Gesund führen heute Den demografi schen W Betrieb gestalten andel im
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Gesundafifüh ren heute im schen Wandel Den demogr n Betrieb gestalte Vorwort Der Blick auf die zentralen Trends in der Arbeits- Lösungen zu suchen und drohenden Überlas- welt zeigt eines sehr deutlich: Nicht nur der tungen frühzeitig entgegenzuwirken. Gleichzei- demografische Wandel mit dem steigenden tig kommt ihnen eine besondere Vorbildfunktion Durchschnittsalter prägt das künftige Bild in zu. Sie befinden sich in einer Doppelrolle: Auch Betrieben. Gleichzeitig werden die Arbeitspro- sie sind gefordert, auf ihre Gesundheit und ihr zesse und -strukturen komplexer und verändern Wohlbefinden zu achten und den Prozessen sich immer schneller. Die Herausforderung, des Alterns Rechnung zu tragen. Nur wenn gesundes Altern im Betrieb zu ermöglichen, jede einzelne Führungskraft erkennt, dass sie wird deshalb sowohl für jeden Einzelnen als mit ihrem eigenen Verhalten einen signifikan- auch für die Arbeitgeber immer größer. Sowohl ten Einfluss auf das Gesundheitsverhalten Risiken für die körperliche Gesundheit als auch ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat, Situationen der psychischen Überlastung spie- wird auch ein Umdenken bei den Beschäftig- len dabei eine Rolle. ten eintreten. Gesundheit und Wohlbefinden sind die wesent- Die Broschüre „Gesund führen heute“ zeigt lichen Säulen dafür, lebenslang arbeiten zu kön- anhand sehr konkreter Anregungen und Bei- nen. Betriebe, die sich heute schon auf den spiele aus der Praxis umfassend auf, wo die Weg machen, diese Voraussetzungen proaktiv zentralen Herausforderungen für die Führungs- und dauerhaft zu sichern, sind dabei insbeson- kräfte liegen und wie es gelingt, Gesundheit dere auf ihre Führungskräfte angewiesen. Denn und Wohlbefinden in der heutigen Arbeitswelt Führungskräfte sind die „Promoter von oben“, zu erhalten und zu fördern. wenn es darum geht, Ansätze für gesundheits- förderliche Arbeitsbedingungen in die Praxis umzusetzen und mit Leben zu füllen. Sie ken- nen die Beschäftigten aufgrund des engen Professor Dr. Jutta Rump Kontaktes meist am besten. Sie können erste Institut für Beschäftigung und Employability Ansprechpartner sein, um nach bestmöglichen Ludwigshafen Gesund führen heute | Herausgeber: Techniker Krankenkasse, Hauptverwaltung: 22291 Hamburg, Internet: www.tk.de. Bereich Markt und Kunde, Fachreferat Gesundheitsmanagement: Thomas Holm (verantwortlich). Text: Dr. Anne Katrin Matyssek, do care! Redaktion: Anne Frobeen. Fachliche Beratung: Dr. Brigitte Steinke. Medienkonzeption: Micaela Berger, Verena Schultheiß, Sabine König. Gestaltung: The Ad Store GmbH, Hamburg. Produktion: Oliver Kühl. Lithografie: Hirte GmbH & Co. KG, Hamburg. Bilder: Corbis, Getty Images. Druck: Bösmann Medien und Druck GmbH & Co. KG, Detmold. © Techniker Krankenkasse. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und sonstige Formen der Vervielfältigung – auch auszugsweise – nur mit schrift- licher Genehmigung der TK. Die enthaltenen Informationen wurden sorgfältig recherchiert. Für eventuelle Änderungen oder Irrtümer können wir keine Gewähr übernehmen. 3. Auflage, 2015. Um die Lesbarkeit zu erhalten, verwenden wir in dieser Broschüre sowohl die männliche als auch die weibliche Form. In jedem Fall ist auch das jeweils andere Geschlecht damit gemeint. 2 | Gesund führen heute
Inhalt Deutschland altert Vom Tannenbaum zum Trichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Wandel der Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Demografiefest werden Sich ein Bild machen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11 Weichen stellen im Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Zukunftsgespräche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Gezielte Weiterbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Arbeitszeiten flexibel gestalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Die Arbeit sinnvoll organisieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Wissen weitergeben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Betriebliches Eingliederungsmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Betriebs- oder Dienstvereinbarungen nutzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Test: Wie demografiefest ist Ihr Unternehmen? . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Alter[n]sgerecht führen Was Sie als Führungskraft beachten sollten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Anerkennung fördert die Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Sinn vermitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Informationen weitergeben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Selbstständiges Arbeiten ermöglichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Individuell führen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Sicherheit geben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Neue Herausforderungen meistern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Belastungen erkennen Grenzen anerkennen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Belastungssymptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Belastungen ansprechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Langzeitkranke führen, Rückkehrer integrieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Selbst gesund bleiben Bewusst älter werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Gelassen werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Fit bleiben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Gesund essen und trinken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Ihre persönliche Altersvorsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 So hilft die TK Mit der TK die demografische Entwicklung gestalten . . . . . . . . . . . . . 43 Persönliche Hilfen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Literatur und Links Literatur, Quellenangaben und Links . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Gesund führen heute | 3
h l a n d a l te r t Deutsc fte un d U n te rn e h men müs s e n s ich d igte a ra in uf einstellen te n s i v e r a , n ihre Firma Führungskrä a ls a u ch ä lt ere Beschäft hl junge künftig sowo zu binden.
