Naturgefahrenmanagement im Zusammenhang mit linienhaften Infrastrukturen
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Schweiger | Swoboda | Tanzer Infrastruktureinrichtungen und Naturgefahren AutorInnen Bernd Schweiger Nicole Swoboda Michael Tanzer 0952889 1040611 0851663 228
Infrastruktureinrichtungen und Naturgefahren Schweiger | Swoboda | Tanzer Abstract Ziel des Naturgefahrenmanagements ist es, alle Prozesse und alle Gefahren zu beachten und in die Überlegungen und das Management zu integrieren. In diesem Zusammenhang liegt das Hauptaugenmerk aufgrund des Gefahrenpotenzials und des Risikos natürlich häufig auf den Siedlungsgebieten. Dass jedoch Infrastrukturen verschiedenster Art, die das gesamte Staatsge- biet netzartig durchziehen und für die Versorgung der Menschen unentbehrlich sind, ebenso stark von Naturgefahren gefährdet sein können, gerät teilweise in den Hintergrund. Der folgende Bericht behandelt das Thema Naturgefahrenmanagement mit besonderem Fokus auf linienhafte Infrastrukturen, und hierbei ausschließlich auf Straßen- und Bahninfrastruktu- ren in Österreich. In diesem Zusammenhang wurden die Herangehensweisen und der Umgang mit dem Thema beim Land Salzburg, der ASFINAG und den ÖBB näher beleuchtet. Einleitend wird an die Problematik herangeführt, Begrifflichkeiten werden geklärt und es wird ein Überblick über die verschiedenen Infrastrukturen gegeben. Auch auf alle wichtigen rechtli- chen Grundlagen im Zusammenhang mit den Straßen- und Bahninfrastrukturen wird Bezug ge- nommen. Das Hauptaugenmerk des Berichtes liegt im Umgang mit den Infrastrukturen in Aus- und Neubau, im Bestandsschutz sowie in der sicheren Betriebsführung, immer aus der Perspek- tive des Naturgefahrenmanagements. Dabei werden sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unter- schiede im Umgang mit Naturgefahren zwischen den untersuchten Infrastrukturen und Infra- strukturverwaltungen (bspw. in Bezug auf Schutzbauwerke, kartographische Grundlagen, Grundlageninformationen, Konzepte und Strategien) deutlich. Aus den gewonnenen Ergebnis- sen wurden Leitlinien für den Umgang mit Naturgefahren hinsichtlich Infrastrukturen erarbeitet. 229
Schweiger | Swoboda | Tanzer Infrastruktureinrichtungen und Naturgefahren Anmerkung Bei allen personenbezogenen Bezeichnungen gilt die gewählte Form für beide Geschlechter. 230
Infrastruktureinrichtungen und Naturgefahren Schweiger | Swoboda | Tanzer Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung .................................................................................................... 233 2. Begriffsdefinitionen .................................................................................... 234 2.1 Infrastruktur.................................................................................................................. 234 2.2 Naturgefahren ............................................................................................................... 235 3. Gefahrenpotenzial ....................................................................................... 236 4. Maßnahmen ................................................................................................. 238 4.1 Risiko ............................................................................................................................. 238 4.1.1 Risikomanagement in der Schweiz ...................................................................................239 4.1.2 Risikoanalyse – Methode des BUWAL .............................................................................239 4.1.3 Empfehlung für das Schutzziel bei gravitativen Naturgefahren in Österreich ............239 4.2 Restrisiko .......................................................................................................................240 4.3 Schutzgüter und Schutzziele ........................................................................................240 4.4 Rechtliche Maßnahmen ............................................................................................... 241 4.4.1 ABGB (Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch) ...............................................................242 4.4.2 Salzburger Raumordnungsgesetz 2009 (SROG) .............................................................242 4.5 Schutzmaßnahmen ....................................................................................................... 243 4.5.1 Passive Maßnahmen ..........................................................................................................243 4.5.2 Aktive Schutzmaßnahmen ................................................................................................245 5. Naturgefahren im Kontext der Fachplanungen .......................................... 247 5.1 Überblick Verkehrsflächen und Dauersiedlungsraum ................................................ 247 5.2 Österreichische Bundesbahnen - Infrastruktur AG ....................................................248 5.2.1 Aus- und Neubau................................................................................................................250 5.2.2 Bestandsschutz ................................................................................................................... 251 5.2.3 Sichere Betriebsführung ................................................................................................... 262 5.2.4 Herausforderungen/Handlungsbedarf ............................................................................ 264 5.2.5 Beispiel ............................................................................................................................... 264 5.2.6 Forschungsprojekte und Netzwerke................................................................................ 264 5.3 Straßen in Österreich ....................................................................................................271 5.4 ASFINAG ........................................................................................................................271 5.4.1 Aus- und Neubau................................................................................................................ 273 5.4.2 Bestandsschutz ...................................................................................................................274 5.4.3 Sichere Betriebsführung ................................................................................................... 280 5.4.4 Herausforderungen/Handlungsbedarf .............................................................................285 5.4.5 Bewältigungsstrategie - Beispiel für den Umgang im Ereignisfall ................................285 231
