PER-Bewertung und die neuen Passivhaus-Klassen - Rainer Vallentin
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Rainer Vallentin PER-Bewertung und Eine Kritik – Langfassung zum gleichnamigen Tagungsbeitrag die neuen Passivhaus-Klassen 1
Impressum PER-Bewertung und die neuen Passivhaus-Klassen: Eine Kritik Langfassung zum gleichnamigen Tagungsbeitrag auf der 20. Passivhaus-Tagung am 22. - 23. April 2016 in Darmstadt Verfasser: Rainer Vallentin, Architekt, München Mitarbeiterin: Michaela Kern Umschlagsgestaltung: Michael Lang, Graphiker, Erding Fotos und Zeichnugen : Rainer Vallentin (andere Fotografen sind direkt bei den Abbildungen genannt) Internet-Veröffentlichung unter: www.vraie.de Das Urheberrecht liegt beim Autor. München, April 2016 2
Vorwort Der Anlass dieses Beitrags ist der gleichnamige Vortrag auf glasungen, Dämmsysteme, Lüftungsanlagen, Luftdichtkonzep- der 20. Internationalen Passivhaustagung. Im Tagungsbeitrag te) das Anwendungsspektrum in architektonischer und städte- konnten wegen der dort gebotenen Kürze nicht alle Argumente baulicher Hinsicht immer größer wurde. Entscheidend für die- und Daten in der eigentlich notwendigen Ausführlichkeit darge- se positive Gesamtentwicklung ist, dass aus den genannten legt werden. Das soll nun hier in der Langfassung erfolgen. Gründen der bauliche und ökonomische Aufwand, ein Passiv- haus zu realisieren, in den 25 Jahren praktischer Erfahrung im- Der Passivhaus-Standard hat sich im Laufe seiner 25-jäh- mer geringer geworden ist. rigen Entwicklung nach und nach als ein erstaunlich anpas- sungsfähiges Konzept erwiesen: Beginnend mit Wohngebäu- Die „städtebauliche Robustheit“ ist darüber hinaus eine Vor- den wurden Schritt für Schritt immer mehr Nutzungstypen als aussetzung dafür, dass sich die energetische Modernisierung Passivhaus realisiert. Neben Schulen und Verwaltungsgebäu- mit Passivhauskomponenten im Gebäudebestand in sehr vie- den beispielsweise auch Versammlungsstätten, Kirchen, Ein- len Fällen bewähren konnte. Hierbei haben sich weniger die zelhandel, Fabriken und Berghütten. Mit zunehmender Erfah- städtebaulichen Restriktionen als vielmehr die vielfältigen For- rung bei der Planung und dem Bau von Passivhäusern außer- men von Eingriffsempfindlichkeit als begrenzende Faktoren er- halb Mitteleuropas wurde deutlich, dass die dem Passivhaus wiesen. Letztere sind bei genauerer Analyse weitgehend un- zugrundeliegende Effizienzidee sich mit gewissen Abwandlun- abhängig von der Frage der energetischen Qualität der Kom- gen auch in anderen Klimazonen umsetzen lässt. ponenten zu sehen, bei denen diese Hemmnisse nicht beste- hen. In den Bereichen, in denen bestimmte Maßnahmen (z.B. Während bei den ersten Passivhäusern die Entwurfsaspekte Außenwärmeschutz, Fenster, bisweilen auch Innendämmun- der Südorientierung und Kompaktheit noch als mehr oder we- gen und Lüftungsanlagen) aus baukulturellen nachbarrechtli- niger zwingend angesehen wurden, hat man im Laufe der wei- chen oder technischen Gründen nicht verträglich ausführbar teren Entwicklung entdeckt, dass der städtebauliche Spielraum sind, müssen andere Lösungen gefunden werden. Sie beste- in Wirklichkeit sehr groß ist. Dies hat der Autor in mehreren hen häufig darin, dass die Instandsetzung auf das Allernotwen- Beiträgen seit 1998 immer deutlicher herausgearbeitet (1). Nur digste beschränkt wird. Gerade auch aus den Gründen der Be- wenige Grenzfälle lassen sich nicht oder nur mit unvertretba- standssicherung und des Werterhalts erfordern diese Berei- ren Aufwand als Passivhäuser realisieren - das sind z.B. Bau- che immer besondere bauphysikalische Aufmerksamkeit. Die ten mit sehr geringer Kompaktheit und Bauwerke, die aus Nut- hierfür notwendigen Differenzierungen und Nachweise sind im zungsgründen nicht luftdicht ausgebildet werden können sowie EnerPhit-Standard (Feist 2012) auf vorbildliche Art und Weise Gebäude mit kompletter Verglasung aller Fassaden. Ihr Anteil ausformuliert. am Baugeschehen ist verschwindend gering, so dass sich das Passivhauskonzept im Neubau als nahezu universell umsetz- Der Passivhausstandard war eines der ersten Energiekonzep- bar erwiesen hat. Hinzu kommt, dass mit der technologischen te, in dem eine Primärenergiebewertung eingeführt wurde. Be- Verbesserung der Passivhauskomponenten (z.B. Fenster, Ver- reits in der ersten Auflage des Passivhaus-Projektierungs-Pa- 3
kets 1997 war ein entsprechendes Berechnungsblatt integriert. bau und im Bestand (EnerPhit-Standard bzw. schrittweise Als Indikator wurde die nicht erneuerbare Primärenergie ver- Modernisierung mit Passivhaus-Komponenten), die aus wendet, weil sie am ehesten als Leitgröße für Umweltbelastun- der Perspektive des Klimaschutzes zu stellen sind. Der gen und Ressourcen-Inanspruchnahme von Energieträgern entscheidende Aspekt hierbei ist die hohe energetische geeignet erschien (vgl. [Feist 1998], S. VIII/3 ff.). Qualität der Bau- und Technikkomponenten. Gleichzeitig ist auf der Versorgungsseite ein konsequenter Ausbau der Die Bestimmung des Grenzwertes von 120 kWh/m²a für alle erneuerbaren Energien erforderlich (vgl. Vallentin 2011, Energiedienstleistungen im Gebäude (Heizen, Lüften, Kühlen, S.IV-140 ff. und Vallentin 2012a, S. 60 ff.). Warmwasser, Hilfsstrom und alle sonstigen Stromanwendun- gen im Gebäude) erfolgte u.a. anhand der Überlegung, dass er In diesem Zusammenhang ist die im Vergleich zum sonstigen nicht höher liegen sollte, als der Primärenergiebedarf für Haus- Gebäudebestand völlig andere Heizstruktur von Passivhäu- haltsstrom in einem einen vollständig ausgestatteten durch- sern durchaus aufschlussreich: Während im Bestand fossile schnittlichen deutschen Haushalt. Das Passivhaus sollte ins- Energieträger mit etwa 80 % dominieren, weisen Passivhäu- gesamt so effizient konzipiert werden, dass die sonstigen - bis- ser hohe Anteile bei Wärmepumpen (ca. 50%) und Biomas- lang dominierenden - Energieanwendungen für Heizen, Lüften seheizungen (ca. 20%) auf. Ergänzend besitzen mehr als die und Warmwasser ohne zusätzlichen Primärenergieaufwand Hälfte der Passivhäuser thermische Solaranlagen bzw. PV-An- mitenthalten sind (vgl. [Feist 1998], S. VIII/5 f.). lagen (vgl. AKkPH Nr. 38, S. 113). Eine hohe Gebäudeeffizi- enz steht somit nicht im Widerspruch zum Einsatz erneuerba- Obwohl man dies als eine mehr oder weniger willkürliche „Set- rer Energiesysteme. Eher scheint zu gelten, dass die geringen zung“ interpretieren kann, hat sich der gewählte Grenzwert im Bedarfswerte entscheidend dazu beitragen, dass auf regene- Laufe der weiteren Passivhaus-Entwicklung als durchaus pra- rative