Menschen mit Migrations hintergrund aus muslimisch geprägten Ländern in Deutschland - Analysen auf Basis des Mikrozensus 2018
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Menschen mit Migrations hintergrund aus muslimisch geprägten Ländern in Deutschland Analysen auf Basis des Mikrozensus 2018 Working Paper 87 Katrin Pfündel / Anja Stichs / Nadine Halle Forschung Forschungszentrum Migration, Integration und Asyl
Menschen mit Migrations hintergrund aus muslimisch geprägten Ländern in Deutschland Analysen auf Basis des Mikrozensus 2018 Katrin Pfündel / Anja Stichs / Nadine Halle Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2020
4 Zentrale Ergebnisse Zentrale Ergebnisse Diese Auswertung der Daten des Mikrozensus 2018 In den letzten Jahren haben sich die Gruppengrößen liefert grundlegende Informationen über in Deutsch- der Bevölkerung mit Migrationshintergrund aus mus- land lebende Personen, mit Migrationshintergrund limisch geprägten Ländern teils stark verändert. aus verschiedenen muslimisch geprägten Ländern. Die Bevölkerungsgruppe Naher Osten verzeichnet zwi- In Deutschland leben ca. 5,8 Millionen Personen, die schen 2005 und 2018 den größten Anstieg und stellt aus der Türkei sowie zwölf weiteren relevanten mus- mittlerweile die zweitgrößte Gruppe dar. Die meisten limisch geprägten Ländern im Mittleren und Nahen Menschen aus muslimisch geprägten Ländern stam- Osten, Nordafrika sowie Südosteuropa stammen.1 men weiterhin aus der Türkei. Türkeistämmige Personen bilden die größte Bevölke- rungsgruppe. Etwas mehr als die Hälfte stammt aus Abhängig von der Migrationsgeschichte der jeweili- einem anderen muslimisch geprägten Land. Aussagen gen Bevölkerungsgruppe sind die Anteile der Perso- über die Anzahl oder den Anteil der Musliminnen und nen mit und ohne eigene Migrationserfahrung unter- Muslime aus den berücksichtigten Ländern sind nicht schiedlich groß. ohne weiteres möglich, da die Religionszugehörigkeit im Mikrozensus nicht erfasst wird. Deutschland und die Türkei sind durch eine lange Mi- grationsgeschichte miteinander verbunden. Nach- Personen mit Migrationshintergrund aus den berück- folgegenerationen ohne eigene Migrationserfahrung sichtigten muslimisch geprägten Ländern leben in machen in dieser Bevölkerungsgruppe über die Hälfte ganz Deutschland. Ihre Verteilung unterscheidet sich aller Personen aus. Erst seit einigen Jahren migrie- jedoch über die Bundesländer und verschiedene Ge- ren verstärkt Personen aus dem Nahen Osten nach meindegrößenklassen hinweg. Deutschland. Hier gehören nur knapp 15 % der Nach- folgegeneration an. Anteilig an der Gesamtbevölkerung des jeweiligen Bundeslandes leben mit 12 % die meisten Personen Die Migrationsgeschichte wirkt sich auch auf den Be- mit Migrationshintergrund aus muslimisch geprägten sitz der deutschen Staatsangehörigkeit aus. Ländern in den Stadtstaaten Hamburg und Bremen. In den neuen Bundesländern ohne Berlin ist ihr Anteil Am häufigsten haben Personen mit Migrationshin- mit 2 % am geringsten. tergrund aus Nordafrika mit über 60 % die deutsche Staatsangehörigkeit, gefolgt von Menschen mit einem Auch die Zusammensetzung unterscheidet sich. In den türkischen Migrationshintergrund mit 50 %. Am sel- neuen Bundesländern leben prozentual zur jeweili- tensten sind Personen mit Migrationshintergrund aus gen Gesamtbevölkerung besonders viele Personen aus dem Nahen Osten deutsche Staatsangehörige (14 %). dem Mittleren und Nahen Osten. In den alten Bundes- ländern überwiegen die Anteile der Menschen aus der Bei Personen mit Migrationshintergrund aus musli- Türkei. misch geprägten Ländern stellten Flucht, Asyl und internationaler Schutz deutlich wichtigere Motive für Weiterhin zeigt sich, dass Personen mit Migrationshin- die Zuwanderung dar, als bei Personen mit Migrati- tergrund aus muslimisch geprägten Ländern – ebenso onshintergrund im Allgemeinen. wie Personen mit Migrationshintergrund aus anderen Ländern - anteilig häufiger in Städten mit einer Be- 80 % der Personen aus dem Nahen Osten nannten ein völkerung von über 100.000 Personen leben als Men- Fluchtmotiv als Grund für die Zuwanderung. Für Per- schen ohne Migrationshintergrund. sonen aus der Türkei spielt die Familienzusammenfüh- rung die größte Rolle. Für alle Bevölkerungsgruppen aus muslimisch ge- 1 Die berücksichtigten Länder sowie ihre Zuordnung zu de Regio- prägten Ländern gilt, dass Männer häufiger Arbeit und nengruppen können der Karte auf S.15 entnommen werden. Beschäftigung als Migrationsmotiv nennen, während
Zentrale Ergebnisse 5 Frauen häufiger Familienzusammenführung und Fami- der Gesamtbevölkerung mit einem Anteil von 34 %. liengründung angeben. Gleichzeitig hat fast jeder vierte Volljährige aus einem muslimisch geprägten Land keinen Schulabschluss. Menschen mit Migrationshintergrund aus muslimisch Besonders hoch ist dieser Anteil bei Personen mit Mi- geprägten Ländern sind durchschnittlich deutlich grationshintergrund aus dem Nahen Osten (33 %). Die jünger als die Gesamtbevölkerung. Insbesondere starke Polarisierung deutet darauf hin, dass aus den unter den Gruppen mit vielen Neuzuwanderern ist muslimisch geprägten Krisenregionen in den letzten der Anteil der männlichen Personen höher als der der Jahren sehr unterschiedliche Bevölkerungsgruppen weiblichen. nach Deutschland gekommen sind, neben Angehöri- gen privilegierter Schichten auch viele Angehörige eth- 31 % der Personen mit Migrationshintergrund aus nischer und/oder religiöser Minderheiten, die in ihrem muslimisch geprägten Ländern sind jünger als 20 Geburtsland teilweise einen erschwerten Bildungszu- Jahre. Am höchsten ist der Anteil an Kindern und gang hatten. jungen Erwachsenen bei Menschen aus dem Nahen Osten. In der Gesamtbevölkerung sind hingegen nur In Hinblick auf die berufliche Bildung besteht bei 18 % in diesem Alter. Gleichzeitig ist der Anteil älterer Menschen mit Migrationshintergrund aus muslimisch Personen mit Migrationshintergrund aus muslimisch geprägten Ländern Bedarf und Potential zur Aus-, geprägten Ländern im Alter von mindestens 65 Jahren Weiter- und Nachqualifizierung. mit 6 % deutlich kleiner als bei der Gesamtbevölke- rung mit 21 %. Der Anteil der volljährigen Personen mit Migrations- hintergrund aus muslimisch geprägten Ländern mit Unter der Bevölkerung mit Migrationshintergrund aus einem in Deutschland anerkannten Hochschulab- muslimisch geprägten Ländern sind männliche Perso- schluss oder einer abgeschlossenen Berufsausbildung nen tendenziell in der Überzahl. Dies gilt v.a. für Grup- ist mit 39 % vergleichsweise gering. Jede zweite Per- pen mit vielen Neuzuwanderern. son hat keine anerkannte abgeschlossene Berufsaus- bildung. In der Gesamtbevölkerung sind es 17 %. Die Deutsch stellt in vielen Haushalten die vorwiegend niedrige Quote bei einer gleichzeitig relativ jungen Be- gesprochene Sprache dar. völkerungsgruppe verweist auf einen hohen Aus-, Wei- ter- und Nachqualifizierungsbedarf. Die in den letzten In 46 % der Haushalte, in denen mindestens eine Per- zehn Jahren deutlich steigenden Zahlen neuer Auszu- son mit Migrationshintergrund aus einem muslimisch bildender mit ausländischer Staatsangehörigkeit deu- geprägten Land lebt, wird vorwiegend Deutsch ge- ten darauf hin, dass der derzeit entspannte Lehrstel- sprochen. Am seltensten ist dies in Haushalten mit lenmarkt für viele Zugewanderte Chancen eröffnet. Menschen, die aus dem Nahen Osten stammen (21 %), der Fall, am häufigsten bei Personen mit einem nord- afrikanischen Migrationshintergrund (61 %). Vieles deutet darauf hin, dass sich Aufenthaltsdauer, Genera- tionszugehörigkeit sowie die Herkunft beider Partner maßgeblich auf den Sprachgebrauch auswirken. Viele volljährige Personen mit Migrationshinter- grund aus muslimisch geprägten Ländern verfügen über einen hohen Schulabschluss. Allerdings ist das schulische Bildungsniveau stärker durch Gegensätze geprägt als bei der Gesamtbevölkerung 28 % der Volljährigen mit Migrationshintergrund aus einem muslimisch geprägten Land haben in Deutsch- land oder einem anderen Land einen hohen Schulab- schluss erworben. Zwischen den betrachteten Be- völkerungsgruppen bestehen allerdings deutliche Unterschiede. So beträgt der entsprechende Anteil bei Menschen mit Migrationshintergrund aus dem Mitt- leren Osten und Nordafrika 46 % und ist höher als bei
