Li-Bai-Vertonungen in der Schweiz - Heinrich Aerni - HKB Interpretation
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Heinrich Aerni Li-Bai-Vertonungen in der Schweiz Li Bai Settings in Switzerland Chinese poetry became fashionable in Europe towards the end of the eighteenth century. One of the most popular poets was Li Bai, whose poems have been set to music by up to 400 composers worldwide. The German-speaking world saw a disproportionately high number of settings of his work, thanks to the translations by Hans Bethge and Alfred Henschke alias Klabund, who were very popular poets in the early decades of the twentieth century. While composers were happy to set Bethge’s and Klabund’s versions of Chinese poetry to music, in- tellectuals considered their work to be both eclectic and a dubious instance of appropriating foreign verse. German-speaking Switzerland saw 25 Li Bai settings, whereas there were only two in French Switzerland, and none in the Italian or Romansh areas. Our in-depth analysis fo- cusses on Li Bai settings by nine Swiss composers from 1907 to 1942, who represent the broad- est possible range of artistic, social and political backgrounds: among others a reclusive com- poser, a highly acknowledged conductor, a theatre musician, a bold amateur, an old-fashioned amateur and two directors of private conservatories. Their styles vary from the Impressionist to the Expressionistic, from the theatrical to the post-Romantic and even atonal; some of them also toy with exoticisms and “Chinese” clichés such as fourth chords and pentatonic scales. Vermutlich ist kaum ein Dichter im 20. Jahrhundert von Komponistinnen und Komponisten gegensätzlicherer politischer und künstlerischer Orientierung vertont worden als Li Bai. Zu den ersten im deutschsprachigen Raum gehörte der Schweizer Komponist Othmar Schoeck mit dem Lied »In der Herberge« aus den Drei Liedern für tiefere Stimme op. 7 aus dem Jahr 1907. Seine größten Erfolge sollte Schoeck spä- ter zwischen 1933 und 1945 im nationalsozialistischen Deutschland feiern, so 1943 mit der Berliner Uraufführung seiner Oper Das Schloss Dürande op. 53, gesetzt auf ein Textbuch des NSDAP-Mitgliedes1 Hermann Burte. Zu diesem Zeitpunkt hatte die deutsch-jüdische Komponistin Maria Herz im englischen Exil bereits aufgehört zu komponieren. Auch sie hatte um 1922 mit ihren Sechs Liedern aus der chinesi schen Flöte Li Bai vertont, gleichzeitig aber auch Pfade zur Welt und Verweilen um Mitternacht des sozialistischen Dichters Ernst Toller, der zu diesem Zeitpunkt we- gen Mitwirkung an der Münchner Räterepublik in politischer Haft saß. DOI: 10.26045/po-013 1 Vgl. dazu Kathrin Peters: Hermann Burte – der Alemanne, in: Dichter für das »Dritte Reich«. Biografische Studien zum Verhältnis von Literatur und Ideologie. 10 Autorenporträts, hg. von Rolf Düsterberg, Bielefeld: Aisthesis, 2009, S. 19–47, hier S. 36. 259
Li Bai zu vertonen – oder Li-Tai-Pe, wie er meist genannt wurde – war seit dem frühen 20. Jahrhundert vor allem im deutsch- und englischsprachigen Raum ver- breitet. Weit über 100 Komponistinnen und Komponisten allein im deutschen Sprachraum lassen sich bis zum heutigen Tag aufzählen. Der berühmteste war Gustav Mahler mit seinem 1908–1909 komponierten sinfonischen Orchesterlied- zyklus Das Lied von der Erde. Die Häufigkeit der Vertonung von Li Bais Lyrik im 20. Jahrhundert grenzt ans Inflationäre. Sein Name scheint in der Masse und Mannigfaltigkeit ›seiner‹ Kompo- nisten zu verblassen und gar zu verschwinden. Damit wird er zur perfekten Chiff- re für das Liedschaffen in seiner ganzen Breite und bietet so die seltene Gelegen- heit, ein Stück musikalische Alltagsgeschichte im 20. Jahrhundert zu schreiben. Dass dazu ausschließlich Li Bais Dichtungen dienen und nicht etwa die Gesamtheit der Übertragungen und Übersetzungen chinesischer Lyrik im 20. Jahrhundert, hat mehrere Gründe. So bildet Li Bai die Hauptfigur im vorliegenden Sammelband. Da- rüber hinaus bietet er Gelegenheit, in der Masse an Vertonungen chinesischer Lyrik eine Auswahl zu treffen. Im Folgenden geht es zunächst darum, die Li-Bai-Vertonungen in der Schweiz genauer zu untersuchen. Zu diesem Zweck soll die Rezeption des Dichters im deutschsprachigen Raum zur Sprache kommen. Daraufhin gilt die Aufmerksam- keit den Vertonungen in der Schweiz, deren Gesamtschau aber nur vor dem Hin- tergrund der entsprechenden Produktion im gesamten deutschsprachigen Raum sinnvoll ist. Schließlich werden ausgewählte Werke im Hinblick auf die komposito- rischen Strategien genauer untersucht. Die Li-Bai-Rezeption im deutschsprachigen Raum Um die Wende zum 20. Jahrhundert wurde Deutschland von einer Chinabegeiste- rung erfasst. Diese äußerte sich unter anderem in der Nachdichtung chinesischer Lyrik. So erschienen 1899 Alfred Forkes Blüthen chinesischer Dichtung2 im Druck. 1905 folgte Hans Heilmanns Chinesische Lyrik3, 1906 Otto Hausers Li-Tai-Po4 und schließlich 1907 Hans Bethges Chinesische Flöte5, die größte Verbreitung fand und »auf dem Tee- oder Nachttisch jeder schwärmerischen jungen Dame« lag.6 Ebenso großen Einfluss zeitigten die Übertragungen Alfred Henschkes, berühmt geworden unter dem Pseudonym Klabund, der 1915 mit entsprechenden Gedichtbändchen an 2 Alfred Forke: Blüthen chinesischer Dichtung. Aus der Zeit der Han- und Sechs-Dynastie, Magdeburg: Faber, 1899. 3 Hans Heilmann: Chinesische Lyrik vom 12. Jahrhundert v. Chr. bis zur Gegenwart, München/ Leipzig: Piper, 1905 (Die Fruchtschale, Bd. 1). 4 Otto Hauser: Gedichte. Li-Tai-Po, Berlin u. a.: Duncker, 1911 (Aus fremden Gärten, Bd. 1). 5 Hans Bethge: Chinesische Flöte, Leipzig: Insel-Verlag, 1907. 6 Carl Zuckmayer: Als wär’s ein Stück von mir. Horen der Freundschaft, Frankfurt a. M.: S. Fischer, 1997 (Gesammelte Werke in Einzelbänden, Bd. 15), S. 201. 260
