Lokale Politik und Beteiligung - vhw

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Lokale Politik und Beteiligung - vhw
-SCHRIFTENREIHE   28

AGNES FÖRSTER
MARTIN BANGRATZ
FEE THISSEN

Lokale Politik und Beteiligung
NEUE WEGE DES STADTMACHENS UND DIE ROLLE
LOKALER POLITIK
Lokale Politik und Beteiligung - vhw
IMPRESSUM

  Auftraggeber
  vhw – Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e. V.
  Fritschestr. 27-28
  10585 Berlin
  www.vhw.de

  Auftragnehmer
  Lehrstuhl für Planungstheorie und Stadtentwicklung
  Univ.-Prof. Dr.-Ing. Agnes Förster
  Fakultät für Architektur
  RWTH Aachen University
  Wüllnerstraße 5b, 52062 Aachen
  Tel.: +49 241 / 80-98 300
  foerster@pt.rwth-aachen.de
  www.pt.rwth-aachen.de

  Verfasserinnen und Verfasser
  Prof. Dr. Agnes Förster
  M.Sc. Martin Bangratz
  Dr. Fee Thissen

  Mitarbeit B.Sc. Friederike Bobenhausen

  Wissenschaftliche Begleitung
  Sebastian Beck, Wissenschaftler vhw e. V.
  sbeck@vhw.de
  Dr. Thomas Kuder, Seniorwissenschaftler vhw e. V.
  tkuder@vhw.de

  Bilder/Grafiken
  Titelbild: Symposium, Fotograf Maurits Boettger
  Wenn nicht anders vermerkt, sind die Autoren Urheber der Abbildungen.

  Gestaltung/Druck
  Druckerei Franz Paffenholz GmbH, Bornheim

  ISBN
  978-3-87941-819-0

  Auflage
  1. Auflage, September 2021

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Lokale Politik und Beteiligung - vhw
vhw-Schriftenreihe Nr. 28 | 3
Lokale Politik und Beteiligung - vhw
INHALT

  VORWORT                                                                                    6

  1 EINFÜHRUNG                                                                               8
  1.1  Anlass und Erkenntnisinteresse                                                        8
  1.2  Methodik                                                                             11

  2 KONZEPTION                                                                              15
  2.1  Landschaft lokaler Politik                                                           15
  2.2  Sechs Spannungslinien: Veränderungen lokaler Politik in Prozessen des Stadtmachens   23

  3 FALLSTUDIEN                                                                             33
  3.1  Berlin: Haus der Statistik                                                           33
  3.2  Freiburg: Neuer Stadtteil Dietenbach                                                 38
  3.3  Gelsenkirchen: Zukunftsstadt                                                         43
  3.4  Halle an der Saale: Urbane Nachbarschaft Freiimfelde                                 47
  3.5  Köln: GrowSmarter                                                                    52
  3.6  München: Modellstadt Mobilität 2030                                                  57

  4 SPANNUNGSLINIEN IM QUERVERGLEICH                                                        63

  5 FOLGERUNGEN FÜR DIE ARENEN LOKALER POLITIK                                              72
  5.1  Lokale Politik                                                                       74
  5.2  Verwaltung                                                                           76
  5.3  Zivilgesellschaft                                                                    79
  5.4  Intermediäre                                                                         81
  5.5  Marktakteure                                                                         83

  6 REFLEXION UND AUSBLICK                                                                  85

  LITERATURVERZEICHNIS                                                                      88

  ABBILDUNGSVERZEICHNIS                                                                     93

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vhw-Schriftenreihe Nr. 28 | 5
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VORWORT

                                    Das gemeinsame Gestalten von Stadt      staltung von Stadt beitragen? Und ist
                                    ist mit der Neuauflage der Leip-        das eigentlich „neu“? Bei näherem
                                    zig-Charta im Dezember 2020 (BMI        Hinsehen lässt sich bereits festhal-
                                    2020) zum Leitbild der Nationalen       ten: Ganz so einfach, wie es die klas-
                                    Stadtentwicklung avanciert. Wovon       sische Theorie des Planungskreis-
                                    genau aber ist eigentlich die Rede,     laufs impliziert, stellt sich die Praxis
                                    wenn es um das gemeinsame „Ma-          der Stadtentwicklung nicht dar. Die
                                    chen“ von Stadt, das Stadtmachen        Prozesse von Planung und Umset-
                                    bzw. die Stadtmacherinnen und           zung sind komplexer und von viel-
                 Sebastian Beck     Stadtmacher geht?                       fältigen formellen und informellen
      Dipl.-Sozialwissenschaftler                                           Governance-Prozessen der Ideen-
          Seniorwissenschaftler     Die Autorinnen und Autoren der vor-     findung, Abwägung und Aushandlung
                                    liegenden Studie operationalisie-       gerahmt. Die Autorinnen und Autoren
                                    ren den Begriff des Stadtmachens        der Studie gehen dem grundlegend
                                    aus der Governance-Perspektive          nach und leisten dabei Pionierarbeit,
                                    als „absichtsvolle Gestaltung von       insbesondere in Bezug auf die Ver-
                                    Stadt“, bei der vielfältige Perspek-    knüpfung des Zusammenhangs von
                                    tiven und Handlungslogiken aufein-      Planungskreislauf, Governance und
                                    andertreffen: lokale Politik, Verwal-   Stadtmachen auf lokaler Ebene.
                                    tung, Zivilgesellschaft, Intermediäre
                                    und Marktakteure. Damit knüpfen
                                    sie an die vhw-Debatte zur Konver-      Erste Sichtungen
                                    genz von vertikalem Government
                                    und horizontaler Governance in der      Die vorliegende Studie bietet erste
                                    Stadtentwicklung und die damit ein-     Sichtungen, inwieweit die Rollen
                                    hergehende zunehmende Relevanz          der vielfältigen Akteure des Stadt-
                                    intermediärer Akteure an (vgl. Beck/    machens momentan neu verhan-
                                    Schnur 2016).                           delt werden. Auf Basis von Fallstu-
                                                                            dien analysiert sie unterschiedliche
                                    Was verändert sich in den Prozessen     Spannungslinien, entlang derer sich
                                    der Stadtentwicklung und insbeson-      die Rolle lokaler Politik – und auch
                                    dere im Rahmen der Stadtplanung,        die Rollen von Verwaltung, Zivilge-
                                    wenn neben den klassischen Ak-          sellschaft, Intermediären und Markt-
                                    teuren zunehmend weitere Akteure        akteuren – in Veränderung befinden.
                                    „mitmachen“ und zu Planung und Ge-      Dabei tragen die vorliegenden Fall-

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Lokale Politik und Beteiligung - vhw
studien wechselseitig dazu bei, die       unterschiedlichen       Akteursrollen    prozesse, die eine solche Gestaltung
wandelnden Rollen der vielfältigen        führt. Der klassische Planungskreis-     von Stadt auf lokaler Ebene voranzu-
Akteure des Stadtmachens zu ana-          lauf scheint sich nicht unverändert      bringen scheint, bergen auch einen
lysieren.                                 fortschreiben zu lassen. Im Fünfeck      potenziellen Transfer für Kooperatio-
                                          zwischen Politik, Verwaltung, Zivilge-   nen auf höher gelegenen politischen
Was in dieser Studie deutlich wird:       sellschaft, Intermediären und Markt-     Ebenen. Beides wäre wünschens-
Das Stadtmachen umfasst ein wei-          akteuren entwickelt sich der klassi-     wert. So bleibt letztlich festzuhalten:
tes Feld von Akteuren und Kooperati-      sche „Reißverschluss“ der Planung        Stadt gemeinsam zu machen ist nicht
onsformen. Neben zivilgesellschaft-       zunehmend zu einem multidirek-           nur eine Chance, das Handlungsfeld
lich initiierten und umgesetzten          tionalen Handlungsfeld, das umso         lokaler Politik zu erweitern, sondern
Projekten (vgl. Beck 2021) werden         leistungsfähiger zu sein scheint, je     auch eine Chance, voneinander zu
hier weitere „neue“ Formen des            mehr es eine Vielfalt an beteilig-       lernen, aneinander zu wachsen und
Stadtmachens untersucht, bei de-          ten Akteursgruppen zulässt. In der       gemeinsam mehr zu erreichen.
nen entsprechend variierende stadt-       Folge erhalten bestimmte Planungs-
gesellschaftliche Akteure oder            momente neue Relevanz: Allem vo-
Akteurs-Konstellationen in den Vor-       ran die Gestaltung früher Prozess-
dergrund rücken. Im Sinne der Er-         phasen und ebenso die Qualifikation           Ihr
fassung einer möglichst weiten Per-       der Verwaltung für „nicht-klassi-
spektivenvielfalt, die eine vielfältige   sche“ Kooperationen in der Stadtent-
Reflexion der Rollen der unterschied-     wicklung. Nicht zuletzt wird mit dem
lichen Stadtentwicklungsakteure im        Stadtmachen die Debatte darüber               Sebastian Beck
Kontext von Governance, Koproduk-         weitergeführt, wie wir das Gemein-
tion und Stadtmachen erschließt, ist      wohl gut verhandeln und operationa-
dies letztlich nicht nur vielverspre-     lisieren können – aller Wahrschein-
chend, sondern im Ergebnis auch ein       lichkeit nämlich nicht normativ, auch
gelungener erster Ansatz, dem wei-        nicht hoheitlich, sondern auf Basis
tere, hieran ansetzende Konkretisie-      der gegenseitigen Abwägung mög-
rungen folgen sollten.                    lichst vielfältiger Perspektiven.