Vom Tannenbaum zum Trichter Älter werden – das geht an niemandem spurlos Die Zahlen des Statistischen Bundesamts vorüber. Irgendwann muss sich jeder mit dem belegen denn auch eine deutliche Verschie- Thema auseinandersetzen, Sie als Führungskraft bung der Alterspyramide: Die Zahl der Jünge- sogar in zweifacher Hinsicht: Sie sind einerseits ren wird kleiner, die der Älteren größer. Auch selbst betroffen, andererseits haben Sie es durch Zuwanderung lässt sich diese Kluft nicht vielleicht heute schon mit immer mehr älteren schließen. Die grafische Darstellung macht Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu tun. deutlich: Während die Verteilung der Gesamt- bevölkerung früher einem Tannenbaum ähnel- Ein paar Fakten: te – viele Kinder und wenig Alte –, gleicht sie zukünftig eher einem Trichter. Die Alterspyramide Unsere Lebenserwartung hat sich seit 1871 wird auf den Kopf gestellt. verdoppelt. Im Jahr 2040 wird jeder Zweite über 50 sein, 2050 ist jeder Dritte 80 Jahre Auch die Belegschaften altern oder älter. Die Gesundheitsberichterstattung des Bundes vom August 2014 zeigt: Die Die demografischen Veränderungen in der Deutschen werden so alt wie nie. Neugebo- Gesellschaft haben auch Einfluss auf die rene Jungen haben eine durchschnittliche Betriebe. Lebenserwartung von 77,7 Jahren, Mädchen sogar von 82,7 Jahren. Im Jahr 2050 wird es ohne massiven Zuzug Parallel dazu nimmt die Zahl der geborenen oder eine erhöhte Geburtenrate nur noch Kinder pro Frau kontinuierlich ab. Gab es halb so viele Erwerbstätige geben wie heute. 2005 noch in etwa gleich viele Neugeborene Nach dem Demografiebericht der Bundesre- und 60-Jährige, werden es 2050 doppelt so gierung aus dem Jahr 2012 könnte die Zahl viele 60-Jährige wie Neugeborene sein. Und der Menschen im erwerbsfähigen Alter von nur zehn Jahre später, im Jahr 2060, wird ein rund 50 Millionen heute bis zum Jahr 2050 Drittel der Bevölkerung 65 Jahre oder älter sein. auf fast die Hälfte sinken – auf 26,5 Millionen. Bevölkerungspyramiden 1950 und 2060 Altersaufbau: 1950 Altersaufbau: 2060 Deutschland Deutschland 100 100 90 90 80 80 70 70 60 60 50 50 Männer Frauen Männer Frauen 40 40 30 30 20 20 10 10 0 0 600 300 300 600 600 300 300 600 Tausend Tausend Tausend Tausend Quelle: Statistisches Bundesamt (2015) Gesund führen heute | 5
Die Belegschaften werden immer älter. Bereits vielerorts der Nachwuchs. Künftig wird es in heute gibt es mehr 50- als 30-Jährige in deut- vielen Branchen einen deutlichen Mangel an schen Betrieben. Diese Entwicklung vollzieht Fachkräften geben. Darauf müssen sich die sich in ganz Europa, und sie nimmt tendenziell Unternehmen einstellen. Sie werden sich daher zu. Ab 2026 werden die Altersgruppen über stärker um eine langfristige Bindung ihrer Mit- 55 Jahre besonders stark besetzt sein. Die arbeiter bemühen. Statistiken der Deutschen Rentenversicherung belegen: Das durchschnittliche Renteneintritts- Führung – der entscheidende Faktor alter der Männer lag 2012 bei 61,2 Jahren, bei den Frauen bei 61 Jahren. Noch im Jahr 2000 Das Verhalten, die Einstellung und die Haltung wechselten Männer im Durchschnitt mit 59,8 von Vorgesetzten gegenüber Mitarbeitern sind Jahren in den Ruhestand, Frauen mit 60,5 Jah- entscheidend dafür, ob diese beim Unterneh- ren. Damals wurde der vorzeitige Ruhestand men bleiben oder es verlassen wollen. Häufig allerdings auch noch staatlich gefördert. wird nicht dem Unternehmen gekündigt, son- dern dem Vorgesetzten. Das Führungsverhalten Fachkräftemangel droht wird deshalb noch wichtiger werden als bisher. Viele Mitarbeiter werden aus Altersgründen die Führungskräfte sind einerseits gefragt, die Ar- Unternehmen verlassen. Nur jeder zweite Be- beitsbedingungen so zu gestalten, dass die schäftigte kann sich derzeit vorstellen, seine Beschäftigten bis zum Renteneintrittsalter er- Arbeit bis zum Alter von 65 oder 67 Jahren werbsfähig und gesund bleiben. Andererseits fortzusetzen, auch wenn er weiterhin körper- müssen sie die Herausforderung bewältigen, lich und geistig gesund bleibt. Das zeigt der die Motivation älterer Beschäftigter zu erhalten Report der Initiative Gesundheit & Arbeit aus und zu fördern. Denn ein langes Erwerbsleben dem Jahr 2014. muss nicht nur gesundheitlich möglich sein, sondern auch erstrebenswert – und zwar nicht Der Wunsch älterer Beschäftigter, länger im nur aus finanziellen Gründen, sondern aus Freu- Unternehmen zu bleiben, ist also in der Regel de an der Arbeit. gering. Die meisten wünschen sich, vorzeitig in den Ruhestand zu gehen, viele am liebsten Arbeiten müssen, arbeiten können und arbei- schon mit 59 Jahren. Das bedeutet Wissens- ten wollen – diese drei Facetten entscheiden und Kompetenzverluste. Schon heute fehlt über die Frage, ob jemand kürzer oder länger 6 | Gesund führen heute
als bis zum gesetzlichen Rentenalter arbeitet. GUT ZU WISSEN! So sagt es der Arbeitsmediziner Hans Martin Seltener, aber länger krank Hasselhorn von der Bundesanstalt für Arbeits- Beratung durch die TK | schutz und Arbeitsmedizin in Berlin. Zwei die- Mit den Instrumenten des ser Facetten können Sie und Ihr Unternehmen Betrieblichen Gesundheits- beeinflussen. Nämlich, ob Ihre Mitarbeiter auch Ältere Mitarbeiter sind statistisch selte- managements haben Sie in höherem Alter arbeiten können und arbei- ner krank als jüngere. Wenn sie aber eine leistungsfähige Basis, ten wollen. krank sind, fallen sie im Durchschnitt um den demografischen viermal so lange aus wie die Jüngeren. Wandel zu bewältigen. Die Techniker Krankenkasse Machen Sie sich deshalb vertraut mit den Be- Der TK-Gesundheitsreport aus dem Jahr hilft dabei mit einem gut dürfnissen, den Kompetenzen und Fähigkeiten 2014 zeigt: Eine einzelne Krankschreibung ausgebauten Beratungs- älterer Menschen. Überprüfen Sie Ihre Einstel- dauert bei den 15 - bis 19-Jährigen im system. Mehr dazu im lung gegenüber Älteren daraufhin, ob sie Ihnen Durchschnitt fünf Tage. Bei Beschäftigten Kapitel „So hilft die TK“, hilft, auch ältere Mitarbeiter zu motivieren und ab 60 Jahren sind es mehr als 20 Tage. Seite 42. zur Arbeitsleistung zu befähigen. Die nachfol- genden Seiten sollen Sie dabei unterstützen. Auch derjenige, der am Arbeitsplatz er- scheint, ist nicht unbedingt fit. Chronische Erkrankungen, g Demotivation und Resig- nation nation kkönnen önnen die Leistung beeinträchti- gen. F Für ür Sie als Führungskraft geht es dann dar darum um, wie Sie auch mit ge- sund sun dheitlic heit h beeinträchtigten Mitar- beiterinnen beiterinn und Mitarbeitern die Arbeit er erledigen können. Ganz wich- tig dabei, auch für ältere Beschäftig- te: Wer seine s Arbeit selbst gestalten kann, ist in der Regel deutlich pro- duktiver duktiv er. Und wer sich nicht topfit fühlt, b brauc ra ht die Erlaubnis, Pau- sen zu mac m hen, wenn sie nötig sind. Ältere Älte t brauchen übrigens häu- fige ger Erholungspausen g r Er E holu als Jüngere. Gesund führen heute | 7
