

Entstehung
»Ich mache«, schreibt Johannes Brahms an Joseph Joachim,
»manchmal Betrachtungen über die Variationenformen und finde,
sie müssten strenger, reiner gehalten werden. Die Alten behielten
durchweg den Bass des Themas, ihr eigentliches Thema, streng
bei [...]. Ich muß aber manchmal finden, daß Neuere (wir beide!)
mehr [...] über das Thema wühlen. Wir behalten alle die Melodie
ängstlich bei, aber behandeln sie nicht frei, schaffen eigentlich
nichts Neues daraus, sondern beladen sie nur«. Die Haydn-Varia-
tionen entstehen im Sommer 1873, abgeschlossen wird die Partitur
am Starnberger See. Die Uraufführung findet am 2. November 1873
in Wien statt unter der Leitung des Komponisten.

Gattung
Romantische Variationen über ein klassisches Thema – das
19. Jahrhundert begegnet dem 18. Jahrhundert. Brahms wür-
digt den Kollegen Haydn, weil er ihn bewundert: »Das war ein
Kerl! Wie miserabel sind wir gegen so was!«. Doch ein beinahe
trivialer Zufall will es, dass jenes Thema, der Choral St. Antoni,
möglicherweise gar nicht von Haydn, sondern von einem seiner
Schüler, von Ignaz Pleyel vielleicht, stammt. Tut aber nichts zur
Sache, denn nicht auf die bombenfeste Authentizität kommt es
an, sondern darauf, was Brahms daraus macht.

Charakter
Brahms beklagt sich, wir lasen es gerade, über die vielen mecha-
nischen Variationstechniken, über das in Mode geratene dekora-
tive Ausschmücken eines Themas, über die zu geringe Entfernung
vom ursprünglichen Gedanken, d.h. über eine zu oberflächliche
geistige Auseinandersetzung mit dem gewählten Sujet. Daraus
könne dann, so befindet er, »nichts Neues« werden. Aber wird in
den Brahms-Variationen über den Chorale St. Antoni denn Neues?

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Ja, Neues in unvorstellbaren Ausmaßen, was umso mehr erstaunt,
als die thematische Vorlage einen äußerst schlichten Zuschnitt
hat.

Das Thema, sagt man, gehe auf einen burgenländischen Wall-
fahrtsgesang zurück. In der Tat hat es Prozessions-Charakter
und macht weder melodisch noch rhythmisch noch harmonisch
viel her. Brahms zitiert es eingangs in seiner ursprünglichen
Bläsergestalt, freilich besetzt er die Bläser sehr üppig (inklusive
Kontrafagott und vier Hörner). Heißt: er tastet den originalen
Divertimento-Charakter vorderhand nicht an, belässt das Thema
gleichsam an seinem entfernten ›historischen Ort‹.

Bereits in der Variation I aber verflüssigen sich die thematischen
Strukturen, lösen sich dynamisch auf und verwandeln die statu-
arische Themenbewegung in eiliges Unterwegssein, freilich wird
das ostinate Metrum untergründig noch beibehalten. Noch mehr
Tempo in Variation II, nachdrücklich gesetzte Akzente, unter-
mischt mit tragischem Tonfall. Das altväterliche Thema scheint
Vergangenheit zu sein, plötzlich ist man durch eine sinfonische
Pforte in die moderne Klanglichkeit der Romantik eingetreten.
Variation III stellt sich in lyrischem Gestus dar mit singender
Inbrunst. Reste des ursprünglichen Themas geistern wie vage
Erinnerungen durch den flächig und behäbig sich ausbreiten-
den Tonstrom pastoralen Charakters. Prozessionsartig stellt sich
Variation IV vor. Die vokale Linie mit ihren klaren Konturen erin-
nert an feierlichen Choralgesang, dazu vielfarbig gebrochenes
Klanglicht nach Art von Kirchenfenstern.

Der Umschlag ins sinfonische Scherzo mit Variation V, unver-
mittelter Übergang in den forschen, synkopisch belebten
Geschwindmarsch, zügiger Wechsel ins Charakterstück, ins
flüchtige, wispernde und übermütig kichernde Genrebild. Ihm
folgt mit Variation VI ein munteres herbstliches Jagd-Tableau,
reitender Gestus, schmetternde Klanglichkeit, strahlend opti-
mistische Vergnüglichkeit. Variation VII bleibt in freier Natur mit
einem wiegenden Siciliano, dessen sanft und seufzend schau-
kelnde Bewegung dem lieblichen Charakter einer Berceuse
verwandt ist. Variation VIII stellt sich als huschender Spuk vor
in gespenstischer Unwirklichkeit als nebelflüchtige Klangvision

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mit raffinierten orchestralen Effekten. Alles in allem eine mär-
chenhafte Impression wie eine Verlängerung von Mendelssohns
Sommernachtstraum-Phantastereien.

Den majestästischen Abschluss bildet das Finale in Gestalt einer
Passacaglia, d.h. in altehrwürdiger Schreibweise, wo sich auf fes-
tem Bass-Grund eine grandiose Steigerung entwickelt. Die Passa-
caglia ist wiederum eine Variationsform in sich und wird in dieser
doppelten Verdichtung zum Konzentrat des gesamten Werkes,
welches Brahms dann noch einmal mit dem Haydn-Thema fest-
lich, um nicht zu sagen pompös bekrönt. Nun darf es nochmals
in ursprünglicher Gestalt erscheinen, nachdem es hinter dem
»Neuen« zeitweise vollkommen verschwunden zu sein schien.

Dem Werk liegt, von fern betrachtet, ein nüchterner Bauplan zu
Grunde: Variation I bis VI gehorchen dem Prinzip der Steigerung,
Variation VII und VIII sind durch Kontraste gekennzeichnet, die
finale Passacaglia kann als Zusammenfassung, als Resümee
gelten. Minutiöse Verarbeitung und motivisch-thematische Kor-
respondenzen sind alles, sie schlagen sich nicht zuletzt in den
ungemein sorgfältig ausgeführten Durchbrechungen der stimm-
lichen Faktur und im stets auf Lücke gesetzten, transparent
gelichteten Klangbild nieder.

Ansichten
Erfindung gilt diesem Johannes Brahms, den man despektierlich
einen »Variationenkünstler« nannte, wenig. Inspiration noch weni-
ger: »Von dem Moment an kann ich dies ›Geschenk‹ gar nicht
genug verachten, ich muss es durch unaufhörliche Arbeit zu mei-
nem rechtmässigen, wohlerworbenen Eigentum machen«. Eine
geistige Anverwandlung also, die an das alte Sprichwort erinnert:
»Was Du ererbt von Deinen Vätern – erwirb es, um es zu besitzen«.

