Medialatinitas IX: Nostalgia and/in the Latin Middle Ages
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Medialatinitas IX: Nostalgia and/in the Latin Middle Ages Karls-Universität, Prag: 24-26 September 2020 In seinem Roman L’ignorance (2000) macht Milan Kundera um Alte Musik. Aktuell leben an Universitäten und Akade- auf den inhaltlichen Zusammenhang aufmerksam, der im mien mutmaßlich im Mittelalter entstandene Traditionen in Spanischen zwischen Nostalgie / nostalgia und Nicht-Wis- Zeremonien, Kostümen und Gep�logenheiten fort. In der sen, añoranza, Ignoranz, besteht; „Nostalgie ist so etwas wie Alltagskultur üben alte Bücher, allen voran mittelalterliche ein Schmerz infolge Ignoranz, Nicht-Wissen. Du bist weit Handschri�ten, und ‚tote‘ Sprachen, möglicherweise gerade weg, und ich weiß nicht, was aus dir geworden ist. Meine Latein, besonders verlockende Anziehungskra�t aus. All das Heimat ist weit weg, und ich weiß nicht, was dort gerade wirkt betörend! Man sieht ja die Wirkkra�t der keltischen und geschieht.“ Solch ein gefühlsmäßiges Eingehen auf die der altnordischen Welt bei Tolkien und des Lateins bei C. S. Vergangenheit, zuweilen romantisch verbrämt, manchmal Lewis. entzaubert, wurde neulich von Zygmund Bauman in seinem Werk Retrotopia (2017) untersucht. Unter den Titeln anderer Gab es irgendwelche entsprechende Erfahrungen im wissenscha�tlicher Bücher seien jene von David Lowenthal lateinischen Mittelalter? ‚Nostalgie im Mittelalter‘ mag wie genannt, der sich zweimal eine bekannte Formulierung des ein Widerspruch in sich erscheinen, denn das Wort ist im Britischen Autors L. P. Hartley zu eigen machte, erstmals bei Englischen erstmals 1770 bezeugt und bezeichnet im Franzö- The Past is a Foreign Country (1985) und dann, drei Jahrzehnte sischen 1802 einen Krankheitszustand, eine besondere Form später, bei The Past is a Foreign Country – Revisited (2015). In von Schwermut (Melancholie, Depression), gekennzeichnet diesen Untersuchungen wies der amerikanische Historiker durch „ein von nicht gestillter Sehnsucht nach Rückkehr darauf hin, inwiefern „Nostalgie heute die bevorzugte Art des verursachtes Leiden“ – in diesem Sinn hatte der Schweizer Zurückblickens ist“ und inwiefern das sowohl verlockend als Johann Hofer den Begri�f nostalgia in seiner lateinischen auch belastend wirken kann. Diese Art von instrumentalis- Dissertation bereits 1668 erstmals verwendet. Es darf aber im ierter, gesuchter Nostalgie als Schmerzlinderung bringt es Grunde keineswegs ausgeschlossen werden, dass eine mit sich, dass man meint, man wisse um Vergangenes oder Vorstellung ebendieses Leidens auch im Mittelalter vorhan- könne zumindest darum wissen. den war, hat doch ‚Nostalgie‘ sowohl einen örtlichen als auch einen zeitlichen Bezug – und es gab viele Zeiten und Orte Nostalgisch-sentimental gestimmtes Gefühl stellt eine schon vor dem Mittelalter! Glücksgefühl durch Assoziationen Verbindung zwischen der gegenwärtigen und der vergan- mit einer vorgestellten Vergangenheit konnte entweder bei genen Epoche des Mittelalters her: Im Mittelalter sieht man Einzelpersonen oder im Kollektiv au�kommen. Es mag sein, „die gute alte Zeit“. Während der letzten zwei Jahrhunderte dass Nostalgie einen fixen Platz in Konzepten des wurden das Latein und die Literatur jenes Zeitraums im Mittelalters von Vergangenheit, Erinnerung und Gefühlen Wirtshausdunst von Wein, Weib und Gesang, von ausgelass- eingenommen hat. enen Teufel-komm-raus-Ritualen der Studenten vernebelt betrachtet: Man denke an Victor Hugos Notre-Dame. Die Wir haben mit Absicht den Rahmen von Medialatinitas IX Carmina Burana und ihre Übersetzer haben das Ihre dazu weiter gesteckt, indem wir Fachleute eingeladen haben, beigetragen, und gelehrtes antiquarisches Interesse spielte gerade das sehr gegenwartsbezogene Thema ‚Nostalgie‘ in eine entscheidende Rolle bei den vielfältigen Bemühungen seiner Beziehung zum Lateinischen Mittelalter zu erforschen. Wir ho�fen, dass Beiträge einlangen werden, die einerseits die Idee der Nostalgie darstellen und untersuchen, ander- erseits deren Probleme aufzeigen und hinterfragen. An welchen Grundmustern orientiert sie sich? In welchen Zusammenhängen tritt sie auf? Inwiefern ist Nostalgie eher mit der Gegenwart, ja sogar mit der Zukun�t verbunden als einfach bloß mit der Vergangenheit? Wie könnte man
