NACH DEM "PHASE- ONE-DEAL" ZWISCHEN CHINA UND DEN USA - BMWi

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NACH DEM "PHASE- ONE-DEAL" ZWISCHEN CHINA UND DEN USA - BMWi
WIRTSCHAFTSPOLITIK

                                           NACH DEM „PHASE-
                                           ONE-DEAL“ ZWISCHEN
                                           CHINA UND DEN USA
                                           VERL AGERUNGSEFFEK TE UND HANDELSUMLENKUNG:
                                           WIE VERWUNDBAR SIND ANDERE VOLKSWIRTSCHAF TEN?
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                                           A
                                                  ls Reaktion auf das Phase-One-Abkommen
                                                  zwischen China und den USA dürften die
                                                  EU-Mitgliedstaaten Verlagerungseffekte und
                                           Handelsumlenkung unterschiedlich stark zu spü­         PHASE-ONE-ABKOMMEN –
                                           ren bekommen. Deutschland erscheint dabei beson­       EIN BEISPIEL FÜR „MANAGED TRADE“
                                           ders betroffen. Da der Konflikt vorerst eingedämmt,
                                           aber seine Ursachen keineswegs beseitigt sind, lohnt   Mit dem am 15. Januar 2020 zwischen den USA und
                                           ein Blick auf den Grad der Abhängigkeit einzelner      China unterzeichneten „Phase One Trade Agree­
                                           Länder vom Handel mit den USA und China.               ment“ konnte der transpazifische Handelskonflikt
                                                                                                  vorläufig entschärft werden. Im Rahmen dieses Ab­
                                                                                                  kommens sagt China ausgehend von den Import­
                                                                                                  werten von 2017 den Kauf von zusätzlichen
                                                                                                  US-Produkten im Wert von 200 Mrd. USD in den
                                                                                                  kommenden zwei Jahren zu. Damit soll das Import­
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TABELLE 1: STRUKTUR DES US-EXPORTS UND
CHINESISCHEN IMPORTS VON INDUSTRIEGÜTERN
                                                    EXPORTE USA                                IMPORTE CHINA 1
                                                                      Anteil an                                    Anteil an
                                           nach           in die                      aus den        aus der
                                                                      Gesamt­                                       Gesamt­
                                           China           Welt                        USA            Welt
in Mrd. USD                                                           exporten                                     importen
Industriemaschinen                           13            202            6%             16             170          10 %
Elektrische Maschinen                        12            174            7%             17             458          4%
Pharmazeutische
                                              2             45            5%              4             25           15 %
Produkte
Flugzeuge                                    16            131           12 %            14             25           55 %
Autos                                        10             69           15 %            13             50           26 %
Optische Instrumente                          4             44            9%              5             19           25 %
Eisen                                         1             21            6%              1             24           3%
andere Industrie­p rodukte                    7             70           10 %             8             97           9%
Summe Industrie­p rodukte                    67            757            9%              79            869          9%
Gesamt                                      130           1546            8%             154           1844          8%
1 A ngaben über chinesische Importe aus den USA stimmen nicht mit Angaben der US-Exporte nach China überein.
  Gründe hierfür können u. a. unterschiedliche Bewertungsansätze und zeitliche Erfassung der Handelsströme sein.
  Quelle: UN Comtrade

                                                                                darüber hinaus sicherzustellen, dass jeglicher Techno­
                                                                                logietransfer freiwillig und zu Marktbedingungen
                                                                                erfolgt.
volumen über diesen Zeitraum (in Klammern                                             Zugleich erleichtert China den Marktzugang
angepeilte Steigerung in % gegenüber 2017) von                                  für amerikanische Finanzdienstleister, u. a. durch
                                                                                eine Verbesserung der Möglichkeit, Wertpapiere zu

                                                                                                                                               35
• Industriegütern1 um insgesamt 77,8 Mrd. USD                                  emittieren, Investitionen in chinesische Aktien via
   (ca. +116 %)                                                                 Hongkong zu tätigen, Beschränkungen im Bereich
                                                                                des Anteilseigentums bei Lebens- und Krankenver­

