Medizin und Pharmazie im Umbruch - KI in der Versorgungsforschung und Gesundheitsversorgung: IQVIA

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Medizin und Pharmazie im Umbruch - KI in der Versorgungsforschung und Gesundheitsversorgung: IQVIA
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KI in der Versorgungsforschung und Gesundheitsversorgung:

Medizin und Pharmazie im Umbruch
Künstliche Intelligenz (KI) kommt heute entlang des gesamten Pharma-Produktlebenszyklus zum Einsatz – von der Ent-
wicklung neuer Moleküle über die Optimierung klinischer Studien bis hin zur Messung der Effekte von Pharmakotherapien in
spezifischen Patientenpopulationen. Davon profitieren forschende Arzneimittelhersteller, Ärzte, Patienten und Kostenträger
gleichermaßen. Ein Überblick.

>> Neue Technologien, wohin das Auge blickt:
                                                                              Mehrwert durch Advanced Analytics
Bei Konsumenten erfreuen sich Wearables,
also tragbare Sensoren, immer größerer
Beliebtheit1. Sie erfassen in engmaschigen
Abständen Daten, die anschließend per
künstlicher Intelligenz (KI) im Smartphone
oder in der Cloud ausgewertet werden. Dabei
handelt es sich um mehr als ein „Gadget“.
In besonders innovativen Kliniken werden
Systeme getestet, die unter Einsatz von KI
Therapiestrategien zur Behandlung einer
Sepsis optimieren2. Und die Auswertung von
Elektroenzephalogrammen (EEG) ermöglicht
Prognosen bei Komapatienten hinsichtlich
lebenserhaltender Maßnahmen3.
   Arzneimittelhersteller profitieren von KI
zum Beispiel in der Forschung und Ent-         Abb. 1: Zunehmende Datenmengen und technischer Fortschritt erlauben es, komplexere Fragen mit Advanced
wicklung. Innovative, KI-basierte Verfahren    Analytics zu beantworten.
erleichtern die Auswahl geeigneter Studi-
enzentren und somit die schnelle Rekrutie-
rung von Patienten. Durch den Einsatz von          Historisch begann alles mit der de-              Ergebnis erzielen kann, etwa einen optima-
App-basiertem Monitoring können Studien-       skriptiven Analytik. Daten beschreiben die           len Erfolg bei der Therapie. Basis sind Me-
ärzte Drop-Out-Raten bei klinischen Studi-     Ergebnisse von Experimenten, und Wissen-             thoden der prädiktiven Analytik zusammen
en minimieren. Und in vielen Fallen helfen     schaftler arbeiten mit einem Portfolio an            mit stochastischen Optimierungstechniken.
KI- und Big-Data-Ansätze, einarmige Studi-     statistischen Kennzahlen. Die diagnostische          Die Ergebnisse helfen Ärzten, komplexe Er-
en mit synthetischen Kontrollkohorten zu       Analytik fragt, warum Ereignisse eingetre-           krankungen bestmöglich zu therapieren.
realisieren. Nicht zuletzt tragen in-silico-   ten sind, wobei hier Modellierungen, Seg-            Und Marketing-Verantwortliche erhalten Em-
