Milch-Politikreport Ausgabe: März 2021 - Milchindustrie-Verband
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Ausgabe: März 2021 Milch-Politikreport Gastbeitrag Branchenkommunikation Milch: Kerstin Wriedt, Geschäftsführerin Initiative Milch 2–3 Der Brexit: Ende gut, alles gut? Amelie de Grahl, MIV ············································ 4 Wird der Handel fairer? Eckhard Heuser, MIV ····················································· 5 Milchmarkt behauptet sich während Pandemie: Monika Wohlfarth, ZMB ····················· 6–7 MIV-Network in Corona-Zeiten: Impressionen · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · 8 Sehr geehrte Damen und Herren, müssen für alle gleich wirken, ob kleine oder große Molkerei. liebe Freunde der Milch, In Sachen Branchenkommunikation sind wir einen Schritt wei- es ist wieder Zeit für einen „MIV ter: Die Initiative Milch GmbH ist gegründet und kann nach Milch-Politikreport“, zu dem ich Eintragung in das Handelsregister nun ihre Arbeit aufnehmen. Sie herzlich begrüße. Ich freue mich schon jetzt auf eine gute Zusammenarbeit, auch wenn wir pandemiebedingt etwas hinter dem Zeitplan Das Superwahljahr 2021 ist mit liegen. zwei Landtagswahlen gestartet. Bis zur Bundestagswahl im Sep- Der Brexit beschäftigt uns weiter, und das Handelsvolumen tember vergehen noch einige Monate, es wird spannend, wer mit der Insel hat etwas gelitten. Wir sind aber dankbar, dass den Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin stellen wird. Bis vorläufig auf Veterinär- und Zollkontrollen im Königreich ver- dahin hat Politik noch einiges zu tun: zichtet wurde. Diese Regelung gilt vorläufig nur bis Oktober. Die EU und London sind aufgefordert, einander dauerhafte Die Brüsseler Agrarreform muss endlich abgeschlossen wer- Handels-Erleichterungen einzuräumen. Das Königreich bleibt den! Die Vorschläge aus dem EU-Parlament passen nicht allen. der EU freundschaftlich verbunden, das sollte sich auch in Mehr Regulierung droht, die Marktwirtschaftler sind anschei- vernünftigen Veterinärregelungen niederschlagen! nend in der Minderheit. Wir hoffen auf mehr Mut und Erfah- rung in den Trilog-Verhandlungen. Die Molkereiwirtschaft Ein Wort zum Markt: Erfreulicherweise haben sich die Notie- steht grundsätzlich für offene Märkte und weniger Regulie- rungen europaweit verbessert. Das wird auch positiv auf die rung. Nach der Pandemie hat unser Staatswesen vieles auf- Milchpreise wirken. Hierüber diskutieren wir gerne auch mit zuholen und die Finanzen zu ordnen. Neue Regelungen sind in dem Berufsstand. Sinnvoll wäre sicherlich, wieder mit einer dieser Phase kaum hilfreich für die Wirtschaft. Plattform zu diskutieren. Das Spalten der bäuerlichen Seite schadet und führt nicht zu besseren Milchpreisen! Auch national ist vieles in Gang gesetzt worden. Wir sind froh, dass nach jahrelanger Diskussion die Milch-Güteverordnung Wir haben viele Themen in diesem Report zusammengestellt überarbeitet werden konnte. Im Sommer geht es los mit den und ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre. neuen Vorschriften und bis dahin muss noch vieles organisiert Alles Gute! werden. Herzlichst, Noch nicht ganz fertig ist die nationale Umsetzung der UTP-Richtlinie (Richtlinie für faireren Wettbewerb). Bis Mai muss das geschehen sein und auch hier empfehlen wir, mit Peter Stahl - Vorsitzender Milchindustrie-Verband e.V. Augenmaß an die Sache zu gehen. Neue Wettbewerbsregeln Milch-Politikreport | Seite 1
