Marktcheck und Situation zu steigenden Lebensmittelpreisen - Hintergrundinformationen März 2023
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Marktcheck und Situation zu steigenden Lebensmittelpreisen Hintergrundinformationen März 2023 Frank Waskow, Silvia Monetti Gruppe Markt und Konsum, Verbraucherzentrale NRW essen.fuer.alle@verbraucherzentrale.nrw Stand: 13.04.2023
Wie sind wir vorgegangen im Marktcheck? • Preise von 20 Lebensmittel des täglichen Bedarfs bei verschiedenen Einzelhändler (Edeka, Rewe, Lidl, Aldi Süd / Nord) am 21. März 2023 erhoben • Fünf Kommunen in NRW: Düsseldorf, Bergisch Gladbach, Münster, Greven/Emsdetten, Kerpen • Für jedes Lebensmittel wurden die Preise des teuersten und des günstigsten Produkts unter Einbeziehung aktueller Sonderangebote in den jeweiligen Geschäften dokumentiert Somit konnten zwei Warenkörbe ermittelt werden: einen mit den günstigsten und einen mit den teuersten Produkte über alle Einzelhändler und Filialen • Lebensmittel mit besonderen Qualitätsmerkmalen, bspw. Bio oder Fairtrade, wurden nicht berücksichtigt. Fleischprodukte stammten aus der Tierhaltungsstufe 1 oder 2, Eier stammten aus Bodenhaltung. Alle Lebensmittel der Stichprobe waren lose oder verpackt in Selbstbedienung, in den Supermärkten wurden keine Produkte von Bedienungstheken berücksichtigt
Ergebnisse des Marktchecks Erhebliche Preisunterschiede über alle untersuchten Filialen • Bei 15 von 20 Lebensmitteln gab es Preisunterschiede bei vergleichbaren Produkten von über 100 % – ein Lebensmittel lag sogar über 400 % • Die Preise vergleichbarer Eigenmarken des Handels weichen meist nur wenig oder gar nicht voneinander ab und sind überall günstiger als Markenprodukte, dabei ist die Qualität meist ähnlich (Stiftung Warentest1) • Preise gleicher Markenprodukte sind teils sehr unterschiedlich, teils gleich • Der Gang zum Discounter ist nicht bei jedem Lebensmittel die günstigste Wahl; dort finden sich aber meist geringere Preisspannen im Vergleich zu Supermärkten • Obst und Gemüse (saisonale Lagerware) entgegen Behauptungen günstiger als Fleisch Quellen: Eigene Datenerhebung 1 Stiftung Warentest (2023): Handelsmarke gegen Marke – Die Sparstars. In: test-Magazin Nr. 2/2023
Wirsing Lauch Möhren Äpfel Bananen Kartoffeln Weizentoastbrot Frische Weizenbrötchen Weizenmehl Typ 405 Spaghetti Reis Frische Milch Joghurt Gouda Eier Über alle Einkaufsstätten: Hackfleisch Günstigster Warenkorb: 31,98 € Hühnerbrust Kidneybohnen Teuerster Warenkorb: 62,93 € Sonnenblumenöl Differenz: 30,95 €, entspricht 97 % Butter Quelle: Eigene Datenerhebung März 2023
Preisspannen zwischen dem günstigsten und dem teuersten, vergleichbaren Lebensmittel Möhren 0,95 - 3,55 €/kg Preise vergleichen lohnt sich. Discounter sind nicht bei jedem Äpfel 0,86 - 3,99 €/kg Lebensmittel die günstigste Wahl – Eigenmarken-Produkte aber schon! Kartoffeln 1,78 - 5,98 €/kg Weizentoastbrot 0,99 - 4,98 €/kg Parboiled Reis 0,99 - 4,98 €/kg Joghurt 1,70 - 3,98 €/kg Sonnenblumenöl 2,49 - 6,12 €/l Butter 5,96 - 13,96 €/kg Quelle: Eigene Darstellung aufgrund von eigener Datenerhebung am 21.03.2023
Hintergrund zu steigenden Lebensmittelpreisen