die Öffentlichkeit trat: Dumpfe Trommel und berauschtes Gong7 und Li-tai-pe8. Wäh- rend mit Forke noch ein Sinologe als Verfasser aufgetreten war, verfügten weder Bethge noch Klabund über Kenntnisse im Bereich der chinesischen Sprachen. Sie stützten sich auf deutsch-, französisch- und englischsprachige Übersetzungen und Nachdichtungen. Worin gründete also diese Begeisterung? Hans Heilmann (1859–1930), Kunstgelehrter und mit den originalen Vorlagen vertraut, zeichnete 1905 in der Einleitung (S. V–LVI) zu seiner Chinesischen Lyrik ein China- und namentlich ein Li-Bai-Bild, das für seine Zeit repräsentativ ist und bis nach dem Zweiten Weltkrieg verbreitet bleiben sollte. Das Neuartige bestand in einem Exotismus, der sich auf Authentizität beruft: Die politisch-literarische Konjunktur hat wohl eine ganze Menge von Büchern über China hervorgebracht, aber soweit diese populär sind, neigen sie dazu, alles Chinesische von dem Gesichtspunkte des Euro- päers zu betrachten, alles mit seinem Maß und Gewicht zu messen, statt Menschen und Dinge nach ihrem autochthonen Geist und Kul- turwert verstehen zu wollen, d. h. nach Anschauungen und Begriffen, die in allen Hauptsachen von dem Geist und der Kultur des Abend- landes fundamental verschieden sind. Bei allen Urteilen über das so- ziale, intellektuelle und seelische Leben des Chinesen müssen wir uns diese Wesensverschiedenheit vor Augen halten. Wir dürfen auch nie vergessen, daß das Reich der Mitte sich bereits eine hohe Kultur ge- schaffen hatte, als unsere Vorfahren noch in den Urwäldern Eicheln aßen. Und daß es diese Kultur allein aus sich selbst hervorgebracht hat, während sämtliche Völker des Westens die ihre zum großen Teil fremden Elementen verdanken.9 Diese kategorische Fremdheit bot womöglich eine Projektionsfläche für die Sehn- süchte der europäischen Menschen, die angesichts der Industrialisierung und der einsetzenden Moderne verunsichert waren. Heilmann verknüpft bei seinem mehrseitigen Porträt Li Bais, dem er am meisten Platz einräumt, dieses idealisier- te China-Bild mit einem anderen, längst bekannten: dem des romantischen, »ewig trunkenen« (Klabund)10 Künstlers, der abseits der Gesellschaft »ein wildes Herum- treiberleben«11 führt und im (Alkohol-)Rausch geniale Lyrik schafft.12 »Li-Tai-Pe sucht«, so Heilmann, »die weltschmerzliche Melancholie, die den Grundton« sei- 7 Klabund: Dumpfe Trommel und berauschtes Gong. Nachdichtungen chinesischer Kriegslyrik, Leipzig: Insel-Verlag, 1915. 8 Klabund: Li-tai-pe. Nachdichtungen, Leipzig: Insel-Verlag, 1915. 9 Heilmann: Chinesische Lyrik, S. V–VI. 10 Klabund: Li-tai-pe, S. 47. 11 Heilmann: Chinesische Lyrik, S. XXXVIII. 12 Ebd., S. XXXVI–XXXVIII. 261
ner »Poesie bildet«, »im Taumel der Genüsse, der Trunkenheit zu betäuben. Er re- präsentiert eine seltsame Mischung von Leichtsinn und Schwermut, die sich aus Elementen des chinesischen Volkscharakters zusammensetzt, in reinster Kultur.«13 Selbst nach dem Zweiten Weltkrieg hatte Li Bai noch nichts von seiner Ideali- sierung eingebüßt, als der Kunsthistoriker und Astrologe Erich von Beckerath in seinem Bändchen Balladen um Li-Tai-Pe14 von 1947 die Universalität des Dichters pries (»Jedermann in China kennt die Verse des Li Tai-Pe«)15 und das wohl eingän- gigste Rezeptionsmerkmal hervorhob, den Alkoholismus: »Li Tai-Pe ist der große Dichter des Rausches, der seine herrlichsten Werke im Rausch geschaffen hat.«16 Ist es die auf über 1000 Jahre entrückte Verruchtheit, welche die Komponistin- nen und Komponisten, Vertreter der bürgerlichsten aller Künste und tugendhaf- testen aller sozialen Gruppen, dazu veranlasste, Li Bai zu vertonen? Indessen, von Literatenseite sah man diese Praxis kritisch, am prominesteten bei Gustav Mahlers Lied von der Erde. So war wohl der Jurist und Literaturwissenschaftler Hans Mayer (1907–2001) nicht allein mit seinem Urteil: Ärger beinahe ist die literarische Verwirrung im »Lied von der Erde«: chinesische Lyrik, die keine ist, sondern inzwischen längst als mittel- mäßiges Kunstgewerbe Hans Bethges erkannt wurde, als eine Poesie der exotischen Zutaten wie Jade und Pagode, weltenfern aller fernöst- lichen Überlieferung, um so näher verwandt aber einem zweitrangi- gen Jugendstil.17 Mit Mayer spricht damit der aufgeklärte Intellektuelle, der, stets am Puls der Zeit, diese Übertragungspraxis als zweitklassige Kunst zu entlarven weiß. Wie so oft in der Musikgeschichte sind es aber auch hier die Affekte und Stimmungen und nicht die literarische Qualität an sich, welche die Komponistinnen und Komponisten dazu veranlasst haben, Verse zu vertonen. Vertonungen in der Schweiz Die Liste aller Vertonungen von Übersetzungen und Übertragungen von Dichtungen Li Bais enthält – Stand September 2020 – über 420 Werke von über 360 Komponistin- nen und Komponisten, wobei etwa 10 % davon mehr als ein Werk auf Vorlagen Li Bais 13 Ebd., S. XLIV. 14 Erich von Beckerath: Balladen um Li Tai-Pe, Lorch/Stuttgart: Bürger-Verlag, 1947. 15 Ebd., S. 5. 16 Ebd., S. 7. 17 Hans Mayer: Musik und Literatur, in: Arnold Schönberg, Ernst Bloch, Otto Klemperer, Erwin Ratz, Hans Mayer, Dieter Schnebel, Theodor W. Adorno über Gustav Mahler, Tübingen: Rainer Wunderlich, 1966, S. 142–156, hier S. 144. 262
