"Meine Originale? Die kann ich mir gar nicht leisten!" - Max ...

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"Meine Originale? Die kann ich mir gar nicht leisten!" - Max ...
23.3.2020                                            „Meine Originale? Die kann ich mir gar nicht leisten!“

                                                                                            SEITE 25 | SAMSTAG 21. MÄRZ 2020

            „Meine Originale? Die kann ich mir gar nicht leisten!“
            Otto Waalkes wurde als Komiker berühmt, Max Heide managte über Jahrzehnte Weltstars. Beide
            sind sie aber auch Künstler. Ein Gespräch über Zeichnen in Tapetenbüchern, Malen nach
            Beerdigungen, Zerschneiden von Bildern, Hoffen auf Anerkennung, vollgekleckste Kittel,
            misslungene Gemälde, Ottifanten und Salami

            Otto Waalkes und das „Mädchen mit Wollmütze“ Michael Rauhe

            Peter Wenig

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"Meine Originale? Die kann ich mir gar nicht leisten!" - Max ...
23.3.2020                                            „Meine Originale? Die kann ich mir gar nicht leisten!“

            Das Fachsimpeln beginnt direkt
                                                     KÜNSTLER UNTER SICH: Otto
            nach dem Kennenlernen. „Das Bild Waalkes (71) und Max Heide (68),
            gefällt mir richtig gut, das hat eine    dessen Bild hier zu sehen ist. foto:
            enorme Tiefe“, lobt Otto Waalkes         michael Rauhe
            das Werk seines Künstler-
            Kollegen: „Die Arbeit mit dem
            Spachtel ist außergewöhnlich, das könnte ich nicht.“ Er vermisst auf dem
            abstrakten Gemälde allein die Signatur: „Wo ist Deine Unterschrift?“ „Die
            steht an der Seite. Ich will das Bild nicht kaputtmachen. Und mich kennt ja
            sowieso keiner“, antwortet Max Heide. Waalkes lacht: „Das ist bei mir
            anders, meine Fans wollen, dass auf den Bildern mein Name steht. Aber
            warte ab: Nach ein paar Ausstellungen wirst auch Du Deine Anonymität
            opfern müssen.“

            An diesem Nachmittag Anfang März im Dachgarten über dem Studio von
            Otto Waalkes an der Papenhuder Straße hat der Coronavirus Deutschland
            noch nicht völlig im Griff. Waalkes‘ Assistentin bittet zwar, auf den
            obligatorischen Händedruck zu verzichten („Otto steckt in Dreharbeiten, der
            darf sich auf keinen Fall anstecken“), doch das Gespräch in den kommenden
            60 Minuten dreht sich allein um Kunst. Hier: Otto Waalkes, Deutschlands
            Komiker-Star, seit vielen Jahren auch als Maler erfolgreich. Dort: Max
            Heide, der unter seinem bürgerlichen Namen Wolfgang Kaminski über
            Jahrzehnte Stars wie Karel Gott, Daliah Lavi, Wencke Myhre, Roy Black,
            DJ Ötzi und Dschinghis Khan managte und nun als Max Heide selbst Kunst
            macht. Sein Gemälde „Deutschlandflagge“ übergab er 2018 an Bundestags-
            Vizepräsident Wolfgang Kubicki anlässlich des Jahrestages des Mauerfalls,
            die Deutsche Krebshilfe setzt in ihrem aktuellen Jahreskalender 2020 auf
            seine Werke. Nun sollte nach Köln und Berlin eine Ausstellung in Hamburg
            folgen.

            Otto Waalkes, wann haben Sie ihr erstes Bild gezeichnet?

            Otto Waalkes: Mein Vater war Malermeister, da durfte ich auf den alten
            Tapetenbüchern die Rückseiten bemalen. Ich habe Albert Schweitzer
            gezeichnet, Tarzan, die Gorch Fock, und meine Bilder auch zu einem
            Wettbewerb von Hertie eingeschickt. Leider ohne Erfolg, die Jury wollte
            nicht glauben, dass ein Kind das gezeichnet hatte. Als Schüler bekam ich in
            meiner ostfriesischen Heimat viele Aufträge von Seeleuten. Die haben mir
            ein Passbild gegeben von ihrer Frau oder Freundin, die habe ich auf
            gefärbtem Tonpapier porträtiert.

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            Max Heide: Mein Vater kehrte 1949 aus der Kriegsgefangenschaft zurück,
            drei Jahre später kam ich auf die Welt. Er wollte eigentlich immer Kunst
            machen, hat Saiten auf eine alte Zigarrenkiste gezogen und Musik gemacht.
            Er hat auch gemalt, wusste aber, dass sich damals mit Kunst kein Geld
            verdienen ließ. Später wurde er Leiter einer Rechtsabteilung. Als kleines
            Kind bekam ich meinen ersten Pelikan-Malkasten mit zwölf Farben und war
            sofort fasziniert. Wie viele Farben ich damit mischen konnte. Und welche
            Freude eine selbst gemalte Geburtstagskarte auslösen kann.

