Musikstunde "Liebesfrühling" - zum 200. Geburtstag von Clara Schumann (5) - Von Wolfgang Sandberger - SWR

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Musikstunde
„Liebesfrühling“ –
zum 200. Geburtstag von Clara Schumann (5)

Von Wolfgang Sandberger

Sendung:    13. September 2019
Redaktion: Dr. Ulla Zierau
Produktion: 2019
SWR2 Musikstunde mit Wolfgang Sandberger
09. September – 13. September 2019
„Liebesfrühling“ - zum 200. Geburtstag von Clara Schumann (5)

… einen schönen guten Morgen! Herzlich willkommen, ich bin W.S.
Heute ist der 200. Geburtstag von Clara Schumann - das Finale unserer
Clara Schumann- Reihe mit dem Titel „Liebesfrühling“.

Heute vor 200 Jahren wird Clara Schumann in Leipzig geboren, als
Clara Josephine Wieck. Und heute wird sie überall gefeiert, ob in Leipzig
oder Zwickau, ob in Baden-Baden oder Düsseldorf. Clara Schumann
hätte das gefallen, denn der 13. September ist für die Pianistin immer ein
wichtiger Tag. Da bekommt sie Blumen, die sie so liebt, findet auf dem
Geburtstagstisch Seife oder Kölnisch Wasser und sie wird mit Briefen
überschüttet. Von Johannes Brahms ist fast immer ein Geburtstagsbrief
dabei, oft auch mit einem eigenhändigen Albumblatt, das Brahms seiner
Lebensfreundin schenkt. Eines der schönsten Präsente aber bekommt
sie zum 22. Geburtstag von ihrem Mann: die Liedersammlung
„Liebesfrühling“…

Musik 1                           2‘06
Robert Schumann
Liebste, was kann denn uns scheiden, aus dem „Liebesfrühling“ op. 37
Juliane Banse, Sopran
Olaf Bär, Bariton
Helmut Deutsch, Klavier
M0063035 032
Aus der Sammlung „Liebesfrühling“, die Clara Schumann zum 22.
Geburtstag geschenkt bekommt, eine ganz besondere Überraschung,
denn die Sammlung „Liebesfrühling“ enthält auch drei eigene Lieder von
ihr.

Der 13. September ist immer ein wichtiger Tag für Clara Schumann,
auch in Baden-Baden, wo sie ja viele Sommerwochen verbringt. Ihr
Geburtstag jedenfalls wird an der Oos fast immer groß gefeiert -
besonders opulent, als sie 70 wird. Im Baden-Badener Parkhotel hat die
Pianistin aus diesem Anlass prominente Gäste geladen und der Tag wird
zu einer großen Demonstration Ihrer Wertschätzung. Vom Deutschen
Kaiser erhält sie die Große Medaille für Kunst verliehen und die
Glückwunschbriefe, Blumen und Geschenke treffen in einer solchen
Fülle in Baden-Baden ein, dass es die vorbildliche Briefschreiberin nicht
ganz leicht hat, für alles angemessen zu danken. Immerhin findet sie
noch Zeit, Ihrem Tagebuch ihre Gedanken anzuvertrauen: „Als
Künstlerin in das Greisenalter zu treten ist auch nicht leicht“. Und in
einem Brief an Brahms heißt es: „Immer deine alte, jetzt recht alte
Clara“. Brahms trifft erst ein paar Tage nach diesen Feierlichkeiten in
Baden ein, und er hat eine musikalische Überraschung für seine
Freundin bereit: die Überarbeitung des H-dur-Trios, Musik aus alten
Düsseldorfer Tagen. Auf Empfehlung von Clara hatte der Verlag
Breitkopf und Härtel einst diese Kammermusik des gerade 21-jährigen
Brahms in das Verlagsprogramm aufgenommen.