                                                                                                                                               S C H L A G L I C H T E R M Ä R Z 2 02 0
• Energie (LNG, Rohöl und Raffinerieprodukte)                                  sicherungen abzubauen und den Marktzugang für
   um insgesamt 52,4 Mrd. USD (ca.+750 %),                                      US-Ratingagenturen zu ermöglichen. Dabei han­
                                                                                delt es sich indes weitgehend um Maßnahmen, die
•A
  grarprodukten (u. a. Ölsaaten, Fleisch und Getreide)                         ohnehin in der Planung bzw. sogar schon in der
 um insgesamt 32 Mrd. USD (ca. +150 %) und                                      Umsetzungsphase waren.2 Neben diesen Maßnah­
                                                                                men verpflichtet sich China ferner, seine Währung
• Dienstleistungen (u. a. Patente, Tourismus) um 37,9                          nicht abzuwerten, nicht nachhaltig am Devisen­
  Mrd. USD (ca. +70 %) steigen.                                                 markt zu intervenieren und Daten über seine
                                                                                Devisenbestände regelmäßig offenzulegen.
Gleichzeitig sollen geistiges Eigentum und Geschäfts­                                 Offen ist zu diesem Zeitpunkt, inwieweit auch
geheimnisse von US-Unternehmen besser geschützt                                 Nicht-US-Unternehmen von den Zugeständnissen
und erzwungener Technologietransfer gestoppt                                    der chinesischen Seite profitieren können. Dafür
werden: Konkret verpflichtet sich China u. a. dazu,                             würde sprechen, dass es gesetzestechnisch und
die strafrechtliche Verfolgung bei erzwungenem                                  praktisch gerade im Finanzmarktbereich schwierig
Technologietransfer auszuweiten, Verlängerungen                                 sein dürfte, Unternehmen aus Drittstaaten zu dis­
des Patentschutzes zu erleichtern, die Beweislast                               kriminieren. Auch das Meistbegünstigungsprinzip,
umzukehren zu Lasten angeklagter chinesischer                                   das den Vertragswerken der Welthandels-­
Nutzer fremder Rechte, den erzwungenen Techno­
logietransfer als Voraussetzung für Marktzugang
und behördliche Genehmigungen zu verbieten und

    1
         I ndustriegüter im Sinne der Definition des Handelsabkommens: Industriemaschinen, elektrische Maschinen, pharmazeutische Produkte,
          Flugzeuge, Autos, optische Instrumente, Eisenprodukte und sonstige Industriegüter (wie bspw. Holzprodukte oder chemische Produkte)
    2
        Vgl. Chorzempa, M.: Did the US-China phase one deal deliver a win for US financial services?; https://www.piie.com/blogs/trade-and-
         investment-policy-watch/did-us-china-phase-one-deal-deliver-win-us-financial
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WIRTSCHAFTSPOLITIK

                                           organisation (WTO) zugrunde liegt, dürfte einer

                                                                                                                                      70%
                                                                                                                                       CIRCA
                                           gesetzlichen Privilegierung von US-Unternehmen
                                           in China entgegenstehen.
                                                Im Gegenzug verzichten die USA auf die
                                           ursprünglich für Mitte Dezember 2019 vorgesehenen
                                           Zollverschärfungen auf Konsumprodukte im Wert
                                           von knapp 160 Mrd. USD, durch die dann nahezu
                                           sämtliche chinesischen Importe in die USA mit Zu­
                                           satzzöllen belastet worden wären. Außerdem wer­                                             der gesamten chinesischen Importe in
                                           den die am 1. September 2019 eingeführten Zölle                                             die USA sind weiterhin mit Zusatzzöllen
                                                                                                                                       belegt.
                                           auf chinesische Importe im Wert von 120 Mrd. USD
                                           ab dem 14. Februar 2020 von 15 % auf 7,5 % gesenkt.
                                           Unverändert erhalten bleiben US-Zölle in Höhe von
                                           25 % auf chinesische Importe im Wert von ca. 250                IN KÜRZE             bestimmte Einkaufszusagen zu erfüllen. Ein hoher
                                           Mrd. USD. So bleibt insgesamt ein Importvolumen                                      Staatseinfluss ist beispielsweise im Energie- oder
                                           von 370 Mrd. mit Zusatzzöllen belegt, das sind ca.              De facto stärkt      im Luftfahrtsektor anzunehmen. De facto stärkt
                                                                                                           der US-Ansatz die
                                           70 % der gesamten chinesischen Importe. Damit                                        der US-Ansatz eines „Managed Trade“ mit China
                                                                                                           Rolle staatsnaher
                                           behalten die USA ein wichtiges Druckmittel in der                                    damit – paradoxerweise – den Staatshandels­
                                                                                                           bzw. staats­
                                           Hand. Die Belastung von US-Verbrauchern, die                    eigener Unter­       charakter und die Rolle staatsnaher bzw. staats­
                                           aufgrund der Einfuhrzölle häufig höhere Preise                  nehmen in China.     eigener Unternehmen in China.
                                           zahlen müssen, will die US-Regierung dabei offen­
                                           kundig in Kauf nehmen, solange die US-Wirtschaft                                     TRANSPAZIFISCHER HANDELSKONFLIKT
                                           insgesamt gut läuft. Das ist gegenwärtig der Fall.                                   NICHT GELÖST