Wahlverwandtschaften
Johannes Brahms, Finale der 4. Sinfonie; Max Reger, Variationen
und Fuge über ein Thema von Mozart op. 132

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Gesamteindruck
Konsequent arbeiten sich die acht Variationen auf die krönende
Passacaglia vor: »Hier steht das Brahms’sche Credo in sei-
ner ganzen Überzeugungskraft vor uns. Denn über dem ›festen
Grund‹ des ostinaten Passacaglia-Basses entwickelt sich eine
grandiose Steigerung, die schließlich zum Ausgangspunkt des
Themas führt […]. Die Musik, unabhängig von ihrer zeitlichen
Zugehörigkeit, feiert sich selbst«. (Bernhard Rzehulka)

Fußnote
Brahms dirigiert die Wiener Uraufführung, offensichtlich mit
Erfolg. Denn wenig später, am 26. November 1873, liest man in
der Leipziger Allgemeinen musikalischen Zeitung: »Der ernste und
beinahe fromme Ausdruck des Ganzen, sowie die polyphone und
contrapunctische Meisterschaft erinnern häufig an Seb. Bach;
doch drängt sich dieses Element nirgends vor, es bildet gleich-
sam nur den festen, dunklen Grund, über welchem die Silberflu-
then freien, modernen Empfindens und Gestaltens sich bewegen.
Das Werk hat den doppelten Vorzug, nicht zu lang zu sein und
sich im Verlaufe immer kräftiger und lebensvoller zu steigern.
Wenn die ersten beiden Variationen vielleicht etwas zu trocken
klingen und für den unvorbereiteten Hörer nicht ganz durchsich-
tig in ihrer Figuration, so erblüht von der dritten Variation an ein
immer freieres, individuelleres Leben und erreicht im Finale einen
bezaubernden Höhepunkt. Eine reiche, echt musikalisch gestal-
tende Kraft, welche sich an kein gedrucktes oder verschwiege-
nes Programm zu lehnen braucht, breitet hier anspruchslos ihre
Schätze aus. Der Ernst und das weise Maß vertragen sich bei
Brahms merkwürdig gut mit ganz neuen, ja gewagten Zügen«.

Das waren noch Zeiten, als Musikkritik sich vornehmlich mit der
Werkqualität anstelle seiner Interpretation befasste. Obendrein,
wie man sieht, mit hoher gedanklicher Treffsicherheit.

Zum Weiterlesen
Rzehulka, Bernhard: Die Variation als kompositorisches Credo. In:
Ulm, Renate (Hg.): Johannes Brahms – das symphonische Werk.
Bärenreiter-Verlag Kassel 1996, S. 75–83

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Wolfgang Rihm: Lichtes Spiel.
     Ein Sommerstück für Violine und
            kleines Orchester

Entstehung
Geschrieben im Jahr 2009 für Anne-Sophie Mutter und ihr
gewidmet. Immer wieder, schreibt Oswald Beaujean, reize die
Geigerin die Herausforderung einer Uraufführung. »Vor allem
aber treibt sie der Wunsch, die Geige immer neu zu entdecken.
Deshalb sucht sie nach Komponisten, die ihrem Instrument
Neues abverlangen, andere Klangsprachen finden, eine neue
Sinnlichkeit in ihm wecken«. Das findet sie bei Wolfgang Rihm.
Für dessen Lichtes Spiel wünschte sich Anne-Sophie Mutter ein
Mozart-Orchester, denn »seit Jahren leite ich die Mozart-Kon-
zerte von der Geige aus. Ich wollte diesen wunderbaren Werken
einen Kontrapunkt entgegensetzen. In gleicher Orchestrierung,
aber mit neuer Zeichengebung für die Geige«. Die Uraufführung
findet statt am 18. November 2010 in der Avery Fisher Hall New
York mit Anne-Sophie Mutter als Solistin und dem New York
Philharmonic unter Michael Francis.

Gattung
Einsätziges Violinkonzert von ca. 18 Minuten Länge. Genauer:
ein quasi unendlicher Geigen-Monolog mit dezenter Orches­ter-
­begleitung.

Charakter
Es kommt gewissermaßen aus dem Nichts, das »lichte Spiel«. Hebt
leise an im Zustand äußerster Ruhe, verströmt einen lang atmen-
den melodischen Gesang mit immer wieder tief Luft schöpfenden
Pausen, durchsetzt von melancholischen Seufzerfiguren, so dass
sich zunächst der Eindruck eines feierlich-ernsten Lamentos her-
stellt. Doch dann, nach und nach, belebt sich die Klang-Rede der
Geige mit zunehmend flüssiger Rhetorik, mit immer weiter aus-
schweifenden Klanglinien und wärmer pulsierendem Blut in den
Adern, zuweilen gar mit beschwörenden Tonfällen.

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Bald einmal ist klar, dass allein die Geige das Wort führt. Sie
nimmt das willig folgende Orchester an die Hand und führt es
behutsam tastend hinein in eine geheimnisvolle Klangland-
schaften voll von üppig blühenden Kantilenen. Mal in der Manier
trillernder Vogelstimmen, dann wieder mit erdigen Klagelauten
oder mit aufflammender Leidenschaft, wobei ganz selten ein
paar starke rhythmische Akzente ins »lichte Spiel« geworfen wer-
den. Knappe Andeutungen eines kauzigen Tanzes, mehr nicht.
Ansonsten von Anfang bis zum leise verglimmenden Ende rei-
nes Geigen-Melos in einer fortwährend unsteten Suchbewegung
zwischen den Extremen des sanft schimmernden Vorsichhinsin-
gens und der rotglühenden Ekstase.

Besondere Kennzeichen
Die langgezogene Kreisbewegung endet, wo sie anfing: im
Nichts. Dabei wurde eine Enzyklopädie der Violine abgeschrit-
ten, gewissermaßen die ganze Geige, was sie ist und was sie
kann: ihre singende Süße und ihre bedrohliche Aggression, der
schmachtende und der schmerzliche Klang, ihr nobles und vul-
gäres Saitenspiel, das immense technische Repertoire, derbes
volksmusikalisches Gefiedel und virtuose Eleganz. Eine Hom-
mage an die Violine, sozusagen.

Ansichten
Dieses Sommerstück, glaubt Anne-Sophie Mutter, habe »durch-
aus etwas von einem Sommernachtstraum. Allein deshalb, weil
man (wenn man an die Trolle denkt, an die Irrlichter in Shakes-
peares Sommernachtstraum) diese Dinge ganz selbstverständlich
im Rihms Partitur wiederfinden kann, diese immer wieder auf-
flackernden Akzente. Im Übrigen bewegt sich ja alles in einem
– man kann fast sagen – romantisch schwebenden Zustand, der
durch diese flackernden Lichter immer wieder erhellt wird. Viel-
leicht kommt von daher diese Idee eines ›lichten Spiels‹«.

Widersprüche
Lichtes Spiel könnte an das sprichwörtlich »leichte Spiel« denken
lassen. Nein, sagt Wolfgang Rihm, es stelle »eine transparente,

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instrumentale Bewegung dar … etwas Lichtes, aber sicherlich
kein ›Leichtgewicht‹«.

Gesamteindruck
Nüchtern betrachtet, ist Lichtes Spiel eine Rhapsodie für Violine
und Orchester, eine Ballade mit der Geige als Erzählerin. Mit
anderen Worten: ein orchestral begleitetes Rezitativ von 18 Minu-
ten Dauer. Nur wenig kürzer als ein komplettes Mozart-Konzert.
Nicht immer »licht« und leicht schon mal gar nicht. Weder für
den Geiger noch für den Hörer.

Fußnote
Ob sich der besagte »romantisch schwebende Zustand« tatsäch-
lich einstellt, bleibt fraglich. Es ist, als treibe Lichtes Spiel damit
nur sein Spiel, ohne den Ernstfall einzulösen. Die spröde Herbheit
von Rihms Musik scheint sich dem, was man gemeinhin unter
romantischer Schönheit versteht, nur asymptotisch zu nähern.
Fand die traditionelle Funktionsharmonik lange Zeit ihren Weg
nicht zur Emanzipation der Dissonanz, so scheint die Rihm’sche
Dysfunktionsharmonik ihren Weg zurück zur Emanzipation der
Konsonanz auch nicht finden zu können.

