GESTEUERTES LADEN VON ELEKTROFAHRZEUGEN ÜBER PREISANREIZE - Anwendungsbeispiele und Handlungsbedarf

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GESTEUERTES LADEN VON ELEKTROFAHRZEUGEN ÜBER PREISANREIZE - Anwendungsbeispiele und Handlungsbedarf
GESTEUERTES LADEN VON
ELEKTROFAHRZEUGEN
ÜBER PREISANREIZE
Anwendungsbeispiele und Handlungsbedarf
KURZSTUDIE
IMPRESSUM

HERAUSGEBER                                                    Projekt LamA – Laden am Arbeitsplatz
Begleitforschung Elektro-Mobil                                 Judith Stute (Fraunhofer-Einrichtung für
TÜV Rheinland Consulting GmbH                                  Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG)
                                                               Matthias Kühnbach (Fraunhofer-Institut
Dr. Sören Grawenhoff                                           für System- und Innovationsforschung ISI)
Am Grauen Stein                                                Dr. Sabine Preuß (Fraunhofer-Institut für System-
51105 Köln                                                     und Innovationsforschung ISI)
soeren.grawenhoff@de.tuv.com                                   Aline Scherrer (Fraunhofer-Institut für System-
                                                               und Innovationsforschung ISI)
AUTOR:INNEN
Begleitforschung Elektro-Mobil                                 Projekt LamA-Connect
Doris Johnsen (Institut für Innovation und Technik iit)        Julien Ostermann (Fraunhofer-Institut für
Daniel Strommenger (Institut für Innovation und Technik iit)   Arbeitswirtschaft und Organisation IAO)
                                                               Dr. Daniel Stetter (Fraunhofer-Institut für
Externes Projekt Dynamische Netzentgelte                       Arbeitswirtschaft und Organisation IAO)
Dr. Henning Schuster (E-Bridge Consulting)
Dr. Michael Lehmann (MITNETZ Strom)                            Projekt BDL
Philipp Laschet (E-Bridge Consulting)                          Timo Kern (Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V. Ffe)
                                                               Marina Dreisbusch (Universität Passau)
Projekt BSR-Li-Flx                                             Franziska Kellerer (Universität Passau)
Dr. Alexander Weber (ÖKOTEC Energiemanagement)
                                                               GESTALTUNG
Projekt ELBE                                                   LoeschHundLiepold Kommunikation GmbH
Dr. Serge Runge (Hamburg Energie GmbH)
Tina Zierul (ChargePoint GmbH)                                 BILDER
                                                               Titel: James Thew – Adobe Stock, PIKSEL – iStock

                                                               STAND
                                                               Dezember 2020
INHALTSVERZEICHNIS

1   EINLEITUNG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

2   PREISGESTEUERTES LADEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
    2.1 Systemübersicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
    2.2	Aktuelle Voraussetzungen für die Nutzung von Preissignalen
          aus Markt und Netz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
    2.3 Systematisierung von Use Cases für preisgesteuertes Laden . . . . . . . 15

3   ANWENDUNGSBEISPIELE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .         19
    3.1 Integrierte Spotmarktoptimierung für eine kommunale Fahrzeugflotte. .                   20
    3.2	Dezentrale Steuerung der Ladeinfrastruktur durch den
         Verteilnetzbetreiber anhand von Preissignalen . . . . . . . . . . . . . . . .          24
    3.3	Systemarchitektur und technische Konzepte für die Steuerung
         des markt- und netztorientierten Ladens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .       29
    3.4 Zeitvariable Netztarife für flexible Netzkund:innen als Preissignal . . .               32

4   WIRKUNGSBETRACHTUNG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
    4.1 Sicht der Nutzer:innen: Anreizwirkungen und Restriktionen. . . . . . . . 37
    4.2	Auswirkungen privater Elektrofahrzeuge auf Haushaltsstrompreise
         und Ökobilanz von Elektrofahrzeugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

5   RESÜMEE UND HANDLUNGSBEDARF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                   45
    5.1 Resümee der Anwendungsbeispiele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .            46
    5.2 Handlungsbedarf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    47
         5.2.1 Normung und Standardisierung/Technik. . . . . . . . . . . . . . .                47
         5.2.2 Regulatorik/Anreizsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .        49
         5.2.3 Akzeptanz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   51

6   GLOSSAR UND ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

    Literaturverzeichnis                                                                        57
ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abbildung 1:     Gesteuertes Laden auf Basis von Preissignalen                                         9

Abbildung 2:     Handelfristen an Strommärkten                                                        10

Abbildung 3:     Zusammenspiel der relevanten Akteure beim preisgesteuerten Laden                     11

Abbildung 4:     Grid Integration Levels Version 5.2                                                  13

Abbildung 5:     Use Cases zum preisgesteuerten Laden mit bidirektionaler Erweiterung                 16

Abbildung 6:     Erlöspotenzial des preisgesteuerten Ladens mit bidirektionaler Erweiterung           18

Abbildung 7:     Technische Umsetzung im Projekt BSR-Li-Flx                                           21

Abbildung 8:     Technische Umsetzung im Projekt ELBE                                                 22

Abbildung 9:	Illustration der technischen Umsetzung von OpenADR 2.0b
              zur Kommunikation zwischen VNB und CPO im Projekt ELBE                                  25

Abbildung 10: Preise für Privathaushalte in Cent pro Kilowattstunde, EV2-B-Tarif                      28

Abbildung 11: Systemarchitektur in Petrol für das Projekt LamA, in Rot für das Projekt LamA-Connect   30

Abbildung 12: Systemstruktur von MITNETZ STROM für zeitvariable Netztarife                            33

Abbildung 13: Einordnung der zeitvariablen Netztarife und des Reservierungsmechanismus                34

Abbildung 14: 	Relative Änderung der Strompreise für Haushaltskund:innen
                für ungesteuertes und gesteuertes Laden in 2030                                       44

TABELLENVERZEICHNIS

Tabelle 1:       Systeme des Lademanagements                                                          38

Tabelle 2:       Anreize und Bedenken hinsichtlich bidirektionalen Ladens                             39

4
1 EINLEITUNG
GESTEUERTES LADEN VON ELEKTROFAHRZEUGEN ÜBER PREISANREIZE

1 EINLEITUNG

Mit dem Umstieg auf elektrisch angetriebene Fahrzeuge                        tes Laden bezeichnet wird. Aktuelle Konzepte beziehen
ist das Ziel verbunden, den Verbrauch fossiler Ressourcen                    sich hierbei z. T. auf das vom BDEW entwickelte Smart-
zu reduzieren und sowohl global als auch lokal wirkende                      Grid-Ampelkonzept.2 Das Modell beinhaltet Vorschläge,
Emissionen zu minimieren. Dabei stellt die Elektromobilität                  wie Marktteilnehmende und Netzbetreiber in einem
das bestehende Stromnetz vor neue Herausforderungen:                         Smart Grid miteinander agieren können. In der grünen
So steigt etwa durch Elektromobilität die Anzahl der                         Phase liegt kein Handlungsbedarf vor. Die gelbe Phase
elektrischen Verbrauchsanlagen an. Daher wird mit                            zeigt auf der Ebene von Netzsegmenten an, dass es ohne
Einführung der Elektromobilität eine hohe Gleichzeitigkeit                   Maßnahmen zu Netzengpässen kommen wird. Die rote
des Strombedarfs erwartet, parallel dazu steigt auch                         Ampelphase signalisiert eine unmittelbare Gefährdung
die fluktuierende erneuerbare Energieerzeugung. Um                           der Netzstabilität im Verteilnetz. Die im Folgenden
diese Herausforderungen zu lösen und die Investitionen                       behandelten Lösungen für ein Lademanagement bezie-
in das Stromnetz zu begrenzen, sollten intelligente                          hen sich alle auf die grüne und gelbe Ampelphase.
Ladekonzepte gleich beim Ausbau der Ladeinfrastruktur                        Sie sehen vor, dass über den Markt oder über ver-
mitberücksichtigt werden.                                                    tragliche Vereinbarungen Flexibilitäten im Sinne der
                                                                             Lastverschiebung oder -reduzierung bereitgestellt werden
Unter intelligentem oder gesteuertem Laden (Smart                            und der Übergang in die rote Phase vermieden wird.
Charging) versteht man sowohl das netzdienliche als auch                     Denn in der roten Phase wäre ein direkter Eingriff des
das netzverträgliche Laden, wobei Überschneidungen bei                       Verteilnetzbetreibers vorgesehen, um die unmittelbare
bestehenden Lademanagementlösungen möglich bzw.                              Gefährdung der Netzstabilität zu beseitigen. Und genau
sogar erforderlich sind. Diese beiden Begrifflichkeiten                      diesen Umstand gilt es besonders für die Nutzer:innen
werden nicht immer eindeutig und in gleicher Definition                      von Elektrofahrzeugen zu vermeiden und ihm im Vorfeld
verwendet. Die Nationale Plattform Zukunft der Mobilität                     entgegenzuwirken.
(NPM) hat die unterschiedlichen Verwendungen der
Begriffe betrachtet und schlägt folgende Definition vor:                     Preisgesteuertes Laden ist eine Möglichkeit, die effiziente-
Das netzdienliche Laden hat primär das Ziel, die Stabilität                  re Auslastung der Verteilnetze zu realisieren und folglich
des Stromnetzes zu erhalten bzw. wiederherzustellen,                         Kosten für den Netzausbau und Ausgleichsmaßnahmen
indem durch die externe Ladesteuerung die Einhaltung                         einzusparen. Weiterhin ermöglicht es, den Zeitpunkt des
der verfügbaren Leistung und Energie im Verteilnetz rea-                     Strombedarfs an die regenerative Energieerzeugung
lisiert wird. Beim netzverträglichen Laden soll hingegen                     anzupassen und durch eine effizientere Nutzung von
möglichst ein für das Gesamtsystem kostengünstiger                           regenerativen Energien einen aktiven Beitrag zum
Ladevorgang realisiert werden, was sich beispielswei-                        Umwelt- und Klimaschutz zu leisten. Zudem könnte auf
se marktgetrieben über den Strompreis steuern lässt.1                        diese Weise ein Spielraum geschaffen werden, den
Beim netzverträglichen Laden ergeben sich verschiedene                       Betriebsaufwand der Ladeinfrastruktur, z. B. durch gerin-
Möglichkeiten zur Einbindung preislicher Anreize in das                      gere Anschluss- oder Ladestromkosten, zu reduzieren.
Lademanagement, das in dieser Studie als preisgesteuer-