                                           „MANAGED TRADE“ STÄRKT ROLLE                                                         Weder in den USA noch in China wird erwartet,
                                           DER STAATSUNTERNEHMEN IN CHINA                                                       dass der grundlegende Systemkonflikt (der weit
                                                                                                                                über Handelsfragen hinausgeht) mit dem Teilab­
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                                           Mit dem Abschluss des ersten Teilabkommens ist                                       kommen gelöst wird. Viele der Kritikpunkte, etwa
                                           eine weitere Eskalation des Handelskonflikts zwi­                                    die Marktverzerrungen durch Staatsunternehmen
                                           schen den zwei größten Volkswirtschaften der Welt                                    und durch Subventionierung, bleiben ungelöst und
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                                           erst einmal abgewendet. Die Teileinigung führt zu                                    sollen in einer zweiten Phase der Verhandlungen
                                           einer gewissen Stabilisierung in den weltweiten                                      angegangen werden.
                                           Handelsbeziehungen und belegt die grundsätzliche                                            Aber schon das Phase-One-Abkommen selbst
                                           Bereitschaft der USA und Chinas zur Verständigung                                    birgt Konfliktpotential und könnte sich mittelbar
                                           in Einzelfragen.                                                                     und unmittelbar nachteilig für Drittstaaten erwei­
                                                 Gleichzeitig ist das Teilabkommen mit den                                      sen. Das lässt sich am Beispiel der Zusagen im
                                           umfassenden Kaufverpflichtungen für China Aus­                                       Industriegüterbereich gut darlegen:
                                           druck eines – kleinteiligen – „Managed Trade“, der                                          Die USA exportierten 2017 insgesamt Waren
                                           konzeptionell im Widerspruch zu den Grund­sätzen                                     im Wert von ca. 130 Mrd. USD nach China, das sind
                                           des freien und regelbasierten Handels im Rahmen                                      8 % der weltweiten US-Exporte. Auf Industriegüter
                                           der WTO steht und im Zweifel zu Lasten von                                           der oben genannten Kategorien entfielen ca. 67 Mrd.
                                           Drittländern geht. Anders als durch (Teil-)Substitu­                                 USD – dies sind ca. 52 % der gesamten US-Exporte
                                           tion anderer Importe dürfte China insbesondere                                       nach China.4
                                           die Verpflichtungen im Agrarsektor, aber auch im                                            Für US-Industrieprodukte ist China offenbar
                                           Industriesektor, nicht erfüllen können.3                                             bereits jetzt ein bedeutender Absatzmarkt. Dies gilt
                                                 Je höher der Anteil von Staatsunternehmen                                      insbesondere für Autos (15 % der weltweiten US-
                                           bzw. das Ausmaß staatlicher Lenkung in einem                                         Exporte von Autos gehen nach China, siehe Tabel­
                                           Sektor ist, desto leichter dürfte es China fallen,                                   le 1), Flugzeuge (12 %) und optische Instrumente
                                                                                                                                (9 %). Die US-Industriegüter­exporte nach China ent­
                                                                                                                                fielen zu 23 % auf Flugzeuge, zu 18 % auf Industrie­
                                                                                                                                maschinen, zu 17 % auf elektrische Maschinen, zu

                                              3
                                                   gl. Chowdry, S., Felbermayr, G.: The US-China Deal: How the EU and WTO lose from managed trade. Kiel Policy Brief No. 132, January 2020
                                                  V
                                              4
                                                  Vgl. UN Comtrade: https://comtrade.un.org/; eingesehen am 16.1.2020
IN KÜRZE              15 % auf Autos, zu 12 % auf optische Instrumente,              DAS PHASE-ONE-ABKOM­
                      zu 10 % auf sonstige Industriegüter, zu 3 % auf pharma­
In den letzten        zeutische Produkte und zu 2 % auf Eisenmetalle.                MEN BIRGT KONFLIKT­
beiden Jahren
waren US-Exporte
                            Im Gegenzug bezieht China ca. 8 % seiner                 POTENZIAL UND KÖNNTE
                      gesamten weltweiten Importe und 9 % der weltwei­
von Industrie­
                      ten Importe von Industrieprodukten aus den USA.
                                                                                     SICH MITTELBAR UND
gütern auch
aufgrund der von      Die USA sind ein bedeutender Lieferant Chinas für              UNMITTELBAR NACHTEILIG
China verhängten
Gegenzölle
                      Industrieprodukte, insbesondere für Flugzeuge (China           FÜR DRITTSTAATEN
                      bezieht 55 % der weltweiten Importe von Flugzeugen
rückläufig. Um        aus den USA), Autos (26 %), optische Instrumente               ERWEISEN.