Jahrzehnte später nun hat Brahms dieses Trio grundlegend überarbeitet
und schon vor seiner Ankunft in Baden-Baden kündigt er die
Überarbeitung Clara an: „Ich habe mein H-dur Trio noch einmal
geschrieben und kann es jetzt op. 108 statt op. 8 nennen.“

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In Baden-Baden eingetroffen, spielt Brahms dann seiner Lebensfreundin
das Trio in der Neufassung vor. Ein bewegender Moment, in den sich
viele Erinnerungen gemischt haben dürften…

Musik 2                             6.38‘‘
Johannes Brahms
Finale „Allegro“ aus dem Klaviertrio H-dur op. 8
Nicholas Angelich, Klavier
Renaud Capucon, Violine
Gautier Capucon, Cello
M0016970 004 Virgin 723454565328 LC 7873

Das Trio op. 8, das Brahms in überarbeiteter Form seiner Freundin
wenige Tage nach ihrem 70. Geburtstag in Baden Baden vorspielt.
Damals ist Clara Schumann längst eine Institution, der Wiener
Musikpapst Eduard Hanslick nennt sie respektvoll „die Frau Oberin“, ja
sie wird als eine Art Priesterin der Musik gefeiert. Und die Pianistin hat
ein ganz besonderes Sendungsbewusstsein: Musik ist für sie etwas
Heiliges, zumindest etwas Außeralltägliches. Auf dem Konzertpodium
gelten allerhöchste Maßstäbe, Musik ist für sie eine öffentliche Aufgabe,
die Vision einer allgemeinen Humanität. Sie spielt Bach, Händel, Mozart,
Beethoven oder Schumann in dem Bewusstsein, auf der Bühne höchste
ideelle Werte zu vermitteln, tatsächlich als eine Art Priesterin der Musik.
Doch nicht alle sind diesem Ideal gewachsen. 1872 wird die längst
berühmte Clara Schumann von Queen Victoria in den Buckingham
Palace eingeladen.

Der Auftritt wird zur Katastrophe: Von den 700 geladenen Gästen
befinden sich nur 100 im Saal, der Rest amüsiert sich in den

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Nebenräumen. In der Pause nimmt die Queen ein Tässchen Tee zu sich,
plaudert einfältig, während plötzlich die Royal Band mit einem Potpourri
aufmarschiert – „in schottischen Kostümen“ wie Clara Schumann
berichtet. Der konsternierten Pianistin wird erklärt, dies sei die
Lieblingsmusik der Queen: Dudelsackpfeifen. „Ich war außer mir“ – so
Clara Schumann – „wäre am liebsten gleich fortgelaufen“. Musikalische
Kleinkariertheit und Schlichtheit wie bei Queen Victoria registriert die
musikalische Priesterin fassungslos: „Mich sieht diese Königin nicht
wieder“.

Musik 3                                    8’00
Ludwig van Beethoven
Variationen über God save the Queen
Florian Uhlig, Klavier
M0239457 007

Very britisch: Ein bisschen Big Ben und ein bisschen Edward Elgar: der
Pianist Florian Uhlig hat diese englischen Klänge hineingeschmuggelt in
die Beethoven-Variationen über God save the King.

Clara Schumann hätte sich diese Freiheiten wohl noch nicht erlaubt.
London gehört zu ihren Lieblingsorten – trotz der katastrophalen
persönlichen Begegnung mit Queen Victoria. Weit über 250 Konzerte
spielt sie in England, sie ist auf der Insel ein gefeierter Star, man zahlt ihr
Gagen die drei Mal höher sind als in Leipzig oder Berlin. Pianistische
Wunderkinder gibt es damals einige, doch keine Frau hat eine so
kontinuierliche Karriere hingelegt wie sie. Über sechs Jahrzehnte spielt
sie öffentlich, kann sich international behaupten. England ist dabei ein
ganz besonderes Terrain für sie. Hier setzt sie auch das Solo-Recital

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durch, so wie wir es heute kennen. Ein reiner Klavierabend, ohne
Gesangssolisten oder Orchestereinlagen.