Simulationen dazu bei, Vorhersagen über die    mentierungen, Clusterings bzw. lineare Re-           pfehlungen, wie sie ihr Budget bestmöglich
generelle Machbarkeit eines Studiendesigns     gressionen zum Einsatz kommen.                       einsetzen, um z.B. die richtigen Fachärzte
zu treffen.                                        Als Erweiterung der beschreibenden –             zu erreichen.
   Haben Firmen alle regulatorischen Hür-      sprich deskriptiven – Ansätze steht heute
den genommen, lautet ihre Herausforde-         aber auch die prädiktive und präskriptive            Klinische Studien: Schneller ans Ziel
rung, patientenrelevante Endpunkte und         Analytik zur Verfügung. Diese wird hier un-
„Quality of Life“-Faktoren unter Real-World-   ter dem Begriff „Advanced Analytics“ zu-                Wie funktioniert das in der Praxis, z.B.
Bedingungen zu erfassen: Daten werden          sammengefasst (Abb. 1).                              bei der Rekrutierung von Patienten für kli-
kontinuierlich über Plattformen gesam-             Ziel der prädiktiven Analytik ist es, mit        nische Studien? Unter Einsatz von Advanced
melt und per KI analysiert. Darüber hinaus     einem hohen Maß an Präzision Vorhersagen             Analytics-Methoden können altbekannte
kommt KI zum Einsatz bei der Sicherung von     zu erstellen. Durch die Analyse von geeig-           Hürden bei der Planung und Durchführung
pharmazeutischen Lieferketten und bei der      neten, anonymisierten Patientendaten,                klinischer Studien adressiert werden4. Bei
Optimierung von Multi-Channel-Marketing-       unter Einsatz von KI-Methoden, gelingt es            60 Prozent aller Studien kommt es zu ver-
strategien.                                    vorauszusagen, mit welcher Wahrschein-               meidbaren Protokolländerungen. 48 Prozent
                                               lichkeit ein bestimmtes Ereignis, etwa eine          der Studienzentren verfehlen ihre Rekru-
Das Beste aus Big Data herausholen             Erkrankung, auftreten wird. KI-basierte              tierungsziele. Und – wenig überraschend –
     – mit Advanced Analytics                  Algorithmen identifizieren in großen Da-             kommt es bei 80 Prozent aller Studien zu
                                               tenmengen Trends, die mit herkömmlichen              Verzögerungen bei der Rekrutierung und
   Um aus Big Data relevante Erkenntnisse      Technologien unentdeckt bleiben würden.              Durchführung (Abb. 2).
zu generieren, setzt IQVIA auf sogenannte          Die präskriptive Analytik geht noch ei-             Das muss nicht sein. Mit KI-basierten Me-
„Advanced Analytics“-Ansätze. Was ist da-      nen Schritt weiter. Algorithmen entwickeln           thoden lassen sich schon vorab eventuelle
runter zu verstehen?                           Empfehlungen, wie man ein bestmögliches              Schwächen im Studiendesign identifizieren