                                          Der Blick dieser Studie auf das
Perspektiven                              Stadtmachen birgt vielfältige Lern-
                                          momente für derartige „neue“ Ko-
Im Ergebnis legt die vorliegende Stu-     operationen mit der Politik auf lo-
die nahe, dass das Stadtmachen zu         kaler Ebene. Die damit verbundenen
einer zunehmenden Konvergenz der          Wandlungs- und Modernisierungs-

                                                                                                                          28 | 7
                                                                                                   vhw-Schriftenreihe Nr. 26
Lokale Politik und Beteiligung - vhw
1 Einführung

  1.1    Anlass und Erkenntnisinteresse

  An der Entwicklung von Stadt – vom einzelnen Projekt           In den letzten Jahren hat die Vielzahl und Vielfalt der Ak-
  bis zum gesamtstädtischen Konzept – sind viele Akteure         teure, die an Prozessen der Stadtentwicklung aktiv be-
  mit unterschiedlichen Rollen, Interessen und Einfluss-         teiligt sind, zugenommen und zugleich werden vielerorts
  möglichkeiten beteiligt. Akteure aus Verwaltung, Politik,      neue dialogorientierte Formate der Stadtentwicklung er-
  Marktwirtschaft, einer vielschichtigen Zivilgesellschaft       probt und vermehrt alltäglich praktiziert. Diese Prozesse
  sowie Intermediäre wie Kirchen, Stiftungen oder Hoch-          werden sowohl top-down – also von den repräsentativen
  schulen wirken über formelle und informelle Pläne, Pro-        Vertreterinnen und Vertretern beauftragt – eingesetzt, als
  gramme und Instrumente an der Fortentwicklung von              auch bottom-up eingefordert oder selbst in neuen Alli-
  Stadt mit. Politischer Gestaltungswille, marktwirtschaft-      anzen praktiziert. Lokale Politik hat in diesen Prozessen
  liche Logiken und zivilgesellschaftliche Aktivitäten treffen   eine besondere Stellung und nimmt zugleich verschiedene
  dabei aufeinander. Um in diesem komplexen Gefüge hand-         – auch konkurrierende – Rollen ein, unter anderem als
  lungsfähig zu werden, bedarf es der Abstimmung.                Bestellende, Mitwirkendende und Adressatin der dialog-
  (u. a. Selle 2018: 387ff).                                     orientierten Formate.

  Lokale Politik: Starke Säule der K
                                   ­ ommunalentwicklung          Lokale Politik unterliegt in deutschen Städten einem lau-
                                                                 fenden Wandel. Die Gestaltung von Veränderungen er-
  Im föderalen System der Bundesrepublik Deutschland             scheint immer schwieriger, da anstelle eines Zugewinns
  nimmt die Kommune – und damit auch die lokale Politik –        für alle vielfach ein Mehr an der einen Stelle und ein We-
  eine starke Rolle in der räumlichen Entwicklung ein. Die       niger an einer anderen Stelle zu verhandeln sind. Zudem
  gewählten Ratsmitglieder üben die Planungshoheit aus           sind auf lokaler Ebene vor allem die Folgen übergeordne-
  und verfügen zudem über kommunale Investitionen, kom-          ter Entwicklungstrends zu bewältigen – eine aktive Ein-
  munale Grundstücke, kommunale Einrichtungen, kommu-            flussnahme erscheint vielfach als unrealistisch. Diese
  nale Gesellschaften, kommunales Personal. Kommunale            Entwicklungen beeinflussen zugleich den laufenden Ge-
  Politik wirkt gestaltend auf die Planungsprozesse und die      nerationenwechsel in der lokalen Politik.
  darin gewählten gutachterlichen, planerischen, entwer-
  ferischen und kommunikativen Verfahren.                        Vielfältige Prozesse des Stadtmachens

  Lokale Demokratie umfasst die Akteure, Aktivitäten und         Der Begriff Stadtmachen bezieht sich auf die absichts-
  Strukturen der repräsentativen Demokratie wie auch lo-         volle Gestaltung von Stadt und erweitert dabei zugleich die
  kale Prozesse der Wissensgenerierung, Meinungsbildung          Perspektive von hoheitlich verantworteten und begleiteten
  und Selbstorganisation im Zusammenspiel einer Akteurs-         Planungsprozessen hin zu der genannten Akteursvielfalt,
  vielfalt aus Politik, Verwaltung, Markt, Zivilgesellschaft     die auf Stadtentwicklung mit eigenen Aktivitäten aktiv Ein-
  und Intermediären. Zwischen den beiden Welten der loka-        fluss nimmt. Stadtmachen umfasst damit Prozesse des
  len Politik und der lokalen Demokratie bestehen deutliche      Planens, Entwickelns, Gestaltens und Machens von Stadt
  Wechselwirkungen und Dynamiken (vhw – Bundesverband            und die damit beabsichtige Beeinflussung der Stadtent-
  für Wohnen und Stadtentwicklung e. V. o. J.).                  wicklung.

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Lokale Politik und Beteiligung - vhw
Stadtmachen kann über Interventionen im Raum Wirkung           Die Politikwissenschaft hingegen beschäftigt sich mit Fra-
entfalten, ob durch bauliche Maßnahmen, neue funktio-          gen der Beteiligung verschiedener Anspruchsgruppen an
nale Angebote oder veränderte soziale, kulturelle oder         politischen Prozessen, oft jedoch ohne diese Prozesse mit
wirtschaftliche Aktivitäten, aber auch durch die Einfluss-     planerischen Aufgaben und Verfahren zu verknüpfen.
nahme auf organisationale, gesellschaftliche und politi-
sche Prozesse, welche Normen und Werte und die Pla-            In öffentlichen Dialogprozessen zur Stadtentwicklung hält
nung und Steuerung von Stadtentwicklung beeinflussen.          sich Politik vielfach zuhörend und beobachtend im Hinter-
                                                               grund. Aus anderen Studien geht hervor, dass sich Ver-
Formen des Stadtmachens können somit die Bewältigung           waltung und Fachexpertinnen und -experten eine stärkere
einer hoheitlichen Aufgabe und Planung unter Beteiligung       Präsenz, aktive Beiträge und eine klare Haltung der loka-
anderer Anspruchsgruppen und der weiteren Öffentlich-          len Politik wünschen. Auch sollte ihre Rolle und Aufgabe in
keit umfassen, aber auch die Entwicklung von Orten durch       Prozessen definiert und kommuniziert werden (vgl. Fran-
Eigentümerinnen und Eigentümer, Investierende, Betrei-         cke, Vogt und Dehmel 2018; Fugmann et al. 2018: 37ff.). Die
bende oder Nutzende, das Gestalten von Stadt durch zivil-      Verwaltung fühlt sich zum Teil durch die Politik zu wenig
gesellschaftliche oder gemeinnützige Aktivitäten oder auch     unterstützt und sieht sich ohne politisches Mandat nicht
das Erproben und Experimentieren bei der Veränderung           ausreichend in der Lage, Stadtentwicklung aktiv voranzu-
von Stadt zum Beispiel in Reallaboren oder in Testfeldern.     treiben. Lokale Politik ist und bleibt demnach ein wesent-
                                                               licher Akteur und ist eine entscheidende Stellschraube für
Mit dem Begriff Stadtmachen rücken die vielfältiger wer-       das Gelingen von Beteiligungsprozessen. Über ihre Rolle
denden Planungs- und Gestaltungsaktivitäten in den Mit-        und Funktion in den beschriebenen Prozessen ist bisher
telpunkt, die von einer zunehmenden Vielfalt von Akteuren      jedoch wenig bekannt.
initiiert und verantwortet werden, die sich artikuliert, en-
gagiert, einmischt und selbst handelt. Diese Prozesse sind     Neben der Frage nach der Rolle lokaler Politik in den
dabei stark mit Kommunikation und Beteiligung verknüpft.       durch öffentliche Akteure verantworteten Kommunikati-
Die Akteure der lokalen Politik finden sich in und gegen-      onsprozessen muss lokale Politik auch in neuen Koopera-
über diesen Aktivitäten des Stadtmachens in bewähr-            tionen des Stadtmachens den eigenen Platz neu justieren.
ten und auch neuen Rollen wieder (siehe stadtmacher-­          Allianzen mit und zwischen Akteuren der Zivilgesellschaft,
akademie.org, vhw.de).                                         Wirtschaft, Kunst, Kultur und Wissenschaft artikulieren
                                                               sich insbesondere zu urbanen Schlüsselthemen wie Mo-
Neue Wege des Stadtmachens und die Rolle lokaler               bilität, öffentliche Freiräume, Räume der Kultur- und Kre-
Politik                                                        ativwirtschaft, alternative Wohnformen oder neue Tech-
                                                               nologien und digitale Angebote in der Stadt. Hintergrund
Die vielfältigen Formen des Stadtmachens mit der Vielzahl      dieser neuen Allianzen und der von ihnen angestoßenen
beteiligter Akteure beeinflussen die Arenen, in denen lo-      Prozesse und Projekte ist vielfach ein Bedürfnis, neu und
kale Politik wirkt. Dabei ist über die Rolle lokaler Politik   anders handlungsfähig zu werden, heutige Blockaden auf-
in kommunikations- und beteiligungsorientierten Prozes-        zulösen und Stadt wirksamer und mit anderen Zielen zu
sen des Stadtmachens wenig bekannt. Es ist zu vermu-           gestalten. Diese neuen Kooperationsformen des Stadt-
ten, dass lokale Politik herausgefordert ist, in dem sich      machens betreffen Bereiche, in denen lokale Politik üb-
verändernden Kontext der Stadtentwicklung ihre eigenen         licherweise bestimmte Rollen und Aufgaben innehat, die
Rollen und Funktionen zu klären und gegebenenfalls neu         nun aber stärker von und im Zusammenspiel mit anderen
zu justieren.                                                  Akteursgruppen ausgeübt werden.