Energien gestützte Versorgungssysteme konzeptionell xistauglich und zugleich zukunftsweisend erwiesen: und ökonomisch attraktiv werden (vgl. Feist 2013). • Passivhäuser wurden mit einer großen Vielfalt an Versor- Bis heute ein Alleinstellungsmerkmal von Passivhäusern ist die gungssystemen realisiert. Ausgeschlossen wurden nur konsequente Einbeziehung sämtlicher Stromanwendungen in wenige ökonomisch und ökologisch fragwürdige Lösun- der Primärenergiebilanz. Diese Festlegung ist sinnvoll, weil gen, z.B. eine ausschließlich direktelektrische Beheizung physikalisch korrekt und verursachergerecht bilanziert. Ferner und Warmwasserbereitung. ist nur so eine zutreffende Bestimmung der internen Lasten • Sofern die hohen Anforderungen bzw. Empfehlungen im (Kühlfall) bzw. der internen Gewinne (Heizfall) möglich. Hin- Hinblick auf die hohe Effizienz der Nutz- und Endenergie zu kommt ein Aspekt, der in Zukunft eine immer größere Rol- (z.B. Heizwärmebedarf, Warmwasserbereitstellung, Hilfs- le spielen wird: Der Ausbau der erneuerbaren Energien er- strom und sonstiger Strombedarf, Konsequente Begren- folgt schwerpunktmäßig im Bereich der Stromerzeugung. Für zung der Wärmeverteil- und speicherverluste) erfüllt wur- eine zutreffende Bilanzierung von Gebäuden wird somit eine den, war in den meisten Fällen die Einhaltung des Primär- vollständige Berücksichtigung der Stromanwendungen immer energiekriteriums kein Problem mehr. wichtiger. Dies auch, weil künftig viele der heute brennstoff- • Trotz dieser großen Spannbreite an Lösungsansätzen er- gestützten Anwendungen stromgestützt erfolgen werden (z.B. füllen Passivhäuser die strengen Anforderungen im Neu- Wärmepumpen, Warmwasserbereitung, Elektromobilität). 4
Spätestens mit der Konferenz von Rio 1990 sind die Themen gung sogar ohne Netzanschluss funktionieren kann. Die ener- einer nachhaltigen Entwicklung und des Klimaschutzes auf in- getische Qualität der konventionellen Komponenten entsprach ternationaler Ebene etabliert und damit wichtiger Bestandteil in etwa dem Passivhausstandard, hinzu kamen TWD-Fassa- einer globalen Bewusstseinsbildung geworden. Für die En- den und eine spezielle Haustechnik. Das Problem der „Winter- quete-Kommission des 11. deutschen Bundestages „Vorsorge lücke“ wurde hier zum bestimmenden Thema: Für die Nutzung zum Schutz der Erdatmosphäre“ hat das IWU die Studie „Der der Solarenergie im Winter war ein aufwändiges Speichersys- künftige Heizwärmebedarf der privaten Haushalte“ (Ebel et al. tem (Elektrolyse und Wasserstoffspeicher) notwendig. 1996) erarbeitet. Darin wird aufgezeigt, dass mit dem konse- quenten Einsatz von Niedrigenergiekomponenten im Neubau Ebenfalls aufbauend auf dem Passivhauskonzept gelang Rolf und bei der energetischen Modernisierung des Bestandes eine Disch ab 1994 mit seinen Plusenergiehäusern und -siedlungen deutliche Absenkung des Energiebedarfs des Wohngebäude- ein wegweisender und deutlich praktikablerer Schritt in Rich- parks möglich gewesen wäre. Diese Chance wurde jedoch tung einer 100%-erneuerbarer Energieversorgung. Die Ge- nicht genutzt. Erst mit einer Verspätung von 20 Jahren wird mit bäude weisen einen Netzanschluss und südorientierte Ener- der Energieeinsparverordnung 2016 nun ein entsprechendes giedächer auf, die vollständig mit Fotovoltaikmodulen belegt Niveau gesetzlich gefordert. sind. Damit ist ein bilanzieller Jahres-Überschuss der Stromer- zeugung in Bezug auf den Strombedarf erreichbar, sofern die Inzwischen ist der Einsatz von Niedrigenergiekomponenten für Bebauung nicht mehr als drei bis vier Geschosse aufweist. das Erreichen der Klimaschutzziele bei weitem nicht mehr aus- reichend. Daraus resultiert das „Dilemma der mittleren Quali- In Deutschland ist spätestens seit dem Jahr 2000 absehbar, tät“ (Vallentin 2010): Heute sind hohe Qualitäten in der Güte dass ein Umbau des Energiesystems weg von den nuklearen von Passivhaus-Komponenten (oder besser) notwendig, um und fossilen Risikotechnologien bevorsteht. Konkret kann dies die seit 1995 deutlich gestiegenen Anforderungen an einen Kli- an der Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) maschutzstandard zu erfüllen. Werden - wie immer noch üb- und dem Beschluss zum Ausstieg an der Atomenergienutzung lich - nur die gesetzlich geforderten mittleren Qulitäten einge- belegt werden. Die Dynamik des Ausbaus der erneuerbaren setzt, stellt dies aufgrund der langen Standzeiten der Bau- und Energien ist in den Folgejahren fast durchgängig stärker aus- Technikkompoenten eine verpasste Chance dar, die so schnell gefallen, als selbst in den optimistischen Prognosen angenom- nicht wiederkehrt. Selbst nach Ablauf der Nutzungsdauer kön- men. (In anderen Ländern verlief diese Entwicklung jedoch we- nen diese Baukonstruktionen mittlerer Qualität nicht mehr wirt- niger konsequent, z.T. sogar gegenläufig dazu). schaftlich auf ein hohes Niveau verbessert werden. Hinter- grund ist, dass die Energiepreise nicht beliebig ansteigen wer- Dies hat natürlich direkte Konsequenzen für die Energiever- den. Der Einsatz mittlerer Qualität steht daher einer wirksamen sorgung des Gebäudeparks. Am augenscheinlichsten wird Klimaschutzstrategie substanziell im Wege und ist auch später dies an der stetigen Absenkung der Primärenergiefaktoren für kaum mehr korrigierbar (sog. „Lock-in-Effekt“). Strom von 3,0 über 2,7 und 2,4 auf künftig 1,8 (2). Mit dem energieautarken Solarhaus (1992 - 1996) des ISE Eine einfache Antwort - wie vom Autor 2008 vorgeschlagen - Freiburg wurde anhand eines Experimentalbaus der Nachweis wäre gewesen, den Primärenergiekennwert von Passivhäu- erbracht, dass eine ausschließlich erneuerbare Energieversor- sern ab 2010 auf 100 kWh/m2a zu reduzieren und danach in 5