1      NPM – Nationale Plattform Zukunft der Mobilität (2020a): Netzintegration von Elektromobilität – Basis für eine erfolgreiche Sektorkopplung.
       Eine Definition. Hrsg. von Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Berlin.
2      Vgl. BDEW – Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (2015): Diskussionspapier Smart Grids Ampelkonzept.
       Ausgestaltung der gelben Phase, https://www.bdew.de/media/documents/Stn_20150310_Smart-Grids-Ampelkonzept.pdf,
       Zugriff am 10.11.2020. Ders. (2017): Diskussionspapier Konkretisierung des Ampelkonzepts im Verteilungsnetz,
       https://www.bdew.de/media/documents/Stn_20170210_Konkretisierung-Ampelkonzept-Verteilungsnetz.pdf, Zugriff am 10.11.2020.

6
1 EINLEITUNG

Einige Projekte des Förderprogramms Elektro-Mobil fokus-
sieren auf die Umsetzung von Konzepten zum preisgesteu-
erten Laden. Dabei müssen für Pilotanwendungen Hürden
bezüglich Schnittstellen und Kommunikationsstandards
bewältigt werden, ggf. Regulatorik angepasst und ein-
fache Zugänge zu flexiblen Strompreisen geschaffen
werden.

Im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen Begleitforschung
und den Förderprojekten des Förderprogramms Elektro-
Mobil sowie einem weiteren externen Projekt wurde
diese Kurzstudie erstellt. Ziel der Studie ist zum einen, die
Verbreitung der entwickelten Lösungen aus den Projekten
zu erreichen. Zum anderen soll eine Grundlage geschaf-
fen werden, um das Potenzial und den identifizierten
Handlungsbedarf gegenüber relevanten Akteuren zu
adressieren und so den Weg für eine weitere Umsetzung
zu ebnen. Hierzu werden ausgewählte Konzepte zur
Umsetzung eines preisgesteuerten Lademanagements
dargestellt und beispielhaft zur weiteren Verwendung
oder Weiterentwicklung diskutiert. Die wirtschaftlichen
und technischen Hürden bei der Umsetzung des preis-
gesteuerten Lademanagements werden anhand dieser
Konzepte aufgezeigt und Handlungsbedarf identifiziert.
Neben den technischen und wirtschaftlichen Hürden wird
auch die Sicht der Nutzer:innen beleuchtet.

                                                                          7
2 PREISGESTEUERTES LADEN
2 PREISGESTEUERTES LADEN

2 PREISGESTEUERTES LADEN

2.1 SYSTEMÜBERSICHT                                                   Teilmärkte zum Handeln von Strom sind die Strombörse,
Daniel Strommenger (iit), Doris Johnsen (iit)                         der OTC-Handel („Over-the-Counter“) und der
                                                                      Regelenergiemarkt. Beim OTC-Handel werden langfris-
Die im Folgenden verwendete Bezeichnung des preis-                    tige Direktverträge zwischen Erzeugern und Abnehmern
gesteuerten Ladens beschreibt ein Lademanagement,                     vereinbart. Über diesen OTC-Handel wird der Großteil
welches den Ladevorgang von einem oder mehreren                       (ca. drei Viertel5) der Strommengen in Deutschland
Elektrofahrzeugen in Abhängigkeit von Preissignalen plant             verkauft. Die restlichen Mengen werden über die
und umsetzt. Somit wird abhängig von Preissignalen die                Strombörsen gehandelt. Die Strombörsen sind aufgliedert
verfügbare Ladeleistung reduziert oder der Ladezeitpunkt              in den Terminmarkt und den Spotmarkt. In Europa wer-
verschoben. Auch die Erweiterung dieses Konzepts                      den beim Strombörsenhandel auf dem Terminmarkt der
durch bidirektionales Laden und die Möglichkeit eines                 European Energy Exchange (EEX) in Leipzig eher lang-
intelligenten Lademanagements, das auch auf andere                    fristige Stromliefervereinbarungen (bis zum Ende des vor-
Signale über den Verteilnetzbetreiber reagiert, werden                hergehenden Monats) vereinbart. Kurzfristige lieferbare
der Vollständigkeit halber in dieser Kurzstudie thematisiert.         Strommengen werden hingegen über den EPEX-Spotmarkt
                                                                      in Form des Day-Ahead-Handels (am Vortag) oder des
                                                                      Intraday-Handels (bis 5 Minuten vor Lieferzeitpunkt) ver-
                                                                      äußert. Um sehr kurzfristig die Netzstabilität bewahren zu
                                                                      können, werden am Regelenergiemarkt Energiereserven
                                                                      (Primär-, Sekundär- und Minutenreserve) gehandelt. Dabei
                                                                      bieten die Erzeuger ihre Leistung an, welche im Notfall
STROMERZEUGUNG                                   STROMNETZ
UND -NACHFRAGE                                                        zur Netzstabilisierung eingesetzt wird. Zusätzlich wird
                                                                      noch ein nachträglicher bilanzieller Austausch über den
                                                                      Day-After-Handel (bis zum Folgetag) per OTC-Handel
                    PREISSIGNALE FÜR DAS
                     LADEMANAGEMENT                                   vorgenommen.

Abbildung 1: Gesteuertes Laden auf Basis von Preissignalen
(Quelle: eigene Darstellung)

Die Preissignale, welche als Referenz für die Steuerung
dienen, können grundsätzlich sowohl aus den
Strommärkten als auch aus dem Stromnetz stammen. Der
Strommarkt setzt sich in der Praxis aus verschiedenen
Teilmärkten mit je eigenen Preissignalen zusammen.3
Dabei werden Preissignale auf Basis der Gesamtbilanz
zwischen Nachfrage und Angebot des erzeugten Stroms
auf der einen und der erforderlichen Beschaffung von
Systemdienstleistungen4 auf der anderen Seite (z. B.
Regelenergie oder Redispatch) generiert.

3       Vgl. https://www.smard.de/page/home/wiki-article/446/384, Zugriff am 10.11.2020
4       Vgl. www.next-kraftwerke.de/wissen/systemdienstleistungen, Zugriff am 10.11.2020.
5       Vgl. www.next-kraftwerke.de/wissen/otc-handel, Zugriff am 10.11.2020.

                                                                                                                              9
GESTEUERTES LADEN VON ELEKTROFAHRZEUGEN ÜBER PREISANREIZE

    ZEIT                                                                                                        LIEFERZEITPUNKT

STROMBÖRSE              Terminhandel         Day-Ahead-           Day-Ahead-         Intraday-Auktion   Intraday-Handel
                        EEX                  Auktion EXAA         Auktion EPEX       EPEX Spot          EPEX Spot
                                                                  Spot

                        bis 24:00 des        bis 10:15 des        bis 12:00 des      bis 15 Uhr des     bis 5 Min. vorher
                        letzten Tages des    Vortags              Vortags            Vortags
                        Vormonats
                                             60- und 15-Min.-     60-Min.-Gebote     15-Min.-Gebote     15-Min.-Gebote
                                             Gebote

OVER-THE-               Bilateraler Handel                                                                                  Day-After-Handel
COUNTER (OTC)                                                                                                               (Nachträglicher
                        Bis 15 Min. vorher (bei regelzonenübergreifend)                                                     bilanzieller
                        Bis 0 Min. vorher (bei regelzonenintern)                                                            Austausch)

                                                                                                                            bis 16 Uhr
                                                                                                                            Folgetag

REGELENERGIE            Primärreserve
                        Sekundärreserve
                        Minutenreserve

Abbildung 2: Handelfristen an Strommärkten (Quelle: Next Kraftwerke GmbH6 )