Während in Fachwelt und Praxis umfassend über Möglich-         Deutlich wird: Lokale Politik ist Teil einer größeren Ent-
keiten und Grenzen verschiedener Angebote der Kommu-           scheidungskultur, denn viele Akteure wirken an politi-
nikation und Beteiligung in der Stadtentwicklung disku-        schen Prozessen mit oder auf sie ein. Lokale Politik hat
tiert wird, ist über Einfluss und Rolle der lokalen Politik    in dieser Akteurs- und Kommunikationsvielfalt die Chance,
in diesen Prozessen nur wenig bekannt. Beteiligungspro-        neue Allianzen einzugehen und zu nutzen; aber auch die
zesse werden aus den Planungsdisziplinen heraus häufig         Aufgabe, eigene Belange zu vertreten und eine Position
aus den Perspektiven der Verwaltung – und ihrer mehr-          einzunehmen. Lokale Politik verändert sich über die Er-
fachen Rollen –, der beteiligten Planerinnen und Planer –      fahrungen mit kommunikations- und beteiligungsorien-
und ihrer Fachkompetenzen – oder der Bürgerinnen und           tierten Prozessen des Stadtmachens selbst und entwickelt
Bürger – und ihres Gestaltungsspielraums – diskutiert.         sich im besten Fall lernend fort.

                                                                                                    vhw-Schriftenreihe Nr. 28 | 9
Lokale Politik und Beteiligung - vhw
Arenen lokaler Politik                                                     Akteursebene:
                                                                              Wie verändern sich Rollen, Funktionen und Allianzen
   Ziel dieses Forschungsprojektes ist es, zum Verständnis                    lokaler Politik in oder durch Beteiligung in Prozessen
   der Wechselwirkungen von lokaler Politik und neuen We-                     (neuen) Stadtmachens?
   gen des Stadtmachens beizutragen. Im Fokus stehen die                      Auf Akteursebene wird untersucht, welche Rollen lokale
   Arenen, in denen lokale Politik mit und gegenüber Ak-                      Politik in Prozessen des Stadtmachens im Verhältnis zu
   teuren aus Verwaltung, Markt, Zivilgesellschaft und In-                    anderen Akteuren aus Verwaltung, Markt, Zivilgesellschaft
   termediären kommuniziert, sich positioniert, entscheidet                   und Intermediäre einnimmt, mit welchen anderen Akteu-
   und gestaltet. Dabei werden die informellen und formel-                    ren sie kooperiert und wo und wie sie neue Verbindungen
   len Schnittstellen zwischen Kommunalpolitik und anderen                    eingeht. Es wird gefragt, welche stabilen Strukturen auch
   Säulen von Government und Governance untersucht. Das                       unter veränderten Voraussetzungen fortbestehen und wel-
   Projekt erforscht Prozesse des Stadtmachens, die Rolle,                    che Rollen und Allianzen im Umbruch sind.
   Funktion und Allianzen lokaler Politik beeinflussen und
   gegebenenfalls verschieben. Es wird untersucht, wie lo-                    Prozessebene:
   kale Politik mit diesen Prozessen umgeht, um zu verste-                    Wie verhält und positioniert sich lokale Politik in diesen
   hen, wie sie sich darin positioniert und fortentwickelt.                   kommunikations- und beteiligungsorientierten Prozes-
                                                                              sen (neuen) Stadtmachens?
   Anknüpfend an diese Zielsetzung folgt das Projekt drei                     Auf Prozessebene wird erforscht, wie sich lokale Politik
   aufeinander aufbauenden Forschungsfragen:                                  in kommunikations- und beteiligungsorientierten Prozes-
                                                                              sen des Stadtmachens einbringt, diese aktiv (mit-)gestal-
                                                                              tet oder zurückhaltend beobachtet, und wie diese mit poli-

   Lokale Politik als Teil der Arenen des Stadtmachens:
   Wie entwickelt Politik Stadt? Wie mit Politik Stadt entwickeln?

                                  Verwaltung

           Politik                                             Zivilgesellschaft

                         Markt               Intermediäre

       STADTENTWICKLUNG
   Abbildung 1: Lokale Politik als Teil der Arenen des Stadtmachens: Wie entwickelt Politik Stadt? Wie mit Politik Stadt entwickeln?
   Quelle: Eigene Darstellung

10 |
tischen Verfahren und Abläufen verknüpft sind. Dabei ist     Fallstudien zu neuen Wegen des Stadtmachens
von Interesse, welche etablierten Vorgehensweisen sich
bewähren und welche neuen Wege lokale Politik unter ver-     Die skizzierten Spannungslinien werden anschließend in
änderten Voraussetzungen beschreitet.                        sechs Fallstudien untersucht. Vorerfahrungen aus an-
                                                             deren Forschungszusammenhängen zeigen, dass lokale
Lernprozesse:                                                Politik als Akteursgruppe in dialogorientierten Prozessen
Welche Veränderungs- und Lernprozesse lokaler Politik        der Stadtentwicklung weniger sichtbar und für Forsche-
werden daraus angestoßen?                                    rinnen und Forscher schwieriger greifbar ist, als Akteure
Die Erfahrungen, die lokale Politik aus Prozessen (neuen)    aus Verwaltung, Markt und Zivilgesellschaft. Dem Ziel fol-
Stadtmachens mitnimmt, ob über veränderte Rollen und         gend, in diesem Projekt das Wissen über die lokale Politik
Allianzen oder über angepasste Verfahren und Abläufe,        und ihre Rolle in kommunikations- und beteiligungsorien-
wirken auf die lokale Politik zurück. Veränderte Kommu-      tierten Prozessen des Stadtmachens zu erweitern, sollten
nikations- und Beteiligungsprozesse können eine positive     Fälle gewählt werden, in denen Politik herausgefordert
oder auch negative Wirkung auf die lokale politische Kul-    wird und anders auftritt und agiert als üblich.
tur, beispielsweise die Diskussionskultur entwickeln. Über
einzelne Projekte und Prozesse des Stadtmachens hinaus       Fallauswahl
können sich Rollen, Funktionen und Prozesse lokaler Poli-
tik nachhaltig verändern – und Veränderungs- und Lern-       Für die Fallauswahl wurden dazu sechs Suchbereiche für
prozesse lokaler Politik anstoßen.                           neue Wege des Stadtmachens definiert (Abbildung 2).