Inhaltsübersicht 7 Inhaltsübersicht Zentrale Ergebnisse 4 1 Einleitung 11 2 Der Mikrozensus als Datenquelle und berücksichtigte Bevölkerungsgruppen aus muslimisch geprägten Ländern 13 3 Räumliche Verteilung 17 4 Migrationsspezifische Angaben 22 5 Soziodemografie 30 6 Bildung 38 7 Zusammenfassung und Fazit 44 Verzeichnisse 46 Publikationen des Forschungszentrums Migration, Integration und Asyl (Auswahl) 55
Inhaltsverzeichnis 9 Inhaltsverzeichnis Zentrale Ergebnisse 4 1 Einleitung 11 2 Der Mikrozensus als Datenquelle und berücksichtigte Bevölkerungsgruppen aus muslimisch geprägten Ländern 13 2.1 Berücksichtigte Länder und Zusammenfassung zu Regionengruppen 14 2.2 Anzahl der Personen mit Migrationshintergrund aus muslimisch geprägten Ländern und ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung 16 3 Räumliche Verteilung 17 3.1 Bundesländer 17 3.2 Gemeindegrößenklassen 20 4 Migrationsspezifische Angaben 22 4.1 Entwicklung der Gruppengrößen im zeitlichen Verlauf 2005-2018 22 4.2 Generationszugehörigkeit und Aufenthaltsdauer 23 4.3 Einbürgerung/Staatsangehörigkeit 26 4.4 Hauptmotive der Migration 27 5 Soziodemografie 30 5.1 Geschlecht 30 5.2 Alter 31 5.3 Familienstand und Partnerschaftskonstellationen in Hinblick auf die Herkunft 32 5.4 Gesprochene Sprachen im Haushalt 35 6 Bildung 38 6.1 Schulische Bildung 38 6.2 Berufliche Bildung 41 7 Zusammenfassung und Fazit 44 Literaturverzeichnis 46 Abkürzungsverzeichnis 52
10 Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis 53 Tabellenverzeichnis 54 Publikationen des Forschungszentrums Migration, Integration und Asyl (Auswahl) 55
Einleitung 11 1 Einleitung Das Working Paper befasst sich mit Menschen, die lich. Die Zugehörigkeit zu Religionsgemeinschaften entweder selbst aus einem muslimisch geprägten Land wird in amtlichen Registern sowie den großen Bevöl- zugewandert oder die in Deutschland geboren sind kerungsumfragen des statistischen Bundesamtes – so und mindestens ein Elternteil aus einem muslimisch auch dem MZ – nicht oder nicht systematisch erho- geprägten Land haben. Die Gruppe ist von besonde- ben (Stichs 2016: 8). Um diese Lücke zu füllen, führt rem Interesse, da zum einen sehr viele Menschen mit das BAMF-Forschungszentrum derzeit die umfassende Migrationshintergrund2 aus muslimisch geprägten Studie „Muslimisches Leben in Deutschland 2020 Ländern in Deutschland leben. Zum anderen hat sie (MLD 2020)“ durch. Ein Forschungsbericht mit Ergeb- sich in den letzten Jahren durch Zuwanderung stark nissen über die Gruppe der muslimischen Religionsan- verändert. Ziel des Berichts ist es, Größe, Struktur und gehörigen soll im ersten Halbjahr 2021 veröffentlicht räumliche Verteilung dieser Bevölkerungsgruppe zu werden.3 beschreiben. Datenquelle für die Auswertungen ist der Mikrozensus (MZ) 2018 (Statistisches Bundesamt Im vorliegenden Bericht wird zunächst auf die Eig- 2019a). nung der MZ-Daten zur Beschreibung der in Deutsch- land lebenden Menschen mit Migrationshintergrund Zu beachten ist, dass die hier betrachtete Bevölke- aus muslimisch geprägten Ländern eingegangen (Ka- rungsgruppe mit Personen aus muslimisch geprägten pitel 2). Hierbei wird die Auswahl der berücksichtigten Herkunftsländern nicht mit der Gruppe der muslimi- muslimisch geprägten Länder erläutert und die Zahl schen Religionsangehörigen gleichzusetzen ist. Zwar der aus diesen Ländern stammenden Menschen in stammt ein erheblicher Anteil der in Deutschland le- Deutschland beziffert. Kapitel 3 thematisiert die räum- benden Musliminnen und Muslime aus den betrach- liche Verteilung auf die Bundesländer und nach Ge- teten Ländern, aus der Forschung ist jedoch bekannt, meindegrößenklassen (Kapitel 3). In Kapitel 4 stehen dass das Geburtsland bzw. Geburtsland der Eltern migrationsspezifische Angaben im Fokus. Zum einen kein eindeutiger Indikator für die Religionszugehö- wird auf die Entwicklung der Gruppengrößen im Zeit- rigkeit einer Person ist (Brown 2000: 97). Auch für verlauf eingegangen. Zum anderen werden individuelle Deutschland ist belegt, dass nicht alle Menschen, die Merkmale beleuchtet, so etwa Generationenzugehö- aus einem muslimisch geprägten Land stammen, dem rigkeit, Aufenthaltsdauer, Einbürgerung sowie Motive Islam angehören, sondern sich teilweise zu einer an- der Migration. Es folgt die Erörterung soziodemografi- deren oder keiner Religion bekennen (Haug et al. 2009: scher und haushaltsbezogener Charakteristika in Kapi- 86ff.). tel 5. Herausgearbeitet werden die Zusammensetzung der Gruppen nach Geschlecht und Alter, der Familien- Spezifizierte Analysen über muslimische Religionsan- stand, Partnerschaftskonstellationen bei Verheirate- gehörige sind auf Basis amtlicher Daten nicht mög- ten sowie im Haushalt gesprochene Sprachen. Kapi- tel 6 behandelt die schulische und berufliche Bildung. In Kapitel 7 werden die Ergebnisse zusammengefasst 2 Das Konzept des Migrationshintergrundes (MH) wurde in der und ein Fazit gezogen. Integrationsforschung eingeführt, damit bei der Analyse von Integrationsprozessen neben ausländischen Staatsangehörigen auch Eingebürgerte sowie Nachkommen von Zuwanderern be- Zur Einordnung der inhaltlichen Befunde werden bei rücksichtigt werden können. Seit 2005 werden im Mikrozensus den Analysen Menschen aus muslimisch geprägten systematisch Daten zur Bestimmung des Migrationshintergrun- des der Befragten erhoben und differenzierte Informationen Ländern mit anderen Bevölkerungsgruppen verglichen, über die Bevölkerung mit Migrationshintergrund im Rahmen so etwa mit Personen mit Migrationshintergrund ins- der statistischen Berichterstattung ausgewiesen. Nach der Definition im Mikrozensus 2018 hat eine Person einen Migrati- gesamt oder Personen ohne Migrationshintergrund. onshintergrund, „wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil Innerhalb der Gruppe mit Menschen aus muslimisch die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Geburt besitzt“. geprägten Ländern erfolgt außerdem eine Differenzie- Im Einzelnen umfasst diese Definition „zugewanderte und nicht zugewanderte ausländische Staatsangehörige, zugewanderte rung nach Regionen, aus denen die Personen stam- und nicht zugewanderte Eingebürgerte, (Spät-)Aussiedler/innen, Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit durch Adoption durch einen deutschen Elternteil erhalten haben sowie mit 3 https://www.bamf.de/SharedDocs/ProjekteReportagen/DE/ deutscher Staatsangehörigkeit geborenen Kinder der vier zuvor Forschung/Integration/muslimisches-leben-deutschland-2020. genannten Gruppen“ (Statistisches Bundesamt 2019a: 4). html (03.06.2020)..
