Nanotechnologie Unterrichtsmaterial - VCI
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Impressum Herausgeber Fotonachweis Fonds der Chemischen Industrie Titel: „Land der Nanopfannkuchen“, Rasterelektronenmikroskop-Bild im Verband der Chemischen Industrie e. V., von Nadine Geyer, Interdisziplinäres Zentrum für Materialwissenschaften Mainzer Landstraße 55, 60329 Frankfurt am Main der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Dieses Bild ist Teil E-Mail: fonds@vci.de des „nano+art“-Wettbewerbs, einer Initiative des Karrierenetzwerkes Internet: www.vci.de/fonds www.nano-4-women.de S. 4, 5, 7, 26, 35: FLAD & FLAD März 2017; 5. Auflage: 3.000 Exemplare S. 6: Technische Universität Berlin, NanOp Kompetenzzentrum Alle Rechte vorbehalten S. 7: Bayer AG S. 8: CARL ZEISS SMT AG S. 10: Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC S. 10: Dr. Stefan Thalhammer, GSF Institut für Strahlenschutz S. 11: Henning Christoph/Das Fotoarchiv S. 13, 21: Evonik Advanced Nanomaterials S. 17: Merck KGaA S. 18: Süd-Chemie AG S. 24: MagForce Nanotechnologies AG S. 25: Cochlear Limited Das vorliegende Unterrichtsmaterial „Nanotechnologie“ S. 27: CentroSolar GmbH ist erstmalig im September 2005 zusammen mit dem S. 32: Fotolia, Fontanis Experimentierkit „NanoBoX“ erschienen. Abbildung 1-2: FLAD & FLAD, Bayer AG, Cabot Nanogel GmbH Das gesamte Unterrichtsmaterial der neuesten Auflage Abbildung 3-2: Henning Christoph/Das Fotoarchiv ist über das Internet abrufbar www.vci.de/fonds. Abbildung 3-3: Degussa Advanced Nanomaterials Die Anleitungen zu den Experimenten und die Abbildung 4-1: Fotolia, Alexandr Mitiuc Arbeitsblätter finden Sie online unter dem Bereich Abbildung 4-2: Süd-Chemie AG Schulpartnerschaft: www.vci.de/fonds/schulpartner- Abbildung 4-4: Degussa Advanced Nanomaterials; Nees-Institut für schaft/unterrichtsmaterialien. Biodiversität der Pflanzen, Universität Bonn Abbildung 5-2: MagForce Nanotechnologies AG www.vci.de/fonds Abbildung 5-3: Evonik Advanced Nanomaterials Abbildung 5-5: Cochlear Deutschland GmbH & Co. KG Konzeption, Text und Gestaltung Abbildung 6-1: Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC FLAD & FLAD Communication GmbH Abbildung 6-2; 6-5: FLAD & FLAD Thomas-Flad-Weg 1, 90562 Heroldsberg Abbildung 6-4: Capot Corporation o. r. Internet: www.flad.de Abbildung 7-1: FLAD & FLAD Autoren: Dr. Andreas Jungbluth, Dr. Markus Döring Abbildung 8-1: S. Diabaté und H. F. Krug, Institut für Toxikologie und Gestaltung: Regine Radina Genetik am Forschungszentrum Karlsruhe (H. F. Krug jetzt EMPA, St. Gallen) Abbildung 10-1: www.werkstofftechnologien.de/kompetenzkarten/ Redaktion Fonds der Chemischen Industrie im Verband der Chemischen Industrie e. V., Frankfurt Birgit Kullmann, Dr. Annette Vielfort Wir danken dem wissenschaftlichen Team des Deutschen Druck Museums München für die fachliche Unterstützung und Hofmann infocom, Nürnberg – Dieses Produkt wurde nach dem Unternehmen Schmitz-Werke GmbH + Co. KG für die den Vorgaben der FSC, was gleichbedeutend für eine verant- kostenlose Bereitstellung der Experimentiermaterialien. wortliche Waldwirtschaft ist, sowie CO2-neutral hergestellt.
Seite Inhalt 3 Vorwort 4 Nanotechnologie – hochaktuell 1. Einführung 6 Winzige Welten, wertvolle Wirkungen 2. Forschung 8 Augen und Finger im Unsichtbaren 3. Produktion 12 Werkstatt für Winzlinge 4. Praxis und Perspektiven 16 Mehr Nutzen im Alltag 16 4.1 Partikel mit Potenzial: Nanoteilchen 18 4.2 Hilfreiche Hohlräume: Röhrchen und Fasern 19 4.3 Die zweite Dimension: Nanoplättchen 21 4.4 Glatt oder nicht: Nanoschichten und -oberflächen 5. Bessere Gesundheitsversorgung 23 Kleine Strukturen für große Fortschritte Umwelt und Energie 27 6. Schutz der Umwelt 7. Informations- und Kommunikationstechnologie 32 Von der Mikro- zur Nanoelektronik 8. Sicherheit 33 Vorausschauend und verantwortungsvoll handeln 9. Zukunft 36 Winzlinge auf Wachstumskurs 10. Ausbildung und Karriere 37 Qualifikation in der Nanotechnologie Glossar 38 Fachbegriffe zum Nachschlagen Websites und Literatur 39 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde im gesamten Textheft die männliche Sprachform gewählt. Im Glossar können die mit * markierten Begriffe nachgeschlagen werden. 3
Nanotechnologie – hochaktuell Vorwort Nanotechnologie als eine wichtige Zukunfts- jede Sparte profitiert bereits heute vom Einsatz technologie des 21. Jahrhunderts ist heute in vielen winzigster Objekte und Strukturen. Sie sind der Lebensbereichen fest etabliert. Sie gibt Forschern Schlüssel zu leichteren und stabileren Bauteilen, lösen und Unternehmern die Werkzeuge an die Hand, um das Schweißen durch schnell härtende Klebstoffe ab, in Größenordnungen von weniger als 100 Milliardstel helfen dank neuer Dämmstoffe Energie zu sparen Meter vorzudringen. Dort, im Nanometerbereich, oder machen Akkus leistungsfähiger und langlebiger. gewinnt man Einblicke in einzigartige chemische, physikalische und biologische Stoffeigenschaften Für Schülerinnen und Schüler ist Nanotechnologie ein von Teilchen und Strukturen, die bei makros- wichtiges und spannendes Thema mit Zukunft: kopischen Objekten derselben Zusammensetzung An Universitäten und Fachhochschulen gibt es zahlrei- nicht zu beobachten sind. Mit diesem Wissen wieder- che Spezialstudiengänge und eine wachsende Zahl an um können Werkstoffe wie zum Beispiel Metalle, Glas, Unternehmen setzt auf die Zusatzqualifikation ihrer Keramik oder Polymere* mit neuen Eigenschaften Mitarbeiter in Sachen „Nano“. ausgestattet werden. Seit der Erstauflage 2005 sind rund 42.000 In der Nanotechnologie arbeiten naturwissen- NanoBoXen bestellt worden. Auch die Anfang 2015 schaftliche und technische Disziplinen wie Chemie, völlig überarbeitete 4. Auflage war innerhalb eines Materialwissenschaften, Physik, Biologie oder Jahres wieder vergriffen. Medizin eng zusammen – oft fachübergreifend. Anknüpfend an diesen Erfolg des Unterrichtsmaterials „NanoBoX – Wunderwelt der Nanomaterialien“ aus Viele Industriebranchen profitieren von dieser dem Jahr 2005 und dessen Neuauflage von 2017 gibt Zusammenarbeit, wenn bestehende Verfahren und Ihnen der Fonds der Chemischen Industrie dieses Produkte verbessert oder gänzlich neue etabliert grundlegend aktualisierte Unterrichtsmaterial an die werden können. Insbesondere für die chemische Hand. Basierend auf zahlreichen Rückmeldungen Industrie ergeben sich dadurch weltweit neue und und Anregungen von Lehrkräften aus dem ganzen wichtige Betätigungsfelder. Ob Arzneimittel, Lacke Bundesgebiet wurde ihr Inhalt auf den neuesten Stand und Farben, Kunststoffe oder Katalysatoren* – fast von Wissenschaft und Technik gebracht und um aktu- 4