1.2   Methodik                                               Hoheitlich gestaltete Planungsprozesse mit starker
                                                             ­Dialogorientierung: Im Fokus stehen Planungen und
Das Forschungsprojekt erkundet die – veränderte – Rolle      Projekte, die durch eine Bedeutung für die Entwicklung
lokaler Politik in neuen Wegen des Stadtmachens. Im Fo-       der Gesamtstadt oder durch eine hohe Betroffenheit von
kus stehen die Berührungspunkte von Stadtplanung und          heutigen Bewohnerinnen und Bewohnern, Nachbarinnen
Politik, die sehr vielfältig und komplex sind. Dazu wird     und Nachbarn sowie Nutzerinnen und Nutzern eine starke
ein methodisches Vorgehen gewählt, das in einem ers-          öffentliche Aufmerksamkeit erhalten und daher mit in-
ten Schritt zunächst ein konzeptionelles Gerüst entwi-       tensiven Prozessen des Dialogs und der Beteiligung der
ckelt. Daran schließt sich eine dreigliedrige empirische     Anspruchsgruppen und Öffentlichkeit gestaltet werden.
Arbeit an. Zunächst werden sechs Fallstudien untersucht,     Lokale Politik findet sich in diesen Prozessen in einem
welche durch neue Wege des Stadtmachens die üblichen         Feld wieder, in dem ein hohes Maß an Kommunikation und
Rollen und Prozesse lokaler Politik herausfordern. In ei-     eine hohe Transparenz nach außen versprochen und ein-
nem Quervergleich werden anschließend Spannungslinien         gefordert werden und zugleich eine politische Willensbil-
zwischen Politik und Prozessen des Stadtmachens iden-         dung der entscheidungsfähigen Mandatsträgerinnen und
tifiziert. Abschließend werden – aufbauend auf einer Ex-     Mandatsträger hin zu einer verlässlichen Unterstützung
pertendiskussion im Rahmen eines Symposiums – Folge-         langfristig relevanter Stadtentwicklungsprozesse und
rungen für die Arenen lokaler Politik entwickelt.            -Projekte im Rat zu organisieren ist. Zu solchen hoheitlich
                                                              gestalteten Prozessen zählen beispielsweise die Planun-
Konzeption einer Landschaft lokaler Politik                   gen für neue große Stadtteile in Hamburg Oberbillwerder,
                                                             München Nordosten oder Köln Kreuzfeld oder große Inf-
Der erste konzeptionelle Bearbeitungsschritt entwickelt       rastrukturprojekte für neue Straßenbahn- oder S-Bahn-
einen breiten Blick auf die Schnittstellen von lokaler Po-    strecken oder integrierte Tunnellösungen für den öffent-
litik und Prozessen des Stadtmachens, welche Akteure         lichen Verkehr.
aus Verwaltung, Zivilgesellschaft, Markt und Intermedi-
äre beteiligen oder mitverantworten. Aufbauend auf einer     Testfelder Mobilität, Energie und Digitalisierung: Neue
Literaturrecherche werden die verschiedenen Dimensio-        wie etablierte Marktakteure widmen ihre Aufmerksam-
nen und Schnittstellen von Prozessen lokaler Politik und     keit dem urbanen Raum, um neue Technologien oder Ge-
Prozessen des Stadtmachens in einer Landschaft lokaler       schäftsmodelle in Koproduktion mit öffentlichen Akteuren
Politik skizziert. Aus dieser Landschaft leiten sich sechs   im Feld zu testen. Die Umsetzung erfolgt bisher häufig im
Spannungslinien ab, in welchen Politik- und Planungs-        lokalen Ausnahmezustand von Pilotquartieren oder urba-
prozesse ineinandergreifen, sich reiben oder auch be-        nen Laboren als Testfeldern der Transformation. Somit
fruchten.                                                    ergeben sich neue Anforderungen an hoheitliche Steue-

                                                                                                  vhw-Schriftenreihe Nr. 28 | 11
Suchbereiche für neue Wege des Stadtmachens als Grundlage für die Fallauswahl

                                                   Neue Formen gemeinnütziger
                                                        Stadtentwicklung

                                                              Verwaltung

                                                                                                        Hoheitliche Planungs-
           Zivilgesellschaft als
                                                                                                        prozesse mit starker
           Treiber und Macher
                                                                                                        Dialogorientierung

                                       Politik                                           Zivilgesellschaft

         Stadtentwicklung mit
                                                                                                        Testfelder Mobilität,
         Forschungspartnern,
                                                                                                        Energie & Digitalisierung
               in Reallaboren

                                                     Markt              Intermediäre

                                                          Neue Allianzen des
                                                           Agenda-Setting

   Abbildung 2: Suchbereiche für neue Wege des Stadtmachens als Grundlage für die Fallauswahl. Quelle: Eigene Darstellung

   rung und Regulierung, um zu gewährleisten, dass Ziele                   sie – vielfach unabhängig von Politik und Verwaltung –
   der Stadtentwicklung und Interessen der Allgemeinheit                   Konzepte und Pläne voran und adressieren damit gezielt
   nicht kompromittiert werden. Ambitionierte Projekte in                  die lokale Politik. Diese Form neuen Stadtmachens zeigt
   mehreren Städten beanspruchen unter dem Label einer                     sich zum Beispiel in Fällen wie stadtübergreifenden Netz-
   Smart City effiziente, ressourcenschonende Stadtteile der               werken, beispielsweise Immovielien, in Initiativen wie Rad-
   Zukunft zu kreieren. Beispiele für diese Testfelder sind                entscheiden oder auch in dem von Unternehmen voran-
   national oder von der EU geförderte Modellprojekte wie                  getriebenen Projekt München Modellstadt Mobilität 2030.
   city2share in München oder die Vorhaben im Rahmen der
   Smart City Cologne.                                                     Stadtentwicklung mit Forschungspartnern, in Reallabo-
                                                                           ren: Die hier gefassten neuen Wege des Stadtmachens
   Neue Allianzen des Agenda-Setting: Angestoßen durch                     werden zumeist von Forschungspartnern von außerhalb
   Markt, Intermediäre, Zivilgesellschaft – auch in unerwar-               der Kommune, wie Intermediäre oder wissenschaftliche
   teten Kooperationen – mischen sich neue Akteure und Al-                 Institutionen oder Programme auf der Ebene von Land,
   lianzen öffentlichkeitswirksam in den politischen Agen-                 Bund, EU angestoßen. In Kooperation mit kommunalen
   da-Setting-Prozess ein. Akteure mit starken Interessen                  Partnern werden hier Sonder- oder Modellprojekte kon-
   und Einflussmöglichkeiten, darunter Unternehmen, Ver-                   zipiert und realisiert. Die Prozesse sind stark durch For-
   bände und Stiftungen, arbeiten gemeinsam an der Ent-                    schungspartner von außerhalb der Kommune bestimmt,
   wicklung von Visionen, Zielen, Leitbildern. Somit treiben               die ihre eigenen Methoden anwenden und kaum in der