Entwicklung der Verbraucherpreise 2021-2023 • 2000-2019: durchschnittlich ca. +1,5 % • 2020-2021: durchschnittlich ca. +3 % • 2021-2022: durchschnittlich +13 % • März 2022 - März 2023: +22,3 %, Lebensmittel sind Inflationstreiber geworden • Große Unterschiede in den Produktgruppe (durchschnittliche Teuerung 2022): o Weizenmehl +34 %, Nudeln +28 % o Sonnenblumen- und Rapsöl +65 %, Butter +40 % o Frische Milch +20-22 % (je nach Fettstufe), Joghurt +16 %, Schnittkäse +20 %, Quark +35 % o Rinderhackfleisch +30%, Geflügelfleisch +23 % o Tomaten +17 %, Gurken +27 %, Gemüsekonserven +23 %, Kartoffeln +15 % o Frischer Fisch +15 % Quelle: Statistisches Bundesamt (10.03.2023), Verbraucherpreisindex Nahrungsmittel, Beträge jeweils auf- und abgerundet
Verbraucherpreise im März 2023 • Allgemeine Inflationsrate mit +7,4 % leicht rückläufig • Teuerung von Nahrungsmittel auf +22,3 % gestiegen (Feb. 2023: +21,8 %) inzwischen höher als die von Energiepreisen (März 2023: +3,5 %, Feb. 2023: +19,1 %) Nicht alle Preissteigerungen basieren auf höheren Energie- und Herstellungskosten. Diese werden erheblich verstärkt durch: • Mitnahmeeffekte in der Lebensmittelwertschöpfungskette Aktuelle Analyse zeigt: die vier führenden Lebensmittelhändler haben in den letzten zwanzig Jahren die Inflation nicht gedämpft, sondern erhöht1 • Spekulation an Warenterminbörsen (Rohstoffe, Düngemittel, Grundnahrungsmittel) • „Horten“ von Vorräten durch Unternehmen, Verbraucher:innen, Staaten (bspw. China bei Weizen und Mais) → Die Preisbildung von Lebensmitteln ist in hohem Maße intransparent und spekulativ! 1 Lademann, R., Kleczka, M. (2023). Marktbeherrschung im Lebensmitteleinzelhandel? Eine wettbewerbsökonomische Analyse der Handelsentwicklung und ihrer Folgen für Lieferanten und Verbraucher. Dfv Mediengruppe, R&W.
Allgemeine Inflation und Lebensmittelteuerung Veränderung je Monat im Vorjahresvergleich in Prozent 25 22,3 % 20 Krieg gegen Teuerungsrate die Ukraine Nahrungsmittel 15 Steigende Energiepreise Inflationsrate nach Ende der gesamt 10 Pandemie 7,4 % 5 0 Jan 21 Mai 21 Mai 22 Feb 21 Jun 21 Jan 22 Feb 22 Jun 22 Jan 23 Feb 23 Mrz 21 Okt 21 Mrz 22 Okt 22 Mrz 23 Apr 21 Jul 21 Nov 21 Dez 21 Apr 22 Jul 22 Nov 22 Dez 22 Aug 21 Sep 21 Aug 22 Sep 22 Quelle: Eigene Darstellung. Daten: Statistisches Bundesamt , Pressemitteilung Nr. 127 vom 30. März 2023, und Verbraucherpreisindex Nahrungsmittel Ergebnisse vorläufig (Stand: 11.04.2023)
Wie sind statistische Verbraucherpreise einzuordnen? • Die Verbraucherpreisdaten vom Statistischen Bundesamt beruhen auf Monats-und Vorjahresvergleichen und bilden Durchschnittsdaten ab. Konkrete Produkte und Marken werden nicht abgebildet. • Durchschnittsdaten allein verschleiern „Auswüchse“ des Marktes und geben nicht die Einkaufsrealität der Verbraucher:innen wider → extrem hohe Preise werden durch die Durchschnittsberechnung egalisiert. • Der statistische Jahresvergleich zeigt nicht das ganze Bild Lebensmittelpreise steigen seit Juni 2021 besonders stark an → wenn man den Zeitraum Feb. 2023 zu Juni 2021 vergleicht, sind die tatsächlichen Preiserhöhungen deutlich größer als es die statistischen Daten wiedergeben. • Die meisten Verbraucher:innen haben seit Juni 2021 keinen Inflationsausgleich für Lebensmittel erhalten. Für Lohnerhöhungen wird seit Feb. 2023 Jahres gestreikt.