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                                                  Neuer Ansatz zur Verbesserung klinischer Studien

Abb. 2: Neuer Ansatz zur Verbesserung klinischer Studien. Quelle: IQVIA-Whitepaper 2018.

und bei Bedarf optimieren. Vielleicht wurde                      Prädiktive Analysen:                des Urogenitalsystems, sowie Infektionen.
eine wichtige Patientensubpopulation nicht                    Patienten besser versorgen                Das methodische Herangehen lässt sich
eingeschlossen, vielleicht sind die Aus-                                                             auf andere komplexe Erkrankungen übertra-
schlusskriterien zu weit gefasst – oder die               KI-Tools erleichtern nicht nur forschen-   gen. In einem weiteren Projekt untersuchte
Endpunkte müssen optimiert werden. Basis              den Herstellern die Arbeit. Sie unterstützen   IQVIA, ob es möglich ist, ein System zu
solcher Analysen sind Big Data, z.B. aus frü-         auch Ärzte bei Fragen zur Behandlung kom-      entwickeln, das vor Exazerbationen bei Pati-
heren, vergleichbaren Studien.                        plexer Erkrankungen:                           enten mit chronisch-obstruktiver Lungener-
   Auch die Auswahl von Prüfzentren mit               • Welche Patienten haben ein hohes Pro-       krankung (COPD) warnt. Jede deutliche Ver-
entsprechender Expertise kann mit KI-Stra-               gressionsrisiko und benötigen frühzeitige   schlechterung des Krankheitsbildes erhöht
tegien optimiert werden5, etwa bei seltenen              Interventionen?                             die Morbidität – und stellt gleichzeitig durch
Erkrankungen wie der idiopathischen pul-              • Welche – eventuell von Leitlinien abwei-    gehäufte stationäre Aufenthalte einen ho-
monalen Fibrose. IQVIA analysierte Daten                 chende – Dosierung eines Arzneistoffs       hen Kostenfaktor dar.
von potenziellen Prüfzentren und Prüfern                 führt zum besten Ergebnis?                     Basis der Untersuchung waren elektro-
hinsichtlich ihrer Expertise und setzte Wei-          • Welcher Personenkreis hat eine geringe      nische Patientenakten aus 52 Zentren der
terempfehlungsnetzwerke bzw. prädiktive                  Therapietreue und benötigt mehr Bera-       Primärversorgung. Mit Algorithmen des ma-
Leistungs- und Qualitätsmodelle ein. Da-                 tung?                                       schinellen Lernens identifizierten Forscher
mit gelang es, bei der Auswahl geeigneter                                                            mehrere Risikofaktoren für Exazerbationen:
Partner Zeit zu sparen und mit der Studie                Dazu zwei Beispiele aus der Praxis: Ar-     Herzinsuffizienzen, Antibiotika zur Therapie
schneller zu starten.                                 throse (Osteoarthritis), eine chronisch-de-    von Atemwegsinfekten, Steroide, langwirk-
   Hohe „Drop Out“-Raten von Patienten                generative Gelenkveränderung mit Knorpel-      same Anticholinergika (LAMA), Beta-2-Sym-
machen die Sache nicht einfacher. Ab-                 abbau, führt zu Schmerzen und Funktions-       pathomimetika mit kurzer Wirkdauer (SABA)
bruchquoten von 49 Prozent kommen vor6.               einschränkungen. Im schlimmsten Fall er-       plus kurz wirksame Muskarinrezeptor-Anta-
Meist liegt es am Zeitaufwand, das Studien-           setzen Chirurgen das Gelenk mit einer Total-   gonisten (SAMA).
zentrum zu erreichen und entsprechend zu              endoprothese. Zu klären bleibt, wer die ma-
beraten. IQVIA rät forschenden Herstellern            ximal mögliche Therapie benötigt und wer         Real-World-Daten: Mehr Effizienz,
deshalb, ausgewählte klinische Studien zu             vielleicht mit Analgetika gut versorgt ist,             niedrigere Kosten
virtualisieren7. Hierbei tritt der Studienlei-        ohne dass sich krankheitsbezogene End-
ter direkt, unter Nutzung von zeitgemäßen             punkte verschlechtern („watchful waiting“).       Ein weiteres, immer wichtigeres Einsatz-
Technologien/Apps, mit dem Patienten in                  IQVIA arbeitete mit 2.500 anonymisier-      gebiet von KI ist die Real-World-Forschung
Kontakt und unterstützt den Patienten bei             ten elektronischen Patientenakten, um die      (Abb. 3). Aus Informationssystemen von
der Studienteilnahme, was die „Drop Out“-             Fragestellung zu beantworten. Zum Ein-         Krankenhäusern     oder    niedergelassenen
Raten reduziert. Es ist sogar möglich, re-            satz kamen Clusteranalysen. Algorithmen        Ärzten werden Daten extrahiert, standardi-
levante Vitalparameter der teilnehmenden              des maschinellen Lernens führten letztlich     siert und Advanced-Analytics-Methoden zu-
Patienten über entsprechende Sensoren/                zu Aussagen über Progressionsrisiken. Als      geführt. Davon profitieren alle Beteiligten:
Apps direkt dem Studienleiter zur Verfügung           wichtige Faktoren identifizierten Wissen-      Pharmazeutische Hersteller bekommen die
zu stellen und so das Patientenmanagement             schaftler das Alter und Komorbiditäten, vor    Möglichkeit, eine Pharmakotherapie anhand
insgesamt zu verbessern.                              allem Erkrankungen des Herz-Kreislauf- und     molekularer Marker zu stratifizieren. Sie fin-

