Monatsthema April 2018 Kein Öl auf dem Mond?

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Monatsthema April 2018 Kein Öl auf dem Mond?
Nach: Hans-Ulrich Keller: Kosmos Himmelsjahr 2018
Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart 2017

Monatsthema April 2018
Kein Öl auf dem Mond?
Ein Blick zum Mond lohnt immer, vor allem durch ein Fernglas         beginnt, wenn zwei Zeugen das Neulicht des Mondes (arab.:
oder Teleskop. Besucher einer Sternwarte sind stets begeistert,      Hizal) sichten.
wenn sie die plastisch wirkenden Mondformationen im Fernrohr         Mit freien Augen sieht man auf der hell glänzenden Vollmond-
sehen. Vor allem an der Lichtgrenze, dem Terminator, werfen die      scheibe dunkle Flecken. Das regt die Fantasie an. Viele erkennen
Gebirge, Ringwälle und Krater pechschwarze Schatten mit              ein Gesicht im Antlitz des Mondes. Außer dem berühmten Mond-
messerscharfen Konturen. Ein Blick auf den Vollmond ist dagegen      gesicht meinen manche, eine Frau im Mond zu sehen, andere
nicht so faszinierend, weil die Sonnenstrahlen senkrecht einfallen   einen Hasen oder einen Mann im Mond (Gleichberechtigung muss
und kein Schattenwurf entsteht. Denn die Lichtgrenze fällt bei       sein).
Vollmond mit dem Mondrand zusammen und bleibt unbeobacht-
bar.

                                                                     Die Fantasie lässt bei freiäugiger Betrachtung des Vollmondes ein
                                                                     Gesicht, eine Frau oder einen Hasen im Mond erkennen.