Schweiger | Swoboda | Tanzer Infrastruktureinrichtungen und Naturgefahren 5.5 Landesstraßenverwaltung (Landesstraßen B. und L.) ............................................... 289 5.5.1 Bundesstraßengesetz 1971 ................................................................................................. 294 5.5.2 Bundesgesetz über die Auflassung und Übertragung von Bundesstraßen (BGBl I 50/2002) .............................................................................................................................. 294 5.5.3 Salzburger Landesstraßengesetz 1972 (SbgLSG) ............................................................ 294 5.5.4 Aus- und Neubau............................................................................................................... 294 5.5.5 Bestandsschutz .................................................................................................................. 295 5.5.6 Sichere Betriebsführung ....................................................................................................302 5.5.7 Beispiel Triebener Tauernstraße und Oppenberger Straße (Steiermark) ................... 304 5.5.8 Herausforderungen ............................................................................................................305 5.5.9 Forschungsprojekte und Netzwerke.................................................................................305 6. Infrastruktur-Naturgefahren-Matrix .......................................................... 308 7. Leitlinien für den Umgang mit Naturgefahren hinsichtlich Infrastruktur 309 7.1 Lösungsvorschlag in Bezug auf die Trassenplanung und den Schutz vor Naturgefahren ………………………………………………………………………………………………………………………………..309 7.2 Lösungsvorschläge in Bezug auf die Kooperation ....................................................... 310 8. Quellen .........................................................................................................312 8.1 Literaturverzeichnis ....................................................................................................... 312 8.2 Abbildungsverzeichnis .................................................................................................. 317 8.3 Tabellenverzeichnis ...................................................................................................... 319 232
Infrastruktureinrichtungen und Naturgefahren Schweiger | Swoboda | Tanzer 1. Einleitung Der Schutz von Siedlungen vor Naturgefahren hat sowohl in der Praxis als auch in der Theorie einen hohen Stellenwert eingenommen. Obwohl Siedlungen und Infrastruktureinrichtungen gleichwertig vor Naturgefahren geschützt werden sollen, wird der Themenbereich Infrastruktur in der Theorie noch nicht in der gesamten Tiefe erfasst. Infrastruktureinrichtungen erschließen den gesamten Dauersiedlungsraum und nehmen als Sicherung der Daseinsgrundfunktion eine zentrale Position ein. Ein weiter Grund ist, dass speziell in der Ersthilfe Einsatzkräfte nach Na- turkatastrophen oftmals vor dem Problem stehen, dass die Krisengebiete auf Grund von zerstör- ten Infrastruktureinrichtungen nur schwer erreichbar sind. Ebenfalls können nicht ausreichend geschützte Infrastruktureinrichtungen für eine Region sowie für den gesamten Staat verhee- rende wirtschaftliche Schäden verursachen. Dennoch obliegt es rein den Infrastrukturträgen, in welcher Bandbreite und mit welchen Instru- menten Sie ihre Trasse vor Naturkatastrophen schützen. Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich diese Arbeit mit folgenden Fragen: Wie gehen die unterschiedlichen Infrastrukturträger mit dem Thema Naturgefahren um und welche Kompetenzen kommen ihnen dabei zu? Welche Ansätze gibt es hinsichtlich Neu- und Ausbau, Bestandschutz sowie laufenden Betrieb? Welche Gemeinsamkeiten gibt es zwischen den unterschiedlichen Infrastrukturträ- gern? Ziel dieser Arbeit ist es, einen Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen sowie einen Einblick in den Themenblock zu geben. Darüber hinaus wurden Leitlinien für den Umgang mit Naturgefahren für die Infrastrukturträger entwickelt. 233
Schweiger | Swoboda | Tanzer Infrastruktureinrichtungen und Naturgefahren 2. Begriffsdefinitionen Da der Begriff Infrastruktur sehr breit gefächert ist, muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass sich die vorliegende Arbeit auf einen kleinen Teil des materiellen Infrastrukturbegriffes kon- zentriert. Im Besonderen wird hier auf Verkehrsinfrastrukturen und in weiterer Folge vor allem auf Straßen eingegangen. 2.1 Infrastruktur Das Springer Gabler Wirtschaftslexikon versteht unter Infrastruktur die „Grundausstattung ei- ner Volkswirtschaft (eines Landes, einer Region) mit Einrichtungen, die zum volkswirtschaftli- chen Kapitalstock gerechnet werden können, die aber für die private Wirtschaftstätigkeit den Charakter von Vorleistungen haben“.1 Grundsätzlich können drei Kategorien von Infrastruktur unterschieden werden: Die materielle Infrastruktur umfasst die staatlichen und privaten Einrichtungen für eine aus- reichende Daseinsvorsorge und die wirtschaftliche Entwicklung eines Raumes. Diese ist wiede- rum unterteilt in technische Infrastruktur (Verkehr, Kommunikation, Energie etc.) und soziale Infrastruktur (Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser etc.). Unter der institutionellen Infra- struktur sind die historisch gewachsenen und politisch gesetzten Normen, Organisationen und Verfahrensweisen einer Volkswirtschaft zu verstehen. Die personelle Infrastruktur meint das Humankapital einer Volkswirtschaft und umfasst die geistigen, unternehmerischen und hand- werklichen Fähigkeiten.2 1 SPRINGER GABLER WIRTSCHAFTSLEXIKON 2015, online 2 WISSEN.DE 2015, online 234