Wandel der Kompetenzen Ab wann ist ein Mitarbeiter für Sie alt? Bitte Teufelskreis Vorurteil denken Sie kurz darüber nach, bevor Sie wei- terlesen. Denn es geht jetzt um Ihre Einstel- Wer so denkt, schadet sich selbst – auch wenn lung und Ihre Gedanken. die Beobachtungen im Einzelfall zutreffen mö- gen. Denn solche Überzeugungen bergen die Amerikanische Führungskräfte halten ihre Mit- Gefahr der „sich selbst erfüllenden Prophezei- arbeiter bis 60 für voll leistungsfähig – deutsche ung“. Sie beeinflussen auch Ihr Handeln. Je- dagegen nur bis zu einem Alter von 51 Jahren. mand, der so denkt, traut älteren Mitarbeitern Dazu passt, dass in den USA jeder fünfte Mann weniger zu, kontrolliert sie enger und sieht über 70 noch erwerbstätig ist, davon die Hälfte eher die Fehler als die guten Leistungen. Da- in Vollzeit. mit demotiviert er seine älteren Mitarbeiter und treibt sie in die innere Kündigung. Irgend- In den Köpfen deutscher Vorgesetzter ist das wann stimmt die Leistung dann tatsächlich sogenannte Defizitmodell fest verankert: Altern nicht mehr, und die Führungskraft selber wird gleichgesetzt mit einem unumkehrbaren muss die Zeche zahlen. Der Kreislauf schließt Abbau von Leistungsfähigkeit und Kraft. Dem- sich, wenn sie sich dann in ihrer Auffassung entsprechend sind – insbesondere unter jünge- bestätigt sieht, dass ältere Mitarbeiter nicht ren Führungskräften – Befürchtungen in Bezug mehr ausreichend Leistung bringen. auf ältere Mitarbeiter weit verbreitet. Die Kompetenzen ändern sich Denken Sie auch so? Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass be- Der ältere Beschäftigte … stimmte Fähigkeiten mit dem Alter nachlassen oder sich verändern. Dafür aber nehmen andere … bringt’s nicht mehr und gefährdet meine Fähigkeiten zu. Man sollte also eher von einem Ziele. Wandel der Kompetenzen sprechen als von … weiß womöglich mehr als ich. einem Abbau. Während ein 60-Jähriger keine … hat keine Lust mehr auf Veränderungen. Olympiamedaille gewinnt, kann ein 20-Jähriger … lässt sich nichts von mir sagen. keinen Konzern leiten. … stellt meine Autorität in Frage. … ist neidisch auf mich, weil er es nicht zur Ältere sind also nicht weniger leistungsfähig als Führungskraft geschafft hat. Jüngere, sie sind anders leistungsfähig. Es gibt … nutzt seine Zipperlein als Hilfsmittel für keinen generellen Abbau von Fähigkeiten, son- Frührente. dern einen Wandel. Diese Unterschiede gilt 8 | Gesund führen heute
es zu respektieren und konstruktiv zu nutzen, man ja mit spitzem Bleistift rechnen.“ Die Fol- statt sie als Pauschalargument gegen ältere ge dieser Denkweise ist neben der Demotivati- Beschäftigte einzusetzen. on die Dequalifizierung älterer Beschäftigter. Sie können nicht mehr mithalten. Wenn ältere Kompensieren und fördern Beschäftigte dagegen bei Fortbildungen be- rücksichtigt werden, wirkt sich das positiv auf Bei den nachlassenden Fähigkeiten wie Gehör, ihre Kompetenzen und ihre Motivation aus. Sehsinn oder Körperkraft steht in Frage, ob wir sie in der heutigen Informationsgesellschaft wirklich in Perfektion benötigen. Vieles lässt Neue Besen kehren gut – aber die sich durch entsprechende Maschinen kompen- alten kennen die Ecken.“ sieren. Wichtiger sind in der Regel kognitive Leistungen. Die wollen gefördert werden. Eine Klaus Steilmann | Unternehmer auf die Zukunft ausgerichtete Personalpolitik muss diese Aspekte berücksichtigen, zum Bei- spiel beim Thema Personalentwicklung. Oft Es wird folglich Zeit, das Defizitmodell des Al- genug ist das Gegenteil der Fall. terns durch das Kompetenzmodell zu ersetzen. Natürlich muss dabei berücksichtigt werden, Beispiel | Ein 53-jähriger Beschäftigter möchte dass Menschen verschieden sind und verschie- sich für ein Seminar anmelden. Er erhält die den altern. Aber fest steht: Ältere Beschäftigte Antwort: „Wie, Sie wollen zur Fortbildung? Da bringen andere Qualitäten und Qualifikationen muss ich erst einmal nachfragen, ob sich das in ein Unternehmen ein als jüngere. Diese Qua- noch lohnt bei Ihnen. In diesen Zeiten muss litäten gilt es zu nutzen und zu fördern. Wie sich Fähigkeiten mit dem Alter ändern Folgende Fähigkeiten und Eigenschaften Folgende Fähigkeiten und Eigenschaften nehmen aus Sicht betrieblicher Praktiker nehmen im Altersverlauf eher zu: im Altersverlauf eher ab: Körperliche Kraft und Belastbarkeit Erfahrungswissen Gehör und Sehsinn Zuverlässigkeit und Loyalität Schnelligkeit der Informations- Arbeitsmoral und Einstellung zur Qualität verarbeitung Soziale Fähigkeiten Beruflicher Ehrgeiz Fähigkeit zum Gesamtüberblick Kreativität Führungsfähigkeit Lernbereitschaft Wohlüberlegte Entscheidungen Stressresistenz Kenntnis der innerbetrieblichen Zusam- menhänge Gesund führen heute | 9
fi i e fe st we rd e n D e m o g ra en, neue Entw ick lu n g e n vo ra ntreiben und gute U n te rn e h m e n h a lt it e n – d a fü r gibt es viele Wissen im e e rg re if e n d zusammenarb ü b generationen der Praxis. Beispiele aus
Sich ein Bild machen dazu, ob Veränderungen nötig sind. Was ver- ändert werden sollte, wird zusammen mit dem Mitarbeiter in einem zweiten Schritt geklärt. Beim Umgang mit dem demografischen Wandel ist nicht blinder Aktionismus gefragt, sondern Der Work Ability Index geht auf den finnischen saubere Analyse. Zwei wichtige Instrumente Arbeitswissenschaftler Ilmarinen zurück. In dazu sind die Altersstrukturanalyse und der Deutschland beschäftigt sich vor allem die Arbeitsbewältigungsindex (WAI = Work Ability Bergische Universität Wuppertal damit. Er ist Index). ein Fragebogen, der innerhalb von 15 Minuten vom Beschäftigten allein oder zum Beispiel mit Die Altersstrukturanalyse (Monitoring) dem Betriebsarzt ausgefüllt wird. Gefragt wird zum Beispiel nach der Selbsteinschätzung des Um wettbewerbsfähig zu bleiben, brauchen Mitarbeiters in Bezug auf seine Leistungsfä- Unternehmen eine altersgemischte Beleg- higkeit jetzt und in den nächsten Jahren und schaft. Altersstrukturanalysen zielen darauf nach seinen Beschwerden und Erkrankungen. ab, auf Basis der im Unternehmen vorliegen- Je höher die Punktzahl bei der Auswertung, den Personaldaten eine ausgewogene Alters- desto besser passen Arbeitsanforderung und struktur zu erreichen. Leistungsfähigkeit zusammen. Für jede Altersgruppe werden absolute Zahlen und dann Prozentsätze ermittelt und grafisch Sensible Daten | Der Arbeitsbewälti- dargestellt, und zwar entsprechend der Ist- gungsindex erhebt sensible Daten. Des- Situation und für mehrere zukünftige Zeitpunk- halb ist er vor allem dann geeignet, wenn te. Je nach Unternehmensgröße wird auch die Beschäftigten sicher sein können, dass nach Geschlecht, Funktion und Qualifikation die Informationen nicht zu ihrem Nachteil differenziert. Die Altersverteilung und -entwick- gebraucht werden. Zum Beispiel, wenn lung kann für das gesamte Unternehmen, für der Fragebogen als Präventionsinstrument einzelne Abteilungen und für einzelne Kerngrup- in der betriebsärztlichen Praxis verwen- pen untersucht werden, zum Beispiel für Un- det wird oder als anonymisierte Befra- gelernte oder Führungskräfte. gung, um den Erfolg von Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung Berücksichtigt werden dabei auch Rahmenbe- zu messen. dingungen wie Fluktuation, Neurekrutierung, Quote der Übernahme von Auszubildenden oder Krankenquote. Hierauf basierend kann man unterschiedliche Szenarien durchrechnen, Handlungsbedarf erkennen und personalpoliti- sche Strategien darauf abstimmen: Welcher Bereich wird sich wie weiterentwi- ckeln? Welche Beschäftigtengruppe mit welcher Qualifikation oder aus welcher Abteilung wird von Überalterung betroffen sein? Welche Beschäftigten mit Wissens- und Erfahrungsschätzen werden wann das Un- ternehmen verlassen? Welche jüngeren Beschäftigten können de- ren Erfahrungswissen aufnehmen? Welche Rekrutierungsstrategie empfiehlt sich für welchen Bereich? Der Arbeitsbewältigungsindex Damit ein Mitarbeiter arbeitsfähig ist, müssen zwei Dinge möglichst weit übereinstimmen: die Arbeitsanforderungen, die an ihn gestellt wer- den, und seine individuelle Leistungsfähigkeit. Mit dem Instrument des Arbeitsbewältigungs- indexes lässt sich im Gespräch mit einzelnen Mitarbeitern überprüfen, inwieweit Arbeitsan- forderungen und Leistungsfähigkeit zueinander passen. Die Ergebnisse liefern Anhaltspunkte Gesund führen heute | 11
Weichen stellen im Unternehmen Studien zeigen, dass die Arbeitsfähigkeit im des Beschäftigten anzupassen. Ziel ist es, Ge- Normalfall mit dem Alter abnimmt. Eine finni- sundheit, Leistungsfähigkeit und Motivation der sche Langzeituntersuchung weist nach, dass älteren Beschäftigten zu erhalten. Und da die sich dieser Trend umkehren lässt, wenn Gegen- heute jüngeren Beschäftigten die älteren von maßnahmen ergriffen werden. Hierzu zählen morgen sind, sollten sich diese Verbesserun- Maßnahmen zur individuellen Gesundheitsför- gen der Arbeitsbedingungen auf alle Alters- derung und zur Ergonomie und ein verbesser- gruppen beziehen – nicht nur auf die Älteren. tes Führungsverhalten. Sie können also die Arbeitsfähigkeit mit dem Alter nicht nur erhalten, sondern sogar verbes- Das erfahren Sie in diesem Kapitel sern – bis weit über 60 Jahre. Zwei Fragen stel- len sich daher: Wie kann man im Unternehmen die Weichen für einen konstruktiven Umgang mit dem demografischen Wandel stellen? Und: In diesem Kapitel erhalten Sie einen Über- Welches Führungsverhalten ist im Umgang mit blick über die wichtigsten Instrumente für älteren Beschäftigten empfehlenswert? das Management des demografischen Wandels in Ihrem Betrieb. Sie lesen, wie Anforderungen und Ressourcen andere Betriebe diese Anregungen in die müssen passen Praxis umgesetzt haben. Wir stellen Ihnen folgende Instrumente vor: Erfolgreiches Demografiemanagement schafft Das Zukunftsgespräch angemessene Arbeitsbedingungen und stärkt die Ressourcen der Mitarbeiterinnen und Mitar- Gezielte Weiterbildung beiter. Was Sie als Führungskraft im Umgang Die Flexibilisierung der Arbeitszeit mit dem einzelnen Beschäftigten beachten sollten, wird später noch Thema sein. Zunächst Eine sinnvolle Arbeitsorganisation geht es um die Frage, wie Sie im Unternehmen Wissenstransfer die Weichen für eine alternsgerechte Gestal- tung der Arbeit stellen können. Das Betriebliche Eingliederungsma- nagement und Alle im Folgenden genannten Handlungsinstru- Betriebs- oder Dienstvereinbarungen mente laufen letztlich darauf hinaus, die Arbeits- bedingungen flexibel an die individuelle Situation 12 | Gesund führen heute
Zukunftsgespräche Fragen an die Zukunft In Zukunftsgesprächen reden Sie mit Ihren Teammitgliedern über deren berufliche Entwick- lung – zum Beispiel einmal jährlich. Das Ziel ist Leitfragen g im Zukunftsgespräc g p h können eine gute Planung von Qualifizierung, Arbeits- sein: einsatz, Nachfolge und Wissenstransfer. Solche Wie geht es Ihnen angesic angesichts hts der Gespräche sollten mit allen Mitarbeiterinnen Vorstellung ellung,, Ihre jetzige Tätigk g eit noc noch h und Mitarbeitern geführt werden und nicht nur zehn oder zwanzig zwanzig JJa ahre hre auszuüben? mit älteren. Nur dann werden sie offen und Ist Ihre re akt aktuelle uelle Täti tigk gkeit eit so gestal- gestal- ohne Skepsis aufgenommen. tet, dass Sie sie bis zur zu ur RRente ente gesundnd ausführen kkön önnen? nen? Was Führen Sie das Gespräch ressourcenorientiert: müssteste sich sich ändern, damit daamit Ihre Ihr Augenmerk sollte auf den Stärken der Be- Arbeitsfähigk itsfähigkeit eit erhalte erhalten en bleibt? schäftigten und auf deren Wünschen liegen. Dann können Veränderungswünsche frühzeitig Was wollen Sie in erkannt werden und beide Seiten können bes- Ihremm ber berufl uflic ichen hen P e r s o n a l- ser planen. Es versteht sich von selbst, dass Lebenen in diesem solche Gespräche nur in ungestörter und mög- Unternehmen rnehmen nocnochh gespräch lichst angenehmer Atmosphäre stattfinden soll- erreicchen? WWelc elche he ten. Sich offen und mit echtem Interesse mit Entwi wicckl klung ung kkön- ön- dem Gesprächspartner auseinanderzusetzen, nen Sie sic sich h noc nochh ist unabdingbar für das Gelingen des Gesprächs. vorstellen? ellen? Bis wwann ann 11 Uhr soll welc elcher her Schrit Schrittt Zukunftsgespräche entsprechen dem Trend zur abgescschlossen hlossen sein? individualisierten Personalpolitik. Diese berück- Welc che Qualifizier zierung ungg sichtigt die Bedürfnisse in unterschiedlichen ist nötig ötig,, um das Ziel Lebensphasen wie Berufseinstieg, Familien- zu errreic reichen? hen? gründung, Hausbau oder Pflege der Eltern und stimmt sie mit den Interessen des Unterneh- mens ab. Gesund führen heute | 13
