Medikamente und Long-QT Syndrom
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Vol. 19 No. 4 2008 Fortbildung / Formation continue und Adoleszenten unter Medikation mit Psy- Medikamente und Long-QT Syndrom chopharmaka publiziert2). Seither wurden viele neue Wirkstoffe eingeführt, die einen Nicole Sekarski, Tatiana Boulos, Stefano Di Bernardo potentiellen Einfluss auf das QT-Intervall Pädiatrische Kardiologie, Centre Hospitalier Universitaire Vaudois, Lausanne nehmen. In zeitlichem Zusammenhang damit Übersetzung: R. von Vigier, Bern konnte eine Häufung von Fallberichten über toxische Nebenwirkung beobachtet werden. Eine Verlängerung der QT-Zeit stellt derzeit Einleitung Ionenkanäle verantwortlich für die myokar- die häufigste Ursache von Anwendungs diale Repolarisation. Dazu gehören vor al- einschränkungen sowie für den Rückzug Eine medikamentös bedingte Verlängerung lem Antiarrhythmika, Antihistaminika, Anti- von Medikamenten vom Markt dar. Zu den der QT-Zeit im EKG wurde erstmals in den biotika, Malariamittel und Psychopharmaka. aktuellsten Beispielen gehören Wirkstoffe 60er Jahren unter antiarrhythmischer Be- Die Anwendung psychotroper Wirkstoffe hat wie Cisaprid, Terfenadin, Droperidol und handlung mit Chinidin beobachtet. Seither in der Pädiatrie während der letzten Jahre Sertindol3). wurde eine Vielzahl von Wirkstoffen mit die- deutlich zugenommen. Sie werden in erster ser elektrokardiographischen Anomalie as- Linie durch Pädiater, Allgemeinpraktiker und Physiologie soziiert, wobei einige davon auch bei pädia- Kinderpsychiater verschrieben, wobei diese trischen Patienten zum Einsatz kommen. bisweilen nur über mangelnde Kenntnisse, Das Aktionspotential des Myokards wird Eine Verlängerung des QT-Intervalls kann zu insbesondere betreffend die Sicherheit der durch die komplexe Interaktion verschie- ventrikulären Arrhythmien und letztlich zum entsprechenden Wirkstoffe, verfügen1). Im dener Ionenströme über die Zellmembran plötzlichen Herztod führen. Gemeinsamkeit Jahre 1999 wurden Empfehlungen der Ame- bestimmt (Abbildung 1). Die Depolarisation der Wirkstoffe, die eine Verlängerung der rican Heart Association (AHA) betreffend die erfolgt aufgrund des raschen Einstromes QT-Zeit bewirken, ist deren Einfluss auf die kardiovaskuläre Überwachung von Kindern von Na+ und Ca++ (Phase 0). Die Repolarisa- tion beginnt mit einem kurzen Austritt von K+ (Phase 1), die Plateauphase (Phase 2) wird durch einen prolongierten Einstrom von Ca++ und verschiedene Ausströme von K+ bestimmt. Diese Kaliumkanäle sind letztlich für die Repolarisation verantwortlich und werden aufgrund der Geschwindigkeit ihrer Aktivierung sowie ihrer Leitfähigkeit in «sehr schnell» (IKur, «ultra rapid»), «schnell» (IKr, «ra- pid») und «langsam» (IKs, «slow») unterteilt. Der Kanal IKr wird durch verschiedene Wirk stoffklassen blockiert, was zu einer Verlang- samung des Ausstromes von Kalium nach extrazellulär und dadurch zu einer Verlän- gerung der Repolarisation führt. Die grosse Abb. 1: Aktionspotential des Herzmuskels Affinität dieser Wirkstoffe für besagten Ino- nenkanal (IKr) wird durch dessen chemische und strukturelle Besonderheiten erklärt4). Derselbe Ionenkanal ist beim LQTS2, der häufigsten Form des kongenitalen Long-QT Syndrom, impliziert. Im Oberflächen-Elektrokardiogramm (EKG) entsprechen der QRS-Komplex der Depola risation und die T-Welle der Repolarisation des Herzmuskels. Entsprechend führt eine Verzögerung der myokardialen Repolarisa- tion zu einer Verlängerung des QT-Intervalls (Abbildung 2). Bei verzögerter Repolarisa- tion kommt es gehäuft zum Auftreten ven- trikulärer Rhythmusstörungen, insbesonde- re der sogenannten «Torsade de pointes» als charakteristische Arrhythmie beim Long-QT Syndrom. Dabei handelt es sich um eine po- Abb. 2: Elektrokardiogramm: QT-Verlängerung bei 9jährigem Kind unter Risperidon und lymorphe, ventrikuläre Tachykardie, welche zusätzlich Erythromycin bei Mykoplasmen- Pneumonie durch wellenförmige Kammerkomplexe mit 37