Oder nicht finden zu wollen. Damit würde sie Romantik frei-
lich auf eine ganz andere Weise buchstabieren, indem sie das
Schöne als gebrochen darstellt, den Zauber als Gaukelspiel, den
Traum als Alptraum, das Wundersame als Wunschbild, die blaue
Blume als Phantasiegebilde. Insofern wäre diesem Sommerstück
nicht nur meteorologisch nicht zu trauen.

Zum Weiterlesen
Rihm, Wolfgang: Offene Enden. Denkbewegungen um und durch
Musik. Hanser-Verlag München/Wien 2002

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Richard Strauss: Tod und Verklärung.
Tondichtung für großes Orchester op. 24

Entstehung
Es ist das Jahr 1889, da Strauss in München seine Zelte als Drit-
ter Kapellmeister abbricht und sich anschickt, nach Weimar zu
gehen. Man behauptet gern, er habe die Tondichtung Tod und
Verklärung unter dem Eindruck einer lebensbedrohenden Krank-
heit geschrieben, dann hätte sie den Reiz eines biographischen
Protokolls. Indessen liegt er mit einer schweren Lungenentzün-
dung erst ein Jahr danach im Bett, zur Zeit der Komposition ist
der 25-jährige Strauss gesund und munter. Die Idee bezieht er
(angeblich) aus einem Gedicht des Freundes Alexander Ritter.
Dieser Stoff vom qualvollen Sterben eines Jünglings liegt in der
Luft, er trifft den Nerv einer Zeit, die sich literarisch und musika-
lisch an der Tristesse, an weltschmerzender Décadence und an
morbider Sehnsucht berauscht. Die üppig instrumentierte Par-
titur ist am 18. November 1889 fertiggestellt. Die Uraufführung
der Tondichtung, zusammen mit der Burleske für Klavier und
Orchester, erfolgt am 21. Juni 1890 am Stadttheater zu Eisenach,
Strauss dirigiert selbst.

Rezeption
Mit Tod und Verklärung gelingt Strauss, kurz nach dem überaus
erfolgreichen Don Juan, ein weiterer sinfonischer Volltreffer.
Hans von Bülow hält das Werk für einen Geniestreich und lobt
vor allem seine geschickt differenzierte, ungemein farbige und
gleichwohl durchsichtige Instrumentation. Seitdem erfreut es
sich ungebrochener Beliebtheit wegen seiner literarisch beding-
ten Verständlichkeit zum einen, zum anderen, weil es für große
Orchester eine stolze Herausforderung ist.

Gattung
›Tondichtung‹ heißt: ihre musikalische Architektur folgt, anders
als in Sinfonien, Variationen oder Suiten, außermusikalischen
Regeln, hier angeblich einer poetischen Vorlage. Also kommt es

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darauf an, diese mit tonmalerischen Mitteln zu illustrieren ... oder
(vgl. ›Widersprüche‹) sollte es umgekehrt sein?

Charakter
Vertrauen wir der Beschreibung von Strauss …:
»Es war vor sechs Jahren, als mir der Gedanke auftauchte, die
Todesstunde eines Menschen, der nach den höchsten idealen
Zielen gestrebt hatte, also wohl eines Künstlers, in einer Tondich-
tung darzustellen. Der Kranke liegt im Schlummer schwer und
unregelmäßig atmend zu Bette; freundliche Träume zaubern ein
Lächeln auf das Antlitz des schwer Leidenden; der Schlaf wird
leichter; er erwacht; grässliche Schmerzen beginnen ihn wie-
der zu foltern, das Fieber schüttelt seine Glieder – als der Anfall
zu Ende geht und die Schmerzen nachlassen, gedenkt er sei-
nes vergangenen Lebens: seine Kindheit zieht an ihm vorüber,
seine Jünglingszeit mit seinem Streben, seine Leidenschaften
und dann, während schon wieder Schmerzen sich einstellen,
erscheint ihm die Frucht seines Lebenspfades, die Idee, das Ideal,
das er zu verwirklichen, künstlerisch darzustellen versucht hat,
das er aber nicht vollenden konnte, weil es von einem Menschen
nicht zu vollenden war. Die Todesstunde naht, die Seele verlässt
den Körper, um im ewigen Weltraume das vollendet in herrlichs-
ter Gestalt zu finden, was es hienieden nicht erfüllen konnte«.

Dem epischen Fluss der Ballade sind die entsprechenden musi-
kalischen Gesten angepasst, zum Beispiel …

zarte Klangimpressionen = mattes Licht
verschiefte Rhythmen = schweres Atmen
scharfe Akzente, chromatische Verdichtung und orchestrale
   Turbulenzen = heftige Schmerzen
lieblich-wehmütiges Melos und bukolische Klangbilder =
   lichtüberstrahlte Kindheit
forsch rhythmisierter und heraldisch gestimmter Marsch =
   leidenschaftliche Jünglingszeit
dramatische orchestrale Verwicklungen = Todeskampf
dreinfahrende Klangschläge = Aufbegehren gegen das
   Sterben
dumpfes Posaunengetön und pochende Pauke = Todeseintritt

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aufhellendes Klanglicht = glückliche Vision
gleißendes C-Dur-Thema in den Blechbläsern, dann in den
  Streichern = Verklärung

Besondere Kennzeichen
Dass Richard Strauss in der Zeit, als die Tondichtung entsteht,
einen Assistenzvertrag in Bayreuth erhält und die Einstudierung
des Parsifal begleiten darf, hinterlässt Spuren in Tod und Verklä-
rung – im scheinbar einfachen Raffinement der Orchesterfarben,
in der Erfindung von parsifalisch-schlichten, fasslichen Leitmo-
tiven und in ihrer konsequenten Verknüpfung. Das ›Verklärungs-
Motiv‹ zum Beispiel wird frühzeitig schon mehrfach angekündigt
gleich einer aufkeimenden Idee, in der Schlussphase verknüpft
es sich mit dem ›Kindheit-Motiv‹, was sowohl musikalisch wie
symbolisch einen Sinn macht ... alles Vergängliche wird ins
Ursprüngliche transzendiert.

Besondere Verdienste
Der Verleger Eugen Spitzweg speist Strauss für Tod und Verklä-
rung mit armseligen 1.600 Reichsmark Honorar ab. Er selbst ver-
dient sich daran eine goldene Nase.

Ansichten
»... übersetzte Strauss das körperliche und seelische Sterben
eines Menschen in eine Klangsprache, die sich ungezählter raf-
finierter rhythmisch-melodischer Abstufungen bedient, um die
allmähliche Abtrennung von Körper und Seele nachzuzeichnen
[...]. Tod und Verklärung ist, abgesehen von seiner spirituellen Bot-
schaft, vor allem ein bevorzugtes virtuoses Paradestück für große
Orchester«. (Andreas Kluge)

Widersprüche
»Der Partitur ist ein Gedicht Alexander Ritters vorangestellt; Verse,
die zur irrtümlichen Annahme geführt haben, dass die Strauß-
sche Tondichtung den Stimmungen des Gedichts illustrierend
gefolgt sei. Das Gegenteil ist richtig. Das Gedicht ist erst nach der

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Vollendung der Partitur entstanden und versucht, die Phasen des
Werkes in Worten auszudrücken«. (Richard Specht)

Profil
»Die musikalischen Hauptgedanken kreisen um Schmerz, Traum
und Erlösung. Die Tondichtung, vor allem die Passagen, die als
Schmerz-, Sterbe-, Erinnerungsmotive gesehen werden, über-
steigert dabei eine Kompositionsmethode, eine inhaltliche Idee,
die zum Ende des 19. Jahrhunderts die Symphonien der meis-
ten Komponisten beherrschte [...]. Mit Tod und Verklärung trifft
Richard Strauss den morbiden Grundton seiner Zeit«. (Veronika
Beci)

Wahlverwandtschaften
Wagner, Parsifal; Liszt, Faust-Symphonie; Bruckner, 7. Sinfonie;
Mahler, 2. Sinfonie, Schönberg, Verklärte Nacht.