geschaffen haben.18 Die frühesten Beispiele stammen allesamt aus Frankreich, da dort schon früher entsprechende Übersetzungen vorlagen. Im deutschsprachigen Raum ste- hen Gustav Mahler und Othmar Schoeck im Jahr 1907 am Beginn dieser neuen Mode. Bis in die Gegenwart hinein sind aber Komponistennamen, die man noch kennt, in der Minderheit. In der Zeit um den Ersten Weltkrieg sind es Egon Wellesz (1913: Lieder aus der Fremde op. 15), Anton von Webern (1915 und 1917: Vier Lieder op. 12 bzw. op. 13), Bohuslav Martinů (1918: Kouzelné noci) und Hanns Eisler (1919: Drei Lieder für eine mittlere Stimme und Kammerorchester). Alle vier waren noch unter 30 Jahre alt, Eisler gar erst 19; seine Drei Lieder wurden bis heute nicht gedruckt. Bis zum Zweiten Weltkrieg sind es insgesamt rund 150 Werke weitgehend wenig bekannter Komponisten; Rudolf Wagner-Régeny (1921: Lieder der Frühe), Ernst Toch (1922: Die chinesische Flöte op. 29) und Harry Partch (1930–1933: Seventeen Lyrics by Li Po) zählen noch zu den namhaf- teren. Unmittelbar nach dem Krieg nahmen sich junge Komponisten der Stoffe an, die bald zu zentralen Figuren der Neuen Musik werden sollten: Friedrich Cerha (zwischen 1945 und 1947: Sechs Lieder für Singstimme und Klavier), Günter Bialas (1946: Drei Ge- sänge) und Bernd Alois Zimmermann (1946: Fünf Lieder). Bei über 90 Prozent handelt es sich um eher unbekannte Namen. Deshalb sind auch weniger als die Hälfte aller Werke je im Druck erschienen, der Rest liegt als Manuskript vor. Es ist anzunehmen, dass Dutzende weiterer Handschriften mit Li-Bai-Vertonungen noch unentdeckt in Archiven und auf Dachböden schlum- mern, oder aber sie sind bereits verschollen. In der Liste befinden sich auch folgende 27 Komponisten aus der Schweiz.19 Name Werk/Besetzung Jahr Othmar Schoeck Drei Lieder für tiefere Stimme und Klavier op. 7 1907 (1886–1957) Heinrich von Waldkirch Sechs Gesänge Li-tai-pe’s op. 18 (Singstimme, ca. 1915 (1898–vor 1982) Klavier oder Streichorchester) Max Ettinger Drei Lieder aus dem Chinesischen op. 16 ca. 1920 (1874–1951) Traumbilder. 3 Lieder ohne Worte für großes undatiert Orchester op. 31 [Zwei Lieder nach Li-tai-pe] (Singstimme, 1939 Klavier) 18 Vgl. www.hkb-interpretation.ch/li-bai (Zugriff am 21.09.2020). 19 In die Zählung sind neben den gebürtigen Schweizern auch Komponisten aus anderen Län- dern eingeschlossen, die im Lauf ihres Lebens in die Schweiz gezogen sind, dort gewirkt und auch dort eine Li-Bai-Vertonung komponiert haben. Aus letzterem Grund ist eine namhafte Komponistin nicht vertreten, die Polin Bettina Skrzypczak (*1963), die das Li-Bai-Werk Mi- roirs im Jahr 2000 komponiert hat, aber erst 2002 in der Schweiz zu wirken begann. 263
Emil Anner (1870–1925) Drei Lieder von Li-Tai-Pe op. 7 (Singstimme, 1921 Klavier) Jan Adriaan Stuten Frühling. Sechs Lieder für hohen Sopran und ab 1922 (1890–1948) Kammerorchester aus »Chinesisch-deutsche Jah- res- & Tageszeiten« Pierre Maurice Sept poésies chinoises op. 36 ab 1920 (1868–1936) Werner Kruse Musik nach Li-tai-pe (2 Klaviere) ca. 1926 (1910–2005) [3 Lieder] (Singstimme, Klavier) 1929 Carl Füglistaller Fünf Lieder nach alten chinesischen Dichtungen 1927 (1872–1956) op. 5 (Singstimme, Klavier) Emil Staiger (1908–1987) Der Silberreiher (Singstimme, Klavier) ca. 1930 Wanderer in der Herberge (Singstimme, ca. 1936 Klavier) Volkmar Andreae Li-tai-pe. Acht chinesische Gesänge für eine ca. 1931 (1879–1962) Tenorstimme und Orchester op. 37 Alfredo Cairati Lied auf dem Flusse (Ditirambo cinese) 1931 (1875–1960) Albert Moeschinger Vier Lieder für hohe Stimme und Streichquar- 1934 (1897–1985) tett MWV 90 Oskar Ulmer Fluch des Krieges op. 34 (erste Fassung) 1934 (1883–1966) Fluch des Krieges op. 51 (zweite Fassung) 1946 José Berr (1874–1947) Lieder aus der »Chinesischen Flöte« op. 100 1936 (Gemischter Chor, Klavier ad libitum) Die rote Rose (Singstimme, Orchester oder 1942 Klavier) Niklaus Aeschbacher 3 Gesänge (Sopran, Violine, Klavier) 1936 (1917–1995) Alfred Keller (1907–1987) Vier Männerchöre 1937 Johannes Zentner Die chinesische Flöte. Chor-Suite mit Solo Flöte ca. 1937 (1903–1989) (Gemischter Chor, Flöte) Rolf Liebermann Chinesische Liebeslieder (Hohe Singstimme, 1945 (1910–1999) Harfe, Streichorchester) Willy Grimm 4 Lieder für Bass-Stimme und Klavier op. 3 1957 (1913–2010) Caspar Diethelm Notturno. 5 Lieder für Sopran und Klavier 1958 (1926–1997) Ernst Pfiffner Kantate über die Weltzeit. Nach chinesischen 1960 (1922–2011) Gedichten (Bariton, Schlagzeug, Klavier) 264
Monologe über Frieden und Krieg (Sprech- 1983 stimme, Streichquartett) Rudolf Kelterborn Cantata profana (Bariton, Gemischter Chor, 1960 (*1931) 13 Instrumente) Rolf Urs Ringger 4 Lieder (Sopran, 8 Instrumente) 1960 (1935–2019) Benno Ammann Tre canti (Sopran, Flöte, Schlagzeug) 1970 (1904–1986) René Armbruster Drei Miniaturen nach chinesischen Gedichten 1972 (1931–1991) Ernst Levy (1895–1981) Li T’ai Po’s answer (Tenor, Streicher, Flöte) 1979 Pierre Chatton Boire seul, sous la lune (Gemischter Chor) 2002 (1924–2019) Tab. 1: Werke mit Li-Bai-Vertonungen von Schweizer Komponisten, geordnet nach der ersten Beschäftigung mit Li Bai Zunächst sticht ins Auge, wie früh Othmar Schoeck »In der Herberge« für seine Drei Lieder op. 7 komponiert hat: 1907, in Leipzig, noch auf der Vorlage von Hans Heilmanns Chinesischer Lyrik (1905). Im selben Jahr, 1907, wurde dasjenige Bänd- chen veröffentlicht, das