Schon bei ihrer ersten Englandtournee 1856 spielt sie drei reine
Soloprogramme in London. Feinsinnig stimmt sie dabei ihre Programme
auf den britischen Geschmack ab. Barockkomponisten wie Scarlatti,
Bach und Händel gehören zu ihrem Kernrepertoire, doch Händel, der
Wahlengländer ist in den Konzerten auf der Insel weit häufiger präsent
als in den Konzerten auf dem Kontinent. Vor allem zwei Werke hat Clara
Schumann in den Fingern: die g-Moll-Suite und die sogenannten
Grobschmied-Variationen, die sie sogar ausschließlich in England spielt:
eine virtuose Zirkusnummer aus der Händel-Suite in E-Dur:

Musik 4
Georg Friedrich Händel
The Harmonious Blacksmith, Variationen
Schlussatz aus der Suite E-dur HWV 430
Murray Perrahia, Klavier
M0014701 004, 3‘30

Murray Perrahia mit den sogenannten Grobschmied-Variationen von
Georg Friedrich Händel, eine virtuose Nummer, die auch Clara
Schumann gespielt hat – ausschließlich in England, wo der Hallenser
Händel zum englischen Nationalhelden geworden ist.

In Westminster Abbey gibt‘s denn auch ein lebensgroßes Denkmal von
George Frederic Handel: die Linke hat er da auf die Orgel gestützt und in
der Rechten hält er ein Notenblatt mit der Messias-Arie „Ich weiß, dass
mein Erlöser lebet“. Clara Schumann also huldigt dem Wahlengländer in

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ihren Konzerten auf der britischen Insel, wo sie so gerne auftritt. Zum
Repertoire dort gehören aber auch Werke ihres Mannes. In ihrem
allerletzten Londoner Konzert spielt die fast 70-jährige den Carnaval –
zum ersten Mal übrigens ganz ohne Kürzungen. In Ihrem Tagebuch
resümiert sie:

„Letztes Popular Concert – wieder so nervös, aber brillant geschlossen
mit dem Carnaval – ich glaube, ich habe ihn nie so gespielt wie heute,
und doch nahm ich mir vor, es solle Schluss für England sein und war
traurig über alle Beschreibung. Wie schwer ist es doch freiwillig
aufzuhören, wenn man doch noch könnte! Aber gewiss ist es das
Richtige, meine Gesundheit hält solche Kämpfe nicht lange mehr aus,
das fühle ich“.

Musik 5
Robert Schumann
Carnaval, daraus:
Finale: Marsch der Davidsbündler gegen die Philister
Stefan Vladar, Klavier
M0252107 033, 3‘15

Aus dem Carnaval von Schumann, mit dem sich Clara Schumann von
ihrem englischen Publikum verabschiedet – bei ihrem letzten Londoner
Konzert im März 1888.

Clara Schumann wird damals als musikalische Priesterin
wahrgenommen. Doch dieser Heiligenschein ist der Pianistin und
Komponistin heute abhandengekommen. Im populären Bewusstsein ist
sie leider oft nur die, die doch mal auf dem Hundertmarktschein zu

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sehen gewesen ist, oder nach der ein Intercity benannt worden ist. Heute
versucht man es mit einer Briefmarke: Zum 200. Geburtstag jedenfalls
hat das Bundesfinanzministerium eine Sondermarke herausgegeben.
Wie einst auf dem Hundertmarkschein ist Clara Schumann in einem
Portrait zu sehen, das auf eine Lithographie von Andreas Staub
zurückgeht, ein Bild von 1838 – 18 ist Clara Wieck damals, das attraktive
Wunderkind reizt auch heute noch am meisten, immerhin ist die Marke
bei der Post hier in Baden-Baden bereits ausverkauft…