elle Beispiele ergänzt. Die neue „NanoBoX“ richtet sich mit interessanten Anwendungsbeispielen und Versuchsanleitungen im Wesentlichen an die Fächer Chemie, Physik und Biologie ab der Mittelstufe sowie an berufsbildende Schulen. Die „NanoBoX“ soll Ihnen dabei helfen, die Nanotechnologie für zwei Unterrichtsstunden oder einen Projekttag in Ihr Klassenzimmer zu holen und auf lebendige Art zu behandeln und zu vertiefen. Ergänzend zu dieser Broschüre finden Sie Arbeits- blätter und Anleitungen zu den Experimenten als Grundlage für Referate oder Facharbeiten im Internet unter dem Bereich Schulpartnerschaft: www.vci.de/fonds Am Ende jedes Kapitels in diesem Heft leiten Sie Lehrer-Infos zu den jeweils korrespondieren- den Arbeitsblättern und Anleitungen zu den Experimenten, inkl. einer Empfehlung für den Einsatz des Materials in der Sekundarstufe I oder II. Mit den im Internet unter www.vci.de/fonds abrufbaren Anleitungen zu den Experimenten und Nanomaterialproben der NanoBoX, jede Nachfüllpackung enthält Material für 15 Schüler, können Sie den Unterricht um einfache und gleich- zeitig eindrucksvolle Schulexperimente bereichern. Wie Nanomaterialien erforscht und produziert werden, zeigt Ihnen die Lehrfilm-DVD „Expedition Nanoworld – Chemie der winzigen Welten“ anhand aktueller Beispiele. Wir wünschen Ihnen und Ihren Schülern eine spannende und lehrreiche Reise in die Welt der Nanotechnologie! Der Herausgeber 5
Winzige Welten, wertvolle Wirkungen 1. Einführung Willkommen im Nanokosmos! Ordnung im Allerkleinsten Heute erforschen und nutzen wir Dimensionen, die Auf der Nanometerskala liegen einzelne Atome und dem menschlichen Auge bis zur Erfindung des ersten Moleküle beziehungsweise größere Gruppen von Elektronenmikroskops g (siehe Kapitel 2) im Jahr 1931 Atomen und Molekülen oft in hoch geordneten Struk- verborgen waren: den Nanokosmos. Die Vorsilbe „Nano“ turen vor. Die Kenntnis der verschiedenen geomet- entstammt dem griechischen Wort „nanos“ für Zwerg. rischen Formen dieser Strukturen ist eine wichtige Grundlage für das Verständnis der Nanomaterialien Das Einheitsmaß dieser winzigen Welten ist der Na- und ihrer besonderen Eigenschaften. nometer (nm) – der milliardste Teil eines Meters (0,000.000.001 m) beziehungsweise der Millionste Teil So bilden Atome und Moleküle aufgrund chemischer eines Millimeters (0,000.001 mm). und physikalischer Wechselwirkungen sowie ihrer Geometrie nach dem Prinzip der Selbstorganisation* Vergleiche helfen, diese winzigen Größen zu verstehen. beispielsweise Teilchen (Partikel) in Form von Kugeln, Plättchen oder Kristallen. In zwei Dimensionen ord- nen sie sich zu Schichten, also Grenzflächen zwischen Ein Nanometer Systemen gleicher oder verschiedener Aggregat- • verhält sich zu einem Meter wie der Durchmesser zustände*. einer Haselnuss zu dem unseres Erdballs. • ist mehr als tausendmal kleiner als der Durchmesser In drei Dimensionen können sie geordnete Gitter eines menschlichen Haares (ca. 0,1–0,8 mm). (vergleichbar einem Baugerüst), poröse Gebilde • entspricht dem Durchmesser eines einfachen (vergleichbar einem Schwamm) oder regelmäßige Moleküls aus zehn Atomen. Packungen von Partikeln (vergleichbar der Anordnung dicht gepackter Tischtennisbälle) formen. ABBILDUNG 1–1 Was ist Nanotechnik 6
1 Die Selbstorganisation* ist ein bestimmendes Prin- zip der lebendigen Natur. Ein Beispiel hierfür ist das Erbmolekül Desoxyribonukleinsäure (DNS), dessen zwei Einzelstränge hauptsächlich durch Wasserstoff- brückenbindungen zwischen den Basen Adenin und Thymin, beziehungsweise Guanin und Cytosin, eine Doppelhelix ausbilden. Auch die Bildung natürlicher Beispiel für die Ordnung auf der „Nanomaschinen“ ist ein Selbstorganisationsvorgang. Nanometerskala: eine Nanostruktur aus Halbleitermaterialien Wegen der Form und Interaktion einzelner Eiweiß- stoffe (Proteine) – durch Wasserstoffbrücken, ionische Wechselwirkungen und Van-der-Waals-Kräfte* zwischen den Aminosäuren* auf ihrer Oberfläche – können Proteinkomplexe wie etwa die Ribosomen ABBILDUNG 1–2 entstehen, die neue Proteine aus einzelnen Aminosäu- Nanotechnik im Allerkleinsten ren* herstellen. Überraschungen auf der Nanometerskala Je winziger Strukturen werden, desto mehr Atome lie- gen auf ihrer Oberfläche und können mit ihrer Umge- bung in Wechselwirkung treten. Ein Rechenbeispiel: Bei einem Eisenwürfel mit 1 cm Kantenlänge befin- den sich nur etwa 0,00001 Prozent aller Eisenatome auf der Würfeloberfläche. Bei einer Kantenlänge von 5 nm liegen an der Oberfläche dagegen bereits rund 20 Prozent aller Atome. Obwohl beide Würfel aus demselben Element beste- hen, können sie verschiedene chemische und physi- kalische Eigenschaften aufweisen. Grund hierfür sind ABBILDUNG 1–3 veränderte Zustände der Elektronen, für die im Nano- Überraschungen auf der Nanometerskala kosmos die Gesetze der Quantenphysik* zum Tragen kommen. Abhängig von Größe, Form und Beschaffen- heit der Nanostrukturen ergeben sich deshalb im Ver- gleich zu makroskopischen Körpern Veränderungen der Leitfähigkeit, des magnetischen Verhaltens, des Schmelz- und Siedepunktes, der Zähigkeit, Bruchfes tigkeit, Farbe etc. LEHRER-INFO Siehe – Arbeitsblatt Nr. 1 (Sekundarstufe I, Sekundarstufe II) 7
Augen und Finger im Unsichtbaren 2. Forschung Neue Erkenntnisse – neue Analyseverfahren Strukturen „durchleuchten“: das Transmissions-Elektronenmikroskop 1924 erkannte der Wissenschaftler Louis de Broglie, dass Elektronen gleichzeitig Teilchen- und Wellencharakter Bei einem Transmissions-Elektronenmikroskop (TEM) besitzen und deshalb als Elektronenstrahlen vergleich- durchstrahlen Elektronen das Probenmaterial und bare Eigenschaften haben wie das Licht. Diese Erkenntnis treffen auf einen Leuchtschirm, der das Bild der bereitete den Weg zum Bau eines Mikroskops für den durchstrahlten Probe zeigt. Je nach Ordnungszahl der Vorstoß in die Nanowelt: Da schnelle Elektronen eine sehr Atome, aus denen die Probe besteht, der Höhe der viel kleinere Wellenlänge als sichtbares Licht haben und Beschleunigungsspannung* und der gewünschten die Auflösung eines Mikroskops durch die Wellenlänge Auflösung kann die sinnvolle Probendicke von wenigen begrenzt ist, kann mit einem Elektronenmikroskop Nanometern bis zu einigen Mikrometern reichen. Je höher eine deutlich höhere Auflösung (derzeit etwa 0,1 nm) die Ordnungszahl und je niedriger die Beschleunigungs- erreicht werden als mit einem Lichtmikroskop (etwa spannung sind, desto dünner muss die Probe sein. 200 nm). Verglichen mit dem Lichtmikroskop besitzt das Elektronenmikroskop einige Besonderheiten: Die durch einen glühenden Wolframdraht erzeugten Elektronen werden in einem elektrischen Feld beschleu- nigt. Im Elektronenmikroskop muss ein Vakuum herr- schen, da der Strahl sonst durch Gasteilchen gestreut würde. Als Linsensysteme dienen Elektromagnete, die den Elektronenstrahl bündeln und ablenken. Da ihr Magnetfeld regelbar ist, benötigt man beim Elektronenmikroskop keine auswechselbaren Okulare Ein modernes oder Objektive für unterschiedliche Vergrößerungsstufen. Raster-Elektronenmikroskop ABBILDUNG 2–1 Neue Erkenntnisse – neue Analyseverfahren 8