                                                                                                                                                  37
die Ziele des
                      (25 %) und pharmazeutische Produkte (15 %).
Abkommens zu
                            Die Verdoppelung des US-Exportvolumens                   Skepsis bezüglich einer Erfüllung des Teilabkom­
erreichen, ist also
ein noch größeres     der im Abkommen genannten Produkte bis 2022                    mens ist möglicherweise auch aufgrund von

                                                                                                                                                  S C H L A G L I C H T E R M Ä R Z 2 02 0
Wachstum nötig.       – ausgehend von den Volumina des Jahres 2017 –                 begrenzten US-Produktionskapazitäten angezeigt.
                      erscheint allerdings kaum umsetzbar.5 Diese                    So könnte es in einigen Bereichen für die USA schwie­
                      Steigerung entspräche einem durchschnittlichen                 rig werden, ihr Exportvolumen kurzfristig entspre­
                      jährlichen Exportwachstum von ca. 14 % zwischen                chend zu steigern. So ist bspw. die Gesamtnachfrage
                      2017 und 2021. Selbst in den Jahren 2000 bis 2007,             Chinas nach Eisenimporten größer als das gesamte
                      als das chinesische BIP mit über 10 % jährlich                 Exportvolumen der USA oder – im Fall von Autos
                      gewachsen ist, haben die US-Exporte nach China                 und elektrischen Maschinen – nur unwesentlich
                      maximal um 20 % pro Jahr zugenommen. Erschwe­                  kleiner.
                      rend kommt hinzu, dass der tatsächlich erforder­                    Allerdings könnte die statistische Erfassung
                      liche Anstieg der US-Exporte, ausgehend von den                der US-Exporte in Einzelfällen helfen: Für den
                      aktuellen Warenströmen, noch wesentlich größer                 Export von Flugzeugen nach China wird bspw. das
                      ist. Denn US-Exporte von Industriegütern waren                 Bestelldatum ausschlaggebend sein, so dass sich
                      in den letzten beiden Jahren auch aufgrund der                 eventuelle Lieferschwierigkeiten des US-Flugzeug­
                      von China verhängten Gegenzölle rückläufig. Dies               bauers Boeing nicht auf das Abkommen auswirken
                      führt dazu, dass ausgehend von 2019 ein noch                   dürften. Auch könnte eine bilaterale Aufwertung
                      größeres Wachstum innerhalb von zwei Jahren                    des Yuan gegenüber dem Dollar helfen: Die Ziel­
                      nötig ist, um das in dem Abkommen festgelegte                  werte sind in Dollar vereinbart.
                      Ziel zu erreichen.                                                  Aber ohne eine – erzwungene – Handelsum­
                                                                                     lenkung zu Lasten von Drittländern wird China
                                                                                     seine Zusagen nicht erfüllen können. Der Handels­
                                                                                     konflikt zwischen den USA und China, die

    5
         gl. Chad P. Bown: Unappreciated hazards of the US-China phase one deal: https://www.piie.com/blogs/trade-and-investment-policy-watch/
        V
        unappreciated-hazards-us-china-phase-one-deal
WIRTSCHAFTSPOLITIK