Was Vorjahresvergleiche nicht zeigen! Zunahme Verbraucherpreis im Februar 2023, Veränderung gegenüber Vorjahresmonat in % Zunahme Verbraucherpreis im Februar 2023, Veränderung gegenüber Juni 2021 in % 88 76 69 64 58 60 59 44 42 42 42 43 36 29 27 26 24 17 17 16 Quelle: Eigene Berechnung aufgrund von: Statistisches Bundesamt (10.03.2023), Verbraucherpreisindex Nahrungsmittel Beträge jeweils auf- und abgerundet
Was Durchschnittsdaten nicht zeigen! Der Alltag der Verbraucher:innen: Extrem unterschiedliche Preise für gleiche bzw. vergleichbare Produkte Quelle: Eigene Bilder Erhebung von Butter- und Sonnenblumenölpreisen in Edeka-, REWE-, Lidl- und Aldi Süd-Filialen am 24.05.2022 Erhebung von Gurkenpreisen in Edeka-, REWE-, Lidl- und Aldi Süd-Filialen am 21.03.2022
Was wir beobachten • Lebensmittelpreise steigen in Deutschland stärker als in anderen EU-Ländern: Veränderung im Vergleich zum Vorjahresmonat (2015 = 100 - Feb. 2023)1: Deutschland +43 %, Niederlande +34 %, Belgien +33 %, Österreich +32 %, Spanien +34 %, Frankreich +28 %, Italien +26 %, EU +38 % • Preise von Handelsmarken wie Ja! (Rewe), Gut & Günstig (Edeka), Milsani (Aldi Süd), Milbona (Lidl) sind prozentual stärker gestiegen als Markenprodukte – trotzdem in der Regel günstiger • Preissteigerungen zum Teil nicht nachvollziehbar → Verdacht: Mitnahmeeffekte (z.B. Butter, Zucker, Rapsöl) Wegen intransparenter Preisbildung kaum nachzuweisen • Neues Preisniveau auf dem Markt: Preise bleiben weiter auf hohem Niveau Aber Ausnahmen: Gemüse, Milchprodukte, Pflanzenöle sinken derzeit 1 Eurostat (März 2023), Harmonisierte Verbraucherpreisindizes Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke (2015=100, Beträge jeweils auf- und abgerundet)
Was wir beobachten Versteckte Preiserhöhungen: • Downsizing (Shrinkflation): reduzierte Füllmengen bei gleichen Preis (aber auch: Menge reduziert und Preis erhöht) • Sanella: 400 statt 500 Gramm für 2,19 €: +25 % • Naturgut Bio Holzofen-Pizza: 410 statt 460 Gramm, von 2,99 auf 2,49 €: +35 % • Lammsteaks Jack´s Farm: 300 statt 400 Gramm für 6,99 €: +33 % • Haribo Goldbären: 175 statt 200 Gramm für 0,99 €: +14 % • Downgrading (Skimpflation): Austausch von hochwertigen, teuren Rohstoffen gegen günstigere, bei gleichem Preis • Rama Dreiviertelfettmargarine 60%: 36 % statt 46 % Rapsöl, dafür mehr Wasser • Milka Nussini Waffelschnitte: 9,5 % statt 14 % Haselnüsse → daher keine Haselnusscreme mehr, sondern Creme mit Haselnussgeschmack Quelle: Eigene Datenerhebung (VZ NRW / VZ Hamburg)
Energiepreise und Ukraine-Krieg: Folgen für die Preisen ausgewählter Lebensmittelgruppen Verbraucherpreisindex Nahrungsmittel, Veränderung im Vorjahresvergleich in % 55 50 Krieg gegen Brot, die Ukraine Getreideerzeugnisse 45 Fleisch, Fleischwaren 40 35 Molkereiprodukte, Eier 30 Steigende Gemüse 25 Energiepreise 20 nach Ende der Obst Pandemie 15 Speisefette, Speiseöle 10 5 0 Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Jan Feb 21 21 21 21 21 21 21 21 21 21 21 21 22 22 22 22 22 22 22 22 22 22 22 22 23 23 Quelle: Eigene Darstellung aufgrund von: Statistisches Bundesamt (März 2023),Verbraucherpreisindex Nahrungsmittel