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Kommune und in der lokalen politischen Landschaft ver-           licherweise in den Aufgabenbereich etablierter, zum Teil
ankert sind. Die Fördermittelgeber fordern in diesen Pro-        auch kommunaler Träger fallen. Beispiele sind Stiftungen
jekten vielfältige Formen der Kommunikation und Be-              wie die Montag Stiftung Urbane Räume und Edith Maryon,
teiligung der lokalen Anspruchsgruppen ein. Zu diesen            aber auch Netzwerke wie das Mietshäusersyndikat.
Prozessen zählen beispielsweise Projekte im Rahmen der
Forschung für Nachhaltige Entwicklung (FONA) des Bun-            Zu jedem Suchbereich wurden Beispielsammlungen von
desministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) oder            etwa fünf Fällen erstellt – so dass verschiedene Variatio-
auch die Reallabore des Landes Baden-Württemberg.                nen der Prozesse des Stadtmachens in ihrem jeweiligen
                                                                 Feld erfasst wurden. Je Suchbereich sollte schließlich je
Zivilgesellschaft als Treiberin und Macherin: Initiativen        ein Fall ausgewählt werden. Zur besseren Vergleichbar-
aus der Zivilgesellschaft entwickeln konkrete Orte und           keit wurde die Auswahl auf kleine und große Großstädte
Räume in der Stadt, ob öffentlich zugängliche Freiräume,         beschränkt. Zudem sollten Erfahrungen aus verschiede-
neue Angebote und Nutzungen in bestehenden Gebäuden              nen Bundesländern einbezogen werden. Es wurden be-
oder neue oder umgebaute Häuser und Areale. Treiber              vorzugt solche Fälle gewählt, in denen aufgrund von Vor-
sind Bewohnerinnen und Bewohner, Nachbarinnen und                wissen und Vorrecherche Besonderheiten mit Blick auf
Nachbarn, Nutzende und Betreibende aus verschiedenen             die Spannungslinien und Lernprozesse lokaler Politik in
Bewegungen und Szenen wie der Kunst, Kultur, Jugend,             besonderem Maße zu erwarten waren.
Ökologie oder Integration. Projekte entstehen ungefragt
und zum Teil aus Widerstand gegen geplante Entwicklun-           Durchführung Fallstudien
gen. Einige davon schaffen den Weg in die Verstetigung und
Professionalisierung und setzen Impulse für die Stadtent-        Die Datenerhebung erfolgte in den Fallstudien schwer-
wicklung über den eigenen Standort hinaus. Bekannte Bei-         punktmäßig über Interviews mit Fachleuten und ergän-
spiele sind etwa das Gängeviertel in Hamburg, Utopiastadt        zend durch eine Sichtung von öffentlich zugänglichen Pla-
in Wuppertal und Bellevue di Monaco in München.                  nungsdokumenten. Dazu wurde eine Interviewstrategie
                                                                 erarbeitet, die eine Anleitung zur Auswahl der Interview-
Neue Formen gemeinnütziger Stadtentwicklung: Interme-            partnerinnen und -partner, einen Gesprächsleitfaden so-
diäre wie Stiftungen, Gemeinwohlunternehmen, Netzwerke           wie eine Auswertungsmatrix umfasste.
und Initiativen treten als Stadtentwicklerinnen und Stadt-
entwicklung auf. Sie kommen oft von außerhalb der Kom-           Die Expertinnen und Experten wurden pro Fall aus drei
mune, um Grundstücke für ihre Projekte zu suchen, sind           Bereichen gewählt:
aber keine Marktakteure, sondern gemeinwohlorientierte
Entwicklerinnen und Entwickler. Projekte in Bereichen wie        • gewählte politische Mandatsträgerinnen und Mandats-
Wohnen, Bildung oder Integration setzen neue Impulse für           träger aus Rat oder Bezirken, die mit den jeweiligen
Angebote und Leistungen für das Gemeinwesen, die üb-               Fällen befasst oder aktiv eingebunden sind,

 Suchbereich                                    Fall                           Land                     Stadtgröße

 Hoheitliche Planungsprozesse mit starker       Freiburg: Dietenbach           Baden-Württemberg        Kleine Großstadt
 Dialogorientierung
 Testfelder Mobilität, Energie &                Köln: Smart City Mühlheim,     Nordrhein-Westfalen      Große Großstadt
 Digitalisierung                                Nippes
 Neue Allianzen des                             München: Modellstadt           Bayern                   Große Großstadt
 Agenda-Setting                                 ­Mobilität 2030
 Stadtentwicklung mit Forschungspartnern,       Gelsenkirchen:                 Nordrhein-Westfalen      Kleine Großstadt
 in Reallaboren                                 Zukunftsstadt
 Zivilgesellschaft als Treiberin und Macherin   Berlin: Haus der Statistik     Berlin                   Große Großstadt
 Neue Formen gemeinnütziger                     Halle an der Saale: Urbane     Sachsen-Anhalt           Große Großstadt
 Stadtentwicklung                               Nachbarschaft Freiimfelde

Tabelle 1: Systematik Fallauswahl.

                                                                                                     vhw-Schriftenreihe Nr. 28 | 13
• Akteure aus den Ämtern der Verwaltung oder städti-          in einem Symposium im Oktober 2019 in der Niehler Frei-
     schen Gesellschaften, die in den Fällen hoheitliche Auf-    heit in Köln mit rund 20 Beteiligten der untersuchten Fall-
     gaben übernehmen sowie                                      studien und weiteren Expertinnen und Experten aus Poli-
   • die Machenden der Projekte, also projektverantwortli-       tik, Verwaltung, Unternehmen und Zivilgesellschaft sowie
     che Eigentümerinnen und Eigentümer, Bauverantwort-          Vertreterinnen und Vertretern der Wissenschaft diskutiert.
     liche, Auftraggeberinnen und Auftraggeber, Financiers,      In interaktiven Sessions zu den fünf Akteurssphären Poli-
     Planungsbüros, Prozessbegleitende oder sonstige Ex-         tik, Verwaltung, Markt, Zivilgesellschaft und Intermedi-
     pertinnen und Experten                                      äre wurden die bisherigen Befunde gespiegelt und wei-
                                                                 terentwickelt. Diese Reflexion, die offene Fragen zulässt
   Der Interviewleitfaden basiert auf den Dimensionen des        und neue Fragen aufwirft, sollte vertiefte Kenntnisse zur
   Untersuchungsgegenstands: Akteure, Inhalte, Prozessver-       Beantwortung der drei Forschungsfragen liefern und auch
   lauf, Formate und Methoden der Dialoggestaltung, (Re-)        die Verallgemeinerbarkeit der Kenntnisse unterstützen.
   Agieren lokaler Politik. Diese wurden mit den sechs Span-     Im Anschluss wurden die Folgerungen für die Arenen loka-
   nungslinien der Landschaft lokaler Politik verknüpft, wie     ler Politik überarbeitet und Bezüge zur Praxis abgeleitet.
   sie in der Konzeption entwickelt wurden (siehe Kapitel 2.2
   zu den Spannungslinien): (1) Verhältnis von Rat zu Bezirk     Grenzen der Methodik
   und Bürgerinnen und Bürgern sowie (2) von Rat zu Um-          Das Projekt folgt einem breiten Blick auf die Rollen, Ak-
   setzenden, (3) Prozesse des Agenda-Setting, (4) die Rolle     tivitäten und Prozesse im Kontext der Stadtentwicklung.
   überkommunaler Ebenen, (5) das Verhältnis politischer         Daher wird die Landschaft lokaler Politik in einem Über-
   Entscheidungsprozesse zu Planungsprozessen und (6) der        blick skizziert, um wesentliche Spannungslinien zwischen
   Weg von Leitbildern, Zielen und Strategien zur Umsetzung.     politischen und planerischen Prozessen herauszuarbeiten.
   Zu jeder dieser Dimensionen wurden Fragen formuliert und      Die Breite der Betrachtung steht einer Vertiefung einzel-
   sowohl aus der Perspektive der lokalen Politik als auch       ner Wissensbereiche entgegen. Die Literaturarbeit stützt
   aus der Außensicht der anderen Akteurssphären erfasst.        sich primär auf einführende und das Feld strukturierende
                                                                 Quellen. Eine breite Analyse von empirisch gehaltvollen
   Zu den sechs Fallstudien wurden in dem Zeitraum April bis     Studien konnte nicht erfolgen. Die Konzeption muss da-
   Juli 2019 insgesamt 33 Interviews mit Fachleuten geführt      her in Bezug auf empirische Evidenz unvollständig bleiben.
   und aus den Interviews Exzerpte erstellt. Diese wurden in
   eine Auswertungsmatrix überführt, wo sie systematisch         Die sechs Fallstudien machen ein breites Feld von Politik
   den beschriebenen Dimensionen und Spannungslinien zu-         im Stresstest auf, können darin aber nur sehr punktuell
   geordnet werden konnten (Auswertungsmatrix siehe An-          Einblick gewähren. Mit den Fallstudien wird eine Breite
   hang). Das ermöglicht sowohl eine systematische Aus-          von Beobachtungen eingefangen, welche viele Fundstücke
   wertung pro Fall als auch einen Quervergleich über alle       bieten, um die in der Konzeption postulierten Spannungs-
   Fälle. Die Fallbeschreibungen wurden entlang folgender        linien empirisch zu hinterlegen. Offen muss bleiben, ob
   vier Punkte einheitlich aufbereitet: (1) Einordnung in den    und in welchem Ausmaß diese Beobachtungen auch für
   Suchbereich im Sinne neuer Wege des Stadtmachens, (2)         andere Fälle der aktuellen politischen und planerischen
   Darstellung des Kontexts des jeweiligen Falls, (3) Erläu-     Praxis stehen und welche weiteren Strukturen und Pro-
   terung der Prozesse des Stadtmachens und (4) Beobach-         zesse das Zusammenwirken von Politik und Stadtplanung
   tungen zu den Spannungslinien lokaler Politik.                heute auszeichnen. Ebenso kann nicht geklärt werden, in
                                                                 welchem Verhältnis neuartige Akteure, Rollen und Pro-
   Spannungslinien im Quervergleich                              zesse zu etablierten Situationen stehen.
   Im zweiten empirischen Schritt wurden die Fallstudien
   entlang der sechs Spannungslinien querausgewertet. Die        Die Folgerungen aus Fallstudien und Quervergleich für die
   vielfältigen Beobachtungen wurden zu 25 Erkenntnissen         Arenen lokaler Politik haben daher einen bewusst skizzen-
   geclustert. Diese geben ein breites Bild wieder, wie lokale   haften Charakter. Es wird deutlich, dass das Zusammen-
   Politik und ihre Relationen zu anderen Akteurssphären in      wirken von Politik und Planung von einer erhöhten Vielfalt
   den Prozessen des Stadtmachens auf die Probe gestellt         an Akteuren und Arenen geprägt ist und daher an Kom-
   werden.                                                       plexität zunimmt. In der Folge sind alle Akteure aufgefor-
                                                                 dert, ihre eigenen Rollen, Fertigkeiten und Kompetenzen
   Folgerungen für die Arenen lokaler Politik                    zu überdenken und aktiv fortzuentwickeln. Dafür will die-
   Darauf aufbauend wurden Folgerungen für die Arenen lo-        ses Projekt ein Bewusstsein schaffen und erste konzep-
   kaler Politik entwickelt. Die Zwischenergebnisse wurden       tionelle und empirische Hinweise geben.