Gesamteindruck
Durch Nacht zum Licht, von der Erde in den Himmel.

Das der Partitur vorangestellte Gedicht:
Alexander Ritter: Tod und Verklärung

In der ärmlich kleinen Kammer,
Matt vom Lichtstumpf nur erhellt,
Liegt der Kranke auf dem Lager. –
Eben hat er mit dem Tod
Wild verzweifelnd noch gerungen.
Nun sank er erschöpft in Schlaf,
Und der Wanduhr leises Ticken
Nur vernimmst du im Gemach,
Dessen grauenvolle Stille
Todesnähe ahnen läßt.
Um des Kranken bleiche Züge
Spielt ein Lächeln wehmutsvoll.
Träumt er an des Lebens Grenze
Von der Kindheit goldner Zeit?

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Doch nicht lange gönnt der Tod
Seinem Opfer Schlaf und Träume.
Grausam rüttelt er ihn auf,
Und beginnt den Kampf aufs neue.
Lebenstrieb und Todesmacht!
Welch entsetzenvolles Ringen! –
Keiner trägt den Sieg davon,
Und noch einmal wird es stille!
Kampfesmüd zurückgesunken,
Schlaflos, wie im Fieberwahn,
Sieht der Kranke nun sein Leben,
Zug um Zug und Bild um Bild,
Inn’rem Aug vorüberschweben.
Erst der Kindheit Morgenrot,
Hold in reiner Unschuld leuchtend!
Dann des Jünglings keckres Spiel –
– Kräfte übend und erprobend –
Bis er reift zum Männerkampf,
Der um höchste Lebensgüter
Nun mit heißer Lust entbrennt. –
Was ihm je verklärt erschien,
Noch verklärter zu gestalten,
Dies allein der hohe Drang,
Der durchs Leben ihn geleitet.
Kalt und höhnend setzt die Welt
Schrank’ auf Schranke seinem Drängen.
Glaubt er sich dem Ziele nah,
Donnert ihm ein »Halt« entgegen.
»Mach die Schranke dir zur Staffel!
Immer höher nur hinan!«
Also drängt er, also klimmt er,
Läßt nicht ab vom heil’gen Drang.
Was er so von je gesucht
Mit des Herzens tiefstem Sehnen,
Sucht er noch im Todesschweiß,
Suchet – ach! und findet’s nimmer.
Ob er’s deutlicher auch faßt,
Ob es mählich ihm auch wachse,
Kann er’s doch erschöpfen nie,
Kann es nicht im Geist vollenden.

                             14
Da erdröhnt der letzte Schlag
Von des Todes Eisenhammer,
Bricht den Erdenleib entzwei,
Deckt mit Todesnacht das Auge.
Aber mächtig tönet ihm
Aus dem Himmelsraum entgegen
Was er sehnend hier gesucht:
Welterlösung, Weltverklärung!

Fußnote
Vom Himmel durch die Welt zur Hölle (und wieder zurück) ...
Strauss verkehrt den Wegweiser, und um die Hölle macht er
einen großen Bogen. Dieses harmonisch einfache, fest wur-
zelnde, apotheotische ›Verklärungs‹-Thema mit seiner geradlinig
aufwärts ziehenden Bestimmtheit und der süßen Sekundfall-
Sentimentalität – schimmernd bricht es sich allmählich Bahn
und funkelt schließlich in leuchtenden Regenbogenfarben. Allen
spendet es religiösen Trost auf ihrem Weg vom irdischen Jam-
mertal ins Elysium. Das ist anrührend.

Noch anrührender aber, was 58 Jahre später geschieht. Im vier-
ten der Vier letzten Lieder, im Eichendorff-Lied Im Abendrot, stockt
der Text: »Ist dies etwa der Tod?«. Der alte, nun zum eigenen Ster-
ben aufgerufene Richard Strauss lässt nach diesem Fragezei-
chen seine Musik hinübergleiten in ein still meditierendes Nach-
spiel, darin zwei Zitate scheu sich andeuten: einmal das Volkslied
»Die Blümelein, sie schlafen« und dann das ›Verklärungs‹-Thema
aus Tod und Verklärung, geschrieben vom jungen Strauss, damals
vor langer Zeit.

Diese versteckte Andeutung im Nachspiel zu Im Abendrot hat
etwas Herzbewegendes. Rührend, wie sich Strauss als beinahe
Achtzigjähriger noch einmal des Schluss-Themas aus Tod und
Verklärung erinnert. Ergreifend, wie er den mit 25 Jahren gefun-
denen ›Verklärungs‹-Gedanken wieder aufgreift und ihn auch
jetzt noch für richtig befindet. Erstaunlich ist zugleich, wieviel
Zuversicht darin liegt, wenn jemand am Tor zum Jenseits zu
bestätigen scheint, dass eine im jugendlichen Alter gefundene
Vision nun, im Augenblick des Abschiednehmens, sich als gültig,

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als zuverlässig und vor allem als tröstlich erweist. Diese Zuver-
sicht in die seinerzeit wie eine eigene Vorahnung komponierte
›Verklärung‹ legt jene naive Gewissheit an den Tag, mit der Kin-
der an Wunder glauben.

Denkbar, dass unter der Oberfläche seiner raffinierten Tonkunst
ein einfacher, ungekünstelter Charakter zum Vorschein kommt,
der alles immer gerade so meint, wie er es komponierend aus-
drückt. Einen Tag vor seinem Tod macht er eine letzte Bemer-
kung an seine Schwiegertochter: »Merkwürdig, Alice, das mit
dem Sterben ist genauso, wie ich’s in Tod und Verklärung kompo-
niert hab’. Merkwürdig ist das«.

Zum Weiterlesen
Beci, Veronika: Der ewig Moderne. Richard Strauss 1864 – 1949.
Droste-Verlag Düsseldorf 1998

    Richard Strauss: Till Eulenspiegels
          lustige Streiche op. 28

Entstehung
Am Till Eulenspiegel schreibt Strauss rund neun Monate – von
Herbst 1894 bis Mai 1895, was bei einer vergleichsweise kur-
zen Komposition auf ein besonders präzises Kalkül hinweist.
Ursprünglich sollten die Streiche dieses nasedrehenden Bürger-
schrecks aus dem Mittelalter Stoff für eine neue Oper werden,
zumal Strauss mit dem Erstling Guntram gerade einen entmuti-
genden Misserfolg einfährt. Doch dann notiert er: »Ein paar Ent-
würfe – u.a. ein ›Eulenspiegel‹ und ›Die Schildbürger‹ – blieben
im ersten Anfang stecken«. Schließlich fügen sich Eulenspiegels
Eskapaden zur Sinfonischen Dichtung, was man nachträglich
beglückwünschen möchte.

                               16
Die Uraufführung des Werks findet statt am 5. November 1895
in Köln mit dem Städtischen Gürzenich-Orchester unter Franz
Wüllner.