zwischen einer Ausrichtung auf eine als geheiligt und instrumentalisieren. In jüngerer Zeit hat sich diese Einstel- vorbildha�t erachtete Vergangenheit und einer stärker lung mit der Ablehnung sozialer Veränderung auf den zeitgemäßen Vorstellung von Nostalgie unterscheiden? Gebieten der Demographie, der Technik und anderer Könnte man den auf die Zeit der Apostel rückwärts gewende- Bereiche verbündet. Und schließlich: Wenn Nostalgie auf ten Blick christlicher Reformatoren des Mittelalters als eine einer konstruierten, vorgetäuschten Geschichtsvorstellung Form von Nostalgie verstehen? au�baut, läu�t sie Gefahr, das Produkt einer Manipulation der Vergangenheit zu werden mit möglicherweise verheerenden Überdies gibt es hier politische Gesichtspunkte. Nostalgie Folgen für die Zukun�t. Die Epoche des Mittelalters könnte wurde und wird immer wieder von politischen Bewegungen ein Schlachtfeld werden, auf dem Rassenwahn, religiöse vereinnahmt, die stereotype Vorstellungen des Europäischen Intoleranz, Nationalstolz und elitäre Kulturkonzepte als Mittelalters als einer mutmaßlichen Epoche des Glaubens, Streitmacht au�treten. des Heldentums, von Ursprünglichkeit und Volkwerdung Vortragsgruppen und Einzelvorträge können folgende Themen behandeln, sind aber sind nicht auf diese beschränkt Nostalgie und Unmöglichkeit einer vollkomme- Persönliche und gemeinscha�tliche Nostalgie nen Wiedergabe eines Originals (z.B. in der und deren räumliche Projektionen – Eden, das Handschri�tenkultur). Nostalgie und Politik in irdische Paradies, Himmel, Märchenland und der Gestaltung von Handschri�ten, politische Utopie – oder deren zeitliche Projektionen – Obertöne bestimmter Schri�ttypen und die Sehnsucht nach Kindheit und Jugend oder Übertragung in Druckschri�ten Herbeiwünschen der Zukun�t, der Eschatologie Nostalgie (und Negativismus) bezüglich alter Die Altvorderen: Trojaner, Römer, Gründungs- Bücher, alter Schri�ttypen und alter Bibliothek- sagen und Ureinwohner in der Geschichtsschrei- en: Hat mangelndes Feingefühl gegenüber der bung Handschri�tenkultur zu Vernichtung und Verlust Dynamische Wirkung des Zurückblickens: handschri�tlichen Kulturerbes geführt? Nostalgie und das Vergehen der Zeit: die Das Gefühl des Verlustes eines Goldenen Vergangenheit, ihr Vermächtnis und ihre Zeitalters in Lateinischer und volkssprachiger Bewertung. Chaos und Verfall in der Gegenwart Literatur und theologischen Texten. in Gegensatz zu Sittenreinheit und Ordnung in Klassische und jüdisch-christliche Au�fassungen der Vergangenheit, Nostalgie als ein allgeme- einer vorgestellten glücklichen Vergangenheit ingültiges Empfinden gegenüber der Antike. Der sowohl für eine Einzelperson als auch für ein Wunsch, die Gegenwart auf der Grundlage von Kollektiv Mustern aus der Vergangenheit zu reformieren (Rückkehr zu den Anfängen: religiöse Strömun- gen, mittelalterliche Renaissancephänomene, Gründergestalten wie beispielsweise Arthur, rex quondam rexque futurus, Karl der Große und Karl IV. zur Wiederbelebung der Vergangenheit)
Nostalgie und mittelalterliche Seelenheilkunde Konstruieren und Manipulieren des Geschichts- (Methoden der Heilung von Beklemmung, des bildes, gefälschtes Geschichtsbild, Einbildung, Gefühls der Verlorenheit und der Melancholie / Anreize und Aktivierungsmethoden des Depression bei medizinischen und theolo- Geschichtsbildes gischen Schri�tstellern) Nostalgie in der historischen Erforschung der Mittelaltergefühl in der Literatur einschließlich Gefühle: Herbeiwünschen, Sehnsucht und Nostalgie nach dem lateinischen Mittelalter, Leiden eingekleidet in neuzeitlichen Romanen, von Hugos Notre-Dame de Paris und Sche�fels Ekkehard (1855) bis zu Ecos Name der Rose (1980) und Baudolino (2000). Mittelaltergefühl und lateinisches Mittelalter Please send abstract and a brief biography/research Mittelaltergefühl als Neuinszenierung profile (300–400 words each) by 15 February 2020 to: historischer Ereignisse und kreativer Anachro- Medialatinitas2020@�f.cuni.cz nismus. Räumliche und zeitliche Trennung und die Grundformen von Idealisierung, Eskapismus, Verleugnung und Ablehnung der Gegenwart Applicants will be notified by 31 March, 2020. For further information and updates, please visit the congress website: https://medialatinitas2020.�f.cuni.cz For information on the International Medieval Latin Committee, please see: https://imlc.huygens.knaw.nl/ A�ter peer review, selected contributions will be published in Harvard Studies in Medieval Latin. Papers must be prepared for publication, not le�t as delivered orally, and provided with full documentation. For consideration, revised papers must be submitted digitally by 1 February, 2021. Centrum pro studium středověku
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