Milch-Politikreport Gastbeitrag zur Branchenkommunikation Milch Kerstin Wriedt, Geschäftsführerin der Initiative Milch GmbH (ab 1. Mai 2021) Wie Deutschland (s)ein „Weißes Wunder“ erleben wird Was ist Milch? Vor allem nahrhaft & lecker und damit rungswirtschaft vielfältige Kampagnen entwickelt und fester Bestandteil einer ausgewogenen Ernährung. umgesetzt. Die Oecotrophologin hat dabei immer wie- Gleichzeitig in Form von Käse Begleiter eines guten der Berührungspunkte zu den Themen der Land- und Weines oder als heißer Kakao Seelenwärmer nach ei- Milchwirtschaft gehabt, die sie nun zu ihrem zentralen nem nasskalten Spaziergang. Bis vor kurzem waren Anliegen macht. „Ich sehe zahlreiche Anknüpfungspunk- dies unbestreitbare Fakten, mittlerweile wird dagegen te für die Kategorie Milch, um mit unseren Zielgruppen kontrovers über die Milch und ihren Nutzen diskutiert. in den Dialog zu treten und sie auf überraschend neue Wer „Milch“ in die Google-Suche eingibt, stellt fest: Die Weise anzusprechen – zu den zukunftsgerichteten The- Zweifler und Kritiker haben in der Öffentlichkeit die men, die ihnen wichtig sind und auf den Plattformen, die Oberhand gewonnen, Alternativen zur Kuhmilch wer- sie nutzen,“ so Kerstin Wriedt. Die 49-Jährige ist ausge- den gefeiert. Neue Wettbewerber greifen die Milch teils wiesener Kommunikations-Profi und leitete zuletzt die aggressiv an, das Magazin deutsche Brand Practice der „Wirtschaftswoche“ fühlt sich Agentur BCW. gar an Glaubenskriege der Zusammen mit dem Partner Automobilbranche erinnert fischerAppelt, Deutschlands und fragt: „Ist Milch der neue größter Kommunikations- Diesel?“ Warum das so ist? agentur, wird die Initiative die Weil in erster Linie andere deutschen Verbraucher:innen über die Milch sprechen, nicht für das „Weiße Wunder“ be- die Milchwirtschaft selbst. geistern. Denn nichts weniger Doch die Zeit des Wegduckens als das ist die Milch. Die neue ist zu Ende. Mit dem Start der „Initiative Milch“ nimmt Offensive wird ihre Vorzüge und ihre Bedeutung für die Branche das Heft jetzt selbst in die Hand. eine ausgewogene Ernährung wieder stärker in das Be- Ob groß oder klein, Nord- oder Süd–Molkereien aus wusstsein der Öffentlichkeit rücken. Sie wird die Milch Deutschland und starke Verbände (MIV, DBV und DRV) zelebrieren und die unendlichen Möglichkeiten ihrer stehen hinter ihr: Die neu gegründete Initiative Milch Verarbeitung. Als Grundnahrungsmittel schafft es die GmbH startet mit viel Rückenwind. Und mit einer Milch zwar weiterhin täglich in die Kühlschränke der Geschäftsführerin, die der Branche neue Impulse ge- Deutschen, die beispielsweise mehr Käse essen denn ben wird. Kerstin Wriedt hat in ihrer Agenturlaufbahn je. Doch in den Köpfen vieler hat sie kaum noch Platz. an der Seite von Unternehmen und Marken der Ernäh- Die Milch braucht ein langfristiges Narrativ. Und genau Seite 2 | Milch-Politikreport
Produktion, Inhaltsstoffe und Vorteile der Milch. Das Narrativ des „Weißen Wunders“ muss im urbanen Raum das des vermeidlichen Klimaschädlings Kuhmilch ablö- sen. Das Fundament dafür ist da: Milchprodukte zählen zu den stärksten Sortimenten im Lebensmitteleinzel- handel. Im Schnitt kauft jeder Deutsche einmal in der Woche Milchprodukte. So stieg der Konsum von Molke- reiprodukten in Deutschland 2020 weiter. Das zeigt im Coronajahr, dass das „Weiße Wunder“ noch aus einem anderen Grund auf die große Bühne gehört: Ernäh- das ist das „Weiße Wunder“, steht es doch für all das, rungskulturell erleben wir durch die Corona-Pandemie was die Milch zu leisten vermag. Filme, Pressearbeit, eine Wende. Die Krise bringt Menschen näher an ihre Geschichten, Plakatkampagnen, Aktivitäten