Rezeption
Der Till hat mit ca. 15 Minuten Dauer recht knappe Ausmaße, wird
aber wegen seiner Kürze und vor allem wegen seiner schlager-
haften Themengestalten zum Volltreffer, zum konzertanten Dauer-
brenner, selbstverständlich zum Pflichtstück im schulischen Musik-
unterricht, wenn ›Programm-Musik‹ dran ist als eine anschauliche,
komisch-tragische Erzählung, die mit »Es war einmal ein Schalks-
narr ...« anhebt und mit »Jaja, so war das ... und er lebt immer noch,
unser Till Eulenspiegel« endet. Die Erfolgsgeschichte einer musi-
kalischen Satire, deren beißender Spott bei musikologischen Exe-
geten bis heute widersprüchlich gedeutet wird.

Charakter
Episodenfolge mit witzig-ironischen Pointen …

nasedrehender Till mit kauzig tönenden Fingerabdrücken
Turbulenzen beim Ritt mitten durch die Marktweiber
frommer Choral in der Verkleidung als Pastor (»Üb’ immer Treu
  und Redlichkeit«)
geigenschmachtende Augenaufschläge beim Flirt mit dem
  Mädchen
kniffelige Kanon-Kunstfertigkeiten im akademischen Disput mit
  den Philistern
derbe Polka- und Walzertöne
Trommelrasseln und drohende Posaunen beim letzten Gericht
klägliches Wimmern der Klarinette um Gnade
Tod durch den Strick und Sturz in die Tiefe einer großen Sep-
  time ...
… aber alles wird gut, sagt zum Schluss das Orchester, diesen
  Till kann man nicht liquidieren

Besondere Kennzeichen
Rondeauform? »Strauss’ Untertitel führt in die Irre. Es kommt
kein aufgewärmtes Mittelalter, es kommen bloß die fünf Takte

                                  17
Introduktion, die den Ohren seiner Zeitgenossen noch verständ-
lich klingen, der Rest ist ihnen … Eulenspiegelei, getäuschte
Hörerwartungen. Statt einer Rondeauform, das heißt, eines
immer wiederholten Refrains […], bringt Strauss eher Variation.
Nein, er arbeitet in Leitmotivtechnik, dem beliebtesten Komposi-
tionsstil der Ära nach Wagner«. (Veronica Beci)

Besondere Verdienste
Lässt Ironie aus allen Knopflöchern blitzen, verfremdet spiele-
risch-genießerisch die alten Formen, Stilmittel und Satztechni-
ken: Choral, Volkslied, Polyphonie, Marsch, Walzer und Gavotte,
vor allem den heroisch-symphonischen Tonfall der Zeit ... selbst
Bruckners Musik bleibt vom Spott nicht verschont. Der findet
das übrigens ganz köstlich und hört sich die ›Schelmenweise‹ in
Wien gleich zweimal an.

Ansichten
»Daß eine neue ›sinfonische Dichtung‹ wieder angekommen, ist
ja prachtvoll! Wo bringen Sie denn nur all die Zeit zusammen?
Sie sind wol der productivste von uns Allen«. (Gustav Mahler im
Juni 1895 an Strauss)

Widersprüche
»Till Eulenspiegel hören, heißt kaum, die turbulenten Geschichten
um die literarische Figur aus dem Klingenden zu erschließen«
… Ach nein? Was denn sonst? … »Entscheidend ist vielmehr, der
kompositorischen Intelligenz innezuwerden, die in diesem Klin-
genden waltet und die mit ihren überraschenden, nicht selten
den Atem verschlagenden musikalischen Ereignissen Reaktio-
nen auslöst, welche an diejenigen auf eine gute Anekdote erin-
nern«. (Mathias Hansen)

Profil
Kurzweilige, höchst anschauliche und farbensprühende Folge
von Bildern nicht zuletzt wegen raffiniert sparsamer und raffiniert
konturenscharfer Instrumentation.

                                18
Hören
Till Eulenspiegel ist gleichwohl kein bloß lustiges Bilderbuch in
Tönen: »Ganz zielbewusst um Kritik an kompositorischem Kre-
tinismus, welche auf höchst intelligentem Niveau und mit über-
strömender Fantasie erfolgt und die nicht minder eindeutig nach
einem ihr angemessenem Wahrnehmungsvermögen verlangt.
Die Intelligenz des ›falschen‹ Komponierens besteht nicht zuletzt
darin, den verständigen Hörer in die Lage zu versetzen, anhand
der falschen Noten eine Vorstellung, eine Ahnung zu erlangen,
wie es ›richtig‹ sein könnte«. (Mathias Hansen)

Fußnote
Er blättert im Volksbuch Ein kurtzweilig Lesen vom Thyl Uhlenspie-
gel (1515). Lustvoll schlüpft der Spötter Strauss in die Figur des
Spötters Till und schreibt mit sonnenleichter Hand eine sinfo-
nische Dichtung. Zunächst will er das Programm nicht verraten:
»Es ist unmöglich, ein Programm zu Eulenspiegel zu geben; was
ich mir bei den einzelnen Teilen gedacht habe, würde in Worte
gekleidet sich oft seltsam genug ausnehmen, vielleicht sogar
Anstoß erregen. Wollten wir daher diesmal die Zuhörer selber die
Nüsse aufknacken lassen, die der Schalk ihnen verabreicht«.

Indessen reagieren die Zeitgenossen derart befremdet, dass
Strauss eine schriftliche ›Gebrauchsanweisung‹ nachreicht: »Um
überhaupt ein Verständnis zu ermöglichen, genügt es vielleicht,
auf das Programm die beiden ›Eulenspiegel‹-Themen zu notie-
ren […], die das Ganze in den verschiedenen Verkleidungen und
Stimmungen wie Situationen durchziehen bis zur Katastrophe,
wo er aufgeknüpft wird, nachdem das Urteil ›Der Tod!‹ über ihn
gesprochen wurde. Die a-Moll-Episode ist seine Promotion bei
den philiströsen Professoren, ich glaube, in Prag, wo Till durch
seine monströsen Thesen eine förmliche babylonische Sprach-
verwirrung (das sog. Fugato) anrichtet und sich, nachdem er sich
weidlich darüber verlustiert hat, höchst ›leichtfertig‹ entfernt (As-
Dur 2/4). Das aber bitte als Privatmitteilung zu betrachten; Bemer-
kungen in der Partitur wie ›liebeglühend‹ etc. werden sicher das
unmittelbare Verständnis für die inhaltliche Bedeutung der ein-
zelnen Episoden vervollständigen«.

                                 19
Schade, dass Strauss dann doch meint, Verstehenshilfe leisten
zu müssen. Denn jemand, der seine Witze anschließend erklärt,
bringt sich selber um die Pointen. Soll heißen: wirklich amüsant
sind weniger die Frechheiten des mittelalterlichen Anarchisten
Till Eulenspiegel, sondern vor allem die musikalisch tolldreis-
ten Stil-Karikaturen des spätromantischen Lästermauls Richard
Strauss.

Till Eulenspiegels lustige Streiche sind tönende Röntgenbilder der
Musik aus Gegenwart und Vergangenheit. Freilich humorvoller
koloriert als jene anderen Fotografien in nüchternem Schwarz-
weiß, die ein gewisser Wilhelm Conrad Röntgen just in diesem
Jahr 1895 zum ersten Mal herstellt. Farbiger und bewegter auch
als der weltweit erste Filmstreifen, womit die Gebrüder Lumière
im ›Grand Café‹ zu Paris eine staunende Öffentlichkeit verblüffen.