2 „Elektronen-Spiegelbild“ der Oberfläche: Signal wird im Computer in ein dreidimensionales das Raster-Elektronenmikroskop Bild umgewandelt. Beim Raster-Elektronenmikroskop (REM) wird der So erzeugte Bilder ähneln oft der Oberfläche eines Elektronenstrahl zu einem möglichst kleinen Fleck Eierkartons mit Mulden und Ausbuchtungen. Jeder gebündelt und zeilenweise über den zu untersu- „Berg“ entspricht bei entsprechend hoher Auflösung chenden Probenbereich geführt. Bei einem häufig einem Atom. Rastersondenmikroskope können opti- verwendeten Messverfahren mit diesem System, der sche, magnetische oder elektrische Wechselwirkungen Sekundärelektronenmikroskopie (SEM), werden aber messen. Sie eignen sich nicht nur für die nicht die Elektronen, mit denen das Objekt bestrahlt Grundlagenforschung, sondern auch für die atomge- wird, sondern die durch die Bestrahlung aus der Probe naue Qualitätskontrolle in der Nanotechnologie. herausgeschlagenen Elektronen gemessen: Vergleichbar mit Lichtstrahlen, die von einer Fensterscheibe reflek- Am häufigsten wird das Rastertunnelmikroskop tiert werden, verlassen sie die Probe auf der Seite, (engl.: Scanning Tunneling Microscope, STM) mit der wo der Elektronenstrahl eingetreten ist. Die Verteilung Nanotechnologie in Verbindung gebracht. dieser Elektronen wird über einen Detektor und einen Verstärker in optische Signale umgewandelt und auf Dieses beeindruckend leistungsfähige Forschungs einem Bildschirm angezeigt. instrument kann einzelne Atome sichtbar machen. Für seine Entwicklung erhielten die Forscher Gerd „Finger“ statt Strahlen: Binnig, Heinrich Rohrer und Ernst Ruska 1986 den Rastersondenmikroskope Nobelpreis für Physik. Bei der Rastersondenmikroskopie wird in der Regel Beim STM wird eine spitze Nadel bis auf eine eine spitze Nadel von wenigen 100 Mikrometern Entfernung von einem Nanometer an die zu untersu- Länge (und optimalerweise mit einem Ende aus nur chende Oberfläche herangeführt. Linienweise fährt einem Atom) an die Probenoberfläche herangeführt die Spitze dann über die Oberfläche hinweg, ohne und rasterförmig darüber hinweg bewegt. Dabei sie zu berühren. Bei Anlegen einer Spannung fließen „fühlt“ der Sensor eine abstandsabhängige physika- elektrisch geladene Teilchen zwischen der Nadelspitze lische Wechselwirkung, die als Messsignal dient. Das und der Probenoberfläche („Tunnelstrom“). ABBILDUNG 2–2 Funktionsweise eines Rastertunnelmikroskops (STM) 9
Dieser Strom wird nun konstant gehalten, so dass die Atomgenau forschen und prüfen Nadel immer den gleichen Abstand zur Probe hat. Ein Computer zeichnet die Hebe- und Senkbewegungen Mit nanoanalytischen Instrumenten stoßen Wissen der Nadel auf. So erhält man ein dreidimensionales schaftler tief in den Nanokosmos vor. Durch ihre Abbild aller Atome der Oberfläche. Aufbauend auf die- Anwendung lernen wir bedeutend mehr über die sem Gerät wurden weitere Rastersondenmikroskope Ordnung elementarer Bausteine in bekannten und für unterschiedlichste Anwendungen entwickelt. neuen Materialien, zum Beispiel in Metallen oder Keramik. Physikalische und chemische Effekte neuer Zum Beispiel das Rasterkraftmikroskop (engl.: Atomic Werkstoffe lassen sich dadurch wesentlich präziser Force Microscope, AFM). Hier befindet sich die Spitze erklären oder vorhersagen. Moderne Mikroskope öff- auf einem beweglichen Arm, einem Plättchen aus nen sogar den Blick darauf, wie sich Moleküle zu hoch dem Halbleitermaterial Silizium oder Siliziumnitrid geordneten Strukturen zusammenfinden oder wie (Cantilever). Die Spitze fährt wie die Nadel bei einem elektrische Ladungen und magnetische Effekte in Plattenspieler dicht über die Probenoberfläche hin- ihnen verteilt sind. weg. Beim Kontakt mit einem Oberflächenatom wirkt eine Abstoßungskraft und der Cantilever-Arm wird Wo immer die Werkstoffwissenschaften und die verbogen. Präzisionsfertigung in den Nanokosmos vorsto- ßen, ist es erfolgsentscheidend, ob Präzision im Diese Bewe gung kann technisch gemessen wer- Bereich weniger Atome erreicht wurde oder nicht. den, indem man einen Laser auf die Oberfläc he des Ist eine Nanoschicht wirklich so glatt, wie man es Cantilevers richtet. Bewegt sich der Arm, ändert sich angestrebt hat? Haben feinste Leiterbahnen auf dem der Reflexionswinkel des Laserstrahls. Dieses Signal Computerchip – heute schon um die 22 nm dünn – wird als dreidimensionale Bildinformation von einem die gewünschte Fertigungsgenauigkeit? Diese Computer aufgezeichnet und dargestellt. Fragen können wir nur mit nanoskopischen Verfahren beantworten. „Kleiner, schneller, leistungsfähiger“ lautet das Motto in vielen Technologiefeldern. Wer im Bereich weniger Nanometer herstellen kann, ist mittlerweile auch in der Lage, die Qualität winzigster Produkte zu kontrollieren. Analytische Verfahren mit Nanopräzision haben nicht zuletzt auch für die Sicherheit in der Nanotechnologie große Bedeutung. Sie helfen dabei, Nanoteilchen aus der Raumluft im Arbeitsbereich nachzuweisen und zu bestimmen g(siehe Kapitel 8). Abbildung von Chromosomen mit einem Rastersondenmikroskop LEHRER-INFO Siehe – Arbeitsblatt Nr. 2 (Sekundarstufe I, Sekundarstufe II) 10