Fortbildung / Formation continue Vol. 19 No. 4 2008 kardiovaskulär Amiodaron Epinephrin/Norepinephrin Disopyramid Flecainid Dobutamin Midodrin Dopamin Sotalol Ephedrin Abb. 3: Torsade de pointes: 14-jährige Pati- entin mit dilatativer Kardiomyopathie bei psychotrop Amitryptilin Methadon Myokarditis; Behandlung mit Amiodaron, Chloralhydrat Methylphenidat Dopamin und Domperidon Chlorpromazin Nortriptylin Clozapin Olanzapin Fluoxetin Risperidon Haloperidol Sertralin Imipramin gastro-intestinal Domperidon Ondansetron Octreotid pulmonal Salbutamol Terbutalin Salmeterol antimikrobiell Erythromycin Levofloxacin Clarithromycin Moxifloxacin Azithromycin Trimethoprim-Sulfamethoxazol Ciprofloxacin Elektrokardiogramm: Bestimmung Abb. 4: antiviral Amantadin Foscarnet von QT und QTc antiparasitär Chloroquin Pentamidin Mefloquin antimykotisch Fluconazol Ketoconazol variabler Amplitude und Rotation der QRS- Itraconazol Achse gekennzeichnet ist (Abbildung 3). Varia Phenylephrin Tacrolimus Klinisch imponiert diese meist selbstlimitie- Phenylpropanolamin rende Rhythmusstörung mit Palpitationen, Schwindel, Synkopen und Krampfanfällen. Tabelle 1: Liste der wichtigsten Wirkstoffe mit QT-Verlängerung In 10–17% der Fälle kann eine Torsade de (adaptiert nach www.qtdrugs.org) pointes-Tachykardie jedoch zum Kammer- flimmern und plötzlichen Herztod führen. chen Vermeiden von Messfehlern sollte gung und den Mahlzeiten. Eine QTc > 500 das QT-Intervall stets in den Ableitungen II msec. sowie eine Verlängerung der QTc > EKG-Auswertung oder V5 bestimmt werden. Automatisierte 60 msec. im Vergleich zu einer Voruntersu- Elektrokardiographen bestimmen meist die chung vor Einführen einer medikamentösen Das QT-Intervall reicht vom Beginn der Q- Intervalle QT und QTc; angesichts der stark Therapie haben jedoch beide prädiktiven Zacke bis zum Ende der T-Welle (Abbildung variablen Form der T-Welle empfiehlt es sich Wert für das Auftreten von Torsade de poin- 4). Fehlmessungen der QT-Zeit beruhen jedoch diese Intervalle manuell zu kontrol tes-Tachykardien8), 9). meist auf der Schwierigkeit, das Ende der lieren. Die am häufigsten verwendete Formel T-Welle genau zu bestimmen, insbesondere zur Berechnung der frequenzkorrigierten QT- Risikofaktoren falls diese flach ist oder beim Vorliegen Zeit (QTc) ist jene nach Bazett (Abbildung einer U-Welle. Der Schnittpunkt einer Tan- 4), welche jedoch bei Herzfrequenzen über Genetik gente am absteigenden Schenkel der T- 100/min. die QTc überschätzt. Mehrere Gene wurden mit dem konge- Welle mit der isoelektrischen Linie gilt dabei nitalen Long-QT Syndrom in Verbindung grundsätzlich als Endpunkt der T-Welle. Falls Normwerte gebracht, wobei drei Loci für die Mehrheit die T- in eine U-Welle übergeht ohne zuvor der beschriebenen Fälle verantwortlich die isoelektrische Linie zu erreichen, so ist Der obere Grenzwert der QTc beträgt 450 sind: LQTS1 (Chromosom 11p15.5), LQTS2 diese zum QT-Intervall dazugehörend zu msec. für Männer beziehungsweise 460 (Chromosom 7q35-36) und