Masterarbeit Zuspiel-Antizipationsfähigkeit von Trainern und
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Zuspiel-Antizipationsfähigkeit von Trainern und Spielerinnen im österreichischen Damenspitzenvolleyball Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Master of Science an der Karl-Franzens-Universität Graz vorgelegt von Stephanie WIESMEYR am Institut für Bewegungswissenschaften, Sport und Gesundheit Begutachter: Univ.-Prof. Mag. Dr.rer.nat., Markus, TILP Graz, 2021
Erklärung Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen inländischen oder ausländischen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Die vorliegende Fassung entspricht der eingereichten elektronischen Version. Graz, am _________________ ___________________________________ (Unterschrift)
Vorwort Diese Masterarbeit entstand im Rahmen meines Sportwissenschaftsstudiums an der Karl-Franzens-Universität in Graz. Ich spiele selber in der höchsten österreichischen Damenliga Volleyball und so weckte dieses Thema Interesse in mir. Ein großes Dankeschön geht an Univ.-Prof. Mag. Dr. rer. nat. Markus Tilp und Mag. rer. nat Norbert Schrapf für die Ermöglichung dieser Masterarbeit und die sehr gute Betreuung, während dieser Arbeit. Ich möchte mich außerordentlich bei meinen Eltern und bei meinem Freund Michael für die Unterstützung und das Verständnis während des gesamten Studiums bedanken. Weiterer Dank gebührt meiner gesamten Familie und meinen Freunden und Freundinnen. An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass in dieser Masterarbeit keine geschlechtergetrennten Formulierungen zu finden sind. Da der Damenvolleyball im Fokus steht, wird in weiterer Folge ausschließlich die weibliche Form verwendet, um den Lesefluss nicht zu stören. Seite 3
Kurzfassung Aktionen von Spielern vorab zu erkennen kann in Sportspielen wie Volleyball entscheidend für den Spielerfolg sein. Studien zeigen, dass es Unterschiede in der Antizipationsleistung zwischen Novizinnen und Expertinnen gibt. Ob es diesbezüglich Unterschiede hinsichtlich der verschiedenen Spielerpositionen gibt, ist in der Wissenschaft nicht gänzlich geklärt. Ziel dieser Masterarbeit ist es deshalb herauszufinden, ob es Unterschiede in der Antizipationsfähigkeit der Zuspielrichtung (ZR) und der Zuspielgeschwindigkeit (ZG) zwischen den unterschiedlichen Spielerpositionen (Zuspielerin, Mittelblockerin, Außenangreiferin) und Trainern im österreichischen Damenspitzenvolleyball gibt. Für diese Arbeit wurde die Antizipationsfähigkeit von acht Personen untersucht. Es nahmen jeweils zwei Mittelblockerinnen, Zuspielerinnen und Außenangreiferinnen der höchsten österreichischen Damenvolleyballliga teil. Zusätzlich wurden zwei erfahrene Trainer für die Studie ausgewählt. Die Probandinnen mussten das Verhalten einer Zuspielerin in 72 Spielszenen vorhersagen, bei denen das Video zwei Bilder vor der Ballberührung der angehalten wurde. Anschließend mussten die Probandinnen bestimmen, auf welche Position das Zuspiel gespielt werden wird und mit welcher Geschwindigkeit dies erfolgen wird. Zwischen den Gruppen konnte in Bezug auf die Zuspielrichtung (p=0.119) und die Zuspielgeschwindigkeit (p=0.604) keine signifikanten Unterschiede festgestellt werden. Die Zuspielerinnen waren sowohl bei der Vorhersage der Zuspielrichtung und Zuspielgeschwindigkeit mit 68% und 74.5% richtigen Vorhersagen die beste Gruppe. Die Mittelblockerinnen waren mit 56% und 50% die schlechteste Gruppe. Schlüsselwörter: Antizipationsfähigkeit, Sport, Volleyball, Zuspielerinnen Seite 4
Inhaltsverzeichnis VORWORT ........................................................................................................ 3 KURZFASSUNG .................................................................................................. 4 1 EINLEITUNG ............................................................................................... 6 1.1 Das Sportspiel Volleyball ........................................................................ 6 1.1.1 Geschichtliche Entwicklung ................................................................ 8 1.1.2 Österreichischer Volleyball Verband .................................................. 9 1.1.3 Techniken .......................................................................................... 9 1.1.4 Taktiken im Volleyball ...................................................................... 15 1.2 Expertise im Sport................................................................................ 24 2 METHODE................................................................................................ 36 3 ERGEBNISSE ............................................................................................ 39 4 DISKUSSION ............................................................................................ 41 5 LITERATURVERZEICHNIS.......................................................................... 50 6 ABBILDUNGSVERZEICHNIS ...................................................................... 56 7 TABELLENVERZEICHNIS ........................................................................... 56 Seite 5
1 Einleitung 1.1 Das Sportspiel Volleyball Volleyball ist ein Mannschaftssport, bei dem 6 gegen 6 gespielt wird. Zwei Mannschaften stehen sich getrennt durch ein Netz gegenüber. Der Ball wird durch ein Service ins Spiel gebracht. Jedes Team darf den Ball maximal dreimal berühren, dann muss der Ball das Netz überqueren. Als Ausnahme gilt der Block, dieser zählt nicht als Berührung. Ein Block ist jene Aktion, bei der, durch das über die Netzkante reichen der Arme versucht wird den gegnerischen Angriff abzuwehren. Nach einer Blockberührung darf im eigenen Team noch dreimal gespielt werden. Das Ziel ist es, dass der Ball, auf den Boden des gegnerischen Teams fällt oder einen Fehler der Gegnerinnen zu erzwingen (Reichelt, 2004). Das Rally-Point-System wird als Zählweise im Volleyball seit 1999 verwendet. Rally kann im Deutschen als Ballwechsel übersetzt werden. Ein Ballwechsel beginnt mit dem Service und dauert so lange an, bis der Ball aus dem Spiel ist. Nach jedem Ballwechsel bekommt das Team, welches den Ballwechsel für sich entscheiden konnte, einen Punkt. Das Servicerecht hat immer das Team, welches den letzten Punkt gemacht hat. Es wird auf drei gewonnene Sätze bis 25 Punkte, mit zwei Punkten Unterschied gespielt. Ein Satz kann nur beendet werden, wenn eine Punktedifferenz von mindestens zwei Punkten vorliegt. Wenn es 2:2 in Sätzen steht, muss ein Entscheidungssatz bis 15 Punkte gespielt werden (FIVB, 2016, p. 22). Das gesamte Spielfeld ist 9 x 18 m groß. Es wird durch ein Netz geteilt und eine Spielhälfte ist 9 x 9 m. Diese Spielhälfte wird in ein Vorderfeld und Hinterfeld unterteilt. Die Netzhöhe beträgt bei den Damen 2,24 m und bei den Herren 2,43 m. Im Volleyball Seite 6