Hundertmarkschein, Intercity, Briefmarke: Damit immerhin hat Clara
Schumann so manchen männlichen Kollegen ausgestochen. Und: kaum
ein Komponist ist heute Gegenstand so vieler Biographien und Filme. Ja,
Clara Schumann ist eine Frauen-Figur für Projektionen: In der Endphase
des 2. Weltkriegs schon kommt Clara Schumann auf die Leinwand,
„Träumerei“ heißt der Film der Ufa mit Hilde Krahl und Mathias Wiemann
als Traumpaar der Romantik. Clara ist hier eine rastlos schaffende Mutti,
die ihre blonde Kinderschar auch ohne Mann noch munter und handfest
durch die Katastrophe führt. Goebbels ist dennoch wenig begeistert.

Bald nach dem Krieg denkt auch Hollywood an Clara Schumann: „Song
of Love“ – eine Produktion in Starbesetzung mit Katherine Hepburn am
Flügel. Die Frühlingssymphonie von Peter Schamoni bringt dann 1983
eine moderne Love-Story heraus, im musealen, historischen Ambiente
und in historischen Kostümen.
Mit der kindlich-erotischen Nastassja Kinski an der Seite von Herbert
Grönemeyer konzentriert sich der Film auf die Teenagerjahre der
Künstlerin. Tja und dann: Martina Gedeck in „Geliebte Clara“ von 2008.
Irgendwie auch nicht recht überzeugend, schon gar nicht in den
Musikszenen. Katherine Hepburn ist da 1947 um einiges kompetenter,

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wenn sie ihre eigenen Finger über die Tasten des Flügels rasen lässt.
Fulminant schon ihre Eröffnungsszene mit dem Es-dur Konzert von
Franz Liszt. Arthur Rubinstein, der die Hepburn auf der Tonspur doubelt,
ist jedenfalls begeistert: er sei „der einzige Mensch, der sagen kann, wo
Hepburn endet und er beginne“…

Musik 6                                   1.00‘‘
Franz Liszt
Klavierkonzert Es-Dur, Anfang
Arthur Rubinstein, Klavier
10 00 1931288-W02 Programmaustausch DRA

Arthur Rubinstein als Solist im Klavierkonzert Es-dur von Franz Liszt,
Musik, die den Clara Schumann-Film „Song of love“ von 1947 eröffnet.

Was Clara Schumann wohl über diese Leinwandproduktion gedacht
hätte, oder auch über die zahlreichen Biografien, die ihr gewidmet sind?
Über manches in diesen - sehr unterschiedlichen -
Lebensinterpretationen hätte sie sicher wütend ihre Pianistenfäuste
geballt - die übrigens problemlos eine Dezime griffen. Seit der Biografie
von Eva Weisweiler, schon aus dem Jahr 1990, wissen wir nämlich, dass
Clara Schumann eine Pianistin war mit großen künstlerischen Defiziten,
dazu charakterschwach und stets zu "streng gescheitelt".
Herzlos habe sie ihre Kinder in Pension gegeben und ihren Robert für
geisteskrank erklärt, um endlich das sein zu können, was sie immer sein
wollte: eine aktive Künstlerin, die sich freilich störrisch geweigert haben
soll, Stücke ihres Mannes zu spielen. Eine völlig überzeichnete
Darstellung. Natürlich fiel bei diesem Denkmalsturz nicht nur Clara,
sondern auch Robert vom Sockel. Und auch der Mythos von der

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romantischen Traumehe wird von Weissweiler kräftig demontiert. Zu den
Szenen dieser Ehe gehört, dass Robert Schumann im „Ehetagebuch“
jeden Beischlaf penibel vermerkt - mit einer grotesken Sechzehntel-
Fußnote.

Musik 7
Robert Schumann
Ich will meine Seele tauchen, in den Kelch der Lilie hinein
aus der Dichterliebe
Christian Gerhaher, Bariton
M0033735 005, 0‘58

Aus der Dichterliebe von Robert Schumann.