12 Einleitung men. Letzteres ermöglicht bei der Interpretation der Ergebnisse u.a. die Besonderheiten der jeweiligen Gruppen zu berücksichtigen, die sich etwa aus der Zu- wanderungsgeschichte oder gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen in den Geburtsländern bzw. Ge- burtsländern der Eltern ergeben.
Der Mikrozensus als Datenquelle und berücksichtigte Bevölkerungsgruppen aus muslimisch geprägten Ländern 13 2 Der Mikrozensus als Datenquelle und berücksichtigte Bevölkerungsgruppen aus muslimisch geprägten Ländern Der MZ ist die größte jährliche Haushaltsbefragung 2. Keine Identifizierung von Personen möglich, des statistischen Bundesamtes. Im Rahmen des MZ die aus bestimmten, selten vertretenen Ländern werden rund 1 % der Bevölkerung in Deutschland be- stammen: fragt.4 Er stellt neben dem in größeren Zeitabständen Menschen, die aus verschiedenen, in Deutsch- durchgeführten Zensus die zentrale Datenquelle zur land selten vertretenen Ländern stammen, Beschreibung der Bevölkerungsstruktur in Deutsch- werden im Fragebogen teilweise keine spezifi- land dar. Erhoben werden soziodemografische Anga- zierten Kategorien zur Benennung etwa ihres ben über die Befragten und über die in den Haushal- Geburtslandes oder ihrer Staatsangehörigkeit ten lebenden Personen. Themenschwerpunkte sind angeboten. Vielmehr stehen zur Bezeichnung in u.a. die Lebensverhältnisse, der Bildungsstand und die solchen Fällen nur Sammelkategorien zur Ver- Erwerbssituation der erfassten Personen. fügung, in denen mehrere Länder einer geo- grafischen Region enthalten sind. So wird bei Das Statistische Bundesamt veröffentlicht jährlich um- der Frage nach dem Geburtsland beispielsweise fassende statistische Berichte über die Bevölkerung in nicht die Kategorie „Bangladesch“ angeboten. Deutschland auf Basis der MZ-Daten, die frei zugäng- Vielmehr muss sich ein in Bangladesch Gebore- lich sind. Seit 2005 wird bei der Berichterstattung sys- ner der Sammelkategorie „Sonstiges Süd-/Süd- tematisch zwischen der Bevölkerung mit und ohne ostasien“ zuordnen.5 In dieser Kategorie sind Migrationshintergrund differenziert. Die Bevölkerung neben Personen mit Migrationshintergrund aus mit Migrationshintergrund wird u.a. nach Geburtsstaat dem muslimisch geprägten Bangladesch auch bzw. Geburtsstaat der Eltern und Migrationserfahrung solche aus nicht muslimisch geprägten Ländern unterteilt. wie Laos oder Nepal erfasst. Nachteil dieser Ab- frageform ist, dass Angehörige mit Migrations- Die in der statistischen Berichterstattung aufbereite- hintergrund aus manchen selten vertretenen ten Daten unterliegen zwei wesentlichen Beschrän- (muslimisch geprägten) Ländern nicht mehr als kungen: solche identifizierbar sind. Es kann also nicht festgestellt werden, ob eine im „Sonstigen 1. Geringe Fallzahlen: Süd-/Südostasien“ geborene Person aus einem Werte, die auf weniger als 5.000 Personen bei muslimisch geprägten Land stammt oder ob den hochgerechneten Jahresangaben beru- dies nicht der Fall ist. hen, werden in den Tabellen nicht ausgewiesen, sondern durch einen Schrägstrich ersetzt (Sta- Um vertiefende Informationen über die im Fragebo- tistisches Bundesamt 2019b: 7). Bei kleineren gen zwar separat erfassten, in Hinblick auf die Perso- Bevölkerungsgruppen kann der Informations- nenzahl jedoch kleinen Gruppen aus muslimisch ge- gehalt der mit aggregierten Daten befüllten Ta- prägten Ländern zu erhalten, wurden vom BAMF-FZ bellen daher eingeschränkt sein. beim statistischen Bundesamt Sonderauswertungen aus dem MZ 2018 angefragt. Mit dem Ziel, gesperrte Zellen aufgrund zu geringer Fallzahlen zu vermeiden, 5 S. Frage 151 im Fragebogen des MZ unter: https://www.statis- 4 Im Rahmen des MZ werden Angaben von rund 830.000 Perso- tik-nord.de/fileadmin/Dokumente/Erhebungen/Mikrozensus/ nen in etwa 370.000 privaten Haushalten und Gemeinschafts- Musterfragebogen_Mikrozensus_2019.pdf (21.01.2020) sowie zu unterkünften erhoben. Zu den Inhalten und zur Methodik s. den Religionszugehörigkeiten im Geburtsland bzw. Geburtsland https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/ der Eltern die Angaben aus dem CIA World Fact Book unter: Bevoelkerung/Haushalte-Familien/Methoden/mikrozensus. https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/ html (21.01.2020). fields/401.html (21.01.2020).