Gezielte Weiterbildung Seminare zum Thema Altern Alle zehn Jahre verdoppelt sich unser Wissen. Ressourcen zu stärken heißt deshalb immer So kann eine aktivierende Qualifizierung auch, sich weiterzubilden, um mit den sich zum Thema Altern aussehen: ändernden Bedingungen mithalten zu können. Bislang nehmen überwiegend jüngere Beschäf- Ansetzen am eigenen Erleben tigte an Fortbildungsveranstaltungen teil, wäh- Woran merken Sie, dass Sie älter rend ältere seltener berücksichtigt werden. werden? Was tun Sie für ein gesun- Dabei birgt eine Beschränkung auf das Erfah- des Altern? rungswissen die Gefahr, dass die Älteren das Lernen verlernen und sich dann weniger gut auf Veränderungen einstellen können. Konfrontation mit Vorurteilen Ab wann ist ein Mitarbeiter für Sie Warum Bildung gesund hält „alt“? Worin unterscheiden sich Ihrer Meinung nach jüngere von älteren Lebenslanges Lernen ist erforderlich, um für Mitarbeitern? den Arbeitsmarkt attraktiv zu bleiben. Bildung ist ein Gesundheitsfaktor, denn sie erhält die Arbeitsfähigkeit des Einzelnen und ermöglicht Sensibilisieren für Kompetenz- es ihm, eine subjektiv befriedigende Arbeits- verschiebungen leistung zu erbringen – und zwar unabhängig Was können Jüngere besser, was vom Qualifikationsniveau. Ältere? Welche Zahlen, Daten und Fakten gibt es dazu? Praxisbeispiel: Bildung als Wettbewerbsvor- teil und Gesundheitsfaktor | Der Chemiekon- zern BASF mit Firmensitz in Ludwigshafen am Ausstattung mit Know-how Rhein fordert und fördert eigenverantwortli- Wie ermöglichen Sie Wissenstrans- ches und praxisnahes Lernen, damit die Mitar- fer? Woran erkennen Sie Belastungs- beiter Stärken, Ideen und Wissen voll entfalten signale und wie sprechen Sie sie an? können. Dazu bietet er ihnen zum Beispiel eine Lernberatung und Laufbahnorientierung. In der Lernberatung des BASF-Lernzentrums erfahren Mitarbeiter im Einzelgespräch, mit welchen innovativen und effektiven Lernmethoden sie Arbeitszeiten flexibel je nach Lerntyp am besten lernen können. Ge- meinsam wird ein persönlicher Lernplan erstellt gestalten und werden passende Lernmedien und Qualifi- zierungsangebote ausgewählt. Die Laufbahn- orientierung des BASF-Lernzentrums bietet Arbeitszeitkonten Orientierungshilfe bei vielen Fragen zur berufli- chen Weiterentwicklung. Zum Beispiel zur Für Arbeitszeitkonten gibt es unterschiedliche Analyse eigener Interessen, Stärken und Po- Konzepte. Beim Zeitwertkonto bringt der Mit- tenziale, zu Möglichkeiten der Entwicklung arbeiter längerfristig Arbeitszeit ein, um später und Qualifizierung, zur Vorbereitung auf das eine Freistellung zu ermöglichen, zum Beispiel Mitarbeiter- und Entwicklungsgespräch oder für den Hausbau. Beim Gleitzeitkonto werden zur konkreten Jobsuche. nur die Arbeitszeitschwankungen über den Monat oder über das Jahr ausgeglichen. Das Aktives Lernen ermöglichen Lebensarbeitszeitkonto ist ein spezielles Lang- zeitkonto, das normalerweise auf eine Freistel- In Veranstaltungen für Führungskräfte zum The- lung vor der Berentung abzielt. ma Altern sollten nicht nur harte Fakten zum demografischen Wandel vermittelt werden. Eines haben diese Ansätze gemeinsam: eine Die Teilnehmer müssen dafür gewonnen wer- größere Flexibilität. Was zunächst mehr Arbeit den, ihr Führungsverhalten selbst zu reflektie- macht, erweist sich langfristig als mitarbeiter- ren. Dafür ist es erforderlich, dass sie sich mit und arbeitgeberfreundlich: Wer sich aussuchen ihrem eigenen Alter(n) auseinandersetzen. Ziel kann, wann er seine Arbeitsstunden ableistet, sollte es sein, dass sie einen Perspektivenwech- wird sich nach einer durchzechten Nacht weder sel vom Defizit- zum Kompetenzmodell vollzie- zur Arbeit quälen noch zum Arzt gehen, sondern hen. Deshalb sollten die Teilnehmer auch für sich sein Stundenkonto entsprechend belasten. Stu- selbst etwas mitnehmen, etwa praktische Tipps dien zeigen: Je älter die Beschäftigten sind, für die eigene Work-Life-Balance. desto wichtiger wird es, die Tagesarbeitszeit zu verkürzen. Deshalb sind individuelle Absprachen über Arbeitszeitkürzungen und gleitende Über- gänge in den Ruhestand sinnvoll. 14 | Gesund führen heute
Praxisbeispiel: ZeitWertKonten | Bei der Vielseitigkeit fördern Sick AG, einem führenden Hersteller von Sen- soren mit Sitz in Waldkirch im Breisgau, können Spezialistentum sollten Sie aus zwei Gründen Beschäftigte auf Wunsch Teile ihrer Arbeitszeit vermeiden: zum Wohle des Beschäftigten und mithilfe des ZeitWertKontos in Geld umwan- zum Wohle des Unternehmens. Denn was deln. Während der Arbeitsphase legen sie dabei geschieht mit dem Spezialisten, wenn seine ein finanzielles Guthaben an, indem sie sich Tätigkeit wegfällt, etwa durch Rationalisierung? einen Teil ihrer Arbeitszeit nicht vergüten las- Und was macht das Unternehmen, wenn es sen. Diese „Einzahlungen von Zeit“ sind steu- auf den Spezialisten angewiesen ist und der er- und sozialabgabenfrei. Die Beschäftigten beispielsweise krank wird? können selbst wählen, wie das finanzielle Gut- haben angelegt werden soll. Sie können es Arbeitsplätze anpassen anschließend für eine Freistellung verwenden. Etwa indem sie sich für eine Zeit bezahlt frei- Ältere Menschen wollen keinen Sonderstatus. stellen lassen, früher in Rente gehen oder ihre Hintergrund scheint zu sein, dass Menschen Wochenarbeitszeit verkürzen. nicht gern an das Älterwerden erinnert werden. Eine Versetzung auf einen sogenannten Schon- arbeitsplatz beispielsweise kann sich negativ Die Arbeit sinnvoll auf das Selbstwertgefühl auswirken. Besser ist es, stattdessen den aktuellen Arbeitsplatz an organisieren die Leistungsmöglichkeiten des Beschäftigten anzupassen, indem zum Beispiel Geräte zum Ausgleich der nachlassenden Körperkraft inte- Pausen gezielt einsetzen griert werden. Dies wird als Ausdruck von Wertschätzung empfunden. Ältere Beschäftigte benötigen mehr Pausen, um ihre Aufgaben zu bewältigen. Ein Unter- nehmen, das darauf Rücksicht nimmt – zum Beispiel durch individualisierte Pausengestal- tung und individuelle Pausenrhythmen –, kann mit besserer Leistung rechnen als ein Betrieb, der strikte Regeln für alle hat. Werden Erho- lungsbedürfnisse ignoriert, tritt umso früher Erschöpfung ein. Ältere Menschen brauchen auch länger, um sich zu erholen. Rechtzeitige kleine Pausen sind daher ebenso wichtig wie die Vermeidung von Zeitdruck oder zusätzli- chen physikalischen Stressoren wie Hitze oder Lärm. Auch die Reduzierung von Schichtarbeit und Außendiensttätigkeiten ist empfehlenswert. Abwechslung hält fit Um Unterforderung zu vermeiden und die men- tale Fitness zu erhalten, ist eine Mischung von Tätigkeiten oder Rotation sinnvoll. So lernt der ältere Beschäftigte unterschiedliche Aufgaben kennen. Das stärkt sein Selbstwertgefühl und fördert seine Veränderungsfähigkeit. Die Devise zum Umgang mit Veränderungen lautet: gar nicht erst aus dem Training kommen! Die Ver- änderungsfähigkeit kann auch durch einen Wech- sel zwischen Aufgaben und Positionen gefördert werden. Im Grunde verbessert jeder Tätigkeits- wechsel die Handlungskompetenz und hält fit – nicht nur im mental-geistigen Sinne. Der Arbeitswissenschaftler Ilmarinen zitiert die Studie eines Kollegen aus Finnland, die zeigt, dass Menschen, die als reine Kopfarbeiter tätig waren, in zehn Jahren einen fünfmal so hohen Verlust an Muskelkraft erlitten wie Menschen, die einer gemischten Tätigkeit mit geistigen und körperlichen Aufgaben nachgingen. Gesund führen heute | 15