werden die Positionen der sechs Spielerinnen auf dem Spielfeld entgegen dem Uhrzeigersinn von eins bis sechs bezeichnet. Immer wenn das Servicerecht zurückgeholt wird, rotieren die Spielerinnen im Uhrzeigersinn um eine Position weiter, siehe Abbildung 1 (Papageorgiou & Spitzley, 2002, p. 10). Da das Volleyballfeld in eine Hinter- und Vorderzone eingeteilt ist, gibt es drei Vorderfeldangreiferinnen und drei Hinterfeldangreiferinnen. Die Hinterfeldangreiferinnen dürfen den Ball im Vorderfeld nicht in die gegnerische Spielfeldhälfte spielen, wenn der Ball über der Netzkante gespielt wird. Daher kann es taktisch sinnvoll sein, Positionswechsel innerhalb des Vorder- oder Hinterfeldes durchzuführen. Diese Positionswechsel innerhalb des Vorder- und Hinterfeldes dürfen erst stattfinden, wenn die Aufschlagspielerin den Ball beim Service ins Spiel gebracht hat (Reichelt, 2004, p. 40). Abbildung 1: Maße und Positionen des Volleyballfeldes. Die Antennen bilden die Verlängerung der Seitenlinien. Mit den Ziffern von 1 bis 6 werden die Positionen bezeichnet (modifiziert nach Papageorgiou & Spitzley, 2002, pp. 15). Seite 7
1.1.1 Geschichtliche Entwicklung Als Vorläufer des Volleyballspiels können alle Arten des Rückschlag-, Hin-, Hochball- oder Zuschlagspiel wie z.B. das Indiacaspiel der Azteken oder das mittelalterliche italienische Pallonespiel gezählt werden. 1890-1900 wurden im Rahmen der Spielplatzbewegung viele Gruppenspiele erfunden. Dazu gehörte das von William G. Morgan benannte Spiel Mintonette. Die Grundidee war es, einen Ball, ohne, dass er den Boden berührt (volley), mit den Händen über ein Netz hin- und her zuspielen. Alfred T. Halstead bezeichnete 1896 dieses Spiel infolge eines Turniers als Volleyball (Christmann & Deutscher Volleyball-Verband, 1997, p. 17). In den nächsten Jahren verbreitet sich diese Sportart über Kanada in der ganzen Welt. Zu dieser Zeit war das damalige Volleyballspiel dem heutigen noch nicht sehr ähnlich. Durch unterschiedliche Ideen aus der ganzen Welt veränderte sich die Sportart sehr oft. Es gab in der ganzen Welt sehr viele verschiedene Regeln. 1947 wurde der internationale Verband, Federation Internationale de Volleyball (FIVB), gegründet und somit war die Grundlage für ein gemeinsames Regelwerk geschaffen. Der Franzose Paul Libaud war der erste Präsident der FIVB. Zu den Gründungsländern gehörten Belgien, Brasilien, Tschechoslowakei, Ägypten, Frankreich, Niederlande, Ungarn, Italien, Polen, Portugal, Rumänien, Uruguay, USA und Jugoslawien. Heute sind 220 Nationen der FIVB angehörig und damit ist er einer der größten Sportfachverbände der Welt. Die erste Weltmeisterschaft fand für Männer 1949 und für Frauen 1952 statt. Das erste Mal bei den olympischen Spielen vertreten war Volleyball im Jahre 1964 in Tokio (FIVB, 2011). Seite 8
1.1.2 Österreichischer Volleyball Verband In Österreich gib es auf Bundesebene die erste Bundesliga (DenizBank AG Volley League Men and Women) und die zweite Bundesliga. In der Saison 2020 spielen in der ersten Bundesliga 10 Damen-Teams und 9 Herren-Teams. Die zweite Bundesliga wird topografisch in 2 Gruppen unterteilt. In der Gruppe 1 spielen 10 Teams und in Gruppe 2 12 Teams. Zusätzlich zu den Bundesbewerben gibt es auch regionale Bewerbe. Diese Einteilung variiert in den einzelnen Bundesländern (ÖVV, 2020). 1.1.3 Techniken Beim Volleyball gibt es unterschiedliche Techniken, dazu gehören das Service, die Annahme, das Zuspiel, der Angriff, der Block, die Angriffssicherung und die Verteidigung. Die Spielerin, die auf Position eins steht, führt das Service in der Servicezone aus und bringt den Ball somit ins Spiel (FIVB (2016), n.d., p. 31). Unter einer Annahme versteht man immer den ersten Kontakt der Gegnerin nach einem Service. Im Hallenvolleyball darf die Annahme von oben also pritschend oder von unten baggernd (siehe 1.1.3.1) durchgeführt werden. Nach der Annahme erfolgt das Zuspiel. Das Zuspiel dient dazu, eine optimale Bedingung zu schaffen, bei welcher die Angreiferin mit einem Angriffsschlag einen Punkt erzielen kann. Die Gegnerinnen versuchen einen Angriffsschlag entweder zu blocken oder zu verteidigen. Der Block ist eine Aktion, die netznahe über der Netzkante durchgeführt wird. Daher dürfen nur Vorderspielerinnen blockieren. Falls der Ball durch den Block nicht abgewehrt werden konnte, versuchen die Verteidigungsspielerinnen den Ball zu verteidigen. Der zu verteidigende Ball wird normalerweise gebaggert oder gepritscht. Es ist jedoch erlaubt, jeden Körperteil zu verwenden, um den Ball im Spiel zu halten. Unter einer Angriffssicherung versteht man Seite 9
die Bereitschaft aller Spielerinnen, die Bälle zu verteidigen, die vom gegnerischen Block ins eigene Spielfeld zurückprallen (Christmann & Deutscher Volleyball-Verband, 1997, p. 420). Pritschen und Baggern Das obere Zuspiel wird auch Pritschen genannt. Es ist eine der Grundtechniken im Volleyball. Wenn diese Technik richtig ausgeführt wird, verspricht sie die größte Genauigkeit. Am häufigsten wird das Pritschen von der Zuspielerin angewandt. Diese Aktion passiert nach der Annahme oder Verteidigung und dient dazu, den Angriff vorzubereiten (Reichelt, 2004, p. 41). Grundsätzlich lässt sich das Pritschen in drei Phasen einteilen, nämlich in die Vorbereitung, den Ballkontakt und das Abspiel. Eine wichtige Rolle bei der Vorbereitung ist das Erreichen einer optimalen Ausgangsposition. Das heißt, dass bevor der Ball berührt wird, der Körper in die Richtung gedreht ist, in welche abgespielt werden möchte und die Zuspielerin sich unter dem Ball positioniert. Dies wird durch gute Beinarbeit erreicht (Reichelt, 2004, p. 41). Der Oberkörper ist aufgerichtet, die Arme und Beine befinden sich in einer leichten Beugestellung und das Gewicht befindet sich auf den Zehenspitzen. Kurz bevor der Ball berührt wird, beginnt die Ganzkörperstreckung. Das Spielen des Balles erfolgt durch eine Streckbewegung der oberen Fingerglieder (Papageorgiou & Spitzley, 2002, pp. 45–46). Daumen und Zeigefinder tragen die Hauptlast. Mittel-, Ring und kleiner Finger sind für die stabile Flugbahn nach dem Abspielen verantwortlich (Reichelt, 2004, p. 41). Abbildung 2 zeigt die Bewegungsabfolge beim Pritschen. Im oberen Teil des Bildes wird der gesamte Bewegungsverlauf dargestellt. Der untere Teil zeigt die Bewegungen der Arme und Finger im Detail. Seite 10