3. Produktion Werkstatt für Winzlinge Zwei Wege führen zu Nanostrukturen gelöste Form gebracht. Dabei handelt es sich meistens um eine chemische Lösung der Ausgangsmaterialien, Grundsätzlich führen zwei Wege in die Nanowelt: „top- die in eine kolloidale Lösung* – ein Sol – übergeht. down“ oder „bottom-up“. Bottom-up (engl.: „von unten Im Sol ist ein Stoff mit Teilchengrößen zwischen nach oben“) bedeutet, dass durch gezielte Handhabung 1 nm und 1.000 nm in einem anderen Stoff gleich- von Atomen oder Molekülen komplexe Strukturen auf- mäßig verteilt, so dass seine Partikel in dem anderen gebaut werden. Top-down (engl.: „von oben nach unten“) schweben. Diese Verteilung ist stabil, es erfolgt keine hingegen beschreibt die fortschreitende Verkleinerung Entmischung. Unter Erhitzen oder nach Zufügen eines von Strukturen. Katalysators* wachsen die Partikel bis zu einer kriti- schen Größe, bei der sie wieder beginnen zu zerfallen. Beispiel: Top-down – Verkleinerung extrem Durch chemische Veränderung der Partikeloberfläche Die Top-down-Herstellung findet beispielsweise mittels kann das Teilchenwachstum in bestimmten Phasen besonderer Kugelmühlen statt, die körnige Substanzen gestoppt werden. So erhält man Partikel definierter bis zur Größe von Nanoteilchen zerkleinern: In einer Größe, deren Oberfläche anschließend beispielswei- schnell rotierenden Trommel dienen 0,1 Millimeter klei- se zum Schutz vor Verklumpen oder zum Einstellen ne, sehr harte Keramikkügelchen als „Mini-Mühlsteine“. bestimmter Löslichkeitseigenschaften weiter verän- Je schneller die Trommel sich dreht, desto stärker werden dert werden kann. die Keramikkugeln gegen die Trommelwand gepresst und desto winziger werden die Zwischenräume, in denen das Mahlgut Platz findet. Diese Methode eignet sich etwa, um Nano-Farbpartikel für hochauflösende Tintenstrahldrucker herzustellen. Immer noch „von oben nach unten“, jedoch mit einem anderen Verfahren, geht man bei der Herstellung extrem kleiner Transistoren und Leiterbahnen auf Computerchips oder den sogenannten „BioChips“ vor. Spezielle Typen dieser Miniaturlabors sind nur Sol-Gel-Reaktor noch so groß wie ein Fingernagel. Sie enthalten feinste Kanälchen und Reaktionskammern, in denen tausende verschiedener Substanzen gleichzeitig ABBILDUNG 3–1 untersucht werden können. Derart kleine Strukturen Zwei Wege führen zu Nanostrukturen kann man nur durch Elektronenstrahlen, extrem ener- giereiche UV-Strahlung und chemisch/physikalische Präzisionsverfahren erzeugen. Beispiel: Bottom-up – Aus Sol mach Gel Eine Methode für den gezielten Aufbau von Nanostrukturen nach dem „bottom-up“-Prinzip ist das sogenannte Sol-Gel-Verfahren. Durch eine Kombination verschiedener organischer und anorga- nischer Bausteine lassen sich auf diesem Weg gezielt neue Werkstoffe herstellen. Anders als bei herkömmli- chen Verfahren werden die Ausgangsstoffe jedoch nicht erst bei hohen Temperaturen verflüssigt und in der Schmelze vermischt, sondern von vornherein in eine 11
Ein Beispiel: In einer wässrigen Tetrachlorgoldsäure Mit der Gasphasensynthese werden viele Produkte (HAuCl 4)-Lösung bilden sich zum Beispiel in im industriellen Maßstab hergestellt, darunter Gegenwart von Trinatrium-Citrat (Natriumsalz Titandioxid-Nanoteilchen g(siehe Kapitel 5), die unter der Zitronensäure) unter Rühren bei 100 °C Ausnutzung der Lichtenergie chemische Reaktionen Goldkolloide g(siehe Kapitel 5). Die so erzeugten katalysieren. Ein weiteres Beispiel ist nanoskaliges* Goldteilchen haben einen Durchmesser von durch- Siliziumdioxid, das beispielsweise Silikonkautschuk schnittlich 15 nm und erscheinen weinrot. Bereits und anderen Kunststoffen als Verdickungsmittel und im Mittelalter erzeugten Glasmacher unbewusst sol- Verstärkerfüllstoff zugesetzt wird, um deren Festigkeit che Partikel. Sie schmolzen bei der Herstellung von und Elastizität zu steigern. Kirchenfenstern kleine Goldmengen ein und erzeug- ten so das berühmte „Rubinglas“. Der Grund: Wegen Als Ausgangsstoffe dienen Gase, Flüssigkeiten der geringen Partikelgröße nehmen die Elektronen oder Feststoffe, die im Gasphasenreaktor* in einen der Goldatome andere Energiezustände an. Dies hat Gasstrom eingebracht werden und eine sehr heiße Einfluss auf die Reflexion, Interferenz und Brechung Zone durchlaufen. Flüssige und feste Stoffe werden des Lichts. dazu vorher durch Verdampfen oder Zerstäuben in Gase, fein verteilte Tröpfchen oder Partikel umge- Aus einem Sol kann zum Beispiel durch Polymerisation wandelt. Bei unterschiedlichen Ausgangsstoffen ist und Entzug des Lösungsmittels ein Gel gebildet wer- auch eine Kombination dieser Prozesse möglich. den. In ihm ist jedes Nanoteilchen in ein Netzwerk Die Synthese läuft in mehreren aufeinanderfolgen- eingebaut und alle Teilchen sind miteinander verbun- den Reaktionsschritten ab: Zuerst bildet sich in der den. Das Gel zeigt oft neue Materialeigenschaften: Nukleationsphase ein kleiner Komplex (Primärteilchen), Gele aus Graphit leiten zum Beispiel im Gegensatz zu dessen Oberfläche sich während der Wachstumsphase den meisten Graphit-Solen elektrischen Strom. durch Anlagerung von weiteren Atomen oder Molekülen schnell vergrößert. Die so entstandenen Beispiel: Bottom-up – Teilchentreffen in der Vorläuferteilchen stoßen aneinander und verwachsen Gasphase im nächsten Schritt, der Aggregationsphase, zu den Das zweite wichtige Herstellungsverfahren für Nano gewünschten Nanomaterialien. Mehrere Aggregate materialien ist die Gasphasen-Synthese. können lose, durch Van-der-Waals-Kräfte gebundene Agglomerate bilden. ABBILDUNG 3–2 Je nach Zielsetzung kann die Gasphasensynthese Bottom-up: Aus Sol mach Gel gegenüber dem Sol-Gel-Prozess Vorteile haben: So entstehen kaum flüssige Nebenprodukte und die Reinheit der Teilchenoberfläche ist höher. Größe und Gestalt der Partikel lassen sich durch geeig- nete Reaktionsbedingungen wie Druck, Temperatur, Verweilzeit in der heißen Zone etc. genau einstel- len. Außerdem kann man die Größe der Teilchen im Gasstrom während der Reaktion mit physikalischen Methoden messen und Partikel gewünschter Größe aussortieren. Jetzt wird es heiß: In deutschen Chemieunternehmen werden verschiedene Arten von Gasphasenreaktoren eingesetzt, darunter der Flammenreaktor, der Heiß- 12