LQTS3 (Chro- rechnen6). Die Dauer der QT-Zeit ändert sich msec. für Frauen8). Die Beziehung zwischen mosom 3q21-24). Klinisch werden zwei mit der altersabhängigen Ruheherzfrequenz. Dauer der QTc und dem Auftreten von Torsa- Phänotypen unterschieden, das rezessiv Deshalb wird bevorzugt eine rechnerisch für de de pointes-Tachykardien ist jedoch nicht vererbte Jerwell-Lange-Nielson Syndrom die Herzfrequenz korrigierte QT-Zeit (QTc) linear. Beim kongenitalen Long-QT Syndrom (assoziiert mit Schwerhörigkeit) sowie das angewendet, welche eine Beurteilung des werden grosse intrafamiliäre Variationen dominant vererbte Romano-Ward Syndrom QT-Intervalls unabhängig von der Herzfre- der QTc beobachtet. Weiterhin ist die QTc ohne Hörstörung. Diese Syndrome äussern quenz erlaubt, ohne dass ein Nomogramm alters- und geschlechtsabhängig und variiert sich durch Synkopen, unerklärte Krampfan- verwendet werden muss. Zum bestmögli- mit der Tageszeit, mit körperlicher Anstren- fälle und plötzliche Todesfälle, ausgelöst 38
Vol. 19 No. 4 2008 Fortbildung / Formation continue Inhibitor Substrat Inhibitor Substrat 1A2 Cimetidin Theophyllin 2D6 Dextromethorphan Fluoroquinolon Clozapin Flecainid Fluvoxamin Imipramin Mexiletin Mexiletin Ondansetron Naproxen Tramadol Venlafaxin 2C9 Amiodaron Diclofenac Paracetamol Fluconazol Ibuprofen Ethanol Isoniazid Piroxicam Nortriptyline Tolbutamid Glipizid 3A4,5,7 Delaviridin Clarithromycin Irbesartan Indinavir Erythromycin Celecoxib Nelfinavir Quinidin Fluvastatin Ritonavir Alprazolam Naproxen Saquinavir Diazepam Phenytoin Amiodaron Midazolam Sulfamethoxazol Cimetidin Cyclosporin A Warfarin Clarithromycin Tacrolimus Diltiazem Indivavir 2C19 Fluoxetin Progesteron Erythromycin Ritonavir Fluvoxamin Omeprazol Fluvoxamin Saquinavir Ketoconazol Lansoprazol Itraconazo Chlorpheniramin Lansoprazol Pantoprazol Ketoconazol Amlodipin Omeprazol Diazepam Verapamil Diltiazem Phenytoin Felodipin Phenobarbital Nifedipin Amitryptilin Verapamil Clomipramin Atrovastatin Cyclophosphamid Simvastatin 2D6 Amiodaron Metoprolol Buspiron Chlorpheniramin Propafenon Haloperidol Cimetidin Timolol Methadon Clomipramin Amitryptilin Pimozid Fluoxetin Clomipramin Sildenafil Haloperidol Desipramin Trazodon Methadon Imipramin Vincristin Paroxetin Paroxetin Quinidin Haloperidol Ranitidin Risperidon Ritonavir Thioridazin Disulfiram Codein Tabelle 2: Wirkstoffe abhängig von CYP450 durch Angst, laute Geräusche, körperliche hypertropher und dilatativer Kardiomyopa- Co-Medikation Anstrengung, Schwimmen und Bradykar- thie. Bei diesen Patienten ist entsprechend Das Risiko von Torsade de pointes-Tachy- dien. Bei Kindern mit kongenitalem Long- besondere Vorsicht bei der Anwendung von kardien kumuliert bei Assoziation verschie- QT Syndrom können Wirkstoffe, die eine Wirkstoffen mit potentieller Verlängerung dener Wirkstoffe (zum Beispiel Neuroleptika zusätzliche Verlängerung des QT-Intervalls des QT-Intervalls geboten. und Antidepressiva), die auch isoliert das bewirken, das Auftreten von Torsade de QT-Intervall verlängern12). pointes auslösen. Elektrolytstörungen Hypokaliämie und Hypomagnesiämie ge- Cytochrom P450 (CYP450) Geschlecht hören zu den Risikofaktoren für das Auf- Dieses System ist für die Oxidation und Medikamentös induzierte Torsade de pointes- treten von Torsade de pointes. Bereits den Metabolismus von mehr als 90% der Tachykardien treten beim weiblichen Gesch Kalium-Werte im unteren Normbereich verwendeten Medikamente verantwortlich. lecht gehäuft auf. Die