Abbildung 2: Bewegungsablauf Pritschen (obere Bildhälfte: Ganzkörperbewegung, untere Bildhälfte: Arm- und Handhaltung) (Reichelt, 2004, p. 41) Das Zuspiel kann nicht nur, wie oben beschrieben, im Stand durchgeführt werden, sondern auch im Sprung, das sogenannte Sprungzuspiel. Im Wesentlichen unterscheiden sich diese zwei Ausführungen nicht. Abweichend ist die Impulsgebung , weil der Beineinsatz entfällt (Papageorgiou & Spitzley, 2002, p. 116). Die zweite Grundtechnik im Volleyball ist das Baggern, auch unteres Zuspiel genannt. Das Baggern kommt als Zuspielvariante, in der Annahme und Verteidigung zum Einsatz. Im Zuspiel kommt das Baggern meistens nur dann zum Einsatz, wenn der Ball im Pritschen nicht mehr erreicht werden kann. Dies ist öfter der Fall, wenn nicht hoch genug angenommen oder verteidigt wird (Papageorgiou & Spitzley, 2002, p. 55). Das untere Zuspiel (Abbildung 3 oberes Bild) kann wie beim oberen Zuspiel in die Phasen Vorbereitung, Ballkontakt und Abspiel eingeteilt werden. Wichtig ist wieder das Finden einer optimalen Ausgangsstellung durch eine gute Beinarbeit. Eine gute Position ist hinter dem Ball, nicht zu nahe aber auch nicht zu weit entfernt vom Ball. Die Beine Seite 11
sind in Schrittstellung und die Knie stark gebeugt. Die Arme werden nach vorne gestreckt, sodass die Unterarminnenseite nach oben zeigt und die Hände werden ineinandergelegt. Kurz bevor der Ballkontakt erfolgt, startet die Ganzkörperstreckung. Der gesamte Körper wird in einer fließenden Bewegung aufgerichtet und die Ellenbogen bewegen sich dem Ball entgegen (Reichelt, 2004, p. 43). Durch die rasche Entwicklung im Volleyball zu einem immer schnelleren Spiel haben sich unterschiedliche Techniken des Baggerns entwickelt. Dies trifft vor allem auf die Annahme des gegnerischen Aufschlages und Angriffes zu. Da der Ball mit einer mächtigen Wucht auf einen zufliegt, ist keine Körperstreckung nötig, damit dem Ball keine zusätzliche Beschleunigung mitgegeben wird. Wesentlich für eine gute Abwehr sind eine tiefe Ausgangsposition und ein stabiler Stand (Abbildung 3 unteres Bild). Es ist häufig Aufgrund der Geschwindigkeit des Balles nicht möglich, bei der Annahme und Verteidigung, mit dem Körper hinter dem Ball zu sein. Daher ist es häufig notwendig den Ball seitlich vom Körper zu spielen. Abbildung 3: Bewegungsablauf Baggern (obere Bildhälfte: Baggertechnik unteres Zuspiel, untere Bildhälfte: Baggertechnik Abwehr) (Reichelt, 2004, S. 43-44) Seite 12
Über die Jahre wurde auch eine spezielle Abwehraktion entwickelt, der sogenannte Hechtbagger. Der Hechtbagger kommt zum Einsatz, um einen Ball, der weit entfernt ist, noch zu erreichen. Wie der Name schon sagt, hechtet die Spielerin aus einer tiefen Ausgangsposition in Richtung des Balles. Der Hechtbagger kann einarmig oder beidarmig gespielt werden. Wird er mit einer Hand gespielt, wird diese nach vorne gestreckt und meist mit dem Handrücken nach oben gespielt. Wenn der Hechtbagger mit beiden Armen gespielt wird, passiert dies meistens in der Luft, wie in Abbildung 4 dargestellt (Reichelt, 2004, p. 44). Abbildung 4: Bewegungsabfolge Hechtbagger (Reichelt, 2004, S. 46) Angriff Wie bereits beschrieben, ist beim Volleyball das Ziel, den Ball auf den Boden zu bekommen, damit ein Punkt erzielt wird. Um dies zu erreichen, hat sich der Angriffsschlag entwickelt. Auch beim Angriff gibt es unterschiedliche Varianten. Der Bewegungsablauf ist jedoch bei allen Varianten weitgehend ähnlich. Generell lässt sich der Angriff in vier Phasen unterteilen. Zu diesen Phasen gehören der Anlauf und Stemmschritt, der Absprung, die Aushol- und Schlagbewegung und die Landung. Wie bei den Grundtechniken ist wieder das Finden einer optimalen Position zum Ball sehr Seite 13
entscheidend und bestimmt grundlegend über den weiteren Ablauf. Es ist wesentlich, nach Anlauf und Absprung den Ball über sich und etwas vor dem Körper zu haben. Normalerweise werden zwischen drei und fünf Schritte vor dem Absprung zurückgelegt, dabei sind die letzten zwei die wichtigsten (Orientierungs- und Stemmschritt). Der Orientierungsschritt, dient dazu seinen Körper in die Richtung des Balles zu orientieren. Der Stemmschritt ist ein großer Ausfallschritt, dabei werden die Arme zu einer weiten Ausholbewegung nach hinten geführt. Während das zweite Bein beigestellt wird, schwingen die Arme nach vorne und die Spielerin springt vom Boden weg. Die Armbewegung wird weitergeführt und die Arme schwingen nach oben bis über den Kopf. Der Arm, mit dem der Ball geschlagen wird, wird nach oben hinten geführt und angewinkelt. Der andere Arm zeigt in Richtung des Balles. Durch das Zurückziehen der Schulter des Schlagarmes entsteht eine Bogenspannung, die schließlich durch ein peitschenartiges Vorschnellen des Armes entladen wird. Zugleich wird der andere Arm nach unten gezogen, um den Körper zu stabilisieren. Bei der Schlagbewegung bestimmt die Spielerin die Richtung und die Geschwindigkeit, mit welcher der Ball das gegnerische Feld treffen soll. Mit der darauffolgenden Landung wird das Gewicht der Spielerin möglichst weich abgefangen (Reichelt, 2004, pp. 47–50). Um ein Überraschungsmoment zu erzeugen, kann der Angriff im letzten Augenblick auch als Finte gespielt werden. Dabei wird im letzten Moment der Arm abgebremst und der Ball aus dem Handgelenk in eine Richtung geschupft (Papageorgiou & Spitzley, 2002, p. 151) Aufschlag Der Aufschlag, oder auch Service genannt, dient dazu das Spiel zu eröffnen. Prinzipiell kann der Aufschlag von oben mit Vorwärtsdrall (Tennisaufschlag) oder ohne Seite 14
Drall (Flatterservice) gespielt werden. Das Service mit Vorwärtsdrall entspricht der Schlagbewegung beim Angriff. Das Flatterservice ist eine beliebte Variante zum Tennisaufschlag. Ein Vorteil des Flatterservices ist eine unruhige und schwer zu berechnende Flugbahn des Balles. Wichtig ist hierbei, dass das Handgelenk fixiert ist, die Finger angespannt sind und der Ball zentral getroffen wird. Kurz nach dem Ballkontakt wird die Schlagbewegung abgebremst. Beide Aufschlagvarianten können auch im Sprung durchgeführt werden (Christmann & Deutscher Volleyball-Verband, 1997, pp. 335–338). Als Variante kann das Service auch von unten erfolgen. Dies ist jedoch die Ausnahme und passiert zumeist nur in unteren Ligen und bei Volleyballanfängerinnen. Dabei wird der Ball aus dem Stand mit einer Hand gehalten und der andere Arm wird nach hinten geführt, um Schwung zu holen. Nun schwingt der Arm nach vorne und der Ball wird mit der offenen angespannten Hand berührt und über das Netz gespielt (Papageorgiou & Spitzley, 2002, p. 63). 1.1.4 Taktiken im Volleyball Um die technischen, taktischen, athletischen und psychischen Stärken des gesamten Teams bestmöglich zu nutzen, gibt es im Volleyball unterschiedliche Spielsysteme. In den unteren Ligen wird häufig das 0:0:6 Spielsystem gespielt. Die erste Zahl besagt, wie viele Zuspielerinnen, die zweite, wie viele Angreiferinnen und die dritte, wie viele Universalistinnen sich am Feld befinden. Wenn nur Universalistinnen am Feld stehen, spielt jeder jede Position. Vor allem im Nachwuchsbereich wird das 0:0:6 System oft eingesetzt, damit nicht zu früh eine Spezialisierung stattfindet und die Spielerinnen möglichst umfangreiche Fähigkeiten ausbilden. Durch das Spielen verschiedener Seite 15