Wissen weitergeben Tandems Junge Beschäftigte müssen ihr Ausbildungs- Wenn Unternehmen darauf achten, das Know- wissen mit praktischen Erfahrungen füllen. Die how der älteren Beschäftigten zu bewahren und älteren bringen Erfahrung mit, können aber zu pflegen, sichern sie ihre Wettbewerbsfähig- von Informationen über aktuelle Lehrmeinun- keit. Wer nur auf junge Mitarbeiter setzt, weil er gen profitieren. Tandems zwischen je einem sich Innovation erhofft, kann bald alt aussehen: jüngeren und einem älteren Beschäftigten ver- Ältere Beschäftigte sind häufig Träger von Er- knüpfen diese Gegebenheiten zu einer Win- fahrungs- und Wissensschätzen. Wenn sie das win-Situation. Unternehmen verlassen, drohen diese Schätze verloren zu gehen. Praxisbeispiel Generation Management | In einer Kooperation des Messeveranstalters Messe München GmbH mit der Techniker Kran- kenkasse setzte die Messe München GmbH Wege zum Wissenstransfer mithilfe der TK unter anderem ein Pilotprojekt zum Demografiemanagement um. Damit wollte der Messeveranstalter die Kompetenzen seiner Mitarbeiter fördern – ein ganzes Leben lang. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, den Wissenstransfer zwischen Jung In diesem Projekt konnten Führungskräfte zum und Alt sicherzustellen. Zum Beispiel: Beispiel an Workshops wie „Führen in und durch alle Lebensphasen“ oder „Motivations- Tandems strategien“ teilnehmen. Oder sie lernten, wie Duos aus Alt und Jung sie durch ein geeignetes Ressourcenmanage- Altersgemischte Teams ment die Leistungskraft der Beschäftigten er- Alte und Junge bilden ein Team halten konnten. In Workshops mit dem Titel „Mit 67 Jahren ist noch lange nicht Schluss“ Paten erarbeiteten sie gemeinsam mit Mitarbeitern Erfahrene Mitarbeiter helfen jüngeren Wege, das Wissen Älterer an die Jüngeren Generationennetzwerke weiterzugeben. Pensionäre arbeiten mit Altersgemischte Teams Hospitationen und Job Rotation Netzwerke schaffen, Neues kennen- Die Zusammensetzung der Teams sollte in mög- lernen lichst allen Bereichen eines Unternehmens altersgemischt sein. Gleiches gilt übrigens auch 16 | Gesund führen heute
für Geschlechter oder Ethnien. So wird sicher- können ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gestellt, dass Wissen und Erfahrungen von zu Hospitationen in andere Abteilungen entsandt Menschen mit unterschiedlichen Lebenshinter- werden. Sie werden in die dortigen Geschäfts- gründen in die Arbeit einfließen. Die Toleranz prozesse eingeführt und nehmen an Sitzungen wächst, die Kreativität wird gefördert und al- dieser Abteilung teil. Anschließend berichten sie tersbedingte Gruppenbildung wird vermieden. ihren Kollegen über ihre Erfahrungen. Ähnlich funktioniert die Job Rotation: Mit einem syste- Gute Erfahrung damit hat zum Beispiel die matischen Wechsel von Tätigkeiten innerhalb Bank ING-DiBa AG gemacht. oder außerhalb der Abteilung wird das Know- how der Beschäftigten ausgebaut und ihre Praxisbeispiel Ausbildung 50+ | Bei der ING- Lernfähigkeit gestärkt. DiBa werden seit 2006 jedes Jahr mehrere ältere Menschen zu Bankassistenten ausge- bildet. Dieter Doetsch, Ausbildungsleiter, ist Betriebliches Einglie- sehr zufrieden mit den Ergebnissen des Pro- gramms „Ausbildung 50+“. „Seitdem wir in derungsmanagement allen Teams auch Ältere dabeihaben, können wir noch mehr Kunden zufriedenstellen“, sagt GUT ZU WISSEN! er. „Sie haben eine ganz andere Lebenserfah- Auch das Betriebliche Eingliederungsmanage- rung und Ausstrahlung als die, die frisch von ment (BEM) kann Ihnen Anhaltspunkte dafür Hilfe durch die TK | der Schule kommen.“ geben, wo Sie in Ihrem Unternehmen oder in Betriebe, die ihr Betrieb- Ihrem Team ansetzen können, um die Arbeit liches Eingliederungs- Paten auch für ältere oder kranke Menschen leistbar management aufbauen wollen, können dafür zu machen. Unterstützung durch Erfahrene Mitarbeiter begleiten Berufsanfänger die TK erhalten. Lesen bei ihrem Einstieg. Sie ermöglichen ihren jun- Gesetzlich vorgeschrieben Sie mehr dazu im Ka- gen Kollegen Einblicke in die Abläufe des Un- pitel „So hilft die TK“, ternehmens und helfen beim Aufbau sozialer Bei Beschäftigten, die aus Krankheitsgründen Seite 42. Netzwerke – auch über Abteilungen hinweg. längere Fehlzeiten aufweisen, besteht das Risi- Daneben vermitteln sie informelles Wissen, ko, dass sie den Arbeitsplatz verlieren. Der zum Beispiel über so wichtige Fragen wie: Wo Gesetzgeber schreibt deshalb seit 2004 den drohen Fettnäpfchen? Wer ist Meinungsfüh- Unternehmen den Aufbau eines Eingliederungs- rer? Die Älteren erleben sich als kompetente managements für Mitarbeiterinnen und Mitar- Kenner des Betriebes und bekommen einen beiter mit gesundheitlichen Problemen vor. Das neuen Blick auf die ihnen vertraute Arbeits- Betriebliche Eingliederungsmanagement soll welt. So werden Beziehungen zwischen den längerfristig oder wiederholt erkrankte Beschäf- Generationen geknüpft, von denen beide Sei- tigte im Unternehmen halten. ten profitieren. Zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement Praxisbeispiel Generationennetzwerk | Das gehören alle Maßnahmen, die dazu dienen, „Generationennetzwerk“ der Deutschen Bank Beschäftigte mit gesundheitlichen Einschrän- geht auf eine Initiative von Beschäftigten der kungen dauerhaft in das Arbeitsleben einzuglie- Bank zurück. Sie gründeten das Netzwerk im dern. Gerade bei älteren Beschäftigten kann es Jahr 2007. Ihr Ziel: Sie wollen erreichen, dass häufiger dazu kommen, dass besondere Aktivi- Ältere und Jüngere einander besser verste- täten notwendig werden. hen, mehr miteinander reden und besser zu- sammenarbeiten. Außerdem soll das Thema Das Gesetz motiviert den Arbeitgeber, Erkran- im Unternehmen und im Management präsen- kungen am Arbeitsplatz vorzubeugen und er- ter werden. Mit Unterstützung des Manage- krankte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach ments richtet das Netzwerk unter anderem einer erfolgreichen Rehabilitation wieder im ehrenamtlich das jährliche Generationen-Tan- Unternehmen einzugliedern. Arbeitgeber und dem-Programm aus, bei dem die Teilnehmer Arbeitnehmer sollen gemeinsam untersuchen, die Sichtweisen der anderen Generation aus wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst bald über- unterschiedlichen Geschäftsbereichen der Bank wunden werden kann. Wenn Beschäftigte in- kennenlernen können. Das Netzwerk steht Be- nerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen schäftigten jeden Alters offen. Inzwischen hat es ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig rund 1.000 Mitglieder in ganz Deutschland. waren, haben sie ein Recht auf diesen Prozess, um einer weiteren Arbeitsunfähigkeit vorzubeu- Hospitationen und Job Rotation gen. Das gilt für alle Beschäftigten, nicht nur für Schwerbehinderte und ihnen Gleichgestellte. Abteilungs- und generationsübergreifende Netzwerke können auch mit Hospitationen und In der Regel werden Einzelheiten hierzu in Be- Job Rotation gefördert werden. Zum Beispiel triebsvereinbarungen geregelt. Gesund führen heute | 17