Das Stromnetz hingegen generiert Preissignale indirekt                      ben, den Verbrauch unabhängig von den tatsächlichen
auf Basis der Netzbetriebskosten. Beispielsweise kön-                       Preisen am Strommarkt zu steuern und somit erwartete
nen Netzengpässe dazu führen, dass der Strom im                             Netzengpässe zu vermeiden.
Netz umverteilt werden muss, was wiederum höhere
Netzentgelte bedingt. Netzentgelte gehen grundsätz-                         Die Umsetzung des Lademanagements und das
lich anhand der Preisblätter als fixe Größe in den                          Zusammenspiel aller relevanten Akteure ist jedoch im
Preis des Ladestroms ein. Mit § 14a EnWG wird es                            Detail deutlich komplexer. Abbildung 3 bietet eine
dem Verteilnetzbetreiber in der Niederspannung mög-                         schematische Übersicht der wesentlichen Akteure und
lich gemacht, reduzierte Netzentgelte für steuerbare                        Informationsflüsse sowie der an dieser Kurzstudie betei-
Verbrauchseinrichtungen zu berechnen. So können beim                        ligten Projekte des Förderprograms Elektro-Mobil. Da ein
Anschluss einer steuerbaren Ladeinfrastruktur reduzierte                    Projektkonsortium sich meistens aus mehreren der genann-
Netzentgelte verhandelt werden, wenn eine netzdien-                         ten Akteure zusammensetzt, wurden die Projekte anhand
liche Ladesteuerung erfolgt. Im Gegensatz zu kontinuier-                    ihres jeweiligen inhaltlichen Schwerpunkts in der Grafik
lich variierenden Preissignalen vom Strommarkt werden                       (Doppelnennung möglich) zugeordnet.
die Netzentgelte mindestens jährlich oder über die
Vertragslaufzeit fixiert. Folglich spiegeln diese nicht die                 Das Lademanagement wird üblicherweise durch den
aktuelle Situation (z. B. Netzengpass) wider, können aber                   Betreiber der Ladeinfrastruktur (Charge Point Operator,
auf Basis von § 14a EnWG dem Netzbetreiber erlau-                           CPO) umgesetzt und verwaltet. Dieser ist zudem ver-

6          https://www.next-kraftwerke.de/wissen/spotmarkt-epex-spot, Zugriff am 13.11.2020.

10
2 PREISGESTEUERTES LADEN

antwortlich für Aufbau und Betrieb der Ladeinfrastruktur                eMSP vereinheitlichen, um der Kundschaft den Zugang
(LIS). Die Steuerung des Ladevorgangs kann über                         zur Ladeinfrastruktur zu erleichtern.
das Managementsystem des CPO, das sogenann-
te Backend, oder als Teil des lokalen Energie- und                      Diese zentralen Akteure können die verschiede-
Leistungsmanagementsystems (EMS) einer Liegenschaft                     nen Preissignale für das Lademanagement über
erfolgen. Neben dem CPO ist der Anbieter von                            Stromlieferanten, Aggregatoren und die jeweiligen
Mobilitätsdienstleistungen (eMSP) ein wesentlicher Akteur               Netzbetreiber erhalten.
beim preisgesteuerten Laden. Er nimmt in der Regel die
Abrechnung der Ladevorgänge für die Nutzer:innen                        –A
                                                                         uf der Seite der Netzbetreiber wird in das
von Elektrofahrzeugen vor. Die Grenzen zwischen CPO                      Lademanagement vorrangig der Verteilnetzbetreiber
und eMSP verschwimmen in der Praxis zum Teil,                            des Niederspannungsnetzes eingebunden, zu dem
sodass diese unterschiedlichen Rollen auch durch ein                     die Letztverbraucher eine vertragliche Beziehung
und dasselbe Unternehmen wahrgenommen werden                             haben. Letztverbraucher sind Personen, die Strom zum
können. Hinzu kommen Roaming-Anbieter, welche den                        Eigenverbrauch kaufen und nicht weiterveräußern.
Informationsaustausch zwischen mehreren CPO und                          Auch Elektrofahrzeuge gelten im Energierecht als Letzt-

                                                    BDL
                                                    LamA (FhG ISI)               BSR-Li-Flx                                 LamA (FhG ISI)

                                                                                                       STROM-                   STROM-
    OEM                            NUTZER:INNEN
                                                                                                      ANBIETER                  MARKT

                                 BDL

                     EV                    LIS                     CPO                        eMSP                    VNB

                                                            LamA
                                                            - connect
                                                                                               LamA - connect
                                                                                               ELBE
                                                      EMS                     ROAMING

LEGENDE
                                                                                                        ELBE
      Interaktion                                                                                       BSR-Li-Flx

      Projektaktivität

      EV     Elektrofahrzeug                       eMSP Anbieter von Elektro-                     EMS Energie- und Leistungs-
      LIS    Ladeinfrastruktur                          mobilitätsdienstleistungen                    managementsystem
      CPO Ladeinfrastrukturbetreiber               VNB Verteilnetzbetreiber                       OEM Erstausrüster

Abbildung 3: Zusammenspiel der relevanten Akteure beim preisgesteuerten Laden (Quelle: eigene Darstellung)

                                                                                                                                         11
GESTEUERTES LADEN VON ELEKTROFAHRZEUGEN ÜBER PREISANREIZE

  verbraucher. Der Verteilnetzbetreiber verwaltet das an                  Es sei bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass
  die Ladeinfrastruktur angebundene Verteilnetz und legt                  gesteuertes Laden in drei Domänen – Energiesystem,
  entsprechende Netzentgelte fest.                                        Markt und Netz – wirkt.

–D
  ie Stromlieferanten bieten Energie über verschiedene                   Beim gesteuerten Laden handelt es sich um eine
 Märkte oder bilaterale Verträge zu unterschiedlichen                     Integration der Ladeinfrastruktur in das Energiesystem
 Preisen an. Daher haben auch diese einen Einfluss auf                    (Netzintegration). Der Verein CharIN hat vier Eingriffstiefen
 die Preissignale für das Lademanagement.                                 („Levels“) der Netzintegration definiert. Die Levels unter-
                                                                          scheiden sich in der Funktionsumfänglichkeit und in den
– In der Regel besteht eine direkte Kommunikation mit den                damit verbundenen technischen Anforderungen. Die in
  Stromlieferanten nur bei der Abnahme von großvolumi-                    dieser Studie dargestellten Lösungsansätze bewegen
  gen Energiemengen. Um auch kleineren Abnehmern                          sich vornehmlich auf den Levels 1 und 2, dem in erster
  den Zugang zu variablen Strompreisen zu ermög-                          Linie einseitigen gesteuerten Laden sowie dem koope-
  lichen, bündeln Aggregatoren die Anfragen mehrerer                      rativen Laden, das einen komplexeren beidseitigen
  Stromabnehmer und -erzeuger und stellen so auch                         Informationsaustausch zur Ladesteuerung beinhaltet. Das
  für sie den Zugang zum Strommarkt her. Mittlerweile                     Level 3 des bidirektionalen Ladens wird allein durch das
  spezialisieren sich sogenannte Aggregatoren neben                       Projekt BDL erprobt.
  Kraftwerksparks auch auf Dienstleistungen in der
  Elektromobilität.7

– Letztlich kann das Lademanagement eingesetzt wer-
  den, um durch die Verschiebung von den Lasten der
  Ladevorgänge oder gar der Rückeinspeisung von Strom
  aus dem Elektrofahrzeug in das Stromnetz Flexibilitäten
  für das System der elektrischen Energieversorgung bereit-
  stellen und so auch Systemdienstleistungen anbieten zu
  können oder gar den Kraftwerks-Redispatch zu unter-
  stützen. Hier agieren die Übertragungsnetzbetreiber
  koordinierend, nutzen dazu aber auch überwiegend
  Marktplattformen.

7	Zum Beispiel die Zusammenarbeit zwischen Next Kraftwerke GmbH, Betreiber eines der größten virtuellen Kraftwerke Europas, und Jedlix BV,
   einem Aggregator für Elektrofahrzeuge und Betreiber einer Plattform für intelligente Ladekonzepte.

12
2 PREISGESTEUERTES LADEN

    GRID INTEGRATION LEVELS
    2020-06-26-V5.2
    – There are many levels of Grid Integration that can generate value.
    – CCS with ISO/ISO 15118 20 is the key enabler of Grid Integration and is ready for V2G.
    – This technology is prepared for a wide range of use cases.