Positionen entsteht ein besseres Spielverständnis, weil man sich in andere Positionen besser hineinversetzen kann. Ein weiteres Spielsystem, das im unteren Bereich angewendet wird, ist das 2:0:4. Das heißt, hier stehen sich zwei Zuspielerinnen diagonal gegenüber und die anderen vier Spielerinnen dienen als Angreiferinnen (Papageorgiou & Spitzley, 2002, pp. 287–288). Im höheren und mittleren Leistungsbereich wird zumeist nur mit einer Zuspielerin gespielt. Hier wird von einem personengebundenen Angriffsaufbau gesprochen. Es wird zwischen Schnell-, Hinterfeld-, Diagonal- und Außenangreiferin unterschieden. Die zur Zuspielerin diagonal stehende Spielerin wird als Diagonalangreiferin bezeichnet und im Spitzensport gilt sie als Hauptangreiferin (Papageorgiou et al., 2000, p. 95). Auf Grund der unterschiedlichen Aufgaben der Spielerinnen, ergeben sich folgende Spielpositionen: Ø eine Zuspielerin Ø zwei Mittelblockerinnen (Schnellangreiferinnen) Ø zwei Außenangreiferinnen Ø eine Diagonalangreiferin Ø eine Libera Die Zuspielerin verteilt die Bälle für die Angreiferinnen. Vorne am Netz spielt sie auf Position zwei und stellt den Außenblock und hinten in der Feldverteidigung spielt sie auf Position eins. Die Mittelblockerin ist meistens nur im Vorderfeld aktiv. Dort spielt sie auf Position drei und hat die Aufgabe Schnellangriffe durchzuführen und die Angriffe der gegnerischen Mittelblockspielerin zu blockieren. Die Mittelblockerin hat als weitere Aufgabe, die generische Außen- oder Diagonalangreiferin gemeinsam mit der eigenen Seite 16
Außenblockerin zu blockieren, das heißt, einen Doppelblock zu stellen. In der Verteidigung befindet sich die Mittelblockerin nur im Feld wenn sie serviert und begibt sich danach auf Position fünf. Sobald das eigene Team einen Fehler macht, verlässt die Mittelblockerin das Spielfeld und die Libera kommt anstelle dieser herein. Die Libera kann als Annahme- und Verteidigungsspezialist gesehen werden. Die beiden Außenangreiferinnen stehen sich diagonal gegenüber. Die Außenangreiferin, die gerade am Netz als Vorderspielerin aktiv ist, kommt als Außenblockspielerin und Angreiferin zum Einsatz. Diejenige, die gerade im Hinterfeld agiert, steht auf Position sechs und dient der Feldverteidigung und als Hinterfeldangreiferin. Die Diagonalangreiferin steht diagonal zur Zuspielerin und dient als Außenblockspielerin. Im Hinterfeld handelt sie auf Position eins als Feldverteidigerin und Hinterfeldangreiferin. Angriffskombinationen Generell kann zwischen allgemeinen und speziellen Angriffskombinationen unterschieden werden. Unter allgemeinen Angriffskombinationen ist das Zusammenspiel beziehungsweise die Kommunikation zwischen Zuspielerin und Angreiferin gemeint, sodass, jede Angreiferin weiß, welchen Ball sie bekommt. Zu den spezielle Angriffskombinationen gehören Spielzüge, bei welchen sich zusätzlich die Angreiferinnen untereinander abreden müssen, da sich ihre Laufwege kreuzen, damit es zu keinem Zusammenstoß kommt (Papageorgiou et al., 2000, p. 98). Das Zuspiel wird in vier Kategorien, das schnelle (A), halbschnelle (B), halbhohe (C) und hohe (D) Zuspiel, unterteilt. Für diese Unterscheidung werden vor allem die Länge, Höhe und Geschwindigkeit des Zuspiels herangezogen (Papageorgiou et al., 2000, p. 99). In Abbildung 5 sind die vier Zuspielbereiche A, B, C und D für den Außen- und Seite 17
Diagonalangriff abgebildet. Für das Zuspiel auf der Mittelposition werden dieselben Bezeichnungen verwendet, welche in Abbildung 6 sichtbar sind. Abbildung 5: Zuspielkategorien aus Sicht der Außen- und Diagonalangreiferinnen (modifiziert nachPapageorgiou et al., 2000, p. 99) Abbildung 6: Zuspielkategorien aus Sicht der Schnellangreiferin (modifiziert nach Papageorgiou et al., 2000, p. 99) Die Angreiferinnen müssen ihren Anlauf und Absprung, je nachdem, wie schnell der Ball gespielt wird, abstimmen. Spielt die Zuspielerin einen schnellen Ball, so müssen die Angreiferinnen bereits vor dem Zuspiel abgesprungen sein. Wir ein Halbschneller Ball gespielt, leitet die Angreiferin ihren Stemmschritt zum Absprung ein, wenn der Ball bei der Zuspielerin ist. Erfolgt ein halbhoher Ball, so springt die Angreiferin erst nach Seite 18
dem Zuspiel ab. Bei einem hohen Ball springt die Angreiferin erst ab, wenn der Ball den höchsten Punkt der Flugkurve überschritten hat (Papageorgiou et al., 2000, pp. 99–101). In Tabelle 1 werden die Tempi des Zuspiels in Bezug auf die Zeitspanne zwischen der Ballberührung der Zuspielerin und der Angreiferin gezeigt. Tabelle 1: Einteilung des Zuspiels hinsichtlich des Tempos. Das Intervall gibt die Zeit zwischen der Zuspielaktion und der dazugehörigen Angriffsaktion an (modifiziert nach Papageorgiou et al., 2000, p. 100) Abkürzung Bezeichnung Zeit [sec] A Schnell 0,00 − 0,39 B Halbschnell 0,40 − 0,79 C Halbhoch 0,80 − 1,20 D Hoch > 1,2 Taktik der Schnellangreiferin Die Schnellangreiferin (Mittelblockerin) ist eine sehr wichtige Spielerin, weil die Angriffskombinationen um sie herum und von ihr ausgehen. Sie dient als „Lockvogel“, da sie die generische Mittelblockerin zum Sprung verleiten soll und somit die Außenangreiferin und Diagonalangreiferin sich nur gegen einen Einerblock durchsetzen muss. Es ist wichtig, dass die Außenangreiferinnen und die Diagonalangreiferin der Schnellangreiferin eine positive Rückmeldung geben und es schätzen, wenn sie sich nur gegen einen Einerblock durchsetzen müssen. Im Bereich der Athletik müssen die Schnellangreiferinnen eine sehr gut Reaktivsprungkraft und Sprungkraftausdauer haben. Weiters müssen sie über kurze Distanzen mit 2-3 Schritten sehr schnell sein. Im technischen Bereich ist es wichtig, dass sie einen rhythmisch/dynamischen Anlauf haben, und somit einen perfekten Schnellangriff vor und hinter der Zuspielerin durchführen können. Es ist bedeutend, dass sie sich gegen einen Einerblock effektiv durchsetzen und gegen einen Doppelblock keine direkten Fehler machen, indem sie Seite 19