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2 Konzeption

2.1    Landschaft lokaler Politik

Das Forschungsvorhaben betrachtet Prozesse lokaler             Dieses Kapitel erläutert die Grunddefinition von lokaler
Politik in Zusammenhang mit stadtplanerischen Prozes-          Politik als Ausgangspunkt für dieses Forschungsprojekt
sen. Beide Prozesse sind in der Praxis stark miteinan-         und konkretisiert mit der Landschaft lokaler Politik zu-
der verwoben, werden aber in der Literatur der jeweiligen      gleich den Untersuchungsgegenstand für den empiri-
Fachwelt unterschiedlich konzipiert und aus unterschied-       schen Teil des Projekts.
lichen Perspektiven beschrieben. So stellt lokale Politik
in gewissem Maße einen blinden Fleck im Wissen um              Grundverständnis lokaler Politik
Planungsprozesse dar, und somit auch in der Gestaltung
von Planungsprozessen. Die Berührungspunkte zwischen           Lokale Politik
Stadtplanung und Politik sind sehr vielfältig und komplex,
denn beide Welten bringen jeweils spezifische Strukturen       Lokale Politik umfasst im Kern politische Parteien, Man-
und Abläufe mit. Diese können sich nach Phasen im Pro-         datsträgerinnen und Mandatsträger und die entschei-
zess, nach Akteuren und ihren Rollen und Beziehungen           dungsbefugten und beratenden Gremien, in denen diese
auf verschiedenen räumlichen und institutionellen Ebenen       sich organisieren, sowie die damit verbundenen Prozesse
oder auch nach Stufen der Konkretisierung stadtplaneri-        der Entscheidungsfindung und Kommunikation. Rat und
scher Vorhaben unterscheiden.                                  Bürgermeisterin oder Bürgermeister legen den zentralen
                                                               Rahmen fest (Pollex 2017: 222), der allerdings in einem
Um lokale Politik stärker in ihren Zusammenhängen mit          größeren Kontext zu betrachten ist. So zeigt sich in der
Planungsprozessen zu verstehen, werden diese verschie-         lokalen Politikforschung eine Abkehr vom staatsrecht-
denen Dimensionen in einer sogenannten Landschaft lo-          lich definierten Gemeindebegriff, der exklusiv Institutio-
kaler Politik skizziert. Diese Landschaft schließt auf einer   nen und Prozesse der Kommunalpolitik beinhaltet, hin zu
konzeptionellen Ebene auch die Prozesse der Planung            einem breiteren Verständnis von Lokalpolitik, das auch
und aktiven Entwicklung von Stadt ein. Sie gibt – wie eine     politische Institutionen, Akteure und Prozesse „außerhalb
Landkarte – Orientierung, an welcher Stelle Politik- und       der Rathäuser“ umfasst (Barbehön und Münch 2017: 5).
Planungsprozesse ineinandergreifen, sich reiben oder           Das „Lokale“ der lokalen Politik wird damit als spezifi-
auch befruchten. Die Landschaft ist dabei nicht vollstän-      sche räumliche Ausprägung der Politik verstanden, jen-
dig, auch ist sie nicht als konsolidiertes Modell zu verste-   seits eines engeren Verständnisses von Kommunalpolitik
hen. Vielmehr soll die Landschaft dazu auffordern, in der      (Heinolt und Meier 2001, in Barbehön und Münch 2017: 1).
eigenen Reflexion und auch wissenschaftlichen Untersu-
chung der Politik- und Planungspraxis weitere, korrigierte     Lokale Politik als Teil lokaler Demokratie
und auch vertiefte Perspektiven auf Politik und Planung
zu entwickeln. Der konstruktive Dialog zwischen Planung        Wohl bewusst, dass die Einbeziehung der Bürgerinnen und
und Politik auf kommunaler Ebene und die Wissensgene-          Bürger in kommunale Aufgabenerfüllung sich nicht auf
rierung an dieser Schnittstelle sollen unterstützt werden.     repräsentatives Government beschränkt, sondern auch

                                                                                                   vhw-Schriftenreihe Nr. 28 | 15
wechselseitigen Zusammenwirken die Demokratie auf
       Prozesse lokaler Politik
                                                                        kommunaler Ebene verkörpern“ (vhw - Bundesverband
       Politikkreislauf, Kommunalverfassungen,
       ­Kommunikationsmodell                                            für Wohnen und Stadtentwicklung e. V. o. J.).

                                                                        Planung als Teil lokaler Demokratie

                                                                        Mit diesem Verständnis lokaler Demokratie können die
                                                                        Phasen, Aktivitäten und Prozesse des Planens auf kom-
                                                                        munaler Ebene, welche sich zwischen inhaltlicher Bear-
                                                                        beitung und Kommunikation innerhalb der Planungswelt
                                                                        und Verständigung, Beratung, Entscheidung wie auch Um-
                                                                        setzung mit den Akteuren der Alltagswelt verorten, als
       Prozesse des Planens                                             Teil lokaler Demokratie verstanden werden (Schönwandt
       Planungskreislauf, Planungswelt,                                 2002). Planung findet immanent in einem politischen Raum
       ­Kommunikationsmodell
                                                                        statt. Der Planerin und der Planer wissen nach Burckhardt
                                                                        (2017: 105) zwar, wie geplant wird; was geplant und was
   Abbildung 3: Reißverschluss als Sinnbild für den Forschungsgegen-
                                                                        nicht, wird jedoch durch politische und gesellschaftliche
   stand: Verzahnung, Schnittstellen und Spannungslinien von planeri-
   schen und politischen Prozessen. Quelle: Eigene Darstellung.         Kräfte bestimmt.

                                                                        Dabei ist das Verhältnis von Planung und lokaler Demo-
                                                                        kratie mit lokaler Politik nicht einseitig, vielmehr formen
                                                                        sich beide wechselseitig. Rat und Bürgermeisterin oder
                                                                        Bürgermeister können als Bestellende von Planung be-
   Governance durch direktdemokratische Instrumente, zi-                trachtet werden, doch genauso sind sie Adressatinnen und
   vilgesellschaftliches Engagement und neue Intermediäre               Adressaten von planerischen Prozessen und Vorschlägen.
   umfasst (vhw - Bundesverband für Wohnen und Stadt-                   Das gilt insbesondere dann, wenn nicht-hoheitliche Ak-
   entwicklung e. V. 2019), bezieht sich die vorliegende For-           teure aktiv Stadt machen und gestalten.
   schung zunächst auf gewählte Mandatsträgerinnen und
   Mandatsträger und deren Gremien auf Stadt- und Bezirks-              Verortet man Planung im Diskurs über Entwurf oder De-
   ebene. Dabei sehen wir diese jedoch nicht als unabhän-               sign, so können Werte und Normen selbst zum Gegen-
   gig, sondern als integralen Bestandteil lokaler Demokra-             stand von Design und Planung werden. Neben das Ent-
   tie. Das Forschungsprojekt bettet Prozesse lokaler Politik           werfen von Produkten tritt das Design von Systemen und
   in Prozesse des Stadtmachens ein. Mit dieser Erweiterung             das Design von politischen Inhalten (Young 2008). Auch
   umfasst das Projekt zugleich Fragen lokaler Demokratie               Burkhardt argumentiert mit „Design ist unsichtbar”, dass
   als Erweiterung des Konzepts der lokalen Politik.                    Entwurf neben den sichtbaren Objekten auch unsichtbare
                                                                        gesellschaftliche Zusammenhänge zum Gegenstand ha-
   Im politikwissenschaftlichen Sprachgebrauch bezieht sich             ben kann (Burckhardt 1980). Gerade im Fall komplexer
   der Begriff Lokale Demokratie sowohl auf Kommunalpar-                räumlich-gesellschaftlicher Zusammenhänge und Aus-
   lamente, Bürgermeisterin beziehungsweise Bürgermeis-                 handlungsprozesse in Stadt und Region wird ein wesent-
   ter, Magistrate, Ortsbeiräte und die kommunale Verwal-               licher Beitrag von Entwerfen oder Design auf der Ebene
   tung (Wiesner 2018: 30). Doch Wiesner versteht unter der             des Agenda-Setting sowie der geteilten Vorstellungen und
   Förderung der lokalen Demokratie ebenso die Aktivierung              Orientierung gebenden Rahmenwerke verortet (vgl. Thier-
   und Förderung „lokaler Gemeinwesen“, ein Ansatz der auf              stein und Förster 2008; Förster 2011; Balz 2019; Lingua
   Putnam‘s et al. (1994) „making democracy work“ basiert               und Balz 2019).
   und die Rolle der Zivilgesellschaft im Sinne aller Bewoh-
   nerinnen und Bewohner einer Stadt oder eines Stadtteils              Aufbau der Landschaft lokaler Politik
   betont. Auch der Deutsche Städtetag sieht die „Einbezie-
   hung der Bürger in die Erfüllung der Aufgaben der ört-               Ausgehend von dem Kern lokaler Politik beschreibt die
   lichen Gemeinschaft“ als „Kern kommunaler Selbstver-                 Landschaft lokaler Politik Akteure und Prozesse, welche
   waltung“ (Deutscher Städtetag 2013). Die Website des vhw             für das absichtsvolle Planen, Gestalten und Machen von
   beschreibt lokale Demokratie als „die Gesamtheit aller lo-           Stadt relevant sind. Lokale Politik und ihre verknüpften
   kalpolitischen Strukturen, Prozesse und Akteure, die im              Prozesse können dabei sowohl als Rahmenbedingung von