regelmäßigen Zeitabständen (z.B. alle 5 oder 10 Jahre) weiter • Möchte man die erneuerbaren Anteile in die Bewertung mit abzusenken (Vallentin 2008). einbeziehen ist unklar, mit welcher Methode sie kalkuliert werden sollen. In Deutschland kam bis 1994 die Substituti- Damit kann man jedoch nicht die grundlegenden Mängel der onsmethode zum Einsatz. Dabei wird Strom aus Kernkraft Bewertung auf der Basis der nicht-erneuerbaren Primärener- und aus regenerativen Quellen (keine Brennstoffe) der gie in der bisherigen Form einer „Momentaufnahme“ behe- durchschnittliche Primärenergieaufwand von Strom aus ben: fossilen Kraftwerken angerechnet. • Bei der heute üblichen Wirkungsgradmethode wird für • Aktuelle Primärenergiefaktoren (z.B. bezogen auf das Kernkraft ein definitorischer Wirkungsgrad von 33% ver- Baujahr) sind nicht in der Lage die Dynamik des Energie- wendet. Ins Netz eingespeister Strom aus Wind- und systems abzubilden. Das gilt insbesondere für die Bereit- Wasserkraft sowie Fotovoltaik wird mit einem definitori- stellung von Netzstrom und könnte künftig auch für den Be- schen Wirkungsgrad von 100% belegt. Bei einer Bewer- zug von Netzgas gelten, wenn hier höhere Anteile regene- tung der gesamten Primärenergie mit dieser Methode wird rativ erzeugten Wasserstoffs oder Methans (Biogasanla- somit der Anteil erneuerbar erzeugten Stroms systema- gen, „power-to-gas“-Anlagen) eingespeist werden. tisch unterbewertet. • Aufgrund der Komplexität des Energiesystms ist eine Ein- • Sobald der Anteil regenerativ erzeugten Stroms auf über schätzung der künftigen Entwicklung auf szenariengestütz- 50 ... 80 % ansteigt, wird es unvermeidlich, Überschuss- te Modelle angewiesen. Aufgrund der langen Lebens- strom aus Windkraft und Fotovoltaik saisonal zu spei- dauern der Bau- und Technikkomponenten sind hier Zeit- chern, um das Erzeugungsdefizit im Winter auszugleichen. horizonte von 30 - 80 Jahren zu betrachten. Es ist klar, Dies könnte in Deutschland ab etwa 2030 der Fall sein. dass die in den Szenarien getroffenen Aussagen vor allem • Ab diesem Zeitpunkt ist der Aufwand für die Speicherung von darin getroffenen Prämissen und Annahmen abhängig in der primärenergetischen Bewertung zu berücksichtigen, sind. Die tatsächliche Entwicklung wird daher immer mehr weil mit hohem energetischen und finanziellen Auf- oder weniger von den Szenarienbildungen abweichen. wand verbunden. Zu erfassen ist neben den eigentlichen • Als Ausweg bleibt dann nur, mehrere Szenarien neben- Speichertechnologien auch der notwendige Aufbau zusätz- einander zu entwickeln, die verschiedene potenzielle Zu- licher Erzeugungskapazitäten. kunftsentwicklungen abbilden. Auf dieser Basis kann dann • Offen ist ferner, in welcher Art und Weise direkt am Gebäu- eine Risikobewertung anhand eines Szenarienvergleichs de bzw. auf dem Bau- bzw. Siedlungsgrundstück erzeugte vorgenommen werden. regenerative Wärme oder Strom in der Primärenergibilanz • Eine Nichtberücksichtigung der erneuerbaren Anteile der berücksichtigt werden sollen. Hier stimmen der zeitliche Primärenergie hat u.U. zur Folge, dass mangelnde Effizi- Verlauf von Bedarf und Erzeugung noch weniger überein enz durch den Mehreinsatz von erneuerbaren Energie- als in den netzgestützten Systemen. Daher ist zu ent- trägern ausgeglichen wird. Besonders fatal ist dies bei den scheiden, ob und auf welcher methodischen Grundlage Biomasseheizungen, weil dann ein wertvoller, speicher- eine (teilweise) Verrechnung gerechtfertigt ist, oder ob es fähiger Energieträger in ineffizienten Systemen gebunden angemessener ist, Bedarf und Erzeugung ohne Wertung wird und für sinnvollere und strategisch wichtige Anwen- und Verrechnung nebeneinander zu stellen. dungen nicht mehr zur Verfügung steht. 6
Die genannten Punkte führen dazu, dass die Primärenergie- • Ein Szenario kann durchaus ohne Realitätsbezug ent- bewertung von Gebäuden früher oder später grundlegend zu wickelt werden, um einen künftigen Zielzustand abzu- überarbeiten ist. bilden. In der Folge können Handlungsoptionen dahinge- hend beurteilt werden, ob sie in Übereinstimmung mit Hierzu hat das Passivhaus-Institut ein neues Bewertungssys- diesem Endzustand stehen oder nicht. tem in Form des PER-Modells und den neuen Passivhaus- • Theoretisch ist es möglich diesen Zielzustand vorerst ohne Klassen entwickelt (vgl. Feist 2014; Grove-Smith/Feist 2015; ein normativ begründetes Motiv zu definieren. Krick 2015). Es ist seit 2015 in das Passivhaus-Projektierungs- • Dann (und nur dann) dient das Szenario als Erklärungs- Paket, d.h. ab Version 9, als neues Nachweisverfahren einge- modell einem Erkenntnisinteresse und steht im Sinne wis- führt. Der neue Ansatz ist radikal und stellt einen grundlegen- senschaftlicher Autonomie für sich. den Systemwechsel dar. • An dieser Stelle kommt die „Sein-Sollen-Scheidung“ (3) ins Spiel: Es ist nicht möglich direkt aus einem wertfreien Er- Der Grundgedanke besteht darin, Passivhäuser in einem Ener- klärungsmodell Anforderungen für ein wünschenswertes giesystem zu bewerten, in dem die Wärme- und Stromerzeu- oder moralisch richtiges Handeln abzuleiten. Hierzu sind gung vollständig erneuerbar erfolgt. Damit kommt ein fiktiona- weitere Begründungen notwendig, die auf einer ethischen les Element ins Spiel. Einerseits resultieren daraus substan- Positionierung aufbauen (z.B. in Bezug auf eine Gerechtig- zielle strategische Vorteile, andererseits wirft dieser Aspekt keitskonzeption von Nachhaltigkeit, vgl. Ott/Döring 2011). auch erste kritikwürdige Probleme auf: • Die Bestimmung von Anforderungsprofilen (z.B. Grenz- • Das PER-Modell kann ohne spekulative Annahmen die und Zielwerte, Klassenbildungen) erfordert schlüssige Ar- Bedingungen abbilden, die bei einer 100%-erneuerbaren gumente mit engem Bezug auf diese Positionierung. Sie Energieversorgung herrschen. Dadurch wird eine Unab- können (nur) auf dieser Basis einer Kritik unterzogen wer- hängigkeit gegenüber den in immer kürzeren Zeitschritten den. notwendigen Anpassungen und Änderungen der üblichen • Auffällig ist, dass immer dann, wenn Ressoucengerechtig- Bewertungssyteme gewonnen. keit eine Rolle spielt, ein abrupter Wechsel von der natur- • Für den Klimaschutz ist es entscheidend, die existierenden zur geisteswissenschaftlichen Sphäre stattfindet. Energiesysteme mit dem Ziel einer nachhaltigen Dekarbo- • Einen objektiven Maßstab zur Prüfung (wie in den Natur- nisierung nach und nach umzubauen. Dies erfolgt am wissenschaften mit gewissen Einschränkungen möglich) besten im Rahmen anstehender Instandsetzungs- und Er- wird man hier vergeblich suchen: Man begibt sich auf das neuerungszyklen. Die Besonderheiten der Ausgangssitua- offene Feld der praktischen Philosophie und muss es aus- tion (Erzeugungsstruktur, Pfadabhängigkeiten) spielen halten, dass eine Beschäftigung mit ihren Fragen nicht im- eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung der entspre- mer zu eindeutigen Lösungen führt. chenden Transformationspfade. • Dies hat letztlich zur Konsequenz, dass in einem solchen Prozess die (Selbst-)Kritik einen hohen Rang einnimmt, Zusätzlich ist zwischen dem PER-Modell im engeren Sinne sofern man eine irrationale Herangehensweise ablehnt. (das z.B. als finales Szenario interpretiert werden kann) und Bei aufrichtiger Betrachtung steht uns ohnehin kein ande- seiner Verwendung als Bewertungsinstrument im Kontext der rer Weg zur Verfügung, um Antworten für die sich uns stel- neuen Passivhaus-Klassen zu unterscheiden: lenden Fragen und Herausforderungen zu finden (4). 7