in den so- Lebensmittel. Kochen, Einkaufen und Essen sind wieder zialen Medien – die Formate, in denen in den kommen- zentrale Alltagsrituale. Corona löst zudem einen Wer- den Jahren das „Weiße Wunder“ zurück auf die Bühne tewandel aus: Solidarität und gebracht wird, sind vielfältig. Familie werden in einer zuvor Und alle werden von einem neuen Selbstbewusstsein „ Die Milch muss digitaler werden... individualisierten Welt auf einmal wieder zu wichtigen zeugen, von einem neuen Sie muss die Sprache der jungen Ankern. Diese Rückbesin- Stolz auf den Klassiker Milch. Menschen sprechen... nung auf Bewährtes ergibt “ Der erhält in den kommenden Das gilt auch für junge Familien. eine weitere Chance für die Monaten eine neue Website Milch. und einen modernen Auf- tritt auf den Social-Media- Kanälen. Hier tobt die Schlacht um die jungen Verbrau- cher:innen, hier vor allem wird der „Glaubenskrieg“ geführt, von dem die „Wirtschaftswoche“ spricht. Und hier wird die Milch neue Formate kreieren, um in einen Dialog auf Augenhöhe zu treten. Das „Weiße Wunder“ muss im angesagten Video-Netzwerk TikTok ebenso be- geistern wie im stark von Bildern geprägten Instagram, wenn sie die Jungen erreichen will. Und auf sie legt die Kommunikationsoffensive der Milchwirtschaft ein be- sonderes Augenmerk. Junge Verbraucher:innen fühlten sich zuletzt häufig von Hafer- oder Soja-Alternativen angesprochen, die hier auf höhere Marktanteile kom- men als im Bevölkerungsschnitt. Die Milch muss digita- ler werden, um hier Popularität zurückzugewinnen. Sie Der „Initiative Milch“ geht es nicht um schnelle Erfolge, muss die Sprache der jungen Menschen sprechen, ohne nicht um kurzfristig steigenden Milchkonsum. Es geht sich anzubiedern, und sie muss die relevanten Themen um langfristiges Vertrauen. Dieses über Jahre hinweg aus dem riesigen Kosmos Milch finden – das gehört zu aufzubauen, ist das Ziel. Damit Deutschlands Verbrau- den wichtigen Aufgaben der Kampagne. Das gilt im Üb- cher:innen jeden Tag ihr „weißes Wunder“ erleben. rigen auch für junge Familien. Vor allem in den Städten besteht bei ihnen ein großer Aufklärungsbedarf über Milch-Politikreport | Seite 3
Milch-Politikreport Für viele überraschend kam es am 24. Dezember 2020 in letzter Sekunde doch noch zu einer Vereinbarung zwischen den EU- und britischen Unterhändlern, die am 1. Januar 2021 ihre Gültigkeit erlangen sollte. Der Brexit: Ende gut, alles gut? Ob es an dem end- Trotzdem hat es bisher weder in die eine noch in die gültig drohenden andere Richtung Lieferengpässe mit Milchprodukten Fristablauf lag oder gegeben. Weil aber große Liefermengen schon vor Jah- an den EU-Grenz- resende auf die Insel verbracht worden waren, liegt das absperrungen we- derzeitige Handelsvolumen auch noch nicht auf dem © Fotolia gen der britischen normalen Niveau. Es wird spannend sein, wie sich hier Corona-Mutante, welche zu einem enormen Grenzstau die Außenhandelsstatistik in den kommenden Monaten und politischen Eklat führte, oder sogar an beidem, sei entwickelt. dahingestellt. Fakt ist, dass die für einige Tage geschlos- Sonderstellung Nordirland senen Grenzen einen bitteren Vorgeschmack auf das Erschwerend kommt die Zwitterposition der Region Szenario eines harten Brexits lieferten, bevor dieser Nordirlands hinzu, die zwar weiterhin dem EU-Binnen- überhaupt da war. markt angehört und das EU-Zollrecht anwendet, doch Solche düsteren Aussichten sind damit zunächst vom zolltechnisch dem Hoheitsgebiet des UK zuzurechnen Tisch, auf beiden Seiten des Ärmelkanals wurde auf- ist. Letzteres