14 Der Mikrozensus als Datenquelle und berücksichtigte Bevölkerungsgruppen aus muslimisch geprägten Ländern wurden für die Auswertungen u.a. kleinere Bevölke- Staatsangehörigkeit(en) herangezogen werden, son- rungsgruppen aus verschiedenen muslimisch ge- dern auch systematisch entsprechende Merkmale der prägten Ländern unter geografischen und kulturellen Eltern Berücksichtigung finden.7 Gesichtspunkten zu einer Regionengruppen zusam- mengefasst (Abbildung 2‑1). Dies hat den Vorteil, dass die Anzahl der Personen, die der betrachteten Regio- nengruppe angehören, größer ist, als wenn die jeweili- 2.1 Berücksichtigte Länder gen Länder separat betrachtet werden. und Zusammenfassung zu Gleichwohl ist festzuhalten, dass der mögliche Diffe- Regionengruppen renzierungsgrad auch bei einer Sonderauswertung den zuvor genannten Beschränkungen unterliegt. Wird die Fallzahl von 5.000 Personen bei einer Merkmalsaus- Aus Abbildung 2-1 wird ersichtlich, welche muslimisch prägung unterschritten, werden in der Sonderaus- geprägten Länder in der Sonderauswertung berück- wertung für diese Zelle ebenfalls keine Werte aus- sichtigt und zu welchen Regionengruppen diese zu- gewiesen. Im Unterschied zu den in der statistischen sammengefasst wurden. Berichterstattung vorgegebenen Tabellen kann die Ab- frage bei einer Sonderauswertung jedoch auf die Ziel- Die zahlenmäßig größte Gruppe der Türkeistämmigen gruppe angepasst und hierdurch die Zahl gesperrter wird separat betrachtet. Die Regionengruppe „Süd- Zellen verringert werden. So kann der zur Verfügung osteuropa“ wird aus Personen, die aus Bosnien-Her- stehende Spielraum neben der Zusammenfassung ver- zegowina und dem Kosovo stammen, gebildet. Men- schiedener Länder zu Regionengruppen auch dadurch schen mit einem Migrationshintergrund aus Ägypten, erweitert werden, dass mehrere Ausprägungen eines Algerien, Libyen, Marokko oder Tunesien sind der Re- anderen Merkmals zu einer umfassenden Kategorie gionengruppe „Nordafrika“ enthalten. Zugewanderte zusammengeführt werden, wenn zu erwarten ist, dass sowie deren Angehörige aus dem Irak und Syrien wer- diese nur selten vorkommen.6 Das Problem, dass Per- den der Regionengruppe „Naher Osten“ zugerechnet, sonen mit Migrationshintergrund aus einigen selten Menschen mit Migrationshintergrund aus Afghanis- vertretenen muslimisch geprägten Ländern nicht als tan, Iran und Pakistan der Regionengruppe „Mittlerer solche identifizierbar sind, kann im Rahmen einer Son- Osten“.8 derauswertung hingegen nicht gelöst werden. Sofern Personen, die zwar aus einem muslimisch geprägten Die Länder bzw. Ländergruppen wurden für die Son- Land stammen, aber bereits bei der Erhebung mit an- derauswertung ausgewählt, da sie im Mikrozensus deren Personen aus nicht muslimisch geprägten Län- separat erfasst werden und da die Mehrheit der je- dern in einer Sammelkategorie zusammengefasst wur- weiligen Bevölkerung im Geburtsland bzw. dem Ge- den, können sie in der Sonderauswertung daher nicht burtsland der Eltern statistisch dem Islam zugerechnet berücksichtigt werden. Die Problematik bleibt jedoch wird. Bei elf der insgesamt 13 berücksichtigten Länder in Hinblick auf die Anzahl betroffener Personen über- liegt der Anteil der muslimischen Religionsangehöri- schaubar. Bei den Ländern, für die eine separate Er- gen an der Gesamtbevölkerung nach den Angabe des fassung im MZ als vernachlässigbar erachtet wurden, CIA World Factbooks bei mindestens 90 %.9 In Syrien handelt es sich ausschließlich um Länder, aus denen sehr wenige Menschen nach Deutschland gekommen 7 Die zur Definition des Migrationshintergrundes im weiteren sind. Sinne erforderlichen Merkmale wurden im MZ 2005, 2009, 2013 sowie seit 2017 jährlich erfragt. In den anderen Erhebungen werden die Merkmale der Eltern nicht systematisch erfasst und In den in aggregierter Form bereitgestellten Daten stehen nur für Personen zur Verfügung, die mit ihren Eltern der Sonderauswertung sind Personen mit einem so- einen gemeinsamen Haushalt bilden. In diesen Berichtsjahren genannten Migrationshintergrund „im weiteren wird der Migrationshintergrund im „engeren Sinn“ ausgewiesen, der etwas weniger Personen umfasst (Statistisches Bundesamt Sinne“ enthalten. Dies bedeutet, dass für die Zu- 2019a: 4f.) ordnung des Migrationshintergrundes nicht nur 8 Im Folgenden wird zur besseren Lesbarkeit teilweise nur von die Person betreffende Merkmale wie etwa Ge- „muslimisch geprägten Ländern“ gesprochen. Damit sind aus- schließlich die in Abbildung 2-1 abgebildeten Länder gemeint, burtsland, Staatsangehörigkeit(en) sowie frühere die in der Sonderauswertung berücksichtigt wurden. 9 https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/ (22.01.2020). Die Angaben über die religiöse Zusammensetzung 6 Dies ist etwa der Fall, wenn bekannt ist, dass es in der Zielgrup- der jeweiligen Landesbevölkerungen sind mit Vorsicht zu inter- pe nur wenige ältere Menschen gibt und daher alle Personen im pretieren. So ist die statistische Berichterstattung in einigen die- Alter von 65 Jahren und älter in einer Kategorie zusammenge- ser Länder wenig ausgebaut. Hinzu kommt, dass die statistische fasst werden. Erfassung muslimischer Religionsangehöriger in Ermangelung
Der Mikrozensus als Datenquelle und berücksichtigte Bevölkerungsgruppen aus muslimisch geprägten Ländern 15 Abbildung 2‑1: Zusammenfassung der berücksichtigten muslimisch geprägten Länder zu Ländergruppen Bosnien-Herzegowina Kosovo Türkei Syrien Afghanistan Tunesien Marokko Irak Iran Pakistan Algerien Libyen Ägypten Mittlerer Osten Naher Osten Nordafrika Südosteuropa Türkei Quelle: BAMF. wird der Anteil auf 87 % beziffert. In Bosnien-Herze- gion kommen. So ist durch die Studie „Muslimisches gowina ist er mit 50,7 % deutlich geringer als in den Leben in Deutschland (MLD)“ bekannt, dass der An- anderen Ländern. Da der Islam laut CIA World Fact- teil der muslimischen Religionsangehörigen aus vielen book dennoch die häufigste Religionszugehörigkeit ist, muslimisch geprägten Ländern im Jahr 2008 deut- wird Bosnien-Herzegowina ebenfalls in die Analysen lich niedriger war als im Herkunftsland gemäß den aufgenommen. Angaben des CIA World Factbook (Haug et al. 2009: 86ff.). Die IAB-BAMF-SOEP Flüchtlingsstudie sowie Ausdrücklich anzumerken ist, dass die Angaben über die Asylgeschäftsstatistik bestätigen diesen Befund den Anteil der muslimischen Religionsangehörigen an in Bezug auf Personen, die in den letzten Jahren im der jeweiligen Landesbevölkerung hier ausschließlich Rahmen von Flucht und Asyl aus muslimisch gepräg- als Kriterium für die Auswahl der zur berücksichtigen- ten Ländern zugewandert sind (Siegert 2020: 5, Stichs den Länder herangezogen werden. Die Anteilswerte 2016: 27). können nicht auf die entsprechenden Bevölkerungs- gruppen in Deutschland übertragen werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich die Struktur der zu- gewanderten Bevölkerungsgruppen in Deutschland (auch) in Hinblick auf die Religionszugehörigkeit un- terscheidet. Ursachen für Unterschiede sind u.a. se- lektive Wanderungsprozesse, durch die aus manchen Ländern überproportional viele Angehörige (religiö- ser) Minderheiten nach Deutschland gekommen sind. Außerdem kann es nach einer Zuwanderung zu einer Konversion oder Abkehr von der ursprünglichen Reli- eines zentralen Registers mit Schwierigkeiten behaftet ist. In vielen Ländern werden daher teilweise auch Personen als musli- mische Religionsangehörige gezählt, die aus einer muslimischen Familie stammen, die sich selbst aber keiner oder einer anderen Religion zurechnen würden.