die ganze Welle im deutschsprachigen Raum erst auslöste: Hans Bethges Chinesische Flöte. Die meisten Werke (18) sind zwischen den Weltkriegen entstanden. Sie stam- men von Komponisten verschiedenster Prägung – vom Liebhaberkomponisten Heinrich von Waldkirch über den versierten Opernkomponisten Max Ettinger, der aus Österreich stammte, und den späteren Kabarett- und Filmkomponisten Max Kruse bis hin zu Volkmar Andreae, dem wohl mächtigsten Musiker im Deutsch- schweizer Land zwischen den Kriegen, und schließlich Albert Moeschinger, dem heute renommiertesten Komponisten dieser Zeit. Für den Abschnitt nach dem Zweiten Weltkrieg liest sich die Liste anders, ähn- lich wie oben im Überblick über den gesamten deutschsprachigen Raum. Sie ist glei- chermaßen durchsetzt mit Namen, welche die Neue Musik mitgeprägt haben, wie Caspar Diethelm, Rudolf Kelterborn, Rolf Urs Ringger und Benno Ammann. Am Beginn steht freilich wie außer Konkurrenz Rolf Liebermann, als Komponist ob sei- ner kreativen Leichtigkeit fast ebenso legendär wie als Theaterintendant. Einzelne Beispiele Eine dichtere Beschreibung einzelner Werke beschränkt sich nun auf die Zeit bis zum Zweiten Weltkrieg, da hier stilistische Parameter noch einheitlicher ausfallen und die Werke sich dadurch besser vergleichen lassen. Die Auswahl erfolgt nach dem Kriterium der Repräsentativität, wonach also ein Komponist aufgrund sei- ner Biografie für eine bestimmte künstlerische, soziale oder politische Position und Grundhaltung steht. 265
Name Werk Tonart Stil, Funktion Schoeck In der Herberge (1907) h-Moll Rückungen, illustrierend, wie Stummfilmmusik von Waldkirch Der Silberreiher (ca. 1915) C-Dur Impressionistisch, Dreiklän- ge mit Sexten, eigenständig, expressive Melodik Der Tshao-yang-Palast im e-Moll Quarten, Rückungen Frühling (ca. 1915) Kruse Musik nach Li-tai-pe E-Dur Expressiv, Quartklänge (2 Klaviere; ca. 1926) Einsamkeit zur Nacht (ca. es-Moll Expressiv, motorisch, theatra- 1929) lisch; gesprochene Abschnitte Die junge Frau steht auf a-Moll Expressiv, chromatisch, dem Warteturm (ca. 1929) Quartklänge; auch Sprech- gesang Schenke im Frühling a-Moll Quartklänge (pseudochine- (1929) sisch) Staiger Der Silberreiher (ca. 1930) e-Moll Im Gestus eines Trauermar- sches, Harmonik von 1850 Andreae Li-tai-pe (ca. 1931) - 1. Das Lied vom Kummer Opernhaft, modal, pentato- nisch, Quartklänge 2. Wanderer erwacht in Rückungen, sphärisch der Herberge 3. Der Fischer im Frühling Impressionistisch, flimmernd 4. Am Ufer des Yo-Yeh Grotesk, klassizistisch 5. Si-schy Straussisch, opernhaft 6. Der Tanz auf der Wolke Pentatonisch, Ganztonreihen 7. Abschied Stilpluralismus, quasi Sym- phonische Dichtung mit Text 8. Der Silberreiher Pentatonisch, Wagnerisch Cairati Lied auf dem Flusse / G Pentatonisch, Quartklänge Ditirambo cinese (1931) Ulmer Fluch des Krieges b-Moll Repetitiv, nüchtern, mar- (1934/1946) tialisch; Dreiklänge mit Tritonusanreicherung; groß, ambitiös 266
Berr Liebestrunken (1936) G-Dur Tonal, Ganztonleitern, Quart- klänge; konventionell, ange- strengt modern Die rote Rose (1942) Des-Dur dito Zentner Die chinesische Flöte - (ca. 1937) 1. Der Tanz der Götter Impressionistisch 2. Am Ufer Quartmelodik, chromatischer Chorsatz 6. In der Fremde Expressive Melodik, chroma- tische, dissonante Harmonik Tab. 2: Ausgewählte Werke mit Li-Bai-Vertonungen20 Othmar Schoeck: In der Herberge op. 7/3 Am Anfang steht Othmar Schoeck. Sein Name überstrahlte in der Zeit bis zum Zwei- ten Weltkrieg alle anderen Komponisten in der Deutschschweiz. Entstanden 1907, in der Studienzeit in Leipzig, ist dem Werk eine gewisse Ambivalenz noch eigen. So dringt bei diesem dritten von drei Liedern, die in einem schweren Brahms’schen Gestus gehalten sind, der Hang zur Illustrierung durch – einer Verspieltheit, die mit der Schwere kontrastiert und sich bei Schoeck später nicht mehr findet. Namentlich die leierkastenartigen Mittelstimmen weisen auf die Stummfilmmusik der Zwanzi- gerjahre voraus (Notenbeispiel 1, Takte 1–3), ohne etwa ein Chinaklischee zu bedie- nen, wie es in nachfolgenden Beispielen noch anzutreffen sein wird. Schoeck erweist dem ›Chinesischen‹ lediglich Reverenz, indem er im Klaviernachspiel in der oberen Mittelstimme ein Zitat des chinesischen Volksliedes Mo Li Hua mit einflicht (Tak- te 16–19, Klavier, rechte Hand, untere Stimme). Heinrich von Waldkirch: Sechs Gesänge Li-tai-pe’s op. 18 Einen anderen Weg wählte Heinrich von Waldkirch (1898–vor 1982), der eigenstän- dig komponierte, was umso bemerkenswerter ist, als sein Hauptberuf Arzt war. Ein Tonsatz, Dreiklänge durch Sexten angereichert, entsprechend der relativen Unge- übtheit in der Streichorchesterfassung einfach gehalten, kontrastiert mit einer ex- pressiven Melodik in der Gesangsstimme (Notenbeispiel 2, Takte 1–3). Die Exotisie- rung tritt auch bei von Waldkirch hervor, mittels Quartklängen, die an eine chinesische Klanglichkeit gemahnen sollen, sowie durch Rückungen – ein beliebtes Mittel in der Zeit, um ihm Rahmen der Tonalität eine gewisse Distanz zur ange- stammten Harmonik zu erzeugen. 20 Ein ausführliches Verzeichnis der erwähnten Werke findet sich am Ende des Artikels. 267
Notenbeispiel 1: Othmar Schoeck: In der Herberge op. 7/3 Werner Kruse: Klavier- und Vokalwerke nach Li Bai Der originellste unter den hier Porträtierten ist Werner Kruse (1910–2005). Zeit seines Lebens zwischen Unterhaltungs- und Kunstmusik unterwegs, schrieb er in den 1930er und 1940er Jahren unter anderem Musik für die legendären Zürcher Kabaretts Pfeffermühle und Cornichon. Geschliffenes Handwerk und Leichtigkeit im Einfall manifestieren sich schon in den vorliegenden Jugendwerken. Kruse, der bereits im Alter von circa 16 Jahren eine Musik nach Li-tai-pe für zwei Klaviere kom- 268