Ursache ist bislang un- verringern den transmembranären Kalium- Es existieren viele Iso-Enzyme von CYP450, geklärt, wobei hormonelle Einflussfaktoren Austausch und prädisponieren damit zum wobei 3A4, 2C19, 1A2, 2C9 und 2D6 die fünf vermutet wurden10). Blockieren des Kanales IKr. In Situationen wichtigsten Vertreter darstellen13). Die Mehr- mit erhöhtem Risiko für das Auftreten zahl der Psychopharmaka sowie Makrolide, Angeborene Herzvitien von Elektrolytstörungen – wie zum Beis- Antimykotika und antiretrovirale Wirkstoffe Die Prävalenz von Reizleitungsstörungen piel Erbrechen und Durchfall, Therapie werden durch die hepatischen Iso-Enzyme ist bei Patienten mit kongenitalen Vitien mit Diuretika, reno-tubuläre Azidose und 3A4 und 2D6 metabolisiert. Durch Kombi- (korrigiert und unkorrigiert) erhöht. Das Anorexia mentalis – ist deshalb auch be- nation verschiedener Wirkstoffe, die durch Risiko ventrikulärer Arrhythmien ist am sondere Vorsicht bei der Anwendung von dieselben Stoffwechselwege abgebaut wer- höchsten bei Patienten mit Fallot-Tetralo- Wirkstoffen mit potentieller Verlängerung den, kann es zu kompetitiver Hemmung mit gie, mit univentrikulären Herzen sowie mit des QT-Intervalls geboten11). konsekutiver Kumulation und Verlängerung 39
Fortbildung / Formation continue Vol. 19 No. 4 2008 des QT-Intervalls kommen. Eine Aufzählung hoher Plasma-Spiegel begünstigt. Rhythmus- Hyperaktivitätsstörungen werden in der Be- der häufigsten verwendeten Wirkstoffe, die störungen (Torsade de pointes) unter Metha- völkerung, vom medizinischen Fachpersonal von CYP450 abhängig sind findet sich in don sind oft durch gleichzeitige Verabrei- und in der Literatur kontrovers diskutiert26). Tabelle 2. chung mehrerer Wirkstoffe mit Einfluss auf Die Diagnose «Aufmerksamkeitsdefizit/-Hy- die QT-Zeit bedingt17). peraktivitätsstörung» wird zunehmend häufig Medikamente gestellt und verschiedene Studien zeigten Psychopharmaka eine erhöhte Prävalenz bei Kindern mit kardia- Eine Vielzahl von Medikamenten kann zur Die Anwendung von Psychopharmaka hat in len Erkrankungen27)–29). Die Furcht vor schwe- Verlängerung der QT-Zeit führen (Tabelle 1), der Pädiatrie während der letzten Jahre deut- rwiegenden Nebenwirkungen, Berichte von wobei das «University of Arizona Center for lich zugenommen. Sie werden nicht nur zur plötzlichen Todesfällen, sowie Warnungen der Education and Research on Therapeutics» Behandlung von Psychosen, sondern auch Pharmaindustrie und der FDA unterstützen eine Datenbank zum Thema etabliert hat bei anderen Erkrankungen wie Autismus, diese kontroverse Diskussion. Deshalb hat (www.torsades.org und www.qtdrugs.org). Aufmerksamkeitsdefizit/-Hyperaktivitätss- sich die American Heart Association noch- Die Verlängerung der QT-Zeit und damit törungen, Gemütsstörungen und Verhalten- mals mit dem Thema auseinandergesetzt und das Risiko für das Auftreten von Rhythmus sauffälligkeiten eingesetzt18)–20). Neuroleptika kürzlich Empfehlungen betreffend die kardiale störungen ist zumeist dosisabhängig, wobei können zu einer Verlängerung der QT-Zeit Überwachung von Kindern unter Behandlung das Auftreten einer verzögerten Repola- führen. Insbesondere Phenothiazine, Buty- mit Stimulantien herausgegeben26). risation oft bereits bei normalen Plasma- rophenone und Pimozid sowie die atypis- Spiegeln beobachtet werden kann. chen Neuroleptika wie Risperidon, Olanza- Klinisches Vorgehen pin, Chlorpromazin und Clozapin sind dafür Antiarrhythmika bekannt21). Wenngleich weniger häufig