Mit eigenen Augen sehen, was in hunderten Berichten steht

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Mit eigenen Augen sehen, was in hunderten Berichten steht
Ausgabe Nr. 2/2021

                                  Animal Welfare Foundation e.V. | Basler Str. 115 | DE-79115 Freiburg i.Br.
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Von links: Caroline Roose, Iris Baumgärtner (AWF|TSB), Tea Dronjic (AWF|TSB), Tilly Metz, Thomas Waitz.

„Mit eigenen Augen sehen, was
in hunderten Berichten steht“
„Also, wenn ihr mir sagt, dass das noch die ziemlich guten
Bedingungen sind, dann möchte ich nicht wissen, wie die
schlechten Bedingungen sind“, Tilly Metz, Europaabgeord-
nete der Grünen.
Mit ihren Fraktionskollegen Caroline Roose und Thomas
Waitz begleitet sie uns zu Tiertransportkontrollen nach
Italien. Alle drei sind Mitglieder des ANIT-Ausschusses.
Tilly Metz ist Ausschussvorsitzende. Dessen Funktion ist
die Untersuchung der Versäumnisse der EU-Kommission
und der Mitgliedsstaaten bei Langstreckentiertransporten.
                                                  Es ist der 25. März 2021. Kurz vor Ostern. Wir sind mit
                                                  zwei Teams im Einsatz. In dieser Zeit importiert Italien
                                                  rund 300.000 Lämmer. Ein Siebtel der Jahresmenge von
                                                  ungefähr zwei Millionen Schafen. Sie sterben in italieni-
                                                  schen Schlachthöfen. Lammbraten zu Ostern sind fester
                                                  Bestandteil der Feiertagsmenüs. Welche Tierschicksale
                                                  dahinterstecken, das möchten die wenigsten wissen.
                                                  „Ja, es gibt Verbesserungen. Vor fünf Jahren haben wir
                                                  noch viele tote, verletzte und sterbende Tiere auf den
Qualtransport: 1.500 Kilometer zum Schlachten.
                                                  Transportern gefunden.
Das ist deutlich weniger geworden. Aber was wir sehen, sind noch immer systematische Tierquälerei-
en“, berichtet Iris Baumgärtner, Projektleiterin Tiertransporte. Diese sind u.a. einem Wettbewerb unter
den Transporteuren geschuldet, möglichst viele Tiere in möglichst kurzer Zeit und möglichst billig ans
Ziel zu bekommen.

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Kto. 540 020 84; BLZ 506 500 23, Sparkasse Hanau                (SEPA-Lastschrift, PayPal, Kreditkarte)

Tilly Metz, ANIT-Ausschussvorsitzende, macht die Probe aufs Exempel. Sobald in ihrer Handfläche Wasser ist, fängt das
Lamm an zu trinken. Mit dem Tränkenippel kommt es nicht zurecht. Dieser ist für Schweine konstruiert.

Opfer sind die Tiere. So werden z. B. Transporter eingesetzt, die für Schweine gebaut wurden. Tränke-
nippel für Schweine sind für Lämmer unbrauchbar. Sie benötigen eine Wasseroberfläche, also Tröge,
um trinken zu können. Und viele Transporter werden überladen. Bis zu 800 Tiere auf vier Ladeebenen.
Selbst wenn Tröge an Bord wären, die wenigsten Tiere würden sie erreichen.
Konsequenz der Überladung ist auch, dass die
Stehhöhe für die Tiere nicht ausreichend ist,
dass Liegefläche zum Ausruhen fehlt. Und selbst
wenn die Transportfahrzeuge geeignet wären,
bleibt das Problem der Transportzeiten. 29 Stun-
den mit einstündiger Versorgungspause nach
14 Stunden ist vorgeschrieben. Das ist in zwei-
facher Hinsicht unrealistisch. Zum einen sind
die Transportziele innerhalb dieser Zeitspanne
oft nicht erreichbar. Zum anderen ist es unmög-
lich, bis zu 800 Tiere innerhalb einer Stunde auf
einem überfüllten Transporter zu tränken.
                                                               Ungeeigneter Tränkenippel: Das Lamm bleibt durstig.

Erste Einsatznacht: 800 Tiere auf einem Transporter
Gegen 16 Uhr fahren wir zu unserem Einsatzpunkt in der Nähe von Venedig. Wir warten auf einen mut-
maßlich überfüllten Lämmertransporter aus Rumänien. Es ist bereits abends, als wir ihn entdecken. Er
ist bei Venedig von der Autobahn abgefahren. Der Transporteur nutzt die Corona-Ausgangssperre. Jetzt
sind die Landstraßen weniger stark befahren und er kann Mautgebühr sparen. Für die Tiere verlängert
sich damit der Transport und der Stress nimmt zu durch viele Kurven, Abbrems- und Beschleunigungs-
manöver. Wir folgen dem Transport vier Stunden, sind unschlüssig, die Polizei zu rufen. Alarmieren wir
sie grundlos, wird sie bei der nächsten Kontrolle nicht mehr kommen. Der Transporter hält nirgends an.
Wir entscheiden uns dennoch, die Polizei zu rufen.

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Qualtransport: Verzweifelt blöken die Lämmer. Hunger, Durst und zu wenig Platz.