                                                                                                                                sind aufgrund der vernetzten Produktionsstruktur
                                                                                                                                zu erwarten. G­­ lobale Wertschöpfungsketten, in die
                                                                                                                                Unternehmen aus Drittländern eingebunden sind,
                                           damit verbundenen erhöhten Zölle auf Importe                                         können durch transpazifische Zölle und andere
                                           der USA aus China und umgekehrt sowie Teileini­                 IN KÜRZE             Handelshemmnisse zerstört werden. Zudem könnte
                                           gungen ­beeinträchtigen also nicht nur den Wohl­                                     jede bilaterale Einigung zwischen den USA und
                                           stand in den beiden direkt betroffenen Volkswirt­                Transpazifische     China – wie vorläufig und partiell auch immer –
                                                                                                            Zölle und andere
                                           schaften. Große Volkswirtschaften wie Korea und                                      Exporte aus Drittländern durch amerikanische oder
                                                                                                            Handelshemm­
                                           Japan, die eng sowohl mit China als auch mit den                                     chinesische Exporte ersetzen. Das gilt besonders
                                                                                                            nisse können
                                           USA verflochten sind, spüren den Konflikt ebenso                 globale Wert-       dann, wenn sich China, wie beim sogenannten Phase-
                                           wie die EU.                                                      schöpfungsketten,   One-Abkommen mit den USA, explizit verpflichtet,
                                                Sicher erscheint, dass der Handelskonflikt                  in die Unter­       bestimmte Güter vorzugsweise aus den USA zu
                                           zwischen den USA und China weiter schwelen wird.                 nehmen aus          beziehen. Schließlich könnte eine durch höhere
                                           Es lohnt sich also, Indikatoren zu identifizieren,               Drittländern        Zölle zwischen den USA und China ausgelöste
                                                                                                           ­eingebunden sind,
                                           die die Verletzlichkeit von Volkswirtschaften für                                    Handelsumlenkung die negativen Effekte eines
                                                                                                            zerstören.
                                           den Fall einer Verschärfung des transpazifischen                                     transpazifischen Handelskonflikts zwar mildern,
                                           Handelskonflikts näherungsweise abbilden und                                         soweit Deutschland bzw. die EU als Ersatzlieferant
                                           einen Vergleich untereinander ermöglichen.                                           für China und die USA einspränge und sich Wert­
                                                                                                                                schöpfungsketten weg aus China und den USA
                                           DRITTSTAATEN SEHR                                                                    in die EU verlagerten. Diese Effekte dürften aber
                                           UNTERSCHIEDLICH BETROFFEN                                                            dadurch begrenzt sein, dass Deutschland und
                                                                                                                                andere EU Staaten weder Chinas Rolle als Konsum­
                                           Es gibt in der Diskussion durchaus Stimmen, die                                      güterlieferant für die USA noch die Rolle der USA
                                           meinen, die EU könnte von einem transpazifischen                                     als Dienstleistungslieferant in China auch nur
                                           Konflikt profitieren, da sie sowohl US-amerikani­                                    annähernd übernehmen könnten.
                                           sche Lieferungen nach China als auch chinesische                                            Nicht überraschend sind die Handelsbezie­
                                           Lieferungen in die USA teilweise ersetzen könnte.6                                   hungen7 der einzelnen EU-Länder mit China und
38

                                           Auch wenn solche Handelsumlenkungen beobachtet                                       den USA im Vergleich zu denjenigen Japans und
                                           werden können, spricht viel dafür, dass die nega­                                    Koreas weniger intensiv (Abbildung 1). Das impli­
                                           tiven Effekte in der Summe überwiegen. Das gilt                                      ziert, dass die jeweiligen EU-Länder von einem
S C H L A G L I C H T E R M Ä R Z 2 02 0

                                           sowohl im Falle eines andauernden Konfliktes als                                     ­chinesischen bzw. US-amerikanischen Nachfrage­
                                           auch bei einer Beruhigung infolge einer bilateralen                                   rückgang im Vergleich zu Japan und Korea auf den
                                           Teileinigung wie dem Phase-One-Abkommen.                                              ersten Blick weniger betroffen erscheinen. Unter
                                                                                                                                 den EU-Staaten selbst gibt es dabei aber beträcht­
                                                                                                                                 liche Unterschiede:
                                           VIEL SPRICHT DAFÜR,                                                                         Mit China haben die Niederlande, Großbri­
                                           DASS DIE NEGATIVEN                                                                    tannien und Deutschland im EU-Vergleich die
                                           EFFEKTE IN DER                                                                        stärksten Handelsverflechtungen. Sie wären somit
                                                                                                                                 stärker als andere EU-Mitgliedstaaten von einem
                                           SUMME ÜBERWIEGEN.                                                                     Rückgang der Nachfrage aus China betroffen.
                                                                                                                                 Mit den USA haben Großbritannien, Deutschland,
                                           Folgende Auswirkungen auf Drittländer müssen für                                      Italien, Frankreich und Belgien im EU-Vergleich
                                           eine Gesamtbewertung berücksichtigt werden: Zum                                       die stärksten Handelsverflechtungen.
                                           einen die Auswirkungen auf ­das ­Wirtschafts­wachstum                                       Sie wären somit vergleichsweise stark von
                                           im Allgemeinen. Ein möglicherweise langsameres                                        einem Rückgang der Nachfrage aus den USA
                                           BIP-Wachstum in den USA und China (als Ergebnis                                       betroffen.
                                           des Handelskonfliktes) kann die Nachfrage der
                                           beiden Länder nach Waren und Dienstleistungen
                                           aus der EU spürbar senken. Weitere ­Auswirkungen