Notenbeispiel 2: Heinrich von Waldkirch: Der Silberreiher op. 18/1 (Beginn) poniert hatte, wandte sich drei Jahre später in drei Klavierliedern erneut dem Dich- ter Li Bai zu. Seine Merkmale sind eine expressive Melodik, die gelegentlich nicht ohne die exotisierenden Quartklänge auskommt, ferner eine mitunter motorische Rhythmik, welche die Theaterpraxis vorwegzunehmen scheint, sowie – ganz schon Bühnenluft – Passagen mit notiertem Sprechgesang oder aber, wie in Einsamkeit zur Nacht, gänzlich in der Art eines Melodrams gesprochen (Notenbeispiel 3, Tak- te 11–12). Notenbeispiel 3: Werner Kruse: Einsamkeit zur Nacht, Takte 10–12 Emil Staiger: Der Silberreiher Das Gegenstück dazu bildet der Nachfolgende: Emil Staiger (1908–1987), ab 1943 gefeierter Professor für Germanistik an der Universität Zürich, nach dem Zürcher Literaturstreit von 1966 allerdings mit angeschlagenem Ruf. Dass sich Staiger, emi- nenter Vertreter der Hochkultur und 1932–1934 als Mitglied der Schweizer Partei »Nationale Front« auch in Fühlung mit dem kulturpolitischen Gedankengut der Na- tionalsozialisten, im Jahr 1930 ebenfalls einer Li Bai-Übertragung zuwandte, zeigt, wie eingangs anhand von Othmar Schoeck und Maria Herz schon skizziert, wie sehr Künstler der entferntesten (kultur)politischen Lager den Zugang zu Li Bai fanden. Das Ergebnis des 22-jährigen Liebhaberkomponisten indessen fällt ernüchternd 269
Notenbeispiel 4: Emil Staiger: Der Silberreiher (Beginn) aus: Es kommt über die Harmonik von Brahms’ Jugendzeit nicht hinaus. Im Gestus eines Trauermarsches schreitet ›sein‹ Silberreiher, der Akkord für Akkord am Kla- vier ersonnen scheint (Notenbeispiel 4, Takte 1–4). Volkmar Andreae: Li-tai-pe. Acht chinesische Gesänge für eine Tenorstimme und Orchester op. 37 Ebenso etabliert im bürgerlichen Leben von Zürich wie Emil Staiger war Volkmar Andreae (1879–1962). 1906–1949 leitete er die Sinfoniekonzerte der Tonhalle-Ge- sellschaft Zürich und 1914–1941 zudem als Direktor das Konservatorium.21 Ne- ben dieser Ämterkumulation fand Andreae Zeit zum Komponieren. Und da er – in höchsten Ämtern und Würden – sich darauf verlassen konnte, seine Werke dru- cken lassen zu können, schrieb er einen Zyklus von nicht weniger als acht Orches- terliedern, die gar den Namen des Dichters als Titel tragen: Li-tai-pe. Das Werk ist ein Musterbeispiel für Andreaes raffinierte Kompositionskunst. Mit einem Hang zur französischen Klanglichkeit weiß dieser in allen Parametern das Ebenmaß zu wahren. Er bedient das Opernhafte (I), das Groteske (Notenbeispiel 5, Takte 1–4) und das Klassizistische (IV), gebärdet sich straussisch (V) und kommt nicht umhin, Notenbeispiel 5: Volkmar Andreae: »Am Ufer des Yo-Yeh« op. 37/4 (Klavierauszug, Beginn) 21 Vgl. etwa Hans Ehinger: Andreae, Volkmar, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, hg. von Friedrich Blume, Kassel 1949–1951, Bd. 1, Sp. 461 f. 270
mittels Pentatonik (I, VI, VIII) und Rückungen (II) auch das Exotische zu suchen. Andreae weiß musikantisch zu schreiben, ohne zu banalisieren. Alfredo Cairati: Lied auf dem Flusse Der aus Italien stammende Gesangspädagoge und Komponist Alfredo Cairati (1875–1960) gründete 1916 in Zürich die private Opernschule »Accademia di Can- to«; ab 1922 unterrichtete er zusätzlich in Stuttgart, wo er 1925 den Musikverlag Edition Euterpe gründete.22 Entgegen Cairatis erstklassigem künstlerischen Ruf als Gesangspädagoge ist sein Lied auf dem Flusse (italienisch: Ditirambo cinese) ein Bei- spiel für die Anhäufung von Klischees (Pentatonik, Quartklänge [Notenbeispiel 6, Takte 1–4]), mit denen ein Exotismus beschworen werden soll. Notenbeispiel 6: Alfredo Cairati: Lied auf dem Flusse (Beginn) Oskar Ulmer: Fluch des Krieges op. 34 und op. 51 In jeder Hinsicht ein Gegenbeispiel zu Volkmar Andreaes vor Selbstbewusstsein strotzendem Acht-Nummern-Zyklus ist Fluch des Krieges von Oskar Ulmer (1883– 1966). Ulmer stammte aus Karlsruhe, hatte sich aber schon früh auf der Schwei- zer Seite des Bodensees niedergelassen.23 1934 war eine erste Fassung von Fluch des Krieges entstanden, als Reaktion auf die Zeichen der Zeit wohl, eine zweite schuf Ulmer 1946, im Anschluss an den Wirklichkeit gewordenen Krieg. Waren es bei Andreae acht Nummern gewesen, die dieser wohl im besten Sinne als Art pour l’art verstanden haben wollte, ist es hier eine einzige – Aussicht auf Drucklegung bestand bei Ulmer so gut wie nie –, die Li Bai in eminentem Maß als politischen Dichter zu vereinnahmen sucht. Es ist martialische Musik mit repetitiver Rhythmik, durch Zu- rücknahme der Dynamik ins Sachliche sublimiert (Notenbeispiel 7, Takt 31), womit Ulmer gekonnt einen Antikriegsgestus zu evozieren weiß. 22 Einen stichwortartigen Überblick zu Alfredo Cairatis Leben und Wirken gibt das Deutsche Musiker-Lexikon, hg. von Erich Hermann Müller von Asow, Dresden 1929, S. 188. 23 Eine ausführliche, unpublizierte Lebensbeschreibung zu Oskar Ulmer aus dem Jahr 1999, ver- fasst durch Ulmers Sohn Till Ulmer und dessen Ehefrau Christa Ulmer, findet sich in Oskar Ulmers Nachlass in der Zentralbibliothek Zürich, Signatur: Mus NL 63: G 8: 2. 271