                                                                     Die eigentliche Mondforschung begann Anfang des 17. Jahrhun-
                                                                     derts mit der Erfindung des Fernrohrs im Jahre 1609 durch den
                                                                     Holländer Lippershey, obwohl schon in der Antike Erkenntnisse
                                                                     über den Mond gewonnen wurden. Demokrit von Abdera (470-380
                                                                     v. Chr.) vermutete, der Mond sei eine Kugel (πιλα) und keine Gott-
                                                                     heit und es gäbe auf ihm Berge und Täler. Aristarch von Samos
                                                                     (320-250 v. Chr.) wiederum stellte fest, die Sonne sei 19-mal
                                                                     weiter entfernt als der Mond. Daraus schloss er, dass der Mond
                                                                     auch 19-mal kleiner sei als die Sonne, denn schließlich erscheinen
                                                                     uns beide am irdischen Firmament gleich groß. Auch schätzte er,
                                                                     dass der Mond nur ein Drittel so groß wie die Erde ist. Tatsächlich
                                                                     ist der Mond rund vierhundert Mal kleiner als die Sonne, die auch
                                                                     vierhundert Mal weiter entfernt ist als er. Im Mittel ist der Mond
                                                                     384.400 Kilometer von der Erde entfernt, die Sonne hingegen fast
                                                                     150 Millionen Kilometer.

                                                                     Erste Teleskopbeobachtungen
Zunehmender Halbmond: An der Lichtgrenze (Terminator) sind die       Galileo Galilei und Thomas Harriot waren die ersten Fernrohrbe-
Oberflächenstrukturen besonders deutlich erkennbar. (Martin
Gertz/Sternwarte Welzheim)
                                                                     obachter, die Zeichnungen von der Mondoberfläche anfertigten. In
                                                                     seinem Sidereus Nuncius (Sternenbote) findet sich ein Bild des
Schnell werden Fragen laut: Wie sieht es auf dem Mond aus?           Kraters Albategnius, das Galilei 1610 gezeichnet hat. Nach den
Warum flogen Menschen zum Mond hinauf? Dabei ist der Mond            ersten Zeichnungen von Galilei und Harriot fertigten Michael von
weder oben noch unten, wie schon Nikolaus Kopernikus richtig         Langren (Langrenus) 1645, Johann Hevel (Hevelius) 1647 sowie
erkannte. Für einen Astronauten, der auf dem Mond steht, scheint     Giovanni Riccioli gemeinsam mit Francesco Grimaldi 1651 mehr
die Erde „oben" am Mondhimmel zu schweben.                           oder minder genaue Mondkarten an. Dabei wurden auch die ers-
Woraus besteht der Mond? Eine oft gestellte Frage bei einer          ten Bezeichnungen für die Mondformationen vergeben. Hevelius
Sternführung. Da der Vollmond so hell glänzt, vermutete man          benannte die Gebirge auf dem Mond nach irdischen wie Alpen,
einst, er sei aus Eis. Der gelbliche Mond bestehe aus Käse, damit    Apenninen, Karpaten und Kaukasus. Die gesichteten Krater und
die Mondmaus etwas zum Fressen habe, so wird im Märchen für          Ringwälle erhielten Namen von Philosophen und Wissenschaftlern
Kinder erzählt. Doch ernst gemeint ist die manchmal geäußerte        aus der Antike wie Archimedes, Aristarch, Aristoteles, Eratosthe-
Frage: Gibt es auf dem Mond Öl? Gemeint ist Erdöl, nicht Salatöl.    nes, Plato oder Ptolemäus. Später wurden auch zeitgenössische
Erst seit die Apollo-Astronauten kiloweise Material vom Mond         Astronomen mit einem Mondkrater bedacht wie Kepler, Koperni-
mitbrachten, kennt man die Zusammensetzung des Mondgesteins.         kus, Tycho usw. Manche Bezeichnungen hielten sich nur kurz,
Bis dahin war es ein langer Weg - die Erforschung des Mondes         andere bis zum heutigen Tag.
war ein Jahrhunderte langer Prozess.                                 Weitere erfolgreiche Mondbeobachter waren der holländische
                                                                     Astronom und Physiker Christian Huygens (1629-1695) sowie sein
                                                                     Zeitgenosse, der Italiener Giovanni Cassini (1625-1712), erster
Vom Glauben zur Forschung                                            Direktor der Pariser Sternwarte. Cassini fertigte eine riesige Mond-
Im Altertum sah man im Mond eine Gottheit. Bei den Babyloniern       karte mit vier Meter Durchmesser an. Sie war seinerzeit die detail-
hieß die Mondgöttin Sin, bei den Chinesen Change. Selene             reichste und genaueste Mondkarte. Cassini leitete auch die nach
(σεληνη) nannten die Griechen die Mondgöttin, die Römer              ihm benannten drei Rotationsgesetze des Mondes ab.
wiederum Luna. Auch Cynthia, die Göttin der Jagd, wurde durch
den Mond repräsentiert. In seinem milden Schein erkannten die
Jäger ihre Beutetiere.
                                                                     Meister der Selenografie
Im Islam ist der Mond keine Gottheit, sondern wurde von Allah        Die hellen Gebiete wurden schnell als Kraterlandschaften ausge-
geschaffen, um „die Zeit zu zählen". Deshalb ist der islamische      macht. Man sah in ihnen Kontinente (lat.: terrae), während man
Kalender ein reiner Mondkalender. Gemäß dem Koran ist es den         die dunklen, flachen Gebiete als Meere ansah (lat.: maria, Singu-
Gläubigen verboten, Schaltmonate einzufügen. Ein neuer Monat         lar: mare). Schon Kepler bemerkte: „… maculas esse maria,
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lucides esse terrae". (Die Flecken sind Meere, die hellen Land-           im Verlag Hutchinson (London) erschien, möglicherweise gedie-
schaften.)                                                                hen besonders resistente Pflanzen auf dem Mondboden.