wandreaktor und der Plasmareaktor. Sie unterschei- oder Luft verwendet, die sich durch Laser, Mikrowellen den sich in der Art der Energiezufuhr. oder elektrische Entladungen in ein Plasma umwan- deln lassen. Flammenreaktoren dienen schon seit längerem der Herstellung von Metalloxid-Nanopulvern in großer Als Plasma bezeichnet man in der Physik ein (teilwei- 3 Menge und Reinheit. Bei 1.000 °C bis 2.400 °C durch- se) ionisiertes Gas: Es enthält einen nennenswerten laufen die Ausgangsstoffe die Flammenzone in gera- Anteil freier Ladungsträger wie Ionen und Elektronen. de einmal 10 bis 100 Millisekunden. Dabei bilden Die Kondensation unter Bildung von Primärteilchen sich Primärteilchen von wenigen Nanometern Größe. startet in den kälteren Zonen des Plasmas. Durch Aggregation* der Primärteilchen entstehen die gewünschten Pulver. Ein Gramm solcher Nanopulver Beispiel: Bottom-up – chemische und besitzt eine spezifische Oberfläche von bis zu 400 physikalische Gasphasenabscheidung Quadratmetern. Will man besonders exakte und dünne Schichten Heißwandreaktoren sind im Vergleich zu anderen mit weniger als 1 nm Präzision herstellen, sind die Gasphasens ystemen sehr einfach aufgebaut. Die für Verfahren der chemischen Gasp hasenabscheidung die Reaktion benötigte Wärme – ca. 1.700 °C – oder der phys ik alischen Gasphasena bs cheidung wird in einem elektrischen Rohrofensystem erzeugt (engl.: Physical Vapor Deposition, PVD) der beste und über die heißen Wände des Rohres in den Weg. Mit ihnen produziert man in der Industrie zum Reaktor transportiert. Dadurch kann man die Beispiel Antireflex- und Wärmeschutzverglasung Reaktionstemperatur sehr genau einstellen. Weil sowie Röntgenspiegel. keine Flammenerzeugung mit Gasen im Reaktor nötig ist, können reduzierende, oxidierende oder CVD inerte Bedingungen für das Reaktionsgasgemisch frei (engl.: Chemical Vapor Deposition, CVD) gewählt werden. Bei der chemischen Gasphasenabscheidung werden mindestens zwei flüchtige Verbindungen mit einem Eine weitere Besonderheit des Verfahrens ist die Gasstrom („Prozessgas“) in eine Reaktionskammer Möglichkeit, die entstehenden Partikel gleichzeitig zu eingeleitet, in der sich das zu beschichtende beschichten und so Kompositmaterialien* zu erzeugen. Werkstück befindet. Plasmareaktoren sind die Spitzenreiter in Sachen Prozesstemperatur: Sie bringen es auf bis zu 10.000 °C. Bei Zufuhr von Reaktionsenergie findet auf der Als Trägergas werden zum Beispiel Argon, Stickstoff Oberfläche des Werkstücks eine chemische Reaktion statt. Damit die Abscheidung einer Schicht an der Oberfläche gegenüber der Bildung von festen Partikeln in der Gasphase bevorzugt wird, muss die CVD bei sehr niedrigen Drücken (0,01 bis 10 Hektopascal) oder sogar im Vakuum stattfinden. Diese Methode kann im Gegensatz zu physikali- schen Beschichtungsverfahren auf Oberflächen mit dreidimensionalen Oberflächenstrukturen ange- wendet werden. So entstehen beispielsweise die metallischen Schichten auf winzigen Gräben in der Feinstruktur von Computerchips. Flammenreaktor 13
PVD PVD wird unter anderem auf Blechen, Drähten, Gläsern (engl.: Physical Vapor Deposition, PVD) oder auf Kunststoffoberflächen angewendet. Bei der physikalischen Gasphasenabscheidung wird ein festes Beschichtungsmaterial durch Beschuss Weitere Bottom-up–Verfahren: mit Laserstrahlen, Ionen, Elektronen oder durch Lichtbogenentladung in einer Beschichtungskammer Mit den oben genannten Verfahren ist die Vielfalt der verdampft. Der Dampf bewegt sich frei durch die Methoden für die Produktion von Nanomaterialien Kammer oder wird durch elektrische Felder zu dem natürlich nur ausschnittsweise dargestellt. Viele wei- Werkstück geleitet, das beschichtet werden soll. tere sind im Grenzbereich zwischen der Chemie und Damit sich die Dampfteilchen als Schicht darauf abla- der Physik angesiedelt. Hierzu zählt beispielsweise gern können und nicht schon vorher an Gasteilchen die elektrochemische Abscheidung von Metallen auf in der Kammer gestreut werden, arbeitet man bei Oberflächen, das Galvanisieren: In einem elektrischen einem Unterdruck von bis zu 10 Pascal. Feld werden dabei Metallionen aus einer Lösung an einer zu beschichtenden Oberfläche reduziert und Der Dampf breitet sich ausgehend von seiner Quelle lagern sich darauf als elementare Schicht ab. in einer Richtung aus. Um die gesamte Oberfläche eines Objekts beschichten zu können und keine Bereiche im „Schatten“ auszulassen, muss man das Werkstück daher während der Beschichtung drehen. Bei Kontakt mit dem Werkstück scheiden sich LEHRER-INFO die Dampfteilchen auf dessen Oberfläche durch Siehe Kondensation ab – genau wie Wasserdampf auf dem – Arbeitsblatt Nr. 3 (Sekundarstufe I, Sekundarstufe II) Badezimmerspiegel. Dann breiten sich die Teilchen – Versuch 5 (Sekundarstufe II) durch Diffusion gleichmäßig entlang der Oberfläche – Versuch 6 (Sekundarstufe II) aus, bis sie einen energetisch günstigen Platz gefun- den haben. ABBILDUNG 3–3 Bottom-up: Teilchentreffen in der Gasphase 14
Mehr Nutzen im Alltag 4. Praxis und Perspektiven Mehr Qualität und Komfort: Wo es um das Wohl werden Luftschadstoffe und Gerüche abgebaut. Auf diese befinden des Menschen geht, bieten sich zahlreiche Weise könnte zukünftig in Großstädten die Belastung Einsatzmöglichkeiten für Nanoprodukte. Die folgenden der Luft mit Stickoxiden aus Autoabgasen reduziert wer- Beispiele zeigen, in welchen Produkten oder Verfahren den. Chemische Reaktionen unter Lichteinfluss finden Teilchen, Schichten und strukturierte Oberflächen auch auf dem Dach statt. Hier können Nanoteilchen bereits eine wichtige Rolle spielen. auf Dachziegeln Wasser und Luftsauerstoff in Wasser stoffperoxid umwandeln. Schon winzige Mengen dieses Stoffes reichen aus, um ein unschönes Bewachsen der 4.1 Partikel mit Potenzial: Nanoteilchen Dachschindeln mit Algen zu unterdrücken. Extrem kleine Teilchen zählen zu den Tausendsassas der Halbleiterteilchen – Nanotechnologie. Sie sind in allen drei Dimensionen, also Leiterbahnen wie gedruckt Länge, Breite und Höhe, kleiner als 100 Nanometer. Ihre Basis des heutigen Computerchips ist das chemische Eigenschaften und Einsatzmöglichkeiten lassen sich je Element Silizium, das beispielsweise im normalen nach chemischer Zusammensetzung, Beschichtung und Quarzsand vorkommt. Für die Herstellung eines Chips Form sehr genau steuern. In manchen Fällen werden die benötigt man rund 600 Arbeitsschritte und bis zu vier Partikel in einer flüssigen oder zähflüssigen Umgebung Wochen Zeit. Nanotechnologie erlaubt es nun, elektro- verwendet. Dies geschieht unter anderem in Poliermitteln, nische Bauteile buchstäblich aus dem Drucker zu erhal- Kosmetika, speziellen Therapieanwendungen der ten. Die Hauptrolle spielen dabei Nanoteilchen aus Krebsmedizin, Kontrastmitteln für die medizinische Halbleitermaterialien. Genau wie Tinte können sie mit Bildgebung oder Fließmitteln für Beton. gängigen Drucktechniken in der Form von Leiterbahnen auf verschiedenen Oberflächen aufgebracht werden. In anderen Anwendungen finden sich die Partikel fest Auch komplexe Elektroniksysteme lassen sich so in eingebettet in Keramik oder Kunststoff. Hier