durch aggressive bzw. gut platzierte Angriffsfinten aus einer glaubhaften Schlagbewegung einen Punkt erzielen. Durch Angriffsschläge in und gegen die Anlaufrichtung, durch Handgelenksschläge und Schläge über die Schulter können sie sich auch gut durch den Doppelblock durchsetzen (Papageorgiou et al., 2000, pp. 119– 120). Voraussetzung der Schnellangreiferin ist das rasche Umschalten zwischen Angriffs- und Blockverhalten. Im unteren Leistungsbereich ist Aufgrund von fehlenden technischen und taktischen Fertigkeiten die Aufgabe der Schnellangreiferin nicht von entscheidender Rolle. Die Mittelblockerin spielt sogenannte 1-m- Bälle. Diese sind bei weitem nicht so schnell und das Zusammenspiel zwischen Angreiferin und Zuspielerin ist leichter zu erreichen. Im mittleren Leistungsbereich wird bereits versucht, die Schnellangreiferin in der Funktion, die sie eigentlich hat, einzusetzen. Dies gelingt aber oft nicht gut genug, da aufgrund von zu wenig Trainingszeit und somit fehlender Feinabstimmung das Zusammenspiel zwischen Zuspielerin und Angreiferin nicht gegeben ist. Daher werden auf mittlerem Leistungsniveau sehr oft „unechte“ Schnellangriffe und kurze Pässe gespielt. Dies bedeutet klar weniger Trainingsaufwand und im Spiel mehr Effektivität (Papageorgiou et al., 2000, pp. 120–122). Taktik der Diagonalangreiferin Früher war die Diagonalangreiferin eine sehr gute Universalistin mit Hilfszuspielerfunktion. Heutzutage hat sich die Funktion der Diagonalangreiferin deutlich verändert und sie kann als Hauptangreiferin gesehen werden. Die Diagonalangreiferin muss sich meistens gegen einen Doppel- oder Dreierblock durchsetzen. Daher zeichnet sie sich vor allem durch ihre stark ausgeprägte Schlaghärte aus. Außerdem ist es wichtig, dass sie unterschiedliche Richtungen schlagen kann. Das Seite 20
heißt, sie sollte extrem diagonal, halbdiagonal und longline schlagen können. Eine weitere wesentliche Aufgabe der Diagonalangreiferin ist das Lösen von schwierigen Situationen nach schlechter Verteidigung oder Annahme. Damit ist gemeint, dass sie in der Lage sein sollte, ein schlechtes Zuspiel, das auf Grund der schlechten Verteidigung oder Annahme entstanden ist, auszugleichen und sich durchzusetzen. Meistens wird die Diagonalangreiferin aus der Annahme genommen, um sich völlig auf den Angriff konzentrieren zu können. Für den mittleren Leistungsbereich ist die Diagonalangreiferin vielmehr als Universalistin oder als Hilfszuspielerin zu sehen (Papageorgiou et al., 2000, pp. 124–125). Taktik der Hinterfeldangreiferin Die genannten Vorrausetzungen der Diagonalangreiferin gelten auch für die Hinterfeldangreiferin. Ist die Zuspielerin vorne, gilt die Diagonalangreiferin als dritte Angreiferin und greift aus dem Hinterfeld an. Außerdem kann auch die Außenangreiferin, welche gerade hinten ist, als Hinterfeldangreiferin handeln. Im Frauenbereich kommt es jedoch eher selten vor, dass es zwei planmäßige Hinterfeldangreiferinnen gibt. Die Hinterfeldangreiferin bekommt unterschiedliche Varianten von Pässen. Ein halbschneller Pass ist ca. 1,5 bis 2 m vom Netz entfernt. Wird ein halbhoher Pass gespielt, ist der Ball ca. 2 bis 2,5 m vom Netz entfernt. Als dritte Variante wird ein hoher Pass gespielt, bei welchem die Distanz ca. 3 m beträgt. Zentrale Unterschiede im Vergleich zum Netzangriff sind: der schnellere Anlauf und die verkürzte Stemmphase sowie der erhöhte Anspruch auf die Koordination durch den schnellen Anlauf mit Absprung nach oben vorne. Im Unterschied zum oberen nationalen und internationalen Bereich wird im mittleren Bereich ein Hintefeldangriff nur in Seite 21
Notsituationen gespielt. Er kann eher als Verlegenheitsball gesehen werden (Papageorgiou et al., 2000, p. 127) Taktik der Außenangreiferin Auf die Außenangreiferin treffen dieselben Fähigkeiten wie auf die Diagonalangreiferin zu. Zugleich muss sie auch noch sehr gut in der Annahme sein. Da sie in beiden Elementen Höchstleistungen bringen müssen, sind die Außenangreiferinnen großem psychischem Druck ausgesetzt. Daher sind die meisten Außenangreiferinnen sehr gute Universalspielerinnen, die in allen technischen Bereichen sehr gut abschneiden (Papageorgiou et al., 2000, p. 127). Taktik der Zuspielerin Die Zuspielerin ist das bindende Glied zwischen den Annahmespielerinnen und Angreiferinnen. Sie ist fast an jedem Spielzug beteiligt und ist für den Angriffsaufbau nicht weg zu denken. Eine weitere wichtige Aufgabe, die ihr zugeteilt ist, das Spiel zu führen und es in die Richtung zu lenken, wie sie es gerne hätte. Das heißt einerseits die Schwächen in der Genauigkeit des ersten Passes zu korrigieren und anderseits die Stärken der eigenen Angreiferinnen sowie die Schwächen der gegnerischen Blockspielerinnen zu nützen. Die Grundlage dafür ist, dass die Zuspielerin alle Varianten des oberen Zuspieles beherrscht und diese situationsgerecht und präzise verwendet. Je besser die Qualität und Quantität ihrer Zuspielvarianten, umso besser ist ihr individualtaktischer Handlungsrahmen. Der Stellenwert der Individualtaktik der Zuspielerin ist vom Spielniveau abhängig. Im unteren Leistungsbereich wird das individualtaktische Handeln von den eigenen Fertigkeiten der Zuspielerin und der Angreiferinnen vorgegeben. Als Mindestanforderung sollte die Zuspielerin fähig sein, aus gutem erstem Pass zwischen drei Passvariationen zu wählen. Sie sollte einen hohen, Seite 22
halbhohen Pass und einen 1-m/kurzen Ball spielen können. Im mittleren Bereich sollte die Zuspielerin in der Lage sein, das Verhalten des gegnerischen Blockes in ihre Entscheidung mit einzubeziehen. Außerdem sollte sie die Fähigkeit besitzen, schlechte bzw. ungenaue erste Pässe auszugleichen und halbschnelle und aufsteigende kurze Pässe zu spielen. Bei gutem erstem Pass sollte sie im Sprung zuspielen können und die Zuspielerfinte anwenden. Es gibt zwei Arten der Zuspielfinte. Die aggressive, die beidhändig oder einhändig flach über das Netz abwärts gespielt wird. Dies kommt vor allem zum Einsatz, wenn kein Block vorhanden ist. Die konservative Zuspielfinte wird entweder kurz oder lange über den Block in das freie Feld gespielt. Im oberen Leistungsbereich soll die Zuspielerin die Schwächen des gegnerischen Blockes ausnützen können und trotz schlechter erster Pässe fähig sein, ein gutes Zuspiel durchzuführen. Sie sollte, wenn möglich im Sprung frontal, über Kopf und lateral sowie einhändig zuspielen können und somit das Spiel schneller und verdeckter machen. Die Impulsgebung im oberen Niveau erfolgt nur aus dem Handgelenk, damit die Zuspielrichtung lange verdeckt gehalten werden kann. Eine wichtige Fähigkeit, die die Zuspielerin besitzen sollte, ist das periphere Sehen, da sie immer den Ball im Blick haben muss, aber gleichzeitig auch die annehmenden Spielerinnen und Angreiferinnen sowie die Mittelblockerin. Im internationalen Bereich werden größere Zuspielerinnen bevorzugt, da es von Vorteil ist, weil die Zuspielerin im Block besser agieren kann. Athletisch soll die Zuspielerin über kurze Distanz sehr schnell sein und über eine exzellente Orientierungsfähigkeit verfügen. Eine gute Sprungkraft und Sprungausdauer sowie gute koordinative Fähigkeiten sind ebenfalls wichtig (Papageorgiou & Spitzley, 2002, pp. 112– 116). Seite 23