                                                                                                                                                 Level 4 – V2G
                                                                                                                                                 AGGREGATED
                                                                                                                   Level 3 – V2H
                                                                                                                                                 (BIDIRECTIONAL)
                                                                                                                   BIDIRECTIONAL
                                                                                     Level 2 - V1G/H                                             CHARGING
                                                                                                                   CHARGING
                                                                                     COOPERATIVE
                                                        Level 1 - V1G                                                                            The EV and the EVSE
                                                                                     CHARGING                      Energy transfers between
                                                        CONTROLLED                                                                               fulfil functions that go
                          GRID-COMPLIANT                                                                           EVs battery and the
                                                        CHARGING                     EV and EVSE negotiate                                       beyond the customer’s
                          CHARGING                                                                                 home /customer system.
                                                                                     a charging profile                                          own energy system
                                                        The charging event can       based on various drivers                                    (bidirectional energy
                          EV and EVSE are               be influenced regarding                                    Energy transfers are
                                                                                     (monetary incentives or                                     transfers, aggregators
                          compliant with the local      the charging power and                                     motivated by sustainabi-
                                                                                     grid constraints) mainly                                    qualification, full balan-
                          requirements, guidelines      can be shifted in time                                     lity or economical rea-
                                                                                     w/o user interaction                                        cing market services,
                          and regulations.              remotely by DSO (with                                      sons (storage and usage
                                                                                     (also aggregation); tariff                                  economic interests of the
                                                        highest priority), CPO,                                    of power, generated           EV owner).
                          This level only considers                                  tables etc; mobility need     by local PV panels or
                                                        EV user, EV or home          taken into account.
                          charging events from          energy management                                          similar).                     Supports in front of the
DESCRIPTION

                          grid to EV.                   (HEM).                       Aggregation (local,                                         meter (FTM) use cases
                                                                                                                   Supports behind the
                          The charging power                                         per charging spot)            meter (BTM) use cases
                                                        The EV is capable to                                                                     Swarm qualification/
                          is below thresholds,          wake up for defined                                                                      aggregation across
                          requiring controllability /   start/stops.                                                                             larger area (entire state
                          load management by
                                                                                                                                                 or country)
                          the DSO.                      Reaction timings are
                                                        defined.

                                                        EV/EVSE, HEM
                                                        consider variable power
                                                        settings.
TECHNICAL REQUIREMENTS

                          • Various local regula-       Local regulations EV         Local regulations EV          Local regulations EV          Local regulations EV
                            tions per country           and EVSE                     and EVSE                      and EVSE                      and EVSE
                            (e.g. grid codes,
                            IEC61851-1, IEC             •	PWM signal,               • ISO/IEC15118 Ed1            • See level 2                 • See level 2
                            60364 series,…)                 IEC 61851                • Telematics                  • ISO/IEC15118-20               EVSE and grid
                                                        • DIN-SPEC 70121               EVSE and grid                 EVSE and grid               • See level 3
                                                           (for DC) EVSE and         • OCPP 1.6f                   • See level 2                 • Many requirements
                                                           grid (Utility, CPO,…)     • See level 1                 • EEBus                         still missing
                                                        • OCPP 1.6                   • ToU                         • Many requirements
                                                        • Demand-response                                            still missing
                                                        • Opt-out possibilities

                             GRID CONNECTION                                                         GRID INTEGRATION

                         EV – electric vehicle, EVSE – electric vehicle supply equipment, DSO – distributed system operator, CPO – charge point operator

    Abbildung 4: Grid Integration Levels Version 5.2 (Quelle: CharIN e.V.8)

    8                       CharIN (o.J.): https://www.charinev.org/fileadmin/Downloads/Papers_and_Regulations/CharIN_Levels_Grid_Integration.pdf,
                            Zugriff am 01.10.2020.

                                                                                                                                                                             13
GESTEUERTES LADEN VON ELEKTROFAHRZEUGEN ÜBER PREISANREIZE

2.2 AKTUELLE VORAUSSETZUNGEN FÜR                                             einem Netzanschlusspunkt ausfallen, desto geringer
DIE NUTZUNG VON PREISSIGNALEN AUS                                            ist das entsprechende jährliche Leistungsentgelt. Das
MARKT UND NETZ                                                               Jahresleistungsentgelt ist neben dem Arbeitspreis (in Cent
Dr. Alexander Weber (ÖKOTEC)                                                 pro Kilowattstunde) einer der beiden Preiskomponenten
                                                                             des Netzentgelts. So kann ein Anschlussnehmer über
Für die Nutzung von Preissignalen aus Markt und Netz                         ein intelligentes Management seiner Last (dem Stromnetz
gelten unterschiedliche Voraussetzungen. Preissignale aus                    entnommene Leistung) besonders die Leistungsspitzen
dem Stromnetz unterliegen durch rechtliche Vorgaben                          verringern und so das Jahresleistungsentgelt reduzieren.
bereits einem gewissen Regelrahmen, während die                              In diesem Rahmen ist die Ladung von Elektrofahrzeugen
Nutzung von Preissignalen des Strommarktes bislang nur                       insbesondere die sogenannte atypische Netznutzung
wenig verbreitet und kaum standardisiert ist.                                besonders relevant (§ 19 Abs.2 Satz 1 StromNEV).
                                                                             Netzkunden mit atypischem Verbrauchsverhalten können
Mit Blick auf die Preissignale aus dem Netz ist vorab                        hiernach ein Sonderentgelt für die Netznutzung beantra-
Folgendes zu berücksichtigen: Konditionen für nor-                           gen. Die Netzbetreiber legen die Hochlastfenster analog
male Haushaltsstromanschlüsse bestehen aus einsei-                           zu den Anforderungen durch die Bundesnetzagentur
tigen Preisangeboten, die anhand von sogenannten                             (BNetzA) fest. Das heißt, wird die Ladung eines oder
Standardlastprofilen (SLP) errechnet werden. Deshalb wer-                    mehrerer Elektrofahrzeuge auf einen Zeitpunkt außerhalb
den Kunden mit normalen Haushaltsstromanschlüssen als                        der Hochlastzeitfenster verlagert, so wird dies über die
sogenannte SLP-Kunden9 (Kunde ohne Leistungsmessung)                         damit verbundene Reduzierung der Maximalleistung
bezeichnet. Die Preisgestaltung ist bei normalen                             im Vergleich zum sonstigen Bezug vom jeweiligen
Haushaltsstromanschlüssen nicht individuell verhandelbar.                    Verteilnetzbetreiber honoriert. Im Rahmen verschiede-
Im Gegensatz dazu ist die Preisgestaltung bei Kunden                         ner Forschungsprojekte wurden Systeme entwickelt,
mit einem Jahresverbrauch von mehr als 100.000 kWh                           die die Vermarktung von Netzengpässen (sowohl im
elektrischer Energie (RLM-Kunden) individuell ver-                           Übertragungs- als auch im Verteilnetz) unterstützen sollen;
handelbar. Voraussetzung hierfür ist eine registrie-                         bislang ist eine durchgängige Einführung jedoch nicht
rende Lastgangmessung (RLM; auch registrierende                              erfolgt. Für Anschlüsse im Niederspannungsnetz ist mit
Leistungsmessung) durch den Energieversorger. Nur hier                       § 14a EnWG ein Gesetz für steuerbare Verbraucher in
ist unter dem aktuellen regulatorischen Rahmen der                           Kraft, über das diese mit einem geringeren Netzentgelt
Einsatz von Preissignalen umsetzbar.                                         belegt werden können. Dort wird explizit auch die
                                                                             Ladung von Elektrofahrzeugen als Anwendungszweck
Im Rahmen der Netznutzung bestehen für RLM-Kunden                            erwähnt. Die entsprechende Durchführungsverordnung
aktuell bereits folgende Preisanreize: Zunächst ist die                      ist derzeit jedoch in Erarbeitung und ihre konkrete
Minimierung des Jahresleistungsentgeltes interessant.                        Ausprägung noch nicht bekannt.
Das Jahresleistungsentgelt ist das Produkt aus dem
jeweiligen Jahresleistungspreis (in Euro pro Kilowatt)                       Für die Nutzung von Preissignalen aus dem Strommarkt,
und der Jahreshöchstleistung (in Kilowatt der jewei-                         die sich unmittelbar aus der Erzeugungs- und
ligen Entnahme im Abrechnungsjahr). Je geringer                              Verbrauchssituation ergeben, besteht hingegen kein
die jährlichen bzw. monatlichen Leistungsspitzen an                          standardisierter Rahmen – weder in gesetzgeberischer