Notenbeispiel 7: Oskar Ulmer: Fluch des Krieges op. 51, Takte 30–31 (Klavierauszug, Beginn der Gesangspartie) José Berr: Liebestrunken op. 100/2 und Die rote Rose op. 76 Wie Alfredo Cairati leitete der aus Bayern stammende José Berr (1874–1947) in Zürich von 1913 bis 1944 sein privates Konservatorium: »José Berr’s Conservatori- um«.24 Daneben schuf er ein kompositorisches Œuvre, in dem auch zwei Li-Bai-Ver- tonungen aufscheinen, Die rote Rose und Liebestrunken, letzteres wohl ursprünglich gesetzt für gemischten Chor und Klavier ad libitum. Diese Lieder erscheinen in ei- nem angestrengt modernen Kleid und sind doch bis auf Staigers Silberreiher so kon- ventionell wie kein anderes Werk in diesem Überblick (Notenbeispiel 8, Takte 1–3). Die üblichen Ingredienzien Quartklang und Ganztonleiter sollen exotisieren; in der Chorfassung sind die an sich einfachen Quartverschiebungen für einen Laienchor im Übrigen ein delikates Unterfangen. Notenbeispiel 8: José Berr: Liebestrunken op. 100/2 (Klavierauszug, Beginn) 24 Knappe Angaben zu José Berrs Leben und Wirken liefert das Deutsche Theater-Lexikon, hg. von Wilhelm Kosch, Berlin 1953, Bd. 1, S. 131. 272
Johannes Zentner: Die chinesische Flöte. Chor-Suite mit Solo Flöte In jeder Hinsicht eine Überraschung und Entdeckung stellt abschließend Johannes Zentners schon äußerlich originell für gemischten Chor a cappella und Flöte an- gelegte Suite Die chinesische Flöte dar, die wohl Ende der 1930er Jahre entstanden ist. Zentner, die meiste Zeit seines Lebens in Schaffhausen tätig, hatte einst un- ter anderem bei Hermann Scherchen studiert.25 Entsprechend diesem progressiven Lehrmeister weist das Werk Qualitäten auf, die mit keiner anderen der hier unter- suchten Kompositionen zu vergleichen sind. Der Flötenpart fordert professionelles Spielniveau und gemahnt in der Melodik an französische Vorbilder, ist aber trotz exotisierender Anklänge in seiner Expressivität vollkommen eigenständig. Der Chorsatz dagegen ist wohl für Laien gedacht, hat es aber in sich. Überraschend ist die Art der Dissonanzen im Chorsatz, die dadurch zustande kommen, dass die an sich linear geführten Einzelstimmen in ihrer Chromatik den Tonraum beinahe so vollständig abdecken, wie es bei der Zwölftontechnik der Fall ist (Notenbeispiel 9). Notenbeispiel 9: Johannes Zentner: Die chinesische Flöte. Chor-Suite mit Solo Flöte, VI. »In der Fremde«, Takte 7–8 25 Zu Johannes Zentners Biografie s. Neue Schweizer Biographie, hg. von Albert Bruckner, Basel 1938, S. 594. 273
Anhang: Ausführliches Verzeichnis der erwähnten Werke Jahr 1907 Komponist Othmar Schoeck (1886–1957) Titel Drei Lieder für tiefere Stimme op. 7 [Enthält] 1. Bei der Kirche (Armin Rüeger) 2. Septembermorgen (Eduard Mörike) 3. In der Herberge (»Li-Tai-Pe [702–763] [aus dem Schi-King]«) Besetzung Singstimme, Klavier Vorlage (Nr. 3) Hans Heilmann: Chinesische Lyrik (1905) Komposition Nr. 1: Brunnen, 1905 Nr. 2: Zürich, 1905 Nr. 3: Leipzig, 1907 Ausgabe Hug: Leipzig, 1907 Platten-Nummer Nr. 3: G. H. 4182 Autograph 1. Zentralbibliothek Zürich 2. Zentralbibliothek Zürich 3. Stadtarchiv Zürich Jahr 1915 oder später Komponist Heinrich von Waldkirch (1898–vor 1982) Titel (Klavierfsg.) Sechs Gesänge Li-tai-pe’s für Sopranstimme mit Klavierbegleitung op. 18 Titel (Streicherfsg.) Chinesische Gesänge für eine mittlere Stimme mit Begleitung von 2 Violinen, 2 Bratschen und 2 Celli op. 18 [Enthält] 1. Der Silberreiher 2. Der Tshao-yang-Palast im Frühling26 3. Schreie der Raben 4. Das rote Zimmer Besetzung Singstimme, Streichsextett oder Klavier Vorlage Klabund: Li-tai-pe (1915) Autograph Zentralbibliothek Zürich Bemerkungen Die Klavierfassung enthält nur Nr. 1 und 2, die Kammermusik- fassung nur Nr. 1 bis Nr. 4; Nr. 4 ist unvollständig. Obwohl die Angabe der Stimmlagen in den beiden Fassungen unterschied- lich ist (»mittlere Stimme« bzw. »Sopran«), sind die Lieder je in derselben Tonart bzw. Tonhöhe notiert. 26 Schreibweise in Klabunds Vorlage: »Der Tschao-yang-Palast im Frühling«, Klabund: Li-tai- pe, S. 16. 274
Jahr ca. 1926 Komponist Werner Kruse (1910–2005) Titel Musik nach Li-tai-pe Besetzung 2 Klaviere Datierung Nachträglich datiert auf 1926 Autograph Zentralbibliothek Zürich Jahr 1929 Komponist Werner Kruse (1910–2005) Titel [3 Lieder nach Li-tai-pe] [Enthält] - Einsamkeit zur Nacht - Die junge Frau steht auf dem Warteturm - Schenke im Frühling Besetzung Singstimme, Klavier Vorlage Klabund: Li-tai-pe (1915) Vollendung »Schenke im Frühling«: 19. Mai 1929 Jahr ca. 1930 Komponist Emil Staiger (1908–1987) Titel Der Silberreiher Besetzung Singstimme, Klavier Vorlage Klabund: Li-tai-pe (1915) Autograph Zentralbibliothek Zürich Jahr ca. 1931 Komponist Volkmar Andreae (1879–1962) Titel Li-tai-pe. Acht chinesische Gesänge für eine Tenorstimme und Orchester op. 37 [Enthält] 1. Das Lied vom Kummer 2. Wanderer erwacht in der Herberge 3. Der Fischer im Frühling 4. Am Ufer des Yo-Yeh 5. Si-schy 6. Der Tanz auf der Wolke 7. Abschied 8. Der Silberreiher Orchesterbesetzung 3333 / 433- / Pk Schlgz Hf Str Vorlage Klabund: Li-tai-pe (1915) 275