Damals war man der Meinung, der Mond beeinflusse das irdische             Wilhelm Gotthelf Lohrmann (1796-1840), der mit einem achroma-
Wetter und auch die Gemütslage der Menschen. Das Wort                     tischen 5-Zoll-Refraktor von Fraunhofer beobachtete, lieferte mit
„Laune" leitet sich vom lateinischen „luna" für Mond ab und das           die besten Mondkarten des 19. Jahrhunderts. Sein Buch Mond-
englische "“unatic" bedeutet schlicht „verrückt". Entsprechend            charte in 25 Sectionen erschien allerdings erst 38 Jahre nach
benannte man die vermeintlichen Mondmeere wie Mare Imbrium                seinem Tod. Es wurde von Johann Schmidt (1825-1884) im Jahre
(Regenmeer), Oceanus Procellarum (Ozean der Stürme), Mare                 1878 herausgegeben.
Nubium (Wolkenmeer), Mare Serenitatis (Meer der Heiterkeit),              Die wohl prominentesten Mondkartografen des 19. Jahrhunderts
Mare Tranquillitatis (Meer der Ruhe), Mare Frigoris (Meer der             waren Wilhelm Beer (1797-1850) und Johann Heinrich von Mädler
Kälte), Mare Crisium (Meer der Gefahren), Mare Foecunditatis              (1794-1874). Schon mit zwölf Jahren zeigte Mädler sein Talent
(Meer der Fruchtbarkeit), Mare Nectaris (Honigmeer), Mare                 und seine Wissbegier, als er das Friedrich-Werder-Gymnasium in
Cognitum (Meer der Erkenntnis), um nur einige zu nennen.                  Bremen besuchte. Mädlers Eltern erkrankten an Thyphus und star-
                                                                          ben früh. Mädler musste sich nach ihrem Tod um seine vier jünge-
                                                                          ren Geschwister kümmern. Er wurde Grundschullehrer, besuchte
                                                                          aber auch Vorlesungen an der Berliner Universität.
                                                                          Beer war ein wohlhabender Bankier, der 1829 ein privates Obser-
                                                                          vatorium errichtete. Er heuerte Mädler als Assistenten an, womit
                                                                          eine lange und intensive Zusammenarbeit begann. Ausgestattet
                                                                          mit einem 4-Zoll-Fraunhofer-Refraktor kartografierten beide in 600
                                                                          Nächten die Mondoberfläche, wobei sie Referenzpunkte mit einem
                                                                          Mikrometer vermaßen.
                                                                          Das Ergebnis erschien 1836 als Mappa Selenographica mit einem
                                                                          Monddurchmesser von einem Meter. Außerdem benannten sie
                                                                          140 weitere Krater und Ringwälle. Der Direktor der Berliner Stern-
                                                                          warte, Johann Encke, stellte Mädler im gleichen Jahr als Observa-
                                                                          tor an. Nur zwei Jahre später, 1840, wurde Mädler zum Direktor
                                                                          des Observatoriums in Tartu (Estland) berufen, wo er mit dem gro-
                                                                          ßen Fraunhofer-Refraktor Planeten und Doppelsterne beobach-
                                                                          tete.

                                                                          Leben auf dem Mond?
                                                                          Mädler kritisierte heftig die Vorstellung der früheren Mondbeob-
                                                                          achter, der Mond gleiche der Erde. Der Mond sei vielmehr ein
                                                                          toter, unbewohnter, luftloser Himmelskörper ohne Wasser und
Zeichnung des Mondkraters Albategnius von Galileo Galilei (Sidereus       Wetter. Somit gäbe es auch keine Erosion. Die Mondlandschaften
Nuncius, 1610).                                                           seien für immer unveränderlich. Die dunklen Tiefebenen seien mit
                                                                          erstarrter Lava gefüllt und keinesfalls Wasserflächen, die doch
Kleinere dunkle Flächen hielt man für Gewässer: Lacus Gaudii              gelegentlich im Sonnenlicht aufblitzen müssten. Bedeckt der Mond
(See des Vergnügens), Lacus Odii (See des Hasses), Lacus                  einen Stern, so verschwindet dieser schlagartig am Mondrand.
Felicitatis (See der Glückseligkeit) und Lacus Somniorum (See der         Keine Atmosphäre schwächt vorher das Sonnenlicht ab.