ist dann von Bedeutung, wenn das UK geatmet, der Jahresausklang bekam eine unerwartete Handelsabkommen mit Drittländern schließt, in deren positive Wende. Auch die Milchwirtschaft durfte sich Genuss folglich auch Nordirland kommt. Auf der ande- freuen, bleibt doch der Handel mit Milch- und Milcher- ren Seite bleibt Nordirland an das EU-Binnenmarktrecht zeugnissen in beide Richtungen zoll- und kontingentfrei. gebunden, um den Warenfluss zwischen Irland und Nun gilt es, das Abkommen wirksam umzusetzen. Nordirland ohne Unterbrechungen und Gefährdung des Erste Erfahrungen Karfreitagsabkommens von 1998 zu gefährden. Kompli- Da aber das UK nun ein Drittland ist, gelten seit 1. Januar ziert werden sich die Kontrollen von Warenlieferungen 2021 auf beiden Seiten gewisse Zoll- und Veterinärfor- von UK nach Nordirland erweisen: Diese bleiben nach malitäten, die nicht ohne bürokratischen Aufwand und einer erforderlichen Zollanmeldung zollfrei, wenn keine Kosten sind. Während die EU z. B. vom ersten Tag an ein Gefahr besteht, dass sie weiter in die EU gelangen. Doch Veterinärzertifikat bei der Einfuhr aus dem UK verlangt, wie soll das kontrolliert werden? Der britische Zoll stößt gilt dies im UK für Milch und Milchprodukte aus der EU jetzt schon an seine Grenzen und hat daher ohne Ab- erst ab 1. Oktober 2021. Diese flexiblere Handhabung stimmung mit Brüssel die Veterinärkontrollen zwischen schien jedoch anfangs nicht ausreichend im UK kommu- UK und Nordirland bis Oktober 2021 ausgesetzt, was auf niziert worden zu sein, was punktuell zu Missverständ- EU-Seite für Unstimmigkeiten sorgt. nissen und praktischen Schwierigkeiten führte. Ende gut, alles gut? Der erste Monat hat gezeigt, dass sich die exportieren- Im Großen und Ganzen ist die deutsche Milchindustrie den deutschen Molkereien gut vorbereitet haben, da es gut aufgestellt und mit dem Ausgang der Verhandlun- keine größeren Schwierigkeiten gab. Anders scheint die gen zufrieden, auch wenn der Brexit an sich einer der Vorbereitungsphase auf der britischen Insel gelaufen zu bedauernswertesten Momente in der Geschichte der sein. Dort tauchen immer noch viele Fragen auf, die man Europäischen Union ist. im Vorfeld hätte klären können. Amelie de Grahl Leiterin MIV-Büro Brüssel Seite 4 | Milch-Politikreport
Die Bundesrepublik ist aufgefordert, die Richtline gegen unlauteren Wettbewerb in deutsches Recht umzusetzen. Die Zeit drängt, denn Brüssel verlangt das Gesetzes- paket noch bis zum Mai. Wird der Handel fairer? Im Parlament liegt derzeit der Entwurf zur Änderung Weitere sechs Handelspraktiken werden nicht gene- des Agrarmarktstrukturgesetzes vor, eine emotionale rell als unlauter bewertet („Graue Liste“), sondern Diskussion ist entstanden. Was ist Kern der Richtlinie? nur dann, wenn diese nicht „zuvor klar und eindeu- Die Kommission möchte mindestens nachstehende tig“ in der Liefervereinbarung oder einer Folgever- Vorgehensweisen verbieten lassen: einbarung vereinbart wurden: Gegenstand der Vertragsfreiheit der Parteien und • Rückgabe von nicht verkauften Produkten, verboten („Schwarze Liste“): • Zahlungen des Lieferanten dafür, dass seine • Zahlungen des Käufers später als 30 Tage für Lebensmittel gelagert, zum Verkauf angeboten, verderbliche Lebensmittel, gelistet oder bereitgestellt werden, • Zahlungen des Käufers später als 60 Tage für • Zahlung des Lieferanten für Preisnachlässe des andere Lebensmittel, Käufers, • kurzfristige Stornierung der Lieferung von • Zahlung des Lieferanten für Werbung des Käufers, verderblichen Lebensmitteln, • Zahlung