                                              6
                                                   gl. z. B. https://www.iwkoeln.de/studien/iw-reports/beitrag/sonja-beer-juergen-matthes-christian-rusche-consequences-for-the-european-
                                                  V
                                                  union.html
                                              7
                                                  Gemessen am Anteil des Handelsvolumens (Exporte plus Importe) am Gesamthandel.
WIRTSCHAFTSPOLITIK

ABBILDUNG 1: ANTEIL DES HANDELSVOLUMENS AM GESAMTHANDEL
Exporte + Importe, in %
25
     23
                 22
20
                      15
15
          11                              11
10                         9
                                      7           7 7             7                         6                                    6
                                 5                           5              5 4         5
 5                                                                                                    4 4       4                            4
                                                                                                                    2      3            3           3
                                                                                                                                                        2       2 3

 0
     KOR         JPN       NLD       GBR          DEU        ITA            ESP        FRA            FIN      POL         BEL          AUT         SVK        PRT
            Mit China                Mit den USA

Quelle: UN Comtrade

                                                           ABBILDUNG 2: ANTEIL HEIMISCHER WERTSCHÖPFUNG AN EXPORTEN
                                                           100
                                                            90                    86 88
                                                                                                            82 84
                                                            80                                       76                 7880         7878        7876       7576      7474   7274
                                                                           70                   71                                                                                            7171           6970
                                                            70        66                                                                                                            64
                                                                                                                                                                                         68
                                                            60
                                                            50                                                                                                                                       49 51
                                                            40

                                                                                                                                                                                                                    39
                                                            30
                                                            20
                                                            10
                                                             0

                                                                                                                                                                                                                    S C H L A G L I C H T E R M Ä R Z 2 02 0
                                                                      KOR         JPN           NLD         GBR         DEU          ITA         ESP        FRA       FIN    POL    BEL       AUT    SVK     PRT
                                                                       China                          USA

                                                           Quelle: OECD TiVA

ABBILDUNG 3: BEITRAG HEIMISCHER WERTSCHÖPFUNG AN EXPORTEN
ZUM BIP NACH ZIELLAND
12
     10,2

10

 8

 6
          4,4

 4
                                                     3,5

                                                                                                                               3,3
                                            3,3
                  3,2
                 2,8

                               2,6

                                                  2,6

                                                                 2,5

                                                                                                                                            2,5

                                                                                                                                                                   2,3
                                                                                       1,9

                                                                                                     1,9
                                                                                       1,8

                                                                                                     1,8

                                                                                                                                                   1,8
                                                                                1,7

                                                                                                                                                   1,7
                                                                                                                           1,6

 2
                                                                                                                                       1,5
                                                                                                                 1,3
                                                            1,2

                                                                                                                                                               1,0
                           1,0

                                      1,0

                                                                                                               0,7
                                                                           0,6

 0
     KOR         JPN       NLD       GBR          DEU        ITA            ESP        FRA            FIN      POL         BEL          AUT         SVK        PRT
            nach China                 in die USA