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Lokale Demokratie

       Lokale Politik
       als Teil lokaler Demokratie

                                                                                           Prozesse des Stadtmachens
                                                                                           als Teil lokaler Demokratie

    Planung (= Stadtmachen) findet immanent in einem politischen Raum statt. Dabei ist das Verhältnis von
    Planung und lokaler Demokratie mit lokaler Politik nicht einseitig, vielmehr formen sich beide wechselseitig.
    Rat und Bürgermeisterin oder Bürgermeister können als Bestellende von Planung betrachtet werden, doch
    genauso sind sie Adressaten von planerischen Prozessen und Vorschlägen. Das gilt insbesondere dann, wenn
    nicht-hoheitliche Akteure aktiv Stadt machen und gestalten.

Abbildung 4: Zusammenspiel von lokaler Politik und Prozessen des Stadtmachens als Teil von lokaler Demokratie. Quelle: Eigene Darstellung

Planung verstanden werden als auch Zielgruppen und Wir-                 Im Zentrum der Landschaft steht die vereinfachte Struktur
kungsfeld planerischer Aktivitäten sein.                                der Kommunalpolitik im repräsentativen System, wie sie
                                                                        nach Grundgesetz Art. 28 in den demokratischen Staats-
Die Landschaft lokaler Politik gliedert sich in sechs unter-            aufbau eingegliedert wird (Bogumil und Holtkamp 2006,
schiedliche Bereiche, welche nachfolgend erläutert wer-                 in Pollex 2017: 223).
den. In diesen Bereichen finden jeweils unterschiedliche
Akteure in Prozessen der Kommunikation und Interaktion
zusammen.

1) 	Gewählte Mandatsträgerinnen und Mandatsträger: beraten, aushandeln, entscheiden

Die genauere Struktur und Bezeichnungen hängen in die-                  verwaltung zu beraten und Entscheidungen zu treffen. Der
sem Bereich von der Gemeindeordnung beziehungsweise                     Rat gilt als „Vertretung der im Ort ansässigen Bevölkerung“
Kommunalverfassung des jeweiligen Bundeslandes ab.                      (Kipke 2000, in Pollex 2017: 224) und ist das „zentrale Or-
Darüber hinaus variiert Politik auch durch städtische Be-               gan der politischen Willensbildung“, die alle politischen,
sonderheiten (Pollex 2017: 221).                                        rechtlichen, kulturellen oder wirtschaftlichen Belange der
                                                                        Gemeinde betreffen (Pollex 2017: 224).
Der Stadtrat besteht aus direkt gewählten Mandatsträge-
rinnen und Mandatsträgern und hat die Aufgabe, zu allen                 Der Rat besetzt Ausschüsse zu unterschiedlichen Themen
Belangen im Aufgabenbereich der kommunalen Selbst-                      und bestellt zudem Beiräte, die sich ebenfalls aus Rats-

                                                                                                                    vhw-Schriftenreihe Nr. 28 | 17
Prozesse lokaler Politik     Pr
                       EU

                       Bund                                                                          Politik                                                         Verwaltung
                                                                         Bundesverband

                                                                                                                                               umsetzen
                       Land                                              Landesverband

                                                                         Kreisverband
                                                                                                                         entscheiden

                       Kommune
                                                                                                beraten, aushandeln                   (Ober-)Bürgermeister
                                                     Parteien

                                                                                                                                                                         leitet

                                                                                          Parteien   gewählte Mandatsträger
        Marktakteure                                                                                                                                                 Referenten/ Beigeordnete/ Bürgermeister
                                                                                                                                                                                        mit/ ohne Parteibuch
        Intermediäre                                                     Ortsverband                                               Stadtrat         vorbereiten                                                besc
                                                                                                                     beraten
                                                                                                                   verhandeln
                                                                                                                                                    beschließen                             leiten
                                                                                                                   beschließen

                                           Kirchen                                                                         Ausschüsse             bestellen

                                                                                                                                                                     Verwaltung
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                                                                Presse
                                                                                                                                                                                   städtische Gesellschaften
                                                                                                     Bezirke
                                                                             Investoren                                                            beraten

                                                                                                                                                                  beschließen
            Stiftungen                                                                                                                                            statten aus
                                      Unternehmen                        Ortsgruppen                   Bezirksrat      Bezirksbürgermeister/       Beiräte
                                                                                                                       Ortsvorsteher

       Agendasetting                                                                                 gewählte Mandatsträger                                                             GF Aufsichtsrat
                                                                                                                                                                                       mit/ ohne Parteibuch
                                                                                                     Bürger
                                          Kirchen                                                                                           wählen
                         Eigentümer
                                                                                                                                    Oberbürgermeister, Rat,                        Dritte
                                                                                                                                    Bezirksvertreter, Beiräte
                                                                                                                                                                  genehmigen
                                                     Verbände                                                                                                     kooperieren

                                                                          Bürgerinitiativen
                                                                                                     Zivilgesellschaft

   Abbildung 5: Landschaft lokaler Politik. Quelle: Eigene Darstellung

   mitgliedern, aber auch anderen wählbaren Bürgerinnen                                                       Eine Direktwahl einer Bürgermeisterin oder eines Bür-
   und Bürgern zusammensetzen und Entscheidungen des                                                          germeisters wurde in den meisten Bundesländern erst
   Rates vordiskutieren, um Empfehlungen abzugeben (Gi-                                                       durch die Reformen der 1990er-Jahre eingeführt (Kost und
   sevius 1991). So werden in den Gemeindeordnungen der                                                       Wehling 2010). Die Stellung des Stadtoberhauptes variiert
   meisten Bundesländer beispielsweise Ausländerbeiräte                                                       je nach Gemeindeordnung. Kennzeichnend ist seine Dop-
   vorgesehen, welche die Interessen ausländischer Einwoh-                                                    pelrolle als Vorsitz des Stadtrats und als Leiter der Ver-
   nerinnen und Einwohner vertreten sollen (z. B. § 56 GemO).                                                 waltung, sowie die Aufgabe der Vertretung der Gemeinde
                                                                                                              nach Außen (ebd.).
   Vertikal betrachtet gibt es in größeren Kommunen einen
   weiteren Rat auf Bezirksebene, der ebenfalls Belange                                                    Die Gemeindeordnungen der Länder (Grundgesetz Art.
   vordiskutiert und zum Teil auch zu Angelegenheiten ent-                                                 70) legen die Grundlage für das politische Handeln in den
   scheiden darf, die den Bezirk direkt betreffen (zum Bei-                                                Kommunen und bringen unterschiedliche Machtarchi-
   spiel § 35 Abs. 1 Gemeindeordnung NRW; Neue Bezirks-                                                    tekturen mit sich (Kipke 2000, Kost und Wehling 2010, in
   verfassung, 1975).                                                                                      Pollex 2017: 223). So hat beispielsweise der Rat in Sach-

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Prozesse lokaler Politik      Prozesse des Planens