Nach Eva Weissweilers überzogener, ja verzeichnender Biografie sind
noch etliche Lebensbeschreibungen entstanden, gerade Frauen haben
sich für Clara Schumann interessiert, Beatrix Borchard etwa, die 1991
das Leben dieser Frau anhand vieler neuen Quellen nachzeichnet. Klug
und besonnen ist die Clara Schumann-Darstellung von Nancy Reich, die
im gleichen Jahr, 1991, auf Deutsch erschienen ist. Die amerikanische
Musikwissenschaftlerin ist übrigens Anfang dieses Jahres in New York
gestorben. Exzellent und sehr engagiert geschrieben ist das Clara
Schumann- Buch von Janina Classen, der Freiburger
Musikwissenschaftlerin.

Auch unsere Musikstundenreihe verdankt dieser Darstellung aus dem
Jahr 2009 etliche Quellen. Allen, die sich vertiefender mit dieser
faszinierenden Frau Clara Schumann beschäftigen wollen, sei dieses
Buch von Janina Classen empfohlen.

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Der Pionier aber in Sachen ‚Schreiben über Clara Schumann‘ ist ein
Mann: Berthold Litzmann, ein Literaturwissenschaftler, der das Leben
von Clara Schumann schon wenige Jahre nach ihrem Tod rekonstruiert
– in drei großen Bänden auf fast 1500 Seiten! Dass Clara Schumann
also nur als Frau von Robert Schumann von Interesse gewesen sei, ist
pure Ideologie: Litzmann entfaltet auf der Grundlage von Briefen und
Tagebüchern ein eindrucksvolles „Künstlerleben“. Möglichst objektiv und
wissenschaftlich, auch wenn er die Pianistin persönlich kennt, schon als
7-jähriger hat er sie in seinem Kieler Elternhaus erlebt: als künstlerische
Autorität und charmanten Gast.

Doch Anekdotisches fließt kaum in diese Biografie ein, nur die
Geschichte von der legendären Begegnung zwischen Queen Victoria
und der Schumann hat Litzmann schon als Kind in seinem Elternhaus
gehört...

Musik 8
Clara Schumann
Finale aus dem Klavierkonzert
Susanne Grützmann (Klavier)
SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg /Leitung: Hans
Zender
M0080215 001, 10’20 endet mit Beifall

von Clara Schumann, die heute vor 200 Jahren in Leipzig geboren ist.
Eine faszinierende Frau, deren Bedeutung allerdings nicht ganz leicht zu
greifen ist. In erster Linie ist sie eine herausragende Pianistin, eine
Interpretin mit einem ganz eigenen Sendungsbewusstsein. Im

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Konzertbetrieb hat sie das Solorecital durchgesetzt, den reinen
Klavierabend wie wir ihn heute noch kennen. Bach, Beethoven, Brahms:
Das andächtige Lauschen und Zuhören ist eine Voraussetzung dieser
Kunsthaltung. Die Musik ist für Clara Schumann dabei etwas Elitäres,
Hochkultur, ja Heiliges, zeitweise auch mit nationalen Untertönen. Doch
dieses ‚Heilige‘ gilt es zu vermitteln. Auf den großen Podien der Welt.
Musik ist für Clara Schumann keine Privatsache, sondern eine
öffentliche Aufgabe. Dieser Anspruch der Schumann hat die Rezeption
der klassischen Musik gerade in Deutschland lange geprägt. Ganz
konkret greifbar ist diese Haltung musikalisch leider nicht, da es damals
noch keine Aufnahmen mit ihr gibt.