1 Einführung und grundlegende Fragen 1.1 Ausgangslage gegen die ihrer Meinung nach „aufoktroyierten Superdämmun- gen“ und gegen die damals neue energetische Berücksichti- Die Diskussion über angemessene Energiestandards wird der- gung von Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung im öf- zeit mit neuer Heftigkeit geführt – zumeist in Form einer Ge- fentlich-rechtlichen Nachweisverfahren. genüberstellung: Erneuerbare versus Effizienz. Hintergrund ist die EU-Gebäude-Effizienzrichtlinie (EPBD), die unterschiedli- Im Zuge dieser Auseinandersetzung ist das gut begründete che nationale Interpretationen und Ausrichtungen ausdrück- Passivhauskonzept in die Defensive geraten und sieht sich im- lich zulässt. Alle Neubauten sollen ab 2020 als „Nearly-Zero- mer neuen Angriffen ausgesetzt. Als Antwort auf die Heraus- Energy-Buildings“ ausgeführt werden, für öffentliche Gebäude forderungen der Energiewende hat nun das Passivhaus-Insti- wird dies bereits ab 2018 gefordert. Die genaue Festlegung tut seinerseits einen neuen Ansatz zur Bewertung des Primär- der neuen nationalen Standards soll auf Grundlage von Kos- energieaufwandes entwickelt. Dabei wird versucht eine Ant- tenoptimalitätsstudien erfolgen. wort auf zwei Herausforderungen zu geben: Wenig verwunderlich, dass nun ein Streit um die Deutungs- • Die sich auch für Passivhäuser neu stellenden Fragen der hoheit ausgebrochen ist. Neben den unter Architekten und Energiewende, speziell die Bedeutung der Effizienz in ei- der Wohnungswirtschaft verbreiteten Meinungen, die bereits ner erneuerbaren Energieversorgung. die existierenden gesetzlichen Anforderungen für ökonomisch • Konkurrierende Konzepte, die behaupten, einen „Fort- und ökologisch fragwürdig einschätzen, existiert ein anderer schritt“ gegenüber dem bisherigen Passivhauskonzept Ansatz, der über eine ganzheitliche Herangehensweise die darzustellen (z.B. Aktivhaus, Sonnenhaus, DGNB). „Engführung“ der Energiefrage im Konzept der Nachhaltigkeit „überwinden“ und (zu) hohe energetische Anforderungen an 1.2 Gedankenexperiment die Energieeffizienz relativieren möchte. Die PER-Bewertung hat den Charakter eines Gedankenexpe- Leider findet diese Auseinandersetzung häufig nicht in der riments (vgl. [Bertram 2012]). Es wird eine mehr oder weniger Form einer rationalen Kritik über Argumente und nachvollzieh- künstliche Situation geschaffen, in der ein bestimmter interes- bare Untersuchungen statt, sondern eher emotional, z.B. in sierender Aspekt besonders hervortritt oder eine zunächst un- diskriminierender öffentlicher Abwertung konkurrierender Kon- lösbar erscheinende Frage so gestellt wird, dass sie einer Ent- zepte. Speziell zu den Themen Wärmedämmung - Gebäude- scheidung zugeführt werden kann. Ein besonders prägnantes hülle - Lüftung – (regenerative) Energieversorgung führen Ar- Beispiel ist John Rawls „Schleier des Nichtwissens“ in seiner chitekten und Fachplaner eine Debatte, die den Eindruck er- Theorie der Gerechtigkeit (vgl. [Rawls 1979], S. 159 ff.). weckt, als wären hier grundsätzliche Fragen nicht geklärt. Die Diskussion erinnert an diejenige im Vorfeld der Wärmeschutz- Im Falle der PER-Bewertung geht es um das Durchdenken der verordnung 1995. Damals stellten sich Architekturprofessoren Konsequenzen einer vollständig erneuerbaren Energieversor- 8
gung im Hinblick auf die künftigen energetischen Anforderun- • Es wird ein Grundverständnis geweckt, welche Wechselwir gen an Gebäude. Es handelt sich um ein finales Szenario, in kungen zwischen Gebäude(-park) und erneuerbarer Ener- dem das künftig Wünschenswerte vorweg genommen wird, um gieversorgung bestehen, z.B. die „Winterlücke“ und die dann Maßstab einer neuen Bewertung zu werden. Notwendigkeit einer saisonalen Energiespeicherung. Die überragende Rolle der Energieeffizienz tritt klar hervor, so- Das PER-System basiert einerseits auf einem kontrafaktischen fern eine erneuerbare Versorgung kulturverträglich und Szenario, weil die Realität der heutigen „Energiewelt“ immer mit vertretbarem wirtschaftlichem Aufwand aufgebaut wer- noch dominant auf fossilen Energieträgern und Kernkraft ge- den soll. stützt ist. Es ist derzeit nicht absehbar bis wann die Transfor- • Der Beitrag der erneuerbaren Energieerzeugung am Ge- mation hin zu einer überwiegend erneuerbaren Energieversor- bäude wird wichtiger Teil der Bewertung und auf die ei- gung Wirklichkeit werden könnte (frühestens wohl 2050 – 70). gentlich knappe Ressource der bebauten Fläche bezogen. Andererseits kann das PER-Modell als Zielszenario interpre- • Bioenergie wird als besonders wertvolle und zugleich tiert werden, weil die eingeleitete Energiewende und die jüngs- knappe Ressource behandelt. ten Klimaschutzvereinbarungen in Paris zumindest einen in- • Die strategische Rolle stromgestützter Wärmeversorgun- ternationalen Willen aufzeigen, langfristig eine Energieversor- gen wird herausgearbeitet. gung ohne fossile Energieträger anzustreben. Allerdings ist es • In den Passivhaus-Klassen erfolgt eine kombinierte Be- ein Szenario im Endzustand oder besser: ein Szenario ohne trachtung von Energiebedarf und Energieerzeugung am Weg: Der steinige Weg der Transformation der Energiesyste- Gebäude, die dem Anspruch einer ganzheitlichen Bewer- me wird darin konsequent ausgeblendet. tung im Sinne von „energetischer Nachhaltigkeit“ entgegen kommt. Der Vorteil dieses Gedankenexperiments besteht darin, dass spekulativen Annahmen (z.B. zur Entwicklung der Heiz- und Stromerzeugungsstruktur, der Nutzflächen, der Bevölkerung 1.3 Klimaschutz als Prüfstein und der Wirtschaft), die bei den üblichen Transformations-Sze- narien unvermeidlich zu treffen sind, keine substanzielle Rol- Aus der Perspektive künftiger Energiestandards sind der Kli- le mehr spielen. Es ist nun möglich, sich auf das Wesentliche maschutz sowie die Frage der Energiegerechtigkeit und Über- zu konzentrieren: windung der Armut die gravierendsten und drängendsten Nachhaltigkeitsprobleme, nicht jedoch die Begrenztheit nukle- • Wie kann eine 100%-erneuerbare Energieversorgung arer oder fossiler Energieträger: funktionieren? • Welche speziellen Randbedingungen herrschen dort? • Wenn man die Wahrscheinlichkeit das international verein- • Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für Gebäude, barte 2-Grad-Ziel zu überschreiten unter 25 % halten Siedlungen sowie Stadtquartier und deren Versorgungs- möchte, dürfen die globalen CO2-Emissionen im Zeitraum systeme? 2000 - 2050 nicht höher als 1.000 Gt liegen (vgl. Meins- hausen et al. 2009). Das PER-Modell erweist sich insbesondere im Hinblick auf fol- • Die CO2-Emissionen bei energetischer Nutzung der bis gende Aspekte als ein aussagekräftiges Erklärungsmodell: 2050 sicher förderbaren fossilen Energieträger liegen hin- 9