beeinflus- Massenfertigung auf großen Flächen aus Papier oder Folie sen sie beispielsweise die Verarbeitungseigenschaften erzeugen. Diese Grundmaterialien sind wesentlich leich- des Materials oder die Härte der Endprodukte. Chemisch ter wieder zu verwerten als gängige Halbleiterbauteile. reaktive Teilchen aus Titandioxid spalten als Katalysa- toren auf Oberflächen nahezu jede Verunreinigung unter Durch die Reduzierung der Arbeitsschritte und die Anregung mit dem ultravioletten Anteil des Sonnenlichts. Verwendung geringerer Materialmengen spart man zudem Rohstoffe und Energie. Dies kommt der Umwelt Photokatalyse – Chemie bei Licht betrachtet zugute. Computertastaturen aus Papier und elektroni- Titandioxid (TiO2)-Nanopartikel wirken photokataly- sche Etiketten für den Produktschutz gibt es schon zu tisch, das heißt bei Bestrahlung mit UV-Licht zersetzen kaufen. Damit sind die Möglichkeiten der gedruckten sie Wasser zu OH-Radikalen und bilden daraus zusam- Elektronik aber noch lange nicht ausgeschöpft. Viele men mit Luftsauerstoff Wasserstoffperoxid (H2O2). Weil technische Anwendungen, bei denen der Einsatz her- Wasserstoffperoxid für die meisten Mikroorganismen kömmlicher Elektronik derzeit noch zu kostspielig ist, toxisch ist, können TiO2-Teilchen Metallflächen in könnten in Zukunft unseren Alltag bestimmen. Von der Operationssälen leichter steril halten. Titandioxid- Armbanduhr bis zur Eintrittskarte würden dann zum Nanoteilchen helfen auch dabei, die Luft sauber zu Beispiel „intelligente Gegenstände“ über Funksignale halten, denn bei Tageslicht können sie mittels der mit Computern in ihrer Umgebung kommunizieren, um Photokatalyse Moleküle durch Oxidation vollständig zer- uns das Leben angenehmer zu machen. setzen. Ein neuartiger Fassadenputz und Wandfarben beispielsweise beseitigen durch Beimischung der Partikel Schadstoffe und unangenehme Gerüche aus der Raum- oder Außenluft. Je heller es in einem Raum oder auf der Außenseite des Gebäudes ist, desto besser 15
„Magische“ Magnete – die man in verschiedenen Alltagsprodukten findet. In von Poliermittel bis Lautsprecher Kosmetik-Cremes zum Beispiel geben sie pflegende Magnetische Nanopartikel kommen nicht nur in der Substanzen an die Haut ab und sorgen für ein angeneh- medizinischen Diagnostik und Krebstherapiestudien zum meres Hautgefühl. Einsatz. Man nutzt sie auch für Schmier- und Dichtstoffe. Diese können durch Beimischung von Ferrofluiden* Große Bandbreite – „Nano“ im Automobil mit Magnetfeldern exakt zu der gewünschten Position Nanokugeln mit winzigen Hohlräumen kommen aber dirigiert werden. Durch denselben Effekt eignet sich das auch in der Automobilindustrie zur Anwendung. Hier Ferrofluid* sehr gut als schaltbares Dämpfungsmittel. werden sie in das Leder von Autositzen eingebracht, um den typischen Ledergeruch zu überdecken oder Deshalb werden Ferrofluide heute unter anderem angenehme Duftstoffe abzugeben, sobald man sich im als Schwingungsdämpfer in Lautsprecherboxen ein- Sitz zurücklehnt. gesetzt. In sehr starken Magnetfeldern bildet das Ferrofluid an seiner Oberfläche Stacheln aus, die Daneben kommen Nanomaterialien im Auto bei vie- sich entlang der magnetischen Feldlinien ausrichten len anderen Bauteilen schon heute zum Einsatz: Dazu („Rosensweig-Effekt“). gehören beispielsweise Antireflexbeschichtungen für Glas- oder Kunststoffabdeckungen von Armaturen. Reflektoren und Mini-Behälter – Karosserien, deren Lackierung Nanoteilchen oder Schutz- und Pflegezusätze in Kosmetika Nanoschichten enthält, können weiterhin blickwinkel- Schon seit längerem gibt es Sonnencremes zu kaufen, abhängig in unterschiedlichen Farben erscheinen. die durch Nanoteilchen wirkungsvoll vor Sonnenbrand Neue Kunststoffe werden in Zukunft dazu bei- und Hautalterung schützen. Der Vorteil der Partikel tragen, das Auto leichter zu machen und so den besteht darin, dass sie von Allergikern besser vertra- Kraftstoffverbrauch zu senken. gen werden und zudem einen besseren UV-Schutz bie- ten als herkömmliche organische UV-Filter. Während Ob Verglasung oder Karosserieteil – mit flexiblen diese mit der Creme in Hautfalten ablaufen, bleiben und gleichzeitig hoch stabilen Nanomaterialien wird die Nanoteilchen dort liegen, wo man sie aufgetragen man zukünftig auch die Sicherheit der Fahrgäste bei hat. Dadurch wird die Haut gleichmäßiger und bes- Unfällen erhöhen. Bei anderen Autoteilen, wie zum ser geschützt. Ebenso wirkungsvoll sind Nanokugeln, Beispiel Ventilen, wird die Lebensdauer dadurch ver- bessert, dass Nanoschichten zum Schutz gegen Rost und Verschleiß beitragen. ABBILDUNG 4–1 Große Bandbreite: „Nano“ im Automobil Seit Ende 2003 wird in der Automobilindustrie ein neuer Klarlack auf Basis eines Nanomaterials in der Serienproduktion eingesetzt. Während her- kömmliche Lacke im Prinzip aus Bindemittel und Vernetzern bestehen, ist der neue Lack aus organi- schem Bindemittel mit hoher Elastizität und Keramik- Nanopartikeln mit großer Härte zusammengesetzt. Er bildet beim Trocknungsvorgang eine sehr dichte Netzstruktur, in der die Nanoteilchen gleichmäßig eingebettet sind. Bei Be anspruchungen, die zum Beispiel durch Bürsten in Autowaschanlagen auftre- ten, erhöhen die Teilchen die Kratzbeständigkeit der Lackierung um das Dreifache und sorgen für einen sichtbar besseren Glanz der Karosserie. 16
Forscher und Entwickler haben sich zum Ziel gesetzt, Kohlenstoff-Nanoröhren – stromleitend auch Lacke herzustellen, die nach dem Prinzip der und stabil Selbstorganisation g(siehe Kapitel 1) von selbst „heilen“, Betrachtet man das Material einer Bleistiftmine (Graphit) sobald sie verkratzt werden. im Rasterkraft- oder Rastertunnelmikroskop, erkennt man einen „molekularen Maschendrahtzaun“: Graphit Farbveränderliche Farbe und Licht – besteht aus einer besonderen Form des Kohlenstoffs, Effektpigmente Nanokugeln in Augenschein genommen dessen Atome in flächig und regelmäßig angeordneten in einer Folie Die Iris des menschlichen Auges verändert je nach Licht- Sechsecken vorliegen. Formt man im Gedankenexperiment einfall ihre Farbe. Dieses „irisierende Schillern“ kann man diese Graphitlage nun zu einer Rolle und verknüpft zwei auch mit Dispersionen kompakter Siliziumdioxidkugeln gegenüberliegende Kanten miteinander, erhält man 4 von wenigen Nanometern Durchmesser erreichen. Das ein einwandiges Kohlenstoff-Nanoröhrchen. Für diese fanden Forscher eines deutschen Unternehmens heraus winzigen Röhren ist in der Fachsprache die