Träume). Sinus Iridum, die Regenbogenbucht, liegt am Rande des            Diese Erkenntnis Mitte des 19. Jahrhunderts wurde in der Folge
Mare Imbrium, begrenzt von Kap Heraklit und Kap Laplace, wobei            stets aufs Neue bestätigt und erweitert. Am Tag erhitzt sich die
die lateinische Bezeichnung für Kap „Promontorium" heißt.                 Mondoberfläche in der Sonnenglut über 100 °C, in de r 14-tägigen
Als Nestor der wissenschaftlichen Mondkartografie (auch Seleno-           Mondnacht kühlt sie sich auf unter -100 °C ab. Flüs siges Wasser
grafie) gilt Tobias Mayer (1723-1762). Man nennt ihn auch Ver-            kann es somit auf dem Mond nicht geben. Selbst bei niedrigeren
messer des Himmels, der Erde und der Meere. Er fertigte zwei              Temperaturen würde Wasser sofort sieden und als Dampf ins
Mondkarten in orthografischer Projektion an, wobei er mit einem           Weltall diffundieren. Denn auf dem Mond gibt es keine Atmo-
achromatischen Refraktor samt Fadenmikrometer alle Oberflä-               sphäre, der Luftdruck ist praktisch null. Lediglich Spuren von Eis
chendetails akkurat vermas. Als Ursprung seiner Koordinatenmes-           wurden in Kraterböden am Nord- und Südpol des Mondes ent-
sung wählte er den Krater Manilius. Später, im 19. Jahrhundert,           deckt, wohin nie ein Sonnenstrahl fällt.
übte diese Funktion der Krater Mösting A aus. Inzwischen wurden
die Mondkoordinaten neu definiert, wobei Mösting A nun die
selenografischen Koordinaten 5,24° westliche Länge und 3,23°              Systematische Mondkartierung
südliche Breite aufweist.                                                 Mit Einführung der Fotografie machte die Mondkartografie gewalti-
Mayer gilt auch als Gründer der „Deutschen Schule der Seleno-             ge Fortschritte. Es entstanden zahlreiche Atlanten, die nicht mehr
grafie", wie der Planetenforscher Zdenek Kopal meint („He was             gezeichnete, sondern detailgetreue Ablichtungen der Mondforma-
the founder of the German school of selenography"). Zu ihr                tionen enthalten. Auch bei noch so talentierten Zeichnern kann
gehören Namen wie Schröter, Lohrmann, Mädler, Schmidt und                 eine subjektive Interpretation nie ausgeschlossen werden. Die
Fauth.                                                                    persönliche Sichtweise lässt sich nicht ausschalten und Details
Johann Hieronymus Schröter (1745-1816) fertigte auf seiner                können nie 1:1 erfasst und dokumentiert werden.
Privatsternwarte in Lilienthal bei Bremen 75 detailreiche Mond-           Das erste fotografische Mondbild wurde 1839 von Louis Daguerre
zeichnungen an, um daraus eine 118 cm große Mondkarte zu                  in Paris gewonnen. Freilich zeigt es ein recht verschwommenes
erstellen. Leider gingen die meisten seiner Originalarbeiten in den       Mondantlitz, das den gezeichneten Mondkarten nicht annähernd
Wirren der Napoleonischen Kriege verloren. Schröter zeichnete             nahe kommt.
nicht nur die Oberflächendetails höchst akribisch in seine Karten         Doch der 1888 von Edward S. Holden mit dem 36-Zoll-Refraktor
ein, sondern maß auch aus ihrer Schattenlänge die Höhe der                des Lick-Observatoriums auf dem Mt. Hamilton (Kalifornien) foto-
Mondberge, die sich einige tausend Meter über ihre Umgebung               grafisch erstellte Atlas of the Moon machte Details sichtbar, die nie
erheben. Die Bezeichnung rimae (lat., Rillen) für Furchen und             zuvor gesehen wurden. Schon 1903 folgte der Atlas de la Lune
lange Grabenbrüche wurde von Schröter eingeführt.                         des Pariser Observatorium mit Aufnahmen, die mit dem 23,6-Zoll-
Selbst bedeutende Wissenschaftler wie Johann Hevelius, Wilhelm            Coudé-Refraktor gewonnen wurden. William Henry Pickering prä-
Herschel oder Isaac Newton waren überzeugt, der Mond sei be-              sentierte 1910 den fotografischen Mondatlas des Harvard College
wohnt. Man nannte die Mondbewohner „Seleniten". Sie sollten ein           Observatory. Einer der besten Atlanten ist der 1960 erschienene
insektenartiges Aussehen haben. Der leidenschaftlichste Vertreter         Photographic Atlas of the Moon, auch schlicht Lunar Atlas ge-
des bewohnten Mondes war sicher Franz von Paula Gruithuisen               nannt.