9	Bei juristischen Personen wird in dieser Kurzstudie i. d. R. auf eine gendergerechte Schreibweise verzichtet.

14
2 PREISGESTEUERTES LADEN

noch in privatrechtlicher oder technischer Hinsicht.                         lem Kommunikationsmodul die Hauptaufgabe zu, für die
Grundsätzlich ließen sich zwar zwischen Stromversorger                       sichere Datenübertragung im intelligenten Messsystem
und jeweiligem Stromabnehmer/Ladesäulenbetreiber                             zu sorgen. Ferner ist auch für Anschlüsse, die von den
beliebige Verträge vereinbaren, in der Regel wird                            Regelungen des § 14a EnWG Gebrauch machen, ein
jedoch eine Belieferung zum Fixpreis durchgeführt,                           iMSys vorgeschrieben und die Nutzung preisvariabler
der keine Anreize bietet, den Strombezug so anzu-                            Tarife grundsätzlich möglich.
passen, dass die Ladung von Elektrofahrzeugen an
Preisen oder der Verfügbarkeit erneuerbaren Stroms                           Zusammenfassend ist festzuhalten, dass für die Diskussion
ausgerichtet wird. Es existieren jedoch verschiede-                          um Nutzungsmöglichkeiten von Preissignalen aus
ne Modelle zur Weitergabe von Großhandelspreisen                             Strommarkt und -netz neben technischen Fragestellungen
bzw. von aktuellen Stromerzeugungskosten: Historisch                         auch organisatorisch-vertragliche Faktoren prägend sind.
sind hier etwa das Hochtarif-/Niedertarif-Modell zu
nennen, das die Auslastung der Grundlastkraftwerke
sicherstellen sollte. Auch aktuell angebotene Tarife10                       2.3 SYSTEMATISIERUNG VON USE CASES
basieren auf der Übermittlung von Preisinformationen,                        FÜR PREISGESTEUERTES LADEN
nach denen der Strombezug dann abgerechnet wird.                             Timo Kern (FfE)
Noch näher am Strommarkt sind Modelle, bei denen
der Stromversorger den Strombezug nach Vorgaben                              Die Möglichkeiten und Ausprägungen von preisgesteu-
des Energiemanagementsystems des Eigentümers der                             ertem Laden sind vielfältig. Abbildung 5 klassifiziert
Ladeeinrichtung optimiert.                                                   die Anwendungsfälle (Use Cases) von preisgesteuertem
                                                                             Laden mit direkter und indirekter Preissteuerung. Eine
Technisch erfordert eine Belieferung mit flexib-                             direkte Preissteuerung liegt vor, wenn ein Elektrofahrzeug
len, am Strommarkt orientierten Tarifen zudem eine                           allein basierend auf zeitlich aufgelösten Preissignalen
Lastgangmessung. Wie oben formuliert, beschreibt                             die Ladestrategie anpasst. Die Preissignale können hier-
die Lastgangmessung einen Messvorgang durch den                              bei hochdynamisch im Minutenbereich variieren (z. B.
Energieversorger beim Kunden. Dieser Messvorgang                             am kontinuierlichen Intraday-Markt) oder über einen
wird bei Kunden mit registrierender Lastgangmessung                          längeren Zeitraum von mehreren Stunden einen kons-
(RLM) ohnehin seit Jahrzehnten gewährleistet und neuer-                      tanten Wert aufweisen (z. B. Hochtarif Tagstrom HT/
dings bzw. in naher Zukunft durch sogenannte „Smart                          Niedertarif Nachtstrom NT). Eine indirekte Preissteuerung
Meter“ (intelligente Messsysteme, iMSys) eingeführt für                      repräsentiert eine Ladestrategie basierend auf einer
kleinere Verbraucher zwischen 6 und 100 MWh/a                                Gesamtoptimierung, in die Preissignale mit eingehen.
(vgl. §§ 29, 55 MSBG). Ein intelligentes Messsystem
(iMSys) besteht aus dem Zusammenspiel aus digitalen
Messeinrichtungen und einem Kommunikationsmodul. In
dem nach den Vorgaben des Bundesamts für Sicherheit
in der Informationstechnik (BSI) entwickelten intelligenten
Messsystem kommt dem Smart-Meter-Gateway als zentra-

10	Vgl. z. B. Next Kraftwerke, „Best of 96“, https://www.next-kraftwerke.de/virtuelles-kraftwerk/stromverbraucher/variabler-stromtarif#best-of-96,
    Zugriff am 13.11.2020.

                                                                                                                                                      15
GESTEUERTES LADEN VON ELEKTROFAHRZEUGEN ÜBER PREISANREIZE

KLASSIFIZIERUNG DER USE CASES

Use Case                     Preisge-    Erlösort       Kunden-        Regelung     Regula-        Externe       Bidirektional?    Regula-
                              steuert                   gruppe                       torik         Akteure                          torik
                                                                                   (gesteuert)                                     (bidirek-
                                                                                                                                    tional)

Zeitliche Arbitrage durch                                                                         Aggregator,
                                                                        In front                                     Ja, mit
Handel am Strommarkt                                                                                VNB,
                                                                         of the                                   Rückspeisung
> Day Ahead                                                                                        LF, BKV,
                                                                         meter                                      ins Netz
> Intraday                                                                                           MSB
Tarifoptimiertes Laden
                                                                                                     LF,             Ja, mit
> HT/NT                                                                  Behind
                                                                                                    MSB,         Rückspeisung in
> Börsenpreisorientiert                                                the meter
                                                                                                    VNB           den Haushalt
> Variable Netzentgelte

Spitzenlastkappung mit                                                                                               Ja, mit
Flottenmanagement                                                        Behind                      VNB,         Rückspeisung
                                                                       the meter                     MSB             in das
                                                                                                                  Unternehmen
Eigenverbrauchserhöhung
                                                                                                                     Ja, mit
                                                                         Behind
                                                                                                     MSB         Rückspeisung in
                                                                       the meter
                                                                                                                  den Haushalt

Systemdienstleistungen                                                                            Aggregator,
                                                                        In front                                     Ja, mit
                                                                                                     VNB,
                                                                         of the                                   Rückspeisung
                                                                                                 BKV, LF, MSB,
                                                                         meter                                      ins Netz
                                                                                                     ÜNB

       ZU HAUSE/SLP-KUNDE                    GEWERBE/RLM-KUNDE                     NETZ/MARKT/SYSTEM

Abbildung 5: Use Cases zum preisgesteuerten Laden mit bidirektionaler Erweiterung (Quelle: Projekt BDL)

Zu den direkt preisgesteuerten Use Cases gehören die                     Weitere Use Cases nutzen indirekte Preissignale, um
Nutzung von zeitlicher Arbitrage am Strommarkt und                       die Ladestrategie des Elektrofahrzeugs anzupassen. Die
das tarifoptimierte Laden. Beim preisgesteuerten Laden                   Eigenverbrauchserhöhung führt eine Minimierung der
nach zeitlicher Arbitrage werden Preisdifferenzen an                     Strombezugskosten durch, die wesentlich durch die Höhe
den Day-Ahead- und den Intraday-Märkten genutzt,                         der Strombezugskosten und der PV-Einspeisevergütung
indem der Zeitraum des Ladevorgangs in Zeiten mit                        beeinflusst wird. Spitzenlastkappung in Unternehmen
günstigen Börsenpreisen verschoben wird. Beim tarif-                     hat das Ziel, die Netzentgelte zu senken, indem das
optimierten Laden werden vom Energieversorger angebo-                    Laden des Elektrofahrzeugs zu Zeiten einer geringeren
tene dynamische Tarife genutzt, um das Elektrofahrzeug                   Unternehmenslast durchgeführt wird. Letztlich können poten-
zu Zeitpunkten mit günstigen Strompreisen zu laden.                      ziell auch die Preissignale von Systemdienstleistungen,
Günstige Preise können durch eine geringe Last (HT/                      wie die Bereitstellung von Redispatch oder Regelleistung,
NT), hohe Einspeisungen erneuerbarer Energien (börsen-                   durch gesteuertes Laden genutzt werden. Der Fokus soll
preisorientiert) oder geringe Netzauslastung (variable                   im Weiteren auf die direkt preisgesteuerten Use Cases
Netzentgelte) begründet sein.                                            gelegt werden.

16
2 PREISGESTEUERTES LADEN

Der Energiemarkt ist über Marktrollen organisiert.                       Preisgesteuerte Use Cases bieten das Potenzial, aus
Wesentliches Element dieser Organisation ist die                         Nutzer:innen- und Systemsicht einen monetären Mehrwert
Marktkommunikation, welche im Rollenmodell des                           zu generieren. Tarifoptimiertes gesteuertes Laden ist heute
Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft e. V.                   grundsätzlich umsetzbar; die dafür notwendigen dyna-
(BDEW)11 definiert ist. Teil dieser Marktkommunikation                   mischen Tarife werden teilweise bereits angeboten. Die
sind unter anderem die Rollen Verteilnetzbetreiber                       Nutzung von zeitlicher Arbitrage am Strommarkt kann
(VNB), Lieferant, Bilanzkreisverantwortlicher (BKV), Mess-               regulatorisch für gesteuertes Laden heute schon umge-
stellenbetreiber (MSB) und Übertragungsnetzbetreiber                     setzt werden, am einfachsten durch zeitvariable börsen-
(ÜNB). In Abbildung 5 sind im Bereich der Akteure die                    preisorientierte Tarife. Da der Haushaltsstrompreis durch
Marktrollen den Use Cases zugeordnet. Die Rolle des                      Abgaben und Umlagen geprägt ist (ca. 80–85 % des
Aggregators ist dabei kein Teil des Rollenmodells. Beim                  Gesamtpreises)12, schafft der variable Börsenstrompreis
tarifoptimierten Laden wird durch den Lieferanten ein redu-              hier allerdings nur einen sehr begrenzten Anreiz zur
zierter Stromtarif in bestimmten Zeiten angeboten. Dies                  Veränderung des Ladeverhaltens.
ermöglicht es, unterschiedliche Preise für den Strombezug
zu zahlen, welche dann durch eine Ladesteuerung                          ERWEITERUNG DER USE CASES DURCH
genutzt werden können, um die Strombezugskosten zu                       BIDIREKTIONALES LADEN
optimieren.                                                              Alle in Abbildung 5 aufgezeigten Use Cases lassen
                                                                         sich grundsätzlich durch eine bidirektionale Anwendung
Bei der Definition der Use Cases wird zwischen                           erweitern, um das Stromausgleichspotenzial, welches
dem Erlös-Ort und der Kundengruppe unterschieden                         durch intelligentes Laden bereits erreicht wird, weiter zu
(siehe Abbildung 5). Der Erlös-Ort kann zwischen                         erhöhen. Denn bidirektionale Elektrofahrzeuge können
Haushalten, Gewerbe und Stromnetz unterteilt wer-                        zusätzlich Strom aus der Batterie des Fahrzeugs über eine
den. Die Kundengruppen unterscheiden sich nach der                       geeignete Wallbox zurückspeisen. Beim Use Case zeit-
energiewirtschaftlichen Einordnung in SLP-Kunde (Kunde                   liche Arbitrage wird dabei der Strom zu Zeiten mit teuren
mit Standardlastprofil), RLM-Kunde (mit registrierender                  Börsenpreisen zurück ins Netz gespeist. Auch der Use
Leistungsmessung) und dem Markt, d. h. dem Stromsystem.                  Case tarifoptimiertes Laden ist bidirektional erweiterbar,
An den jeweiligen Erlös-Orten kann das Elektrofahrzeug                   indem zu Zeiten mit hohen Strompreisen die Haushaltslast
preisgesteuert geladen werden. Hierzu wird eine steuer-                  aus dem Elektrofahrzeug gedeckt wird, ohne zurück ins
bare Ladestation benötigt, die auf Preissignale reagieren                Netz zu speisen.
kann und den Ladevorgang dementsprechend steuert.
Ferner wird eine Messeinrichtung – z. B. ein intelligentes               Bidirektionale Elektrofahrzeuge sind eine neue
Messsystem – zur Erfassung der Energiemengen pro                         Technologie, deren Funktionalität insbesondere bei
Abrechnungsintervall eingesetzt.                                         höheren Mengen an Überschussstrom im Netz an
                                                                         Relevanz gewinnen wird und für die noch keine regula-
                                                                         torischen Rahmenbedingungen auf EU-Ebene existieren.13