16 Der Mikrozensus als Datenquelle und berücksichtigte Bevölkerungsgruppen aus muslimisch geprägten Ländern 2.2 Anzahl der Personen mit Etwas weniger als die Hälfte der Personen aus einem der muslimisch geprägten Ländern stammt aus der Migrationshintergrund Türkei (3,4 % der Gesamtbevölkerung). Die anderen aus muslimisch geprägten einzelnen Länder entsprechen jeweils weniger als 1 % Ländern und ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung. Zum Vergleich: Die Hoch- rechnung des BAMF-Forschungszentrums hat erge- der Gesamtbevölkerung ben, dass zum Stand 31. Dezember 2015 zwischen 5,4 % und 5,7 % der Gesamtbevölkerung in Deutsch- land Personen muslimischen Glaubens waren (Stichs Gemäß der Hochrechnung des Mikrozensus 2018 2016: 5). Die Unterschiede verweisen darauf, wie dies leben rund 20,8 Millionen Personen mit Migrations- in Kapitel 2.1 dargelegt wurde, dass nicht alle Men- hintergrund (25,5 %) in deutschen Privathaushalten10 schen, die einen Migrationshintergrund aus einem (Tabelle 2‑1). 5,8 Millionen Personen stammen aus muslimischen geprägten Land haben, dem Islam ange- verschiedenen hier berücksichtigten muslimisch ge- hören. Entsprechend ist die Zahl der Personen aus den prägten Ländern. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung in der Sonderauswertung berücksichtigten muslimisch beträgt 7,1 %. geprägten Ländern höher als die Zahl der muslimi- schen Religionsangehörigen in Deutschland. 10 Seit dem Berichtsjahr 2017 wird grundsätzlich nur noch die Bevölkerung in Privathaushalten mit detaillierten Merkmalen nach Migrationshintergrund dargestellt (Statistisches Bundes- amt 2019a: 16). Für die insgesamt rund 1,3 Millionen Personen, die im Jahr 2018 in Aufnahmeeinrichtungen sowie Gemein- schaftsunterkünften lebten, liegen nur noch einige ausgewählte Angaben vor (z. B. Geschlecht, Alter, Familienstand und die Staatsangehörigkeit in Kategorien), die eine Bestimmung des Migrationshintergrunds nicht mehr zulassen. Da diese Ein- schränkung jedoch nur 1,6 % der Bevölkerung betrifft, werden Aussagen über die Größenordnung sowie Strukur der Bevölke- rung mit Migrationshintergrund nur wenig beeinflusst. Tabelle 2‑1: Anzahl der Personen aus den relevanten Ländern und prozentualer Anteil an der Gesamtbevölkerung in Deutschland Geburtsland bzw. Geburtsland der Eltern Anzahl in Tausend Anteil an Gesamtbevölkerung in % Mittlerer Osten 619 0,8 Afghanistan 267 0,3 Iran 237 0,3 Pakistan 115 0,1 Naher Osten 1.104 1,4 Irak 291 0,4 Syrien 813 1,0 Nordafrika 442 0,5 Ägypten, Algerien, Libyen, Tunesien 202 0,2 Marokko 240 0,3 Südosteuropa 878 1,1 Bosnien-Herzegowina 415 0,5 Kosovo 463 0,6 Türkei 2.769 3,4 Gesamt aus muslimisch geprägten Ländern 5.812 7,1 Gesamt mit Migrationshintergrund 20.799 25,5 Gesamtbevölkerung 81.613 100,0 Quelle: Statistisches Bundesamt 2019a: 62 und 66.
Räumliche Verteilung 17 3 Räumliche Verteilung 3.1 Bundesländer Westfalen (21,1 %), gefolgt von Bayern (15,6 %) und Baden-Württemberg (13,0 %) (Bundesanzeiger 2018). Da es sich bei den Personen aus den berücksichtigten Personen aus den berücksichtigten muslimisch ge- muslimisch geprägten Ländern jedoch nur zum Teil prägten Ländern leben in allen Bundesländern. Die An- um Asylsuchende handelt, haben diese Quoten nur teile sind jedoch unterschiedlich groß (Abbildung 3‑1). bedingt einen Einfluss auf die regionale Verteilung der Dennoch lässt sich als generelles Muster erkennen, hier behandelten Bevölkerungsgruppen. dass Personen aus muslimisch geprägten Ländern einen eher kleinen Anteil an den Personen mit Migra- Abbildung 3‑1 zeigt den Anteil der Personen mit tionshintergrund und insbesondere an der Gesamtbe- Migrationshintergrund verschiedener Bevölkerungs völkerung des jeweiligen Bundeslandes bzw. der Bun- gruppen differenziert nach Bundesländern bzw. Bun- desländergruppe ausmachen. Rund 65 % der Personen desländergruppen11. Dort spiegeln sich die bereits mit Migrationshintergrund stammen aus einem Mit- genannten Gründe für die heterogene Verteilung der gliedsstaat der EU. ausländischen Bevölkerung über Deutschland hin- weg wider. Betrachtet man Deutschland insgesamt, Die ungleiche Verteilung von Personen mit Migrati- so beträgt der Anteil der Bevölkerung aus den be- onshintergrund im Allgemeinen hat mehrere Ursa- rücksichtigten muslimisch geprägten Ländern 7,1 %. chen. Unabhängig vom Geburtsland bzw. Geburtsland In den Stadtstaaten Bremen und Hamburg (11,6 %) der Eltern leben in den alten Bundesländern mit insge- sowie in Hessen (10,3 %) und Nordrhein-Westfalen samt knapp 29 % deutlich mehr Personen mit Migra- (9,9 %) ist ihr Anteil am größten. In den alten Bun- tionshintergrund als in den neuen (8 %). Dies ist u.a. desländern liegt der Anteil der Personen mit Mig- auf die unterschiedlichen Zuwanderungsgeschichten rationshintergrund aus muslimisch geprägten Län- während der deutschen Teilung zurückzuführen. In die dern insgesamt bei 8 %, während er in den neuen alten Bundesländer wanderte, u.a. infolge der in den Bundesländern ohne Berlin mit nur 2,0 % unter allen 1960er Jahren abgeschlossenen Anwerbeabkommen, Bundesländer(gruppen) am kleinsten ist. eine Vielzahl ausländischer Arbeitskräfte zu (Babka von Gostomski 2010a: 25, Münz/Ulrich 1998: 699). Für die Der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund, hier untersuchten muslimisch geprägten Länder trifft die nicht aus den berücksichtigten muslimisch ge- dies insbesondere auf die Türkei, Marokko, Tunesien prägten Ländern stammen, ist in allen Bundesländern und die Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugosla- deutlich größer als der Anteil der Personen aus mus- wien zu. In der Deutschen Demokratischen Republik limisch geprägten Ländern. Dies liegt insbesondere gab es ebenfalls Abkommen mit verschiedenen sozia- an der hohen Zuwanderung aus dem EU-Ausland, das listischen Staaten, im Zuge derer Zuwanderer aus dem mehrheitlich durch das Christentum geprägt ist. Ausland, jedoch kaum Personen aus muslimisch ge- prägten Ländern zum Zweck der Erwerbstätigkeit nach Nachdem die Zusammensetzung der Gesamtbevölke- Deutschland kamen. Der Umfang der Zuwanderung rung (Personen mit und ohne Migrationshintergrund) war zudem deutlich geringer (Oltmer 2009: 159). beschrieben wurde, werden in Abbildung 3‑2 aus- schließlich Personen mit Migrationshintergrund aus In einigen Bundesländern ist außerdem die wirtschaft- muslimisch geprägten Ländern differenziert betrach- liche Lage besser und somit die Chance auf eine Ar- tet. Die Abbildung zeigt, aus welchen Gruppen sich beitsstelle größer (Münz et al. 1997: 59). Ein weiterer die Bevölkerung aus den berücksichtigten muslimisch Aspekt ist die regionale Verteilung neu ankommen- geprägten Ländern in den verschiedenen Bundeslän- der Geflüchteter nach dem sogenannten Königstei- dern zusammensetzt. Hierbei werden deutliche Unter- ner Schlüssel. Dieser entscheidet darüber, wie viele schiede zwischen den Bundesländern sichtbar. Asylsuchende einem Bundesland zugeteilt werden. Die Quoten sind orientiert an den Steuereinnahmen 11 Aufgrund von sehr geringen Fallzahlen bestimmter Gruppen in und der Größe der Bevölkerung (§45 Absatz 1 Satz 2 einigen Bundesländern wurden diese in den Analysen zur räum- lichen Verteilung zu Bundesländergruppen zusammengefasst. AsylG; § 8 Absatz 3 Satz 2 BVFG; § 42c Absatz 1 SGB). So z.B. Saarland und Rheinland-Pfalz und Bremen und Ham- Die höchste Quote erfüllte im Jahr 2018 Nordrhein- burg.
