Mit Christus neu beginnen - Gedanken zum Sakrament der Versöhnung - Beiträge des Erzbischofs (18) - Erzbistum Paderborn
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Beiträge des Erzbischofs (18) Mit Christus neu beginnen Gedanken zum Sakrament der Versöhnung Hirtenbrief des Erzbischofs von Paderborn zur Fastenzeit 2019
Mit Christus neu beginnen Gedanken zum Sakrament der Versöhnung Liebe Schwestern und Brüder, Der Anspruch des Evangeliums ist Er erinnert uns daran, das in der Taufe Die Gründe dafür sind sicher vielfäl- immer gleich: Wir sollen Menschen empfangene Geschenk der Umkehr tig, und ich möchte das nicht bewer- wie gehen wir in unserer Gesell- aufrichten. Niemals dürfen wir ande- und Vergebung immer wieder im ten. Aber ich will auch nicht einfach schaft und in unserer Kirche mitein- re niedermachen. Sakrament der Versöhnung zu bei diesem Befund stehen bleiben. ander um? Wie kommunizieren und Darüber sollten wir in dieser Fas- erneuern. Ich habe mir stattdessen einige sprechen wir miteinander? tenzeit, die uns als österliche Buß- Kein anderes Sakrament fordert Gedanken darüber gemacht, was In der letzten Zeit habe ich mir oft zeit auf das Fest der Auferstehung uns so zu einer Entscheidung und helfen könnte, damit das Sakrament Gedanken darüber gemacht. Die Art vorbereiten will, einmal besonders Neuorientierung heraus wie dieses. der Versöhnung, die Beichte, von uns nämlich, wie wir übereinander und nachdenken. Und kein anderes Sakrament ist allen wieder anders wahrgenommen miteinander reden, hat auch Einfluss – vielleicht auch deshalb – derzeit so wird, und zwar als ein besonderer Ort auf unser Verhalten. Aggressivität, Umkehr: Heilung und Neuanfang sehr in der Krise. Einerseits machen der Christusbegegnung in seiner ver- Gewalt und Häme sind vielfach ein- Die Liturgie dieser besonderen Zeit wir die Erfahrung, dass gerade auch gebenden, heilenden, aufrichtenden gezogen: Sie geben leider oftmals des Kirchenjahres, die Schrifttexte junge Menschen bei neuen geistli- und frei machenden Bedeutung. den Ton an, besonders in der Ano- oder zum Beispiel auch die verschie- chen Bewegungen und Initiativen nymität der sozialen Medien. Der denen religiösen Fastenkalender (wie Weltjugendtagen, „Nightfever“ Das Sakrament der „zweiten Chance“ augenscheinliche Niedergang des laden dazu ein, in uns zu gehen, und besonders gestalteten Jugend- Das Sakrament der Buße lässt sich Mitgefühls mit Menschen, die uns unser eigenes Leben zu bedenken vespern) oder an Orten mit einer auch als ein Sakrament der „zweiten fremd, anders oder nicht besonders und es an Jesus Christus und seiner großen religiösen Anziehungskraft Chance“ verstehen. Es geht um eine sympathisch erscheinen, ist keines- froh machenden Botschaft auszu- (etwa Wallfahrtsorten oder Klöstern) grundsätzlich wiederholbare Gele- wegs belanglos. Deshalb sollten wir richten. auch beichten wollen und ihr Leben genheit, das eigene Leben sozusagen sehr aufmerksam und sensibel dafür neu am Glauben ausrichten. Ande- in die richtige Spur zu bringen, in die sein, dass auf die Aggressivität und Der Ruf „Kehrt um und glaubt an rerseits aber sind die reinen Zahlen „Spur des Evangeliums“. Als Erneu- Gewalt der Worte nicht auch eine das Evangelium“ (Markus 1,15) steht zum Zuspruch der Gläubigen für das erung und Vertiefung der Gemein- Aggressivität und Gewalt der Taten programmatisch am Beginn dieser Bußsakrament doch sehr ernüch- schaft mit Gott bedeutet diese Chan- folgen. Fastenzeit. ternd. ce aber nicht nur eine Absage an das Böse, sondern vor allem die per- 2 3