Das Blöken der Lämmer ist laut, ein Indiz für Stress, Hunger und Durst. Die Polizei kommt und stoppt
den Transporter bei Chioggia. Unsere Befürchtung bestätigt sich. 800 Tiere in drangvoller Enge, zum
Teil können sie nicht aufrecht stehen. Der Abstand zwischen Boden und Decke ist zu gering. Sogar die
vorgeschriebenen Trennwände stehen schräg. Eine zusätzliche Verletzungsgefahr.
Manche Lämmer sind acht Wochen alt, manche jünger und auf Muttermilch angewiesen. Sie müssten
spätestens nach neun Stunden versorgt werden. Sie stehen gemischt mit älteren Lämmern, die bereits
Hörner haben, rund fünf Zentimeter lang. Auch das kann zu Verletzungen führen.
                                                       Auf der dritten Ladeebene finden wir ein Lamm,
                                                       dessen Bein zwischen Seitenwand und Boden ein-
                                                       geklemmt ist. Wenn es sich nicht schon unterwegs
                                                       das Bein bricht oder abreißt, dann wird es spätes-
                                                       tens zerquetscht, wenn der Boden zum Entladen
                                                       hydraulisch abgesenkt wird. Es gelingt uns, das
                                                       Bein aus der Spalte zu befreien. Es ist unverletzt.
                                                       Das Tränkesystem ist leer. Die Fahrer erklären,
                                                       dass beim Verladen Frost herrschte. Das Wasser
                                                       wäre gefroren und hätte die Leitungen zerstört.
                                                       1.730 Kilometer, rund 24 Stunden ist die Trans-
                                                       portstrecke offiziell. Die Polizei verhängt keine
Eingeklemmtes Bein zwischen Wand und Boden.
                                                       Strafe an Ort und Stelle.
Die für Landstraßen zuständige Polizei ist dafür nicht ausgebildet. Sie fragen uns, was zu tun sei. Der Fall
wird an die nächsthöhere Stelle weitergeleitet. Damit er nicht im Sand verläuft, bleiben wir mit unserer
italienischen Anwältin dran. Für solche Transporte müssen drastische Strafen verhängt werden.

Zweite Einsatznacht: Tränken funktionieren nur auf dem Papier
Nach Ortswechsel und fünf Stunden Schlaf sind wir wieder unterwegs. Es ist bereits Nacht und wir fol-
gen einem polnischen Transporter. Er sieht gut erhalten und modern aus und ist zugelassen für unter-
schiedliche Tierarten. Papier ist geduldig. In der Praxis bedeutet das: Auch hier für Schweine geeignete
Tränkenippel, mit denen Lämmer nichts anfangen können. Aber das ist noch nicht alles.

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Tränkenippel: ungeeignet und unerreichbar hinter Gitterstangen. Selbst wenn Wasser mitgeführt würde, blieben die Lämmer
unversorgt.

Nur auf der ersten Ladeebene sind vier Tränkenippel erreichbar. Alle anderen sind durch Gitterstangen
versperrt. Zum Zeitpunkt der Kontrolle haben die Tiere bereits 31 Stunden ohne jede Versorgung hinter
sich. Bis zum Schlachthof in Aquapendente sind es nochmals dreieinhalb Stunden. Das Bußgeld durch
die Polizei fällt gering aus: 1.333 Euro. Das tut den Transporteuren nicht weh.
„Es braucht mehr Kontrollen und härtere Strafen. Seltene und geringe Strafen kalkulieren die Transpor-
teure mit ein,“ vermerkt Iris Baumgärtner im Einsatzprotokoll.

Dritter Einsatztag: Durch die Begleitung der MEPs erfahren wir mehr
Wir warten auf einen rumänischen Lämmertransport. Einen „alten“ Bekannten, gegen den wir seit
2018 vorgehen. Gegen 13:30 Uhr haben wir ihn und fahren hinterher. Bei dieser Firma haben wir keine
Zweifel, die Polizei zu rufen. Erst in Udine, dann in Venedig. Ohne Erfolg. Dann endlich, zweieinhalb
Stunden später, mit Erfolg in Emilia Romana. Polizisten des Polizeipostens in Altedo winken den Läm-
mertransport auf einen Parkplatz.
Wir dürfen bei der Kontrolle nicht dabei sein. Aber die drei Europaabgeordneten haben Beobachtungs-
recht. Dank ihrer Informationen wissen wir, dass 800 geladene Tiere in einem schlechten Zustand sind.
Eine Amtsveterinärin wird hinzugerufen. Sie stellt fest, dass die Tiere erschöpft und dehydriert sind.

     „War froh, dass ich nicht weinen musste“, Tilly Metz, Europaabgeordnete, nach dem Einsatz.

Die Reihe der Verstöße schliesst sich nahtlos an die vorangegangenen Transporte an. Zu wenig Platz,
zu niedrige Decke, zu wenig Einstreu und v.a. kein Zugang zu Wasser. In dem Moment, in dem den drei
bis vier Monate alten Lämmern Wasser angeboten wird, kämpfen sie um jeden lebenserhaltenden
Tropfen.
Es ist gut, dass die drei Mitglieder des EU-Untersuchungsausschusses uns begleiten. Das Blöken der Läm-
mer, ihr gieriges Lecken jedes erreichbaren Wassertropfens und der Gestank der Exkremente hunderter
eng eingesperrter Lämmer hinterlassen einen nachhaltigeren Eindruck, als Berichte das je könnten.
Unsere Teams planen bereits die nächsten Einsätze, um auch die anderen Mitglieder des ANIT-Aus-
schusses so nah wie möglich an die Transportwirklichkeit heranzuführen. Unser Ziel ist das Ende von
Qualtransporten. Bitte helfen Sie uns dabei.

                         Schicken Sie unsere Teams mit Ihrer Spende in den Einsatz.
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