Quelle: OECD TiVA
WIRTSCHAFTSPOLITIK

                                                                                                              abgeschätzt werden, wie hoch der Anteil einheimi­
                                                                                                              scher Wertschöpfung an den Exporten nach China
                                                                                                              und in die USA sowie am jeweiligen BIP ist. Die
                                           Solche Analysen von Abhängigkeiten anhand von                      jeweiligen Außenhandelsanteile sollten also in
                                           einfachen Außenhandelsdaten sind weit verbrei­                     zweifacher Hinsicht modifiziert werden.
                                           tet.8 Allerdings sind solche Analysen der Verwund­
                                            barkeit nur anhand von Außenhandelsanteilen im                    EINE BESSERE MESSUNG DER
                                           besten Fall unvollständig, im schlechtesten Fall                   BETROFFENHEIT – DEUTSCHLAND
                                           irreführend. Denn infolge von Vorleistungsverflech­                BESONDERS EXPONIERT
                                           tungen bzw. Zulieferungen aus anderen Ländern
                                           kann diese Betrachtung von Außenhandelsströmen                     Um zu derart veränderten Indikatoren zu gelangen,
                                           nur ein unvollständiges Bild der tatsächlichen                     ist es ratsam, eine wertschöpfungsorientierte
                                           Abhängigkeiten liefern. Die Betroffenheit von                      Betrachtung der Handelsströme vorzunehmen.
                                           Ländern, deren Exporte einen hohen ausländischen                   Hierfür eignen sich bspw. die sog. TivA-Daten der
                                           Wertschöpfungsanteil aufweisen, kann durch                         OECD (TivA – Trade in Value Added), die internati­
                                           solche Analysen überschätzt werden, weil nur die                   onale Handelsdaten mit nationalen Input-Output-
                                           Gesamtexporte z. B. in die USA oder nach China                     Tabellen verknüpfen und so zu einer globalen                      IN KÜRZE

                                           betrachtet werden, nicht aber die Vorleistungen                    Input-Output-Tabelle gelangen, aus der sich wie­
                                                                                                                                                                                Der Anteil
                                           aus anderen Ländern. Eine Bereinigung würde die                    derum globale Wertschöpfungsverflechtungen                        einheimischer
                                           Abhängigkeit des direkt exportierenden Landes                      ablesen lassen. Die TivA Daten der OECD umfassen                  Wertschöpfung
                                           verringern und die Abhängigkeit von Ländern, die                   64 Volkswirtschaften und bilden dabei 36 Sektoren                 an den Exporten
                                           ­Zulieferungen leisten, erhöhen. Dies betrifft insbe­              ab.9                                                              in die USA und
                                            sondere Volkswirtschaften, die sich am Ende der                        Eine Auswertung dieser Daten zeigt, dass                     nach China
                                            Wertschöpfungskette spezialisieren. Auch unter­                   der Anteil einheimischer Wertschöpfung an den                     variiert zwischen
                                                                                                                                                                                den EU-­
                                            scheiden sich die Länder erheblich voneinander,                   Exporten in die USA und China zwischen den
                                                                                                                                                                                Mitgliedstaaten
                                            was die relative Bedeutung des Außenhandels                       EU-Mitgliedstaaten wenig variiert (Abbildung 2,                   nur wenig.
                                            in Bezug auf die Wirtschaftsleistung betrifft. Das                Seite 39). Dabei gilt: Je höher der heimische Wert­
40

                                            Ausmaß, in dem ein pazifischer Handelskonflikt
                                            sich auf die inländische Wirtschaft der EU-Mitglied­
                                            staaten auswirken könnte, kann genauer daran
S C H L A G L I C H T E R M Ä R Z 2 02 0

                                              8
                                                   gl. zuletzt z. B. https://www.oekonomenstimme.org/artikel/2019/12/der-handelskrieg-zwischen-den-usa-und-china---eine-bedrohung-
                                                  V
                                                  fuer-die-weltwirtschaft/; S. 16f.
                                              9
                                                  Der Preis der besseren Methodik besteht darin, dass die letzten veröffentlichten Daten von 2015 sind und es sich teilweise um Schätzungen
                                                   handelt. Eine weitere Einschränkung ist, dass indirekte Verflechtungen nicht erfasst werden, die etwa dadurch entstehen, dass die deutsche
                                                   Industrie für ihre Exporte nach China oder in die USA Zulieferungen aus Tschechien, Polen oder Ungarn bezieht und diese nicht in den jeweiligen
                                                   Exporten der Zulieferländer erfasst sind.
WIRTSCHAFTSPOLITIK