Infrastruktureinrichtungen und Naturgefahren Schweiger | Swoboda | Tanzer 2.2 Naturgefahren Die ständig stattfindenden Prozesse in der Natur können einerseits aufgrund ihrer Verlage- rungsform (fluviatile und gravitative Prozesse), andererseits ihrer örtlichen Gegebenheiten (Ge- rinneprozesse und Hangprozesse) unterschieden werden.3 Diese Vorgänge in der Natur werden als Naturereignisse bezeichnet, solange sich diese zeitlich und räumlich abgrenzbaren Vorgänge nicht auf den menschlichen Lebensraum erstrecken. Von einer Naturgefahr spricht man erst, wenn solche Ereignisse zu einer Bedrohung für Menschen, Umwelt, Sach- und Vermögenswerte werden.4 Die für Österreich relevantesten Naturgefahren sind vor allem Lawinen, Hochwasser, Felsstürze, Steinschlag, Muren und Rutschungen. Die einzelnen Gefahrenarten können Gefahrenklassen zugeteilt werden. In der folgenden Tabelle nach RUDOLF-MIKLAU sind die für Österreich auftre- tenden Naturgefahren aufgelistet. Gefahrenklasse Gefahrenart Geologische Gefahren Erdbeben, Vulkanausbruch, Bodenerosion, Rutschung, Erd- fall (Bodensenkung), Steinschlag (Felssturz), Bergsturz, Hangmure Hydrologische Gefahren Hochwasser (Überflutung), Sturzflut, Feststofftransport, Mure, Gletscherseeausbruch Schneegefahren Lawine (Fließlawine, Staublawine), Eissturz (Eislawine), Gletschervorstoß, Schneedruck Tabelle 1: Klassifikation der Naturgefahrenarten hinsichtlich Infrastruktureinrichtungen (Quelle: RUDOLF-MIKLAU 2009, S. 3; modifiziert). 3 vgl. HÜBL et al. 2011, S. 2 4 vgl. RUDOLF-MIKLAU 2009, S. 2 235
Schweiger | Swoboda | Tanzer Infrastruktureinrichtungen und Naturgefahren 3. Gefahrenpotenzial Da Infrastrukturtrassen unterschiedlich stark von Naturgefahren betroffen sind, ergibt sich ein differenziertes Gefahrenpotential, welches die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Ereignisses an- gibt. Da in Österreich aufgrund der gebirgigen Topographie und der klimatischen Bedingungen nur 38 Prozent der gesamten Staatsfläche als Dauersiedlungsraum geeignet sind, konzentriert sich die Besiedelung auf die eher tiefer liegenden und flacheren Gebiete. Diese Räume weisen eine hohe Bevölkerungsdichte auf. Mit der Dichte der Bevölkerung steigt der Bedarf an Infra- struktur. Dementsprechend ist das Schadenspotenzial in diesen Regionen besonders hoch.5 Un- ter dem Begriff Schadenspotential werden nach RUDOLF-MIKLAU Werte in einem abgegrenzten Untersuchungsraum verstanden, die potenziell von einem Naturereignis betroffen sein können. Das Potenzial sagt jedoch nichts über den tatsächlich entstandenen Schaden nach einem Natur- ereignis aus. Vielmehr definiert es im Vorhinein eine Art Obergrenze des maximal möglichen Schadens, der in Folge eines Naturereignisses entstehen kann.6 Als Schaden wird die Summe aller negativ bewerteten Folgen eines Ereignisses bezeichnet. Im Zusammenhang mit Naturge- fahren können in Folge eines Naturereignisses Personenschäden (Tote, Verletzte), Schäden an Sachgütern (Schäden an Infrastruktureinrichtungen) und Schäden an der Umwelt (Umwelt- schäden) auftreten.7 Die Bewertung von Personen- und Sachschäden wird differenziert von den Infrastrukturträgern betrachtet sowie unterschiedlich gewichtet (siehe Kapitel 4.1). Speziell hochrangige Infrastruktureinrichtungen weisen hinsichtlich Vulnerabilität eine beson- ders hohe Verletzlichkeit auf. Wie MARKAU zusammenfassend darstellt, gibt es für den Begriff Vulnerabilität verschiedene Definitionen, aber bis heute keine einheitliche. Ganz allgemein be- schreibt der Begriff die Verletzlichkeit oder Verwundbarkeit eines Objektes gegenüber einem Risiko.8 Im Zusammenhang mit Naturgefahren beschreibt Vulnerabilität den potenziellen Scha- den aufgrund eines möglichen Schadensereignisses, welches innerhalb eines bestimmten Gebie- tes und eines bestimmten Zeitraumes auftritt. Auf diese Weise lässt sich Risiko quantifizieren. Dafür werden Vulnerabilitätsfaktoren herangezogen, die den Zusammenhang zwischen den Kräften eines Naturprozesses (bspw. Geschwindigkeit, Druck, Überflutungshöhen), der Art des betroffenen Objektes (bspw. Baumaterialien und -techniken, Erhaltungszustand, Vorhanden- sein von Schutzmaßnahmen) und den Auswirkungen auf dieses Objekt (bspw. Grad der Schä- digung oder Zerstörung, monetäre Bewertung) beschreiben.9 In den letzten Jahren waren die unterschiedlichen Infrastruktureinrichtungen von Naturgefah- ren im differenzierten Ausmaß betroffen. Im Juni 2013 musste beispielsweise die A 22 Donauufer Autobahn im Bereich der Abfahrt Stockerau Mitte Richtung Wien wegen Überflutung gesperrt werden. Ebenfalls wurde der Pannenstreifen auf einer Länge von zwei Kilometer auf der S 5 Stockerauer Schnellstraße Richtung Wien gesperrt sowie eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 80 km/h entlang der Strecke vorgeschrieben. 10 5 vgl. BMLFUW 2015, online 6 vgl. RUDOLF-MIKLAU 2009, S. 13 7 vgl. RUDOLF-MIKLAU 2009, S. 12 8 vgl. MARKAU 2003 9 vgl. BFW 2014, online 10 vgl. APA 2013, online 236
Infrastruktureinrichtungen und Naturgefahren Schweiger | Swoboda | Tanzer Das Hochwasser 2013 führte für die ÖBB zu gravierenden Schäden im Salzburger Pinzgau. Der internationale Fernverkehr musste über Salzburg vorläufig eingestellt werden. Dies betraf Ver- bindungen von Wien sowie Nachtzüge von Villach und Graz nach Zürich, die über Salzburg und Zell am See geführt wurden.11 Abbildung 1: Hochwasser- und Muren-Katastrophe Salzburg/Taxenbach (Quelle: FPDWL 2013, online). Aber auch im Bereich der Landesstraßen führten Naturereignisse der Vergangenheit immer wie- der zu unzähligen Straßensperren, schweren Beeinträchtigungen und Zerstörungen. In Folge des Hochwassers 2013 (Ende Mai bis Anfang Juni) mussten neben vielen anderen Straßen bei- spielsweise die Münchener Straße B155, die Mittersiller Straße B168 oder die Pinzgauer Straße B311 gesperrt werden. Als einer der am stärksten betroffenen Landesstraßen kann die Salzachtal Straße B159 genannt werden. Im Bereich der Ortschaft Taxenbach war die Straße völlig vermurt. Darüber hinaus wurden Straßenabschnitte (siehe Abbildung) von den Wassermassen unterspült und mitgerissen.12 Abbildung 2: Zerstörte Straße bei Taxenbach im Zuge des Hochwassers 2013 (Quelle: ROSNER Dominik, E-Mail-Korrespondenz). 11 vgl. FPDWL 2013, online 12 vgl. SALZBURG WIKI 2014, online 237