Ausgabe Klavierauszug: Leipzig und Zürich: Hug, [s.a.] Platten-Nummer Klavierauszug: G.H. 7343 Widmung Adolf Hug (1867–1943) Autograph Skizzen: Stadtarchiv Zürich Jahr 1931 Komponist Alfredo Cairati (1875–1960) Titel (dt. Fsg.) Lied auf dem Flusse Titel (ital. Fsg.) Ditirambo cinese Besetzung Sopran/Tenor, Klavier Vorlage Hans Bethge: Chinesische Flöte (1907) Vollendung Ostern 1931 Ausgabe Leipzig: Euterpe, 1935 Platten-Nummer E. 70 E. Autograph Zentralbibliothek Zürich Jahr 1934/1946 Komponist Oskar Ulmer (1883–1966) Titel (1. Fsg.) Fluch des Krieges op. 34 Titel (2. Fsg.) Fluch des Krieges op. 51 Besetzung Singstimme, Orchester (2223 / 4331 / Pk Schlgz Str) oder Klavier Vorlage Klabund: Li-tai-pe (1915) Vollendung (1. Fsg.) Gottlieben, 25. November 1934 Vollendung (2. Fsg.) Kreuzlingen, 17. Februar 1946 Autograph Zentralbibliothek Zürich Bemerkung 1. Fassung vom Komponisten für ungültig erklärt Jahr 1936 Komponist José Berr (1874–1947) Titel Lieder aus der »Chinesischen Flöte« op. 100 [Enthält] 1. Alte Weisheit (»Lo-Tschan-Nai«) 2. Liebestrunken (»Li-Tai-Po«) 3. Das Los des Menschen (»Khong-Fu-Tse [Konfuzius]«) Besetzung: Gemischter Chor, Klavier ad libitum (Nr. 2 auch Singstimme und Klavier) 276
Vorlage Hans Bethge: Chinesische Flöte (1907) Komposition 1936 Widmung »Meiner lieben Frau« Autograph Zentralbibliothek Zürich Jahr 1942 Komponist José Berr (1874–1947) Titel Die rote Rose op. 76 Besetzung Singstimme, Orchester (2232 / 2--- / Str) oder Klavier Vorlage Hans Bethge: Chinesische Flöte (1907) Autograph Zentralbibliothek Zürich Jahr ca. 1937 Komponist Johannes Zentner (1903–1989) Titel Die chinesische Flöte. Chor-Suite mit Solo Flöte [Enthält] 1. Der Tanz der Götter (Li Bai) 2. Am Ufer (Li Bai) 3. Trinken, um zu vergessen (Wan-Wi) 4. Die verstoßene Freundin des Kaisers (»Unbekannte Dichterin«) 5. Das traurige Herz (»Unbekannter Dichter«) 6. In der Fremde (Li Bai) Besetzung Gemischter Chor, Flöte Vorlage Hans Bethge: Chinesische Flöte (1907) Ausgabe Leipzig: Édition Henn, [s.a.] Platten-Nummer A. 254 H. Widmung »Hermann Dubs und seinem ausgezeichneten Häusermannschen Privatchor zugeeignet« 277
Literatur Andreae, Volkmar: Li-tai-pe op. 37, Fotokopie der autographen Partitur, [1931], Zentralbib- liothek Zürich, Mus NL 76: A 6.1.1. Andreae, Volkmar: Li-tai-pe. Acht chinesische Gesänge für eine Tenorstimme und Orchester op. 37, Klavierauszug, Leipzig/Zürich: Hug, [s. a.]. Baertschi, Christian: Emil Staiger, in: Historisches Lexikon der Schweiz, online, 2013, https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/011687/2013-01-10/ (Zugriff 26.08.2020). Beckerath, Erich von: Balladen um Ti Tai-Pe, Lorch/Stuttgart: Bürger-Verlag, 1947. Berr, José: Die rote Rose. Von Li-Tai-Po. Aus der chinesische[n] Flöte von Hans Bethge. Für eine Singstimme mit Orchesterbegleitung op. 76, autographe Partitur, 1942, Zentralbibliothek Zürich, Mus NL 47: I Ba 6.1.1. Berr, José: Die rote Rose. V. Li-Tai-Po. Aus »Die chinesische Flöte« von Hans Bethge op. 76, au- tographer Klavierauszug, Zentralbibliothek Zürich, Mus NL 47: I Ba 6.1.2. Berr, José: Lieder aus der »chinesischen Flöte«. Für Gemischten Kammerchor à cappella. Mit einem kurzen Nachspiel (Klavier) ad lib. op. 100, autographe Partitur, 1936, Zentralbiblio- thek Zürich, Mus NL 47: I Bba 20.1. Berr, José: Liebestrunken. Für eine Singstimme und Klavier, autographe Partitur, 1936, Zentral- bibliothek Zürich, Mus NL 47: I Ba 6.1.2. Bethge, Hans: Die chinesische Flöte, Leipzig: Insel-Verlag, 1907. Bigler-Marschall, Ingrid: Werner Kruse, in: Theaterlexikon der Schweiz, hg. von Andreas Kotte, Zürich: Chronos, 2005, Bd. 2, S. 1042 Bruckner, Albert (Hg.): Neue Schweizer Biographie, Basel: Basler Berichthaus, 1938. Cairati, Alfredo: Ditirambo cinese. Per canto e pianoforte, Partitur, Leipzig: Euterpe, 1935. Cairati, Alfredo: Lied auf dem Flusse. Aus Hans Bethge’s »Die chinesische Flöte«. Für eine hohe Singstimme mit Klavierbegleitung, Partitur, Leipzig: Euterpe, 1935. Ehinger, Hans: Andreae, Volkmar, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, hg. von Friedrich Blume, Kassel 1949–1951, Bd. 1, Sp. 461 f. Forke, Alfred: Blüthen chinesischer Dichtung. Aus der Zeit der Han- und Sechs-Dynastie, Magdeburg: Faber, 1899. Hauser, Otto: Gedichte. Li-Tai-Po, Berlin u. a.: Duncker, 1911 (Aus fremden Gärten, Bd. 1). Heilmann, Hans: Chinesische Lyrik vom 12. Jahrhundert v. Chr. bis zur Gegenwart, München/ Leipzig: Piper, 1905 (Die Fruchtschale, Bd. 1). Klabund: Dumpfe Trommel und berauschtes Gong. Nachdichtungen chinesischer Kriegslyrik, Leipzig: Insel-Verlag, 1915. Klabund: Li-tai-pe. Nachdichtungen, Leipzig: Insel-Verlag, 1915. Kosch, Wilhelm: Deutsches Theater-Lexikon, hg. von Wilhelm Kosch, Berlin 1953. Kruse, Werner: Musik nach Li-tai-pe. Für 2 Klaviere, autographe Partitur, ca. 1926, Zentralbi- bliothek Zürich, Mus NL 143: Db 9. Kruse, Werner: Die junge Frau steht auf dem Warteturm, autographe Partitur, Zentralbiblio- thek Zürich, Mus NL 143: De 25. Kruse, Werner: Einsamkeit zur Nacht, autographe Partitur, Zentralbibliothek Zürich, Mus NL 143: De 24. 278
Kruse, Werner: Schenke im Frühling, autographe Partitur, 1929, Zentralbibliothek Zürich, Mus NL 143: De 26. Mayer, Hans: Musik und Literatur, in: Arnold Schönberg, Ernst Bloch, Otto Klemperer, Erwin Ratz, Hans Mayer, Dieter Schnebel, Theodor W. Adorno über Gustav Mahler, Tübingen: Rainer Wunderlich, 1966, S. 142–156. Müller von Asow, Erich Hermann (Hg.): Deutsches Musiker-Lexikon, Dresden: Limpert, 1929. Peters, Kathrin: Hermann Burte – der Alemanne, in: Dichter für das »Dritte Reich«. Biografi sche Studien zum Verhältnis von Literatur und Ideologie. 