Zum Weiterlesen
Hansen, Mathias: Richard Strauss. Die sinfonischen Dichtungen.
Bärenreiter-Verlag Kassel 2003

                                     Hans Christian Schmidt-Banse

                                20
Ein Freund aller – Mariss Jansons
  und das Königliche Concertgebouw­
   orchester Amsterdam – ein Porträt

2013 war für die Niederländer ein ganz besonderes Jahr. Das
wichtigste Ereignis war sicherlich die Thronbesteigung von Wil-
lem-Alexander, der damit seine Mutter, Königin Beatrix, ablöste.
Kurz dahinter folgte aber gleich die Feier einer musikalischen
Traumehe. Am 11. April 1888 und damit vor 125 Jahren wurde in
Amsterdam mit dem Concertgebouw einer der bis heute welt-
besten Konzertsäle eröffnet. Ein halbes Jahr danach, am 3.
November, bezog das ebenfalls gerade gegründete Concertge-
bouworkest sein Zuhause. 125 Jahre Concertgebouw und 125
Jahre Königliches Concertgebouworchester, das 1988 von Köni-
gin Beatrix in den Adelsstand erhoben wurde – darauf musste
entsprechend angestoßen werden. Am 10. April 2013 fand eine
Konzertgala statt, bei der zu den Gratulanten die Geigerin Janine
Jansen, Pianist Lang Lang und Bariton Thomas Hampson zähl-
ten. Und natürlich leitete Mariss Jansons sein Concertgebouwor-
chester. Nichts schien den Geburtstagsjubel trüben zu können.
Doch nur eine Woche später goss eine Nachricht etwas Wasser
in die Schampusflöten. Chefdirigent Jansons ließ verlautbaren,
dass er seinen 2015 auslaufenden Vertrag beim Orchester nicht
verlängern wird. Stattdessen werde er sich nur noch auf das
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks konzentrie-
ren, das er seit 2003 ebenfalls leitet. Natürlich rätselte die völlig
überraschte Musikwelt sofort über die Beweggründe. Zumal Jan-
sons noch ein halbes Jahr zuvor dem Musikkritiker des französi-
schen Figaro verraten hatte, dass er niemals eines seiner beiden
Orchester dem anderen vorziehen könne. »Ich fühle mich da wie
ein Vater von zwei Kindern, der jedes absolut liebt«, so Jansons
damals im Interview. Trotzdem hat er sich jetzt anders entschie-
den. Und so wird er gegen Ende der laufenden Konzertsaison
Abschied vom Amsterdamer Weltklasseorchester nehmen, aber
ihm zumindest als Gastdirigent verbunden bleiben.

Offiziell hat der lettische Dirigent diesen schweren Schritt zwar
nicht erläutert. Doch es mag wohl seine Gesundheit gewesen
sein, die ihn gezwungen hat, nun etwas kürzer zu treten. Und

                                 21
was gerade die internationalen Tourneeverpflichtungen des Con-
certgebouworchesters in alle Himmelsrichtungen angeht, ist die
körperliche Belastung wahrscheinlich da um einiges größer als
etwa bei den bayerischen Kollegen.

Wenn Jansons somit Mitte 2015 den Chefdirigentenstab an sei-
nen aktuell noch nicht bekannten Nachfolger übergeben wird,
geht damit ein weiteres glorreiches Kapitel in der Geschichte die-
ses Traditionsorchesters zu Ende. Denn obwohl 2004 Mariss Jan-
sons von Riccardo Chailly einen in allen Belangen perfekt aufei-
nander abgestimmten Klangkörper übernommen hatte, sorgte er
noch einmal für einen kleinen, aber durchaus gewichtigen Qua-
litätssprung in den einzelnen Orchestergruppen. Die Streicher
klingen bei ihm noch eine Spur samtiger und die Blechbläser
noch goldglänzender. Und was die Kultiviertheit der Holzbläser
angeht, können da vielleicht nur die Kollegen von den Berliner
Philharmoniker konkurrieren. Was im Einzelnen fasziniert, zahlt
sich selbstverständlich unter dem Strich dann auch im großen
Ganzen aus. Welche Lieblingskomponisten von Jansons die
Amsterdamer immer auch gerade spielen, ob Brahms, Strauss,
Mahler oder Schostakowitsch – stets begeistert, ja überwältigt
diese Balance aus Perfektion und Empfindsamkeit, aus beweg-
licher Transparenz und erzählerischer Substanz jeden einzelnen
Zuhörer. Und auch die internationale Kritikerzunft war von Beginn
an von diesen Klangwundertaten gepackt. 2006 wählten europä-
ische Musikjournalisten das Concertgebouworchester zum zweit-
besten Orchester des Kontinents – mit nur einem Punkt Abstand
hinter den Wiener Philharmonikern. Als es aber dann zwei Jahre
später auf Initiative des führenden britischen Klassikmagazins
Gramophone um die Krone des besten Orchesters der Welt ging,
standen die Niederländer auf dem Siegertreppchen ganz oben.

Mit solchen Abstimmungen hadert Jansons zwar („Durch sol-
che Umfragen entsteht ein furchtbarer Druck. Wie bei einem
Olympiasieger erwartet man, dass wir die nächste Goldme-
daille holen.«). Dennoch spiegeln die Resultate solcher Rankings
durchaus das immense Niveau wider, auf dem sich dieses Team
befindet. Und welchen nicht unerheblichen Anteil Jansons daran
besitzt, hat der Direktor des Concertgebouworchesters, Jan Raes,
anlässlich des heutigen Kölner Gastspiels noch einmal auf den

                                22
Mariss Jansons und das Königliche Concertgebouw­orchester Amsterdam
im Jahr 2013.

Punkt gebracht: »Mariss Jansons schmiedet mit seinem bedin-
gungslosen Einsatz und Respekt vor den Musikern jedes Mal ein
extrem motiviertes Kollektiv. Unglaublich, wie er alle über sich
selbst herauswachsen lässt. Diese seltene Eigenschaft macht ihn
mit Fug und Recht legendär.«

Wenn man hingegen Mariss Jansons auf die singulären Quali-
täten des Concertgebouworchesters anspricht, ist es neben den
spieltechnischen Höchstleistungen vor allem ein Charakterzug,
der ihn immer und immer wieder beeindruckt. Es ist diese Syn-
these aus musikalischer Intelligenz und persönlichem Klang,
die vom ständigen Hunger gespeist wird, das zu verstehen, was
hinter den Noten steht. Und genau diese Suche nach Tiefe und
damit nach dem eigentlichen Gehalt von Musik macht den Diri-
genten und das Orchester seit 2004 zu einer verschworenen
Erfolgsgemeinschaft.

Darüber hinaus besitzt das Orchester aber ein Geheimnis, das
Jansons ganz speziell fasziniert. Es ist diese auch noch im
21. Jahrhundert wirkende unglaubliche Magie, die sich sofort
einstellt, wenn man mit Strauss und Mahler zwei Komponis-
ten aufführt, die bereits die Anfänge des Orchesters mitgeprägt
haben. »Das Orchester ist heute nicht nur internationaler zusam-
mengesetzt als vor hundert Jahren«, so Jansons. »Auch der
Umgang mit den Instrumenten ist ein ganz anderer als damals.

                                   23
Dennoch muss es diesen besonderen Geist von Tradition geben,
der von Orchestergeneration zu Generation weitergegeben
wird.« Tatsächlich besitzt das Orchester auch 2014 noch dieses
außerordentliche Strauss- und Mahler-Gen, das ihm schon in
der Ära seines zweiten Chefdirigenten Willem Mengelberg ein-
gepflanzt worden war. 1895 hatte der Niederländer im Alter von
gerade einmal 24 Jahren das Amt von Willem Kes übernommen.
Und schon zwei Jahre später war das Concertgebouworchester
unter seiner stets kompromisslosen, wild entschlossenen Leitung
über sich hinaus gewachsen. Das musste selbst Richard Strauss
feststellen, der gegenüber einem Journalisten bekannte, dass er
»endlich ein Orchester gefunden« habe, das ihm die Angst aus-
getrieben hat, »Schwieriges zu schreiben«. Die Probe folgte aufs
Exempel – in Form der Tondichtung Ein Heldenleben, die Strauss
Mengelberg und dem Orchester widmete.