des Lieferanten für die Vermarktung • einseitige Änderung der Bedingungen einer durch den Käufer, Liefervereinbarung durch den Käufer, • Zahlung des Lieferanten für das Personal des Käu- • Käufer verlangt vom Lieferanten fers, das die Verkaufsräumlichkeiten einrichtet. Zahlungen, die nicht im Zusam- Nach den Brüsseler Mindestvorgaben menhang mit dem Verkauf von sollen jedoch nur Unternehmen ge- Lebensmitteln des Lieferanten schützt werden, die einen Jahresum- stehen, satz von nicht mehr als 350 Mio. € auf- • Risiko von Qualitätsminderung weisen. Damit wären zumindest viele und Verlust von Lebensmitteln der wichtigen deutschen Molkereien wird auf den Lieferanten übertra- vom Schutz ausgenommen! Gerade die © Adobe Stock gen, Unionsparteien setzen sich dankens- • Verweigerung einer schriftlichen Bestätigung einer werterweise sehr in der Angelegenheit ein. Um zwei Din- Liefervereinbarung durch den Käufer trotz Auffor- ge geht es: Die Umsatzgrenze soll heraufgesetzt werden derung durch den Lieferanten, und einige oder alle Verbote der „Grauen Liste“ sollen in die „Schwarze Liste“ überführt werden. • Missbrauch von Geschäftsgeheimnissen durch den Käufer, Viele der Vorschläge unterstützt der MIV, Politik sollte große und kleine Unternehmen und Rechtsformen je- • Androhung von Vergeltungsmaßnahmen kommer- doch nicht unterschiedlich behandeln. Die MIV-Unter- zieller Art durch den Käufer, nehmen sind rechtlich gut vorbereitet, denn das neue • Verlangen einer Entschädigung für die Kosten der Gesetz gilt nicht nur gegenüber dem Handel, sondern Bearbeitung von Kundenbeschwerden durch den auch im Innenverhältnis zum Milcherzeuger. Käufer. Eckhard Heuser MIV-Hauptgeschäftsführer Milch-Politikreport | Seite 5
Milch-Politikreport Noch hat die Corona-Pandemie Teile der Welt fest im Griff und beeinflusst auch die Milchwirtschaft. In den ersten Monaten von 2021 sind die Preise für Milchprodukte aber dennoch unter dem Einfluss eines rückläufigen Milchaufkommens in der EU und steigenden Signalen vom Weltmarkt gestiegen. Milchmarkt behauptet sich während Pandemie Nachfrage umgeschichtet, aber krisenfest Hygiene-Konzepte, Personalausfälle durch Quarantäne- Bereits die Ausgangslage zum Jahresanfang war fest: und Krankheitsfälle sowie Engpässe in der Logistik dar. Die Bestände an Milchprodukten waren niedrig, obwohl Auf die Milcherzeugung hat Covid-19 technisch eher we- das Milchaufkommen in Europa und weltweit 2020 die nig Auswirkungen. Erwartungen übertroffen hat. Der weltweite Markt ist Milchaufkommen in Deutschland unterdurchschnittlich aufnahmefähig für ein höheres Milchangebot, auch wenn Die Milchanlieferungen in Deutschland stagnieren seit die Corona-Krise den Absatz von Milchprodukten durch- 2018 und haben sich damit von dem anhaltenden Wachs- einandergewirbelt hat, der Brexit erste dämpfende Ef- tum in Europa und wichtigen Drittländern ein Stück weit fekte auf den Handel hatte und Exporte in die USA durch entkoppelt. 2020 haben die deutschen Milcherzeuger Strafzölle erschwert waren. Insgesamt betrachtet ist die mit 31,8 Mio. t im Tagesdurchschnitt genauso viel Milch weltweite Nachfrage nach Milchprodukten bislang trotz angeliefert wie in den beiden Vorjahren. In der EU-28 ist der negativen wirtschaftlichen Auswirkungen der Coro- das Milchaufkommen seit 2018 um mehr als 3 Mio. t ge- na-Pandemie weiter ihrem leicht steigenden Trend ge- stiegen. Deutschlands Anteil am Milchaufkommen in der folgt, was die Bildung neuer Bestände an Milchprodukten EU lag 2015 bei 21 Prozent und ist bis 2020 auf 20 Pro- verhindert