            Dennoch sind Sie zunächst Manager von Künstlern geworden, statt selbst zu
            malen.

            Heide Ja, ich bin da irgendwie reingerutscht. In jungen Jahren fotografierte
            ich Stars wie Udo Jürgens für Zeitungen, so entstanden die Kontakte.
            Künstler wie Daliah Lavi, Karel Gott und Roy Black habe ich dann über
            Jahrzehnte gemanagt.

            Waalkes Echt, Roy Black auch? Netter Typ! Roy war mal bei mir in
            Hamburg zu Besuch, das war ganz zu Anfang meiner Karriere. Ich weiß
            noch, dass ich für ihn extra Salami zum Frühstück besorgt habe.

            Heide Karel Gott hat Dich übrigens immer bewundert, der hat richtig von
            Dir geschwärmt. Karel hatte wie viele Künstler zwei Gesichter. Auf der
            Bühne wollte er laut sein, das Publikum mitreißen. Privat war er leise, auch
            er hat viel gemalt.

            Waalkes Ja, das kenne ich. Das sind zwei Welten, die unterschiedlicher nicht
            sein könnten. Ich bin nur beim Malen still. In meinem Atelier in Blankenese
            läuft leise Gitarrenmusik. Das ist ein stummer Dialog, nur zwischen mir und
            dem Bild. Man weiß nie, wohin das Gespräch führt. Deswegen geht das nur
            ohne Zeitdruck. Wenn ich weiß, dass ich gleich wieder einen Termin habe,
            brauche ich gar nicht erst anzufangen. Nach drei, vier Stunden bin ich
            erschöpft, aber zufrieden, wenn’s gut gelaufen ist.

            Heide Das kenne ich. Ich habe Bilder gemalt, die nur deshalb misslungen
            sind, weil ich ganz schnell etwas fertig machen wollte. Manchmal habe ich
            ein Bild im Kopf, kenne aber noch nicht den Weg. Wenn er mir nachts
            plötzlich einfällt, gehe ich sofort in mein Atelier und male. Wenn sich meine
            Frau dann am nächsten Morgen das Bild anschaut und sagt „Das ist gut“,
            dann weiß ich, es ist richtig gut. Denn sie ist nicht so der emotionale Typ.

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            Waalkes Ja, jeder Maler braucht Anerkennung. Kannst Du Deine Frau mal
            bitten, zum Frühstück zu mir zu kommen? Ich besorge auch Salami!

            Wer fällt denn im Hause Waalkes das erste Urteil über ein neues Bild?

            Waalkes Na ja, eine Frau habe ich derzeit ja nicht. Also fotografiere ich das
            Bild mit meinem Handy und schicke es Freunden und Bekannten, auf deren
            Urteile ich mich verlassen kann.

            Tragen Sie bestimmte Klamotten beim Malen?

            Waalkes Was Zünftiges: einen weißen Malerkittel voller Farbkleckse und
            eine Kappe in der Hoffnung, dass das Haar darunter wieder wächst …

            Heide Ich kaufe mir hin und wieder neue Pinsel und Spachtel. Aber am
            Ende arbeite ich doch wieder mit den alten, bewährten Sachen.

            Waalkes Du arbeitest ja mit einer ganz anderen Technik. Ich mache immer
            erst eine Zeichnung, die übertrage ich als Skizze auf die Leinwand. Dann
            arbeite ich Schicht auf Schicht. Hier guck mal! (Er deutet auf sein Bild
            „Mädchen mit Wollmütze“ von 1970) Dieses Bild von meiner ersten
            Freundin ist nach altmeisterlicher Art aufgebaut, mit Leinöl.

            Heide Großartig, ein wunderbares Gemälde.

            Wie schwer ist es, sich von Bildern zu trennen?

            Heide Das ist oft hart. Einmal wollte ein Bekannter ein Bild von mir
            unbedingt kaufen, das gerade fertig geworden war. Aber ich hatte mit
            diesem Bild noch nicht abgeschlossen. Also habe ich ihn vertröstet, es ihm
            viel später verkauft. Mir ist es ganz wichtig, dass die Käufer meine Arbeit
            wertschätzen. Damit meine ich nicht in erster Linie den finanziellen Aspekt.
            Ich hatte mal einen Kunden, der war von einem meiner Bilder so gerührt,
            dass er geweint hat. Das war für mich der größte Lohn.