bei Vor dem Verschreiben von Wirkstoffen mit Die arrhythmogene Nebenwirkung dieser pädiatrischen Patienten eingesetzt, wurden EKG-Veränderungen als potentielle Ne- Wirkstoffe ist seit langer Zeit bekannt14), trizyklische Antidepressiva wie Desipramin, benwirkung sind einige Vorsichtsmassnah- wobei davon vor allem Antiarrhythmika der Amitryptilin, Nortryptilin und Imipramin auch men empfohlen (Tabelle 3). Klassen IA (Chinidin, Ajmalin), III (Sotalol, mit QT-Verlängerung und Torsade de pointes- Amiodaron) und seltener IC (Propafenon, Tachykardien in Verbindung gebracht. Ausser Anamnese Flecainid) betroffen sind. Bei pädiatrischen bei gleichzeitigem Vorliegen weiterer Risiko- Eine ausführliche Anamneseerhebung ist Patienten werden ausschliesslich Antiarrhy faktoren, ist die Gefahr von Rhythmusstörun- unabdingbar, wobei ein Schwergewicht dem thmika der Klassen III und IC verwendet. gen unter selektiven Serotonin-Wiederaufna- Vorkommen von Synkopen, Unwohlsein, hmehemmern (Sertralin, Fluoxetin) geringer. Palpitationen, Krampfanfällen, Rhythmus Antihistaminika Deshalb sind diese Wirkstoffe geeigneter zur störungen, Herzmissbildungen und Elektro Fälle von Torsade de pointes wurden im Zu- Behandlung von Depressionen bei Patienten lytstörungen zukommen muss. Die Familien sammenhang mit Terfenadin und Astemizol mit kardialen Erkrankungen22), 23). Obwohl Li- anamnese – insbesondere betreffend Schwer- beschrieben. Die neuen Wirkstoffe wie Ceti- thium verschiedene Arrhythmien auszulösen hörigkeit, Herzrhythmusstörungen und rizin und Fexofenadin haben dagegen keine vermag, wurden bislang keine Fälle einer plötzlicher Todesfälle – ist ebenfalls bedeu- arrhythmogene Nebenwirkung15). signifikanten Verlängerung des QT-Intervalls tungsvoll. Weiterhin ist die Einnahme sonsti- beobachtet22). ger Medikamente genau zu erfragen. Antimikrobielle Wirkstoffe Gewisse Antibiotika, Antimykotika (Keto- Stimulantien Körperliche Untersuchung conazol, Fluconazol), Malariamittel (Chlo- Keiner der aktuell gebräuchlichen Arznei Diese umfasst insbesondere die Messung roquin) und Proteaseinhibitoren (antiretro- stoffe mit stimulierender Wirkung (Methyl- der Herzfrequenz und des arteriellen Blut virale Wirkstoffe) können das QT-Intervall phenidat, (Dextro-)amphetamin, Pemolin) druckes sowie die Untersuchung betreffend verlängern. Bei den Antibiotika sind es vor führt zur QT-Verlängerung oder Torsade de klinischer Zeichen, hinweisend auf das Vor- allem Erythromycin gefolgt von Clarithromy- pointes-Tachykardien. Trotzdem können diese liegen einer Herzmissbildung. cin, die das QT-Intervall verlängern. Azithro- Wirkstoffe verschiedene kardiale Neben mycin dagegen hat nur einen geringen Ein- wirkungen auslösen, insbesondere supra- Elektrokardiogramm fluss und wurde bisher nie mit dem Auftre- ventrikuläre Arrhythmien wie Sinusbrady- Bei Behandlung mit Wirkstoffen, die ent ten von Torsade de pointes-Tachykardien in und -tachykardien sowie weiterhin Auffällig weder eine Verlängerung des QT-Intervalls Verbindung gebracht16). keiten des ST-Segmentes und in gewissen bewirken können oder die mit dem Auftre- Fällen eine arterielle Hypertonie24), 25). ten von Torsade de pointes-Tachykardien in Methadon Im Jahre 1999 wurden Empfehlungen der Verbindung gebracht wurden, ist vor Beginn Dieses synthetische Opiat wird zur Schmerz American Heart Association (AHA) betref- der Therapie und bei letztgenannten zusätz- therapie und zur Behandlung beim Entzugs- fend die kardiovaskuläre Überwachung von