                                                        Die für Japan errechneten Beiträge der in den

    80%
                                                        Exporten nach China und in die USA enthaltenen
                                                        heimischen Wertschöpfung zum Bruttoinlands­
                                                        produkt schrumpfen auf Werte, die kaum größer
                                                        als für Deutschland sind, wodurch sich auch hier
                                                        ein völlig anderes Bild als bei den Außenhandels­
                                                        anteilen ergibt. Da die heimischen Wertschöpfungs­
                                                        anteile relativ hoch sind, dürfte hier der große
     beträgt der Anteil der heimischen                  japanische Binnenmarkt für die Veränderung der
     Wertschöpfung an den deutschen Exporten            Ergebnisse ausschlaggebend sein. Die koreanische
     in die USA, bei den Exporten nach China            Wirtschaft wäre mit Anteilen von mehr als 4 % (Ex­
     liegt der Anteil bei 78 %.
                                                        porte in die USA) und 10 % (Exporte nach China)
                                                        deutlich empfindlicher von einem transpazifischen
                                                        Handelskonflikt betroffen.
schöpfungsanteil, desto eher wirkt sich ein                   Gemessen am heimischen Wertschöpfungs­
Einbruch der Exporte auf heimische Produktion           anteil ist die Bedeutung des Außenhandels mit den
und Beschäftigung aus. Die Exporte von Groß­            USA im Vergleich zum Außenhandel mit China bei
britannien, Deutschland, Italien, Frankreich und        fast allen EU-Staaten spürbar größer. Besonders
Spanien nach China und in die USA weisen alle           hoch ist diese Differenz bei den Niederlanden, Groß­
einen Anteil zwischen knapp 75 und 85 % an              britannien, Belgien, Italien und Spanien. Deutsch­
heimischer Wertschöpfung auf. Nur einige kleinere       land ist zusammen mit Frankreich hingegen das
EU-Mitgliedstaaten verzeichnen niedrigere Werte.        einzige größere EU-Land, bei dem die Bedeutung
Den geringsten Anteil weist die Slowakei mit 50 %       des Außenhandels mit China gemessen am heimi­
auf. Relativ niedrig fallen auch die Anteile der Nie­   schen Wertschöpfungsanteil annähernd so groß ist
derlande, Belgiens und – außerhalb Europas – von        wie die des Außenhandels mit den USA.
Korea aus. Die Inselstaaten Japan und Groß­britannien
fallen durch durchweg etwas höhere heimische Wert­      EIN FAZIT

                                                                                                                        41
schöpfungsanteile auf. Die Wertschöpfungs­anteile
aller Länder unterscheiden sich auch bei einem          Für Deutschland ist auch der Handel mit China und
Vergleich der Lieferungen nach China mit denjeni­       den USA zusammengenommen, gemessen an den

                                                                                                                        S C H L A G L I C H T E R M Ä R Z 2 02 0
gen in die USA nur wenig.                               heimischen Wertschöpfungsanteilen, im EU-
      Ein differenzierteres Bild ergibt sich, wenn      Vergleich mit Abstand am bedeutendsten. Da der
zusätzlich die Bedeutung des Handels mit den USA        Anteil der Exporte am BIP in Deutschland zudem
und China für die einzelnen EU-Staaten, gemessen        größer ist als bei den meisten anderen EU-Mitglied­
an der Relation zum BIP, in die Analyse einbezogen      staaten, hat Deutschland im Ergebnis mehr zu
wird (Abbildung 3, Seite 39). Die unterschiedlich       verlieren als andere, wenn der transpazifische Handels­
starke Exportorientierung der EU-Mitgliedstaaten        konflikt eskalieren würde und sich dämpfend auf
führt dann zu einem erheblichen Gefälle:                das Wachstum der USA und China niederschlüge.
      In Belgien, Großbritannien und Deutschland              Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass
trägt die in den Exporten in die USA enthaltene         unter den betrachteten Ländern Korea am stärksten
heimische Wertschöpfung mit jeweils etwa 3,5 %          vom transpazifischen Handelskonflikt betroffen ist.
im Vergleich zu den anderen EU-Staaten, die             In Europa wäre Deutschland besonders betroffen,
zwischen 1,3 % und 2,5 % liegen, am meisten zum         da die deutsche Volkswirtschaft im Gegensatz zu vielen
Bruttoinlandsprodukt bei.                               anderen europäischen Staaten im Handel mit den
      Deutschland ist beim Beitrag der in den Expor­    USA und China stark engagiert ist.
ten nach China enthaltenen heimischen Wertschöp­
fung zum Bruttoinlandsprodukt mit 2,6 % der euro­
päische Ausreißer nach oben. Frankreich auf Platz                                                 KONTAKT
zwei kommt immerhin auf 1,8 %. Damit ist die                                   KATRIN VAN DYKEN & DR. BEREND DIEKMANN
Bedeutung vor allem des Handels mit China für                                  Referat: USA, Kanada, Mexiko
Frankreich, aber auch für Deutschland im EU-Ver­
gleich eine ganz andere als bei einer schlichten                               schlaglichter@bmwi.bund.de
Betrachtung der Außenhandelsanteile, die Groß­
britannien und die Niederlande viel exponierter
darstellt.
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