Schweiger | Swoboda | Tanzer Infrastruktureinrichtungen und Naturgefahren 4. Maßnahmen Um präventiv Schäden durch Naturgefahren vorzubeugen, bedienen sich Infrastrukturträger unterschiedlicher Maßnahmen. Um eruieren zu können, ob überhaupt solche Maßnahmen er- forderlich sind, zeigt die folgende Abbildung ein Modell eines Risikokonzepts der ASFINAG, welches die grundlegenden Elemente eines risikobasierten Ansatzes beinhaltet: Abbildung 3: Modell des Risikokonzepts der ASFINAG und dessen Elemente (Quelle: PROJEKTGRUPPE NGM 2014, S. 10). Hier bedient man sich des „erlaubten“ und „möglichen“ Risikos, mithilfe dessen man folglich ein Modell zur Maßnahmenplanung entwickelt.13 4.1 Risiko In der Raumplanung können zumindest zwei Risikobegriffe unterschieden werden. Auf der ei- nen Seite gibt es die mathematische, wahrscheinlichkeitsstatistische Dimension des Begriffes. Aufgrund von bereits aufgetretenen Ereignissen oder Annahmen können Eintrittswahrschein- lichkeiten für zukünftige Ereignisse berechnet werden. Es muss jedoch bedacht werden, dass die Ergebnisse statistischer Natur sind und berechnete Eintrittswahrscheinlichkeiten keineswegs mit realen Ereignissen zusammenfallen müssen. Auf der anderen Seite kann Risiko als Folge von Entscheidungen oder Nichtentscheidungen begriffen werden. Raumplanung vermeidet aus die- ser Sicht bestimmte Risiken und produziert andere.14 Im Zusammenhang mit Naturgefahren versteht man unter Risiko die Wahrscheinlichkeit, dass durch einen natürlichen Prozess Schaden verursacht wird. Bestimmt wird das Risiko von der Eintrittswahrscheinlichkeit und dem möglichen Schadensausmaß.15 13 vgl. PROJEKTGRUPPE NGM, S. 6-10 14 vgl. POHL 2005, S. 41 15 vgl. AG NAGEF 2001, S. 5 238
Infrastruktureinrichtungen und Naturgefahren Schweiger | Swoboda | Tanzer 4.1.1 Risikomanagement in der Schweiz Das Naturgefahrenmanagement der Schweiz beinhaltet – im Gegensatz zum österreichischen – stark den Risikobegriff. Im Zuge des schweizerischen Risikomanagements werden im ersten Schritt Risiken erfasst (Was kann passieren?). Diese werden anschließend in Hinblick auf ihre Akzeptanz geprüft und bewertet (Was darf passieren?). In weiterer Folge werden Prioritäten gesetzt und entsprechende Maßnahmen vorgenommen (Was ist zu tun?). Ziel ist es, neue inak- zeptable Risiken zu vermeiden, inakzeptable Risiken zu mindern und akzeptable Risiken zu tra- gen. Dieser Ansatz setzt dementsprechend ein hohes Maß an Kommunikation voraus.16 4.1.2 Risikoanalyse – Methode des BUWAL Ziel der Risikoanalyse, die in der Schweiz im Zusammenhang mit gravitativen Naturgefahren erfolgt, ist das Erreichen von größtmöglicher Sicherheit mit minimalem Aufwand. In einem ab- gegrenzten Gebiet wird das Risiko als Funktion von Wahrscheinlichkeit eines Schadensereignis- ses und der möglichen Schadenfolge untersucht. Die Risikoanalyse basiert dabei auf einem „Drei-Stufen-Modell“, wobei die Stufen zunehmend in die Tiefe gehen. Stufe 1: Es wird eine Karte der Gefährdung mit einer Karte der Bodennutzung überlagert und ordnet den Bodennutzungen Schutzziele (maximal zulässige Intensität des Gefahrenprozesses und seine Wiederkehrperiode) zu. Übersteigt die tatsächliche die maximal zulässige Intensität besteht ein Schutzdefizit. Diesem wird ein Zahlenwert zugewiesen, ehe es bewertet wird. Stufe 2: Das Risiko für Raumelemente der Stufe 1 (Flächen-, Linien-, Punktelemente) wird quan- tifiziert. Die Risiken werden mit Franken für Sachschäden und Zahl der Todesopfer für Personen bemessen. Stufe 3: Es wird das Risiko am Einzelobjekt (bspw. ein Gebäude oder ein gefährdeter Strecken- abschnitt einer Verkehrsachse) analysiert. Die Risiken werden wieder mit Franken für Sachschä- den und Zahl der Todesopfer für Personen bemessen.17 Wichtig im Zusammenhang mit der Risikoanalyse ist die Berechnung von relativen Häufigkei- ten, mit der gewisse Szenarien eintreten. Diese definieren sich (immer bezogen auf einen be- stimmten Zeitraum) aus der Anzahl der eingetroffenen Ereignisse dividiert durch die Länge des Zeitraumes (bspw. Relative Häufigkeit eines Szenarios: SZ = 1/100 J. x 0,25 = 0,0025/J.).18 4.1.3 Empfehlung für das Schutzziel bei gravitativen Naturgefahren in Österreich Die ÖGG empfiehlt in der Publikation „Empfehlung für das Schutzziel bei gravitativen Naturge- fahren in Österreich“, die Wahrscheinlichkeit, aufgrund von gravitativen Naturgefahren ums Leben zu kommen, mit höchstens 1 x 10-5 pro Jahr und den einer Gefahr ausgesetzten Ein- wohnern festzulegen. Dieser Wert liegt deutlich unter dem natürlichen Sterberisiko aller Al- tersgruppen in Österreich, welches bei 1 x 10-2 liegt. Als Referenzwerte wird z. B. die (individuelle) Todesfallwahrscheinlichkeit der Schweiz und von Hong Kong angeführt, wo ebenfalls ein Wert von 1 x 10-5 als akzeptabel angesehen wird. Für die gelben und roten Zonen (Wildbäche und Lawinen) in Österreich wird eine Todesfall- wahrscheinlichkeit von ca. 2 x 10-4 (bei Lawinen) und 4 x 10-6 (bei Wildbächen) berechnet. 16 vgl. PLANAT 2015a, online 17 vgl. BUWAL 1999, S. 7 18 vgl. BUWAL 1999, S. 25 239
Schweiger | Swoboda | Tanzer Infrastruktureinrichtungen und Naturgefahren Für den österreichischen Straßenverkehr beträgt dieser Wert 6 x 10-5. Dieser Wert gilt als gesell- schaftlich akzeptierte Todesfallwahrscheinlichkeit.19 4.1.3.1 Straßenverkehr Im Jahr 2012 ereigneten sich im Straßenverkehr 40.831 Verkehrsunfälle, bei denen 531 Personen getötet wurden. Daraus errechnet sich bei einer Gesamtbevölkerung von 8.464.488 Einwohnern in Österreich (Stand 2012) eine Getötetenzeitrate (Getötete pro Stunde Verkehrsbeteiligungs- dauer) von 1,47 x 10-7. Die Wahrscheinlichkeit, im Straßenverkehr in Österreich getötet zu wer- den, beträgt für 2012 pro Einwohner 6,27 x 10-5 (Getötete pro Einwohner).20 4.1.3.2 Schienenverkehr Seit Beginn der Aufzeichnungen (1950) wurden im Personenzugverkehr insgesamt fünf Fahr- gäste durch gravitative Massenbewegungen getötet. Die Todeswahrscheinlichkeit, im Bahnver- kehr getötet zu werden, beträgt 1,20 x 10-7. Dabei wird angenommen, dass alle Österreicher gleichermaßen am Bahnverkehr teilnehmen und die Unfallgefahr in ganz Österreich gleichver- teilt ist. 21 Abbildung 4: Rechnerische empirische Todesfallwahrscheinlichkeiten im österreichischen Schienenverkehr (Personenzugverkehr) (Quelle: ÖGG 2014, S. 8). 4.2 Restrisiko Die Bestrebungen des Naturgefahrenmanagements gehen dahin, vorhandene Risiken durch Na- turgefahren mithilfe von baulichen und planerischen Maßnahmen soweit wie möglich zu mini- mieren. Irgendwann stoßen jedoch auch diese Maßnahmen auf Grenzen und es bleibt ein ge- wisses Restrisiko bestehen. Die entscheidende Frage ist, wie hoch dieses Restrisiko im Einzelfall sein darf und wie hoch im Ereignisfall die Zahlungsbereitschaft für einen Schadensfall ist.22 4.3 Schutzgüter und Schutzziele Als Schutzgüter werden im schweizerischen Verständnis jene Werte bezeichnet, für die das Ri- siko auf ein akzeptables Maß zu begrenzen ist. Laut PLANAT-Empfehlung werden diese in drei 19 vgl. ÖGG 2014, S. 10 20 vgl. ÖGG 2014, S. 7 21 vgl. ÖGG 2014, S. 7f 22 vgl. AG NAGEF 2011, S. 5 240