Hintergrund: Gemüse- und Obstpreise • Deutschland kann sich mit Obst und Gemüse1 nicht selbst versorgen. • Die Preise von Gemüse und Obst bewegen sich trotz Pandemie und Krieg in der Ukraine größtenteils im Preiszyklus der Jahreszeiten. Sie sind prozentual weniger gestiegen als tierische Lebensmittel und Pflanzenöle – einige Lebensmittel bewegen sich noch auf dem Niveau des Jahres 2020. • Nach Beginn des Ukrainekriegs sind die Kartoffelpreise fünf Monate lang angestiegen, um dann wieder auf das übliche Niveau zurückzukehren. Ein Teil der Preiserhöhungen geht zudem auf die schlechte Ernte im Herbst 2022 zurück. • Der Preis von Wirsing ist seit der Jahreswende 2022/23 sehr stark angestiegen, unter anderem weil die Saison sich dem Ende nähert. • Auch Import und Treibhausware wie Salate, Tomaten, Paprika und Gurken sind in den letzten Monaten stark angestiegen. Hier spielen u.a. Missernten durch Frost / Unwetter in den Mittelmeerländern eine Rolle. 1 Der Selbstversorgungsgrad 2021/2022 betrug bei Obst 14 % und bei Gemüse 37 % (AMI, BLE, BMEL 2022)
Verbraucherpreisindex ausgewählter Gemüse, Kartoffeln und Obst 225,0 Januar 2020 - Februar 2023 (2020 = 100 %) 200,0 175,0 150,0 125,0 100,0 75,0 Krieg gegen Steigende die Ukraine 50,0 Energiepreise nach Ende der 25,0 Pandemie 0,0 Jan 20 Mai 20 Jun 20 Jan 21 Mai 21 Jun 21 Jan 22 Mai 22 Jun 22 Jan 23 Feb 20 Feb 21 Feb 22 Feb 23 Mrz 20 Okt 20 Mrz 21 Okt 21 Mrz 22 Okt 22 Apr 20 Jul 20 Nov 20 Dez 20 Apr 21 Jul 21 Nov 21 Dez 21 Apr 22 Jul 22 Nov 22 Dez 22 Aug 20 Sep 20 Aug 21 Sep 21 Aug 22 Sep 22 Lauch Wirsing Kartoffeln Möhren Kopfsalat/Eisbergsalat Tomaten Paprika Gurken Äpfel Bananen Quelle: Eigene Darstellung aufgrund von: Statistisches Bundesamt (März 2023),Verbraucherpreisindex Nahrungsmittel
Hintergrund: Getreidepreise • Deutschland kann sich mit den meisten Getreidearten selbst versorgen (Ausnahmen: Mais, Hartweizen). • Nach Beginn des Ukrainekriegs sind die internationalen Getreidepreise explodiert, weil Ukraine und Russland bis dahin die Hauptexporteure waren. • Die Getreidepreise orientieren sich an den Weltmärkten und Börsen, an denen mit Weizen und Mais gehandelt bzw. spekuliert wird. • Juli 2022: Abkommen zur Ausfuhr von Getreide und anderer landwirtschaftlicher Güter aus der Ukraine. Das Abkommens war und ist jedoch immer wieder gefährdet. Mitte März 2023 wurde es für vier Monate verlängert. • Die Getreidepreise sind inzwischen auf den Weltmärkten gesunken sind, aber immer noch deutlich höher als vor dem Krieg. • Eine Rolle spielen zudem Missernten in Erzeugerländern (bspw. Kanada und Indien, Hitzewellen in der EU im Sommer 2022).