18 Räumliche Verteilung Abbildung 3‑1: Anteil der Personen verschiedener Bevölkerungsgruppen an der Gesamtbevölkerung nach Bundesland bzw. Bundesländergruppen in Prozent 6% 12% 12% 22% 66% 83% Schleswig-Holstein Bremen/Hamburg 8% 6% 24% 16% 68% 78% Berlin 10% 2% Niedersachsen 6% 20% 70% 10% Nordrein-Westfalen 92% 23% Neue Bundesländer ohne Berlin 67% 6% Hessen 7% 19% 18% 75% 9% 6% Rheinland-Pfalz/ 75% Saarland 20% 25% 66% Gesamt Deutschland 74% Baden-Würtemberg Bayern Personen mit Migrationshintergrund aus muslimisch geprägten Ländern Sonstige Personen mit Migrationshintergrund Personen ohne Migrationshintergrund Quelle: Statistisches Bundesamt 2019a, Mikrozensus 2018, Sonderauswertungen. Hinweis: Geringe Abweichungen von 100 % sind rundungsbedingt.
Räumliche Verteilung 19 Zuwanderung in bestimmte Gebiete wird dadurch be- trachteten Bevölkerungsgruppen aus muslimisch ge- günstigt, dass schon Personen aus dem gleichen Land prägten Ländern (49,3 %), während sie in den neuen in diesem Gebiet leben. So entstehen dort beispiels- Ländern nur circa 9 % der Bevölkerung aus muslimisch weise religiöse oder kulturelle Vereine, Einkaufsläden geprägten Ländern ausmachen. Hier zeigt sich deut- oder andere Dienstleistungen mit Bezug zum Geburts- lich die Migrationsgeschichte der Türkeistämmigen, land bzw. Geburtsland der Eltern. Nicht zu vernach- die durch das Anwerbeabkommen mit der damaligen lässigen ist der soziale Aspekt: Oftmals bekannte oder Bundesrepublik geprägt ist. In den neuen Ländern ist verwandte Personen aus dem eigenen Land, die bereits es hingegen die Gruppe Naher Osten, die mit 59,5 % in Deutschland leben bieten den Neuzugewanderten die große Mehrheit unter den Angehörigen muslimisch Schutz und Hilfe und verkleinern somit die Hürden geprägter Länder bildet. Dies ist auf die starke Asylzu- einer Migration. Folglich erhöht ein schon bestehen- wanderung und vor allem die Verteilung der Asylsu- des Netzwerk aus Personen mit Migrationshintergrund chenden zurückzuführen. Hinsichtlich der Interpreta- die Wahrscheinlichkeit, dass weitere Zuwanderung tion dieser Anteile in absoluten Zahlen ist allerdings zu stattfindet (Oltmer 2017: 25f.). Das kann zu einer An- beachten, dass deutlich weniger Personen mit Migra- häufung bestimmter Gruppen in einzelnen Regionen tionshintergrund in den neuen Bundesländern leben beitragen (Münz et al. 1997: 59). als in den alten. Die Gruppe Naher Osten ist außer- dem stark in Niedersachsen (29,7 %) und Schleswig- So sind beispielsweise die Anteile der Personen aus Holstein (30,2 %) vertreten. Der Anteil der Gruppe dem Mittleren Osten an der Bevölkerung mit Migra- Mittlerer Osten ist in den neuen Ländern ohne Berlin tionshintergrund aus muslimisch geprägten Ländern (20,6 %), in Bremen und Hamburg (23,4 %) und Hessen in den Bundesländern Hessen, Hamburg und Bremen (19,2 %), überdurchschnittlich hoch. In Bezug auf die besonders groß, während der Anteil dieser Gruppe in Gruppe Südosteuropa lassen sich hohe Anteile an der Baden-Württemberg eher klein ist. Bevölkerung aus muslimisch geprägten Ländern in Ba- den-Württemberg (24 %) und Bayern (25,2 %) finden. In den alten Bundesländern einschließlich Berlin bil- den die Türkeistämmigen die größte unter den be- Abbildung 3‑2: Zusammensetzung der Personen mit Migrationshintergrund aus muslimisch geprägten Ländern nach Bundesland in Prozent BW 5,9 12,5 5,2 24,0 52,3 8,6 muslimisch geprägten Ländern an der Gesamtbevölkerung Anteil von Personen mit Migrationshintergrund aus BY 7,5 17,2 5,1 25,2 45,1 5,8 BE 8,8 14,5 7,1 9,2 60,4 7,9 HB/HH 23,4 16,5 5,8 6,9 47,4 11,6 HE 19,2 8,6 14,5 12,4 45,3 10,3 NI 11,4 29,7 4,8 12,6 41,6 5,6 NW 7,3 18,2 9,0 11,5 54,0 9,9 RP/SL 9,7 21,8 9,0 16,2 43,3 6,4 SH 20,1 30,2 4,4 10,7 34,6 5,6 Neue Bundesländer ohne Berlin 20,6 59,5 5,3 5,3 9,3 2,0 Alte Bundesländer 10,2 17,2 7,7 15,5 49,3 8,0 Gesamt Deutschland 10,7 19,0 7,6 15,1 47,6 7,1 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Mittlerer Osten Naher Osten Nordafrika Südosteuropa Türkei Quelle: Statistisches Bundesamt 2019a, Mikrozensus 2018, Sonderauswertungen.
20 Räumliche Verteilung 3.2 Gemeindegrößenklassen deten Personen (25,2 %). In diesen „städtischen Bal- lungsräumen“ gab es einen „hohen Anteil an Industrie, verarbeitendem Gewerbe und spezialisierten Dienst- Im folgenden Kapitel wird darauf eingegangen, zu leistungen“ (Münz et. al 1997: 59), welcher zu einer welchen Anteilen Personen mit Migrationshintergrund höheren Zuwanderung v.a. von Arbeitskräften und der jeweiligen Ländergruppen in den unterschied- ihren Familien in dicht besiedelte Gebiete führte. lichen Gemeindegrößenklassen12 leben. Es fällt auf, dass sich die Verteilung der Bevölkerung mit Migrati- Im Gegensatz dazu leben 14,1 % der Gesamtbevölke- onshintergrund in Privathaushalten und insbesondere rung in kleinen Gemeinden und 26,0 % in Kleinstädten. die Verteilung der Bevölkerung mit Migrationshinter- Der Anteil in kleinen und großen Großstädten ist somit grund aus den berücksichtigten muslimisch gepräg- vergleichsweise gering gegenüber den Anteilen der ten Ländern von der Verteilung der Gesamtbevölke- Bevölkerung mit Migrationshintergrund. Noch deutli- rung unterscheiden (Abbildung 3‑3). Nur ein kleiner cher wird dieser Unterschied, wenn man ausschließlich Teil der Personen mit Migrationshintergrund aus mus- die Verteilung der Bevölkerung ohne Migrationshin- limisch geprägten Ländern wohnt in Gemeinden mit tergrund betrachtet. Es zeigt sich somit, dass die Be- einer Population von unter 5.000 Personen (3,5 %). völkerung mit Migrationshintergrund aus muslimisch 17,0 % leben in Gemeinden, deren Bevölkerung mehr geprägten Ländern tendenziell in Großstädten lebt, als 5.000 und weniger als 20.000 Menschen umfasst. während insbesondere Personen ohne Migrationshin- Anteilig mehr Personen mit Migrationshintergrund tergrund relativ gesehen häufiger in Kleinstädten und (24,0 %) aus muslimisch geprägten Ländern wohnen in kleinen Gemeinden wohnhaft sind. kleineren Großstädten mit einer Bevölkerungsanzahl zwischen 100.000 und 500.000. Die meisten Personen Betrachtet man die berücksichtigten Gruppen im De- mit Migrationshintergrund aus muslimisch geprägten tail, wird deutlich, dass die Verteilung über die unter- Ländern wohnen in Mittelstädten mit einer Population schiedlichen Gemeindegrößenklassen für alle Län- zwischen 20.000 und 100.000 Personen (30,3 %) oder dergruppen sowie für die Gesamtheit der muslimisch in großen Großstädten mit über 500.000 dort gemel- geprägten Länder relativ ähnlich ist (Abbildung 3‑3 und Abbildung 3‑4). 12 Die Klassifizierung orientiert sich an der Definition des Bundes- amtes für Bauwesen und Raumordnung: https://www.bbr.bund. Dennoch gibt es Besonderheiten. Beispielsweise ist de/BBSR/DE/Raumbeobachtung/Raumabgrenzungen/deutsch- der Anteil an Personen, die aus Nordafrika stammen, land/gemeinden/StadtGemeindetyp/StadtGemeindetyp_node. html (21.01.2020) in Gemeinden mit unter 5.000 dort lebenden Personen Population von unter 5.000 = Kleine Gemeinden besonders gering (2,5 %), in Städten mit über 500.000 Population von 5.000 bis unter 20.000 = Kleinstadt Personen aber umso höher (31,9 %). Dahingegen Population von 20.000 bis unter 100.000 = Mittelstadt Population von 100.000 bis unter 500.000 = Kleine Großstadt ist der Anteil von Personen aus Südosteuropa, dem Population von über 500.000 = Große Großstadt Nahen Osten und Mittleren Osten in kleinen Gemein- Abbildungen Abbildung 3‑3: Verteilung der Personen nach verschiedenen Bevölkerungsgruppen und Gemeindegrößenklassen in Prozent Gesamt muslimisch geprägte Länder 3,5 17,0 30,3 24,0 25,2 Gesamt mit Migrationshintergrund 6,3 20,4 29,9 20,1 23,2 Gesamt ohne Migrationshintergrund 16,8 27,9 27,0 13,6 14,7 Gesamtbevölkerung 14,1 26,0 27,8 15,3 16,9 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% Population unter 5.000 5.000 bis unter 20.000 20.000 bis unter 100.000 100.000 bis unter 500.000 500.000 und mehr Quelle: Statistisches Bundesamt 2019a, Mikrozensus 2018, Sonderauswertungen.