Da stürzen sich die Clara-Liebhaber und -Kritiker dann eben auf ihre
Kompositionen. Dabei hat sie sich selbst in erster Linie als Interpretin
verstanden. Dass sie nach dem Tod ihres Mannes so gut wie nichts
mehr komponiert, ist bezeichnend. Und doch sind kostbare Perlen unter
ihren Stücken. Eine solch schillernde Perle ist das Lied „Die stille
Lotosblume“ nach einem Text des Lübecker Dichters Emanuel Geibel:
Ein Dialog zwischen Schwan und Blume, beide getragen vom Wasser.
Clara Schumann inszeniert diese Miniatur mit einem fast schon
impressionistischen Zauber, schwebend, zart.

Musik 9
Clara Schumann
Die stille Lotosblume, op. 13,6
Christiane Karg, Mariana Popova (Klavier)
live bei den Schwetzinger Festspielen
M0277320 018, 2‘40

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„O Blume, weiße Blume, kannst du das Lied verstehen?“ – singt da der
Schwan, aber die Blume bleibt die Antwort schuldig. Ein offener Schluss,
in einer dissonanten Schwebe, und das in einem Schlusslied einer
ganzen Sammlung, der Sammlung op. 13. Das war ein Livemitschnitt
von den Schwetzinger Festspielen mit Christiane Karg und Mariana
Popova.

Clara Schumann ist im 19. Jahrhundert ein Star. Verblüffend bis heute
ihre Entwicklung, vom dressierten Zirkuspferdchen am Klavier zu einer
großen, reflektierten Künstlerin. Die klassische Musik zu vermitteln, ist
ihr Lebensthema. Und sie wird überall verstanden, in Wien, Paris oder
London. Leider haben wir keine Aufnahmen mit ihr, doch der englische
Maler Charles Ricketts hat Clara Schumann wunderbar charakterisiert –
Mitte der 1880er Jahre. Er schreibt:

„Es gab eine spürbare Stille, dann eine Woge von Beifall, als eine kleine,
ältere Frau auf der Bühne erschien. Sie war adrett gekleidet in
prunkloser nussbrauner Seide, ihr graues Haar mit Spitzenbesatz und
einer Samtschleife gekrönt, ihre Haltung war gleichzeitig würdig und
maßvoll, ihre Verbeugung die einer Prinzessin. Ihre bedächtigen
Bewegungen vor dem Klavier gemahnten an eine sehr hoch gestellte
und geachtete Gouvernante oder Gesellschafterin. Das Gesicht war
liebenswürdig und heiter, aber unter der ruhigen Miene doch auf gewisse
Weise resolut.

Sie spielte die Waldstein-Sonate mit zartem Ausdruck und einem Hauch
von Distanz und beugte sich dem Applaus. Jegliche Übertreibung
meidend, war ihr Vortrag makellos gewesen, zu raffiniert vielleicht, zu
wenig impulsiv, zu sehr nach innen gewandt. Dann spielte sie

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Schumanns Arabeske, rasch, fließend, mit einem zarten und
leidenschaftlichen Sinn für Schönheit. Auf der Pause vor den letzten
paar Akkorden, die wie ein Gebet sind und in einer Frage enden, erhob
sie ihren Kopf als ob sie zum Sehen aufschauen würde. Nach dem
Beifall verbeugte sie sich wie eine Königin. Die Spielerin war Clara
Schumann.“

Musik 10
Robert Schumann
Arabeske, op. 18
Martin Helmchen, Klavier
M0117349 010, 6‘17

Martin Helmchen spielte die Arabeske von Robert Schumann, eine
Musik, die Clara Schumann besonders liebte und die sie selbst immer
wieder zart und leidenschaftlich vorgetragen hat.

Liebesfrühling – das war unsere Clara Schumann Reihe in der SWR 2
Musikstunde, zum 200. Geburtstag heute der großen Pianistin und
Komponistin.

Die Manuskripte und die Sendungen zum Nachhören finden sie auf
unserer SWR-Seite oder der SWR App. Mein Name ist Wolfgang
Sandberger. Vielen Dank fürs Zuhören heute und in den letzten Tagen.

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