Infrastruktureinrichtungen und Naturgefahren Schweiger | Swoboda | Tanzer Kategorien geteilt. Der Schutz von Personen hat dabei oberste Priorität. Weiters werden in die- ser Priorisierung erhebliche Sachwerte (Gebäude, Infrastrukturen, Objekte mit erheblicher volkswirtschaftlicher Bedeutung und Tragweite, Lebensgrundlagen der Menschen, Kulturgüter) und die Umwelt angeführt und für alle diese Kategorien anzustrebende Sicherheitsniveaus de- finiert.23 Im österreichischen Naturgefahrenmanagement definieren Schutzziele (synonym zum in der Schweiz verwendeten Begriff „Schutzgut“) die angestrebten Sicherheitsniveaus und dienen nach der Durchführung der Schutzmaßnahmen gleichzeitig zur Überprüfung des Erfolges.24 Folgende Schutzziele wurden im Rahmen des österreichischen Naturgefahrenmanagements de- finiert: „Schutz des Lebens und der Gesundheit der Menschen Schutz des Siedlungs- und Wirtschaftsraums Schutz von Verkehrswegen, Infrastruktur- und Versorgungseinrichtungen Schutz der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Schutz der Umwelt“25 4.4 Rechtliche Maßnahmen „Die Zuständigkeit für bodennutzungsbezogene Planungen sind in Österreich zwischen den Ge- bietskörperschaften in komplexer Weise aufgeteilt, was in der konkreten Rechtsanwendung erheb- liche Probleme verursacht. Im Sinne einer Querschnittsmaterie treffen bei planerischen Konzepti- onen bzw. Festlegungen bezüglich linienhaften Infrastrukturen unterschiedliche Zuständigkeits- bereiche (mit entsprechenden Materiengesetzen) im Bundesstaat aufeinander.“26 Im Sinne der Kompetenztrennung findet eine Unterscheidung zwischen der „allgemeinen Kom- petenzverteilung“ und der „besonderen Kompetenzverteilung“ statt. Dabei fallen unter erstere folgende Materien, welche im Rahmen dieser Arbeit von Relevanz sind: Verkehrswesen hinsichtlich Eisenbahnen sowie Luft- und Schifffahrt. für den Durchzugsverkehr relevante Aufgaben an Straßenzügen, welche durch das Bun- desgesetz zu den Bundesstraßen gezählt werden können. Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) an Bundesstraßen sowie Eisenbahn-Hochleis- tungsstrecken, die aufgrund ihrer möglichen schädlichen Umweltauswirkungen über- prüft werden müssen.27 Da Fachplanungskompetenzen wie das Eisenbahnwesen, das Bergwesen, das Forstwesen und das Wasserrecht Bundesangelegenheit sind und somit nicht in die Landeskompetenz fallen, hat der Bund hier die Möglichkeit, raumordnungsrechtliche Maßnahmen, welche die Landesgren- zen überschreiten, zu erlassen. Dies betrifft vor allem im Bereich der linienhaften Infrastruktu- ren das Eisenbahn- und Straßenwesen sowie Starkstromwege.28 23 vgl. PLANAT 2015b, online 24 vgl. RUDOLF-MIKLAU 2009, S. 46 25 RUDOLF-MIKLAU 2009, S. 46 26 ÖROK 2013, S. 23 27 B-VG, Art 10 Z 9 28 vgl. ÖROK 2013, S.24 241
Schweiger | Swoboda | Tanzer Infrastruktureinrichtungen und Naturgefahren Bodennutzungsbezogene Planungen fallen somit größtenteils nach den Kompetenzregelungen des Art 10 bis Art 12 B-VG in die Bundeskompetenz der einzelnen Länder. In erstere lässt sich beispielsweise das Verkehrswesen hinsichtlich Eisenbahnen sowie Luft- und Schifffahrt einordnen. Die Gesetzeslage in Österreich im Hinblick auf den Umgang mit Naturgefahren und Infrastruk- tur ist derzeit noch relativ unkonkret formuliert. Es gibt nur wenige Anmerkungen zu diesem Thema, welche sich meist nur im entferntesten Sinn konkret an die Planung und die Erhaltung von Infrastrukturtrassen richten. Im Folgenden werden die relevanten Bestimmungen in den österreichischen Gesetzen behandelt. 4.4.1 ABGB (Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch) In Bezug auf Wege im Allgemeinen gibt es folgende Bestimmungen im Allgemeinen Bürgerli- chen Gesetzbuch: „Ein Weg im Sinn des Abs. 1 ist eine Landfläche, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen für den Verkehr jeder Art oder für bestimmte Arten des Verkehres benützt werden darf, auch wenn sie nur für einen eingeschränkten Benützerkreis bestimmt ist; zu einem Weg gehören auch die in seinem Zug befindlichen und dem Verkehr dienenden Anlagen, wie besonders Brücken, Stützmauern, Futtermauern, Durchlässe, Gräben und Pflanzungen. Ob der Zustand eines Weges mangelhaft ist, richtet sich danach, was nach der Art des We- ges, besonders nach seiner Widmung, für seine Anlage und Betreuung angemessen und zumutbar ist.“ 29 „Wird durch den mangelhaften Zustand eines Weges ein Mensch getötet, an seinem Körper oder an seiner Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt, so haftet derjenige für den Ersatz des Schadens, der für den ordnungsgemäßen Zustand des Weges als Halter verantwortlich ist, sofern er oder einer seiner Leute den Mangel vorsätzlich oder grobfahrlässig verschuldet hat.“30 Diese Vorgaben müssen in den Gesetzen der unterschiedlichen Infrastrukturbetreiber berück- sichtigt und eingehalten werden. 4.4.2 Salzburger Raumordnungsgesetz 2009 (SROG) Grundsätzlich beinhaltet das Salzburger Raumordnungsgesetz einige grundlegende Bestim- mungen, welche sich auf Naturereignisse und in weiterer Folge auch auf den Umgang mit Infra- struktureinrichtungen beziehen. So wird in Paragraph 2 beispielweise gefordert, den Schutz der Bevölkerung vor Gefährdung durch Naturgewalten sowie Unglücken außergewöhnlichen Um- fangs durch geeignete Standortwahl dauergenutzter Einrichtungen sowie benötigte Schutzmaß- nahmen sicherzustellen. Eine grundlegende Aussage zum Schutz vor Naturgefahren wird in Paragraph 2, welcher sich mit Raumordnungszielen und -grundsätzen beschäftigt, gemacht. Dieser besagt, dass die Bevöl- kerung vor Gefährdung durch Naturgewalten und Unglücksfällen außergewöhnlichen Umfangs zu schützen sowie vor Umweltschäden, -gefährdungen und -belastungen durch richtige Stand- ortwahl dauergenutzter Einrichtungen und durch Schutzmaßnahmen bestmöglich zu bewahren ist. Im Hinblick auf den Straßenbau wird vorgeschrieben, Straßen so zu bauen und zu erhalten, dass sie vor Gefahren, die von Elementarereignissen ausgehen können, gewahrt werden.31 29 ABGB, § 1319a Abs. 2 30 AGBG, § 1319a. Abs. 1 31 SROG, §5 Abs. 1 242