Verbraucherpreisindex ausgewählter Getreideprodukte Januar 2020 - Februar 2023 (2020 = 100 %) 225,0 200,0 175,0 150,0 Krieg gegen 125,0 die Ukraine Nudeln Reis 100,0 Getreide- Weizenmehl Abkommen frische Brötchen Steigende 75,0 Energiepreise Toastbrot nach Ende der 50,0 Pandemie 25,0 0,0 Nov 21 Aug 20 Nov 20 Dez 20 Dez 21 Sep 22 Nov 22 Dez 22 Mrz 20 Mrz 21 Mrz 22 Feb 20 Mai 20 Sep 20 Feb 21 Aug 21 Sep 21 Feb 22 Aug 22 Feb 23 Apr 21 Mai 21 Mai 22 Jan 20 Jun 20 Jul 20 Okt 20 Apr 20 Jan 21 Jun 21 Jul 21 Okt 21 Jan 22 Jun 22 Jul 22 Okt 22 Apr 22 Jan 23 Quelle: Eigene Darstellung aufgrund von: Statistisches Bundesamt (März 2023),Verbraucherpreisindex Nahrungsmittel
Hintergrund: Sonnenblumenölpreise • Mit dem Beginn des Kriegs gegen die Ukraine ist Sonnenblumenöl extrem teuer geworden. Ukraine und Russland waren weltweit größten Exporteuren von Sonnenblumensaaten. Die Preisbildung bei Ölen wird zudem von den internationalen Märkten und Börsen beeinflusst. • Noch im Februar 2023 war Sonnenblumenöl über 60 % teurer als im Vorjahr. Inzwischen werden wieder Sonnenblumensaaten aus der Ukraine exportiert, und die Preise bei den Ölmühlen sinken. • Einige Einzelhändler haben die Preise für Sonnenblumenöle inzwischen gesenkt. Damit werden die Preise für Rapsöl wahrscheinlich bald nachgeben. • Ein Preisniveau wie vor dem Ukraine-Krieg wird jedoch nicht mehr erreicht. Energiepreise (vor allem Treibstoffe) sind immer noch hoch und für Transporte fallen deutlich höhere Kosten an.
Verbraucherpreisindex pflanzliche Fette und Öle Januar 2020 - Februar 2023 (2020 = 100 %) 225 200 175 Margarine 150 Olivenöl 125 Sonnenblumen- 100 und Rapsöl Krieg gegen 75 Steigende die Ukraine Energiepreise nach Ende der 50 Pandemie 25 0 Aug 20 Sep 20 Aug 21 Sep 21 Aug 22 Sep 22 Jul 20 Nov 20 Dez 20 Apr 21 Jul 21 Nov 21 Dez 21 Jul 22 Nov 22 Dez 22 Mai 20 Okt 20 Okt 21 Okt 22 Mrz 21 Mai 21 Mai 22 Jan 20 Mrz 20 Apr 20 Jun 20 Jan 21 Jun 21 Jan 22 Mrz 22 Apr 22 Jun 22 Jan 23 Feb 20 Feb 21 Feb 22 Feb 23 Quelle: Eigene Darstellung aufgrund von: Statistisches Bundesamt (März 2023),Verbraucherpreisindex Nahrungsmittel
Hintergrund: Milch- und Butterpreise • Deutschland kann sich mit Milch selbst versorgen, obwohl viele Milchbetriebe aufgegeben haben. Doch das Milchangebot ist weitgehend gleich geblieben, obwohl der Konsum leicht sinkt. • Die Erzeugerpreise für Milch haben im Dezember 2002 einen Höhepunkt mit bis zu 60 ct/Liter erreicht. Die Verbraucher:innen haben auf die Preissteige- rungen reagiert und weniger Milch und Milchprodukte gekauft. Inzwischen sinken die Milchpreise und liegen bei ca. 52,40 ct/Liter (Feb. 2023).1 • Die Butterpreise steigen bereits seit 2021,mit dem Beginn des Ukraine-Krieges sind sie explodiert. Preissteigerungen nicht nachvollziehbar. Verdacht bei teuren Butterangeboten: Mitnahmeeffekte zum Nachteil der Verbraucher:innen. Auch die nun stark fallenden Butterpreise seit Anfang 2023 sind ein weiteres Indiz. 1Erzeugerpreise Milch, Bundesgebiet: Auszahlungspreise der Molkereien für konventionell erzeugte Milch mit 4,0 % Fett und 3,4 % Eiweiß ab Hof, Durchschnitt aller Güteklassen, ohne Nach- und Abschlusszahlungen, nach Erzeugerstandort, ohne Anlieferung von Lieferanten aus EU-Mitgliedstaaten, in EUR/100 kg ohne MwSt. (Quelle: AMI)