hat. Lediglich in den USA haben sich 2020 in zent geschrumpft. Die Kuhbestände in Deutschland ge- gewissem Umfang neue Vorräte aufgebaut. Die interna- hen seit Jahren stärker zurück als im EU-Durchschnitt, tionale Nachfrage nach Milch wurde 2020 gestützt durch wie die nachstehende Grafik zeigt. die weiter steigenden Importe Chinas, die im ersten Pan- demiejahr einen neuen Höchststand erreicht haben. Entwicklung der Milchkuhbestände Herausforderungen für die Wertschöpfungskette (± % gegenüber Vorjahr; Nov./Dezemberzählung Die Folgen der Pandemie auf den einzelnen Stufen der Wertschöpfungskette sind unterschiedlich. Stark betrof- Deutschland EU +0,2 fen ist die Vermarktung von Milchprodukten, auch wenn die Nachfrage insgesamt nicht beeinträchtigt ist. Unter den Bedingungen der mehrfachen Lockdowns kam und -0,2 -0,3 -0,4 kommt es immer wieder zu deutlichen Umschichtungen zwischen den einzelnen Absatzkanälen. Seit Beginn der -0,9 Ausbreitung in Deutschland werden mehr Milchproduk- -1,1 te im Lebensmitteleinzelhandel eingekauft, während -1,2 der Food-Service unter deutlichen Einbußen leidet. Der -1,6 Grad der Umschichtung schwankt mit Lockerungen und -1,7 Verschärfungen der Maßnahmen. Die Milchverarbeiter -2,2 müssen auf die Änderungen sehr kurzfristig reagieren. -2,3 -2,3 Planbarkeit fehlt aufgrund der mehrfachen Rückschlä- 2015 2016 2017 2018 2019 2020 ge bei der Pandemie-Bekämpfung. Weitere Herausfor- ©ZMB Quelle: ZMB, destatis, Eurostat. derungen und Kostentreiber für die Milchverarbeitung stellen unter anderem die immer wieder anzupassenden Seite 6 | Milch-Politikreport
Rückläufige Milchpreise in Deutschland in drei Jahren in ten. Weltweite Engpässe bei Containern und knappe Folge, die von Dürren und damit höheren Kosten gekenn- Verschiffungskapazitäten, die zu Lieferverzögerungen zeichnet waren, und gleichzeitig steigende Auflagen ha- führen, dürften das Kaufinteresse noch verstärkt haben, ben ihre Spuren in der Milchviehhaltung hinterlassen. da die Versorgungssicherheit mehr zum Thema wird. Steigende Erlöse am Weltmarkt haben zum Preisanstieg EU-28: Milchanlieferung mit beigetragen. Allerdings sind die Preise am internati- Mio. t, Tagesdurchschnitt onalen Markt je nach Herkunftsregion außergewöhnlich 2021 weit gespreizt und uneinheitlich. 14 2020 2019 Zu Beginn der Corona-Pandemie waren die Preise auf- grund starker Verunsicherung für Milchprodukte - wie 13 auch für zahlreiche Rohstoffe - in Deutschland, Europa und am Weltmarkt stark gesunken. Am Milchmarkt kam zwar rasch eine Erholung in Gang, aber das Ausgangs- 12 niveau wurde für längere Zeit nicht wieder erreicht. Gut ein Jahr nach Beginn des ersten Lockdowns sind die Preise für Milchprodukte in Deutschland im Schnitt etwa 11 auf den Vor-Corona-Stand zurückgekehrt, bei Butter so- gar darüber. Der Entwicklung hat auch der Brexit, der seit Jahresanfang weiter umgesetzt worden ist, keinen 10 Abbruch getan, wenngleich die Exporte ins Vereinigte Jan. Feb. März Apr. Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez. ©ZMB Quelle: ZMB GmbH, Eurostat, Nationale Statistiken Königreich seit Jahresbeginn merklich gesunken sind. Damit sind für die kommenden Monate auch höhere Seit Ende 2020 sind die expansiven Tendenzen beim Milchpreise in Sicht. Die Unsicherheiten darüber, wie lan- Milchaufkommen auch in Nachbarländern zum Still- ge die Pandemie noch andauert und welche langfristi- stand gekommen. Im Dezember 2020 ist die Milchmen- gen wirtschaftlichen Konsequenzen sie nach sich ziehen ge in der EU auf das Vorjahresniveau zurückgegangen wird, werden derzeit allerdings eher größer als kleiner. und im Januar 2021 mit einem Minus von 0,9 % unter das Vorjahresniveau gesunken. In Deutschland war der Deutschland: Preise ab Werk Rückgang mit 1,7 % überdurchschnittlich. Dabei dürften Euro/kg Butter, Block Magermilchpulver der im Vergleich zum Vorjahr strengere Winter und stark 7,00 gestiegene Preise für Eiweißfuttermittel eine Rolle ge- spielt haben. 