Räumliche Verteilung 21 Abbildung 3‑4: Verteilung der Personen mit Migrationshintergrund aus muslimisch geprägten Ländern nach Gemeindegrößenklassen in Prozent Mittlerer Osten 4,5 15,8 26,5 19,5 33,6 Naher Osten 4,7 17,8 30,5 26,4 20,6 Nordafrika 2,5 10,9 27,6 27,1 31,9 Südosteuropa 4,3 21,0 33,1 19,3 22,3 Türkei 2,7 16,6 30,5 25,0 25,0 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% unter 5.000 5.000 bis unter 20.000 20.000 bis unter 100.000 100.000 bis unter 500.000 500.000 und mehr Quelle: Statistisches Bundesamt 2019a, Mikrozensus 2018, Sonderauswertungen. Hinweis: Geringe Abweichungen von 100 % sind rundungsbedingt. den geringfügig größer als die Anteile der anderen berücksichtigten Gruppen. Dahinter stehen vor allem Personen aus Ländern, aus denen viele Asylsuchende nach Deutschland kamen. Diese wurden durch die Bundesländer im Zuge der Wohnortzuweisung auch auf kleinere Kommunen verteilt (Aumüller et. al 2015: 21f.), anders als beispielsweise Türkeistämmige, die sich als traditionelle Arbeitsmigranten und -migrantin- nen stärker in Richtung der Ballungszentren orientiert haben (siehe Kapitel 4.4).
22 Migrationsspezifische Angaben 4 Migrationsspezifische Angaben 4.1 Entwicklung der Gruppen stämmigen seit 2005 beinahe konstant geblieben, wo- hingegen bei den anderen berücksichtigten Gruppen größen im zeitlichen ein stetiger Anstieg zu verzeichnen ist. Verlauf 2005-2018 Die Ländergruppe Naher Osten war bis ins Jahr 2015 die kleinste Gruppe mit Menschen aus muslimisch ge- Abgesehen von der räumlichen Verteilung unterschei- prägten Ländern (317.000 Personen). Innerhalb von den sich die Gruppen mit Personen aus muslimisch drei Jahren ist die Gruppe signifikant auf knapp 1,1 geprägten Ländern wie bereits erwähnt auch in ihrer Millionen Personen im Jahr 2018 angewachsen. Perso- Migrationsgeschichte. Die Größen der unterschiedli- nen aus dem Nahen Osten stellen somit im Jahr 2018 chen Gruppen haben sich über die Jahre hinweg ver- (bzw. bereits seit dem Jahr 2016) die zweitgrößte be- ändert. Betrachtet wird im Folgenden die Entwick- rücksichtigte Gruppe in Deutschland dar. Bis ins Jahr lung der Gruppengrößen zwischen den Jahren 2005 2010 waren im Mikrozensus keine Personen aus Syrien und 2018, wofür Daten des Mikrozensus des jeweiligen separat ausgewiesen, da diese Bevölkerungsgruppe bis Jahres herangezogen werden13. Dabei gilt es zu beach- dato sehr klein war. Der starke Anstieg insbesondere ten, dass für die Jahre 2005-2010 die Sonderausgaben der syrischen Bevölkerung in Deutschland vor allem des Mikrozensus verwendet wurden, in denen die Er- seit 2015 ist auf die große Zahl an Geflüchteten auf- gebnisse nachträglich auf Basis des Zensus 2011 hoch- grund des in Syrien herrschenden Kriegs zurückzufüh- gerechnet wurden und somit mit den Ergebnissen der ren. Jahre 2011-2018 vergleichbar sind.14 Die Entwicklung der Gruppengröße der südosteuro- Auf den ersten Blick wird deutlich, dass die Türkei- päischen Gruppe wird erst ab dem Jahr 2009 ausge- stämmigen mit Abstand die größte aus muslimisch wiesen. Zuvor ist lediglich die Entwicklung der Anzahl geprägten Ländern stammende Gruppe sind (Abbil- der Personen in der Gruppe Bosnien-Herzegowina dung 4‑1). Allerdings ist die Gruppengröße der Türkei- bekannt. Erst nach der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo im Jahr 2008 wurde die Bevölkerung aus dem Kosovo im Mikrozensus separat ausgewiesen 13 In Kapitel 4.1 wird im Gegensatz zu allen anderen Kapiteln der Migrationshintergrund „im engeren Sinn“ verwendet. Dies ist und nicht wie zuvor der serbischen Bevölkerung zu- notwendig, da in den Vorjahren nur in einzelnen Jahren der Mi- gerechnet. Die südosteuropäische Gruppe ist ab dem grationshintergrund „im weiteren Sinn“ ausgewiesen wurde und somit eine Vergleichbarkeit nur möglich ist, wenn man für alle Jahr 2011 kontinuierlich gewachsen. Zu einem signifi- Jahre den Migrationshintergrund „im engeren Sinn“ heranzieht. kanten Anstieg kam es zwischen den Jahren 2016 und Unter Personen mit Migrationshintergrund „im engeren Sinn“ 2017. Dies ist wahrscheinlich vor allem auf die West- werden Personen, „die aufgrund ihrer eigenen Merkmale keinen Migrationshintergrund [haben]“, nur dann ausgewiesen, wenn sie balkanregelung zurückzuführen, die am 1. Januar 2016 mit ihren Eltern im gleichen Haushalt leben. Ab 2017 werden die in Kraft getreten ist. Diese Regelung ermöglicht es befragten Personen nach den Migrationsmerkmalen ihrer Eltern Personen mit Staatsangehörigkeiten der Länder Alba- befragt. Somit kann ein Migrationshintergrund „im weiteren Sinn“ auch dann identifiziert werden, wenn kein gemeinsamer nien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Nordmazedonien, Haushalt mit den Eltern besteht (Statistisches Bundesamt Montenegro und Serbien den Erhalt einer Aufenthalts- 2019a: 4f.). erlaubnis zur Beschäftigungsaufnahme (Hoffmeyer- 14 „Für die Hochrechnung der Bevölkerungszahl auf Basis der Zlotnik 2019: 55). Mikrozensusdaten 2005 bis einschließlich 2010 werden Faktoren genutzt, die auf den fortgeschriebenen Ergebnissen der Volks- zählung 1987 basieren. Der Zensus 2011 hat jedoch gezeigt, Ebenso wie bei den Türkeistämmigen lässt sich in der dass diese fortgeschriebenen Ergebnisse verzerrt waren. […] Das Statistische Bundesamt hat […] Bevölkerungseckzahlen auf Basis Gruppe Nordafrika nur eine geringe Veränderung in des Zensus 2011 bis einschließlich 1990 zurückgerechnet. Diese der Gruppengröße feststellen. Zwar lässt sich zwischen Eckzahlen wurden nach Bundesländern, Nationalität (deutsch/ den Jahren 2005 und 2018 ein Anstieg erkennen, aber ausländisch), Geschlecht und Altersgruppen berechnet und bilden die Ausgangslage für die Neuberechnung der Hochrech- er fällt im Vergleich zu den anderen Gruppen eher mo- nungsfaktoren. Die bestehenden Hochrechnungsfaktoren wur- derat aus. den mit Korrekturwerten so versehen, dass der Mikrozensus die Eckzahlen in jedem Berichtsjahr exakt trifft. […] Damit ist eine ununterbrochene Zeitreihe ab 2005 verfügbar“ (Statistisches Bundesamt 2017f: 7).