11     BDEW – Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (2019): Rollenmodell für die Marktkommunikation im deutschen Energiemarkt –
       Strom und Gas, Berlin.
12     BDEW – Bundesverband der Energie-und Wasserwirtschaft (2020): BDEW-Strompreisbestandteile Januar 2020 – Haushalte und Industrie, Berlin.
13     EASE – European Association for Storage of Energy (2019): Energy Storage: A Key Enabler for the Decarbonisation of the Transport Sector,
       Brussels.

                                                                                                                                             17
GESTEUERTES LADEN VON ELEKTROFAHRZEUGEN ÜBER PREISANREIZE

  Grundsätzlich wird ein bidirektionales Elektrofahrzeug                                    für den Strombezug eines Elektrofahrzeugs dar. Dazu
  in Deutschland als Letztverbraucher eingestuft, wobei                                     werden die Erlöspotenziale der Nutzer:innengruppe
  noch nicht definiert ist, ob Elektrofahrzeuge als Speicher                                „Pendler“ dargestellt. Die Erlöspotenziale der nicht abge-
  teilweise befreit werden von Abgaben und Umlagen                                          bildeten „Nicht-Pendler“ variieren im Vergleich dazu leicht
  auf den Strombezug. Für den Use Case tarifoptimiertes                                     bei einem qualitativ ähnlichen Verlauf. Die dargestellten
  Laden ist neben der noch nicht geklärten grundsätzlichen                                  Erlöse am Day-Ahead-Markt und in der Intraday-Auktion
  Einordnung des bidirektionalen Elektrofahrzeugs anzu-                                     wurden im Rahmen des BDL-Projekts für einen exemplari-
  nehmen, dass gegebenenfalls auch die Regelung für                                         schen Fahrzeugtyp (100 kWh Batteriekapazität, 11 kW
  sogenannte De-minimis-Anlagen (Stromerzeugungsanlage                                      Lade-/Entladeleistung) ermittelt. Erlöspotenziale von
  von 10 kW bis zu 10 MWh) relevant werden könnte,                                          gesteuertem Laden sind dabei weitgehend unabhängig
  die für eine Stromerzeugungsanlage von 10 kW (und                                         von zusätzlichen Abgaben, da diese nur das Niveau
  damit auch eine bidirektionale Wallbox) bis zu 10 MWh                                     des Strompreises anheben, die Preisspannen jedoch
  von der EEG-Umlage befreit (s. § 61a Nr. 4 EEG)                                           bestehen bleiben. Die Erlösmöglichkeiten von bidirek-
  werden, sofern die bidirektionale Wallbox eine                                            tionalem Laden sinken bei nur geringfügigen Abgaben
  Ausspeicherleistung mehr als 10 kW aufweist.                                              und Umlagen bereits deutlich ab. Abgaben in Höhe
                                                                                            von 20 Euro/MWh führen beispielsweise bereits zu
  Um einen Eindruck der Auswirkung von Abgaben und                                          einer Verringerung der Erlöse von über 60 Prozent. Eine
  Umlagen – wie z. B. Netzentgelten und der EEG-Umlage –                                    Wirtschaftlichkeit für den Use Case zeitliche Arbitrage
  auf die Erlöspotenziale des Use Cases zeitliche Arbitrage                                 lässt sich potenziell nur erreichen, wenn bidirektionale
  zu vermitteln, stellt Abbildung 6 die Differenzerlöse                                     Elektrofahrzeuge, die als Stromspeicher agieren, eine
  von bidirektionalem und gesteuertem Laden gegenüber                                       Befreiung von verschiedenen Abgaben und Umlagen
  dem ungesteuerten Laden unter verschiedenen Abgaben                                       erlangen.

                   600

                   500
Erlöse in €/EV/a

                   400

                   300

                   200
                                                                                                                                          Day-Ahead Bidirektional
                                                                                                                                          Day-Ahead Gest. Laden
                   100
                                                                                                                                          Intraday Auktion Bidirektional

                     0                                                                                                                    Intraday Auktion Gest. Laden

                           0                20                 40                60                80               100
                                                  Abgaben auf bezogenen Strom in €/MWh

  Abbildung 6: Erlöspotenziale des preisgesteuerten Ladens mit bidirektionaler Erweiterung (Quelle: Projekt BDL14)

  14                Kern, T., Dossow, P. und von Roon, S. (2020): Integrating Bidirectionally Chargeable Electric Vehicles into the Electricity Markets. Energies,
                    13, 5812.

 18
3 ANWENDUNGSBEISPIELE
GESTEUERTES LADEN VON ELEKTROFAHRZEUGEN ÜBER PREISANREIZE

3 ANWENDUNGSBEISPIELE

Im Rahmen des Förderprogramms Elektro-Mobil des                der Netznutzung (Spitzenlast- und Hochlastzeitfenster)
Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie                  im Kontext der gewerblichen Nutzung einer (sich stetig
(BMWi) werden erste Konzepte des preisgesteuer-                erweiternden) Flotte von Elektrofahrzeugen im regelmäßi-
ten Ladens in unterschiedlichen Anwendungen ent-               gen (Schicht-)Dienst. Technisch findet die Stromabnahme
wickelt und erprobt. Im Fokus des Programms steht die          bei beiden Akteuren auf der Mittelspannungsebene, inkl.
Integration der Elektromobilität in das Stromsystem und        registrierender Lastgangmessung (RLM), statt. Zudem ist es
eine Erprobung dessen in Reallaboren. Einige dieser            das Ziel beider Projekte, den Aufbau der Ladeinfrastruktur
Anwendungsbeispiele werden nachfolgend vorgestellt.            zukunftsweisend auszugestalten, wobei neben Fragen
Die Projekte zeigen Möglichkeiten der Preissteuerung           der weiteren Ausbauplanung insbesondere das Thema
des Lademanagements für Elektrofahrzeuge auf. Sie              systemdienliche Integration der Ladung ins Stromnetz
identifizieren Herausforderungen und Handlungsbedarfe          im Vordergrund steht. Von der Ausgangslage unterschei-
beispielsweise in Bezug auf technische Entwicklungen,          den sich die Projekte in der Form, dass in Hamburg
Normung und Standardisierung oder Regulatorik. Die prä-        der Stromanbieter mit Hamburg Energie den zentralen
sentierten Anwendungsbeispiele spiegeln den aktuellen          Akteur darstellt, während im Berliner Fall aufgrund der
Erfahrungsstand wider und werden auch bezüglich einer          freien Wahl des Stromanbieters eine dezentrale Lösung
weiteren Verwendung oder Weiterentwicklung diskutiert.         gewählt wurde.