gegen wenigstens um einen Faktor zwei, die der vermute- Kalkuliert man das Klimaschutzziel auf der Grundlage des o.g. ten Ressourcen sogar um einen Faktor 120 darüber (vgl. Budgets gemäß dem Modell „zukünftige Verantwortung“ des WBGU 2011, S. 122). WBGU für Deutschland sind die CO2-Emissionen im Zeitraum • Bei den erneuerbaren Energieträgern - speziell Biomasse 2010 - 2050 auf maximal 9000 Mio t zu begrenzen (vgl. WBGU und Wasserkraft - sind aus Nachhaltigkeitssicht deutliche 2009a, S. 28). Dies ergibt umgerechnet für die privaten Haus- Grenzen der Verfügbarkeit vorhanden, z.B. bei Nahrungs- halte Deutschlands (unter der Annahme einer Bevölkerung von mittelsicherheit, Nutzungskonkurrenzen, Natur- und Land- i.M. 75 - 80 Mio und einem konstanten Anteil von 25 % an den schaftsschutz (vgl. WBGU 2009). Gesamtemissionen) ein CO2-Budget für den Zeitraum 2010 - 2050 von ca. 25 -30 t pro Person. Die Bestimmung von konkret umsetzbaren Klimaschutzzielen für einzelne Länder und weiter aufgegliedert in Sektoren kann Anhand szenariobasierter Untersuchungen (vgl. Vallentin jedoch nicht mit naturwissenschaftlichen Methoden erfolgen. 2011, S. IV-1 ff.) lässt sich eingrenzen, welche Anforderungen An dieser Stelle werden vielmehr Gerechtigkeitsmodelle benö- sich für die Klimaschutzstandards in Neubau und Bestand er- tigt, die eine Zuordnung der zulässigen Treibhausgas-Emissi- geben. Im Klimaschutzszenario liefern bei konsequenter An- onen für einzelne Länder über einen vorgegebenen Zeitraum wendung des Kopplungsprinzips Effizienzverbesserungen und erlauben. Auf dieser Basis können entsprechend differenzierte der Ausbau erneuerbarer Energien in etwa gleich große Treib- Minderungspfade und zeitbezogene Klimaschutzziele ermittelt hausgas-Reduktionsbeiträge. Hinsichtlich der Gebäudeeffizi- werden. Je nach Gerechtigkeitsansatz (z.B. C&C, CDC, WB- enz entsprechen die Klimaschutzstandards im Neubau in etwa GU-Budgetansatz, GDR, Global Triptych, Multistage) fallen die der Güte des Passivhausstandards und dem EnerPhit-Stan- jeweils zeitbezogenen Klimaschutzziele bzw. Minderungsan- dard für energetische Modernisierungen. Es sind selbstver- forderungen und die dadurch mehr oder weniger vorgebenen ständlich auch andere Konzeptansätze möglich, sofern die Ef- Emissionspfade sehr unterschiedlich aus (vgl. Höhne / Molt- fizienz- und Klimaschutzanforderungen gem. Tab. 4 erfüllt wer- mann 2009). den (z.B. Konzept der 2000-Watt-Gesellschaft). Für einen Klimaschutzpfad gemäß dem Gerechtigkeitsmodell Die Anforderungen an den Klimaschutz sind eine große He- „Contraction and Convergence 2050“ (vgl. Meyer 2000) sind rausforderung, weil das Zeitfenster um den Scheitelpunkt zu für eine Einhaltung des o.g. Klimaschutzziels die jährlichen erreichen, an dem eine Stabilisierung der Klimasgasemissio- Pro-Kopf-CO2-Emissionen ausgehend von den heutigen Aus- nen stattfindet um danach eine wirksame Minderung einzulei- gangswerten in allen Ländern bis 2050 auf 1,0-1,5 t abzusen- ten, mit 10-15 Jahren nicht mehr sehr groß ist. Derzeit steigen ken. Derzeit liegen diese in Deutschland bei ca. 10 t. die Treibhausgasemissionen immer noch stark an (inzwischen über 50 % Mehrausstoß seit 1990). Wird dieser Zeitpunkt wei- Betrachtet man anstelle der CO2-Emissionen sämtliche Treib- ter hinausgezögert, sind die dann notwendigen Minderungs- hausgase (z.B. in Form von CO2-Äquivalenten) und bezieht zu- anforderungen für ein Erreichen des 2-Grad-Ziel in den dar- sätzlich den Konsum von im Ausland hergestellten Produkten auf folgenden Jahrzehnten derart groß, dass sie sowohl tech- mit ein, ergeben sich mit ca. 18 t deutlich höhere Werte (vgl. nisch als auch ökonomisch kaum mehr umsetzbar einzuschät- Steiniger et al. 2015). zen sind (vgl. Meishausen et al. 2009). 10
1.4 Biomasse als begrenzt verfügbare Ressource • Eine stoffliche Nutzung sollte Vorrang vor einem Einsatz als Brennstoff haben. Die Verwendung von Biomasse (z.B. Die Biomassenutzung hat eine spezielle Stellung in einem er- Holz, Holzwerkstoffe, Stroh) in Baukonstruktionen kann in neuerbaren Energiesystem. Die möglichen Anwendungen sind diesem Zusammenhang als Kohlenstoffspeicherung inter einerseits besonders vielfältig; andererseits existieren komplex pretiert werden. zu bewertende Restriktionen für den weiteren Ausbau, z.B. im • Erst dann kann eine energetische Nutzung ins Auge ge- Hinblick auf Nahrungsmittelsicherheit, Natur- und Landschafts- fasst werden. Alleinstellungsmerkmal der Biomasse ist, schutz. Die Bestimmung der energetisch nachhaltig nutzba- dass sie ein vergleichsweise einfach produzierbarer spei- ren Potenziale setzt somit immer voraus, sich sowohl mit den cherfähiger Energieträger ist. Eine Nutzung in KWK-Syste- Verfügbarkeitsgrenzen als auch den konkurrierenden Anwen- men ist gegenüber der getrennten Stromerzeugung und dungsmöglichkeiten auseinander zu setzen (vgl. WBGU 2009) Verbrennung in Heizsystemen zu bevorzugen, sofern die und (Vallentin 2012a, S. 67 ff.). Netzverluste der Fern- bzw. Nahwärme gering gehalten werden können. Trotz der stark unterschiedlichen Angaben in der Literatur zu den energetischen Biomassepotenzialen, existiert ein Grund- Erste Abschätzungen des energetisch nutzbaren Biomassepo- konsens in der (Nachhaltigkeits-)Wissenschaft, der vor allem tenzials in Deutschland und weltweit ergeben nutzflächenbe- die Problematik der Nahrungsmittelsicherheit und der Landnut- zogene Kennwerte von 10 - 25 kWh/m²a und personenbezo- zungsänderungen betrifft: gene Kennwerte von 500 - 1250 kWh/P a (vgl. Vallentin 2012a, S. 40 + S.70). • Erste Priorität hat die Nahrungsmittelsicherheit. Eine inten- sive energetische Nutzung von Biomasse kann in Kon- Eine mögliche Antwort auf diese Problematik besteht darin, ein kurrenz zu der Produktion von Lebensmitteln geraten. Fol- Biomasse-Budget zu definieren, das zum Ziel hat, möglichst ge ist ein Anstieg der Preise, der immer besonders die Ar- wenig Biomasse für energetische Zwecke zu nutzen. Nikolaus men in den Entwicklungs- und Schwellenländern trifft. Das Diefenbach hat 2002 einen einfach umsetzbaren Vorschlag auf gilt vor allem dann, wenn dies Grundnahrungsmittel wie der Basis nicht-erneuerbarer Primärenergie gemacht: z.B. Getreide oder Mais betrifft. In diesem Zusammenhang ist auch das sog. „landgrabbing“, d.h. die Spekulation mit „Wenn Biomasse einerseits ein umweltfreundlicher, regenera- land- bzw. forstwirtschaftlich