1.2 Expertise im Sport Expertise bezieht sich auf Qualitäten und Fähigkeiten, die hochqualifizierte Personen, welche als Expertinnen bezeichnet werden, von weniger qualifizierten Personen unterscheiden. Expertinnen sind Personen, die in einer gewissen Aufgabe oder Domäne außerordentlich viel Erfahrung haben. Deren Expertise zeigt sich in der Regel in zahlreichen Aspekten der menschlichen Leistung, einschließlich Wahrnehmung, Kognition und motorische Ausführungen (Williams et al., 1999). Im Unterschied zu anderen Expertisegruppen, wie Mathematikerinnen, Schachspielerinnen oder Musikerinnen, spielen im Sport physiologische Voraussetzungen eine wichtige Rolle. Der Ursprung der Expertisen-Forschung liegt in den 1965er Jahren. De Groot (1965) verglich die Fähigkeiten von Schachexperten mit deutlich schlechteren Spielern und stellte fest, dass Schachexperten sich für bessere Züge entschieden als die schwächeren Schachspieler. Simon und Chase (1973) stellten fest, dass die Fähigkeit der Schachexperten schachspezifisch war. Die Schachexperten hatten keine Vorteile bezüglich der allgemeinen Gedächtnisleistung, sondern sie nutzten sogenannte Schachmuster, die sie über die Jahre erworben hatten, um ihre Gedächtnisleistung in Bezug auf Schachwissen deutlich zu steigern. Laut Janelle und Hillman (2003) sind für die Entwicklung von Expertise im Sport technische, kognitive, physiologische und emotionale Fähigkeiten von großer Bedeutung. Die verschiedenen Faktoren beeinflussen sich in ihrer Entwicklung gegenseitig. Um diese unterschiedlichen Fähigkeiten auszubilden, benötigt es den sogenannten Deliberate Practice. Der Deliberate Practice ist ein Konzept, bei dem durch bewusstes, jahrelanges, gezieltes und aufgabenorientiertes Training Expertise in einer bestimmten Domäne erreicht werden kann (Ericsson et al., 1993a). Über einige Jahre Seite 24
hinweg wurde geglaubt, dass Expertise fast ausschließlich durch genetische Faktoren vorbestimmt ist (Sternberg & Wagner, 1999). Doch in den letzten Jahren konnte gezeigt werden, dass Expertise durch ein spezifisches Training gesteigert werden kann (Silva et al., 2021). Eines der wesentlichen Merkmale von Expertinnen ist die Zeit und Anstrengungen, die sie unternommen haben, um diesen Status zu erreichen. So konnte Simon und Chase (1988) bei der genaueren Betrachtung der Schachprofis feststellen, dass diese nach etwa zehn Jahren oder 10.000 Trainingsstunden zum Experten wurden. Daraufhin entstand die „10-Jahres-Regel“ (Simon & Chase, 1988). Ericsson et al. (1993a) konnten in ihrer Studie zeigen, dass Weltklasse-Violinisten nach ungefähr zehn Jahren internationales Spitzenniveau erreichten und bestätigte somit die „10 Jahres Regel“ von Simon und Chase (1988). Die Autoren zeigten auch, dass die besten Violinisten im Vergleich zu guten Violinisten bis zu ihrem 20. Lebensjahr 2500 Trainingsstunden mehr aufwiesen. In Disziplinen wie Medizin (Patel & Groen, 1991) und Komponieren von Musik (Hayes, 1989) konnte auch festgestellt werden, dass das Erlangen von Expertise zehn Jahre dauert. Dies konnte auch in verschiedenen Sportarten wie Tennis (Monsaas, 1985), Eiskunstlauf (Starkes et al., 1996), Schwimmen (Kalinowski, 1985), Ringen (Hodges, 1995), Basketball (Baker et al., 2003) und Fußball (Helsen et al., 1998; Ward et al., 2004) gezeigt werden. In all den oben erwähnten Sportarten brauchten die Sportlerinnen mindestens zehn Jahre, bis sie nationales oder internationales Niveau erreichten. Es wurde auch gezeigt, dass es in den unterschiedlichen Sportarten unterschiedliche Trainingsinhalte gibt, auf denen der Fokus liegen muss, um zur Expertin in der betreffenden Sportart zu werden. Im Eiskunstlauf wurde ein Spitzenleistungsniveau vor allem durch eine hohe Anzahl an Einzeltrainingsstunden erreicht. Im Gegenzug zu Sportarten, bei denen eine Interaktion mit den Gegnerinnen stattfindet, wurde eine höhere Zahl an Gruppentrainingsstunden durchgeführt. Diese Seite 25
Erkenntnisse unterstützen die Theorie von Ericsson et al. (1993a), dass ein gezielter, sportartspezifischer gesteigerter Trainingsumfang für das Erreichen von Expertise relevant ist. Laut den Autoren sollen auch die Qualität und Quantität des Trainings eine sehr wichtige Rolle beim Erreichen von Expertise spielen. Auch genetische Dispositionen spielen eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Expertise, meinen die Autoren Abernethy et al. (2003). In der Meta-Analyse von Macnamara et al. (2016) wurden 88 Studien, die sich mit Deliberate Practice beschäftigten, analysiert. Die Autorinnen kamen zu der Erkenntnis, dass Deliberate Practice zu einem Anteil von 18% an der Verbesserung der sportlichen Leistungsfähigkeit beteiligt ist: zu 26% bei Sportspielen, zu 21% bei Musik und zu 4% bei Bildung. Sie kamen zu dem Entschluss, dass Deliberate Practice wichtig ist, aber nicht so wichtig, wie dies zuvor von Ericsson et al. (1993b) argumentiert wurde. Die Autorinnen dieser Metaanalyse stellten ebenso fest, dass die Auswirkung von Deliberate Practice auf die Leistung bei Aktivitäten, die hoch vorhersehbar sind (z. B. Laufen), tendenziell größer ist als bei Aktivitäten, die weniger vorhersehbar sind (z. B. Volleyball). Die Diskussion „nature versus nurture“ ist zum jetzigen Zeitpunkt immer noch aktuell. Es kann gesagt werden, dass sowohl genetische Disposition als auch gezieltes Training bei der Entwicklung von Expertise eine entscheidende Rolle spielen. Aufgrund der Diskussion über genetische Disposition und Training ist zu erkennen, wie kompliziert die Untersuchung von Expertise ist. Ericsson und Smith stellten (1991) den sogenannten „Expert Performance Approach“ vor, mit dem Expertise und ihre Entwicklung systematisch erforscht werden konnten. Es ist ein Ansatz, in dem die Grundlagen dafür geschaffen wurden, nicht nur Expertinnen mit Novizinnen zu vergleichen, sondern auch die Mechanismen zu Seite 26