Infrastruktureinrichtungen und Naturgefahren Schweiger | Swoboda | Tanzer Ebenso wird im Flächenwidmungsplan festgelegt, dass keine Flächen als Bauland ausgewiesen werden dürfen, die aufgrund ungünstiger natürlicher Gegebenheiten im Gefährdungsbereich von Hochwasser, Lawinen, Murgängen, Steinschlag und dergleichen liegen oder die für den Hochwasserabfluss oder als Hochwasserrückhalteräume freigehalten werden müssen.32 Abgesehen davon gibt es keine weiteren Aussagen, die sich auf die Infrastrukturbestimmungen hinsichtlich Naturgefahren beziehen. 4.5 Schutzmaßnahmen Unter Schutzmaßnahmen versteht man die Summe aller Maßnahmen, mit denen die Sicherheit gegenüber Naturgefahren erhöht wird.33 Der präventiven Planung zum Schutz vor Naturgefah- ren wird auf fachpolitischer Ebene der Vorzug eingeräumt, allerdings gelten in der Öffentlich- keit Technische Schutzmaßnahmen als „wirkungsvollere“ Maßnahmen im Schutz gegen die Na- turgefahren. 34 Wie oben bereits erwähnt, unterscheidet man zwischen aktiven und passiven Gefahrenschutz, im Bereich der Schutzwirkung differenziert man zwischen permanent und temporär. Abbildung 5: Systematik der Schutzmaßnahmen (Quelle: BERGMEISTER et al., 2009, In: HÜBL et al., 2011, S. 78). 4.5.1 Passive Maßnahmen Die passiven Maßnahmen, insbesondere die Prävention durch Planung, spielt eine große Rolle im Naturgefahrenmanagement. Dabei geht es nicht nur um die Visualisierung von Gefahren 32 SROG, §28 Abs. 3 Z 2 33 vgl. HÜBL et al. 2011, S. 78 34 vgl. RUDOLF-MIKLAU 2009, S. 129 243
Schweiger | Swoboda | Tanzer Infrastruktureinrichtungen und Naturgefahren (Gefahrenplanung) und Risiken (Risikoplanung), sondern darum, Gefahren und Risiken zu mi- nimieren. 35 Passiver Schutz bedeutet eine Reduktion der potenziellen Schäden und eine Reduktion der Schadensempfindlichkeit. 36 Als zentrale Schutzmaßnahmen mit permanenter Wirkung sind das integrale Risikomanage- ment sowie die Erstellung von Gefahrenzonenplänen und Abflussuntersuchungen zu sehen.37 Hinsichtlich Naturgefahren werden unterschiedliche räumliche Darstellungen von den Infra- strukturträgern verwendet. Bezeichnung Definition Gefahrenzonenpläne Lt. Forstgesetz 1975, fachliche Unterlage, die durch Höhe möglicher (WLV) Murablagerung, Tiefe des Abtrags, Dynamik des abfließenden Wassers, Druckbelastung durch Lawinen abgegrenzt werden. Flächenhaftes Gutachten über die Gefährdung durch Wildbäche, Lawinen und Ero- sion.38 (Neu-, Ausbau und Bestandsschutz) Gefahrenzonenpläne Lt. § 2 WBFG 1985, fachliche Unterlagen über die durch Überflutung, Vermurung und Rutschung – sofern durch Gewässer ausgelöst - gefähr- (BWV) deten Gebiete, sowie Bereiche, die für Schutzmaßnahmen freizuhalten sind oder einer besonderen Bewirtschaftung bedürfen. Sie dienen zur Planung, Projektierung sowie für Gutachten (Neu-, Ausbau und Be- standsschutz). 39 Gefahrenhinweis- Ziel dieser Karte ist die visuelle Darstellung von Hinweisbereichen ent- karte lang von Infrastruktureinrichtungen. Die Gefahrenhinweiskarten die- nen als Planungs- und Entscheidungsgrundlage für weiterführende Un- tersuchungen, Detailbeurteilungen und entsprechende Maßnahmen für den Schutz der Infrastrukturtrassen. Maßstab 1:25.000-1:1.000.00040 (Bestandsschutz). Risikokarten Die Risikokarte fungiert als Folgekarte einer Gefahrenkarte und er- gänzten Risikohinweiskarte. Quantitative Präsentation von differen- zierter Prozessinformation mit Intensität und Wiederkehrintervall mit möglichen Konsequenzen. Maßstab 1:5.000 – 1:250.000 (Bestands- schutz).41 Streckenaufnahmen Inventarkarte bzw. Karte der Phänomene – Geotechnische Problem- stellungen werden visualisiert und beschrieben. Maßstab 1:1.000 (Be- standsschutz).42 Tabelle 2: unterschiedliche Definitionen räumlicher Darstellungen (Quelle: Eigene Erstellung) 35 vgl. RUDOLF-MIKLAU 2009, S. 129 36 HÜBL et al. 2009, S. 84 37 vgl. HÜBL et al. 2009, S. 84 38 vgl. BMLFUW 2014, online 39 vgl. LAND SALZBURG 2015c, online 40 vgl. ÖROK 2015, S. 213,216 41 vgl. ÖROK 2015, S. 200 42 vgl. ÖROK 2015, S. 200 244
Infrastruktureinrichtungen und Naturgefahren Schweiger | Swoboda | Tanzer 4.5.2 Aktive Schutzmaßnahmen Forstliche Maßnahmen Bei den Forstlichen Maßnahmen dient der Wald als Schutz vor Naturgefahren. Diese Maßnah- men beinhalten Aufforstung von Bruch- und Rutschungsflächen, die Schutzwaldpflege, die Schutzwaldbewirtschaftung sowie die Hochlagenaufforstung.43 Ingenieurbiologische Maßnahmen Bei den ingenieurbiologischen Maßnahmen werden Gerinne- sowie Hangverbauungen mit „le- benden“ pflanzlichen Baustoffen errichtet. Bei Rutschungsgefahr und als Erosionsschutz kom- men Hangverbauungen zum Einsatz. Die Gerinneverbauung dient dem Uferschutz sowie der Böschungssicherung.44 Technische Maßnahmen „Technische Schutzmaßnahmen bieten aktiven Schutz, indem sie direkt in den Naturprozess ein- greifen und entweder dessen Entstehung verhindern oder seine Wirkung dämpfen bzw. sogar voll- ständig eindämmen.“ 45 Durch die direkte Wirkung auf den Prozess verringern Schutzbauwerke die Eintrittswahrschein- lichkeit von Naturgefahren. Je näher die Maßnahmen ihre Wirkung am Gefahrenherd ansetzen, desto effizienter sind sie. Allerdings ergeben sich aufgrund der topografischen Verhältnisse tech- nische und wirtschaftliche Grenzen hinsichtlich der Maßnahmen. Als letztmögliche Schutz- maßnahme sollen technische Maßnahmen in Betracht gezogen werden. 46 Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten hinsichtlich Technischen Maßnahmen – von Rückhalte- becken, Dämmen über Talsperren und der Steigerung der Abflussleistung bis hin zu mobilen Hochwasserschutzmaßnahmen. 47 Im Folgenden werden die verschiedenen Wirkungsprinzipien, die bei technischen Schutzmaß- nahmen zur Anwendung kommen, kurz dargestellt. 43 vgl. HÜBL et al. 2011, S. 80 44 vgl. HÜBL et al. 2011, S. 81 45 RUDOLF-MIKLAU 2009, S. 149 46 vgl. RUDOLF-MIKLAU 2009, S. 149 47 vgl. HÜBL et al., 2011, S.79 245