                                                               KONZEPT BSR-LI-FLX
3.1  INTEGRIERTE   SPOTMARKTOPTI-                              Zur Optimierung des Strombezugs wird in Berlin im
MIERUNG FÜR EINE KOMMUNALE FAHR-                               Projekt BSR-Li-Flx eine vertragliche Vereinbarung mit dem
ZEUGFLOTTE                                                     Stromversorger genutzt, welche an jedem Tag mit Bezug
Dr. Alexander Weber (ÖKOTEC),                                  auf den darauffolgenden Tag eine Übermittlung eines
Serge Runge (Hamburg Energie)                                  Flexibilitätsbandes (d. h. Korridor der Bezugsleistung
                                                               über die Zeit) durch die Berliner Stadtreinigung an den
Sowohl die Berliner als auch die Hamburger                     Stromversorger vorsieht. Auf dieser Grundlage gene-
Stadtreinigung elektrifizieren Teile ihrer Fahrzeugflotte.     riert der Stromversorger eine am Strommarkt optimierte
Die Ausgangssituationen sind insofern unterschiedlich,         Gesamtladekurve, welche er dann an die Stadtreinigung
als im Projekt ELBE mit dem städtischen Energieversorger       zurückmeldet. Wird die vorgegebene Gesamtladekurve
Hamburg Energie (HE) ein Stromversorger direkt in das          innerhalb gewisser Grenzen eines Toleranzbands einge-
Projekt eingebunden ist, während im Fall der Berliner          halten, wird der Kostenvorteil aus der Strombeschaffung
Stadtreinigung (BSR) der Stromversorger extern und damit       im Nachgang auf Grundlage von veröffentlichten
potenziell wechselnd ist. Dabei wurden in den Projekten        Börsenpreisen errechnet und zwischen Stadtreinigung
ELBE (Hamburg) und BSR-Li-Flx (Berlin) teils ähnliche, teils   und Stromversorger aufgeteilt. Grundlage für das an den
unterschiedliche Ansätze verfolgt, die im Folgenden dis-       Versorger gemeldete Flexibilitätsband sind Nutzungsprofile
kutiert werden.                                                der Fahrzeuge, die durch das Fuhrparkmanagement sei-
                                                               tens der Stadtreinigung erfasst und gepflegt werden. Der
ZIELE, AUSGANGSLAGE UND VORGEHEN                               Datenaustausch erfolgt über eine speziell dafür einge-
IN DEN PROJEKTEN                                               richtete webbasierte Programmierschnittstelle (Web-API)
Ziel des Projekts BSR-Li-Flx und des hier beschriebenen        des Energielieferanten, die direkt und vollautomatisiert
Teilprojekts des Verbundprojekts ELBE ist die energie-         durch das EMS (EnEffCo®) der BSR angesprochen wird.
wirtschaftliche Optimierung des Strombezugs sowie              Dabei umfasst die Vereinbarung mit dem Stromversorger

20
3 ANWENDUNGSBEISPIELE

lediglich die Verbräuche der Elektrofahrzeuge, sodass                            Ladestromoptimierung ergeben sich aus den tatsächlichen
es nicht auf einen Informationsaustausch hinsichtlich der                        Ankunftszeiten und vordefinierten Nutzungszeitbereichen
(bislang) unflexiblen Restverbräuche der Liegenschaften                          der Fahrzeuge.
ankommt. Die Verfügbarkeiten der Fahrzeuge für die

FLEXIBILITÄTSMANAGEMENT BEI DER BSR
Wie der Fuhrpark in vollem Umfang genutzt werden kann und im Hintergrund trotzdem Kostenvorteile entstehen.

                                                     Anforderungen
                                                     an Netzauslastung

                                                         Hochaufgelöste Zählerdaten
                                                         für Spitzenlastmanagement

  EnEffCo®-           Energie-
  Bedienoberfläche    auswertung                                   Anforderungen an
                                                                   Fahrzeugnutzung/Stromdaten

                                   BSR-Energiemanagement
                                   Automatisierte Anbindung an
                                   Datenquellen und Drittysteme           OCPP
                                                                                                BSR
                                                                                   BSR
                                   (Flottenmanagement, ERP etc.)
                                                                           Ladeinfrastruktur/
                                                                           Furhpark

BSR                                                                                                   BEZUGSOPTIMIERUNG        Stromversorger
optimiert Kosten des Strombezugs unter Sicherstellung der betrieblichen
Anforderungen des Fuhrparks mit EnEffCo®

Abbildung 7: Technische Umsetzung im Projekt BSR-Li-Flx (Quelle: Projekt BSR-Li-Flx bzw. WindNODE, das Schaufenster für intelligente Energie
aus dem Nordosten Deutschlands)

KONZEPT ELBE
Im Projekt ELBE in Hamburg tritt der Stromversorger                              für die Auf-/Ausbauplanung der Ladeinfrastruktur
Hamburg Energie individuell an Betreiber von                                     unter Verwendung historischer oder fiktiver Daten zum
Flottenstützpunkten wie in diesem Beispiel an die                                Strommarktgeschehen. Abbildung 8 zeigt die grund-
Stadtreinigung heran. Es wird zunächst für jeden Standort                        legende Wirkkette des entwickelten Konzepts für das
ein Einsatzplanungsmodell aufgebaut. Dieses ermög-                               netzdienliche Laden von Elektrofahrzeugen.
licht nicht nur die Optimierung der Ladevorgänge
in einer Orientierung auf den Strommarkt und die
Berücksichtigung von Netzentgeltfragen, sondern
auch die Durchführung von Simulationsexperimenten

                                                                                                                                               21
GESTEUERTES LADEN VON ELEKTROFAHRZEUGEN ÜBER PREISANREIZE

                                                                                                                            Prognosesoftware

                                                                                                                            Lastgangprognose
  Ereignissignal                                                                                                            übrige Verbrauchs-
   zur Lastreduktion                   Netzleitsystemsoftware
                                                                                                                             bereiche
   an gewissen                         Verteilnetzbetrieb
   Netzknoten                                                                            Optimierungssoftware

                 (OpenADR)                                                                Verfügbarkeitsinformationen
                                                                                          Betriebszustandsinformationen
                                                         Leitsystemsoftware               Fahrplaninformationen
                                                         virtueller
                                                         Kraftwerksbetrieb

                                                     IEC 60870-5-104                                            BÜRO- UND
                                                       Befehl Leistungssollwert                                 VERWALTUNG
                                                       Mitteilung Leistungsistwert                              GROSSKÜCHE
                          Backendsoftware für          Mitteilung Bereitschaftsstatus
                                                                                                                KFZ-WERKSTATT
                          Ladeinfrastrukturbetrieb

                                        OCPP 1.6/2.0        Befehl Start/Stopp Laden                  Mitteilung Informationen Ladesitzung
                                                            Befehl Setzen maximale Ladeleistung       Mitteilung Statusinformationen

      STELLPLÄTZE                                   STELLPLÄTZE                                STELLPLÄTZE                     STELLPLÄTZE
  PRITSCHENWAGEN                                 KEHRMASCHINEN                           MITARBEITER:INNEN-PKW            BESUCHER:INNEN-PKW

Abbildung 8: Technische Umsetzung im Projekt ELBE (Quelle: Projekt ELBE)

Mithilfe der Netzleitsystemsoftware wird der                               de Einsatzplanung in Bezug auf die Ladevorgänge
Verteilnetzbetrieb überwacht. In Echtzeit werden durch                     der gewerblich genutzten Elektrofahrzeuge durchgeführt.
die Netzleitsystemsoftware entlang der Netzbetriebsmittel                  Hintergründig setzt der Flexibilitätsvermarkter dazu eine
Messwerte erfasst und eine Einschätzung zum                                Prognosesoftware ein, mit welcher die Teillastgänge,
Netzzustand getroffen. Unter Berücksichtigung von                          z. B. einer Kfz-Werkstatt, von Büros, der Verwaltung
flexiblen Lasten – wie hier der Ladeinfrastruktur –                        oder auch der Großküche auf einer Liegenschaft,
kann mit der Netzleitsystemsoftware eine Vermeidung                        ermittelt werden. Mit der Optimierungssoftware wird
von Netznutzungsengpässen gesteuert werden. Bei                            gewährleistet, dass die auf Ladevorgänge entfallende
Bedarf wird dazu mit der Netzleitsystemsoftware                            Verbrauchsleistung hinsichtlich Netzanschlusskapazität
ein Ereignissignal zur Lastreduzierung bei bestimm-                        und lokaler Verteilungskapazität sowie eines möglichen
ten Netzknoten an die Backendsoftware des                                  Spitzenverbrauchswerts auf die übrige Verbrauchsleistung
Ladeinfrastrukturbetriebs mittels OpenADR-Protokoll                        in der Liegenschaft abgestimmt ist. Die Ladevorgänge
(siehe Kapitel 3.3) geschickt. Unterdessen wird im                         und die darauf entfallende Verbrauchsleistung sind
Rahmen einer Flexibilitätsvermarktung eine optimieren-                     Gegenstand der sich wiederholenden Einsatzplanung des