10 Autorenporträts, hg. von Rolf Düsterberg, Bielefeld: Aisthesis, 2009, S. 19–47. Schoeck, Othmar: Drei Lieder für tiefere Stimme op. 7, Partitur, Leipzig/Zürich: Hug, 1907. Staiger, Emil: Der Silberreiher, autographe Partitur, Zentralbibliothek Zürich, Mus NL 122: Ab 27: 1. Ulmer, Oskar: Fluch des Krieges. Für eine Singstimme und Orchester op. 51, autographe Parti- tur, 1946, Zentralbibliothek Zürich, Mus NL 63: A 51: 1. Ulmer, Oskar: Fluch des Krieges. Für eine Singstimme und Orchester op. 51, autographer Kla- vierauszug, 1946, Zentralbibliothek Zürich, Mus NL 63: A 51: 3. Ulmer, Till und Christa: Oskar Ulmer. Komponist, [s. l.], unpubliziert, 1999, Zentralbibliothek Zürich, Mus NL 63: G 8: 2. Universität Zürich: Matrikeledition, online, 2020, www.matrikel.uzh.ch/active/static/23077.htm (Zugriff 26.08.2020). Waldkirch, Heinrich von: Chinesische Gesänge. Für eine mittlere Stimme mit Begleitung von 2 Violinen, 2 Bratschen und 2 Celli op. 18, autographe Partitur, Zentralbibliothek Zürich, Mus NL 10: Aaa 4. Waldkirch, Heinrich von: Sechs Gesänge Li-tai-pe’s. Für Sopranstimme mit Klavierbegleitung op. 18, autographe Partitur, Zentralbibliothek Zürich, Mus NL 10: Aaa 5.1 (enthält nur Nr. 1 Der Silberreiher und Nr. 2 Der Tshao-yang-Palast im Frühling). Zentner, Johannes: Die Chinesische Flöte. Chor-Suite mit Solo Flöte, Partitur, Genf: Henn, [s.a.]. Zuckmayer, Carl: Als wär’s ein Stück von mir. Horen der Freundschaft, Frankfurt a. M.: S. Fischer, 1997 (Gesammelte Werke in Einzelbänden, Bd. 15). Heinrich Aerni, geboren 1967, studierte Horn und Schulmusik am Konservatorium Zürich sowie Musikwissenschaft an der Universität Zürich, wo er 2012 promoviert wurde. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Zentralbibliothek Zürich. 279
Der doppelte Po und die Musik Rätoromanisch-chinesische Studien, besonders zu Li Po, Harry Partch und Chasper Po Herausgegeben von Mathias Gredig, Marc Winter, Rico Valär und Roman Brotbeck Redaktionelle Mitarbeit Daniel Allenbach Königshausen & Neumann
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk ist lizenziert unter der Creative Commons Attribution 4.0 Lizenz (BY). Diese Lizenz erlaubt unter Voraussetzung der Namensnennung des Urhebers die Bear- beitung, Vervielfältigung und Verbreitung des Materials in jedem Format oder Medium für beliebige Zwecke, auch kommerziell. (Lizenztext: https://creativecommons.org/ licenses/by/4.0/deed.de) Die Bedingungen der Creative-Commons-Lizenz gelten nur für Originalmaterial. Die Wiederverwendung von Material aus anderen Quellen (gekenn- zeichnet mit Quellenangabe) wie z. B. Schaubilder, Abbildungen, Fotos und Textauszüge erfordert ggf. weitere Nutzungsgenehmigungen durch den jeweiligen Rechteinhaber. Erschienen 2021 im Verlag Königshausen & Neumann GmbH © bei den Autoren Die Druckvorstufe dieser Publikation wurde vom Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung unterstützt. Wir danken der Kulturförderung des Kantons Graubünden. Hochschule der Künste Bern www.hkb.bfh.ch Umschlag: skh-softics / coverart Umschlagabbildung: Lea Gredig Print-ISBN 978-3-8260-7180-5 PDF-ISBN 978-3-8260-7233-8 DOI 10.26045/po https.//doi.org/10.36202/9783826072338 Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier Printed in Germany www.koenigshausen-neumann.de www.ebook.de www.buchhandel.de www.buchkatalog.de
Inhalt Prolog 9 Dumenic Andry Chasper Pos Humor 15 Renzo Caduff Chasper Pos rhythmische Versgestaltung – eine ›hinkende Mähre‹? 39 Rico Valär Rätoromanische Nachdichtungen chinesischer Lyrik bei 55 Gian Fadri Caderas und Peider Lansel Eine Spurensuche Mathias Gredig China in rätoromanischen Zeitungen, Zeitschriften 77 und literarischen Texten Marion Eggert Schwalbenflug in Gedichten von Li Bai und Chasper Po 137 Thomas Geissmann Die Rolle der Gibbons beim chinesischen Dichter Li Bai 147 Marc Winter »Chinas Dichterfürst« 173 Die Rezeption Li Bais als literarischer Superstar im Westen Eva Schestag »A most difficult man« 191 Ezra Pound als Übersetzer von Li Bai, mit einem Seitenblick auf Shigeyoshi Obata Odila Schröder Chinesische Li-Bai-Vertonungen in Jahren der Unruhe 205 5
Mathias Gredig Quantitative Überlegungen zum Phänomen 219 der Li-Bai-Vertonungen im Westen Mit Beobachtungen zu drei Vertonungen des Gedichtes Chun ye Luo cheng wen di (In einer Frühlingsnacht in Luoyang eine Flöte hören) Gesine Schröder »Die Hüften schwingen sich nun nicht mehr« 241 Li-Bai-Vertonungen von Komponistinnen Heinrich Aerni Li-Bai-Vertonungen in der Schweiz 259 Matthias Schmidt Übersetzung ohne Original? 281 Gustav Mahler, Anton Webern und Li Bai Christoph Haffter Szenen der Selbstenttäuschung 301 Hanns Eislers Die rote und die weiße Rose nach Li Bai und die Antinomien der Kriegslyrik Thomas Meyer »Wunderlich im Spiegelbilde« 321 Zu einigen Vertonungen des Pavillon-Gedichts Mathias Gredig Gedanken über Li Bais Jing ye si (Gedanken in einer stillen Nacht) 349 und dessen Vertonungen im Westen Martin Skamletz »I’ve turned into a great reviser.« 371 Lee Hoibys Vertonung von Li Bais The River-Merchant’s Wife: A Letter und ihr Bezug zu Harry Partch Martin Skamletz “Of course I am a weak shadow of Lee Hoiby as a Kitharist.” 399 Five letters by Harry Partch, 1948–1958 Marc Kilchenmann Ben Johnstons Verhältnis zu Harry Partch und seine Three Chinese Lyrics 437 6
Eleni Ralli Parallelen und Modifikationen der Notation in verschiedenen Quellen 453 von Harry Partchs Seventeen Lyrics by Li Po Schwierigkeiten und Transkriptionsvorschläge Charles Corey Gesture and Intention in the Art Songs of Harry Partch 481 Caspar Johannes Walter Sprechmelodie als Quelle von Melodik und Harmonik 507 The Intruder aus Harry Partchs Li-Bai-Vertonungen Roman Brotbeck Der Sprechgesang bei Arnold Schönberg und Harry Partch 527 Eine Annäherung Namensregister 559 7
Sie können auch lesen