Die aber noch größere Figur, die dank Mengelberg ihre Spuren
in der aufgeblühten Musikmetropole Amsterdam hinterlassen
sollte, war Gustav Mahler. Zwischen ihm und dem zehn Jahre
jüngeren Dirigenten entwickelte sich eine tiefe Freundschaft, die
sich auch in den Konzerten widerspiegelte. Fast 180 Mal stan-
den Mahlers Werke zwischen 1903 und 1919 auf dem Programm.
Und 1920 dirigierte Mengelberg bei einem »Mahler-Fest« gar alle
seine Sinfonien. Kein Wunder, dass Mahler einmal Amsterdam
als sein Bayreuth bezeichnet hatte.

Mahlers Schaffen sowie das ebenfalls von Mengelberg aufge-
baute klassisch-romantische Repertoire bilden seitdem feste
Konstanten in der Arbeit des Orchesters. Und neben all den welt-
berühmten Gastdirigenten wie Bruno Walter, Otto Klemperer, Her-
bert von Karajan, Carlos Kleiber und Pierre Boulez haben gerade
drei von Mengelbergs Nachfolgern Interpretationsgeschichte mit-
geschrieben. Der ebenfalls gebürtige Niederländer Bernard Hai-
tink war von 1961 bis 1988 Chefdirigent. Und in dieser langen Ära
entstanden Gesamteinspielungen etwa der Sinfonien von Beet-
hoven, Brahms, Tschaikowsky und Mahler, die nichts an Moderni-
tät eingebüßt haben. Gleiches gilt für die Ton-Dokumente, die mit
dem Italiener Riccardo Chailly entstanden sind und der darüber
hinaus zwischen 1988 und 2004 auch die Amsterdamer Oper in
eine europäische Musiktheater-Hochburg verwandelt hatte.

                               24
Seit 2004 ist Mariss Jansons der erst sechste Chefdirigiert in der
125-jährigen Geschichte des Königlichen Concertgebouwor-
chesters. Und wer sich etwa im Vorfeld des heutigen Kölner Kon-
zerts unter den Musikern umhören konnte, der bekam – wenig
überraschend – nur Hymnen auf Jansons zu hören. So hat Kon-
zertmeister Vesko Eschkenazy stellvertretend für seine Kollegen
die bisherigen gemeinsamen zehn Jahre mit folgenden Wor-
ten Revue passieren lassen: »Jansons ist ein ganz besonderer
Mensch und Dirigent, der für ehrliche Musik, perfekte Organi-
sation der Probenzeit und atemberaubende Aufführungen steht.
Das Publikum ist immer ganz ergriffen von seiner Persönlichkeit
und seiner Art und Weise, Musik zu machen. Unvergesslich ist
für mich unser Auftritt in der Carnegie Hall in New York, als ich
mit ihm Ein Heldenleben spielte. Ich denke, dass das Konzert zu
den größten Erfahrungen in meinem Leben gehört.«

Ähnlich bewundernd haben sich schon immer die Orchester
geäußert, die mit Mariss Jansons zusammenarbeiten durften.
Denn der 1943 im lettischen Riga geborene Sohn einer Opernsän-
gerin und eines seinerzeit angesehenen Dirigenten hat noch nie
zu denjenigen Pultstars gehört, die sich als solche empfunden
oder inszeniert haben. Jansons ist ein akribischer Arbeiter, der
viel von seinen Musikern verlangt. Trotzdem sind von ihm keine
despotischen An- und Ausfälle überliefert. Schließlich weiß er
nur zu genau, wie man ein Orchester mitreißen und zu Höchst-
leistungen animieren kann: »Sie brauchen eine innere Energie,
eine Elektrizität, die Sie dem Orchester vermitteln: diese kommt
verstärkt vom Orches­ter zurück, und so entwickelt sich das große
Feuer.« An diesem Credo hält Jansons seit nunmehr knapp 40
Jahren fest. Und in diesen vier Jahrzehnten sind ihm nicht nur
mit allen großen Orchestern unzählige Sternstunden geglückt,
wenn er die Wiener Klassik, die deutsch-österreichische Roman-
tik oder die klassische, insbesondere die russische und franzö-
sische Moderne dirigiert. Gleich auf seiner ersten europäischen
Station machte er ab 1979 in Oslo aus dem Provinz- ein Top-
Orchester. Nach festen Engagements beim London Philharmonic
Orchestra (1992–1997) und dem Pittsburgh Symphony Orchestra
(1997–2004) übernahm er dann zunächst 2003 das Symphonieor-
chester des Bayerischen Rundfunks und ein Jahr später schließ-
lich das Koninklijk Concertgebouworkest.

                                25
Wenngleich Jansons regelmäßig Angebote aus aller Welt
bekommen hat, so konzentriert sich seine Tätigkeit mittlerweile
auf lediglich vier Orchester. Neben denjenigen in Amsterdam
und München sind es die Philharmoniker aus Berlin und Wien,
die das Glück haben, mit diesem Musiker und Menschenfreund
zu musizieren. Und warum er zu den absoluten Lieblingen der
Spitzenorchester gehört, hat wohl keiner besser beschrieben
als 2007 der Wiener Philharmoniker Clemens Hellsberg in seiner
Laudatio auf Mariss Jansons: „Das Orchester richtet sich an ihm
nicht nur musikalisch auf, sondern auch charakterlich.«

                                                  Guido Fischer

                              26
BIOGRAPHIEn

     Leonidas Kavakos
Leonidas Kavakos, in Athen in eine
Musiker-Familie hineingeboren, erhielt
den ersten Unterricht auf der Geige
von seinen Eltern. Später studierte er
am Hellenic Conservatory bei Stelios
Kafantaris, der neben Josef Gingold
und Ferenc Rados zu seinen wichtigs-
ten Mentoren gehört. Aufmerksam auf
das große Talent des Geigers wurde
man, als Kavakos 1985 den Sibelius-
und drei Jahre später den Paganini-
und den Naumburg-Wettbewerb gewann.

Seither arbeitet Leonidas Kavakos weltweit mit den führenden
Orchestern und Dirigenten zusammen und hat zu vielen von ihnen
enge Beziehungen aufgebaut, darunter die Berliner Philharmo-
niker und Sir Simon Rattle, das Gewandhausorchester Leipzig
und Riccardo Chailly, das Königliche Concertgebouw­orchester
und Mariss Jansons sowie das London Symphony Orches-
tra und Valery Gergiev. In der Saison 2012/13 lag ein besonde-
rer Fokus auf Engagements beim London Symphony Orchestra
und auf seiner Funktion als Artist-in-Residence bei den Berliner
­Philharmonikern. In den USA ist er regelmäßig zu Gast beim New
 York Philharmonic, beim Chicago Symphony Orchestra, beim
 Boston Symphony Orchestra, beim Philadelphia Orchestra und
 beim Los Angeles Philharmonic. 2013/14 debütierte Kavakos bei
 den Wiener Philharmonikern unter Riccardo Chailly und gastierte
 in Deutschland u. a. in München, Köln, Hamburg und Berlin. Mit
 zahlreichen Orchestern arbeitet Kavakos zunehmend als Dirigent
 und Solist gleichzeitig, so u. a. mit dem Rotterdam Philharmonic,
 den Wiener Symphonikern, dem Deutschen Symphonie-Orches-
 ter Berlin, dem Orchestra dell’ Accademia Nazionale di Santa
 Cecilia, dem Budapest Festival Orchestra und dem Boston Sym-
 phony Orchestra. Als Dirigent debütierte er in der vergangenen
 Saison beim London Symphony Orchestra und beim Orchestre
 Philharmonique de Radio France.