                                                          Monitor Versorgungsforschung 01/2020                                                  39
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Abb. 3: Die Verfügbarkeit von Real-World-Daten steigt an beiden Enden des Spektrums. Quelle: IQVIA European Thought Leadership.

den heraus, bei welcher Subpopulation ein             rungen von bis zu 40 Prozent möglich sind.            komplexen Erkrankungen benötigen Ärzte
Arzneimittel besser oder schlechter wirkt –                                                                 „Tools“, die Entscheidungen unterstützen.
oder ob ein Arzneimittel sogar in einer zu-                        Ausblick und Fazit                       Ein Beispiel ist die Onkologie. Längst reicht
sätzlichen Indikation wirkt, für die es nicht                                                               es nicht mehr aus, Tumore anhand des Or-
entwickelt und daher auch nicht zugelassen                Damit steht außer Frage: Digitalisie-             gansystems und anhand histologischer
wurde.                                                rungsstrategien mit KI bzw. Big Data wer-             Parameter zu klassifizieren. Eine Subgrup-
   Auf der anderen Seite der Skala ist es             den Medizin und Pharmazie einschneidend               pe mit bestimmten Genotypen spricht
möglich, in breiten, patientengenerierten Da-         verändern. Sogar der Begriff Disruption oder          vielleicht besonders gut auf einen neuen
ten, Hinweise auf eine vorhandene Volkser-            „kreative Zerstörung“ erscheint hier ange-            Wirkstoff an, während bei anderen Mutati-
krankung zu finden. Sogenannte „Wearables“            sichts der tiefgreifenden Veränderungen ge-           onen kein großer Vorteil zu erwarten ist.
(z.B. „Fitbit“) erfassen beispielsweise konti-        rechtfertigt.                                         Diese sogenannten CDS-Systeme (Clinical
nuierlich Herz-Kreislauf-Daten. Diese gehen               Alles beginnt bei den Patienten selbst.           Decision Support) unterstützen den behan-
per App an eine sichere Cloud, und Algorith-          Medizinische Laien haben zunehmend Zu-                delnden Arzt, die patientenindividuell am
men erkennen Hinweise auf eine Erkrankung             gang zu Informationen und nehmen ihre Ge-             besten geeignete Therapie zu wählen. Die-
deutlich früher, bevor klinisch relevante Sym-        sundheit selbst in die Hand – und fordern so          ser Ansatz, der auch „Precision Medicine“
ptome auftreten. Aufgrund solcher Resultate           noch mehr transparente Informationen. Das             genannt wird, unterstützt den effektiven
kann der behandelnde Kardiologe die Pharma-           gilt auch für Zulassungsbehörden und Ko-              Einsatz von Ressourcen, da teure Therapien
kotherapie anpassen, und zwar engmaschiger,           stenträger. Sie werden angesichts besserer            nur bei den Patienten eingesetzt werden,
als dies heute möglich ist.                           Möglichkeiten, Daten zu analysieren, mehr             die auch tatsächlich von diesen profitieren.
   Und nicht zuletzt hilft KI bei der Optimie-        Nachweise einfordern, dass patientenrele-             Und nicht zuletzt haben unterstützende
rung von Phase-IV-Studien. IQVIA konnte in            vante Endpunkte auch unter realen Bedin-              Heilberufe mehr Möglichkeiten in der Ge-
einem gemeinsamen Projekt mit einem Top 10            gungen erreicht werden.                               sundheitsberatung und der Prävention,
Pharmaunternehmen zeigen, dass durch den                  Doch wie lassen sich klinische Daten in           indem sie Risikogruppen schneller und ge-
Einsatz von innovativen Studiendesigns un-            die Praxis übertragen? Angesichts der zu-             nauer erkennen.
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