22
3 ANWENDUNGSBEISPIELE

Flexibilitätsvermarkters. Aus der Einsatzplanung können        Einrichtungsaufwand verbunden und ein Wechsel des
sich jeweils zusätzliche Handelsgeschäfte im fortlaufen-       Stromlieferanten ist schwierig umsetzbar, sie sind dafür
den Stromhandel und entsprechende Anpassungen der              aber individuell auf die Liegenschaft angepasst und
Ladekurven ergeben. Solange der Flexibilitätsvermarkter        können dann als Bestandteil eines Anlagenportfolios
die Erfüllbarkeit der Einsatzplanung garantieren kann,         bei einem Flexibilitätsvermarkter automatisiert operativ
kann der Flexibilitätsvermarkter in Bezug auf eine             betrieben werden. Im ELBE-Projekt wird ein Baukasten
bestimmte Lieferviertelstunde Strommengen zukaufen und         für die Erstellung von Einsatzplanungsmodellen ent-
auch wieder abverkaufen. Das Handelsvolumen kann               wickelt, in denen die Ladeeinrichtungen gewerblicher
sich so aufgrund der sich verändernden Preisgefüge             Flottenbetreiber, kommunaler Betriebe und anderen
der Stromprodukte und des fortlaufenden Stromhandels           Verbraucher/Erzeuger am Standort abgebildet werden
auf ein Vielfaches der letztlich bei den Ladevorgängen         können. Mithilfe solch eines Modellbaukastens können
verbrauchten Strommenge belaufen. Die aus der                  für eine Mehrzahl interessierter Gewerbetreibender kon-
Optimierungssoftware resultierenden Ladekurven wer-            krete Einsatzplanungsmodelle ausgestaltet werden.
den innerhalb eines virtuellen Kraftwerksbetriebs sei-
tens des Flexibilitätsvermarkters durch eine zentrale          Im Rahmen des Projekts BSR-Li-Flx konnte eine ver-
Leitsystemsoftware überwacht. Nach und nach über-              tragliche Gestaltung zwischen der BSR und dem
mittelt sie den Leistungssollwert einer jeweiligen             Stromanbieter genutzt werden, die als Blaupause für
Viertelstunde als Wunschvorgabe für die Ansteuerung            zukünftige Anwendungen dienen könnte. Hierbei wird
der Ladeeinrichtungen an die Backendsoftware des               dem Stromversorger ein Flexibilitätskorridor übermittelt,
Ladeinfrastrukturbetreibers und erhält die Leistungsistwerte   den dieser zur Erstellung eines am Strommarkt optimierten
zurückgemeldet. Typischerweise unterstützt das                 Ladefahrplans nutzt. Durch die Software EnEffCo® wird
Anwendungsprotokoll OCPP (Open Charging Point                  dieser Fahrplan durch die Ansteuerung der Ladepunkte rea-
Protocol) in der Version 1.6 die Kommunikation zwischen        lisiert. Interessant ist beim Vergleich der beiden Projekte,
einer Ladeeinrichtung und der Backendsoftware des              dass zwar die letztliche Optimierungsentscheidung zentral
Ladeinfrastrukturbetreibers.                                   durch den Stromversorger und eng am Strommarkt durch-
                                                               geführt wird, dass aber die vorbereitende Bestimmung
PROJEKTERGEBNISSE                                              eines Flexibilitätskorridors bzw. die Einsatzplanung für
Im ELBE-Projekt führt der Verteilnetzbetreiber in seiner       eine flexible Last im Hamburger Fall zentral durch den
Netzleitsystemsoftware ein Verzeichnis über sämtliche          Stromversorger, im Berliner Fall aber dezentral durch
Ladeeinrichtungen. Im Zuge von Beantragungen zum               den Stromkunden ausgeführt wird. Da der Aufwand
Anschluss von Ladeinfrastruktur für Elektromobilität sind      in der Hamburger Variante je zusätzlichem Fahrzeug
ihm die einzelnen Ladekapazitäten bekannt und er kann          höher ist als im Berliner Fall, könnte sich die dezentra-
sie im Vorhinein den Netzknoten zuordnen. Wird seitens         le Aggregation von Nutzungsanforderungen aufgrund
des Verteilnetzbetreibers ein Netznutzungsengpass pro-         der höheren Flexibilität und Skalierbarkeit als vorteil-
gnostiziert, so kann er grundsätzlich mit diesem Wissen        hafter erweisen. Ferner ist im Hamburger Fall eine
an den betroffenen Netzknoten versuchen, vonseiten             Modellierung des Restverbrauchs erforderlich, die eben-
der Ladeinfrastrukturbetreiber eine Lastreduzierung zu         so mit Aufwand einhergeht, aber keine signifikante wirt-
erreichen. In diesem Teilprojekt des Verbundprojekts           schaftliche Verbesserung des Strombezugs im Vergleich
ELBE wird dies auf verschiedenen Liegenschaften                zur Ausgangssituation (Festpreisvertrag) ermöglicht. Dies
der Stadtreinigung Hamburg erprobt. Die erstellten             ist im Projektverlauf weiter zu prüfen.
Einsatzplanungsmodelle sind zu Beginn mit hohem

                                                                                                                        23
GESTEUERTES LADEN VON ELEKTROFAHRZEUGEN ÜBER PREISANREIZE

Durch das ELBE-Projekt konnte gezeigt werden,                   Ladens dargestellt werden, hier nicht von Relevanz sind:
dass es im Rahmen einer Flexibilitätsvermarktung für            Zunächst sind die tatsächlich zu bestimmten Zeitpunkten
Flottenstützpunkte möglich ist, auf Jahressicht erhöhte         zeitgleich verfügbaren Ladeleistungen sowohl von den
Spitzenverbrauchswerte und damit einhergehende höhe-            Nutzungsanforderungen als auch von der tatsächlichen
re Leistungsentgelte zu vermeiden. Es ließen sich sogar         Maximallast abhängig. Außerdem kann davon ausgegan-
bei dem integrierten Ansatz die Netzkosten dadurch              gen werden, dass eine integrierte Optimierung mit dem
reduzieren, dass dynamische Netzentgelte gemäß § 14a            Strommarkt wie hier eine systemisch unerwünschte Ballung
des EnWG bei der Vermarktung des Anlagenportfolios              der Nachfrage über das Preissignal verhindern würde.
im Ausschnitt des jeweiligen Standorts berücksichtigt           Darüber hinaus stehen den betroffenen Netzbetreibern
werden können.                                                  bewährte Instrumente zur Verfügung, die Auslastung ihrer
                                                                Netzinfrastruktur durch Gleichzeitigkeit kurzfristig zu regeln.
Bei der Berliner Stadtreinigung konnten im Projekt BSR-Li-Flx
bereits in einem ersten Optimierungsschritt Einsparungen
von 16 Prozent je MWh auf die Strombeschaffungskosten           3.2 DEZENTRALE STEUERUNG DER
realisiert werden. Zudem ist die Nutzung des beschriebe-        LADEINFRASTRUKTUR     DURCH DEN
nen Vertragsmodells mit dem Stromversorger als besonde-         VERTEILNETZBETREIBER ANHAND VON
re Innovation zu werten – insbesondere, da es gut auf           PREISSIGNALEN
andere Nutzer und Stromversorger (die selber aktiv an           Tina Zierul (ChargePoint)
der Strombörse tätig sind) übertragbar ist. Ein netzentgelt-
minderndes Spitzenlastmanagement findet ebenfalls statt.        ZIEL DES PROJEKTS
                                                                Ziel dieses Teilprojekts innerhalb des Verbundprojekts
FAZIT UND AUSBLICK                                              ELBE ist es, die Steuerung der Ladeinfrastruktur in der
Beiden Ansätzen ist gemein, dass eine Optimierung mit           Form zu ermöglichen, dass der Aufbau der geplan-
Blick auf Netzentgelte und den Strommarkt erfolgreich           ten über 7.000 Ladepunkte ohne einen Ausbau des
umgesetzt werden konnte. Mit Blick auf die Optimierung          Verteilnetzes bewältigt werden kann. Hierzu wird ein
am Strommarkt haben sich erfreulicherweise keine grund-         Prototyp für die Steuerungslogik und die Kommunikation
sätzlichen Probleme gezeigt, d. h. die Optimierung der          entwickelt und im Feld getestet.
Ladevorgänge über statische Preissignale ließen sich
technisch umsetzen. Im Ergebnis scheint sich jedoch (bei        KONZEPT
vergleichbaren Erlösen) das stärker integrierte Setting in      Die Steuerung von Verbrauchern und dezentralen
Hamburg als aufwendiger zu erweisen als das Berliner            Erzeugern wird in Europa, Kalifornien und Japan durch
Setting. Das Berliner Setting dürfte auch in Bezug auf die      sogenannte Demand Response (DR)-Programme der
Strombeschaffung, bei der ein Wettbewerb zwischen               Energieversorger geplant. DR-Programme ermöglichen
verschiedenen Anbietern häufig wünschenswert ist, die           eine rechtzeitige Anpassung der Verbrauchernachfrage
praktikablere Lösung sein. Das integrierte Setting in           an die Stromversorgungsbedingungen, was dazu
Hamburg würde voraussichtlich seine Stärken erst bei der        beiträgt, Unterbrechungen und Schwankungen der
Aggregation größerer Flotten entfalten können.                  Stromerzeugung auszugleichen. Diese Programme nut-
                                                                zen im Regelfall die Open-Source-Schnittstelle OpenADR
Aus dem beschriebenen Vorgehen im Projekt BSR-Li-               2.0b, die nun auch im Hamburger ELBE-Projekt umge-
Flx wird zudem deutlich, dass „Lawineneffekte“ wie              setzt wird.
sie gelegentlich als nachteiliges Szenario gesteuerten

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