Abkürzung und setzten es technisch um. Dazu werden heute ver- SW-CNT (engl.: single-wall carbon nanotubes) geläufig. dünnte Dispersionen der Nanokugeln auf eine Oberfläche Kolenstoff-Nanoröhren können jedoch auch aus mehreren gesprüht. Beim Verdunsten des Lösungsmittels ordnen Lagen bestehen. Je nachdem, wie „schief“ das Röhrchen sich die Kugeln in der energetisch günstigsten Weise gewickelt ist, erhält es elektrisch leitende oder halblei- an und bilden einen sogenannten Photonischen Kristall. tende Eigenschaften. Dadurch lassen sich Kunststoff- Dieser kann je nach seiner Beschaffenheit Licht reflektie- Formteile erzeugen, die statisch aufladbar sind. In der ren oder weiterleiten. Werden die Nanokugeln gleich- Automobilindustrie arbeitet man nach diesem Prinzip an mäßig in eine Kunststofffolie eingebracht, lassen sich Kunststoff-Karosserien, die Pulverlacke binden, ohne dass Materialien herstellen, die nicht nur abhängig vom ein organisches Bindemittel eingesetzt werden muss. Blickwinkel unterschiedlich farbig erscheinen, son- Flugzeug-Konstrukteure planen eine Außenhaut für Jets, dern ihre Farbe auch bei Dehnung verändern. Wird die ohne Drähte elektrische Signale überträgt und bei- die Folie gedehnt, ändert sich der Abstand der spielsweise dabei hilft, feinste Risse im Rumpf an das Kugeln im Material. Daraus resultieren andere opti- Cockpit zu melden. Eine weitere, verblüffende Eigenschaft sche Eigenschaften. Für Photonische Kristalle ergeben der CNTs ist ihre extreme Zugfestigkeit. Weil sie zehnfach sich die verschiedensten Anwendungsmöglichkeiten. höhere Zugbelastungen als Stahl problemlos aushalten, Denkbar sind beispielsweise Sensoren, die auf einen eröffnen sie Möglichkeiten zur Produktion leichter und Blick erkennen lassen, ob ein Material mechanisch sehr stabiler Werkstoffe. beansprucht wird. Auch in der Elektronik können Photonische Kristalle eingesetzt werden, um Licht als Nanofasern – feinste Filter Informationsträger zu nutzen und gezielt zu leiten. Filter spielen im Umweltschutz eine sehr wichtige Rolle und sind deshalb in vielen industriellen Anwendungen verbreitet. In einem Automobil bei- 4.2 Hilfreiche Hohlräume: spielsweise befinden sich 16 verschiedene Filter. Röhrchen und Fasern Sie halten nicht nur Partikel aus Flüssigkeiten und Gasen zurück, sondern verhindern auch, dass Ebenso interessante und faszinierende Nanomaterialien mechanische Komponenten durch die Ablagerung beruhen auf Röhren und Fasern, die einen Durchmesser von Schmutzteilchen verschleißen. Filter bestehen von weniger als 100 Nanometer besitzen, dafür aber aus einem Gewirr übereinander liegender Fasern, wesentlich länger sind. Sie dienen unter anderem als an deren Oberfläche sich Teilchen ablagern können. „Gussformen“ für die Herstellung von Nanodrähten Die Eigenschaften der Fasern entscheiden darüber, oder verleihen als starke Fasermaterialien Metallen wie wirksam ein Filter ist. Je dünner man eine und Kunststoffen besonders hohe Stabilität. In anderen Faser aus einer definierten Materialmenge her- Anwendungen nehmen sie gewünschte Substanzen in sich stellt, umso länger wird sie. Je mehr Faserlänge auf und geben diese fein dosiert wieder ab. verarbeitet wird, desto größer die Filteroberfläche 17
und damit die Filterleistung. Heute sind die Fasern Plättchen mit Power – handelsüblicher Filter bereits dünner als ein tausendstel Flammschutz durch Nano-Ton Millimeter. Noch feiner geht es dank Nanotechnologie: Kunststoffe können herkömmliche Werkstoffe ersetzen, Wissenschaftler aus Marburg haben gemeinsam mit wenn sie bessere Eigenschaften besitzen. In vielen einem führenden deutschen Filterhersteller ein Material Bereichen hat man eine Verbesserung der elastischen zur Marktreife gebracht, das aus Nanofasern besteht. Eigenschaften durch Herstellung von sogenannten Kom- Die ultradünnen Fasern werden mit dem Verfahren des positen erreicht, also Gemischen aus organischen „Elektrospinnens“ hergestellt. Dabei wird eine heiße und anorganischen Stoffen. Heute mischt man viele Kunststofflösung oder -schmelze in einem elektrischen Kunststoffe beispielsweise mit Talkum oder Glasfasern Feld zu einem feinen Strahl beschleunigt und, während zu einem Gewichtsanteil von 20 bis 60 Prozent. Dadurch das Lösemittel verdunstet, immer dünner ausgezogen. werden die Kunststoffe jedoch schwerer. Dieses Problem Die so erzeugten Nanofasern lassen sich auf vielfältige wurde Ende der 80er Jahre durch ein faszinierendes Weise verarbeiten. Als hauchdünne Schicht auf klas- Nanomaterial gelöst: Nano-Bentonit. Dieser Stoff besteht sische Filtermedien aufgetragen, verbessern sie die überwiegend aus dem natürlich vorkommenden Ton- Filterleistung deutlich. Weil herkömmliche Filter durch mineral Montmorillonit. diese Behandlung nicht dicker werden, kann man mit den Nanofasern bereits vorhandene Filteranlagen ohne Eine seiner Besonderheiten ist die hervorragende großen Aufwand optimieren. Quellbarkeit in Wasser. Die Wassermoleküle dringen sehr leicht zwischen die Schichten des Kieselsäure- Minerals ein und bewirken dessen Verteilung in Form 4.3 Die zweite Dimension: Nanoplättchen von Plättchen, die nur einen Nanometer dick sind. Damit sich die Plättchen auch in organischen Polymeren ver- Die folgenden Beispiele erläutern Einsatzmöglichkeiten teilen, muss man ihre Oberfläche entsprechend mit von Nano-Objekten, die unter 100 Nanometer dick, aber organischen Molekülen beschichten. Dann eröffnet der wesentlich länger und breiter sind. Nano-Ton Möglichkeiten, die man mit anderen Füllstoffen ABBILDUNG 4–2 Plättchen mit Power-Flammschutz durch Nano-Ton 18