nutzbaren Böden kritisch zu tiver Energieträger und andererseits ein knappes Gut ist, so sehen, weil dies häufig auf Kosten der Lebensräume der kann diesem Umstand Rechnung getragen werden, indem für ansässigen Bevölkerung (z.B. indigener Völker) oder einer den jeweiligen Anwendungsfall ein Biomasse-Budget festge- funktionierenden Subsistenzwirtschaft erfolgt. legt wird, welches sich an den längerfristigen Verfügbarkeit der • An nächster Stelle steht der Natur- und Landschafts- Biomasse orientiert. So lange wie dieses Budget noch nicht schutz. Problematisch ist vor allem der Anbau auf zuvor aufgebraucht ist wird Biomasse als regenerativer Energieträ- existierenden Feuchtgebieten und Tropenwäldern, weil ger behandelt (fP ≈ 0,1). Die Anteile des Brennstoffbedarfs, die diese bedeutende Kohlenstoffsenken darstellen, deren das Budget überschreiten, werden dagegen mit dem Primär- Zerstörung mit großen Treibhausgasemissionen verbun- energiebedarf des dann substituierten Brennstoffs zugerech- den ist. net (fP ≈ 1,1)“ (Diefenbach 2002, S. 7). 11
Im PER-Modell wird diese Argumentation aufgenommen und Vergleich Primärenergiebewertung von Heizsystemen Vergleich Primärenergiebewertung (PHPP/ /Biomasse-Budgetansatz) Heizsystem (PHPP Biomasse-Budgetansatz) in abgewandelter Form in das PER-System integriert. Für den 300,0 Gebäudebereich wird ein generelles Biomasse-Budget von 20 kWh/m²a definiert, das als erneuerbare Primärenergie verträg- Primärenergiebedarf (nicht erneuerbar) in kWh/m2a 275,0 250,0 lich mit den o.g. Nachhaltigkeitsanforderungen eingesetzt wer- PHPP den darf. Weil Biomasse sowohl in Heizungen, Kraftwerken Primärenergiebedarf in kWh/m²a 225,0 Biomasse-Budgetansatz und KWK-Anlagen genutzt werden kann und zudem ein wert- 200,0 voller speicherbarer Energieträger ist, wird diese in allen Ver- 175,0 sorgungsvarianten als „Basisbeitrag“ mit dem besonders nied- 150,0 rigen PER-Faktor von 1,1 für Biomasse berücksichtigt. Das 125,0 Biomasse-Budget wird in der Reihenfolge Heizung, Warm- 100,0 wasser im Winter, Haushaltsstrom solange „abgearbeitet“ bis 75,0 der PER-Wert von 20 kWh/m²a erreicht ist. Erst danach wer- 50,0 den die höheren PER-Faktoren der tatsächlich gewählten Ver- sorgungslösung in Ansatz gebracht (vgl. Krick 2015, S. 403). 25,0 0,0 Wird im PER-Model das Gebäude mit Biomasse versorgt, wird NEH PH PH-Kompakt Bestand+Solar NEH+Solar PH+Solar PH-WP(Erd) PH-WP(Erd)+Solar NEH+WW-WP PH+WW-WP PH-Kompakt+Solar PH-GasBW+Solar PH-GasBW Bestand der Brennstoffbedarf, der über dem Biomasse-Budget liegt, mit dem PER-Faktor für Strom zu Heizzwecken (fPER ≈ 1,8) multipli- ziert, um hier einen Lenkungseffekt hin zu einer effizienter Nut- zung dieses Energieträgers zu erreichen. Biomasse-Heizsysteme (Bestand/Niedrigenergie/Passivhaus) andere Passivhaus-Heizsysteme (zum Vergleich) Erkennbar ist jedoch, dass diese Lenkungswirkung bei der Me- Abbildung 1: thode gemäß Vorschlag (Diefenbach 2002) sehr viel größer ist Bestimmung von Primärenergiefak- (Unterschied Faktor 11), als im PER-Modell (Faktor 1,6). toren mit und ohne Biomasse-Bud- In Abbildung 1 wird ein Vergleich zwischen der bislang üblichen getmethode für nicht-erneuerbare Primärenergie. Quelle und weitere Bewertung (z.B. EnEV und PHPP bis Version 8 (mit einem ge- Erläuterungen: (Vallentin 2012a, nerellen fP-Faktor von 0,2) und der Biomasse-Budgetmethode 1.5 Notwendigkeit einer Energiespeicherstruktur S. 71) gemäß dem Vorschlag von (Diefenbach 2002) bei einem Bud- getansatz von 25 kWh/m²a (15 kWh/m²a für Heizen und 10 Weil in einer 100% erneuerbaren „Energiewelt“ Strombedarf kWh/m²a für Stromanwendungen) gegenübergestellt. Es ist er- und -erzeugung nicht deckungsgleich erfolgen können, ist im- kennbar, dass bei Anwendung des Budgetansatzes besonders mer davon auszugehen, dass auf verschiedenen Zeitska- hohe Werte in mit Biomasse versorgten Gebäuden mit hohem len ein Ausgleich über eine Zwischenspeicherung stattfinden Heizwärmebedarf, z.B. unsanierter Bestand oder Niedrigener- muss. Hintergrund ist, dass bei der Stromversorgung die Er- giehäuser (NEH) resultieren. Selbst bei Passivhäusern schnei- zeugung zeitgleich dem Bedarf folgen muss: den nun Biomasseheizungen nicht besser ab, als sonstige ef- fiziente Versorgungslösungen (siehe Vergleich mit den Refe- 1 Auf einer extremen Kurzzeitebene (Millisekunden bis Mi- renzsystemen auf der rechten Hälfte der Abbildung 1). nuten) geht es vor allem um die Netzstabilität und Kurz- 12
schlussfähigkeit. Bei der heutigen fossilen Stromerzeu- doch technologisch noch ganz am Anfang steht. Derzeit wer- gung wird dies durch die Schwungmasse von Generatoren den hierzu unterschiedliche Systemansätze diskutiert: und Turbinen geleistet. Bei einer ausschließlich erneuer- baren Erzeugung sind hierfür vermutlich separate Kompo- 3a Die einfachste Lösung bestünde darin, in ausreichenden nenten notwendig, z.B. große Schwungradspeicher. Maße speicherfähige erneuerbare Energieträger, z.B. 2 Auf einer Zeitebene von mehreren Minuten bis Stunden Biomasse, vorzuhalten. Aus Nachhaltigkeitsgründen ist die sind sog. Kurzzeitspeicher erforderlich, um das Auseinan- Verfügbarkeit von Biomasse jedoch begrenzt. Zudem ist derfallen von Bedarf und Erzeugung im Tagesverlauf aus- derzeit Biomasse in ineffizienten Systemen (z.B. Holzhei- zugleichen. Eine hierfür typische Technologie stellen zungen in Gebäuden mit hohem Heizbedarf, z.T. auch in Pumpspeicherkraftwerke dar. Diese weisen Wirkungsgra- Form von Nahwärmeversorgungen) gebunden. Daher sind de zwischen 75 und 83 % auf (vgl. Sterner et al. 2011, hier immer ergänzend zusätzliche Speichertechnologien S. 12). Weitere Speichertechnologien stellen Batterien erforderlich. (Elektomobile, gebäudeintegrierte Batterien in Verbindung 3b Ein weiterer Ansatz basiert auf den vorhandenen Spei- mit PV-Anlagen), Druckluftspeicher und die bereits er- cherseen in Skandinavien – speziell in Norwegen. Deren wähnten Schwungradspeicher dar (vgl. Feist 2013, Speicherkapazität liegt mit 116 TWh um einen Faktor 10 S. 619). höher, als sämtliche Pumpspeicherwerke und Speicher- 3 Auf mittlerer bis saisonaler Zeitebene sind sog. Langzeit- seen in Deutschland, Österreich und Schweiz zusammen- speicher notwendig, die die Aufgabe haben das grundsätz- genommen (vgl. Ess et al. 2012, S. 1). Aufgrund der lan- liche Erzeugungsdefizit erneuerbarer Systeme in Phasen gen Transportwege liegt der Wirkungsgrad mit 65 % gerin- mit geringem Wind- und/oder Solarstromangebot auszu- ger als in den Pumpspeicherkraftwerken (vgl. Sterner et al. gleichen. Derartige Perioden können wetterabhängig im 2011, S. 