sönliche Hinwendung zu Jesus Chris- darin, dass ein Umfeld geschaffen dass das ganze Leben der Gläubi- Fasten, Gebet und Werke der Nächs- tus. Diese „Bewegung“ in uns als wird, in dem das Sakrament der Ver- gen Buße sei.“ Fast identisch ist tenliebe sind klassischerweise solche Hinkehrbewegung zum Guten und söhnung empfangen werden kann, eine Aussage des Konzils von Trient, Formen. nicht als bloße Abkehr von etwas aber nicht einfach empfangen wer- das das Sakrament der Krankensal- Die Hinwendung zu den Armen und Schlechtem ist entscheidend! Es geht den muss.1 bung so bezeichnet: „als Vollendung Schwachen geschieht bei uns Chris- vor allem um die Neuausrichtung nicht nur der Buße, sondern auch ten nicht nur aus reiner Mitmensch- unseres Lebens auf Christus hin. Ganz bewusst möchte ich die des ganzen christlichen Lebens, das lichkeit heraus, sondern weil im „Gemeinsame Feier der Versöhnung“ eine fortwährende Buße sein soll“. konkreten Menschen Christus selbst Welche Formen sind heute dafür hilf- in diesem Jahr mit Ihnen begehen. Eine wichtige und auch ökumenisch da ist, der von sich sagt: „Was ihr reich? Häufig übersehen wird eine in Deshalb lade ich ein zu einem Buß- bedeutsame Übereinstimmung! für einen meiner geringsten Brüder meinen Augen sehr sinnvolle Alter- gottesdienst in den Hohen Dom zu getan habt, das habt ihr mir getan“ native zur klassischen Einzelbeichte: Paderborn, den ich am Mittwoch, „Tägliche Buße“ – was ist das? (Matthäus 25,40). die „Gemeinsame Feier der Versöh- dem 27. März, feiern werde. Er Was heißt das aber konkret für uns? nung mit Bekenntnis und Losspre- beginnt um 19.00 Uhr. Ich würde Es ist nicht gerade populär, davon Auch die Heiligen verstanden ihren chung der Einzelnen“. Diese Form mich sehr freuen, wenn Sie meiner zu sprechen, dass unser alltägliches Liebesdienst immer vor dem Hinter- eines Bußgottesdienstes schafft Einladung folgen und diese Form Leben von Buße geprägt sein soll. Es grund dieser Botschaft. So begegne- einen Rahmen, der die Mitfeiernden auch in Ihren eigenen Gemeinden geht auch nicht um die bloße Ein- te dem hl. Martin von Tours, der noch in ihrer persönlichen Umkehr unter- neu entdecken würden. schränkung unserer Freiheiten. Das vor seiner Taufe mit einem Bettler stützt. Gerade unsere Pastoralen wäre ein großes Missverständnis. Es seinen Mantel teilte, im Traum Chris- Räume, in denen es größere Kirchen- Eine weitere Möglichkeit bieten die gibt aber in meinen Augen sehr kon- tus selbst, mit dem Mantel bekleidet. räume gibt und verschiedene Priester unterschiedlichen Formen der „tägli- krete Ausdrucksformen einer tägli- Oder der hl. Vinzenz von Paul sah zur Verfügung stehen, bieten dazu chen Buße“. Martin Luther formulier- chen Buße, die unsere Neuorientie- Christus in den Kranken, Waisenkin- eine hervorragende Möglichkeit, zu te in der ersten seiner 95 Ablassthe- rung an Jesus Christus erleichtern dern und Gefangenen. Immer wie- der ich uns alle mit meinem Hirten- sen programmatisch: „Unser Herr können. der begegnete der Herr der hl. Elisa- wort ausdrücklich ermutigen möch- und Lehrmeister Jesus Christus woll- beth von Thüringen in den Bedürf- te. Die Stärke einer solchen Feier liegt te, da er sagte: ‚Tut Buße usw.!‘, tigen und Ausgestoßenen. Und die gl. dazu auch Stefan Kopp: Heilige Pforte oder Folterkammer? Kirchenraumpädagogische 1V Anmerkungen zum „Jahr der Barmherzigkeit“, in: ThGl 106 (2016) 301–315, hier: 312–315. 4 5