6,00 Milchmarkt Anfang 2021 fester Gleichzeitig blieb die Nachfrage im europäischen 5,00 Lebensmitteleinzelhandel nach Milchprodukten wie Konsummilch, Käse, Butter und Sahne hoch, da in den 4,00 Haushalten während des Lockdowns mehr gekocht und gebacken wird. Weniger Milch in Verbindung mit einer 3,00 guten Nachfrage haben die saisonale Schwäche, die oft zum Jahresanfang eintritt, verhindert und die Preise 2,00 steigen lassen. Auch die Preise für Magermilchpulver, 1,00 Vollmilchpulver und Molkenpulver sind zu leicht versetz- Jan 14 Jan 15 Jan 16 Jan 17 Jan 18 Jan 19 Jan 20 Mrz 21 ten Zeitpunkten in Bewegung nach oben gekommen. Bei ©ZMB Quelle: ZMB GmbH, Notierungskommission Magermilchpulver ist die Verfügbarkeit nach dem Be- standsabbau in den Vorjahren gesunken. Bei allen Pul- Monika Wohlfarth vererzeugnissen kamen Impulse von den Exportmärk- Geschäftsführerin, ZMB GmbH Milch-Politikreport | Seite 7
Milch-Politikreport MIV-Network geht weiter - trotz Corona Impressionen einiger digitaler MIV-Veranstaltungen 2021 Patrick Liste, Chefredakteur des Landwirtschaftli- MIV-Vorsitzender Peter Stahl begrüßt das zum Das Podium des Milchpolitischen Frühschoppens chen Wochenblattes moderiert den traditionellen ersten Mal digital zugeschaltete Publikum des 2021: v.l.n.r.: Patrick Liste (LWB), Karsten Schmal Milchpolitischen Frühschoppen unter dem Motto Milchpolitischen Fühschoppens und freut sich auf (DBV), Peter Stahl (Hochland), Karl-Heinz Tholen „Und morgen wird der Milchpreis besser? Agrar- eine rege Diskussion im Chat. (BMEL), Johannes Pfaller (BDM), Prof. Dr. Holger politik 2023 (GAP 2020)“ Thiele (ife) MIV-Vorsitzender Peter Stahl gibt einen Überblick Das 11. Berliner Milchforum fand als digitale Ver- Dirk Benninghoff, Chefredakteur fischerAppelt über den Milchmarkt zum Jahreswechsel im anstaltung unter dem Thema „Milchwirtschaft (1.v.l.), gibt Anstöße zur Weiterentwicklung der Zeichen von Corona, Brexit und Co. auf der zwischen Marktrealität und Verbraucherwunsch“ Kommunikation: „Bei der Kommunikation kann die Pressekonferenz zur Grünen Woche 2021 im März 2021 statt. Milchbranche viel von Coca-Cola lernen.“ Hinter den Kulissen: Das Pandemie-Geschehen bringt neue Herausforderungen in der Welt der Veranstaltungen mit sich. Networking findet jetzt vorwiegend digital statt. Viel technisches Know-How ist in diesen Zeiten gefragt. Wie enorm dieser Aufwand ist, zeigen die unteren Bilder: (v.l.n.r.: Berliner Milchforum | das neue Technik-Studio in der Geschäftsstelle des Milchindustrie-Verbandes | Dr. Björn Börgermann, MIV-Pressesprecher während einer MIV-Arbeitsgruppensitzung vorm Greenscreen. Herausgeber: © Milchindustrie-Verband e. V. Verantwortlicher: Dr. Björn Börgermann Die wichtigsten Themen des Milchpolitischen Jägerstraße 51 | 10117 Berlin Frühschoppens sowie des Berliner Milchforums Tel. +49 30 403 04 45-30 | Fax +49 403 04 45-57 haben wir für Sie in den jeweiligen Veranstal- monika.hubar@milchindustrie.de tungsfilmen zusammengefasst: www.milchindustrie.de | www.meine-milch.de https://milchindustrie.de/mediathek-2/videos/ Seite 8 | Milch-Politikreport
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