Migrationsspezifische Angaben 23 Abbildung 4‑1: Entwicklung der Gruppengrößen 2005-2018 3000 2900 2800 2700 2600 2500 1000 900 800 700 600 500 400 300 200 100 0 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 Mittlerer Osten Naher Osten Irak Syrien Nordafrika Südosteuropa Bosnien-Herzegowina Kosovo Türkei Quelle: Statistisches Bundesamt (2017a-2017l, 2018, 2019a). Hinweis: Für die Darstellung der Entwicklung der Gruppengrößen wurden zwei y-Achsen gewählt, da sich die Gruppengröße der Türkeistämmi- gen deutlich von den restlichen Gruppen unterscheidet. 4.2 Generationszugehörigkeit Deutschland geboren wurden (z.B. Gresch/Kristen 2011: 211f.). und Aufenthaltsdauer Im Mikrozensus wird bei Personen mit Migrationshin- Kapitel 4.1 zeigt, wie sich die Größen der unterschied- tergrund jedoch nicht mehr separat zwischen zweiter lichen berücksichtigten Gruppen aus muslimisch ge- und dritter Generation, sondern nur zwischen Per- prägten Ländern seit 2005 verändert haben. Einige sonen mit eigener Migrationserfahrung (erste Gene- Gruppen sind jedoch durch eine deutlich längere Mi- ration) und ohne eigene Migrationserfahrung (Nach- grationsgeschichte mit Deutschland verbunden. Dies folgegenerationen) unterschieden (Statistisches spiegelt sich zum einen in der Aufenthaltsdauer und Bundesamt 2019a: 7f.). zum anderen in der Generationszugehörigkeit der Per- sonen wider. In der Migrationsforschung wird zwi- Die Daten zeigen, dass die Mehrzahl der Personen schen Personen mit Migrationshintergrund der ersten, mit Migrationshintergrund aus den berücksichtigten zweiten und Folgegenerationen unterschieden. Per- muslimisch geprägten Ländern der ersten Generation sonen mit Migrationshintergrund der ersten Genera- angehört (60,9 %) (Abbildung 4‑2). Bei der Gesamt- tion sind selbst in ein anderes Land eingewandert und heit der Personen mit Migrationshintergrund ist der haben somit eigene Migrationserfahrungen gemacht. Anteil der Personen mit eigener Migrationserfahrung Ihre im jeweiligen Aufnahmeland geborenen Kinder noch etwas höher (64,7 %). Die Gruppe der Personen sind Personen mit Migrationshintergrund der zweiten aus muslimisch geprägten Ländern ist demnach durch Generation. Die Enkelkinder der Personen, die selbst einen etwas höheren Anteil an in Deutschland Gebo- ins Land eingewandert sind, sind Angehörige der drit- renen gekennzeichnet, als die Gruppe der Personen ten Migrationsgeneration, sofern beide Elternteile in mit Migrationshintergrund aus anderen Ländern. Dies
24 Migrationsspezifische Angaben Abbildung 4‑2: Anteil der Personen mit Migrationshintergrund aus muslimisch geprägten Ländern und Personen mit Migrationshintergrund gesamt nach Migrationserfahrung in Prozent Gesamt muslimisch geprägte Länder 60,9 39,1 Gesamt mit Migrationshintergrund 64,7 35,3 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% mit eigener Migrationserfahrung ohne eigene Migrationserfahrung Quelle: Statistisches Bundesamt 2019a, Mikrozensus 2018, Sonderauswertungen. ist vor allem auf den hohen Anteil an Angehörigen der Aufwachsen einer zweiten (und dritten) türkeistämmi- zweiten Generation unter den Türkeistämmigen zu- gen Generation, die die erste Generation mittlerweile rückzuführen (Abbildung 4‑3). zahlenmäßig übersteigt (Gestring et al. 2004: 8). Die Gruppe der Personen mit Migrationshintergrund aus Abbildung 4‑3 zeigt, dass mit Ausnahme der Türkei- Nordafrika und Südosteuropa weisen ebenfalls einen Abbildungen stämmigen bei allen Gruppen mit Personen aus mus- hohen Anteil an Personen ohne eigene Migrationser- limisch geprägten Ländern der Anteil der selbst Zu- fahrung auf. Die abgeschlossenen Anwerbeabkommen gewanderten (deutlich) höher ist als der Anteil der zwischen der Bundesrepublik und Marokko (1963), Tu- in Deutschland Geborenen. Hier zeigt sich, dass die nesien (1965) und dem ehemaligen Jugoslawien (1968) Türkei und Deutschland eine langjährige Migrations- begründen auch hier die längere Migrationsgeschichte geschichte verbindet. Sie begann 1961 mit dem An- und den damit einhergehenden hohen Anteil an Nach- werbeabkommen zwischen der Bundesrepublik und folgegenerationen. Besonders viele Angehörige der der Türkei (z.B. Oltmer 2009; Münz et al. 1997: 35ff.). ersten Generation (selbst zugewandert) finden sich Viele der angeworbenen Arbeitskräfte verblieben auch unter Personen aus dem Mittleren und Nahen Osten nach dem Anwerbestopp in Deutschland, holten ihre (75,3 % und 85,5 %), was wiederum auf die Fluchtzu- Familien nach und aus kurzfristiger Arbeitsmigration wanderung der letzten Jahre zurückzuführen ist. wurde dauerhafte Einwanderung. Aus dieser folgt das Abbildung 4‑3: Personen mit Migrationshintergrund aus muslimisch geprägten Ländern nach Migrationserfahrung in Prozent Mittlerer Osten 75,3 24,7 Afghanistan 78,3 21,7 Iran 77,6 22,4 Pakistan 63,5 36,5 Naher Osten 85,5 14,5 Irak 80,1 19,9 Syrien 87,5 12,5 Nordafrika 57,3 42,7 Ägypten/Algerien/Libyen/Tunesien 61,1 38,9 Marokko 54,2 45,8 Südosteuropa 63,8 36,2 Bosnien-Herzegowina 69,6 30,4 Kosovo 58,5 41,5 Türkei 47,6 52,4 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% mit eigener Migrationserfahrung ohne eigene Migrationserfahrung Quelle: Statistisches Bundesamt 2019a, Mikrozensus 2018, Sonderauswertungen.
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