Schweiger | Swoboda | Tanzer Infrastruktureinrichtungen und Naturgefahren Abbildung 6: Übersicht über Schutzbauwerke (Quelle: BERGMEISTER et al., 2009, In: HÜBL et al. 2011). „Bei der Planung von Schutzmaßnahmen ist ein aus einer möglichen Gefahr resultierendes Scha- denspotenzial für eine bestehende oder geplante Nutzung zu erheben und das daraus entstehende Schutzziel zu definieren.“ 48 Maßnahmen Wirkungsprinzipien Ableitung (Regulierung) Fließprozesse (Hochwasser) werden am kürzesten Weg kanalisiert am Gefahrengebiet vorbeigeleitet Stabilisierung (Konsolidierung) Stabilisierung labiler Hänge und tief eingeschnit- tener Wildbäche Umgehung (Bypass) Fließprozesse werden am Gefahrengebiet sicher vorbeigeführt Retention Rückhalt von Wasser und Feststoffen oberhalb des Gefahrenbereiches Dosierung Vorübergehende Rückhaltung von Hochwasser und dosierte Abgabe an den Unterlauf Bremsung Energiereiche Prozesse können durch Bauwerke gebremst werden (Steinschlag, Muren, Lawinen) Ablenkung Wirkungsrichtung wird vom Gefahrengebiet ab- gelenkt Anbruchverbau Anbruch wird durch technische Maßnahmen ver- hindert (Lawinen, Felssturz, Rutschungen Eosion) Tabelle 3: Wirkungsprinzipien bei technischen Schutzmaßnahmen (Quelle: RUDOLF-MIKLAU 2009, S. 149). 48 vgl. HÜBL et al. 2011, S. 79 246
Infrastruktureinrichtungen und Naturgefahren Schweiger | Swoboda | Tanzer 5. Naturgefahren im Kontext der Fachplanungen 5.1 Überblick Verkehrsflächen und Dauersiedlungsraum Folgende Tabelle zeigt den allgemeinen Verkehrsflächenanteil der einzelnen Bundesländer in Bezug zum Dauersiedlungsraum und der Gesamtfläche. Bundes- Fläche Dauersiedlungs- Anteil Dauersiedlungs- Verkehrsflä- Anteil Verkehrsfläche am land (km2) raum (km2) raum an Fläche (%) che (km2) Dauersiedlungsraum (%) W 414,65 333,52 80,4 56,5 16,9 NÖ 19.186,26 11.594,08 60,4 624,4 5,4 Bgl 3.961,80 2.514,79 63,5 151,8 6,0 OÖ 11.979,91 6.835,75 57,1 353,1 5,2 Sbg 7.156,03 1.451,43 20,3 102,9 7,1 Stm 16.401,04 5.192,35 31,7 355,1 6,8 Ktn 9.538,01 2.446,91 25,7 194,3 7,9 T 12.640,17 1.502,97 11,9 134,6 9,0 Vbg 2.601,12 567,73 21,8 45,9 8,1 A 83.878,99 32.439,53 38,7 2.018,6 6,2 Tabelle 4: Dauersiedlungsraum und Verkehrsflächenanteil (Quelle: BMVIT 2015b, S. 3; modifiziert). Bemerkenswert ist, dass Niederösterreich über mehr als ein Drittel des gesamtösterreichischen Dauersiedlungsraumes (11.594,08 km2) verfügt und in Wien knapp mehr als 80 % der gesamten Fläche als Dauersiedlungsraum zur Verfügung stehen. Das andere Extrem stellt Tirol dar, wo nur 11,9 % der gesamten Fläche als Dauersiedlungsraum genutzt werden können. Auch Salzburg weist mit 20,3 % Anteil Dauersiedlungsraum an der Gesamtfläche des Bundeslandes einen un- terdurchschnittlichen Wert auf. Beim Anteil der vorhandenen Verkehrsflächen, bezogen auf den Dauersiedlungsraum, zeigt sich, dass in Wien der vorhandene Dauersiedlungsraum relativ gesehen am stärksten (16,9 %) und Niederösterreich am wenigsten (5,4 %) mit verkehrlichen Anlagen verbaut ist, was aufgrund der unterschiedlichen Größe der Bundesländer jedoch zu erwarten war. In Tirol sind bereits 9 % des ohnehin spärlich vorhandenen Dauersiedlungsraums Verkehrsflächen. Für Salzburg beträgt dieser Wert 7,1 % und ist damit ebenfalls über dem gesamtösterreichischen Durchschnitt (6,2 %). 247
Schweiger | Swoboda | Tanzer Infrastruktureinrichtungen und Naturgefahren 5.2 Österreichische Bundesbahnen - Infrastruktur AG Bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts, mit Errichtung der ersten gebirgsüberquerenden Eisen- bahnstrecke in Österreich, waren Naturereignisse für die Eisenbahn ein Thema. Es wurden die Art des Ereignisses, die Dauer der Streckenunterbrechung sowie der Schaden – aber auch die Verletzten oder zu Tode gekommene Personen – dokumentiert und aufgezeichnet. Im 20. Jahr- hundert wurden zusätzlich zu den textlichen Aufzeichnungen auch kartographische Dokumen- tationen angelegt. Sehr übersichtlich war die Darstellung im linearen Streckenschaubild, in dem Lawinenkataster, Wildbäche, Schutzverbauungen, Waldzustände, geplante Maßnahmen und Ereignisse mit Streckenbezug visualisiert wurden.49 Die hochrangige Schieneninfrastruktur in Österreich liegt in der Verantwortung der Österrei- chischen Bundesbahnen (ÖBB) – Infrastruktur AG, die über die ÖBB-Holding AG zu 100 % im Eigentum des Bundes ist. Neben der Planung, Errichtung und Finanzierung der Schieneninfra- struktur zählt auch die Aufrechterhaltung des Betriebes zu den Aufgaben der ÖBB-Infrastruktur AG. Im Gegensatz zu den hohen Mauteinnahmen, die zur Refinanzierung der hochrangigen Straßeninfrastruktur verwendet werden können, stehen trotz Infrastrukturbenützungsentgelt für die Refinanzierung der Schieneninfrastruktur keine vergleichbar hohen Einnahmen zur Ver- fügung. Aus diesem Grund sind Zuschüsse vom Bund notwendig.50 Neben der von den Österreichischen Bundesbahnen verwalteten Schieneninfrastruktur, gibt es auch eine Vielzahl verschiedener privater Bahnstrecken. Insgesamt stehen laut Statistik Austria (siehe Tabelle 5) in Österreich 5.651 km Schiene zur Verfügung, wobei im Jahr 2013 rund 5.531 km in Betrieb waren. Mit Ende des Jahres 2014 lagen rund 4.865 Streckenkilometer des österreichischen Schienennet- zes, zusätzlich 2.053 km 110-kV/132-kV Bahnstromleitungen, 248 Tunnel und 6.335 Brücken im Verantwortungsbereich der ÖBB Infrastruktur AG.51 49 vgl. BMLFUW 2012, online 50 vgl. BMVIT 2012, online 51 vgl. ÖBB INFRASTRUKTUR AG 2015, online 248
Infrastruktureinrichtungen und Naturgefahren Schweiger | Swoboda | Tanzer Streckenlänge nach Art der Gleise / Spurweite Baulänge in Betriebslänge in km km Streckenlänge nach Art der Gleise Insgesamt 2013 5.651 5.531 eingleisig 3.583 3.473 zweigleisig 2.068 2.058 Streckenlänge nach Spurweite Insgesamt 2013 5.651 5.531 Regelspur (European Standard Gauge, 1.435 mm) 5.336 5.222 Hauptbahnen 2.781 2.759 Nebenbahnen 2.554 2.463 Schmalspur 316 309 1) Erfasst sind Eisenbahninfrastrukturunternehmen bzw. integrierte Eisenbahnunternehmen im Sinne des Eisenbahngesetzes 1957 idgF. mit Sitz in Österreich. Tabelle 5: Schieneninfrastruktur in Österreich 2003 (Quelle: STATISTIK AUSTRIA 2014; modifiziert). Abbildung 7: Schienennetz Österreich (Quelle: http://www.bueker.net/trainspotting/map.php?file=maps/aus- trian-network/austrian-network.gif). Die Österreichischen Bundesbahnen haben zahlreiche Betriebsstandorte im gesamten Bundes- gebiet. Bei den unterschiedlichen Aufgaben gelten Lawinen, Steinschlag, Muren und Hochwas- ser zu den Naturgefahrenkompetenzen des Unternehmens. Die Rechtsgrundlagen sind veran- kert im Bundesbahngesetz BGBI Nr 825/1992 idgF. sowie im Eisenbahngesetz BGBI Nr 60/1957 idgF. (EisBG).52 Gesetzliche Vorgaben für Eisenbahnanlagen fallen unter den Kompetenzbereich des Bundes. Der Staat ist für die Gesetzgebung sowie für die Vollziehung verantwortlich und 52 vgl. RUDOLF-MIKLAU 2009, S. 89 249