                          Verwaltung
                                                                                   Alltagswelt
   umsetzen                                                                       Planungswelt                                    „Planungswelt“

                                                                                                                                  Planung durch: Verwaltung, Planungsbüros,
                                                                                                                                  Eigentümer, Bauherren, städtische Gesellschaften,
                                                                                                                                  Nutzer, Nachbarn

                                                                                                                                  Iterative Arbeitsschritte: Verständnis der Sachlage,
                                                                                                                                  Herstellen von Anleitungen, Verständigung über
-)Bürgermeister                                                                                                                   das Vorgehen, Eingriffe
                              leitet

                          Referenten/ Beigeordnete/ Bürgermeister
                                             mit/ ohne Parteibuch                                                                 Orientierungsrahmen
         vorbereiten                                                beschließen

        beschließen                              leiten

                                                                                                   Stufen der Konkretisierung     Planungs- und Baurecht

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                                        städtische Gesellschaften
       beraten

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                       statten aus                                                                                                Betrieb
       Beiräte

                                             GF Aufsichtsrat
                                            mit/ ohne Parteibuch
                                                                                          Kommunikation
 wählen                                                                                   formell/ informell
rgermeister, Rat,                       Dritte
vertreter, Beiräte
                       genehmigen
                       kooperieren

                     sen eine relativ schwache Stellung und ist auf Koopera-                                                    sachsen das der norddeutschen Ratsverfassung ersetzt,
                     tion mit Bürgermeisterin oder Bürgermeister und Ver-                                                       in dem ein starker Rat einem schwachen Verwaltungschef
                     waltung angewiesen. Das süddeutschen Ratsmodell, das                                                       gegenüberstand, der vom Rat gewählt wurde (Kost und
                     sich im Zuge von Kommunalverfassungsreformen immer                                                         Wehling 2010: 11). Die Magistratsverfassung, die dem par-
                     mehr ausgebreitet hat (Pollex 2017: 224), zeichnet sich                                                    lamentarischen System nahekommt, sieht eine Stadtver-
                     durch eine relativ starke Stellung der Bürgermeisterin                                                     ordnetenversammlung als Volksvertretung und einen Ma-
                     oder des Bürgermeisters aus (Kost und Wehling 2010). Er                                                    gistrat mit Oberbürgermeisterin oder Oberbürgermeister
                     oder sie nimmt hier eine überparteiliche Rolle ein, wäh-                                                   als Stadtregierung vor. Dieses Modell findet sich nur noch
                     rend der Rat konkordanzdemokratisch zusammengesetzt                                                        in Bremerhaven und, in abgewandelter Form mit volksge-
                     ist. Dass die Bürgermeisterin oder der Bürgermeister sich                                                  wählter Bürgermeisterin oder Bürgermeister, in Hessen
                     zur Durchsetzung ihrer Politik Stimmmehrheiten im Rat                                                      (Kost und Wehling 2010).
                     sichern müssen, stärke die Stellung der Kommunalvertre-
                     tung insgesamt (Wallneu 2008, in Pollex 2017: 225). So hat                                                 Prozesse der Kommunikation und Interaktion finden in-
                     dieses Modell auch in Nordrhein-Westfahlen und Nieder-                                                     nerhalb der Politik beispielsweise in Form von Beratungen

                                                                                                                                                                                         vhw-Schriftenreihe Nr. 28 | 19
und Abstimmungen statt, sowohl vorbereitend als auch in-       informelle Absprachen für mindestens ebenso relevant
   nerhalb von Gremiensitzungen. Gemeinderatsmitglieder-          wie formelle Regeln der Gemeindeordnung oder Verfas-
   innen und -mitglieder in 15 europäischen Ländern halten        sung (Pollex 2017: 222).

   2) 	Bürgerinnen und Bürger wählen politische Mandatsträgerinnen und Mandatsträger sowie Beiräte

   Bürgerinnen und Bürger haben in der repräsentativen De-        Überblick siehe Klemisch 1994: 51) sowie zahlreiche For-
   mokratie das gesetzlich verankerte Recht, Vertreterinnen       men der Bürgerbeteiligung und die Zusammenschließung
   und Vertreter im Stadtrat, Bezirksrat und die Oberbürger-      zu Bürgerinitiativen (Roth 1994: 49), die Zivilgesellschaft
   meisterin oder den Oberbürgermeister direkt zu wählen.         mit lokaler Politik in Verbindung bringen. So unterscheidet
   Dabei ist zu erwähnen, dass die Möglichkeit der „Partizipa-    Gisevius (1991) zwischen Beteiligungsmöglichkeiten, die
   tion an den meisten formalen Strukturen der repräsenta-        in der Verfassung verankert sind wie Kommunalwahl, Ver-
   tiven Demokratie auch auf lokaler Ebene“ an die deutsche       sammlungsrecht, Mitwirkung der Parteien, Rechtsschutz
   Staatsbürgerschaft geknüpft ist, eine Voraussetzung, die       oder auf anderer gesetzlicher Grundlage wie Bürgerent-
   viele Einwohnerinnen und Einwohner von Städten nicht er-       scheid, -begehren, -antrag, -versammlung oder Anregun-
   füllen. Eine Ausnahme bildet das Wahlrecht bei Kommu-          gen nach §3 BauGB, freiwilligen Angeboten wie Informa-
   nalwahlen für Bürgerinnen und Bürger anderer EU-Mit-           tion, Befragung, Planungsforen, Beiräte und organisierter
   gliedstaaten (Wiesner 2018: 31).                               Mitarbeit in Form von Bürgerinitiativen, Mitarbeit in Par-
                                                                  teien, sachkundige Bürgerinnen und Bürger, Bezirks- und
   Darüber hinaus gibt es Elemente direkter Demokratie,           Gemeindevertreterinnen und -vertreter.
   zum Beispiel Volksbegehren und Volksentscheid (für einen

   3) 	Umsetzung durch Verwaltung, städtische Gesellschaften und Dritte

   Die kommunale Verwaltung hat in Zusammenhang mit               Aufgaben und damit eine größere Wertschätzung städti-
   dem Stadtrat die Aufgabe, Beschlüsse vorzubereiten und         scher Gesellschaften statt (vgl. Bauer 2012).
   umzusetzen. An ihrer Spitze steht die Oberbürgermeisterin
   oder der Oberbürgermeister mit Referentinnen und Refe-         Darüber hinaus sind auch Dritte an Stadtentwicklungspro-
   renten, Beigeordneten oder Bürgermeisterinnen und Bür-         zessen beteiligt, die eigene Ziele mit eigenen Prozessen
   germeistern, die ebenfalls Fraktionen angehören können.        und Projekten verfolgen, aber dennoch an Entscheidungen
   Während die Politik weitgehend ehrenamtlich organisiert        der lokalen Politik gebunden sind. In vielen Fällen lassen
   ist, agiert die Verwaltung hauptamtlich und professionali-     sich kommunale Ziele und Pläne nur durch Kooperatio-
   siert (bpb - Bundeszentrale für politische Bildung o. J.-a).   nen mit Dritten umsetzen, welche über Grundstücke und
                                                                  finanzielle Mittel verfügen oder standortrelevante Nutzun-
   Auf der Umsetzungsebene sind zudem städtische Gesell-          gen betreiben. Gerade bei großräumigen und komplexen
   schaften aktiv, die Aufgaben der Daseinsvorsorge oder          Projekten ist man häufig auch beidseitig auf Kooperation
   städtische Entwicklungsaufgaben übernehmen, darunter           zwischen öffentlichen und privaten Akteuren angewiesen.
   Stadtwerke, Verkehrsbetriebe, Wohnungsbaugesellschaf-
   ten, Sanierungsträger oder Entwicklungsgesellschaften.         Bei der Umsetzung durch Dritte kann lokale Politik Ein-
   In deren Aufsichtsrat ist wiederum lokale Politik vertreten.   fluss auf Konzepte und Betreibermodelle nehmen sowie
   Die Verwaltung übernimmt dabei die Aufgabe des Beteili-        versuchen, über Förderungen und Regulierungen die ge-
   gungsmanagements, was die übergreifende, strategische          wünschten Ergebnisse zu steuern. Die Leistungen lokaler
   Steuerung aller Unternehmen umfasst, die im Eigentum           Politik werden auch an den Ergebnissen der Umsetzung
   der Kommune stehen oder an denen sie beteiligt ist (vgl.       gemessen. Dabei stehen städtische Leistungen und Ein-
   Klug 2013). Nach Phasen umfassender Privatisierung fand        richtungen im Wettbewerb mit anderen Anbietern und sich
   in den letzten Jahren eine Rückbesinnung auf kommunale         neu entwickelnden alternativen Betreibermodellen.

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