(1774-1852), ein glühender Verehrer von Schröter. Er orderte              Im Oktober 1959 gelang es erstmals mit der Mondsonde Lunik 3,
mehrere Linsenteleskope zur Mondbeobachtung und meinte, in                die von der Erde nie einsehbare Rückseite des Mondes aufzuneh-
den Rillen Pfade der intelligenten Seleniten zu erkennen. Sie             men. Im beginnenden Zeitalter der Raumfahrt wurden zahlreiche
sollten zu den unterirdischen Städten der Mondbewohner führen.            unbemannte Sonden in Umlaufbahnen um den Erdtrabanten
Noch Mitte des 20. Jahrhunderts vermutete Valdemar Axel Firsoff           gehievt. Diese Mondsonden lieferten und liefern heute noch hoch-
(1912-1981) in seinem Buch Strange World of the Moon, das 1959            aufgelöste Bilder von der Mondoberfläche. Mit 30 cm Auflösung
                                                                          pro Bildpunkt konnten nicht nur die Unterstufen der Mondlander,
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sondern selbst die Fußspuren der Apollo-Astronauten erkannt
werden.

                                                                                                                       Vergabe der
                                                                                                                       Buchstabenbezeichnunge
                                                                                                                       n für Sekundärkrater.

                                                                           Im Zeitalter der Raumfahrt wurden 1972 zahlreiche Sekundärkra-
                                                                           ter mit Buchstabenkennung neu benannt. So wurde aus Ptole-
                                                                           mäus A der Krater Ammonius. Im Jahre 2000 wurde auf Vorschlag
Ausschnitt aus der Lunar Chart Nr. 57 der NASA von 1962. Die               des populären britischen Astronomen Patrick Moore der Krater
Sekundärkrater des Hauptkraters Kepler sind mit Buchstaben                 Plato A in Bliss umgetauft. Nathaniel Bliss (1700-1764) wurde als
versehen.                                                                  Nachfolger von Edmund Halley im Jahre 1742 zum 4. Astronomer
                                                                           Royal (königlicher Astronom) der britischen Krone berufen.
Auf der Rückseite des Mondes wurden von der Planetary Nomen-
clature Working Group der IAU (Arbeitsgruppe zur Benennung von             Das Rätsel der Mondkrater
Objekten und Oberflächenstrukturen im Sonnensystem) 670                    Zu einem jahrhundertelangen Streit geriet die Frage nach der
Mondformationen benannt. Eine dunkle Fläche erhielt die Bezeich-           Entstehung der Krater und Ringwälle auf dem Mond. Teilweise
nung Mare Moscoviense (Moskauer Meer). Ansonsten gibt es im                wurden die Auseinandersetzungen emotional, ja erbittert geführt.
Gegensatz zur Vorderseite keine größeren Maria auf der Mond-               Sind die Mondkrater vulkanischen Ursprungs oder die Folge von
rückseite.                                                                 Einschlägen mehr oder minder großer Meteoroide, Planetoiden
                                                                           und Kometenkerne?