Verbraucherpreisindex Vollmilch und ausgewählte Milchprodukte Januar 2020 - Februar 2023 (2020 = 100 %) 225,0 200,0 175,0 150,0 Vollmlch 125,0 Joghurt Gouda 100,0 Butter Krieg gegen Steigende die Ukraine 75,0 Energiepreise nach Ende der 50,0 Pandemie 25,0 0,0 Aug 20 Sep 20 Aug 21 Sep 21 Aug 22 Sep 22 Jul 20 Nov 20 Dez 20 Jul 21 Nov 21 Dez 21 Jul 22 Nov 22 Dez 22 Okt 20 Okt 21 Okt 22 Jun 21 Jan 20 Mrz 20 Apr 20 Mai 20 Jun 20 Jan 21 Mrz 21 Apr 21 Mai 21 Jan 22 Mrz 22 Apr 22 Mai 22 Jan 23 Jun 22 Feb 20 Feb 21 Feb 22 Feb 23 Quelle: Eigene Darstellung aufgrund von: Statistisches Bundesamt (März 2023),Verbraucherpreisindex Nahrungsmittel
Hintergrund: Fleischpreise • Die Verbraucherpreise für Fleischprodukte blieben in der Pandemie relativ stabil. Erst als das Ende der Pandemie absehbar war und die Energiepreise wegen der weltweit zunehmenden Nachfrage Anfang 2022 stiegen, bildete sich dies auch in moderat steigenden Fleischpreisen ab. Mit dem Beginn des Krieges gegen die Ukraine stiegen dann die Fleischpreise um ca. 25 % ggü. dem Vorkriegsniveau. • März 2023 im Vorjahresvergleich: Frisches Geflügelfleisch +42,5 % gemischtes Hackfleisch +36,2 %, Rinderhackfleisch +45,1 %. • Einen Teil der steigenden Erzeugerpreise konnten die Betriebe weitergeben. Es bleibt jedoch unklar, wie viel von den Mehreinnahmen tatsächlich bei den Herstellern / Erzeugern ankommt: laut Studie der Managementberatung Ebner Stolz hat der Lebensmittelhandel von den Preissteigerungen profitiert. • Die stark gestiegenen Energiepreise sind jedoch in den Verbraucherpreisen noch nicht komplett abgebildet. Daher ist es auch in 2023 mit weiteren Preiserhöhungen bei Fleisch- und Wurstwaren zu rechnen. Quelle: Statistisches Bundesamt (März 2023),Verbraucherpreisindex Nahrungsmittel / AMI 2023 / Handelsblatt 31.03.2023, Link
Verbraucherpreisindex ausgewählter Fleischprodukte Januar 2020 - Februar 2023 (2020 = 100 %) 225 200 175 Schweinehackfleisch, auch gemischt 150 Rinderhackfleisch 125 100 Frisches Krieg gegen Geflügelfleisch Steigende die Ukraine 75 Energiepreise nach Ende der Roher Schinken, Pandemie Schinkenspeck oder 50 Bauchspeck 25 0 Februar Oktober Februar Oktober Februar Oktober Februar Januar August April Juni Januar August August April Juni Januar April Juni Januar März September März September März September Mai Mai Mai Juli Juli Juli November Dezember November Dezember November Dezember 2020 2021 2022 2023 Quelle: Eigene Darstellung aufgrund von: Statistisches Bundesamt (März 2023),Verbraucherpreisindex Nahrungsmittel
Was bedeutet das für Verbraucher:innen? • Haushalte mit geringem Einkommen sind besonders stark belastet1 • Gesunde Lebensmittel teurer als ernährungsphysiologisch ungünstige (Quellen am Ende) • Armut steigt: 16,9% der Bevölkerung (14 Mio. Menschen) armutsgefährdet 20212, darunter 20 % Kinder und Jugendliche, 25 % junge Erwachsene3 → Immer mehr Menschen können sich eine gesunde Ernährung nicht (mehr) leisten. Rund drei Mio. Menschen (3,5% der Bevölkerung) sind von Ernährungsarmut betroffen 4 1 Statistisches Bundesamt (2022), Struktur Konsumausgaben privater Haushalte nach dem monatlichen Haushaltsnettoeinkommen 2021 2 Der Paritätische Gesamtverband (2023). Armutsbericht 2022 (aktualisiert) 3 Bertelsmann Stiftung (2023). Kinder- und Jugendarmut in Deutschland 4 FAO, IFAD, UNICEF, WFP, & WHO (2022). The State of Food Security and Nutrition in the World / WBAE beim BMEL (2023). Ernährungsarmut unter Pandemiebedingungen. Stellungnahme