ABBILDUNG 4–3 Nano bringt Farbe ins Spiel nicht erreicht. Unter anderem dient er als Hilfsstoff zusammen mit mineralischen Flammschutzmitteln dem besseren Flammschutz von Kunststoffen, zum Beispiel in Kabelverkleidungen. Anders als die überwiegend verwendeten halogenhaltigen Flammschutzmittel, setzen die Nanokomposite beim Brand keine giftigen Verbindungen frei und entwickeln zum Teil auch wesent- lich weniger Rauchgas. Bereits geringe Mengen der Nanoteilchen bilden im Kunststoff ein dreidimensionales Netzwerk. Dieses unterstützt im Brandfall die Bildung 4 einer formstabilen Kruste, die das Abtropfen schmelzen- den Materials verhindert und somit die Brandgefahr in der Umgebung eindämmt. Die Vielseitigkeit der Nano- Tonteilchen zeigt sich auch in anderen Anwendungen. Sie machen zum Beispiel Verpackungsfolien gas- und was- hingegen rot. Noch verblüffender wird es, wenn auf fein serdichter oder erlauben die Kombination von Kunststoffen, gemahlene, extrem gleichmäßige Siliziumdioxidplätt- die man früher nicht miteinander mischen konnte. chen (SiO2) als Trägermaterial Nanoschichten aus Titandioxid (TiO2) oder Eisen(III)oxid (Fe2O3) aufgetra- Platte Pigmente: gen werden. Durch das Zusammenspiel von Reflexion, Lichtblicke durch Nanoschichten Brechung und Interferenz sieht der Betrachter je nach Farbwirkungen wie bei der Oberfläche einer Seifenblase, Blickwinkel eine andere Farbe. Mischt man den Plättchen einer Perle, dem Halbedelstein Opal oder den schillern- herkömmliche Pigmente bei, kann man das Farbspektrum den Flügeln bestimmter Schmetterlinge lassen sich dank darüber hinaus auf nahezu jede gewünschte Weise gezielt Nanomaterialien auch künstlich erreichen. Durch sie einstellen. Dies ist möglich, weil die Siliziumdioxidplätt erhalten beispielsweise Autolacke eine edle Erscheinung chen sehr lichtdurchlässig sind. Die beigemischte Farbe und Farbtiefe. Forscher aus der Industrie setzen hierbei „scheint“ sozusagen hindurch. auf optische Effekte, die nicht durch gelöste Partikel, sondern durch nanometerdünne Metalloxidschichten auf Mineralien mit Nanoporen für bessere Kraftstoffe einer Trägersubstanz entstehen. Zeolithe sind natürlich vorkommende Mineralien, genauer gesagt Alumosilicate. Mittlerweile gibt es auch zahlreiche Anfänglich hatten die Wissenschaftler fein gemahlene synthetische Varianten dieses Minerals. Ob künstlich her- Plättchen des Minerals Glimmer (KAl2[(OH,F)2|AlSi3O10]) gestellt oder natürlichen Ursprungs, alle Zeolithen haben als Trägermaterial verwendet und mit einer oder meh- eine sehr poröse Struktur mit zahlreichen Mikro- und reren Schichten eines Metalloxids überzogen. Die unre- Nanoporen. Durch diese Struktur haben Zeolithminerale gelmäßige Dicke der Plättchen beeinträchtigte jedoch eine sehr große, innere Oberfläche, die teilweise mehr die Reinheit der Farben und den Glanz. Dies änderte als 1.000 Quadratmeter pro Gramm betragen kann. Diese sich, als durch Kristallwachstum in einer Salzschmelze Eigenschaft macht sie ideal für viele Anwendungen, bei dünne und sehr gleichmäßige Aluminiumoxid-Plättchen denen sich andere Substanzen an diese Oberfläche anla- als Alternative zum Glimmer erzeugt werden konnten. gern. Zum Beispiel als chemischer Katalysator* oder in Je nach Dicke der Metalloxidbeschichtung wird das Waschmitteln, wo sie für die Wasserenthärtung verantwort- einfallende weiße Licht an ihrer oberen und unteren lich sind. Grenzfläche so reflektiert, dass sich die zurückgeworfe- nen Lichtstrahlen nach dem Prinzip der Interferenz dabei Doch auch für viele industrielle Anwendungen sind sie auslöschen oder verstärken. Bei 60–80 nm Schichtdicke interessant. In München arbeiten Wissenschaftler daran, erscheint das Pigment zum Beispiel gelb, bei 80–100 nm die Vorgänge bei der Anlagerung verschiedener Kohlen- 19
stoffwasserstoffmoleküle in Zeolithen im Detail zu ver- Badezimmerkacheln und Duschkabinenverglasungen fin- stehen und durch eine passgenaue Veränderung der det man diese Schichten schon in vielen Haushalten. Auf Zeolithoberfläche nutzbar zu machen. Diese Forschungen der Oberfläche geschieht folgendes: Ein Wassertropfen rollt könnten zu neuen Trennverfahren in Raffinerien führen, über Schmutzteilchen hinweg und schleppt sie eine Strecke so dass sich mit geringerem Energieaufwand besonders weit mit. Die Haftung des Schmutzes am Wassertropfen hochwertige Kraftstoffe erzeugen ließen. ist aber nicht stark genug, um sie vollständig von der Oberfläche zu spülen. 4.4 Glatt oder nicht: Nanoschichten und -oberflächen „Glatt“ bedeutet nicht immer „sauber“ – Beispiel Lotuspflanze Eine weitere tragende Rolle bei den breit gefächerten In asiatischen Ländern gilt die Lotuspflanze als Symbol Einsatzmöglichkeiten der Nanotechnologie spielen der Reinheit und als heilig: Ihre Blätter entfalten sich Schichten und Oberflächen. Sie verleihen Brillengläsern aus schlammigem Gewässer und sind trotzdem trocken ihre Kratzfestigkeit ebenso wie den Linsen in Handykameras und sauber. Schmutz kann durch einfaches Abbrausen ihre optischen Präzisionseigenschaften. Auch in der Küche entfernt werden. Selbst klebrige Substanzen wie Honig finden wir die Nanotechnologie, beispielsweise auf laufen bei geringem Neigungswinkel der Blätter voll- Metalloberflächen am Kühlschrank. Wenn Fingerabdrücke ständig ab. Dieses Phänomen wurde in den 1970er kaum noch zu sehen sind und sich das Hautfett besser Jahren von dem Bonner Wissenschaftler Prof. Dr. Barthlott von der Fläche wischen lässt, ist dies Nanoschichten zu und seinen Mitarbeitern erforscht und 1992 mit dem verdanken. Weiter geht es in Bad und WC. Wasser perlt Begriff „Lotus-Effekt“ beschrieben. Der Effekt kommt bei vom Spülstein besser ab, es nimmt Verschmutzungen rund 20.000 weiteren Pflanzenarten vor, darunter Kohl, leichter mit und wir verbrauchen geringere Mengen an Kapuzinerkresse, Schilf und Tulpen. Reinigungsmitteln. Pflanzen treten zum Beispiel bei Wasseraufnahme und Ultraglatte Flächen halten sauber Gasaustausch mit der Umwelt über ihre Oberfläche in Der Name sagt es schon – viele leicht zu reinigende Wechselwirkung. Hier sind sie nicht nur dem allgegenwär- Oberflächen beruhen auf dem sogenannten „easy-to-clean tigen Schmutz, sondern auch Feinden wie Bakterien, Viren Effekt“. Er wird durch die Wasser und Fett abweisende und Pilzen ausgesetzt. Der Lotus-Effekt schützt die Pflanze Wirkung von glatten chemischen Schichten erzeugt. Auf wirkungsvoll vor Infektionen, denn Krankheitserreger kön- nen an der Blattoberfläche nicht anhaften und folglich nicht in die Zellen eindringen. Das Geheimnis dieser ABBILDUNG 4–4 verblüffenden Selbstreinigung wurde unter dem Raster- Nano hält sauber Elektronenmikroskop und Rastersondenmikroskopen g(siehe Kapitel 2) gelüftet. Auf der Oberfläche der äuße- ren Blattzellen befinden sich hügelige Mikrostrukturen, die mit wasserabweisenden Wachskristallen von wenigen Nanometern Größe besetzt sind. Oberflächlich betrachtet Die Benetzung eines Stoffes mit Wasser und Luft als umgebendem Medium hängt vom Verhältnis der Grenzflächenspannungen Wasser / Luft, Festkörper/ Wasser und Festkörper / Luft ab. Stoffe mit einer hohen Grenzflächenspannung (zum Beispiel Glasplatte) werden besser benetzt als solche mit niedriger Grenzflächenspannung (zum Beispiel Wachspapier). 20
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