            Waalkes Ich lasse meine Bilder kopieren, damit ich sie weiter bei mir haben
            kann. Ich brauche sie als Ansporn, es beim nächsten Mal besser zu machen.
            Bei mir daheim hängen keine Originale. Die kann ich mir gar nicht leisten.

            Wer das Bild kauft, ist Ihnen also nicht wichtig?

            Waalkes Wenn ich von jedem Druck wüsste, wer den gerade erworben hat,
            hätte ich auf einen Schlag ein paar Tausend neue Freunde. Nein, das würde
            mich überfordern.

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            Zerstören Sie Bilder, die aus Ihrer Sicht misslungen sind?

            Waalkes Nein, das ist das Gute bei der Schichtenmalerei: Eine neue Schicht
            kann alles retten.

            Heide Einmal habe ich ein Bild zerschnitten. Es war eine Auftragsarbeit für
            einen Kunden, der etwas ganz Spezielles haben wollte. Eigentlich wusste
            ich, dass das nichts für mich ist, habe mich aber überreden lassen, das war
            ein Fehler.

            Waalkes Auftragsarbeiten sind nicht meine Spezialität. Aber wenn ich lese,
            dass Andy Warhols Prominentenporträts heute im zweistelligen
            Millionenbereich gehandelt werden, sollte ich mich vielleicht doch auf
            bestimmte Aufträge einlassen. Dann könnte ich mir jeden Morgen Salami
            leisten.

            Herr Waalkes, wenige wissen, dass Sie in die Comedy- und Musikszene nur
            eingestiegen sind, um Ihr Kunstpädagogik-Studium an der Hamburger
            Hochschule für bildende Künste (HFBK) zu finanzieren.

            Waalkes: Ja, aber als ich im Praktikum an einer Schule unterrichtete, war
            meine erste Platte schon auf dem Markt, und die Kinder riefen: „Otto, mach
            uns den Tarzan-Schrei.“ Da wusste ich, dass eine Karriere als Lehrer zu
            anstrengend würde.

            Mit dem berühmten Ottifanten drauf. Ihrem Markenzeichen. Wie entstand
            die Idee?

            Waalkes Aus einem missglückten Selbstporträt. Mit 13, 14 Jahren hatte ich
            versucht, mich im Profil zu zeichnen. Aber dann war die Nase zu lang, das
            hat mir nicht gefallen. Also habe ich die Nase noch länger gemacht, die
            Augen etwas größer, zwei Stummelöhrchen, vier platte Füße und ein kleines
            Schwänzchen, fertig war der Ottifant, den ich dann für unsere
            Schülerzeitung gezeichnet habe.

            Sie karikieren immer wieder berühmte künstlerische Arbeiten von Albrecht
            Dürer bis Andy Warhol. Bei Picassos „Mädchen mit Taube“ haben Sie den
            Friedensvogel gegen einen Ottifanten eingetauscht. Man könnte das für
            respektlos halten.

            Waalkes Nein, eine Parodie ist für mich die höchste Form der Anerkennung.
            Ich parodiere nur die Meister, die ich sehr verehre.

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            Können Sie auch malen, wenn Sie traurig sind?

            Waalkes Ja, Malen ist die beste Ablenkung. Ich habe sogar mal nach einer
            Beerdigung ein betont fröhliches Bild gezeichnet. Oder, wie David Hockney
            neulich gesagt hat: „Sinn und Zweck meiner Bilder sind Vergnügen und
            Freude. Zu mehr sind sie nicht gedacht.“

            Heide Ich habe meiner Schwester zu ihrem 60. Geburtstag ein Gemälde
            geschenkt. Es war ein sehr persönliches Bild. Ich habe sie als leuchtenden
            Stern gemalt, die Menschen, die ihren Lebensweg begleitet haben, habe ich
            unterschiedliche Leuchtintensität gegeben. Je strahlender, desto intensiver
            waren sie für sie aus meiner Sicht. Ich habe ihr das verpackte Bild bei der
            Party gegeben mit der ausdrücklichen Bitte, das Geschenk ja nicht vor den
            Gästen zu öffnen. Sie riss die Packung natürlich dennoch auf, war zunächst
            irritiert. Aber zwei Wochen später hat sie mich angerufen und gesagt, wie
            gut ihr das Bild gefällt. Da war ich sehr stolz.

            Die ab dem 26. März im WhiteWall Store (Gerhofstraße 2–8) geplante
            Ausstellung mit Bildern von Max Heide muss wegen der Corona-Krise auf
            einen späteren Zeitpunkt verschoben werden. Seine Bilder sind im Internet
            auf www.maxheide.de zu sehen, Bilder von Otto Waalkes unter
            www.ottokunst.de

            Hamburger Abendblatt: © Hamburger Abendblatt 2020 - Alle Rechte vorbehalten.

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