Schweiger | Swoboda | Tanzer Infrastruktureinrichtungen und Naturgefahren ebenfalls zur hoheitlichen Planung in diesen Angelegenheiten befugt.53 Grundsätzlich sieht das Eisenbahnrecht keine planerischen und gebietsbezogenen Festlegungen seitens der Hoheitsver- waltung vor; vielmehr geht es um die Erstellung von Bescheiden, welche für den Aus- und Neu- bau sowie für den Betrieb von Nöten sind. Im Falle von Hochleistungsstecken wird diesem ei- senbahnrechtlichen Baugenehmigungsverfahren jedoch ein Trassenfestlegungsverfahren vorge- reiht.54 Wie eingangs bereits erwähnt, ist der Eigentümer des Unternehmens ÖBB der Staat Österreich und unterliegt im Weiteren dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie. Die Leistungen der ÖBB beinhalten die Errichtung, den Erhalt sowie die Überwachung von Schutzbauwerken, die der Sicherung der Eisenbahnlinien dienen. Ebenfalls zählen die Bewirt- schaftung der Schutz- und Bannwälder, welche für den sicheren Bahnbetrieb von Nöten sind, sowie die Frühwarnung und Naturgefahrenbeobachtung zum Schutz der Bahnanlagen zu den Leistungen des Unternehmens. Aber auch die Katastrophenbekämpfung an den Eisenbahnan- lagen zählt zum Tätigkeitsfeld der ÖBB.55 5.2.1 Aus- und Neubau „Investitionen in die Eisenbahninfrastruktur erfordern zunehmend längere Planungs- und Errich- tungszeiträume und weisen eine Lebensdauer über mehrere Generationen auf… Langfristigkeit und Systemnutzen erfordern daher einen integrierten, stabilen, weit vorausschauenden Plan für die Umsetzung von Infrastrukturvorhaben.“ 56 Im Unternehmen ÖBB ist die ÖBB-Infrastruktur AG für eine bedarfsgerechte und sichere Infra- struktur – einschließlich Hochleistungsstrecken – verantwortlich. Dies impliziert die Planung, Instandhaltung, Errichtung sowie die Bereitstellung der Schieneninfrastruktur.57 Hinsichtlich Errichtung ist beim Bau oder bei Veränderung von Eisenbahnanlagen eine eisenbahnrechtliche Baugenehmigung erforderlich. Um eine entsprechende Genehmigung zu erlangen, ist ein an- tragsbedürftiger Verwaltungsakt einzubringen. Diesem Antrag muss ein Bauentwurf beigelegt werden. Zudem sind in der Nähe der Eisenbahntrasse befindlichen Bauten, Verkehrsanlagen, Wasserläufe und Leitungsanlagen ersichtlich zu machen. Ebenfalls müssen erhebliche Auswir- kungen des Bauvorhabens auf die Umgebung dargelegt werden.58 Bei der Neuerrichtung von Trassen ist das Thema der Naturgefahren ein Parameter von vielen und ist nicht alleine ausschlaggebend für eine eisenbahnrechtliche Baugenehmigung. Eisen- bahnunternehmen sind dazu verpflichtet „Eisenbahnanlagen und Betriebsmittel unter Berück- sichtigung der Sicherheit, der Ordnung und der Erfordernisse des Betriebes der Eisenbahn und des Verkehrs auf der Eisenbahn zu bauen, zu erhalten, zu ergänzen und nach Maßgabe der Rechtsvor- schriften erforderlichen Konzessionen, Genehmigungen und Bewilligungen zu betreiben und hat diesbezüglich die notwendigen Vorkehrungen zu treffen.“59 Es gibt für Neu- und Ausbautätigkei- ten von Eisenbahntrassen hinsichtlich Naturgefahren keine Auflagen seitens der Behörde. Na- turgefahren werden bei der Variantendiskussion berücksichtigt, erhalten allerdings keinen ge- sonderten Stellenwert. Bei den unterschiedlichen Varianten dienen die Gefahrenzonenpläne der 53 vgl. B-VG Art 10 Abs. 1 Z 9 oder ÖROK 2013, S. 24 54 vgl. ÖROK 2013, S. 31 55 vgl. RUDOLF-MIKLAU 2009, S. 89 56 ÖBB-Infrastruktur: Zielnetz 2025+der ÖBB-Infrastruktur AG, 2011, S. 7. 57 vgl. BUNDESBAHNGESETZ, § 31 58 vgl. EISENBAHNGESETZ 1957, § 31 59 EISENBAHNGESETZ 1957, §19 250
Infrastruktureinrichtungen und Naturgefahren Schweiger | Swoboda | Tanzer Bundeswasserbauverwaltung und der Wildbach- und Lawinenverbauung als Planungsgrund- lage. Die BWV sowie die WLV haben bei Trassenplanung als Sachverständige Recht auf Stel- lungnahme. Allerdings spielen bei Neutrassierung viele unterschiedliche Themenbereiche (Na- turschutz, Lärm, Naturgefahren usw.) eine große Rolle. Die verschiedenen Varianten werden einer Kosten-Nutzen-Analyse unterzogen, bewertet – und aufbauend auf diese Analyse fällt die Entscheidung für eine Trasse. Bei Trassenausbauten gilt der Bestand als Ausgangslage und es werden überwiegend technische Maßnahmen getätigt, um die Infrastruktur vor Naturgefahren zu schützen. Hierbei gilt immer die Prämisse, dass die Anlage entsprechend dem Stand der Technik geschützt werden muss. Beinahe alle Planungs- und Bautätigkeiten (ausgenommen Oberbau und Kabelarbeiten) werden von der ÖBB-Infrastruktur AG an externe Planungsbüros nach Bundesvergabegesetz ausgela- gert. Allerdings haben diese Planungsbüros oftmals lediglich die Aufgabe, die vordefinierten Maßnahmen der ÖBB umzusetzen.60 5.2.2 Bestandsschutz In der Unternehmensstruktur der ÖBB Infrastruktur AG sind die Tätigkeiten in Bezug auf Na- turgefahren der Abteilung „Geotechnik und Naturgefahrenmanagement“ zugewiesen. Im Spezi- ellen unterliegen die Planung und Umsetzung von technischen Maßnahmen und Anlagen der Abteilung „Geotechnik“, welche weitere technische Maßnahmen auch bei anderen Bahnanlagen festlegt und plant. Als Grundlage, um Maßnahmen zu definieren, werden die Gefahrenzonen- pläne der Länder verwendet. An sensiblen Streckenabschnitten wird ÖBB-intern das mögliche Auftreten von Naturgefahren betrachtet. Weitere Schritte werden bedarfsorientiert und immer unter den Gesichtspunkt des sicheren Bahnbetriebs festgelegt. 61 „Die innerhalb des Gefährdungsbereiches durch Naturereignisse (wie Lawinen, Erdrutsch, natürli- cher Pflanzenwuchs) eingetretenen Gefährdungen der Eisenbahn (§ 43 Abs. 1) sind vom Eisenbahn- unternehmen zu beseitigen. Wenn der Verfügungsberechtigte hierzu seine Zustimmung verwei- gert, so hat ihm die Bezirksverwaltungsbehörde auf Antrag des Eisenbahnunternehmens die Dul- dung der Beseitigung aufzutragen.“62 Die ÖBB unterscheiden bei den unterschiedlichen Maßnahmen zwischen aktiven und passiven Schutzmaßnahmen. Allerdings definieren die ÖBB mit aktiven Maßnahmen den Schutz direkt am Bahnkörper. Unter „passiv“ wird der externe Schutz (nicht direkt am Bahnkörper) verstan- den.63 In diesem Bericht wird, um die Lesbarkeit nicht zu erschweren, auf die ÖBB-Definition verzichtet. 60 vgl. STERN 2015, Interview 61 vgl. STERN 2015, E-Mail Korrespondenz 62 vgl. EISENBAHNGESETZ 1957, §45 63 vgl. STERN 2015, E-Mail Korrespondenz 251
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