12). Besonders interessant ist die Verwendung ganzen Jahresverlauf stattfinden (sog. „Dunkelflauten“). der Speicherseen als virtueller Speicher. Dabei wird über- Von besonderer Bedeutung ist hier in Nord- und Mittel- schüssiger Wind- und Solarstrom aus Nordeuropa über europa jedoch der Kernwinter (sog. „Winterlücke“), weil Seekabel nach Norwegen bzw. Schweden geleitet und hier regelmäßig ein Erzeugungsdefizit während mehrerer dort direkt verbraucht. In diesen Zeiten wird in Norwegen Wochen auftritt, das vor allem die Solarstromproduktion weniger bzw. kein Strom aus Wasserkraft erzeugt. Die betrifft. Speicherseen werden geschont und deren Energiepoten- zial kann dann zu einem späteren Zeitraum zur Deckung Während Punkt 1 bislang kaum Beachtung findet, ist Punkt 2 der Winterlücke außerhalb Skandinaviens zur Verfügung bereits heute wichtiger Bestandteil der Stromerzeugung. Mit gestellt werden. Derzeit sind zwei HGÜ-Seekabelverbin- Zunahme der erneuerbaren Anteile steigen auch die Ansprü- dungen zwischen Norwegen und Norddeutschland mit che an die Kurzzeitspeicherung. Ein großes und gut vermasch- 2 x 1,4 GW Kapazität in der Planung (NorGer und Nord- tes Stromnetz erleichtert die Aufgaben des Lastausgleichs er- Link). Gleichartige Verbindungen bestehen bereits zu Hol- heblich. Daher stellt auch der europäische Netzausbau eine land bzw. sind nach England geplant. Wollte man die sai- Option dar. Der saisonalen Speicherung (Punkt 3) kommt in ei- sonale Speicherung bei einer 100%-erneuerbaren Strom ner 100% erneuerbaren Energieversorgung künftig eine stra- erzeugung Deutschlands nur über die skandinavischen tegische Bedeutung zu, die zwar zunehmend erkannt wird, je- Speicherseen bewältigen, wären Seekabel mit einer Kapa- 13
Abbildung 2: Somit kann ein allmählicher Energieträgerwechsel weg von Schematische Darstellung der fossilem Erdgas hin zu erneuerbaren Methan ohne zusätzli- „Power-to-Gas-Strategie“ im künftigen Energiesystem. Quelle: che Investitionen in die Speicher- und Verteilstrukturen statt- (Vallentin 2012), S. 75, abgeändert finden. Die Rückverstromung findet vornehmlich im Winter, am nach (Sterner et al. 2011), S. 19. besten in Heizkraftwerken statt, um über KWK-Prozesse eine möglichst hohe Ausnutzung sicher zu stellen. Vorteil ist, dass die Speicher- und die Netzstruktur weitgehend vorhanden ist. Nachteil sind die aufwändigen Umwandlungsprozesse mit Wir- kungsgraden Strom zu Strom (Gas-Kraftwerke) zwischen 30 und 44 % und bei Strom zu Strom & Wärme (KWK) zwischen 43 bis 62 % (vgl. [Sterner et al. 2011], S. 18). Der techno- logische und finanzielle Aufwand besteht vor allem darin, die „power to gas“-Technologie (Elektrolyse und Methanisierung nebst Gasreinigung und -einspeisung) an geeigneten Stand- orten aufzubauen. Hier spielt u.a. die Verfügbarkeit von Koh- lendioxid eine Rolle (geeignet wären z.B. größere Biogasanla- gen). Belastbare Aussagen zu künftigen Lernkurven sind der- zeit schwierig zu treffen und hängen u.a. davon ab, ob dieser Technologieansatz einen künftigen Forschungsschwerpunkt bilden wird und inwieweit Förderprogramme für deren prakti- zität von mehr als 100 GW notwendig (vgl. Sterner et al. schen Einsatz aufgelegt werden. 2011, S. 12). Als alleiniger Ansatz kommt diese Option da her nicht in Frage. Der Aufbau der Speicherkapazitäten müsste bei einer Fortset- 3c Eine Technologie, die derzeit nur in Ansätzen erprobt ist, zung der erneuerbaren Stromerzeugung wie bisher in Deutsch- ist die chemische Speicherung in Form von Wasserstoff land spätestens ab 2030/40 erfolgen. Welche Kombination der und Methan. Sie ist unter den Bezeichnungen „power to genannten Lösungsansätze sich hierbei als sinnvoll erweisen gas“ oder „Windgas“ bzw. „EE-Methan“ bekannt. Hierbei wird, ist unsicher. Dies ist vermutlich der am schwierigsten um- wird Überschussstrom (z.B. Wind, Solar) verwendet, um zusetzende Teil der Energiewende, auch weil eine wirtschaftli- über Elektrolyse Wasserstoff zu erzeugen, der direkt in che Tragfähigkeit einer saisonalen Energiespeicherung derzeit das Erdgasnetz eingespeist wird. Aus technischen Grün- nicht absehbar ist. Eine Langzeitspeicherung ist aber ab einem den kann dies nur in geringem Umfang stattfinden. Daher Anteil von ca. 50% regenerativer Stromerzeugung notwendig. ist es sinnvoll in einem zweiten Schritt unter Hinzufügung Es ist vergleichsweise einfach zu erkennen, dass es in jedem von CO2 Methan zu produzieren, das ohne derartige Ein- Fall sinnvoller und deutlich wirtschaftlicher wäre, über eine schränkungen in das Erdgasnetz und in die bereits vor- konsequente Effizienzstrategie den Aufwand für Zwischen- handenen großen Kavernen eingelagert werden kann. Die speicherung zunächst auf das unverzichtbare Maß zu reduzie- Speicherkapazität von Erdgasnetz und Kavernen in ren. Das genau ist der Ansatz des PER-Systems, wie es vom Deutschland ist mit ca. 220 TWh ausreichend groß. Passivhaus-Institut entwickelt wurde. 14
2 Vergleich zwischen alter und neuer Bewertung anhand realisierter Passivhäuser 2.1 Exemplarische PER-Bewertung von drei Passivhäu- Abbildung 3: Energieautarkes Passivhaus in sern und Einordnung in die neuen Passivhaus-Klassen Berg a. Starnberger See. Im Folgenden wird vorausgesetzt, dass die Konzeption und Methodik des PER-Modells sowie die Bewertungsansätze der neuen Passivhaus-Klassen bekannt sind. Eine genaue Dar- stellung findet sich in (Feist 2014), (Grove-Smith/Feist 2015), (Krick 2015). Sinnvoll ist ferner, eine aktuelle Version des Pas- sivhaus-Projketierungs-Paketes (ab Version 9) heranzuziehen. Im Excel-Arbeitsblatt „PER“ lässt sich durch Öffnen der ver- steckten Zellen die Berechnungsmethodik direkt nachvollzie- hen. Das gilt vor allem für die Abwicklung des Biomasse-Bud- gets. Für eine erste Orientierung findet sich im Anhang 1 + 2 eine Kurzbeschreibung des PER-Modells sowie eine knappe Darstellung der neuen Passivhaus-Klassen. Weil das neue Bewertungssystem noch weitgehend unbekannt Beispiel 1: Einfamilienhaus ist - das gilt in besonderem für die Feinheiten der Berechnungs- methodik, die den Passivhaus-Klassen zugrunde liegen - ist es Das erste Beispiel ist ein energieautarkes Passivhaus in Holz- zunächst sinnvoll die Unterschiede zwischen alter und neuer bauweise und wurde auf einem kleinen Restgrundstück im In- Bewertung an konkreten Beispielen zu erläutern. nenbereich einer kleinen Ortschaft errichtet. Neben den Wohn- räumen weist das Haus einen belichteten Keller mit Werkstatt Im Folgenden werden drei Wohngebäude mit unterschiedli- auf. Der Bauherr entwickelt Velomobile und Fahrradlampen chen Versorgungskonzepten, Geometrien