Gemeinsam Lösungen finden Betriebs- oder Dienst- Das Betriebliche Eingliederungsmanagement vereinbarungen nutzen bringt Arbeitgeber und Arbeitnehmer ins Ge- spräch. Wenn miteinander geredet wird, können auch Ursachen für arbeitsbedingte Erkrankungen Betriebsvereinbarungen – im Öffentlichen auf den Tisch kommen. So kann es Hinweise auf Dienst: Dienstvereinbarungen – werden zwi- Arbeitsanforderungen geben, die mit zunehmen- schen dem Betriebsrat und der Geschäftsleitung dem Alter weniger gut erfüllt werden können geschlossen, im Öffentlichen Dienst zwischen oder die zu psychischen Belastungen führen. Personalrat und Dienststelle. Diese Vereinbarun- Solche Hinweise liefern Ansatzpunkte für not- gen enthalten Rechte und Regeln für die Be- wendige Veränderungen in der Gestaltung der schäftigten, die für alle verbindlich sind und Arbeitsbedingungen. Durch davon abgeleitete notfalls auch eingeklagt werden können. Sie präventive Maßnahmen kann die Arbeitsfähig- zeigen Problemlösungen für Situationen, für keit gefördert werden. Davon profitiert dann die es keine entsprechenden gesetzlichen nicht nur der erkrankte Mitarbeiter, sondern alle. Vorschriften gibt, zum Beispiel zum Umgang mit suchtauffälligen Beschäftigten. Es ist nicht immer leicht, mit chronisch Kranken ins Gespräch zu kommen. Das gilt für psychisch Praxisbeispiel Kreisverwaltung Recklinghau- Kranke, aber auch für Krebskranke oder Men- sen | Die Kreisverwaltung Recklinghausen hat schen mit anderen chronischen Krankheiten. Je schon 2005 eine Dienstvereinbarung über eine mehr die Unternehmenskultur von Offenheit altersgerechte Personal- und Organisationsent- und Gesprächsfähigkeit geprägt ist, desto leich- wicklung geschlossen. Sie soll den gesunden ter wird dem Unternehmen die Umsetzung des Übergang in den Ruhestand ermöglichen. Die Betrieblichen Eingliederungsmanagements Dienstvereinbarung sieht zum Beispiel vor, dass fallen. Dann geht es nicht um die Frage „Wer ältere Beschäftigte für den dritten Abschnitt ihres darf maximal wie lange krank sein, bevor krank- Arbeitslebens motiviert werden. Sie sollen Anre- heitsbedingte Kündigungen möglich werden?“, gungen erhalten, sich mental fit zu halten und sondern um die Frage „Wer kann wie unter- sich bei Bedarf auch neuen Herausforderungen stützt werden, um möglichst bald wieder fit an zu stellen, zum Beispiel durch einen Stellen- den Arbeitsplatz zurückzukehren?“. wechsel. Umfangreiche Informationen sollen helfen, sich auf den Ruhestand vorzubereiten – Stimmt der Beschäftigte zu, können weitere sowohl in rechtlicher und finanzieller als auch in Personen wie Betriebsrat, Werksarzt oder die mentaler Hinsicht. Das Angebot wird durch die Vertrauensperson der Schwerbehinderten zur Kreisverwaltung Recklinghausen zusammen mit Lösungssuche hinzugezogen werden. Kooperationspartnern ständig weiterentwickelt. Das Betriebliche Eingliederungsmanagement bietet damit eine Chance, die Personalarbeit auf die demografischen Veränderungen einzu- stellen und so den Betrieb zukunftssicher zu machen. Weitere positive Effekte: Der Image- gewinn nach innen und außen und Einspar- möglichkeiten durch geringere Ausfallzeiten. 18 | Gesund führen heute
Fragebogen: Wie demografiefest ist Ihr Unternehmen? Der folgende Fragebogen kann Ihnen als Reflexionshilfe dienen, Anregungen geben und eventuell Baustellen aufzeigen, bei denen Handlungsbedarf besteht. Es gibt aber kein Kriterium in Form einer Mindestpunktzahl, die erreicht werden muss. Stattdessen gilt: je mehr, desto besser. Schützen und fördern Sie Gesundheit? Setzt sich Ihr Unternehmen aktiv dafür ein, die Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erhalten und zu fördern? Gibt es hierzu Maßnahmen, die über den gesetzlich geforderten Arbeitsschutz hinausgehen? Fördert Ihr Unternehmen eine Unternehmenskultur, die geprägt ist von gegenseitiger Wertschätzung? Wird dies von den Führungskräften so gelebt? Gibt es zum Beispiel Maßnahmen zur Verbesserung des sozialen Klimas? Haben Sie alterskritische Belastungen im Blick? Haben Sie einen Überblick über Arbeitsaufgaben, die von älteren Beschäftigten eventuell nicht mehr wahrgenom- men werden können? Zum Beispiel weil sie alterskritische Belastungen bergen, etwa schweres Heben und Tragen oder die dauerhafte Verarbeitung visueller oder akustischer Reize? Gibt es einen Plan, wie dies kompensiert werden kann, zum Beispiel durch alternative Tätigkeiten oder Anpassung der Arbeitsplätze? Gibt es genug Auszubildende, Praktikantenstellen oder Diplomarbeiten für frischen Wind? Zielen Ihre Auswahlverfahren auf eine altersausgewogene Beschäftigtenstruktur? Sind die vorhandenen Teams und Abteilungen altersgemischt zusammengesetzt? Werden erfahrene Fachkräfte an das Unternehmen gebunden? Bewerten die Beschäftigten Ihres Unternehmens ihre Arbeitsplätze als attraktiv, so dass von einer geringen Fluktua- tion ausgegangen werden kann? Bieten Sie Weiterbildung für alle? Haben alle Beschäftigten die Chance, an Weiterbildungsmaßnahmen teilzunehmen, und sei es in Form von Rotation, Mitarbeit in Projektgruppen oder Abwechslung in der Tätigkeit selbst? Wissen Sie, welche Altersgruppen an welchen Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen und welche sich ausschließen? Werden Beschäftigte über 50 Jahre zur Teilnahme an Fortbildungen explizit ermutigt? Bieten Sie älteren Arbeitskräften ausreichend Inhalte zur Qualifizierung an? Fördern Sie flexibel Karrieren? Gibt es unterschiedliche Arbeitszeitmodelle, zwischen denen die Beschäftigten wählen können? Gibt es in Ihrem Unternehmen gleiche berufliche Karrierechancen, egal welches Arbeitszeitmodell der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin gewählt hat? Erhält Ihr Unternehmen die Flexibilität und Lernfähigkeit der Beschäftigten durch den Wechsel von Anforderungen oder Tätigkeiten, zum Beispiel durch Rotationsmodelle? Gibt es in Ihrem Unternehmen die Möglichkeit zur horizontalen Karriere, zum Beispiel einer Projekt- oder Fachkarriere mit steigender Verantwortung oder neuen Aufgaben wie Beratung statt Ausführung? Gesund G Ge essu esuunnd d fführen ühre üh ren n he h heute eut utee | 19
e re c h t f ü h re n A l te r [ n ] s g nvollen Aufg ab e n u n d g e z ielter Förderu en ng d A n e rk e n n u n g , s in rb e it e r z u H öchstleistung Mit Lob un ita M it a rb e it e rinnen und M re können Sie Ih ie alt sie sind. – e g a l w motivieren