lich auch nach Erreichen des steady-state syndrom eingesetzt. Im Gegensatz zu Mor- Kindern und Adoleszenten unter Medikation ein EKG abzuleiten. Diese Untersuchung ist phin, kann Methadon zu einer Verzögerung mit Psychopharmaka publiziert2). Dabei wur- weiterhin bei allen Patienten mit vorbeste- der Repolarisation führen. Methadon wird den keinerlei Massnahmen beim Einsatz von henden Risikofaktoren notwendig3), 22), 23), 30). hepatisch (CYP450 3A4) metabolisiert, wo- Stimulantien empfohlen. Die Wirkstoffe zur Die AHA empfiehlt nun auch eine EKG-Un- bei die lange Halbwertszeit das Auftreten Behandlung der Aufmerksamkeitsdefizit/- tersuchung vor der Behandlung von Patien- 40
Vol. 19 No. 4 2008 Fortbildung / Formation continue ten mit Aufmerksamkeitsdefizit/-Hyperak- Mehrere Studien im Zusammenhang mit Brugada Syndrom und eine hypertrophe tivitätsstörungen mit Stimulantien. Dadurch plötzlichen Todesfällen kamen zur Schluss- Kardiomyopathie entdeckt werden26). sollen jene Faktoren erkannt werden, die ei- folgerung, dass mittels EKG-Untersuchung Bei Vorliegen von auffälligen Befunden ist nerseits mit plötzlichem Todesfall assoziiert eine signifikante Anzahl von Erkrankungen eine Beurteilung durch einen Kinderkardio- sein können, andererseits aber anamnes- wie ein kongenitales Long-QT Syndrom, logen empfohlen (Abbildung 5). tisch und klinisch nicht entdeckt werden. ein Wolff-Parkinson-White Syndrom, ein Nachkontrollen Anlässlich der Folgeuntersuchungen sind das Auftreten von Symptomen, die Ein- nahmen zusätzlicher Medikamente sowie allfällige Dosisänderungen zu erfragen und bei Bedarf eine elektrokardiographische Verlaufsuntersuchung zu veranlassen. Schlussfolgerungen Viele bei Kindern zum Einsatz kommende – insbesondere auch psychotrope – Medika- mente können potentiell schwerwiegende kardiovaskuläre Nebenwirkungen hervor- rufen. Vor dem Beginn einer derartigen Therapie müssen das Risiko einer QT-Ver- längerung eingeschätzt, die Kombination von solchen Wirkstoffen vermieden und gegebenenfalls elektrokardiographische Folgeuntersuchungen organisiert werden. Soweit möglich sollen derartige Wirkstoffe nur als zweite oder dritte Wahl eingesetzt Abb. 5: Algorithmus zur Verschreibung psychotroper Medikamente in der Pädiatrie werden. Patienten, Familien und verschrei- bende Ärzte müssen die potentiellen Risiken und die entsprechenden Vorsichtsmass Persönliche Anamnese Unwohlsein, Synkopen (vor allem anstrengungsinduziert) nahmen kennen. Krampfanfälle Thoraxschmerz, Anstrengungsdyspnoe Referenzen: Anstrengungsintoleranz Siehe französischer Text. Palpitationen, Arrhythmien Arterielle Hypertonie Korrespondenzadrese: Herzgeräusch Dr. Nicole Sekarski, PD et MER Thoraxschmerzen / Palpitationen bei viraler Erkrankung Cardiologie pédiatrique Medikamente CHUV Nahrungszusätze 1011 Lausanne Familienanamnese Plötzlicher oder unerklärter Todesfall in jungem Alter Nicole.Sekarski@chuv.ch Plötzlicher Todesfall oder Myokardinfarkt < 35 Jahre Plötzlicher Todesfall, anstrengungsinduziert Arrhythmien Hypertrophe oder dilatative Kardiomyopathie, rechts- ventrikuläre Dysplasie Long-QT Syndrom, Short-QT Syndrom, Brugada Syndrom Wolff-Parkinson-White Syndrom Synkope, reanimationsbedürftig Marfan Syndrom Klinische Untersuchung Pathologisches Herzgeräusch Arterielle Hypertonie Arrhythmie Phänotyp vereinbar mit Marfan Syndrom EKG Pathologische Befunde Tabelle 3: Klinisches Vorgehen für Patienten unter psychotroper Medikation 41
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