und Standorten so- und baut die Prototypen selber. Ein Teil der Entwurfsaufgabe wohl gemäß dem alten Verfahren auf der Basis nicht-erneuer- war, dass sich das Haus so weit möglich selbst mit Energie barer Primärenergie als auch gemäß dem neuen PER-System versorgen soll. Anfangs war ein Netzanschluss vorgesehen, je- und den neuen Passivhaus-Klassen bewertet. Es handelt sich doch wurde mitten im Bauprozess entschieden, keinen Netz- um ein Einfamilien-, ein Reihen- und ein Mehrfamilienhaus. Bei anschluss auszuführen, auch weil der Stromversorger gewis- dem Vergleich wird deutlich, wie stark sich alte und neue Be- se Schwierigkeiten bei der Ausführung des Stromanschlusses wertung voneinander unterscheiden. Zusätzlich werden auch machte. die spezifischen Treibhausgasemissionen ermittelt und gegen- übergestellt, um einen von der Primärenergie unabhängigen Das Haus besitzt eine große Fotovoltaikanlage mit 10 kWp, Maßstab zu erhalten (siehe Tabelle 1). die als nach Süden geneigtes Energiedach ausgeführt wur- 15
Tabelle 1: Kurzbeschreibungen und energe- Energieautarkes Einfamilienhaus Stadtreihenhäuser München (RH) Mehrfamilienhaus München (MFH) tische Kennwerte zu drei vom Ar- (EFH) chitekturbüro Vallentin+Reichmann realisierten Passiv-Wohnhäusern in Form eines energieautarken Bezug / Energiebezugsfläche 02/2014; EBF = 145 m² 07/2006; EBF = 1266 m² 03/2016; EBF = 1545 m² Einfamilienhauses (EFH), einer Stadtreihenhauszeile (RH) und Stromversorgung PV (10 kWp) und Batterie (20 Netzanschluss; kleine PV (2kWp) mit Netzanschluss; PV (8kWp) mit eines Mehrfamilienhauses (MFH). kWh); kein Netzanschluss Netzeinspeisung Netzeinspeisung Wärmeversorgung Elektrische Wärmepumpe Wärmepumpen-Kompakt-aggregate und Fernwärme (Anschlusszwang!) Direktverdampfer-Technologie, thermische Solaranlage je Haus (ergänzend: Mini-BHKW) Stromeffizienz hoch (ca. 12,0 kWh/m²EBFa) mittel (ca. 17,6 kWh/m²EBFa) mittel (ca. 18,4 kWh/m²EBFa) Heizwärmebedarf 13,2 kWh/(m²EBF a) 12,8 kWh/(m²EBF a) 14,9 kWh/(m²EBF a) Warmwasserbedarf 17,4 kWh/(m²EBF a) 17,4 kWh/(m²EBF a) 17,8 kWh/(m²EBF a) Wärmeverteil- und 3,2 kWh/(m²EBF a) 3,7 kWh/(m²EBF a) 14,3 kWh/(m²EBF a) speicherverluste Primärenergie (nicht ern.) 52,2 kWh/(m²EBF a) 81,5 kWh/(m²EBF a) 64,0 kWh/(m²EBF a) Treibhausgas-Emissionen 12,9 kg/(m²EBFa) 20,5 kg/m²a 20,4 kg/m²a PER-Bedarf 24,5 kWh/(m²EBF a) 39,6 kWh/(m²EBF a) 77,5 kWh/(m²EBF a) PER-Erzeugung 92,3 kWh/(m²Grund a) 34,2 kWh/(m²Grund a) 19,0 kWh/(m²Grund a) Passivhaus-Klasse “Plus” “Classic” “PHI-Energiesparhaus” de. Im Keller ist eine Lithium-Ionen-Batterie mit 20 kWh Ka- zen Leitungslängen zu den Zapfstellen verzichtet. Die Elektro- pazität aufgestellt. Die Wärmeversorgung erfolgt mit einer Di- ausstattung ist grundsätzlich sehr effizient (LED-Beleuchtung, rektverdampfer-Wärmepumpe, die das Erdreich mit einem besonders stromsparende Geräte, geringer Hilfsstrombedarf), Flächenabsorber als Wärmequelle nutzt. Wegen des kleinen jedoch werden in der Werkstatt einige stromintensive Geräte Grundstücks standen hier nur vergleichsweise kleine Flächen betrieben, z.B. Drehbank, Fräse, Sägen. zur Verfügung. Für das Warmwasser ist ein gut gedämmter schlanker Wärmespeicher eingebaut, der eine stabile Wärme- Ausgehend von den Nutzenergie-Kennwerten (Raumwär- schichtung aufweist; auf eine Zirkulation wurde wegen der kur- me, WW, Hilfsstrom, Haushaltsstrom) wird der Endenergie- 16
bedarf berechnet und gemäß ihren jahreszeitlichen Schwer- punkten sortiert und zugeordnet. Aufgrund des besonders ef- fizienten Wärmepumpensystems liegen die Endenergiekenn- werte für Heizen und Warmwasser sehr niedrig. Obwohl die Stromeffizienz insgesamt hoch ist, dominiert diese Anwendung in der PER-Bedarfsbilanz. Der PER-Bedarfswert ist gleichwohl mit 24,5 kWh/m²EBFa sehr gering. Trotz der großen PV-Anla- ge reicht der Ertrag mit einem PER-Erzeugungswert von 92,3 kWh/m²Grunda nicht aus, um die Passivhaus-Klasse „Premium“ zu erreichen. Das Einfamilienhaus wäre demnach in die Pas- sivhaus-Klasse „Plus“ einzuordnen. Gemäß der bisherigen Passivhausbewertung ergibt sich ein Kennwert für nicht erneu- erbare Primärenergie von 52,2 kWh/m²a und ein Treibhaus- gas-Kennwert von 12,9 kg/m²a CO2-Äquivalenten. Für die PER-Berechnung wurde zunächst einmal vereinfa- chend angenommen, dass das Gebäude einen Netzanschluss besitzt (wie ursprünglich geplant). Andernfalls ist es notwendig, die PER-Faktoren projektspezifisch zu bestimmen. Die Kriteri- en hierfür sind allerdings noch zu definieren; man könnte z.B. streng argumentieren, dass in einem solchen Fall selbst das Biomasse-Budget nicht greift. Auf jeden Fall liegt dann wegen zen Strom sofern dieser über eine Batterie zwischengespei- Abbildung 4: Energieautarkes Passivhaus in der nicht genutzten Überschüsse der PER-Bedarfswert im kon- chert wird oder Energieversorgungen in Arealnetzen. Berg am Starnberger See kreten Fall deutlich höher. Anhand eines Vergleichs zwischen Lageplan, Grundrisse, Schnitte und Strombedarf und PV-Erzeugung ergibt sich ein PER-Faktor für Der bei weitem spannendste Aspekt bei diesem Projekt ist, Ansichten. den eigengenutzten Strom von etwa 2,7 und für die Erzeugung dass das Problem der „Winterlücke“ in einem energieautarken von 0,37 (5). Berechnet man auf dieser Grundlage die PER- Haus unmittelbar spürbar wird. Es fehlt ein Außensystem, das Kennwerte neu, ergibt sich mit 34,7 kWh/m2Grunda ein deut- auch in den Phasen mit Unterversorgung Energie zur Verfü- lich geringerer Wert für die PER-Erzeugung. Der PER-Bedarfs- gung stellt. Diese Phasen treten vor allem im Kernwinter auf. wert steigt dann auf 54,3 kWh/m2EBFa an, sofern kein Biomas- Sie sind durch kurze Tage mit niedrigen Außentemperaturen sebudget angesetzt wird (siehe Abbildung 9). Bei Anrechnung (Heizbedarf) und zusätzlich eine dicke Wolkendecke gekenn- des Biomassebudgets würde der PER-Bedarfwert bei ca. 27 zeichnet, die auch die diffuse Solarstrahlung stark abmindert. kWh/m2EBFa zu liegen kommen. Offen bleibt z.B. auch die Fra- Diese kritischen Phasen können im Einzelfall auch einmal meh- ge, wie Überschussstrom, der Nachbarn geschenkt wird, an- rere Wochen umfassen, bleiben aber in manchen Jahren auch gerechnet werden soll. Diese Fragen wirken auf den ersten gänzlich aus. Der Bauherr entwickelt derzeit für diese Zeiten Blick „akademisch“, sind aber durchaus von Bedeutung für das ein Mini-BHKW, das einen Modellflugzeugmotor (für Flüge zwi- PER-Model. Dies bertifft z.B. die Anrechnung von eigengenut- schen Kontinenten, die besonders effizient konstruiert sind) mit 17
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