identifizieren, auf welche Expertenleistungen zurück zu führen sind. Durch diesen Ansatz wurde es möglich, eine detaillierte Untersuchung von Expertenleistungen durchzuführen. Der Ablauf gliedert sich in drei Analyseschritte. Am Anfang ist es wichtig, die Fähigkeiten, die die Expertin ausmachen, zu identifizieren, um weiter die Mechanismen zu bestimmen, auf die so eine Expertenleistung zurückzuführen ist. Im dritten Schritt sollen die Erfahrungen und Voraussetzungen gezeigt werden, die bei der Entwicklung der Expertise eine Rolle spielen. Das Schwierige dabei ist, die Fähigkeiten, die eine Athletin ausmachen, in realitätsnahen, reproduzierbaren Laboruntersuchungen nachzubilden, damit die Leistung möglichst objektiv bewertet werden kann. Da Expertise eine sehr spezifische und komplexe Angelegenheit ist, sind simplifizierte, für die Probandinnen neuartige Laboraufgaben ungeeignet, da es zu einer Unterschätzung des Expertinnen-Novizinnen-Unterschiedes und somit zu einer Unterschätzung der Expertinnen kommt (Farrow & Abernethy, 2003) Perzeptuell-kognitive Expertise bezieht sich auf die Fähigkeit, Umweltinformationen zu identifizieren und zu erwerben. Diese sollen in vorhandenes Wissen integriert werden und es soll eine geeignete Reaktion ausgewählt und durchgeführt werden. Außerdem beinhaltet sie das Filtern der wesentlichen Informationen aus einer Vielzahl an Informationen (Mann et al., 2007). Eine Möglichkeit der Untersuchung von perzeptuell-kognitiver Expertise wäre zum Beispiel das Zeigen von Videoclips von Spielszenen aus der entsprechenden Sportart. Die Athletinnen sollen eine Antwort bezüglich der zu erwartenden Folgeaktion abgeben. Die Antwort der Testpersonen kann dabei entweder verbal, durch einen Tastendruck oder durch eine realistische Reaktion aus der jeweiligen Sportart geschehen (Williams et al., 2002). Sobald nun die spezifischen Expertenleistungen der Athletinnen in Labor- oder in Felduntersuchungen gezeigt werden können, sollten als nächstes laut Williams & Seite 27
Ericsson (2005), die Mechanismen identifiziert werden, die solche Leistungen von Expertinnen zulassen. Dieser zweite Schritt wurde über viele Jahre vernachlässigt, da anfangs immer nur gezeigt wurde, dass es einen Leistungsunterschied zwischen Novizinnen und Expertinnen gibt, aber nicht genau analysiert wurde, wo genau dieser Unterschied liegt. Also was genau macht eine Expertin in dieser spezifischen Situation zur Expertin? Um diese Mechanismen zu identifizieren, stehen unterschiedliche Methoden, wie die Okklusionstechnik, Point-Light-Technik oder Eyetracking-Technik zu Verfügung. Mit diesen Methoden können vor allem außerordentliche Wahrnehmungs- und Antizipationsleistungen gemessen werden. Nach der Festlegung der Mechanismen von Expertiseleistungen lautet die nächste Frage: Wie haben Expertinnen diese Mechanismen im Laufe der Jahre entwickelt und welche Anforderungen müssen erfüllt werden? Nach der Theorie von Ericsson et al. (1993b) hängt die Entwicklung von Fachwissen in erster Linie nicht von den genetischen Anforderungen ab, sondern von der Quantität und Qualität des Trainings. Abernethy (1988) zeigte in einer Studie mit Badminton-Anfängerinnen und - Expertinnen unterschiedlichen Alters, dass die Entwicklung von Fachwissen nicht nur auf altersbedingte Veränderungen zurückzuführen ist. Nur in der Expertinnengruppe sind die Leistungen mit dem Alter gestiegen, bei Anfängerinnen wurden jedoch keine Unterschiede zwischen den verschiedenen Altersgruppen festgestellt. Um die Auswirkungen des Trainingsprozesses zu bestimmen, wurden außerdem die Trainingsbiographien von Expertinnen mit denen von Fortgeschrittenen und Anfängerinnen verglichen (Ericsson et al., 1993a). Die Idee hinter diesem Vergleich ist, dass Unterschiede in den Biografien identifiziert werden können, die für die Leistungsunterschiede zwischen den verschiedenen Expertinnengruppen Seite 28
verantwortlich sind und so Trainingsempfehlungen zu formulieren. Nach der Formulierung der Trainingsempfehlungen wird ihre Wirksamkeit in Studien überprüft. Zum Beispiel haben Williams et al. (2002) in einer Untersuchung mit Tennisexperten und Amateuren erkannt, dass ein sehr gutes visuelles Suchverhalten ein entscheidender Grund für eine ausgezeichnete Antizipationsleistung von Experten ist. Daraufhin wurde eine weitere Untersuchung durchgeführt, in der es eine Interventionsgruppe, Kontrollgruppe und Placebogruppe gab. Bei der Interventionsgruppe wurden die Probanden trainiert, genau dieses Suchverhalten der Experten auch anzuwenden. Die Trainingsintervention umfasste ausschließlich ein 90- Minuten-Wahrnehmungstraining, das zwischen dem Prä- und Posttest stattgefunden hat. Im Vergleich zur Kontrollgruppe und zur Placebogruppe zeigte die Interventionsgruppe nicht nur im Labor, sondern auch unter Feldbedingungen eine signifikant bessere Antizipationsleistung. Diese Erhebung konnte zeigen, dass Anfänger schon mit geringem Trainingsaufwand vom geschulten Verhalten der Experten lernen können. Auch in anderen Studien konnte der gerade beschriebene Effekt gezeigt werden (Smeeton et al., 2005; Williams et al., 2003). Im Folgenden werden Studien vorgestellt, welche die Antizipationsleistungen von Expertinnen und Novizinnen vergleichen. Außerdem wird der Begriff Antizipation definiert. Im Sport wird Antizipation als die mentale Vorwegnahme einer Handlung, eines Ereignisses oder eines Erlebnisses bezeichnet. Zukünftiges Verhalten kann durch Antizipation beeinflusst werden. Antizipation ist somit kein Bewegungsmerkmal und keine Bewegungseigenschaft, sondern ein psychischer Prozess, da auch das Vorstellen von beabsichtigten, zukünftigen und geplanten Bewegungen eine Antizipation ist Seite 29
(Ritzdorf, 1982). Wenn in dieser Masterarbeit von Antizipation gesprochen wird, ist daher das „Vorwegnehmen einer Handlung“ gemeint. In der Expertiseforschung werden sehr oft Antizipationsstudien durchgeführt, um den Unterschied zwischen Expertinnen und Novizinnen zu bestimmen. Es gibt zwei wesentliche Gründe, warum dies der Fall ist: Erstens spielt die Vorhersage von Handlungen in einigen Sportarten eine entscheidende Rolle. Besonders in Sportarten, bei denen die Sportlerinnen unter großem Zeitdruck auf Aktionen ihrer Mit- und Gegenspielerinnen reagieren müssen, ist dies ein leistungsbestimmender Faktor. Zweitens kann die Antizipationsfähigkeit mit den oben beschriebenen Methoden sehr gut untersucht werden. Die Antizipationsfähigkeit kann anhand von Feld- und Laboruntersuchungen verlässlich erforscht werden (Balser, 2014). Studien zeigten, dass Expertinnen die Effekte von Handlungsketten besser als Novizinnen antizipieren können. (Cañal-Bruland et al., 2011; Shangguan & Che, 2018; Vansteenkiste et al., 2014; Vicario et al., 2017). Die im vorherigen Satz erwähnten Studien haben sich alle mit Sportspielen beschäftigt. Den Probandinnen wurde eine Videosequenz gezeigt und sie mussten einschätzen, wie die Flugkurve des Balles aussehen kann oder wohin der Ball gespielt wird. Das Video wurde, bevor die Flugkurve des Balles gezeigt wurde, angehalten, und somit war die Flugkurve des Balles nicht sichtbar. Es konnte festgestellt werden, dass Expertinnen im Vergleich zu Novizinnen signifikant besser voraussagen können, wohin der Ball gespielt wird. Des Weiteren liegt es nahe, dass die Probandinnen, da sie die Flugkurve nicht sehen können, auf kinematische Informationen zurückgreifen, um die korrekte Richtung des Balles einschätzen zu können (Balser, 2014). Die genannten Studien verglichen Expertinnen (aktive Sportlerinnen) mit Novizinnen. Im Weiteren ist es interessant, ob es notwendig ist, in einer Sportart selbst Seite 30