                                                                           Die Mondkrater haben keine Ähnlichkeit mit irdischen Vulkanen,
                                                                           die kegelförmige Berge mit kleinem Kraterschlot sowie Calderen
                                                                           sind. Die Mondkrater sind hingegen teller- oder schüsselförmig, oft
                                                                           mit einem Zentralberg ausgestattet. Die Außenwände der Ring-
                                                                           wälle sind sanft ansteigend, an der Innenseite fallen sie jedoch
                                                                           steil ab. Manche haben doppelte Ringwälle. Kleine Krater besitzen
                                                                           keinen Zentralberg, kleinste Krater sind schlicht Löcher in der
                                                                           Oberfläche. Die Kraterböden liegen tiefer als ihre Umgebung. Der
                                                                           Massendefekt durch die Absenkung der Böden entspricht der
                                                                           Masse der jeweiligen Ringwälle. Eine Ausnahme bildet lediglich
                                                                           der Krater Wargentin.

Die kraterübersäte Mondrückseite. Auffallend ist das Fehlen großer
lavagefüllter Tiefebenen (Maria). Das größte „Mondmeer“ ist das Mare
Moscoviense (Moskauer Meer). (Lunar Reconnaissance Orbiter/NASA)

Auf der Vorderseite sind 895 Krater und Ringwälle benannt. Da
dies bei weitem nicht ausreicht, die mehr als zehntausend Krater
zu bezeichnen, haben bereits Beer und Mädler in der erwähnten
Mappa Selenographica die kleineren Krater in der Umgebung
eines größeren, namentlich gekennzeichneten Kraters mit Buch-
staben versehen. So gibt es einen Krater Kopernikus A, Timo-
charis B oder Kepler F. Meist wurden rund sechs Buchstaben pro
Krater mit Eigennamen vergeben, teilweise aber auch deutlich
mehr. Bei Plato gibt es zum Beispiel 23 solcher Sekundärkrater.
Beim Krater Abulfeda sind es alle möglichen 24 (die Buchstaben I
und V wurden nicht vergeben). Manchmal wurden auch Doppel-
buchstaben eingesetzt wie Abulfeda BA oder Plato KA, ein nahe
beieinander liegender Doppelkrater. Ursprünglich wurden die
Buchstaben mehr oder weniger willkürlich vergeben. Inzwischen              Irdischer Vulkankegel im Vergleich mit Mondkratern.
hat man festgelegt, dass 24 Buchstaben (ohne I und O) im Uhrzei-
gersinn zu verteilen sind. Mit A ist bei 1 Uhr zu beginnen, M steht        James Nasmyth (1808-1890) und James Carpenter (1840-1899)
bei 6 Uhr und Z bei 12 Uhr. Somit sind inzwischen 6328 Krater              entwickelten im 19. Jahrhundert das „Springbrunnen-Modell". Der
und Ringwälle auf der Vorderseite des Mondes eindeutig bezeich-            innere Druck des in der Frühphase noch feurig-flüssigen Mondes
net. Dieses Buchstabensystem wird sonst nirgends bei anderen               soll gewaltige Aufwölbungen bewirkt haben. Schließlich platzten
Krateroberflächen im Sonnensystem verwendet.                               diese Blasen. Das ausgeschleuderte Material bildete die nahezu
                                                                           kreisförmigen Ringwälle, wobei die zurückschwappende Lava
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Zentralberge erzeugte, die stets niedriger sind als die Ringwälle.   Heute zweifelt niemand mehr daran, dass alle Krater von winzigen
Die Größe der Ringwälle sei durch die geringe Oberflächen-           Einschlaglöchern bis zu Ringwällen mit über hundert Kilometer
schwerkraft zu erklären. Die Schwerebeschleunigung auf der           Durchmesser die stummen Zeugen eines fast fünf Milliarden Jahre
Mondoberfläche beträgt nur ein Sechstel des irdischen Wertes         dauernden kosmischen Bombardements sind. Ohne Wind, Wetter
(gMond = 1,63 m/s2).                                                 und Wasser gibt es auf dem Mond keine Erosion, weshalb die
Der Streit, ob Vulkanismus oder Impaktereignisse die Ringwälle       Spuren der Treffer aus dem All bis heute erhalten bleiben.