                                27
Leonidas Kavakos ist ein engagierter Kammermusiker und regel-
mäßig zu Gast bei den Festivals in Verbier, Montreux, Bad Kissin-
gen, Edinburgh und Salzburg, wo er im August 2012 zusammen
mit Enrico Pace sämtliche Beethoven-Sonaten aufführte, die sie
auch gemeinsam einspielten. Beethoven-Zyklen präsentierte
Kavakos in vielen europäischen Städten, u. a. in London und
Wien mit Emanuel Ax, sowie mit Enrico Pace in Amsterdam, Mai-
land und bei den Salzburger Festspielen. In der Saison 2013/2014
folgten weitere Beethoven-Sonatenabende in der Carnegie Hall
New York sowie in Fernost. Zu seinen Kammermusikpartnern
zählen außerdem die Capuçon-Brüder, Antoine Tamestit, Nikolai
Lugansky, Denis Kozhukhin und Yuja Wang, mit der er in der ver-
gangenen Saison die Brahms-Sonaten aufführte. Seit 2012 gibt
Leonidas Kavakos jährlich in Athen einen Meisterkurs für Violine
und Kammermusik.

Leonidas Kavakos kann auf eine umfangreiche und vielfach
preisgekrönte Diskographie verweisen. Kurz nach dem Gewinn
des Sibelius-Wettbewerbs gewann er 1991 den Gramophone
Concert Award für die Ersteinspielung der Originalfassung von
Sibelius’ Violinkonzert (von 1903/04). 2003 erschien die Auf-
nahme mit Sonaten von Enescu und Ravel, gemeinsam mit dem
Pianisten Péter Nagy, sowie eine Aufnahme mit Werken von Bach
und Strawinsky. Seine Aufnahme des Mendelssohn-Violinkon-
zerts wurde mit einem ECHO Klassik für die beste Konzert-Auf-
nahme 2009 ausgezeichnet. Ebenso nahm er Mozarts Violinkon-
zerte mit der Camerata Salzburg auf. Für die Gesamteinspielung
der Beethoven-Sonaten mit Enrico Pace am Klavier erhielt er den
ECHO Klassik 2013 in der Kategorie Instrumentalist des Jahres.
2013 erschien eine CD mit dem Gewandhausorchester Leipzig
unter der Leitung von Riccardo Chailly mit Werken von Brahms
und Bartók. Im Frühjahr 2014 folgte eine CD mit Brahms-Sona-
ten mit der Pianistin Yuja Wang. Leonidas Kavakos spielt die
»Abergavenny«-Stradivarius von 1724.

In der Kölner Philharmonie war er zuletzt im April dieses Jahres
als Solist und musikalischer Leiter mit dem Gürzenich-Orchester
Köln zu Gast.

                               28
Königliches Concertgebouworchester
              Amsterdam

Schon bald nach seiner Gründung 1888 entwickelte sich das
Concertgebouworchester zu einem der renommiertesten Klang-
körper Europas. 1988 wurde ihm der Titel »Königlich« verliehen.
Seine international einzigartige Stellung verdankt das Orchester,
das heute 120 ausgezeichnete Musiker vereint, seinem »samte-
nen« Streicherklang, seinen »goldenen« Blechbläsern und der
individuellen Klangfarbe der Holzbläser. Die Tatsache, dass es im
Laufe seiner Geschichte nur von einer kleinen Zahl von Chefdiri-
genten geleitet wurde, spielte bei der Entwicklung des Orches-
ters eine entscheidende Rolle. Erster Chefdirigent war Willem
Kes (1888 – 1895). Es folgten Willem Mengelberg (1895 – 1945), Edu-
ard van Beinum (1945 – 1959), Bernard Haitink (1959 – 1988) und
Riccardo Chailly (1988 – 2004). Im September 2004 hat Mariss
Jansons die Position des Chefdirigenten übernommen. Darüber
hinaus standen zahlreiche Gastdirigenten am Pult des Orches-
ters, darunter Arthur Nikisch, Karl Muck, Bruno Walter, Otto
Klemperer, Pierre Monteux, Eugen Jochum, Karl Böhm, Herbert
von Karajan, Rafael Kubelik, Sir Georg Solti, George Szell, Carlos

                                29
Kleiber, Leonard Bernstein, Sir Colin Davis, Kurt Sanderling, Kirill
Kondrashian, Carlo Maria Giulini, Kurt Masur, Lorin Maazel,
Zubin Mehta und, als Ehrengastdirigent, Nikolaus Harnoncourt.
Während der 50-jährigen Leitung Willem Mengelbergs diri-
gierten auch Komponisten wie Richard Strauss, Gustav Mahler,
Claude Debussy und Igor Strawinsky das Orchester. Béla Bartók,
Sergej Rachmaninow und Sergej Prokofjew führten ihre eigenen
Werke als Solisten auf. Eine enge Zusammenarbeit des Orches-
ters bestand bzw. besteht zudem mit Komponisten wie Bruno
Maderna, Edgard Varese, Luciano Berio, Witold Lutosławski,
Luigi Nono, Pierre Boulez, Hans Werner Henze, John Adams,
George Benjamin, Oliver Knussen und Tan Dun sowie mit den
drei »Hauskomponisten« des Orchesters Michel van der Aa, Det-
lev Glanert und Richard Rijnvos.

Internationale Anerkennung bekam das Königliche Concertge-
bouworchester vor allem für seine Interpretationen des spätro-
mantischen Repertoires. Seine Mahler-Tradition, begründet in
zahlreichen Aufführungen, die der Komponist selbst geleitet hat,
erlebte großartige Höhepunkte bei den Mahler-Festspielen von
1920 bis 1995 sowie beim jüngsten Mahler-Projekt (2009 – 2011).
Nach dem Zweiten Weltkrieg rückte Eduard van Beinum u. a. die
Bruckner-Sinfonien ins Zentrum des Repertoires. Neben rund 80
Konzerten im Amsterdamer Concertgebouw gibt das Königliche
Concertgebouworchester Amsterdam jährlich etwa 40 Konzerte
in führenden Konzerthäusern in der ganzen Welt. Mit Residenzen
ist das Orchester in Paris (Salle Pleyel), Brüssel (BOZAR) und Lon-
don (Barbican Centre) vertreten.

Inzwischen liegen über 1100 Platten- und CD-Einspielungen des
Königlichen Concertgebouworchesters Amsterdam vor, von denen
viele mit internationalen Preisen und Auszeichnungen bedacht
wurden. Zahlreiche Einspielungen sind auch bei dem hauseige-
nen Label RCO Live erschienen. Große Aufmerksamkeit erhielt die
vollständige Einspielung der Mahler-Sinfonien unter Bernard Hai-
tink. Riccardo Chailly setzte diese Mahler-Bruckner-Tradition fort.

In der Kölner Philharmonie war das Königliche Concertgebouw­
orchester zuletzt im März dieses Jahres unter der Leitung von
Myung-Whun Chung zu hören.

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