Profi zu sein, um bessere Antizipationsleistungen als Beobachterinnen (z.B. Schiedsrichterinnen) oder Trainerinnen zu erreichen. In der Studie von Canal-Bruland et al. (2011) untersuchten die Autoren, ob die wahrnehmungsmotorische Erfahrung zusätzlich zur Beobachtungserfahrung zu einer Verbesserung der Antizipationsfähigkeit beiträgt. Es wurden acht erfahrene Beachvolleyballspielerinnen (internationale Spielerfahrung), acht erfahrene Beachvolleyballtrainerinnen (spielten selbst auf internationalem Spitzenniveau) und acht erfahrene Schiedsrichterinnen (Beobachtungsexpertinnen, welche jedoch selbst nie auf Spitzenniveau gespielt) ausgewählt. Den Probandinnen wurden Videos von Spielen der Beachvolleyball World Tour gezeigt. Es wurde das progressive Okklusionsparadigma angewendet, bei diesem wird die Darstellung einer handelnden Person zu einem ausgewählten Zeitpunkt verdeckt. Die Probandinnen wurden gebeten, das Ergebnis des Angriffs (Zielort und Zielrichtung) vorherzusagen. Die Ergebnisse zeigten, dass erfahrene Spielerinnen und Trainerinnen die Schiedsrichterinnen übertrafen. Obwohl die Schiedsrichterinnen sehr viel Beobachtungserfahrung haben, scheint es, als würde es nicht ausreichen, nur Beobachtungserfahrung zu sammeln, sondern als wäre die wahrnehmungsmotorische Erfahrung auch von großer Bedeutung, um zur Antizipationsexpertin zu werden. Weiters stellt sich die Frage, inwiefern sich eine ausgezeichnete Antizipationsfähigkeit in einer Sportart auf eine andere Sportart transferieren lässt? Diesbezüglich untersuchten Moore und Müller (2014) wie gut sich die Antizipationsfähigkeit auf strukturell ähnliche Sportarten übertragen lässt. In diesem Experiment wurden fünf erfahrene Baseballspieler, sieben mittel Erfahrene und sieben Novizen (mit Spielerfahrung) untersucht. Das Ziel dieses Experiments war es, herauszufinden, ob sich die Antizipationsfähigkeit von Baseball auf Seite 31
Cricket übertragen lässt. Die Ergebnisse zeigen, dass nur erfahrene Baseballspieler in der Lage waren, ihre vorausschauenden Fähigkeiten zu übertragen (Moore & Müller, 2014). Müller et al. (2015) führten eine Studie durch, um herauszufinden, ob sich die Antizipationsfähigkeit auch auf strukturell unähnliche Sportarten übertragen lässt. Dazu untersuchten sie, ob Rugbyspieler in der Lage waren, ihre Antizipationsfähigkeit auf Baseball zu transferieren. Die Auswertung der Ergebnisse zeigte, dass die Rugbyspieler nicht in der Lage waren, ihre Antizipationsfähigkeiten zu übertragen. Die Ergebnisse der oben genannten Studien zeigen, dass der Transfer der Antizipationsfähigkeit von Fachkenntnissen abhängt und auf ähnliche Bereiche beschränkt ist (Müller et al., 2015). Um zu klären, ob es Unterschiede in der Antizipationsleistung in Bezug auf die verschiedenen Spielerpositionen in einer Sportart gibt, untersuchten Wimshurt et al. (2012) 21 Profi-Feldhockeyspieler. Die Hockeyspieler bekamen elf visuelle Aufgaben zu lösen. Es gab keine signifikanten Unterschiede zwischen Spielern unterschiedlicher Positionen. Dies deutet darauf hin, dass die Antizipationsleistung unabhängig von der Spielposition ist. Zu ähnlichen Ergebnissen kam auch die Studie von Breed et al. (2018). Die Autoren untersuchten in ihrer Studie, ob es Unterschiede in den wahrnehmungskognitiven Fähigkeiten von Untergruppen (Mittelfeldspieler und Schlüsselpositionsspieler) innerhalb eines Elite-Teams (Vollzeitprofi) des australischen Fußballs gibt. Die Spieler absolvierten einen videobasierten Test zur Messung der Antizipationsleistung. Es wurden Videoclips aus den Spielen der australischen Football Liga 2010 gezeigt. Es konnten keine signifikanten Unterschiede in der Antizipationsfähigkeit zwischen den Mittelfeldspielern und den Spielern in Schlüsselpositionen gefunden werden. Im Gegensatz zu Williams und Ford (2008), die bei einer videobasierten Antizipationsaufgabe feststellten, dass defensive Fußballspieler bei einer videobasierten Antizipationsaufgabe genauer sind als offensive Fußballspieler. Seite 32
In einer Studie von Bruce et al. (2012) wurde die Positionsspezifität in Bezug auf die Antizipationsleistung im Netball-Sport untersucht. Netball ist ein Basketball ähnliches Spiel. Erfahrene Offensivspielerinnen, Mittelfeldspielerinnen und Verteidigerinnen sowie weniger qualifizierte (unerfahrene) Netballspielerinnen bekamen eine videobasierte Antizipationsaufgabe, die sie lösen mussten. Die gezeigten Videoclips zeigten drei verschiedene Positionsbereiche im Netball (Offensivspielerinnen, Mittelfeldspielerin und Verteidigerin). Die Analyse der Angriffs- und Verteidigungsszenarien ergab, dass die erfahrenen Offensivspielerinnen und Mittelfeldspielerinnen signifikant besser waren, als die unerfahrenen Spielerinnen, während sich die erfahrenen Verteidigerinnen nicht von den anderen drei Gruppen unterschieden (qualifizierte Offensivspielerinnen, qualifizierte Mittelfeldspielerinnen und Anfängerinnen). Für die Mittelfeld-Szenarien waren die erfahrenen Mittelfeld- Spielerinnen und -Verteidigerinnen signifikant besser als die unerfahrenen Spielerinnen, während sich die erfahrenen Offensivspielerinnen von keiner der Gruppen unterschieden. Es wurden begrenzte Hinweise gezeigt, die die Theorie stützen, dass die Entscheidungsfindung spezifisch für eine Position ist. Wichtige Entscheidungsträgerinnen unter Expertinnen auf einem bestimmten Gebiet können manchmal anhand ihrer Rolle und Verantwortung identifiziert werden. Daher wollten Fortin-Guichard et al. (2020) in ihrer Studie herausfinden, ob sich Spielerinnen mit tragender Funktion (Zuspielerin) in ihren wahrnehmungskognitiven Fähigkeiten von anderen Volleyball-Expertinnen (anderen Spielerpositionen) unterscheiden. Dazu wurden 26 Zuspielerinnen, 36 Volleyballspielerinnen von anderen Positionen und 20 Personen, die wenig Volleyball Erfahrung hatten, ausgewählt. Die Probanden bekamen 50 Videosequenzen gezeigt. Die Sequenzen wurden 120 ms vor dem Ballkontakt gestoppt und die Probandinnen, deren Augenbewegungen Seite 33
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