Was wir fordern • Viele Preiserhöhungen liegen weit über den offiziellen Werten. Wir fordern die Politik auf, die Preisentwicklung im Handel und bei Herstellern sowie versteckte Preissteigerungen zu untersuchen. • In Krisenzeiten braucht der Lebensmittelmarkt dringend Leitplanken. Das gilt umso mehr, wenn es um Grundnahrungsmittel und Preiserhöhungen über das gesamte Sortiment geht. • Positionspapier der Verbraucherzentrale NRW (März 2023) Gutes Essen für alle in NRW. Positionen und Forderungen bei erheblich gestiegenen Lebensmittelpreisen www.verbraucherzentrale.nrw/sites/default/files/2023-03/pospap-lm-preise_vznrw.pdf
Was wir fordern • Einrichtung einer Markttransparenzstelle für Lebensmittelpreise • Einführung eines Preismonitors, der stichprobenweise die Marktpreise von konkreten Lebensmitteln abbildet. Damit würde auch der Einkaufsalltag von Verbraucher:innen in den Blick genommen werden • Kennzeichnung von Preiserhöhungen am Regal zur Offenlegung von versteckten Preiserhöhungen • Kompetenzen für das Kartellamt zur Überprüfung von Lebensmittelpreisen
Weitere Informationen • Monatliches Lebensmittelpreise-Monitoring der Verbraucherzentrale NRW www.verbraucherzentrale.nrw/lebensmittelpreise • Monetti, S. (2023). Ernährungsarmut in Deutschland Privatisierung des Hungers statt vorsorgender Sozialpolitik. In Der kritische Agrarbericht 2023. Schwerpunkt „Landwirtschaft & Ernährung für eine Welt im Umbruch“. ABL Verlag https://kritischer-agrarbericht.de/fileadmin/Daten-KAB/KAB- 2023/KAB_2023_331_337_Monetti.pdf
Weitere Quellen (Mehr)kosten einer gesunder Ernährung in Deutschland: • Kersting, M., & Claussen, K. (2007). Wie teuer ist eine gesunde Ernährung für Kinder und Jugendliche? Ernährungsumschau, 54(9), 508. • Thiele, S. (2014). Neuer Ansatz zur Ermittlung eines ALG-II-Mehrbedarfs für eine vollwertige Ernährung. Ernährungsumschau international, 2, 88-93. • Kuntz, B., Waldhauer, J., Zeiher, J., Finger, J. D., & Lampert, T. (2018). Soziale Unterschiede im Gesundheitsverhalten von Kindern und Jugendlichen in Deutschland – Querschnittergebnisse aus KiGGS Welle 2. • WBAE beim BMEL (2020). Politik für eine nachhaltigere Ernährung: Eine integrierte Ernährungspolitik entwickeln und faire Ernährungsbedingungen gestalten. Gutachten. • Biesalski, H. K. (2021). Ernährungsarmut bei Kindern – Ursachen, Folgen, COVID-19. Aktuelle Ernährungsmedizin, 46(05), 317-332. • Kabisch, S., Wenschuh, S., Buccellato, et al. (2021). Affordability of different isocaloric healthy diets in Germany – An assessment of food prices for seven distinct food patterns. Nutrients, 13(9), 3037. • Hohoff, E., Zahn, H., Weder, S., et al. (2022). Food costs for vegetarian, vegan and omni-vore child nutrition: is a sustainable diet feasible with Hartz IV. Ernährungsumschau, 69(9), 136-40. • Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste (2022). Kosten einer Ernährung nach den Empfehlungen der DGE. WD 5 - 3000 - 143/22 • WBAE beim BMEL (2023). Ernährungsarmut unter Pandemiebedingungen. Stellungnahme.
Weitere Quellen Mitnahmeeffekte in der Lebensmittelwertschöpfungskette: • Ragnitz, J. (2022). Gewinninflation und Inflationsgewinner. ifo Dresden berichtet, 29(05), 24-28. • Lademann, R., Kleczka, M. (2023). Marktbeherrschung im Lebensmitteleinzelhandel? Eine wettbewerbsökonomische Analyse der Handelsentwicklung und ihrer Folgen für Lieferanten und Verbraucher. DfV Mediengruppe, R&W.
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