hl. Therese von Lisieux betonte, dass der Sünden wird aber auch durch die – oder auch dafür, was ich alles an – davon bin ich überzeugt – in die- die Liebe zu Gott an der Liebe zum Teilnahme an den gottesdienstlichen Gutem an diesem Tag, in diesem Jahr, ser österlichen Bußzeit den Boden Nächsten gemessen werden muss. Es Feiern und insbesondere durch den in meinem Leben erfahren durfte. bereiten für Vergebung, Versöhnung gibt zahlreiche Beispiele dafür, wie Empfang der hl. Eucharistie gewährt. Und dieser Dank gilt dann nicht nur und Heilung unserer verwundeten uns die Heiligen auch heute helfen Hier wird deutlich: Die Gegenwart für dieses und jenes, sondern dem, Herzen. und begleiten, in unserem konkre- Christi in der Liturgie schenkt uns der mir das Leben geschenkt hat. Das Ich wünsche Ihnen allen diese Erfah- ten Alltag selbst ein erfülltes und Gleichzeitigkeit und Gemeinschaft Urgebet des Menschen ist nicht von rung der Nähe Gottes, die uns auf- gelingendes Leben zu führen. Papst mit ihm. ungefähr die Danksagung. richtet und befreit: in den Feiern der Franziskus hat in seinem Lehrschrei- Kirche und in einem aufmerksamen ben „Freut euch und jubelt“ von der Ein Leben in Dankbarkeit Liebe Schwestern und Brüder, eine und respektvollen Umgang mit uns „Mittelschicht der Heiligkeit“ gespro- Hilfreich ist die tägliche Gewissens- so verstandene Frömmigkeit aus der selbst, untereinander und mit der chen, von einem „Ruf zur Heiligkeit“, erforschung. In der Tradition des Dankbarkeit und der Neuorientie- Schöpfung. der nicht elitär ist und an uns alle hl. Ignatius von Loyola kennen wir rung an Jesus Christus heraus kann ergeht. Diesen Ruf deutlicher wahr- das „Gebet der liebenden Aufmerk- zunehmen, kann gerade auch eine samkeit“. Entscheidend dabei ist Ermutigung in der Vorbereitung auf nicht so sehr das „Suchen“ und „Auf- das Osterfest sein.2 finden“ von Sünden, sondern zual- Ein weiterer wichtiger Ort der tägli- lererst der dankbare Blick zurück: Für Mit herzlichen Segenswünschen und in dankba- chen Buße ist das Hören auf Gottes was will ich am Ende eines jeden rer Verbundenheit mit Ihnen im gemeinsamen Wort, ob im Gottesdienst oder im Tages danken? Wofür bin ich in mei- Zugehen auf das Osterfest alltäglichen Leben. Der hl. Hierony- nem Leben eigentlich dankbar? mus sagte einmal: „Die Schrift nicht Für vieles kann man dankbar sein, Ihr Erzbischof kennen heißt Christus nicht kennen.“ vor allem für das, was sich nicht nur Das Erwecken aufrichtiger Reue ist von selbst versteht: das unerwartete ebenfalls Ausdruck der täglichen Geschenk, die Freundlichkeit der Mit- Hinwendung zu Christus. Vergebung menschen, die Schönheit der Welt apst Franziskus: Freut euch und jubelt. Apostolisches Schreiben „Gaudete et exsultate“ über den 2P Sperrfrist: 9.3.2019, 17 Uhr Ruf zur Heiligkeit in der Welt von heute, © Libreria Editrice Vaticana 2018. 6 7
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