Was Sie als Führungs- kraft beachten sollten „Gutes Führungsverhalten und gute Arbeit von Vorgesetzten sind der einzige hochsignifikante Faktor, für den eine Verbesserung der Arbeitsfä- higkeit zwischen dem 51. und 62. Lebensjahr nachgewiesen wurde.“ Dies ist das Ergebnis einer über elf Jahre dauernden Längsschnitt- studie der Arbeitswissenschaftler Juhani Ilma- rinen und Jürgen Tempel. Für die Frage, ob ein Mensch im Alter von 51 bis 62 Jahren noch arbeitsfähig ist – also seine Tätigkeit ausführen kann –, ist demnach weniger entscheidend, wie viel der Mensch in seinem bisherigen Le- ben körperlich gearbeitet hat. Entscheidend ist, wie das Unternehmen förderliche Bedin- gungen schafft und wie die Führungskräfte bewusst Einfluss nehmen. Was können Füh- rungskräfte nun konkret tun, um die Arbeitsfä- higkeit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erhalten? Das A und O: eine wertschätzende Haltung Anerkennung fördert Die Forscher Tempel und Ilmarinen dazu: „Feh- die Leistung lende Wertschätzung durch den unmittelbaren Vorgesetzten wie durch die Kollegen erschwert es älter werdenden Arbeitnehmern erheblich, an Ilmarinen und Tempel stellten fest: Das Bedürf- ihr eigenes Potenzial und die Qualität ihrer Arbeit nis nach Anerkennung für gute Leistung nimmt zu glauben. In diesem Bereich gibt es einen mit dem Alter keineswegs ab. Im Gegenteil: Es erheblichen Spielraum für Verbesserungen.“ wird eher stärker. Natürlich wollen alle Mitarbei- Und das hat Auswirkungen auf die Arbeitsfä- ter respektvoll und wertschätzend behandelt higkeit. Die Autoren haben Folgendes heraus- werden. Aber Ältere erleben Verstöße dagegen gefunden: Wer bei der Arbeit kaum Möglich- als besonders kränkend. Für sie sind Begriffe keiten hat, Anerkennung und Wertschätzung wie Respekt und Wertschätzung mehr als leere zu erfahren, hat ein 2,4-fach erhöhtes Risiko, Worthülsen. dass sich seine Arbeitsfähigkeit verschlechtert. Als Führungskraft sollten Sie deshalb überprü- fen, ob Sie Ihre Teammitglieder ausreichend anerkennen. Erlernbare Techniken helfen da Was Sie in diesem Kapitel erfahren nicht viel. Stattdessen brauchen Sie eine wert- schätzende Haltung: Sie müssen davon über- zeugt sein, dass Ihre Teammitglieder wertvoll und wichtig sind. Dieses Kapitel zeigt Ihnen, worauf es beim Führen älterer Beschäftigter an- kommt. Dazu gehört vor allem: Fragen Sie sich selbst: Richtig anerkennen und loben Was bin ich ohne mein Team? Sinn vermitteln Woran merken meine Mitarbeiterin- nen und Mitarbeiter, dass sie mir Gut informieren wichtig sind? Selbstständiges Arbeiten ermöglichen Wo liegen die Stärken meiner Team- Individuell führen mitglieder? Wer kann was am besten? Sicherheit geben Welches Verhalten wünsche ich mir von meinem eigenen Vorgesetzten? Optimale Lernbedingungen schaffen Handele ich selbst so? Gesund führen heute | 21
Wer die Fragen ehrlich beantwortet, ist auto- Auch falls sich Kunden oder andere Abteilungen GUT ZU WISSEN! matisch aufmerksamer im Umgang mit seinen lobend über ein Mitglied Ihres Teams äußern, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Dann zeigt können Sie dies mit seiner Zustimmung vor dem Vorbild sein | Führungs- sich die Wertschätzung ganz von selbst in vie- ganzen Team berichten. Ansonsten sollte ein kräfte beeinflussen vor len kleinen Dingen wie dem freundlichen Gruß Lob, genau wie negative Kritik, besser unter allem durch ihr Vorbild- verhalten das soziale am Morgen, bei längerer Abwesenheit auch vier Augen erfolgen. Klima bei der Arbeit mal mit Handschlag, dem höflichen Umgangs- und fördern gesundes ton mit bitte und danke und dem pünktlichen Belohnungen halten gesund Verhalten der Mitarbei- Erscheinen zu Arbeitsgesprächen. Mutige ho- terinnen und Mitarbeiter. len sich auch einmal direktes Feedback von Was jemand als Anerkennung empfindet, ist Wer darüber hinaus ihrem Team. Auch wenn Sie gute Arbeitsmittel unterschiedlich. Der eine möchte mehr Verant- gesundheitsgerechte bereitstellen, drücken Sie damit Ihre Wert- wortung, der andere eine bestimmte Weiter- Arbeitsbedingungen schafft und gezielte schätzung aus. Das Ziel: Geben Sie jedem bildung, ein Dritter freut sich darüber, dass ihm Weiterbildung anbietet, Teammitglied das Gefühl, ein wertvoller bestimmte Urlaubstage ermöglicht werden. hat schon eine Menge Mensch zu sein – und ein wichtiger Teil des für mehr Gesundheit Unternehmens. Hat jemand den Eindruck, dass er mehr leistet, am Arbeitsplatz getan. als er dafür an Geld, Anerkennung oder Auf- Überzeugend anerkennen stiegsmöglichkeiten bekommt, kann er in eine Gratifikationskrise geraten. Nicht nur seine Insbesondere jüngere Führungskräfte fürchten Motivation leidet darunter: Er hat auch nach- bisweilen, anbiedernd zu wirken, wenn sie ein weislich ein höheres Risiko für Herz-Kreislauf- älteres Teammitglied loben. Oder sie haben ein- Erkrankungen. mal eine Reaktion erfahren wie: „Sie können das doch gar nicht beurteilen, ob das eine gute Leis- Finden Sie deshalb heraus, worauf Ihre älteren tung ist. Ich mache meinen Job im Gegensatz zu Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Wert legen, Ihnen schon seit Jahren.“ Die Folge solcher Er- was sie freut und was ihren Bedürfnissen ent- lebnisse: Gelobt werden nur noch jüngere Mit- spricht. Seien Sie kreativ darin, passende Wege arbeiterinnen und Mitarbeiter, denen sich der für eine Belohnung zu finden. Nicht immer ist Vorgesetzte gewachsen fühlt. Aber auch erfahre- ein Karriereschritt nach oben das, was ein Mitar- ne, ältere Beschäftigte brauchen Anerkennung, beiter anstrebt. Vielleicht hätte er lieber einmal um weiterhin gute Leistung zu bringen. Jeder einen Sonderurlaub, eine zeitweise Umgestal- Mensch braucht das Gefühl, dass seine Arbeit tung der Arbeitszeit oder eine besonders attrak- von anderen zur Kenntnis genommen wird. tive Aufgabe. Beschäftigte, die sich aktuell in eine neue Aufgabe einarbeiten oder mit anderen Aufgaben als sonst konfrontiert sind, So geben Sie Anerkennung brauchen Bestätigung auch für kleine Schritte. Damit sie nicht unter dem Gefühl leiden, Übertragen Sie wichtige Aufgaben und dass alles Bisherige Verantwortung! wertlos war, sollten Geben Sie einen Vertrauensvorschuss! Sie als Führungskraft immer mal wieder die Würdigen Sie, was der Einzelne fürs Erwerbsbiografie Ihrer Team leistet! älteren Mitarbeiterinnen Fragen Sie Ihr Teammitglied nach seiner und Mitarbeiter würdigen, Meinung! zum Beispiel durch Hinwei- se auf frühere Erfahrungen, Beziehen Sie die Mitglieder Ihres die heute noch für das Unterneh- Teams in Ihre Entscheidungen ein, vor men von Nutzen sind. allem, wenn sie selbst davon betrof- fen sind! Heute schon gelobt? Erinnern Sie Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an frühere Erfolge, zum Anlässe für Lob gibt es viele. Nicht nur Arbeits- Beispiel Veränderungen, die sie gemeis- leistungen können Sie loben. Wenn jemand tert haben! sich intensiv um das Team kümmert, zum Bei- spiel für Ordnung sorgt, eine Abteilungsfeier Fragen Sie Ihr Teammitglied, ob es vorbereitet, den Auszubildenden unter seine selbst mit seiner Leistung zufrieden Fittiche nimmt oder sich um den neuen Wasser- ist, und sprechen Sie ihm dann Ihre spender kümmert, ist das ein Lob wert – auch Anerkennung aus. vor versammelter Mannschaft, wenn der Mit- arbeiter dem zustimmt. 22 | Gesund führen heute
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