formten, hielt bis 1960 an. Ein Argument lautete: Da fast alle       Spätestens nach den sechs bemannten Mondlandungen in den
Krater und Ringwälle nahezu kreisförmig sind, müssten alle           Jahren 1969 bis 1972, von denen die Apollo-Astronauten kiloweise
Einschläge senkrecht zur Mondoberfläche erfolgt sein. Dies ist       Mondgestein mitbrachten, kennt man recht genau die Zusammen-
aber völlig unwahrscheinlich. Die kollidierenden Meteoroide trafen   setzung des Mondmaterials. Insgesamt wurden 68 verschiedene
und treffen die Oberfläche aus allen beliebigen Richtungen und       Mineralien gefunden. Die hellen Hochländer mit ihren Kratern und
nicht nur von senkrecht oben. Doch dieses Argument ließ sich         Ringwällen bestehen aus aluminiumreichem Gestein, sogenann-
experimentell widerlegen.                                            tem Anorthosit mit geringem Eisengehalt. Anorthosit bildet sich,
Ballistische Experimente am Ames Research Center der NASA            wenn geschmolzenes Gestein langsam erstarrt und kristallisiert.
zeigten: Selbst bei relativ flachem Einfall entstehen kreisförmige   Dies ist ein Hinweis auf die Frühphase des Mondes, als die Mond-
Gebilde. Auch sind durchaus nicht alle Ringwälle exakt kreisför-     oberfläche fast vollkommen von geschmolzener Lava bedeckt war.
mig. So ist das Mare Crisium in Ost-West-Richtung um etwa            In manchen Hochlandbereichen finden sich Spuren von Titan und
hundert Kilometer breiter als in Richtung Nord-Süd. Der Eindruck     Thorium.
im Fernglas, das Mare Crisium sei in N-S-Richtung langgestreckt,     Die Maria wurden nach gewaltigen Impakten aus basaltischem
wird durch die perspektivische Verkürzung hervorgerufen, da es       Material gebildet, nachdem die bereits erkaltete Oberfläche an den
sich am westlichen Mondrand befindet. Auch der Ringwall Proclus      Einschlagsorten erneut aufgeschmolzen wurde und Material aus
ist ein wenig oval. Spuren von flachen Einschlagspfaden finden       der Tiefe empor quoll. Dies lässt auch der deutlich erhöhte Eisen-
sich ebenfalls. So wurden die knapp nebeneinander liegenden          gehalt erkennen. Das Vorkommen von Titan schwankt erheblich
Krater Messier und Messier A von einem einzigen Impaktkörper         von Ort zu Ort.
erzeugt, der fast parallel zur Mondoberfläche flog und zweimal       Der Mond ist staubtrocken. Wasser kann dort nicht existieren.
aufschlug, ähnlich einem flach auf eine Wasseroberfläche gewor-      Ebenso wenig wurden wasserhaltige Mineralien gefunden. Ledig-
fenen Stein. Von Messier A ziehen zwei Strahlen westwärts,           lich in den Polarregionen entdeckte man Spuren von Eis in den
Spuren des Auswurfmaterials. Überhaupt liefern Strahlenkrater        Kratersohlen, die in der Dunkelheit liegen, da sie kein Sonnen-
wie die beiden auffälligsten Tycho und Kopernikus klare Hinweise     strahl erreicht. Eingeschleppt wurde das Eis von Kometenkernen,
auf Impaktereignisse, bei denen Material weit über die Mondober-     die auf den Mond stürzten. Von organischen Substanzen konnten
fläche geschleudert wurde. Für die Kraterbildung sind zwei           nicht einmal Spuren entdeckt werden.
Größen maßgebend: Masse und Geschwindigkeit des Einschlag-           Ohne schützende Atmosphäre ist die Mondoberfläche der harten
körpers.                                                             kosmischen Strahlung ausgesetzt. Ohne flüssiges Wasser und
                                                                     infolge extremer Temperaturunterschiede zwischen Mondtag und -
                                                                     nacht kann keine Form von Leben auf unserem Nachbarn im Welt-
                                                                     all existieren. Der Mond ist eine tote Gesteinswüste. Und deshalb
                                                                     gibt es auf dem Mond auch kein Öl!
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